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22.12.2010
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
22.12.2010
Geschäftszahl
2010/06/0268
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte
Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin
Mag. Schmidt, über die Beschwerde des Dipl. Ing. J O in X, vertreten durch Mag.Dr. Peter Lechner und
Mag. Dr. Hermann Pfurtscheller, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 2, gegen den Bescheid des
Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 27. Oktober 2010, Zl. I-Präs- 00547e/2010, betreffend eine
Baubewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde, des vorgelegten, angefochtenen Bescheides und der weiters
vorgelegten Ablichtungen der fraglichen Baupläne geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt
aus:
Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 9. Oktober 2008 wurde dem
Beschwerdeführer die Baubewilligung für den Teilabbruch und den Zubau betreffend ein Gebäude erteilt. Die
Berufung eines Nachbarn blieb erfolglos. Im Zuge der Bauausführung wurde von der erteilten Baubewilligung
abgewichen. Es wurde unter anderem statt der ursprünglich bewilligten Glasbrüstung (wohl: eines Balkones) im
Dachgeschoß ein Geländer mit vertikalen Stäben zur Bewilligung beantragt. Diese Änderungen wurden mit
Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 7. Oktober 2009 bewilligt. Auch dagegen berief
der Nachbar, dessen Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. November 2009 als
unbegründet abgewiesen.
Mit Ansuchen vom 13. April 2010 ersuchte der Beschwerdeführer um die nachträgliche Erteilung der
Baubewilligung für die Änderung der Balkonbrüstung an der Nordwestecke des Dachgeschoßes. Dieses
Ansuchen wurde mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 13. September 2010 mit der
wesentlichen Begründung abgewiesen, dass die Grenzabstände nicht eingehalten würden, weil es sich beim
antragsgegenständlichen Balkon nicht (mehr) um einen untergeordneten Bauteil handle.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet
abgewiesen wurde. Nach Darstellung des Verfahrensganges und rechtlicher Bestimmungen führte die belangte
Behörde aus, der Verwaltungsgerichtshof vertrete die Auffassung, dass "offene Balkone" nicht schon alleine
deshalb, weil der Begriff im § 2 Abs. 16 der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) genannt sei, ohne Rücksicht
ihre Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk jedenfalls als "untergeordneter" Bauteil anzusehen
seien (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 31. März 2009, Zl. 2005/06/0064, vom 24. Februar 2009,
Zl. 2005/06/0362, und vom 5. Dezember 2000, Zl. 99/06/0089).
Dass die Balkon- bzw. Terrassenkonstruktion im Dachgeschoß in die Mindestabstandsflächen hineinrage,
sei evident und werde auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Da die Balkon- bzw. Terrassenkonstruktion
selbst, welche sich über die gesamte Fassadenlänge erstrecke, bereits rechtskräftig bewilligt sei, entziehe sich
diese der Prüfungskompetenz der belangten Behörde im nunmehrigen Verfahren. Für die belangte Behörde sei
daher ausschließlich die Frage zu beantworten, ob durch die Änderung der Brüstung von einem transparenten
Geländer mit vertikalen Stäben in eine massive Betonscheibe die Balkon- bzw. Terrassenkonstruktion im
Dachgeschoß dergestalt verändert worden sei, dass eine allfällige Qualifikation als untergeordneter Bauteil im
Sinne des § 2 Abs. 16 TBO 2001 nicht mehr statthaft sei.
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Verwaltungsgerichtshof
22.12.2010
Bei einem Vergleich der rechtskräftig bewilligten Pläne mit den nunmehr antragsgegenständlichen
Änderungen sei die belangte Behörde der Auffassung, dass durch die nun gewählte Konstruktionsart der
Brüstung als massive Betonscheibe der optische Eindruck einer Wand vermittelt werde. Dieser Eindruck werde
auch dadurch verstärkt, dass die ursprünglich bewilligten Brüstungskonstruktionen (Glas bzw. Geländer mit
vertikalen Stäben) nicht mit der Balkonplatte abgeschlossen hätten, sondern deutlich zurückversetzt gewesen
seien. Demgegenüber schließe die nunmehr antragsgegenständliche Betonbrüstung mit der Balkonplatte bündig
ab und rage somit weiter in die Mindestabstandsfläche. In diesem Zusammenhang habe der
Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall die Auffassung vertreten, dass es die Verschalung eines
Balkons über die jeweilige ganze Länge der Fassade (die zum Eindruck einer geschlossenen Holzwand führe und
den Balkon optisch zur Gänze verschließe) ausschließe, von einem "offenen Balkon" im Sinne eines
untergeordneten Bauteiles sprechen zu können (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1992,
Zl. 91/06/0186). Für den Beschwerdeführer sei daher mit seinem Einwand, es sei unerheblich, ob die Brüstung
eines Balkons aus einer geschlossenen Holzverkleidung, aus undurchsichtig gespannten Stahlgeländern oder aus
Beton sei, denn die Tiroler Bauordnung habe diesbezüglich keine Vorgaben festgelegt, nichts zu gewinnen, weil
im Beschwerdefall durch die Errichtung einer Betonbrüstung über die Hälfte der Fassade optisch der Eindruck
einer Wand vermittelt werde und somit eine Qualifikation als untergeordneter Bauteil nicht mehr möglich sei.
Dieser Bauteil habe daher die erforderlichen Mindestabstände einzuhalten, was gemäß den Bauplänen jedenfalls
hinsichtlich der Brüstung nicht der Fall sei.
Die Ansicht des Beschwerdeführers, der Flächenanteil des gesamten Balkons zur dazugehörigen Fassade
betrage nur 10 % und die gegenständliche Brüstung davon wiederum nur die Hälfte des gesamten Balkons, somit
nur 5 % der Fläche der Gesamtfassade, sei ebenfalls nicht zielführend. Durch die geplante Änderung komme es
zu einer Verschlechterung der Situation für den Nachbarn, weshalb die nunmehrige Brüstung nicht
bewilligungsfähig sei. Im Übrigen beziehe sich die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der
Dimension der untergeordneten Bauteile nicht auf das Verhältnis eines Balkons zu der gesamten Wandfläche,
sondern es sei das Verhältnis der Wandlänge zur Länge des Balkons ausschlaggebend, weil es sich bei solchen
Bauteilen um durchwegs vorspringende - horizontale oder vertikale - Gliederungen des Gebäudes handle
(Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 91/06/0189).
Auch mit dem Einwand, Amtssachverständige seien der Ansicht des Beschwerdeführers gewesen, sei nichts
zu gewinnen, weil es sich hier nicht um eine Tatfrage sondern um eine Rechtsfrage handle, die von der Behörde
zu lösen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen
Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
inhaltlicher
Rechtswidrigkeit
und
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung - TBO 2001), in
der Fassung LGBl. Nr. 49/2009 anzuwenden.
§ 2 TBO 2001 enthält Begriffsbestimmungen; dessen Abs. 16 lautet:
"(16) Untergeordnete Bauteile sind Vordächer, Dachkapfer, Kamine, Windfänge, Freitreppen, offene
Balkone, Sonnenschutzeinrichtungen und dergleichen, fassadengestaltende Bauteile wie Erker, Gesimse,
Lisenen, Rahmen und dergleichen, unmittelbar über dem Erdgeschoss angebrachte offene Schutzdächer sowie an
baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen und Solaranlagen."
§ 6 TBO 2001 enthält Abstandsbestimmungen, dessen Abs. 1
regelt Mindestabstände zu den Grundstücksgrenzen.
§ 6 Abs. 2 TBO 2001 lautet:
"(2) Bei der Berechnung der Mindestabstände nach Abs. 1 bleiben außer Betracht und dürfen innerhalb der
entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden:
a) untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein
ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundstück gewährleistet ist;
b) Kamine sowie Dachkapfer bis zu einer Länge von insgesamt 33 v. H. der Wandlänge auf der betreffenden
Gebäudeseite und bis zu einer Höhe von 1,40 m, wobei vom lotrechten Abstand zwischen dem untersten
Schnittpunkt des Dachkapfers mit der Dachhaut und dem höchsten Punkt des Dachkapfers auszugehen ist."
Strittig ist im Beschwerdefall, ob es sich bei dem in Frage stehenden Teil des Balkons auf Grund der
projektierten Ausführung (noch) um einen "untergeordneten Bauteil" gemäß § 2 Abs. 16 TBO 2001 handelt, der
gemäß § 6 Abs. 2 lit. a leg. cit. in den Mindestabstandsflächen zulässig ist.
Nach den vorgelegten Plänen handelt es sich hier um ein viergeschoßiges Gebäude, wobei das dritte und
vierte Obergeschoß jeweils etwas zurückversetzt sind. Sowohl auf der Ebene des dritten als auch des vierten
Obergeschoßes gibt es über die gesamte Breite der hier relevanten Front ein durchgehendes "Balkonband" (das
überdies an der, vom Betrachter aus gesehen, rechten Seite der Front deutlich darüber hinausragt (aus den Plänen
herausgemessen rund 2,5 m). Diese "Balkonwand" auf Ebene des vierten Geschoßes soll (für den Betrachter)
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rechts über eine Länge von rund 10,5 m (aus den Plänen herausgemessen) die in Rede stehende
Stahlbetonbrüstung erhalten; im Übrigen weist das Balkonband in diesem Geschoß auf der linken Seite und das
gesamte Balkonband im Geschoß darunter eine Brüstung mit Stäben auf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass "offene Balkone" nicht schon allein deshalb,
weil dieser Begriff im § 2 Abs. 16 TBO 2001 genannt ist, ohne Rücksicht auf ihre Dimensionierung im
Verhältnis zum restlichen Bauwerk jedenfalls als "untergeordneter Bauteil" anzusehen sind (siehe das von der
belangten Behörde genannte hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2009, Zl. 2005/06/0362, unter Hinweis auf ähnlich
gelagerte Vorjudikatur zu offenen Erschließungsgängen). Die beiden Balkonbänder mit der Brüstung aus
Gitterstäben sind bereits rechtskräftig bewilligt, sodass sich die Frage nicht stellt, ob sie in der bewilligten
Ausführung als "untergeordnete Bauteile" zu qualifizieren wären. Hier geht es aber gleichsam um einen weiteren
Schritt, nämlich um die Umgestaltung derart, dass, wie dargelegt, in diesem Bereich an Stelle der Brüstung aus
Stäben eine Stahlbetonwand in gleicher Höhe errichtet werden soll. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die
Auffassung der belangten Behörde, dass auf Grund der Mächtigkeit des optischen Eindruckes dieser
Balkonbänder in Gestalt der angestrebten Modifikation von einem "untergeordneten Bauteil" nicht mehr
gesprochen werden kann. Darauf, dass die Fläche dieser Betonwand nur 5 % der Fläche der gesamten Fassade
betragen solle, wie der Beschwerdeführer vorträgt, kommt es nicht an, weil die Beurteilung aus einer
Gesamtschau vorzunehmen ist (dass die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auch mit der Dimension im
Verhältnis zur gesamten Länge der Front argumentiert hat, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern).
Daraus folgt, dass im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. a TBO 2001 nicht gegeben
sind und daher dieses Vorhaben unzulässig ist. Das ist entscheidend. Irrelevant ist, ob die Nachbarn der
Änderung zugestimmt haben, wie der Beschwerdeführer vorträgt, weil es in diesem Zusammenhang auf eine
Zustimmung der Nachbarn nicht ankommt.
Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, dass die gerügte Rechtsverletzung (die
darin erblickt wird, dass das Vorhaben entgegen der Annahme der belangten Behörde zulässig sei) nicht vorliegt,
war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als
unbegründet abzuweisen.
Wien, am 22. Dezember 2010
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