Britisches Pfund (Stand: 03.05.2017) Monatlicher Währungsbericht und Prognose unseres externen Analysten Thomas Neis 1 Aktuelle Situation Am Tag der Verkündung einer Neuwahl für Großbritannien hat der internationale Währungsfonds seine Wachstumsprognose für das Vereinigte Königreich nach oben korrigiert. Damit sind praktisch alle Korrekturen, die der IWF wegen der Risiken des Brexit-Votums vorgenommen hat, wieder aufgehoben. Der Prognose zufolge wird Großbritanniens Wirtschaft im laufenden Jahr um 2 % wachsen. Dieses ist ein halber Prozentpunkt mehr, als der IWF noch im Januar vorhergesehen hatte und fast ein Prozentpunkt mehr als in der Prognose vom Oktober vergangenen Jahres. Damit würde die Wirtschaft des Königreiches in diesem Jahr auch schneller als die der anderen großen EU-Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich und Italien sowie schneller als der Durchschnitt der Eurozone wachsen. Im nächsten Jahr sieht der IWF für Großbritannien allerdings nur noch einen Anstieg um 1,5 %. Das Wachstum sei nach Ansicht des IWF vor allem auf privaten Konsum gestützt. Die IWF-Experten erwarten, dass sich dieses zugunsten einer höheren Sparquote bald ändern werde. Zudem unterliege Großbritannien dem Risiko, dass im Zuge des Brexits wichtige Institutionen des Londoner Finanzplatzes an andere Orte in Europa wechseln. Das würde das Wirtschaftsverhalten und die Steuereinnahmen beeinflussen. Schaut man gegenwärtig auf die britische Wirtschaft, reibt man sich tatsächlich verwundert die Augen: Nicht nur die Arbeitslosenquote ist seit der Brexit-Entscheidung von 4,8 auf 4,5 % gesunken. Auch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist 2016 um ordentliche 1,8 % gewachsen, wobei das Wachstum in den beiden Quartalen nach der Brexit-Entscheidung sogar höher war als in den beiden Quartalen davor. Selbst die Brutto-Anlageinvestitionen verharren stabil auf hohem Niveau. Kurzum: Bisher scheint der anstehende Brexit keine gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen zu haben. Doch selbst wenn der Brexit ohne große Verwerfungen abläuft, steht die britische Volkswirtschaft mittelfristig vor großen Herausforderungen. So etwa die, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der britischen Wirtschaft zu verbessern. Denn diese nimmt bereits seit geraumer Zeit ab. Seit 1999 sind die Lohnstückkosten im Vereinigten Königreich um über 40 % gestiegen. Im EUDurchschnitt stiegen sie lediglich um 25 %, in Deutschland sogar nur um 15 %. Bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit wird die Abwertung des britischen Pfundes helfen. Allerdings ist das kein Allheilmittel. Denn bei einer Abwertung steigen die Importpreise, was wiederum die Inflation befeuert. Arbeitnehmer werden als Ausgleich höhere Löhne fordern. Das gilt insbesondere dann, wenn die Arbeitslosigkeit – wie gegenwärtig in Großbritannien – niedrig ist. Ein Teil der Wettbewerbsverbesserung wird so zunichte gemacht. Ausblick Eine große Herausforderung besteht darin, die hohe Konsumneigung der britischen Bevölkerung zu senken. Denn in den letzten fünf Jahren wurden jedes Jahr mehr als 100 % des verfügbaren Einkommens konsumiert. Eine so hohe Quote sieht man sonst nur in Krisenstaaten. Ein solcher kreditfinanzierter Konsum kann langfristig keinen Bestand haben. Ein Rückgang des Konsumniveaus ist unvermeidlich. Er wird sich dann negativ auf das BIP-Wachstum auswirken. Das belastet die britische Wirtschaft zusätzlich zu den Unsicherheiten des Brexits. Diese Situation zeigt sich nur bedingt im aktuellen Chartbild: Hier verstärkt sich nun der mittelfristige Aufwertungstrend, der den Kursverlauf des Pfundes seit vergangenem Oktober prägt. Es ist davon auszugehen, dass dieser Trend auch weiter kursbestimmend sein wird. Derzeit notiert das Pfund nahe der unteren Trendlinie. Im Rahmen dessen ist nun zunächst mit einer Gegenbewegung Richtung oberer Trendlinie geben. Diese Gegenbewegung sollte etwa bis zu einem Kursniveau von 0,87 EUR/GBP reichen. Danach ist Raum für weitere Kursgewinne. (Anmerkung: Die Darstellung der Kurs-Charts erfolgt in der am Devisenmarkt üblichen „Mengennotiz“ Ein Rückgang dieser Notierung bedeutet, dass die dargestellte Währung gegenüber dem Euro an Wert zunimmt. Ein Anstieg der Notierung bedeutet hingegen, dass die dargestellte Währung gegenüber dem Euro an Wert einbüßt.) 1- Quelle: Thomas Neis, Dipl-Bankbetriebswirt mit Analysten-Diplom der International Federation of Technical Analysts (IFTA). comdirect hält diese Quelle für zuverlässig. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben können weder comdirect noch Thomas Neis Gewährleistung übernehmen.