Brenner Basis Tunnel und Zulaufstrecken Internationales Symposium 1. + 2. März 2007 Brenner-Basistunnel: die geologische Durchquerung von Nord- und Südalpen Rainer Brandner, Franz Reiter & Andreas Töchterle Institut für Geologie & Paläontologie, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Innrain 52, A-6020 Innsbruck Der geplante Brenner-Basistunnel führt geographisch durch den zentralen Bereich der Ostalpen, geologisch hingegen durch das empor gewölbte Zentrum der Kollisionszone der europäischen und adriatischen Kontinentalplatten, die in Form mehrerer übereinander gestapelter Decken vorliegt. Dieser Deckenstapel wurde infolge des Eindringens des Südalpen-Indenters im Bereich des heutigen Tauernfensters antiformal emporgepreßt. Die Durchquerung dieser Struktur gewährt einen Einblick in die tektonisch tiefsten Krustenabschnitte der Ostalpen. Das Innerste des Tauernfensters wird aus dem hochgepressten Südrand des europäischen Kontinents (=Venediger Deckensystem, SubPenninikum) gebildet. Nach außen folgen metamorphe Gesteine ozeanischen Ursprungs (=Glockner Deckenkomplex, Penninikum). Der Rahmen des Tauernfensters wird von Gesteinen des adriatischen Kontinentalrands (=Ostalpin) gebildet. In der Mélangezone der Matreier- und Tauernnordrandzone befindet sich die tektonische Mischzone der Gesteinsformationen der Kontinent-Ozean-Übergangszone. Metamorphose und die Art der Deformationen deuten auf Subduktion mit entsprechender Versenkung (ca. 35 km) und folgender Kollision mit nordgerichteter Vergenz in einem Akkretionskeil hin. Die heutigen tektonischen Einheiten sind Krustenfragmente, die von der subduzierenden Lithosphäre abgelöst wurden und nun in Form eines akkredierten Deckenstapels vorliegen. Am Top des Akkretionskeils finden sich am Tauernnordrand Anklänge an eine Flyschentwicklung mit Turbiditen und Olistolithen. Im postkollisionalen Stadium dringt im Jungtertiär der rigide Südalpen-Indenter (“adriatic indenter”) in die plastisch deformierbaren Nordalpen ein und verursacht die Emporwölbung des Tauernfensters samt tektonischer Exhumation und Denudation. Dabei entstehen die wichtigen, großen Störungszonen wie das Periadriatische Lineament an der NordalpenSüdalpengrenze, die Brennerabschiebung sowie das Inntalstörungssystem. Die genannten Störungszonen stehen kinematisch im Zusammenhang und ermöglichen sowohl die heute noch andauernde Hebung des Tauernfensters als auch die Längung dieses Krustensegmentes in Ost- Westrichtung. Teile der Störungen sind in geringem Ausmaß auch heute noch seismisch aktiv (Neotektonik). An das Periadriatische Lineament grenzen im S die Südalpen an, die im Gegensatz zu den Nordalpen nicht in den Subduktionsprozess involviert waren. Ihnen fehlt daher die alpine metamorphe Überprägung. Jegliche Deformation seit dem Abkühlen der Kruste nach der variszischen Orogenese, bzw. nach dem Eindringen des Brixner Granits vor ca. 270 Ma erfolgte daher im spröden Regime. Im Bereich des näheren Projektraumes sind die folgenden tektonischen Großeinheiten anzutreffen, die im geologischen Längenschnitt dargestellt sind. Von N nach S aufgezählt sind dies: (1) Innsbrucker Quarzphyllitdecke: unterostalpine Teildecke der ostalpinen Grundgebirgsdecken, (2) Tarntaler Zone: Mischzone kontinentaler und ozeanischer Gesteinsformationen des Ultrapenninikums, (3) Penninikum (=Glockner Deckenkomplex): wird rein deskriptiv auch als “Obere Schieferhülle” bezeichnet und enthält den bekannten Gesteinskonplex der Bündner Schiefer, (4) Subpenninikum (=Venediger Deckenkomplex): Dazu werden die Gesteinseinheiten des “Alten Dachs”, des “Zentralgneises” und der “Unteren Schieferhülle” gerechnet, (5) Penninikum: wie oben, (6) Oberostalpin mit polymetamorphem kristallinem Grundgebirge und darauf lagerndem Permomesozoikum (“Maulser Trias”) und oligozäne Intrusionsgesteine des Rensen-Granodiorits/Tonalits. Die Maulser Tonalitlamelle verläuft entlang dem Periadriatischen Lineament, (7) Südalpin mit dem Grundgebirge des Brixner Quarzphyllits und dem Intrusionskomplex des permischen Brixner Granits. Abstracts Vorträge Seite 1 von 27 02.01.2007 Brenner Basis Tunnel und Zulaufstrecken Internationales Symposium 1. + 2. März 2007 Die Abgrenzung dieser Großeinheiten erscheint hier klar und einfach, ist aber im Detail mitunter schwierig und nicht ganz eindeutig. Der Grund dafür liegt einerseits in der engen, z.T. isoklinalen Verfaltung der Deckengrenzen selbst, andererseits aber auch in der althergebrachten Vermischung der paläogeographischen und der tektonischen Bedeutungen der Begriffe. Wir haben uns nun hier dazu entschlossen den Schweizer Kollegen zu folgen, und für die strukturellen Einheiten, die tektonisch unter dem Penninikum liegen den wertfreien Begriff “Subpenninikum” zu verwenden (Schmid et al., 2004). Damit wäre der hochgeschuppte Südrand des europäischen Kontinents (Basement und Permomesozoische Sedimenthülle = p. p. Untere Schieferhülle) gemeint. Der Nachweis der Verfaltung der Deckengrenzen glückte erst mit der Erkenntnis der oftmaligen Einschaltung metamorpher Karbonate und Evaporite der Trias in Keuper-Fazies, auf deren geotechnische Bedeutung gesondert eingegangen wird. Abstracts Vorträge Seite 2 von 27 02.01.2007 Brenner Basis Tunnel und Zulaufstrecken Internationales Symposium 1. + 2. März 2007 Hydrogeological characterisation and water inflows forecasts for the Brenner Basistunnel Paolo Perello1, Ulrich Burger2, Riccardo Torri1 & Mattia Marini1 1 - SEA Consulting s.r.l., Via Cernaia 27, 10121 – Torino (Italy) 2 – BBT Galleria di Base del Brennero/Brenner Basistunnel SE The hydrogeological characterisation and analysis have been performed for the risk assessment of the ground water resources and for the quantification of the inflows to the tunnel. Hydrogeological characterisation has been extended over an area of 800 Km2 around the tunnel axis. This area has been subdivided in hydrogeological complexes, i.e. in rock mass units with: i) similar lithological and fracturation properties and ii) hydraulic permeability values confined in a relatively narrow range. The hydrogeological complexes have been defined according to surface geology data, borehole cores analysis and borehole hydraulic testing and logging. Due to the complicate geological setting, 14 different hydrogeological complexes have been defined and characterised in the project area. Faults and chemical (pseudo-karstic) dissolution zones superimpose the pattern of hydrogeological complexes, often originating important high permeability channels. Chemical, isotopical and physical data of time series for more than 700 springs and 40 boreholes have been used to obtain information about the water circulation paths and relative permanence times. Coupling this data with the hydrogeological complexes framework, a clear conceptual hydrogeological model has been produced and a number of shallow and deep flow systems have been defined as well as their mutual hydrodynamic equilibriums. Springs drawdown risk analysis has been performed by mean of the so-called DHI method which uses a global interaction matrix in order to evaluate the influence of the tunnel drainage. The method provides four risk classes aiming at the definition of different alert procedures. As far as water inflows into the tunnel are concerned, three types of information have been produced: i) transient inflows calculated by mean of analytical functions (pilot tunnel and first tube of the main tunnel); ii) cumulated transient water discharge at the portals (pilot tunnel); iii) steady inflows evaluated by mean of the analysis of case histories from already excavated tunnels in comparable geological contexts. The forecasted water discharge in steady state at the portals and in conditions of full tunnel system completed and draining (two tubes of the main tunnel + pilot tunnel + adit tunnels) will be presented. Abstracts Vorträge Seite 3 von 27 02.01.2007