Frauen und Medien in Österreich 06/12

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Frauen und Medien
06/12 in Österreich
Konstantin Gastmann / pixelio.de
Die Themen
Die frauenzentrierte Berichterstattung geht im Juni in allen Medien
deutlich zurück. Während im Vormonat knapp 27.000 Wörter im Frauenkontext verfasst wurden, sind es
im Juni nur etwa 13.000 Wörter.
Für diesen starken Rückgang gibt es
aus medienanalytischer Sicht mehrere
Erklärungen. Zum einen hält sich die
Politik vergleichsweise stark im Hintergrund, zum anderen ist besonders
in den Qualitätsmedien der Anteil an
eigeninitiierter Berichterstattung stark
gesunken.
Themensetting – Diese Themen prägen die
frauenrelevante Berichterstattung im Juni 2012
2500
Wörter
2000
Boulevard
1500
Qualität
1000
500
Frauenpolitik wen interessiert’s?
Wenn die frauenrelevante Berichterstattung innerhalb eines Monats um
die Hälfte zurückgeht,
stellt sich die dringende
Frage: Warum? Ist es
das mäßige Interesse
der Medien an Frauenberichterstattung,
das
geringe Engagement der
Politik für Frauen, oder
gar beides?
Einige Ergebnisse der
Medienmarktanalyse
stechen ins Auge. Erstens: Das Themenportfolio - die Top-Themen
des Mai beschäftigen im
Juni kaum mehr. Bereiche, wie etwa die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf für Frauen oder die
Quotenregelung werden
in einem Monat (politisch) hochgespielt und
verschwinden innerhalb
kürzester Zeit ohne große Veränderungen von
der Bildfläche.
Zweitens: Außer einer
Ministerin „auf Frauenmission“ - finden sich
auf der frauenpolitischen
Bühne kaum Akteure,
aber viele Statisten.
0
Abb. 1: Themenranking
Mag.a Maria Pernegger
Media Affairs
Das Themensetting in der frauenrelevanten Berichterstattung zeigt diesen Monat ein komplett anderes
Bild als noch im Vormonat Mai. Das damals dominierende Top-Thema „Kinderbetreuung“ findet sich im
Juni nicht mehr im Ranking der relevantesten Themen, auch zur „Quotenregelung“ wird nur mehr
am Rande berichtet. „Kinderbetreuung“ (hauptsächlich im Kontext der besseren Vereinbarkeit von
Beruf und Familie für Frauen) verliert an Bedeutung,
Kinderbetreuungsfragen werden aktuell im Kontext
Familienpolitik und Obsorge abgehandelt.
ten. Spezifische Schwerpunkte, wie Gewalt gegen
Frauen – eine Initiative der Frauenministerin gegen
K-O-Tropfen - und die Mutterrolle werden fast ausschließlich vom Boulevard aufgegriffen.
Die größte mediale Aufmerksamkeit gilt dem Vorstoß der Frauenministerin zur betrieblichen Frauenförderung. Dieses Programm soll über die Quotenregelung hinaus einen Maßnahmenkatalog für
Österreichs Betriebe zur besseren Frauenförderung
darstellen. Zur Vorstellung dieser Initiative stellt sich
die Ministerin Erste-Bank-CEO Treichl und ÖBB-CEO
Kern zur Seite. Die Frauenförderung wird deutlich
mehr von den Qualitätsmedien als vom Boulevard
thematisiert.Erneut zeigt sich, dass Boulevard- und
Qualitätsmedien in der frauenaffinen Berichterstattung jeweils andere Themen favorisieren und ganz
unterschiedlich an die einzelnen Themen herantre-
Generell zeigt sich das Themenprofil der Qualitätszeitungen wesentlich differenzierter als jenes des
Boulevards. Neben dem Schwerpunktthema „Frauenförderung“ setzen sich Qualitätsmedien kritisch mit
dem Frauenschönheitsideal auseinander, welches
wiederum vom Boulevard unbeachtet bleibt. Neben
diesen beiden, von der Politik stark besetzten Bereichen, greifen Qualitätsmedien eigeninitiiert Thematiken, wie Sexismus (in der Werbung),
Vor allem zu Monatsbeginn wird relativ intensiv über
„Prostitution“ berichtet – die Boulevardmedien
verbuchen das Straßenstrichverbot als politischen
Erfolg, die Qualitätsmedien setzten sich mit diesem
Verbot kritischer auseinander und berichten in diesem Kontext breiter.
Sexualität, die Situation von Migrantinnen oder Geschlechtsstereotypen auf, welche in der Politik in der
Regel zu kurz kommen.
Frauen in Qualitäts- und Boulevardmedien
Die Medien berichten im Juni wesentlich weniger
über Frauen als noch im Vormonat, signifikant ist der
Rückgang beim Standard. Ein Großteil der frauenaffinen Berichterstattung (ca. 70%) spielt sich dennoch in den Qualitätsmedien ab. Der Kurier bleibt in
diesem Kontext das relevanteste Medium. Einzig der
Standard tanzt aus der Reihe, während im letzten
Monat über 6000 Wörter im Frauenkontext erfasst
wurden sind es aktuell im Standard nur knapp über
1000 Wörter.
Die Politik bedient sich in erster Linie der Qualitätsmedien als Sprachrohr. Zirka. 65% der politischen
Frauenberichterstattung wird über Kurier, Presse und
Standard kommuniziert. Die Bedeutung des Boule-
5000
4000
Abb.2: Medienrelevanz
3000
2000
1000
0
Wörter
Kurier
Presse
Krone
Österreich
Standard
vards hat, vor allem für Frauenministerin und FPÖ,
im Vergleich zum Vormonat deutlich zugenommen.
Beitrag der Qualitätsmedien zur Sensibilisierung bei Gleichstellungsfragen
Die Qualitätsmedien liefern in der Frauenberichterstattung den weitaus größten Beitrag zur Sensibilisierung für die Gleichstellung der Frauen in Gesellschaft und Politik. Über 85% der Berichterstattung
tragen zur Vermittlung eines emanzipierten Frauenbildes bei oder weisen in diesem Zusammenhang
auf Missstände in der Gesellschaft hin. Beispiele
hierzu sind Berichte zur Frauenförderung, Emanzipation oder kritische Beiträge über Schönheitswahn
und Sexismus.
Im Boulevard kann nur ein Anteil von 14% der Berichterstattung als Beitrag zur Emanzipation oder zur
Sensibilisierung für Gleichstellung gewertet werden.
Zum einen werden „neutrale“ Themen wie Frauenlauf
Blvd.
14%
Qual.
86%
Abb.3 Beitrag zur Emanzipation
oder Frauengesundheit aufgegriffen, zum anderen
werden Frauen in der Opferrolle dargestellt (Ge-
walt gegen Frauen), die Mutterrolle der Frau und das
traditionelle Frauenbild in den Vordergrund gehievt
und damit besonders in der Krone Rollenklischees
verstärkt. In ebendieser findet sich zudem ein nicht
ganz urteilsfreier Beitrag zum sensiblen Thema Abtreibung („Eine Mutter muss nicht alles wissen“).
Die wichtigsten Player - Frauen sehen rot!
Die Frauenpolitik geht im Juni offensichtlich an
der Politik vorbei. Dank der Zurückhaltung der anderen Parteien sind ca. 80% (!) der frauenpolitischen Berichterstattung von der SPÖ besetzt. Den
Löwenanteil trägt die Frauenministerin selbst bei
(Abb.4: Firstliner).
2500
Wörter
2000
1500
1000
500
0
Abb.4: Firstliner
SPÖ
FPÖ
Grüne
ÖVP
BZÖ
Abb.5: Parteienrelevanz
Hat die Ministerin im Mai die Kürzung der Karenzzeit
und den Ausbau der Kinderbetreuung als Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf für Frauen präsentiert, hat sich das Thema
mittlerweile zu einem gesamt- und familienpolitisch
heißen Streitthema ausgebreitet.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
Heinisch-Hosek gelingt mit der Frauenförderung
das Aufgreifen eines klassischen Frauenthemas.
Während sie bei der Wirtschaftskammer mit ihrem
Vorstoß abblitzt, kann sie zwei namhafte Vertreter
aus der Wirtschaft (CEO Treichl – Erste Group und
CEO Kern – ÖBB) zur Promotion ihres Projektes für
sich gewinnen.
100%
Mit einer zweiten Initiative gegen Gewalt an Frauen
(Aufklärungskampagne K-O-Tropfen) punktet die
Ministerin vor allem im Boulevard. Zudem greift
Heinisch-Hosek den Vorstoß der SPÖ-Frauen zur
Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Werbebilder
auf und setzt sich medial kritisch mit dem Schönheitsideal der Frau auseinander.
Allesamt starke Themen mit großer medialer Resonanz für die Ministerin, der die anderen Parteien me-
dial kaum etwas entgegenzusetzen oder hinzuzufü- Die Grünen sind im aktuellen Monat frauenpolitisch
gen haben.
zurückhaltend. Neben Frauenquote und Prostitution finden sich kaum Themen, welche sich mit der
Überraschend an zweiter Stelle findet sich die FPÖ. Partei in Verbindung bringen lassen. Die im letzMit „Frauen an den Herd“ (so titelt Österreich) bedi- ten Monat stark präsente Sprecherin der Grünen –
enen sich die Freiheitlichen typischer Klischees und Glawischnig – hält sich im Juni bedeckt.
erreichen so mediale Aufmerksamkeit. Die FPÖFrauen können mit einem Vorstoß für mehr Unter- Die ÖVP tritt wie bereits im Vormonat frauenpolitisch
stützung für Mütter die Aufmerksamkeit der Krone kaum in Erscheinung. Die Regierungspartei überlässt
für sich gewinnen und sich dort stark profilieren, die Frauenpolitik offensichtlich der SPÖ. Zwar enganicht jedoch in den anderen Medien.
gieren sich ÖVP-Frauenchefin Schittenhelm und die
Bundes-ÖVP stark für familienpolitische AngelegeDie redaktionelle Qualität der FPÖ gestaltet sich nheiten, Kernthemen der Frauenpolitik sind auf der
im Frauenkontext mit über 50% deutlich negativ – Agenda der Bundes-VP jedoch kaum zu finden.
einzig in der Krone kann die FPÖ mit ihren Vorschlägen glänzen.
Das BZÖ bleibt auf der frauenpolitischen Bühne
unsichtbar.
Bedeutung von Frauenorganisationen und -vereinen
Die mediale Präsenz von Frauenorganisationen aus
Wirtschaft und Gesellschaft ist im Juni vergleichsweise gering. Neben der Frauenministerin können
sich in den Medien kaum Akteure abseits der Politik in den Medien profilieren. Die EU-Kommissarin
V. Reding pocht erneut auf die Quotenregelung für
Frauen in Betrieben, im Speziellen in Führungspositionen.
Die Wirtschaftskammer macht gegen den Vorstoß
der Frauenministerin (Frauenförderprogramm für
Betriebe) mobil.
Frauenorganisationen und Frauenanlaufstellen
können sich auf der medialen Bühne nicht in dem
Ausmaß des Vormonats präsentieren. Obwohl Anfang Juni etwa der Welthurentag war, oder von der
Ministerin das Thema Gewalt gegen Frauen thematisiert wurde, treten Frauenorganisationen in diesem
Kontext kaum in Erscheinung.
Die unten stehende Abbildung (Abb. 6) zeigt einige
der Höhepunkte der frauenzentrierten Berichterstattung im Juni:
0
Tage
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Impressum: MediaAffairs
A-4460 Losenstein, Eisenstraße 64 Tel.: 07255/20318
http://www.mediaaffairs.at [email protected]
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- Powerfrau an Facebook-Spitze
4
- K.o.Tropfen: Ministetrin sagt Tätern den Kampf an
3
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500
- Österreichs Mütter erhalten seit Jahren zuwenig
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1000
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1500
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- Österreichischer Frauenlauf
2000
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2500
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3000
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Abb.6: Dynamiken und ihre Ursachen
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