Neubau Umweltbundesamt Dessau Der Neubau des Umweltbundesamtes (UBA) in Dessau fällt auf. Angelegt als farbenfrohes, sanft geschwungenes „Band“ aus den Materialien Holz, Metall und Glas prägt der Gebäudekomplex das ganze Areal. Auch in Sachen Energieeffizienz und Ökologie hat das von Sauerbruch Hutton Architekten geplante Gebäude einige Ambitionen. Das langgestreckte Atrium im Neubau ist ein begrünter, geschützter Raum und dient zugleich als Wärmepuffer. Als EnOB-Modellprojekt wurde das Gebäude einem intensiven wissenschaftlichen Monitoring unterzogen. 1992 hatte die Föderalismuskommission die Verlegung des UBA von Berlin nach Dessau beschlossen. 13 Jahre später wurde der Umzug nach Dessau abgeschlossen. Der Anspruch, einen ökologischen © bitterbredt.de Musterbau mit hohen energetischen Zielen zu versehen, war hoch und nicht einfach umzusetzen. Die Umsetzung eines komplexen Versorgungskonzeptes mit einer Vielzahl von neuartigen regenerativen Energieerzeugungsquellen sollte mit konkreten Zielwerten versehen und deren Erreichung angestrebt werden. Gebäudesteckbrief Projektstatus Optimiert Standort Am Wörlitzer Platz 1, 06844 Dessau-Roßlau, Sachsen-Anhalt Baufertigstellung Mai 2005 Inbetriebnahme Mai 2005 Bauherr Umweltbundesamt (+ Nutzer/Investor) Bruttogrundfläche 38.157 m2 Beheizte Nettogrundfläche 25.761 m2 Bruttorauminhalt 190.543 m3 Arbeitsplätze 800 A/V 0,30 m2/m3 Schwerpunkte Wärmeschutz, Fassadensysteme, Atrium, Tageslichtplanung, Tageslichtsysteme, Optimierte Beleuchtung, Lüftung + WRG, Aktive Kühlung, Regenerative + passive Kühlung, Kraft-Wärme-Kopplung, Wärme-/Kälte-Verbund, Solarthermie, Photovoltaik, Baustoffökologie, Energetische Betriebsoptimierung Projektbeschreibung Die Standortentscheidung für den Neubau des Umweltbundesamts fiel 1992 aufgrund einer Empfehlung der Föderalismuskommission auf Dessau. 1997 wurde ein Wettbewerb durchgeführt, es sollte ein ökologisch vorbildliches Gebäude entstehen mit hohen Ansprüchen an Energieeffizienz und der Nutzung regenerativer Energien. Am 11. Mai 2005 wurde das Gebäude eröffnet. Jetzt arbeiten im neuen Dienstgebäude mehr als 750 Mitarbeiter. Einige Teile des UBA verbleiben allerdings in Berlin, unter anderem die Labore sowie die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt). Zudem gibt es Außenstellen des Amtes in Langen (Hessen) und Bad Elster (Sachsen). Der Bau steht in zentraler städtebaulicher Lage und zugleich im Umfeld des ehemaligen Industriegebiets „Gasviertel“. Der Boden war stark kontaminiert und musste daher größtenteils gereinigt und ausgetauscht werden. Diese sehr aufwändigen Maßnahmen wurden für den Einbau eines sehr großen Luft-Erdregisters genutzt. Das Hauptgebäude besteht aus einem viergeschossigen Bürotrakt mit Atrium und Forum, das so angeordnet ist, dass sich in der Form eine „Gebäudeschlange“ ergibt. Das Forum ist der zentrale Bereich mit dem Eingang und allen öffentlichen Einrichtungen. Das Raumkonzept setzt sich aus kleinen, gleich gestalteten Einzelbüros zusammen, die mit größeren Gemeinschafts- und Service-Flächen kombiniert werden. An den Bürotrakt grenzt der Neu- und Bestandsbau der Bibliothek an. Weitere Bestandteile der Anlage sind die Kantine und der Wörlitzer Bahnhof. Das gesamte umbaute Volumen beträgt ca. 200.000 m³. Das Gebäude bietet Platz für 790 zusammen, die mit größeren Gemeinschafts- und Service-Flächen kombiniert werden. An den Bürotrakt grenzt der Neu- und Bestandsbau der Bibliothek an. Weitere Bestandteile der Anlage sind die Kantine und der Wörlitzer Bahnhof. Das gesamte umbaute Volumen beträgt ca. 200.000 m³. Das Gebäude bietet Platz für 790 Mitarbeiter. Der Planungsprozess war gekennzeichnet durch umfangreiche konzeptionelle Analysen und Simulationen zur Umsetzung der ökologischen Ziele. Grundlage dafür war ein Pflichtenheft für einen unter ökologischen Aspekten mustergültigen Neubau. Expertengremien berieten den Bauherrn und die Planer zur rationellen Energieverwendung, zum ökologischen Baustoffeinsatz, zum Bodenschutz, zur Raumlufthygiene und vieles mehr. Die Anlagentechnik war für damalige Verhältnisse ausgesprochen komplex und innovativ: Nutzung solarer Kälte, hybrides Konzept für Kühlung und Lüftung mit Erdwärmetauscher. Forschungsfokus Die solare Kühlung besteht aus einer Absorptionskälteanlage mit Bedarfsbefeuchtung (Osmoseanlage), welche durch ein Rückkühlwerk auf dem Dach des Gebäudes realisiert wurde. Gleichzeitig dient dieser Michelbach-Kühlturm bei einer Feuchtkugeltemperatur unter 12°C als freie Kühlung. 2.000 Heatpipe-Vakuumröhren liefern Wärme für die Absorptionskälteanlage und als Backup gibt es eine Versorgung mit Fernwärme. Um einen wirtschaftlichen und ökologisch nachhaltigen Betrieb der solaren Kühlung sicherzustellen, mussten anfangs die Anlagenkomponenten in einem aufwendigen Prozess aufeinander abgestimmt werden. Ergebnis war eine optimierte Regelungsstrategie, welche in der Gebäudeautomation implementiert wurde. Der Erdreich-Luft-Wärmetauscher stellte mit insgesamt 5.100 Metern Länge und einer Verlegung in bis zu 4 Metern Tiefe die bis dato weltweit größte Anlage diesen Typs dar. Die Konsequenzen für die Hygiene, das Erdreich und Qualität und Wirtschaftlichkeit waren trotz der vorab durchgeführten Simulationen im realen Betrieb zu untersuchen. Aus den Analysen von Luftqualität, Erdreich, Grundwasser (Bewegung, Geschwindigkeit und Höhe) und Wirtschaftlichkeit des Anlagenbetriebs resultierten verschiedene Anpassungen im Anlagenbetrieb. Gebäudekonzept Das Hauptgebäude besteht aus einer Stahlbetonskelettkonstruktion mit Flachdecken und einem Stützenraster von 5,50 m. Die Decken bleiben unverkleidet. Elektro-, Daten- und Kabelschächte sind in Bodenkanäle integriert. Das Atrium und das Forum sind mit einem Nord-Süd ausgerichteten Sheddach verglast. In das Forumdach ist eine Photovoltaik-Anlage integriert, beide Glasdächer besitzen einen innen liegenden, textilen Sonnenschutz. Die Außenfassade des Hauptgebäudes ist als Elementfassade mit einer Holztafelkonstruktion konzipiert. Horizontale Holzbänder verkleiden den Brüstungs- und Sturzbereich. Das Fensterband teilt sich in transparente und farbige Bereiche. Diese Zone enthält öffenbare Fenster, opake Nachtlüftungselemente als Drehflügel und glasverkleidete Wandstücke. Die Fenster ( U-Wert 1,2 W/m²K) besitzen eine weitere, außen liegende Einfachverglasung, hinter der sich der Sonnenschutz befindet. Der Verglasungsanteil der Außenfassade beträgt 35%. Die Innenfassade zu Atrium und Forum besteht ebenfalls aus Holzelementen. Die Fenster zum Atrium (U-Wert 1,3 W/m²K) besitzen einen innen liegenden Blendschutz. Das Hauptgebäude ist viergeschossig, alle anderen Gebäude weisen ein bis drei Geschosse auf. Das Bürohauptgebäude ist vollflächig unterkellert: 15% des Kellers werden beheizt. Die Dächer von Hauptgebäude und Kantine sind teilweise begrünte Flachdächer. Aufgrund des hohen Verglasungsanteils der Fassade und der verglasten Überdachung im Forum reagiert das Mikroklima im Atrium recht sensibel. Im Sommer muss das Gebäude daher entwärmt und im Winter entfeuchtet werden. Ebenso stellen die großflächigen Fenster in allen Büros eine besondere Herausforderung dar. Dies gilt vor allem für die Vermeidung sommerlicher Erwärmung des Gebäudes. Zentrale Vorgabe in der Planung war die Verwendung von Low-Tec. Mit minimalem monetären und technischen Aufwand sollte ein Maximum an Komfort erzielt werden. Gleichzeitig sollten nur ökologisch nachhaltige Bauprodukte verwendet werden, die nach ihrem Lebenszyklus problemlos recycelt werden können. Bei all dem sollten die kalkulierten Baukosten eingehalten werden. Energiekonzept Das Energiekonzept realisiert die Unterschreitung der damals verbindlichen Wärmeschutzverordnung 1995 um mehr als 50%, die Begrenzung des gesamten Elektroenergiebedarfes auf max. 40 kWh/m²a (bezogen auf die Nettogrundfläche) und die Deckung des gesamten Energiebedarfs zu mindestens 15% aus regenerativen Energiequellen. Das Gebäude wird im Wesentlichen mit Fernwärme beheizt. Die Zuluft der Büros wird bei kalten oder heißen Außentemperaturen über ein Erdregister konditioniert. Die Gesamtlänge des Rohrleitungsfeldes beträgt ca. 5.100 m. Die Zu- und Abluftanlagen für den Bürobereich verfügen über Systeme zur Wärmerückgewinnung mit einer Rückwärmzahl von bis zu 74%. Eine solargestützte Kälteerzeugung sorgt für die Kühlung der EDV Räume und des Hörsaals. Dabei wird in einer Absorptionskältemaschine durch Absorption des Kältemittels (Wasser) in eine salzige Lösung der gewünschte Kühleffekt bewirkt. Die Trennung der salzigen Lösung vom Wasserdampf erfolgt primär durch solar erwärmtes Heißwasser, das eine thermische Solaranlage mit etwa 310 Räume und des Hörsaals. Dabei wird in einer Absorptionskältemaschine durch Absorption des Kältemittels (Wasser) in eine salzige Lösung der gewünschte Kühleffekt bewirkt. Die Trennung der salzigen Lösung vom Wasserdampf erfolgt primär durch solar erwärmtes Heißwasser, das eine thermische Solaranlage mit etwa 310 m² Brutto-Kollektorfläche (Typ: Heatpipe) liefert. In die Verglasung des Sheddachs über dem Forum ist als Sonnenschutz eine Solarstromanlage mit einer Fläche von 388 m² (brutto) und einer Leistung von 32 kWp integriert. Im Jahr 2010 wurde aus Konjunkturpaket-II-Mitteln eine 267 m² große PV-Anlage mit einer Leistung von 68 kWp auf dem Flachdach des Gebäudes nachgerüstet. Heizung und Lüftung Winter Die Wärme wird in den Büros über Plattenheizkörper mit Thermostatventilen verteilt. Alle Büros werden mechanisch be- und entlüftet. Ist die Außenlufttemperatur kleiner als 2°C wird sie vor ihrem Eintritt in die raumlufttechnischen Anlagen zur Vorerwärmung durch den Erdwärmetauscher geführt, mit der Wärmerückgewinnung weiter vorkonditioniert und mittels Fernwärme auf ein Temperaturniveau von etwa 23°C gebracht. Zwischen 2°C und 15°C Außentemperatur wird die Zuluft direkt angesaugt und über Wärmerückgewinnung und Fernwärme temperiert, da der Betrieb des Erdreich-Luft-Wärmetauschers hier nicht wirtschaftlich wäre. Im Gebäude führen die Zuluftrohre über der abgehängten Flurdecke in die Büros. Durch den geringen Überdruck in den Büros gelangt die Abluft durch schalldämmende Überströmelemente, die seitlich der Bürotür angeordnet sind, in den Flur. Auf den Fluren befinden sich etwa alle 50 m vertikale Abluftschächte, mit denen die Luft abgesaugt und nach Wärmerückgewinnung als Abluft das Gebäude verlässt. Das Atrium bzw. Forum wird im Winter nicht beheizt und nicht belüftet. Diese Bereiche sind nicht Teil der gedämmten Hülle. Übergangszeit Die Belüftung der Büros ist bei Außentemperaturen über 15°C über die Fenster möglich. Entlüftet werden die Büros wie im Winter, die Abluft verlässt das Gebäude über das Atrium. Die atriumsseitigen Büros können frei über das Atrium be- und entlüftet werden. Sommer Alle Büros werden mechanisch mit der über das Erdregister temperierten Luft belüftet – die Atriumbüros nur bei Außenlufttemperaturen über 25°C. Beispielsweise kann die Zuluft bei Außentemperaturen von 35°C auf etwa 19°C gekühlt werden. Die Entlüftung wird wie in der Übergangszeit gehandhabt. Die tagsüber in den Bauteilen gespeicherte Wärme wird mittels freier Nachtlüftung abgeführt. Dazu sind in den Außenbüros motorisch gesteuerte Nachtlüftungsklappen eingesetzt. Die Überströmöffnungen in den Fluren dienen dazu den Luftstrom in das Atrium zu führen. Angetrieben wird der Mechanismus durch den thermischen Auftrieb im Atrium. Durch das Öffnen der Bürotür kann die Luftwechselzahl merklich verbessert werden. Performance Das Dienstgebäude des Umweltbundesamtes in Dessau wurde im Jahr 2005 in Betrieb genommen. Seither ist das Gebäude wegen seiner auffälligen Architektur und seinem ökologischen Konzept auch ein Anziehungspunkt für eine Vielzahl von Besuchern aus dem In- und Ausland. Die energetische Performance und die Belange der Innenraumluft-Hygiene wurden im Rahmen eines wissenschaftlichen Monitorings betrachtet. Die Befragungen der Nutzer zeigen, dass eine hohe Akzeptanz besteht. Die Zufriedenheit der Gebäudenutzer mit den Komfortbedingungen ist "gut", so die Untersuchungsergebnisse des fbta vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Begleitung der Baumaßnahme zeigte, dass energieoptimiertes Bauen im Vergleich zum konventionellen Bauen einen höheren Aufwand bedeutet – von der Planungsphase über die Erstellung bis hin zum Betrieb des Gebäudes. Die Inbetriebnahme energieoptimierter Gebäude benötigt eine mindestens einjährige Phase der Einjustierung, um die Anlagensysteme aufeinander abzustimmen. Optimierungsmaßnahmen und –möglichkeiten Nach Inbetriebnahme des Gebäudes wurde einige zu optimierende Bereiche identifiziert: So beispielsweise die Anpassung der Betriebszeiten von raumlufttechnischen Anlagen an den tatsächlichen Bedarf oder die Optimierung der Wärmerückgewinnungssysteme einschließlich des Zusammenspiels mit dem Erdwärmetauscher und die Optimierung der Kälteerzeugung. So wurde auch beispielsweise eine Adsorptionskältemaschine mit einem COP von 0,35 gegen eine neue, erheblich effizientere Absorptionskältemaschine mit einem COP von 0,74 ausgetauscht. Mit Hilfe dieser und weiterer Maßnahmen konnten im Jahr 2008, also 2-3 Jahre nach Inbetriebnahme, die Planungszielwerte im praktischen Gebäudebetrieb nahezu erreicht werden. Während der Stromverbrauch genau dem Erwartungswert entspricht, gibt es beim Wärmeverbrauch eine leichte Überschreitung im einstelligen Prozentbereich. Die Vermeidung sommerlicher Überhitzung des Gebäudes ist bei der doch großflächigen Verglasung der Büros besonders schwierig, weil nur manuell bedienbare, außen liegende Jalousien zur Verfügung stehen. Mit intensiven Mitarbeiterschulungen konnte das Raumklima sukzessive verbessert werden. Im Verlauf des Projekts wurde eine feste Stelle (50 Prozent) für das Management der Gebäudeleittechnik geschaffen. Baukosten und Wirtschaftlichkeit Die Baukosten waren in der Planung mit ca. 68 Mio. € veranschlagt. Die tatsächlichen entstandenen Kosten liegen in dieser Größenordnung. Auszeichnung Dem Gebäude wurde das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen (Zertifikat in Gold) der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB) verliehen. Energiekennzahlen Energiekennzahlen nach EnEV (in kWh/m2a) Heizwärmebedarf 36,70 Primärenergie Wärme 36,90 Primärenergie gesamt 87,40 Gemessene Energiekennwerte (in kWh/m2a) Endenergie Wärme 50,30 Primärenergie gesamt 143,10 Endenergie Strom (nach DIN V 18599) 21,20 Endenergie Strom gesamt 41,50 Primärenergie Strom und Wärme (nach DIN V 18599) 90,30 Endenergie Strom Bürobeleuchtung 8,60 Endenergie Strom Raumlufttechnik 6,10 Bezugsfläche ist jeweils die Nettogrundfläche. Werte für 2012. Kosten für die Realisierung Realisierungskosten in €/m2 Baukonstruktion (KG 300) 1.043 Technische Anlage (KG 400) 352 Hierbei handelt es sich um eine/n Kostenfeststellung Bauwerkskosten netto nach DIN 276 bezogen auf die Bruttogrundfläche (BGF) nach DIN 277 Kosten für den Betrieb Betriebskosten in €/m2a Energiebezug gesamt 10,10 Heizung 4,09 Strombezug gesamt 6,01 Weitere Daten und Kennwerte zu diesem Projekt Abschließender Projektbericht zu diesem Projekt (PDF, 13.3 MB) Dieses Projekt wird im Rahmen der Forschungsinitiative EnOB gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Weitere Informationen unter www.enob.info.