Bundesrat plant eine Renaissance von Gosplan

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Bundesrat plant eine Renaissance von Gosplan
von Bernd Schips, 22. November 2015
(Eine gekürzte Fassung dieses Textes ist in der Weltwoche vom 12.11.2015 unter
dem Titel „Nichts gelernt“ erschienen.)
Anfang und Ende von Gosplan
Das Akronym „Gosplan“ bezeichnete die für die Planung wirtschaftlicher
Aktivitäten in der ehemaligen Sowjetunion verantwortliche und in der Regel von
einem Mitglied der sowjetischen Regierung geleitete Behörde. Diese
Organisation wurde zu Beginn der Zwanzigerjahre im letzten Jahrhundert
zunächst nur konzipiert, um eine rasche Umsetzung der geplanten
Elektrifizierung des Landes zu ermöglichen und den damit einhergehenden
strukturellen Umbaus der sowjetischen Volkswirtschaft zu unterstützen. Bereits
kurz danach wurde Gosplan jedoch auch damit beauftragt, detaillierte
Mehrjahrespläne zur zentralen Steuerung der gesamten Produktion und
Nachfrage auszuarbeiten. Gosplan ging dabei zwar von der doch recht
„gewagten“ Annahme aus, dass für einen Zeitraum von gut 20 Jahren die
technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen hinreichend bekannt sind,
beschränkte sich aber trotzdem überwiegend auf weit weniger realitätsferne
Fünfjahrespläne.
Aufgrund von Prognosen über die gesellschaftlichen Bedürfnisse wurden den
Betrieben im Planungszeitraum genau einzuhaltende Produktionsmengen
verbindlich vorgegeben sowie sämtliche Preise und Löhne festgelegt. Da Gosplan
aber nicht über alle für eine wirklich zuverlässige Planung der gesamtwirtschaftlichen Produktion notwendigen Informationen verfügte, ergaben sich
zunehmend Ineffizienzen in den Produktionsprozessen und Engpässe bei der
Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern. Der faktische gesamtwirtschaftliche Zusammenbruch der von Gosplan gelenkten Zentralverwaltungswirtschaft war deshalb nur eine Frage der Zeit. Auch andere Länder,
die dem sowjetischen Vorbild nacheiferten, mussten die gleichen negativen
Erfahrungen machen. Es können nun einmal nicht alle Bedürfnisse von
Konsumenten und Produzenten im Voraus erkannt werden und ohne
„unverfälschte“ Marktpreise ist es auch nicht möglich zu sehen, ob die
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Entscheidungen der Planungsinstanz tatsächlich die gesamtwirtschaftliche
Wertschöpfung und Wohlfahrt erhöhen oder verringern.
Aus dem Scheitern von Gosplan nichts gelernt
Ungeachtet der Erfahrungen mit der zentralen Planung wirtschaftlicher
Aktivitäten hat der Bundesrat am 28.10.2015 eine Botschaft über ein Klima- und
Energielenkungssystem verabschiedet. Gestützt auf einen neuen
Verfassungsartikel sollen künftig alle Energieträger und nicht mehr nur fossile
Energieträger mit Lenkungsabgaben belastet werden können. Klimaabgaben
sollen fossile Energieträger und eine Stromabgabe den Energieträger Strom
verteuern. Der Bundesrates geht dabei davon aus, dass nach Einführung dieser
Lenkungsabgaben auf die bislang ausgerichteten Subventionen für Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebereich und
insbesondere auch auf die Subventionen für eine Stromerzeugung mit den
neuen erneuerbaren Energieträgern „Biomasse, Erdwärme, Wind und Sonne“
verzichtet werden kann.
Mit den Klimaabgaben sollen die fossilen Energieträger - d.h. Kohle, Heizöl,
Benzin, Diesel und Gas - und mit einer Stromabgabe der Energieträger Strom
verteuert werden. Die Klimaabgaben sollen zu einer weiteren Reduktion der
Emissionen von Treibhausgasen in der Schweiz führen und sind als Beitrag der
Schweiz zur Eindämmung der globalen Erwärmung gedacht. Aufgrund des
äusserst geringen und tendenziell sogar noch weiter abnehmenden Anteils der
Schweiz an den anthropogenen Emissionen ist es aber doch etwas erstaunlich,
wenn der Bevölkerung suggeriert wird, dass mit der Einführung der
Klimaabgaben das globale Klima „gelenkt“ werden kann. Selbst wenn in der
Schweiz überhaupt keine fossilen Energieträger mehr eingesetzt würden,
würden sich an der Menge der globalen Emissionen von anthropogenen
Treibhausgasen praktisch nichts ändern. Die Stromabgabe soll vor allem die vom
Bundesrat mit der Energiestrategie 2050 beabsichtigte Reduktion der
Stromnachfrage ermöglichen, obwohl die angestrebte Verringerung des
Einsatzes fossiler Energieträger in den meisten Fällen auch die Nachfrage nach
Strom erhöht und die sich abzeichnenden technischen Entwicklungen eher auf
eine Erhöhung als auf einen Rückgang der Stromnachfrage in den kommenden
Jahren hindeuten.
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In der Vernehmlassung stiess der Entwurf zu dieser Botschaft insgesamt auf eine
breite Zustimmung. Vorbehalte gab es im Wesentlichen nur in Bezug auf
Einzelheiten der Umsetzung, die jedoch erst später auf Gesetzesstufe festgelegt
werden sollen. Einige der Vorbehalte betrafen jedoch auch direkt die
Auswirkungen
des
vorgeschlagenen
Verfassungsartikels
auf
die
Wirtschaftsordnung. Gestützt auf die neue Verfassungsbestimmung sollen
nämlich, wie einst in der sowjetischen Zentralverwaltungswirtschaft, sowohl die
von den Nachfrager zu entrichtenden Preise für Energieträger als auch die für
die Nachfrager noch zur Verfügung stehenden Mengen an Energieträgern
künftig vom Bundesrat und Verwaltung festgelegt werden. Der von den
Nachfragern zu entrichtende Preis eines Energieträgers würde sich dann aus der
Summe von Marktpreis einschliesslich ordentlicher Besteuerung und der
jeweiligen Lenkungsabgabe ergeben. Die Höhe der Lenkungsabgabe für einen
Energieträger soll dabei so bestimmt werden, dass die vom Bundesrat
angestrebten ambitionierten Mengenreduktionsziele effektiv erreicht werden
können. Die Lenkungsabgaben müssen deshalb entsprechend hoch ausfallen.
Bei diesen Lenkungsabgaben geht es also nicht mehr um eine Internalisierung
externer Kosten im Sinne einer Pigou-Steuer. Im Falle der Klimaabgaben könnte
man zwar noch einen gewissen losen Zusammenhang mit den bei der
Verbrennung fossiler Energieträger entstehenden Schadstoffemissionen
herstellen und von Emissionsabgaben nach dem Preis-Standard-Ansatz
sprechen. Aber der Bundesrat will nicht nur den Abgabensatz bestimmen und
darüber entscheiden, welche Schadstoffe mit Abgaben belastet werden sollen,
sondern auch welche Emittenten von den Abgaben befreit werden sollen. Im
Falle der Stromabgabe geht es jedoch nicht nur um eine Festlegung des
Abgabensatzes, sondern auch um eine Begrenzung der den Stromnachfragern
noch zur Verfügung stehenden Mengen.
Kollektive Direktiven marktwirtschaftlich kaschiert
Wie schon bei Gosplan werden bei der Vorgabe der Mengenziele die technischen
Potenziale für Verbesserungen der Energieeffizienz für Jahrzehnte im Voraus als
bekannt vorausgesetzt und unterstellt, dass sich diese Effizienzverbesserungen
auch immer wirtschaftlich lohnen. Ist dies nicht der Fall, ergeben sich für die
Unternehmen höhere Produktionskosten und damit Nachteile im
internationalen Wettbewerb. Investitionen zur Verbesserung der
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Energieeffizienz, die sich wirtschaftlich nicht lohnen, beeinträchtigen zudem die
für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen entscheidenden
Investitionen in Forschung und Entwicklung. Die geplanten Lenkungsabgaben
sind deshalb auch keine marktwirtschaftlichen Instrumente mehr, sondern
dienen nur noch einer - aus den Mengenzielen des Bundesrates resultierenden Rationierung der Nachfrage von Produzenten und Konsumenten nach
Energieträgern.
Neben diesen direkten Folgen wird sich die Erhebung von Lenkungsabgaben in
der geplanten Höhe auch noch indirekt auf die preisliche Wettbewerbs-fähigkeit
der Unternehmen stark auswirken. Nicht alle Nachfrager nach Energieträger
können vollumfänglich und vor allem nicht immer rasch genug auf die durch
eine Erhebung von Lenkungsabgaben veränderten relativen Preise reagieren.
Der Preiseffekt tritt aber sofort ein, der Rückgang der Nachfrage verzögert sich
oder bleibt teilweise sogar völlig aus. Das am Landesindex der
Konsumentenpreise (LIK) gemessene Preisniveau wird dadurch zusätzlich
ansteigen, zu entsprechenden Erhöhungen der Löhne führen und so die
preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen weiter beeinträchtigen.
Produktionsverlagerungen und Arbeitsplatzverluste in den bisher besonders
produktiven Wirtschaftsbereichen - d.h. vor allem in der Industrie - werden die
unvermeidlichen Folgen sein.
Die sich regressiv auswirkenden - d.h. die niedrigeren Einkommen wesentlich
stärker als die höheren Einkommen belastenden - Lenkungsabgaben werden
auch zu erheblichen und mit der Höhe der Abgabensätze massiv zunehmenden
Verteilungseffekten führen. Die beabsichtigte Rückerstattung der Erträge aus
den Lenkungsabgaben kann diese sozialpolitisch sicherlich unerwünschten
Verteilungseffekte nicht wesentlich verändern. Zudem wird die Rückerstattung
solange nicht vollständig sein können, solange die Erträge aus der Klimaabgabe
noch für die Subventionierung von bisher aus den Erträgen der CO₂-Abgabe
finanzierten Förderprojekten und für eventuelle Ertragsausfälle bei der
leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe oder der Mineralölsteuer usw.
verwendet werden müssen.
Ohne Subventionen
Windkraftanlagen
keine
Stromerzeugung
mit
Photovoltaik-
und
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Die Stromerzeugung mit Photovoltaik- und Windkraftanlagen ist weder heute
noch in Zukunft preislich wettbewerbsfähig. Die Gestehungskosten für den
Strom aus diesen Anlagen sind und bleiben hoch. Sicherlich wird es noch zu
weiteren Preisrückgängen für die Hardware dieser Anlagen kommen, die
Installations- und Wartungskosten für diese flächen- und kapitalintensiven
Anlagen werden aber der allgemeinen Lohnentwicklung folgen und dadurch den
immer wieder angekündigten deutlichen Rückgang der Gestehungskosten
begrenzen. Das limitierte Kostensenkungspotenzial einerseits und der Preisverfall auf dem Strommarkt während den witterungsabhängigen Produktionszeiten andererseits verhindern, dass solche Anlagen wirtschaftlich betrieben
werden können. Um über das Jahr hinweg eine bestimmte Stromproduktion mit
Photovoltaik- und Windkraftanlagen zu erreichen, muss erheblich mehr
Nennleistung installiert werden, da nun einmal die Sonne nicht immer scheint
und auch der Wind nicht ständig bläst. Der aus den Angebotsüberschüssen
resultierende Preisverfall in den Zeiten, in denen diese Anlagen Strom
produzieren können, macht eine Subventionierung dieser Anlagen auf Dauer
unausweichlich. Nur wenn die Stromnachfrager mit einer extrem hohen
Lenkungsabgabe belastet werden, ist u.U. zu erwarten, dass sich Betreiber von
Photovoltaik- und Windkraftanlagen vom Stromnetz abkoppeln, auf
Subventionen verzichten und Speicher errichten, um den Eigenbedarf jederzeit
vollständig decken zu können. Die negativen volkswirtschaftlichen
Auswirkungen derartig hoher Lenkungsabgaben werden dann aber auch
entsprechend gravierend sein. Falls an einem weiteren Ausbau von Photovoltaikund Windkraftanlagen festgehalten wird, muss deshalb dringend geklärt
werden, wie dieser Ausbau und die damit verbundenen Systemkosten künftig
finanziert werden sollen. Mit der Einführung einer Stromabgabe sind diese
Probleme noch nicht gelöst.
Volkswirtschaftliche Konsequenzen der geplanten Klima- und Energielenkung
Können trotz der bereits in den Materialien zur Vernehmlassung des Entwurfs
für die jetzt vorliegende Botschaft beispielhaft kalkulierten hohen
Lenkungsabgaben die angestrebten Mengenziele nicht erreicht werden, werden
wohl noch höhere Lenkungsabgaben unausweichlich werden und weitere
Massnahmen - in Form von nur in der Schweiz verlangten technischen Standards
oder Verhaltensvorschriften - in Betracht kommen. Erste Beispiele sind die
Mustervorschriften im Energiebereich der Kantone (MuKEn) oder die von den
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Forschungsprojekten (vgl. NFP 71) erwarteten Vorschläge zur Förderung der
Suffizienz im Energiebereich. Der sich durch solche Massnahmen erhöhende
Verwaltungsund
Kontrollaufwand
eröffnet
vielleicht
Beschäftigungsmöglichkeiten für die von den - aufgrund der durch die hohen
Preise für Energieträger nicht mehr wettbewerbsfähigen - Unternehmen
freigesetzten Arbeitskräfte. Die mit der neuen Verfassungsbestimmung
beabsichtigte fundamentale Änderung der Wirtschaftsordnung hätte jedoch
fatale gesamtwirtschaftliche Auswirkungen. Energie ist nun einmal kein
Luxusgut, sondern ein das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen
Wertschöpfung (BIP) bestimmender Produktionsfaktor. Die sichere Versorgung
mit Energie und international wettbewerbsfähige Preise für Energieträger sind
deshalb ganz entscheidende Standortfaktoren. Die für Produzenten und
Konsumenten zur Verfügung stehenden Mengen an Energieträgern und die
Preise für die Energieträger sollten deshalb nicht unabhängig von den
Entwicklungen im Rest der Welt festgelegt werden. Auch die Sowjetunion ist
letztlich mit derartigen Versuchen wirtschaftlich gescheitert.
Die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung und Wohlfahrt würde mit einer
Inkraftsetzung des geplanten Klima- und Energielenkungssystems und entgegen
den Ergebnissen der beschönigenden - jedoch auf höchst unrealistischen
Annahmen basierenden - ex-ante-Szenarien zurückgehen und das zur
Finanzierung der Sozialwerke künftig erforderliche Wachstum des BIP deutlich
schwächen. Nur die Kreise, die marktwirtschaftlichen Prinzipien schon immer
skeptisch gegenüber stehen und auf regulierungsbedingte Aufträge Hoffende
dürften eine solche Entwicklung begrüssen.
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