Stellungnahmen des Stadtheimatpflegers 2009-1

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Stellungnahmen des Stadtheimatpflegers zu laufenden Bauvorhaben in der
Würzburger Altstadt
Von Hans Steidle
18. Juni 2009
0. Vorbemerkung: Stadtheimatpfleger und Altstadtarchitektur
Seit dem 1. Mai 2009 nehme ich gemäß der Entscheidung des Schul- und Kulturausschusses der Stadt Würzburg das Amt des Stadtheimatpflegers wahr. Zu seinen
Aufgaben gehört es, das traditionelle Stadtbild und den historischen Charakter der
Stadt zu bewahren und die Entwicklung der Stadt Würzburg in diesem Sinne zu beeinflussen. Dabei ist der Stadtheimatpfleger beratend tätig und kooperiert mit den
kommunalen Institutionen und dem Denkmalschutz.
Besonders die Altstadt Würzburgs ist in dieser Hinsicht ein sensibles Feld, in dem
Neubauten und Umbau vorhandener Objekte ein hohes Maß an Differenzierung erfordern. Dies ist besonders zu sehen im Hinblick auf die Bewahrung von Originalbestand, die Pflege und Hervorhebung geschützter historischer und künstlerischer Monumente und Objekte aber auch die Integration neuer Bauvorhaben in die als Ensemble geschützte Altstadt.
Geschuldet der Tatsache, dass mit Übernahme des Amtes des Stadtheimatpflegers
einige Bauvorhaben in der Öffentlichkeit auch kontrovers diskutiert wurden, gehe ich
auf vier relevante Verfahren ein, gleichgültig der Tatsache, in welchem rechtlichen
Stadium der Entscheidung sie sich befinden.
In allen vier analysierten Vorhaben zeigt sich, dass die notwendige sensible Integration in das vorhandene Altstadtensemble nicht einen ausschlaggebenden Entscheidungsfaktor bildet. Vielmehr zeigen die momentan zugänglichen Pläne das Zeichen
solitärer Planung, d.h. einer Planung auf das Einzelobjekt, das mehr durch Dimensionen und unangepasste Materialien und Formen, denn durch Differenzierung und
Qualität auffällt und das Stadtbild beeinflussen kann. Integration und qualitätsvolle
Gestaltung ist jedoch angesichts der realen Bausubstanz der Nachkriegszeit und ihrer gegenwärtigen Präsentation in der Altstadt nötiger denn je. Zunehmend erscheinen die geschützten, erhaltenen oder rekonstruierten historischen Objekte als vereinzelte, in der Neubausubstanz fremd bleibende Baulichkeiten, deren Charme und
Attraktivität den Kontrast zur Mehrheitsbebauung verstärkt erfahrbar machen.
1. Bauvorhaben des St. Bruno-Werks Würzburg in der Spiegelstraße und in
der Theaterstraße 16
Das St. Bruno-Werk plant auf zwei seiner Grundstücke im Bereich der Würzburger Altstadt die Errichtung von Baulichkeiten mit zusätzlichem Wohnange-
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bot, davon das Gebäude des Annastiftes in der Theaterstraße als Um- und
Erweiterungsbau, das Geschäfts- und Wohnhaus in der Spiegelstraße als
Neubau anstelle einer eingeschossigen Ladenreihe.
1.1.
St. Annastift
Das Haus des St. Annastifts wurde nach der Zerstörung 1945 neu erbaut. Der damalige Bauherr nahm im Unterschied zu den meisten Eigentümern in der Theaterstraße bewusst Bezug auf den barocken Vorgängerbau, der wohl auf die Planung Balthasar Neumanns in der Mitte
des 18. Jahrhunderts zurückging. Es handelte sich um ein flankierendes Gebäude des palastähnlichen Zentralgebäudes des Adeligen Damenstifts St. Anna, mit dem es durch eine Schmuckgartenmauer verbunden war. An der Ostseite des Mittelbaus war symmetrisch ebenso
eine Gartenmauer mit Nebengebäude vorhanden. Diese aufwändige
schlossähnliche Anlage stellte einen Mittelpunkt der repräsentativen
Straße „Auf dem Graben“ dar, die als Auffahrt zur fürstbischöflichen
Residenz angelegt wurde. Sie war in einem Wechsel von dreigeschossigen Wohnhäusern und Zwischengärten, angezeigt durch die Gartenmauern, auf der Westseite einheitlich charakterisiert, während die Ostseite eine heterogene Bebauung aufwies.
Die Idee des Würzburger Baurings 1946, die Neumannbauten der Theaterstraße zu rekonstruieren, wurde bedauerlicher Weise nicht realisiert, nur in zwei Gebäuden ist der ehemals noble Charakter der Straße
ablesbar, im Haus Nr.4, einer originalgetreuen Rekonstruktion, und im
Haus Nr. 16. In diesem wurden die Bauformen und die Gestalt des Vorkriegshauses aufgenommen, jedoch die Geschosszahl und die Dachform verändert. Die erhaltene Gartenmauer wurde in einer leichten
Richtungsveränderung auf die neue Baulinie des modernen Geschäftshauses Nr. 18 am Platze des alten Theaters und vorherigen Annastiftspalais in Originalform erhalten und bietet mit dem Haus einen Blickfang,
besonders wenn man aus der Richtung der Residenz kommt.
Das Bauvorhaben sieht die Entkernung des Vorderhauses unter Beibehaltung der Fassaden und einen mehrgeschossigen Neubau südlich
abseitig von der Straße vor. An die Ostseite des Altbaus ist über alle
Geschosse ein Wintergarten vorgesehen, das ziegelgedeckte Walmdach wird mit modernen und größeren Gauben ausgestattet. Die histo-
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rische und als barockes Denkmal geschützte Gartenmauer bleibt erhalten.
Ein Eingriff in denkmalgeschützten Bestand liegt nicht vor. Eine Veränderung des Stadtbildes jedoch ist durch die Baumaßnahmen abzusehen. Die betrifft besonders die Ostseite des Altbaus Nr. 12, dessen obere Geschosse in einer Fassade, die in einfacher Barockform gegliedert war, oberhalb der barocken Gartenmauer sichtbar waren, der gleichen Gliederung, die die Straßenseite des Hauses aufweist. Durch die
Anfügung eines Wintergartens ist diese Einheit gestört. Sofern der Bauträger wegen der Wohnqualität auf den Wintergarten nicht verzichtet, ist
unbedingt darauf zu achten, dass sich dieser nach Form, Maßstab und
farblicher Fassung dem Ensemble einordnet. Auch der Neubauteil wird
über die Gartenmauer hinweg von der Straße her sichtbar sein, was für
die bisherige Bebauung nicht geschah. Auch dadurch wird das Element
der modernen Architektur für das Ensemble prägend. Auch hier wird es
auf die Abstimmung nach Form und Farbe ankommen, ob der bisherige
Charakter beeinträchtigt wird.
Entsprechende Hinweise des Landesamtes für Denkmalpflege bezüglich der Gestaltung des Wintergartens und der Größe der Dachgauben
wurden in einem entsprechend veränderten Plan nachgereicht.
Wünschenswert wäre es, das historische Gartentor, das vermauert ist,
wieder als Tor zu nutzen und so der Mauer wieder eine intakte Funktion
zuzuweisen. Ein Holztor wäre sinnvoll, es ließe sich aber auch eine Gitteranlage denken, die einen Blick auf die Gartenanlage zuließe, sofern
dadurch die private Sphäre nicht gestört wäre. Die Anregung, das nach
dem Krieg aufgefundene alte Tor des Annastifts, das temporär am Eingang des Spitäle angebracht war, hier anzubringen, wäre zu prüfen in
verschiedener Weise:
a) Erhaltungszustand des Tors
b) Eignung nach Größe
c) Einbettung in eine an sich moderne Umgebung.
Auch wenn keine Gründe des Denkmalschutzes unmittelbar belangt
sind, bleibt auf den Ensemblecharakter zu verweisen und die Berücksichtigung des historischen Stadtbildes bei der Baumaßnahme zu be-
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rücksichtigen. Dies kann nur geschehen, wenn die Ostseite des Wohnhauses möglichst klare und harmonisch integrierte Formen aufweist.
1.2.
Spiegelstraße 10
Das Bauvorhaben des St.Brunowerks in der Spiegelstraße 10 bezieht
den barocken Gartenpavillon in das Bauvorhaben mit ein. Er wurde auf
fünf Arkaden um 1710 als östlicher Abschluss und Schaufassade im
Garten des Domherrenhofs Uissenberg errichtet und 1956/7 um zwei
Arkaden verkürzt wieder aufgebaut. Zur neu angelegten bez. stark verbreiteten Spiegelstraße zu wurde ein Feld der Gartenseite als Fassade
hochgezogen. Der Pavillon wies ursprünglich keine Seitenfassaden auf,
da er an Gebäude und Mauer anschloss. Durch einen sehr guten Wiederaufbau und spätere Instandsetzung präsentiert sich auch der veränderte Pavillon heute als ein Schmuckstück in dieser architektonisch gesichtslosen Straße und stellt eine Erinnerung an die untergegangenen
Domherrnhöfe, die das Domviertel nördlich abschlossen, dar. Die historische Gartenmauer mit reich dekoriertem Tor an der Ecke zur Domerpfarrgasse datiert aus der gleichen Zeit und erinnert wie der Pavillon an die 1945 ausgebrannten und später niedergelegten Domherrenhöfe.
Der Neubau aus der Mitte der 50er Jahre wollte durch die Grundstruktur an die vormalige Kurie erinnern: die niedrige Geschäftszeile stand
symbolisch für die ehemalige Gartenmauer, wohingegen das viergeschossige Wohnhaus auf der Baulinie der ehemaligen Hofflügel steht.
Zwischen der Geschäftszeile und dem Pavillon blieb eine von einem
Café genutzte freie Fläche, früher das „kleine Ludwig“, heute das Eiscafé Venezia. Die Bäume dieses gartenähnlichen Teils sind inzwischen so
hoch gewachsen, dass sie den Pavillon großenteils verdecken. Die
Räumlichkeit dieser Baulichkeiten entspricht dem städtebaulichen Verständnis der 50er Jahre, statt massiv und geschlossen an der Straßenkante, lockerer, gestaffelt und mit Grüninseln zu bauen. Da diese Baugesinnung nur an wenigen Stellen der Altstadt realisiert wurde, ist es
zu bedauern, dass die lockere und leichte Bauweise nicht durch eine
gute Renovierung betont wird, sondern eine massive Bebauung mit
geschlossener Straßenwand geschaffen wird, die den historischen
Charakter des Areals negiert. Aus wirtschaftlichen Interessen heraus ist
die Erstellung eines Wohn- und Geschäftshauses an diesem Platze
nachvollziehbar, die Schaffung von innerstädtischem Wohnraum an
sich eine positive Maßnahme.
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Problematisch ist jedoch die bislang beabsichtigte, den Pavillon sehr
beeinträchtigende Bebauung, die den Pavillon zu einem stilfremden
und nicht integrierten Anhängsel eines mehrgeschossigen Hauses
macht, das sich auch mit den benachbarten Mietshäusern stilistisch
und proportional nicht verträgt. Die an sich positiv zu bewertende Tatsache einer Ausschreibung mit Wettbewerb lässt umso mehr verwundern, dass der erste Platz an den Entwurf Zumkeller ging. Insgesamt
lässt sich bei der Mehrzahl der Entwürfe wenig Sensibilität für den
denkmalgeschützten Pavillon und seine Integration in den Straßenraum
und die Bauvolumina feststellen. Damit gibt es aus der Perspektive der
Stadtbildpflege und des Denkmalschutzes erhebliche Einwände gegen
die momentan bekannte Bauplanung.
Es empfiehlt sich, den momentanen Abstand des Neubaus zum Pavillon beizubehalten und keine Überbauung der Freifläche mit einem
Glaskubus vorzunehmen. Dadurch wird die wesentliche Fassade des
Pavillons zur Innenwand eines gewerblich genutzten Raums und verliert ihren Charakter und ihre optische Funktion für das Umfeld. Vielmehr wäre darauf zu achten, den Freiraum, der wie der Pavillon gastronomisch genutzt werden könnte, bei zukünftiger Begrünung so zu
gestalten, dass die freie Sicht auf die gute Architektur des Greisingbarocks erhalten bleibt. Dass der Pavillon in die Gastronomie integriert
wird, wird seinem Erscheinungsbild nicht schaden. Interessant wäre zu
untersuchen, ob von der Inneneinrichtung und der Stuckierung des Obergeschosses noch Bilddokumente erhalten sind. Wie beim Festsaal
des Gartenpavillons des Juliusspitals wäre an eine eventuelle Wiedergewinnung eines festlichen Barockraums zu denken. Sollte dies nicht
der Fall sein, könnte auch an die Übernahme von Deckenstuck, der
museal aufbewahrt, jedoch nicht gezeigt wird, gedacht werden. Für die
gastronomische Nutzung wäre dies eher vorteilhaft.
Auch angesichts der mittelfristigen Planungen in der Spiegelstraße ist
auf besondere gestalterische Qualität zu achten. Die Spiegelstraße soll
eventuell als zweite Verbindung von der Residenz zur Stadtmitte zusätzlich zur Hofstraße fungieren. Wie auch immer eine zukünftige Nutzung von Mozart-Areal und Faulhaberplatz ausfallen wird, bleibt es absolut notwendig, in der optisch nicht reizvollen Spiegelstraße den barocken Pavillon mit entsprechend öffentlich sichtbarem und begehbarem
Raum als „Insel“ herauszuheben. Bei Fassadengestaltung und Fenstergrößen des Neubaus ist unbedingt darauf zu achten, dass dieser
nicht durch auffallende Größen als vermeintlicher Blickfang wahrgenommen wird. Sollte an dieser Stelle der gleiche Effekt wie beim Petri-
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ni-Forum am Unteren Markt entstehen, wird auch dieses Gebäude
nicht als positives Element, sondern als Fremdkörper empfunden werden. Dies wäre letztlich auch dem Ensemble der Spiegelstraße abträglich, das durch eine einfache, jedoch durch Proportionalität wirkende
Architektur, die den Neumannbauten und vielen Fassaden des 18.
Jahrhunderts ihre harmonische Wirkung ermöglichte, eine Aufwertung
erfahren könnte.
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2. Das Hochhaus in der Augustinerstraße
Die Augustinerstraße verdankt ihren heutigen Charakter der Erweiterung für die Straßenbahnführung um die Jahrhundertwende und der
fast völligen Zerstörung des historischen Baubestandes 1945, bzw. der
Niederlegung der Ruinen, so dass die verschiedenen Stile der Nachkriegsarchitektur das Stadtbild prägen. Ausnahme stellen die Häuser Nr
9 und 11 dar, die beide in die Denkmalschutzliste eingetragen sind:
„ AUGUSTINERSTRAßE 7 – Wohn- und Geschäftshaus in Form der Spätgotik und
Renaissance, 1901 [W, Fl.Nr. 10086]
AUGUSTINERSTRAßE 9 – Verwaltungs-Hochhaus, 1928-30, von C. Mayer und F.
Kleinsteuber [W, Fl.Nr. 10089]“
Haus Nr. 7 repräsentiert einen historistischen Stil, dessen gotische und
Renaissance-Stilformen für Ausdruck bürgerliche Bauens empfunden
wurden. Beim Wideraufbau wurde auch dieses Gebäude „purifizierend“
wieder hergestellt, denn die die Dachlandschaft bereichernden Zwerchgiebel wurden ebenso wie die charakterisierenden Gauben durch eine
der Umgebung angepasstes Walmdach ersetzt. Eine Wiederherstellung
des Originalzustandes könnte für die Augustinerstraße ein Gewinn sein.
Auf dem Platz des ersten Würzburger Hochhauses stand einst der Hof
„Zur alten Hölle“, der im 14. Jahrhundert bereits zum benachbarten
„Hof zum Kunzen“ gehörte. Von 1770 bis 1580 befand sich in dem Bau
aus der Petrinizeit der Gasthof „Zum goldenen Kreuz“. 1924 wurde der
israelische Poet Jehuda Amichai in dem Haus geboren, das der jüdischen Erbengemeinschaft Oppenheimer gehörte. Hier führte Moses H.
Goldbach einen Kolonialwarenladen, den die Witwe Regina / Rike in die
Glockengasse 6 verlegte. Diese Geschehnisse und das Haus fanden
Eingang in Jehuda Amichais Roman „ Nicht von hier, nicht von jetzt“
und machen den Ort zum Träger international bekannten literarischen
Geschehens. Das Haus Nr. 11 war Wohnhaus einer der ersten Würzburger Schriftstellerinnen, der Freiherrin Mudersbach, verheiratete Her-
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zogin Girasole. An beide erinnern Gedenksteine, wobei der für Amichai
seit 2005 abgenommen ist.
Das städtische Hochhaus entstand 1930 nach einer längeren Debatte
und stellte in der Architekturgeschichte Würzburgs ein besonderes Monument dar. Bislang war der funktionale moderne Baustil aus der Innenstadt verbannt geblieben, auch Geschäftshäuser der 20er Jahre wie
am Dominikanerplatz wurden historisierend aufgeführt. Nach dem überzeugenden Terrassenhaus Peter Feiles in der Keesburgstraße 29,
das der damalige Oberbürgermeister Löffler als Nachbar und Stadtoberhaupt befürwortete, zeigte sich größere Aufgeschlossenheit gegenüber dem Bau eines modernen Hochhauses in der Augustinerstraße.
Im Zusammenhang mit der ostseitigen Straßenerweiterung bildete sich
ein Konsortium, das auf dem von der Stadt erworbenen Grundstück Nr.
9 ein siebengeschossiges Bürohaus mit Läden und Restaurants auf
der neuen Bauflucht in Betonskelettbauweise errichten wollte. Als das
Konsortium die Zusage zurückzog, übernahm die Stadt den Neubau.
An dem Entwurf des Würzburger Architekten Franz Kleinsteuber (18861961) erhob sich Kritik, wie in einem Artikel des Fränkischen Kuriers zu
lesen war: „Wie man hört, werden in dieser Beziehung die größten Befürchtungen geäußert, da das Haus mit flachem Dach ohne Attika und
Gesims, lediglich als Kubus wirkend, ausgeführt werden soll. Der Kubus würde dann der modernen „Sachlichkeit“ entsprechend mit glattem,
weiß getünchten Flächen und großen Fensterlöchern einen Triumph
des genannten Prinzips darstellen, gegenwelches sich aber in der Altstadt schwerste Bedenken ergeben.“. Den Bedenken wurde schließlich
Rechnung getragen, da ein flaches, gedecktes Walmdach und ein betonter Attikaabschluss den Bau in die historische Dachlandschaft der
Altstadt integrieren sollten. Der braune Farbanstrich trug dazu bei, dass
der Bau einen schwereren Charakter, als ursprünglich intendiert, annahm. Kleinsteuber soll diese Veränderungen als verfälschend empfunden haben, eröffnete im Neubau jedoch sein Büro.
Die öffentliche Reaktion auf den Neubau 1930 war positiv, auch im
Fränkischen Kurier: „Das Bauwerk,… mehr ein hohes Haus als ein
Hochhaus … erreicht an Masse und Höhe kaum die Körperhaftigkeit
des alten Rathauses mit seinem Turm. Von diesem ehrwürdigen Ne-
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benbuhler nicht allzu weit entfernt, tritt es in gewisse raumästhetische
Bindungen zu ihm, indem es die Gliederung der Häusermasse oder der
Silhouette gefällig weiterleitet.“ Tatsächlich trifft zu, dass das Haus
1930 in einer Proportionalität errichtet wurde, die keine Dominanz in
„Stadtkrone“ erzeugte. Im Äußeren musste die Skelettbauweise in Putzfassade negiert werden, was in der zeitgenössischen Kritik positiv angemerkt wurde: „ Die robuste Schlichtheit seines nicht unwahrhaftigen
Stils (…) behauptet sich innerhalb der Grenzen, die durch den bescheidenen Grundriss gegeben sind, mit einer naiven Selbstverständlichkeit.“ Tatsächlich wurde die „Außenhaut“ des Hauses der traditionellen
Putzfassade angepasst, die Durchfensterung fiel den Möglichkeiten der
modernen Technik entsprechend aus. Kleinsteuber war auch verantwortlich für die Pläne des Sanderauer Hallenbads und den Bau der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt, dem Kernbau der David-SchusterRealschule.
Das Hochhaus überstand den Bombenangriff vom 16. März 1945 und
gehörte 60 Jahre zum gewachsenen Stadtbild. 2005 wurde das Ämterhaus als einsturzgefährdet eingestuft und geräumt und im Mai 2005
vom Stadtrat der Abbruch beschlossen. Am 3. Februar 2006 befasste
sich der Landesdenkmalrat mit dem denkmalgeschützten Gebäude, der
zur Eröffnung des Verfahrens einer Abbruchgenehmigung nicht gehört
worden war. Der Landesdenkmalrat bat die Abbruchgenehmigung auszusetzen und Möglichkeit des Erhalts zu überdenken. Ein halbes Jahr
später bat Stadtrat Dürrnagel für den Initiativkreis zur Erhaltung historischer Denkmäler in Würzburg OB Dr. Beckmann in dieser Sache um
Auskunft und forderte die Aufhebung der Abrissgenehmigung. Zwei Investoren bemühten sich um den Zuschlag für die Augustinerstraße 9,
nachdem der erste Investor, die Würzburger Firma G+P, ihr Angebot
zurückgezogen hatte. Der eine Investor aus Würzburg bot 500 000 €
und die Entkernung und Sanierung mit Erhalt der Außenmauern. Nach
den Kriterien des Landesdenkmalschutzes galt das Hochhaus dann
nicht mehr als Denkmal. Das in Reichenberg beheimatete Unternehmen Informica Real Invest bot 1,2 Millionen € mitsamt der Kosten des
Abbruchs und bekam den Zuschlag. Es sah im Erdgeschoss Geschäfte, in den nächsten drei Geschossen Büros und Praxen, in fünf weiteren Geschossen Wohnungen vor.
Der Neubauentwurf wurde im Dezember 2007 der Öffentlichkeit vorgestellt. Aus dem Wettbewerb gingen die Architekten Hofmann/Keiher/Ring als Sieger hervor, die 2006 den Petrinipreis für den
Pavillon im Weingut am Stein gewonnen hatten. Der Entwurf wirkt
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nach Meinung der Befürworter leichter als der noch stehende Bau. Das
Nachbarhaus, das in den Neubau miteinbezogen ist, soll einen zur
Straße hin geöffneten Hof aufweisen. Durch eine weiße Putzfassade
soll der Bezug mit den Nachbarhäusern hergestellt werden. Der Investor Informica Real Invest hat für den Neubau den Namen Trycian Tower
vorgeschlagen. Anfänglich fiel die öffentliche Reaktion verhalten bis positiv aus, auch seitens des Würzburger Verschönerungsvereins( WVV),
bis eine Publikation in einer Simulation verdeutlichte, dass der Neubau
höher und dominanter als der einzureißende Altbau ausfallen werde.
Auf die nun einsetzende Diskussion hin reagierte der Stadtrat mit einer
Senkung der maximalen Höhe um zwei auf 33,90 Meter. Nach dem
Neubeschluss blieb der WVV bei seiner Ablehnung und forderte den
Erhalt bzw. die Sanierung des bestehenden Hochhauses oder einen
Neubau auf zurückgezogener Baulinie und in gleicher Traufhöhe wie
die Nachbarhäuser.
In dieser ausführlichen Darstellung wird deutlich, dass die Belange des
Denkmalschutzes offensichtlich nicht adäquat berücksichtigt wurden.
Die Tatsache, dass die bayerischen Gemeinden selbst als untere
Denkmalschutzbehörde agieren, trägt seit der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes im gesamten Freistaat Bayern negative Früchte.
Dass in dieser Zeit das Amt des Stadtheimatpflegers nicht besetzt war,
kann weiterhin zur momentanen Lage beigetragen haben.
Im Sinne des Denkmalschutzes wäre zu überprüfen, inwieweit die Bedenken des Denkmalschutzrates berücksichtigt wurden. Es wäre zu
klären, ob eine Sanierung möglich und wirtschaftlich finanzierbar wäre.
Im Sinne des Stadtbildes ist der bisherige Bau trotz seines Charakters
als erster moderner Großbau in der Altstadt nicht unverzichtbar, sofern
ein Neubau die Integration in die vorhandene Silhouette wie der Bau
von 1930 ermöglicht. Diese lag bei dem bekannt gewordenen Siegerentwurf allerdings nicht vor. Die durchgängige Verglasung der beiden
Obergeschosse, die damit gegebene Materialbesonderheit ohne jegliche Gliederung passt nicht in die historische Dachlandschaft von Türmen und Kuppeln vom 12. bis 18. Jahrhundert. Dies bewirkte bislang
das niedrige Walmdach des Hauses von 1930. Eine dominante Wirkung eines Neubaus ist nicht anzustreben. Besonders vom Main und
der Festung her muss der geplante Bau als absolut störend empfunden
werden. Die Alternative des VVW, auf der zurückgezogenen Baulinie
und in der Höhe der Nachbarhäuser zu bauen, erscheint für die Raumwirkung in der Augustinerstraße nicht attraktiv. Dass in der Hälfte der
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Straße und in der Biegung ein „hohes Haus“ aus der Baulinie nach vorne tritt und in die Höhe ragt, erhöht durch den Kontrast die räumliche
Spannung. In dem momentan offenen Verfahren sind weitere Vorschläge und Planungen abzuwarten.
3. Der Bronnbacher Hof
Der ehemalige Stadthof der Zisterzienserabtei Bronnbach bei Wertheim
wurde um 1200 in der heutigen Karmelitenstraße in der Nähe der inneren Stadtmauer errichtet und diente dem Kloster 600 Jahre lang als
Wirtschaftshof und Verwaltungszentrum. Nach 1802 wurde der repräsentative Hof säkularisiert, das Anwesen behielt jedoch seinen repräsentativen Charakter bis zur Zerstörung am 16. März 1945. Erhalten
blieben als denkmalgeschützte Reste die Arkadenreihe zur Karmelitenstraße mit Louis XVI – Dekor und eine barocke Balustrade an der
Südseite zur Bronnbacher Gasse.
Relativ offen blieb bei dem Verfahren der weitere Umgang mit der vorhandenen Ruinensubstanz. Der geplante Abriss und Wideraufbau der
Arkaden musste jedoch die Aufhebung des Denkmalcharakters zur
Folge haben.
Ohne auf das bereits abgeschlossene Verfahren näher eingehen zu
können, ist auch für dieses Projekt, das von Reinhart Immobilien Marketing vorgelegt wurde, eine wenig sensible Integration in das vorhandene Ensemble festzustellen. Tatsächlich werden die vorhandenen historischen Reste im Neubau teilweise, nicht unbedingt funktionsgerecht,
rekonstruiert, jedoch weist auch dieses Vorhaben eine massive Raumnutzung auf und geht nicht auf das einzige erhaltene Ensemble von
Fachwerkhäusern am Inneren Graben und der Juliuspromenade ein.
Der Bronnbacher Hof wies vor 1945 nur ein weiteres Geschoss über
der Arkadenreihe auf und bot dadurch mit dem gegenüberliegenden alten Schlachthofgebäude, das ebenfalls niedrig gehalten war, eine interessante Staffelung der Bauten in der nördlichen Karmelitenstraße. Die
massive viergeschossige Bauweise auf beiden Straßenseiten lässt in
der Karmelitenstraße jede Varianz vermissen.
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Die in dem vorgängigen Abriss hat der Investor dankenswerter Weise
die Fa. Heyse mit archäologischen Arbeiten im Hofgelände beauftragt.
Weiterhin konnte jedoch festgestellt werden, dass Teile der Südwand
im Erdgeschoss – vermutlich bis hin zur Balustrade – aus der romanischen Bauära erhalten ist. Es wäre deswegen zu überdenken, inwieweit die erhaltenen Relikte sichtbar in den Neubau integriert werden
und erhalten bleiben. Vielleicht ließe sich –wie auch in der Vorkriegssituation die Balustrade im ersten Geschoss mit einer Loggien- oder Balkonkonstruktion erhalten. Es wäre dies eine Lösung, wie sie in der ehemaligen St. Markuskirche am Pleicher Kirchplatz gefunden wurde.
Nachdem der Investor bereits bei anderen Objekten den historischen
Bestand bewahrt hat, wären entsprechende Gespräche wünschenswert. Eine unmittelbare Stellungnahme seitens des Ordnungs- und
Bauausschusses oder aus dem Baureferat der Stadt Würzburg wäre in
dieser Hinsicht hilfreich.
Die Tatsache, dass die Planung ein Flachdach vorsieht, muss nicht als
problematisch angesehen werden, da auch die Vorkriegsbebauung eine große Vielfalt von individuellen Dächern und Häuserhöhen aufwies.
Es handelt sich eher um die Peripherisierung des einzigen wirklichen
Ensembles von Alt-Würzburg, da die Formen des Neubaus großflächig
gegenüberstehen. Dass die Balustrade in der Bronnbacher Gasse ebenerdig und ohne Funktion aufgestellt werden soll, vermag ebenso
nicht zu überzeugen. Hier wäre eher eine Terrassenlösung im ersten
oder zweiten Geschoss mit Verwendung der Balustraden denkbar, die
auch einen Ausweg aus der durchgängigen Frontlinie des Bauwerks
und Chancen für eine Staffelung böte.
4. Schlussfolgerungen
In allen untersuchten Bausachen machen sich zwei Faktoren als problematisch im Sinne der Erhaltung und der Weiterentwicklung des Stadtbildes und der Bewahrung der geschützten Denkmäler bemerkbar:
a) Der Versuch der Bauherren, mittels einer umfassenden räumlichen
Überbauung einen maximalen wirtschaftlichen Nutzung zu erreichen;
b) Der Versuch von Architekten, ihre Projekte als Solitäre ohne eine Integration in das vorhandene Ensemble zu planen, wobei die Qualität
der Planungen oder der Rang der Bauwerke diese Betonung nicht
rechtfertigt.
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Dies macht umso dringlicher deutlich, dass die Stadt Würzburg für die
Altstadt baldmöglichst eine flächendeckende Bausatzung und eine
grundlegende Diskussion über die Altstadtgestaltung benötigt. Bei allen
vier analysierten Projekten sind Nachbesserungen im Sinne des Denkmalschutzes und der Erhaltung des Stadtbildcharakters dringend zu
empfehlen. Der Stadtrat könnte zukünftig von seiner Funktion als parlamentarischer Entscheidungsträger stärker von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch machen.
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