DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCMENSCHRIFT Nr.37 Ratschläge über Lwigenkrankheiten für den Praktiker. Von Och. Med.-Rat Prof. Dr. Uoldscheider. Akute Bronchitis. Bei jedem Falle von akuter Bronchitis ist zunächst festzustellen, ob dieselbe für sich besteht (primäre Bronchitis) oder ob sie als Begleiterscheinung oder Folge einer anderen Erkrankung (sekundäre Bronchitis) auftritt : Stauungsbronchitis bei Ilerzkrankheit, Bronchitis bei Masern, Grippe, Typhus abdominalis, Pneumonie, Bronchopneumonie, Tuberkulose, Asthma bronchiale, Nephritis. An IKeuchhusten ¡st auch bei Erwachsenen zu denken. Die Bronchitis bei Kyphoskoliose ist von besonderer Bedevfung. Die akute primäre Bronchitis steigt gewöhnlich vom Schnupfen, Rachen- und Kehlkopfkatarrh her abwärts. In dem ersten trocknen Stadium können sich die Symptome aùf Kitzelreiz ini Halse, Husten und Brustschmerz beschränken. Physikalische Symptome können feh- len; oder man hört an der Trachea und hinten oben zwischen den Schulterblättern rauhes Atmen oder Schnurren, welches auch über die ganze Ausdehnung der Lungen hin fortgeleitet hörbar sein kann. Steigt die Erkrankung auf die mittleren und kleinen Bronchien herab, so treten pfeifende, giemende und weiterhin, sobald sich flüssiges Sekret bildet, dumpfe mittel- und kleinblasige Rasselgeräusche auf. Der Auswurf ist zunächst glasig-schleimig, wird weiterhin schleimigeitrig. Die akute Bronchitis kann durch mechanisch-chemische Reizung (Einatmung von Staub, Dämpfen, Gasen), Erkältung, Infektion bedingt sein; inwieweit die sog. Erkältungskatarrhe gleichfalls bakterieller Natur sind, ist noch strittig. Bronchitis der größeren Wege leichterer Art macht keine physikalischen Symptome, sondern äußert sich außer in Husten und eventuellem Auswurf nur in subjektiven Empfindungen von Druck und Schmerzhaftigkeit in der Brust, besonders hinter dem Brustbein und von hier leicht ausstrahlend. Bei Tracheitis erzeugt äußerer Druck eine leicht schmerzhafte Kitzelempfindung und oft Hustenreiz. Die priruäre akute Bronchitis ist prognostisch günstig, es sei denn, daß sie Herzkranke, Greise, Kyphoskoliotiker, aus irgendeinem Grunde dekrepide Personen, sehr junge Kinder befällt. Einseitige oder partielle Bronchitis ist auf Tuberkulose, Bronchopneumonie, Syphilis verdächtig. Bei Leuten, welche zu akuter Bronchitis neigen, ist auf pror phylaktische Abhärtung Bedacht zu nehmen. Eine häufige Ursache der Erkältung bildet die überm ä ß i g warme Kleidung, durch welche die so wichtige Anpassungstätigkeit der Haut lahmgelegt wird. Wenn sich die Haut in einem feucht-warmen Madeirakiinia befindet, darf man sich über Erkältungskrankheiten nicht wundern. Es entsteht leicht ein Circulus vitiosus, indem die Betreffenden aus Furcht vor Wiederkehr von Erkältung sich nun immer ängstlicher mit warmen Umhüllungen umgeben. Vorsicht ist natürlich nötig, aber ohne Ubertreibungen. Sehr verbreitet ist auch die Scheu vor kaltem Wasser. Vielfach wird selbst von Aerzten behufs Abhärtung in übergroßer Vorsicht verordnet, zunächst mit lauen Abreibungen anzufangen. Bei diesen erkältet man sich aber leichter als bei kalten Abreibungen, Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 1248 15. Septernber 1922 DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT 1249 weil der die Reaktion auslösende Reiz zu gering ist. Man muß ni.ir darauf halten, daß nach der kalten k ur z e n Abwaschung sofort kräftig trocken frottiert wird (Luffaschwanini oder rauhes Laken) ; sodann sich anziehen und Bewegung machen oder für einige Zeit ins Bett gehen. Erkältungsbronchitis kann auch durch schlechte Nasenatmung bedingt sein. Die Behandlung der akuten Bronchitis, ob Fieber vorhanden ist oder nicht, geschieht durch Bettlage, Diaphorese, richtig angelegten feucht-warmen Brustwickel. Starker Hustenreiz ist durch Narkotika (Pulvis Doweri, Kodein, Dionin, Belladonna usw.) zu bekämpfen. Die Luft im Krankenzimmer soll die erkrankten und überempfindlichen Schleimhäute möglichst wenig reizen, daher warm und feucht sein. Die Feuchtigkeit stellt man durch Aufhängen feuchter Tücher oder Dampferzeugung mittels eines Inhalatiotisapparates Oder am besten durch den ,,Bronchitiskessel" her. Inhalation von Terpentin und anderen reizenden Stoffen ist streng zu vermeiden. Sorge für Stuhlgang und leichte, fleischarme Kost ist wiçhtig. Trockñe Schröpfköpfe, Senfpapier sind hei heftigeren Formen von Nutzen. Man mache es sich zum Grundsatz, bei akuten Entzündungen, welche ja an und für sich bereits defensive und reparative Reaktionen des Gewebes auf die störende Reizung sind und daher den Charakter der Naturheilung besitzen, in erster Linie für Fernhaltung bzw. Milderung aller Reize Sorge zu tragen, um so mehr, als die krankhafte Reaktion sehr gewöhnlich den Stempel einer überschüssigen, über das Ziel hinausschie.t3enden" trägt. Dies gilt auch für die akuten Schleimhautkatarrhe aller Art. Etwas anderes ist es bei den zur Heilung gelangenden, auf einen toten Punkt geratenen akuten. So ist auch bei der akuten Tracheobronchitis jede die Schleimhäute reizende Therapie zu vermeiden. Wenn dagegen der natürliche Heilprozeß ins Stocken gerät und unvollkommen wird, wenn z B. die auf die Kongestion der Schleimhäute folgende Sekretion ungenügend ist, so ist eine Reizbehandlung im Sinne der Steigerung der Durchblutung und der Anregung der Sekretion (vielleicht auch der Zilienbewegung) angebracht (Expektoranfien, Salz, Alkalien, In. halationen usw.); auch kleine Dosen Jod können verwendet werden. Die Bekämpfung des Hustens, welcher die Schleimhäute immer aufs neue reizt, muß auch auf psychischem Wege angestrebt werden. Man ermahne die Patienten, welche oft in dem Glauben sind, daß sie jedem 1-lustenreiz folgen müßten, um ein vermeintliches, oft gar nicht vorhandenes Sekret hinauszubefördern, den Hustenreiz nach Möglichkeit willensmäßig zu unterdrücken; man untersage lautes Sprechen wie überhaupt jede überflüssige Unterhaltung. Eine beruhigende Wirkung des Hustenreizes ist, da fast stets die Rachenschleimhaut beteiligt ist, auch durch die schleimigen Arzneimittel (Rad. Althaeae, Leinsamentee usw.) zu erreichen. Die Wirkung der Expektorantien besteht in der Anregung der Sekretverflüssigung; sie sind daher bei Vorhandenhein eines zähen, starken Hustenreiz erregenden, schwer abhustbaren Sekrets angebracht. Auch die Zuführung reichlichen Getränks wirkt in diesem Sinne (heiße Milch, evtl. mit Emser Salz). Das von Roß bach empfohlene Apo. morphin ist ein gutes, aber entbehrliches Expektorans mit oft unan- genehmen Nebenwirkungen, wegen deren es aus der Praxis mehr und mehr verschwunden ist. Wenn irgend möglich, verlasse der Patient das Krankenzimmer erst, nachdem die Reizbarkeit der Tracheal- und Bronchialschleim- haut geschwunden ist, da sich sonst leicht eine Disposition für Rück. fälle entwickelt. Im übrigen richte man sich nach der jeweiligen Beschaffenheit der Atmosphäre. Vor dem Ausgange ist der Patient durch kalte Abreibungen vorzubereiten; man ermahne ihn, draußen mit geschlossenem Munde zu atmen und schnelles Bewegungstempo zu vermeiden. Ganz leichte Fälle heilen auch beim Umhergehen bei einigei Vorsicht schnell ab. Bei der sekundären Bronchitis steht die Behandlung des bedingenden Leidens im Vordergrunde; dies gilt vor allem für die kardiale Stauungs- und die renale Bronchitis. Der Uebergang der Bronchitis auf die feinsten Bronchien (Bronchitis capillaris) macht das Krankheitsbild ernster. Man hört Knistergeräusche, es tritt starke Dyspnoe, Lungenblähung auf. Für kleine Kinder, bei denen diese Form sich öfter vorfindet als bei Erwachsenen, und bei Greisen kann Lebensgefahr eintreten. Bei Kindern empfehlen sich Senfpackungen bzw. Senfbäder. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. chronischen Katarrhen oder bei den nicht schnell