Diplomarbeit NSAR und Nicht- Opioid Analgetika nach operativen Eingriffen in der Zahnheilkunde eingereicht von Jasna Radiskovic zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der Zahnheilkunde (Dr. med. dent.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie unter der Anleitung von Ao Univ. Prof. Dr. Josef Donnerer Graz, am 10.03.2015 i Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 10.03.2015 Jasna Radiskovic ii Vorwort Um die Lesbarkeit der Diplomarbeit zu vereinfachen, habe ich mich dazu entschlossen, geschlechtsbezogene Wörter nur in eingeschlechtlicher Form zu verwenden. Alle Bezeichnungen gelten gleichermaßen für Frauen. iii Danke schön! Ich möchte mich recht herzlich bei all den Personen bedanken, die mich während meines Studiums begleitet und unterstützt haben. Besonders bedanke ich mich bei Ao Univ. Prof. Dr. Josef Donnerer für die nachhaltige Betreuung meiner Diplomarbeit. Es war mir eine große Ehre mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen. Bei meinen lieben Freunden, welche immer ein offenes Ohr für mich hatten, mir mit Rat und Tat während meines Studiums zur Seite standen, bedanke ich mich tausendmal. Mein größter Dank gilt aber meiner Familie - meinen Eltern Slavica Radiskovic und Dipl. Ing. Slobodan Radiskovic, sowie meinem Bruder Zoran Radiskovic. Ohne ihre großartige emotionale, tatkräftige und finanzielle Unterstützung wäre mir diese Ausbildung nicht möglich gewesen. iv Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ....................................................................................................................... v Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................... vii Tabellenverzeichnis ............................................................................................................... viii Zusammenfassung ..................................................................................................................... ix Abstract ........................................................................................................................................... x 1 Einleitung .............................................................................................................................. 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 2 3 4 Schmerz....................................................................................................................................... 2 Schmerzphysiologie ............................................................................................................... 3 Schmerzarten............................................................................................................................ 4 Positive und negative Effekte des Schmerzes ............................................................... 6 Schmerzmessung ..................................................................................................................... 7 Das WHO Stufenschema ........................................................................................................ 8 Methodik ............................................................................................................................. 11 Ergebnisse .......................................................................................................................... 12 3.1 Analgetika ............................................................................................................................... 12 3.2 Nicht-Opioid Analgetika..................................................................................................... 13 3.2.1 Wirkungsmechanismen ............................................................................................................... 14 3.2.2 Indikationen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen ............................................. 18 3.3 Einteilung der Nicht-Opioid Analgetika ....................................................................... 20 3.3.1 Nicht – saure antipyretische Analgetika ............................................................................... 20 3.3.2 Nicht-Opioide Analgetika ohne antipyretische und antiphlogistische Wirkung.. 24 3.3.3 Saure antiphlogistisch-antipyretische Analgetika (NSAR) ........................................... 25 3.3.4 Selektive COX-2-Inhibitoren ...................................................................................................... 36 3.3.5 NSAR und selektive COX-2 Inhibitoren, Vergleich der Nebenwirkungen ............... 39 3.4 Oralchirurgische Eingriffe ................................................................................................ 42 3.4.1 Klassifizierung ................................................................................................................................. 42 3.5 Medikation in der Oralchirurgie..................................................................................... 43 3.5.1 Studie der Universitätsklinik für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde Graz ............ 46 3.5.2 Gängige Präparate an der Grazer Zahnklinik...................................................................... 47 3.5.3 Medikation bei Kindern ............................................................................................................... 51 3.5.4 Medikation während Schwangerschaft und Stillzeit ....................................................... 53 Diskussion .......................................................................................................................... 55 Literaturverzeichnis................................................................................................................ 59 Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................... 65 Tabellenverzeichnis ................................................................................................................ 68 v Abkürzungen ASS Acetylsalicylsäure COX Cyclooxygenase GIT Gastrointestinaltrakt HWZ Halbwertszeit EFIC The European Pain Federation IASP International Association for the Study of pain IL-1β Interleukin-1 beta NGF Nerve Growth Factor NNT number needed to treat NMDA Rezeptor N-Methyl-D-Aspartat Rezeptor NRS Numerische Rating-Skala NSAR Nicht-Steroidale Antirheumatika NSAID non-steroidal anti-inflammatory drugs TNF α Tumor-Nekrose-Faktor alpha PG Prostaglandin PG E2 Prostaglandin E2 VAS Visuelle Analog-Skala VRS Verbale Rating-Skala WDR Neurone Wide-dynamic-range-Neurone WHO World Health Organisation ZNS Zentrales Nervensystem vi Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:Visuelle Analogskala ........................................................................................ 7 Abbildung 2: Numerische Rating Skala ................................................................................ 8 Abbildung 3:Smiley Skala ..................................................................................................... 8 Abbildung 4:WHO Stufenschema ....................................................................................... 10 Abbildung 5:Therapeutische Breite ..................................................................................... 14 Abbildung 6:Prostaglandinsynthese .................................................................................... 15 Abbildung 7:Physiologische und pathophysiologische Wirkung der Prostaglandinsynthese ..................................................................................................................................... 16 Abbildung 8:COX-1 und COX-2 Isotypen .......................................................................... 17 Abbildung 9:Paracetamol .................................................................................................... 21 Abbildung 10: Vergleich der analgetischen Potenz von Morphin,Ibuprofen und Acetylsalicylsäure/Acetaminophen ............................................................................. 22 Abbildung 11:Metamizol..................................................................................................... 23 Abbildung 12:Flupirtin ........................................................................................................ 24 Abbildung 13: Acetylsalicylsäure ....................................................................................... 28 Abbildung 14: Diclofenac ................................................................................................... 29 Abbildung 15: Indometacin ................................................................................................. 30 Abbildung 16: Ibuprofen ..................................................................................................... 31 Abbildung 17: Dexibuprofen ............................................................................................... 32 Abbildung 18: Naproxen ..................................................................................................... 33 Abbildung 19: Mefenaminsäure .......................................................................................... 33 Abbildung 20: Meloxicam ................................................................................................... 34 Abbildung 21: Piroxicam .................................................................................................... 35 Abbildung 22: Lornoxicam ................................................................................................. 35 Abbildung 23: Celecoxib ..................................................................................................... 37 Abbildung 24: Parecoxib ..................................................................................................... 37 Abbildung 25: Etoricoxib .................................................................................................... 38 Abbildung 26: Schmerzintensität ..................................................................................... 45 Abbildung 27: Eintrittszeit ..................................................................................... 45 Abbildung 28:Schmerzmedikationsleitfaden ...................................................................... 48 vii Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Übersicht über die wichtigsten Nebenwirkungen der NSAR ............................. 19 Tabelle 2: Einteilung der NSAR.......................................................................................... 27 Tabelle 3: Medikation bei Kindern ...................................................................................... 52 Tabelle 4: Analgetika während Schwangerschaft und Stillzeit ........................................... 54 Tabelle 5: NNT der Analgetika - „Oxford League Table“ .................................................. 57 Tabelle 6: Postoperative Schmerzmedikation ..................................................................... 58 viii Zusammenfassung Bei jedem zahnärztlich-chirurgischen Eingriff entsteht ein Trauma der Gewebe. Die Folgen derartiger Eingriffe unterscheiden sich im Ausmaß des Traumas und variieren von leichter Schwellung bis zu größeren Komplikationen. Unumgängliche Begleiterscheinungen sind auch Schmerzen. Jeder Behandler ist dazu verpflichtet, dem Patienten seine Leiden zu lindern. Unabhängig davon, ob es sich um vorbestehende oder durch den Behandlungseingriff hervorgerufene Schmerzen handelt, soll eine entsprechende Medikation, bereits als präventive vor oder als adäquate Nachsorge, verabreicht werden. Zu diesem Zwecke stellen Nicht-Opioid Analgetika eine effiziente Methode dar und sie werden heutzutage immer öfter in der Zahnheilkunde verordnet. Die Wahl der Medikation kann aber manchmal sehr schwierig sein, wenn man mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen dieser Wirkstoffe in Betracht zieht. Außerdem wird die Dosierung der Medikamente oft nicht richtig gewählt, entweder viel zu sparsam, aber auch teilweise viel zu großzügig, was wiederum negative Auswirkungen auf die Patienten haben kann. Ziel dieser Arbeit war es, anhand einer ausführlichen Literaturrecherche die NSAR und Nicht-Opioid Analgetika zur postoperativen Schmerzbehandlung bei zahnärztlichchirurgischen Eingriffen zu erläutern. Gemäß dem aktuellen Stand der heutigen Wissenschaft wurden die Fachbücher, Journale und die Online Plattform „Pubmed“ verwendet. Es wurden die einzelnen Wirkstoffe mit ihren Wirkungsmechanismen, Indikationen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen, sowie ihre Anwendbarkeit und Dosierung in der Oralchirurgie dargestellt. Vergleichende Studien zur Wirksamkeit und zur Verträglichkeit einzelner NSAR und Nicht-Opioid Analgetika in der Schmerbehandlung nach operativen Eingriffen in der Zahnheilkunde wurden analysiert und diskutiert. Letztendlich wurden heutzutage gängige Medikationsrichtlinien für den postoperativen Schmerz an der Zahnklinik Graz geschildert. ix Abstract Every dental surgical intervention can cause a tissue trauma. The consequences of those procedures can be different, depending on the intensity of the trauma and can vary from slight swelling to much bigger complications. The pain is also to be considered as an accompanying symptom. Every doctor is obliged to assuage his patient´s pain. Regardless of whether the pain already existed or arouse as the result of the surgery, the appropriate treatment should be given. For that purpose the non-opioid analgesics have been shown to be very efficient and are often prescribed in dentistry. The choise of the right medication can sometimes be very difficult, especially if the interractions and side effects are considered. To avoid possible negative effects it is very important to select the appropriate dosage of the medication. The purpose of this study was to determine the effectiveness of nonsteroidal antiinflammatory drugs (NSAIDs) and non-opioid analgesics, which are used in the postoperative pain treatment. The study was based on the conclusions from pharmacological and medical books, science journals and from search engine Pubmed. The individual agents and their mechanisms of action, indication, side effect and contraindication, as well as the applicability and the dosage of the medications after oral surgeries was described. Comparative studies about effect and tolerance of the NSAIDs and non-opioid analgesics used in postoperative pain treatment in dentistry were analysed and discussed. Finally the current medical directives for the treatment of postoperative pain at the dental clinic in Graz are described and discussed. x 1 Einleitung Medikamentöse Schmerztherapie ist etwas womit sich die Ärzte täglich in ihrer Praxis beschäftigen müssen. Schmerzen sind für die Patienten unangenehm und belastend. Damit eine Schmerzbehandlung erfolgreich wird, soll man die Entstehung des Schmerzes, seine Ausbreitung und seine Leitungsbahnen kennen. Es werden zuerst der Schmerz und seine Physiologie, Pathophysiologie, die Arten und die Möglichkeiten seiner Messung dargestellt. Da die medikamentöse Schmerztherapie für die Ärzte eine große Herausforderung darstellt, sind im nächsten Kapitel die Wirkstoffe und deren Wirkungsweise mit möglichen unerwünschten Nebenwirkungen vorgestellt. Die guten Kenntnisse über die Wirkstoffe, welche zur Schmerzlinderung führen oder sogar seine Unterbindung ermöglichen, können den Alltag wesentlich erleichtern. Und abschließend sind der Schmerzmedikationsleitfaden der Grazer Zahnklinik und die Einteilung der Oralchirurgischen Eingriffe, auf Basis derer der Leitfaden beruht, erläutert. Weiters sind die gängigen Medikamente in der Schmerzmedikation dargestellt mit Beachtung der Schmerzmedikation bei Kindern und während der Schwangerschaft und Stillzeit. 1 1.1 Schmerz Im Jahr 2001 wurde die Erklärung, dass Schmerzlinderung das Grundrecht eines jeden Menschen ist, von der WHO, in Zusammenarbeit mit der International Association for the Study of Pain und der European Federation of IASP chapters angenommen. In der Medizin ist Schmerzlinderung ein etisches Imperativ (ein Moralgesetz), und die Unzulänglichkeit der Schmerzbehandlung ist ein ethisches Problem. Schmerz ist eine der häufigsten Begleiterscheinungen der Behandlungen in der Zahnheilkunde. Meistens ist er eines der Hauptgründe des Aufsuchens eines Zahnarztes. Das der Schmerz ein individuelles Empfinden ist und dass die Stärke des Schmerzens eine subjektive Einschätzung ist, wurde von einer Krankenschwester geprägt: „Schmerzen sind das, was der Betroffene über Schmerzen mitteilt, sie sind vorhanden, wenn der Betroffene sagt, dass er Schmerzen hat“ (1). Nach der „International Association for the Study of Pain“ wird Schmerz als „... eine unangenehme sensible und emotionale Erfahrung verbunden mit einem tatsächlichen oder potentiellen Gewebeschaden ...“ definiert (2). Schmerz stellt einen unvermeidbaren Begleiter eines Traumas dar und als solches dient er als eine Warnung für den Patienten, über mögliche Verletzungen oder Entzündungen im Gewebe. In erster Linie erwartet der Patient eine rasche Schmerzbefreiung und erst danach eine Behebung der Ursache. Voraussetzung für eine effiziente Therapie und somit einem schmerzfreien und kooperativen Patienten ist das Finden der Ursache. Für Zahnärzte stellt Schmerz bei der Diagnosestellung ein Symptom dar. Schmerzbekämpfung erfolgt in folgenden drei Schritten: Diagnosestellung Therapie Medikation Mittels Medikamenten wird eine schnelle Symptomverbesserung, aber auch eine komplikationslose und schmerzlose Heilung gewährleistet. 2 1.2 Schmerzphysiologie Die Schmerzlinderung stellt eine der häufigsten Aufgaben des Zahnarztes dar. Um dieses zu verstehen ist es notwendig die Entstehung des Schmerzes zu kennen. In diesem Kapitel wird dieses Thema näher erläutert. Der Schmerz tritt immer in Verbindung mit einer Gewebszerstörung auf. Durch verschiedene Auslöser, Gewebsläsionen, werden wie thermische, Nozizeptoren mechanische, erregt. Die chemische Reize oder Nozizeptoren sind freie Nervenendigungen welche die Schmerzreize aufnehmen und diese zum Rückenmark weiterleiten. Diese Entstehung, Fortleitung und zentrale Verarbeitung von Schmerzreizen wird als Nozizeption bezeichnet. Während der Reizung der Nozizeptoren kommt es auch, wegen Zellnekrosen, zu einer Zunahme der K+ - Konzentration im extrazellulären Raum und zur Depolarisation der Nozizeptoren. Die freigesetzten Proteine, Enzyme und eventuelle Erreger lösen eine entzündliche Reaktion des betroffenen Gewebes und Freisetzung von Schmerzmediatoren aus. Dabei werden, unter anderem, folgende Mediatoren von geschädigten Zellen und Zellen des Immunsystems wie Mastzellen, Makrophagen und neutrophilen Granulozyten freigesetzt: Zytokine (TNF-α, IL-1β), der Nerve growth factor (NGF), Leukotriene, Prostaglandine (vorwiegend PG E2), Histamin, Serotonin und Bradykinin. (3). Die Prostaglandine, die aus Arachidonsäuren von der Cyclooxygenase-2 (COX-2) katalysiert werden, verstärken die Wirkung der anderen Substanzen. Die schmerzauslösenden Mediatoren steigern die Permeabilität der Gefäße, wodurch sich ein lokales Ödem bildet. So entstehender Gewebsdruck führt zur weiteren Sensibilisierung des nozizeptiven Systems (4,5). Ausgelöste Aktionspotentiale leiten die Schmerzimpulse von freien sensiblen Nervenendigungen in Richtung Rückenmark weiter. Unterschieden werden zwei Arten von schmerzleitenden Fasern. Die Aδ-Fasern sind für die schnelle Schmerzleitung verantwortlich und dienen neben der Nozizeption auch zur Kälteempfindung und zur Mechanorezeption (Aβ-Fasern). Für die Leitung langsamer und dumpfer Schmerzen sind C-Fasern zuständig (6). Im dorsalen Hinterhorn des Rückenmarkes enden die nozizeptiven Nervenfasern und hier kommt es zur Verschaltung zu motorischen und vegetativen Efferenzen. Die Transmitter dieser Synapsen sind Glutamat, Substanz P und ATP. Vom Rückenmark aus werden die Impulse über den Thalamus zur Großhirnrinde weitergeleitet. 3 Nachdem sie im Gehirn angelangt und dort verarbeitet worden sind, wird die Schmerzempfindung bewusst wahrgenommen (4). 1.3 Schmerzarten Der Ätiologie nach werden drei Arten von Schmerzen differenziert (7): Nozizeptorschmerzen Neuropathische Schmerzen Nicht somatisch bedingte Schmerzen Nozizeptorschmerzen Als eine Reflexaktion auf die Einwirkung thermischer, chemischer oder mechanischer Reize entsteht der physiologische Nozizeptorschmerz und dient dem Schutz des Gewebes vor weiteren Schäden (4). Wenn eine Gewebeschädigung schon besteht, wie im Rahmen von Entzündungen, ist eine pathophysiologische Schmerzsensibilisierung schon vorhanden; dieser Schmerz wird pathophysiologischer Nozizeptorschmerz genannt (4). Neuropathische Schmerzen treten in Folge einer Verletzung der peripheren Nerven durch Quetschung, Durchtrennung, Entzündung oder wegen metabolischen Störungen wie Diabetes Mellitus auf. Dieser Schmerztyp hat oft einen abnormalen Charakter und ist schwer zu behandeln, da eine Läsion der Nerven vorliegt. Zu dieser Gruppe gehört auch der sogenannte Phantomschmerz (8). Nicht somatisch bedingte Schmerzen sind Schmerzen wessen Ursache nicht deutlich zu erkennen oder einzuordnen ist. Deswegen werden sie als „somatoforme“ oder „psychogene“ Schmerzen genannt. Unklare Schmerzstärke und Schmerzqualität, wechselnde Lokalisation und atypische Reaktionen auf Arzneimittel sind Kennzeichen des somatoformen Schmerzes (7). Schmerzempfinden kann unterschiedlich lang anhalten. Nach Zeitdauer werden akute und chronische Schmerzen unterschieden. 4 AKUTER SCHMERZ Akuter Schmerz tritt gleich nach der Schädigung des Gewebes durch äußerliche Reize oder endogene Prozesse auf. Er ist jedoch von kurzer Dauer: von ein paar Sekunden, über Minuten bis hin zu ein paar Tagen (9). Die Länge und Intensität des Schmerzes entsprechen tatsächlich dem entstandenen Trauma der Gewebe. Die Behandlung ist meist komplikationslos, die Beschwerden werden mit der Zeit geringer und es tritt bald Besserung auf. Zu akuten Schmerzen gehören unter anderem Schmerzen nach Frakturen oder Operationen (7). Da bei fast jedem oralchirurgischen Eingriff durch Weichteilverletzungen auch die Nervenendigungen mitverletzt werden, haben die Patienten in der Zahnheilkunde oft ein so genanntes „mixed pain“ – gemischter Schmerz, der als eine Kombination zwischen nozizeptivem und neuropathischem Schmerz zu betrachten ist (10,11). CHRONISCHER SCHMERZ Wenn akute Schmerzen nicht oder unzureichend behandelt werden und dazu noch länger anhalten, dann werden sie als chronische Schmerzen bezeichnet. Dieser Dauerschmerz kann Wochen bis Monate oder sogar Jahre lang dauern oder einen wiederkehrenden Charakter zeigen. Die Eigenschaft dieser Art von Schmerz ist es, dass er durch Verlust seiner Warnfunktion keine sinnvolle Funktion mehr hat und meist schwer behandelbar ist. Die langanhaltenden, wieder auftretenden und starken Schmerzreize, welche eine normale Zeit der Gewebsregeneration von 3 Monaten überschreiten, führen zuerst zu reversiblen, danach aber zu irreversiblen degenerativen Prozessen im peripherem und zentralem Nervensystem (12). Als Folge dieser Prozesse wird eine inadäquate Reaktion auf Schmerzreize, aufgrund veränderter Sensibilisierungsvorgänge im Nervensystem, hervorgerufen. Es entstehen sowohl im peripheren als auch im zentralen Nervensystem Schädigungen im schmerzleitenden und schmerzverarbeitenden neuronalen System auf (4,12). Während der akute Schmerz, laut IASP und EFIC aus dem Jahre 2004, ein Symptom der Gewebsschädigung ist, wird der chronische Schmerz als eine Krankheit per se angesehen (13). Dementsprechend sollte auch der Zugang zu verschiedenen Behandlungsweisen unterschieden werden. 5 ENTSTEHUNGSORT Hinsichtlich des Entstehungsortes lassen sich somatische und viszerale Schmerzen unterscheiden. Somatische Schmerzen können von der Haut ausgehen, dann ist es ein oberflächlicher somatischer Schmerz. Wenn sie jedoch von der Skelettmuskulatur, den Knochen, Sehnen, Faszien und Gelenken ausgehen, dann redet man vom tiefen somatischen Schmerz. Der Oberflächenschmerz stellt den schnell auftretenden ersten Schmerz dar, er ist hell und gut lokalisierbar. Nach ca. 0,5 bis 1 Sekunden wird er zum so genannten zweiten Schmerz, der dumpf, schwer zu lokalisieren ist und nur langsam abklingt (14). Viszerale Schmerzen entstehen durch Aktivierung der Nozizeptoren der inneren Organe. Ursachen sind meist Dehnungen oder Spasmen dieser Regionen, sowie Mangeldurchblutungen und entzündlichen Erkrankungen (4). 1.4 Positive und negative Effekte des Schmerzes Schmerz ist eine unmittelbare Reaktion auf ein Trauma und hat als solcher, trotz der unangenehmen Empfindungen, eine positive Aufgabe. Diese physiologische Funktion warnt vor einer bestehenden Gewebeschädigung, welche eine Aktivierung des Immunsystems zur Folge hat. Dadurch wird eine spontane Heilung oder aber eine Unterstützung dieses Vorgangs ermöglicht. Wenn ein Trauma von außen verursacht wird, reagiert der Körper mit einem Reflex oder anderen bestimmten Schutzmaßnahmen um weitere Schäden zu unterbinden. Wenn jedoch Warnsignale eines Schadens von innen her kommen, sind diese ausdrücklich als Symptome von beginnenden Erkrankungen zu deuten (7). Negative Effekte des Schmerzes sind emotionales und physisches Leiden. Bei keiner oder ungenügender Schmerztherapie werden die Schmerzen mit der Zeit immer stärker und als länger anhaltend empfunden; sie breiten sich in Nachbarstrukturen aus und erschweren somit ihre Behandlung (7). In Folge können Schlafstörungen, kardiovaskuläre6 (Tachykardie, Hypertension), respiratorische- und gastrointestinale Beschwerden, sowie eine Chronifizierung des Schmerzes, auftreten. Der Schmerz hat primär eine nützliche Schutzfunktion und bringt somit den Leidenden dazu, einen Arzt aufzusuchen, um sich selbst vor physischen und psychischen Schäden zu schützen (7). 1.5 Schmerzmessung Um die Gesundheitsqualität zu verbessern hat die „American Pain Society“ im Jahr 2001 den Schmerz als fünften Vitalparameter eingeführt. Die Schmerzeinschätzung ist ein wichtiger Teil seiner Therapie. Da aber der Schmerz ein individuelles Empfinden ist, stellt die subjektive Beurteilung durch den Patienten einen unabdingbaren Parameter dar. Hauptcharakteristikum des Schmerzes ist seine Stärke. Die Einschätzung der Schmerzstärke bestimmt den Bedarf an Analgetika bei der Schmerztherapie. Auf diesem Wege wird auf der einen Seite der Schmerz für den Patient gewissermaßen objektiviert und gleichzeitig für den Arzt die Therapiewahl vereinfacht. Erst die Schmerzmessung hat eine Objektivierung des Schmerzempfindens ermöglicht. Die Messung wird mittels einfacher verbaler, visueller oder numerischer Schmerzskalen oder durch Beantwortung einfacher Fragen durchgeführt. Verbale Rating- Skala (VRS) Subjektives Schmerzempfinden wird anhand Wörter beschrieben. Der Patient wählt eine Aussage welche seiner Schmerzen entspricht (kein Schmerz, mäßiger Schmerz etc.) Visuelle Analog- Skala (VAS) Die Schmerzen werden als eine Linie von 0 bis 100 mm dargestellt (Abb.1). Abbildung 1:Visuelle Analogskala 7 Numerische Rating-Skala (NRS) Der Schmerz wird durch die Zahlen von 0 bis 10 bestimmt, wobei 1-3 schwache, 4-6 mäßige und 7-10 starke Schmerzen beschreibt (Abb.2). Abbildung 2: Numerische Rating Skala In der Praxis hat sich gezeigt, dass sich Patienten besser mit verbalen und numerischen als mit visuellen Skalen identifizieren können. Das Einschätzen des Schmerzes bei Kindern und älteren Menschen, sowie bei Menschen mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit ist wesentlich schwieriger. Bei Patienten die sich zu ihren Schmerzen nicht äußern können, soll auf ihr Verhalten (Mimik, Bewegung, Weinen), auf die Einschätzung der Pflegepersonen oder Betreuer und auf pathologische Zustände oder Eingriffe geachtet werden (15). Es wurde auch, insbesondere für Kinder, eine modifizierte, sogenannte Smiley-Skala entworfen (Abb.3.) (7). Abbildung 3:Smiley Skala 1.6 Das WHO Stufenschema Für eine relevante und dem Patienten angepasste postoperative Schmerztherapie stellt das, von der Weltgesundheitsorganisation entwickelte, Dreistufen-Schmerzschema den Goldstandard und Grundsatz in der pharmakologischen Schmerzbehandlung dar (Abb.4.). Das WHO Stufenschema war ursprünglich für die Schmerzmedikation der Tumorpatienten 8 gedacht; aufgrund seiner Anwendbarkeit in Behandlungen aller Arten von Schmerzen, stellt es auch in der Zahnheilkunde einen Leitfaden dar (7). Die Auswahl der Analgetika in dem WHO Stufenschema basiert auf der Klassifizierung in Nicht-Opioide Analgetika (Paracetamol und NSAR), Opioide Analgetika und Adjuvantien (Corticosteroide, Neuroleptika, Antidepressiva und Antikonvulsiva). Sie werden entsprechend der Qualität und Quantität der Schmerzen und deren Einstufung in der Schmerzskala verabreicht. Die Adjuvantien sind Pharmaka die selbst keine analgetische Wirkung haben, aber die Wirkung von Analgetika verstärken. Sie können zusätzlich nach Bedarf als unterstützende Maßnahmen zur Medikation jeder Stufe der Skala verordnet werden (7). In der Stufe 1, entsprechend der Schmerzskalagruppe 1-3 (schwache Schmerzen), werden die Medikamente aus der Gruppe Nicht-Opioide Analgetika alleine oder kombiniert mit einem Adjuvans verwendet. Sollte die Therapie keinen Erfolg zeigen, wird der Einsatz eines stärkeren Analgetikums, anstatt eines Wechsels innerhalb der gleichen Gruppe, vorgezogen. Die Stufe 2 verlangt Analgesie bei mittelstarken Schmerzen und setzt sich aus einem schwachen Opioid-Analgetikum und, bei Bedarf, einem Nicht-Opioid Analgetikum zusammen. Starke Schmerzen, welche der Stufe 3 angehören, werden grundsätzlich mit starken Opioid Analgetika behandelt. Diese können entweder alleine oder in Kombination mit einem Nicht-Opioid Analgetikum und einem Adjuvans verabreicht werden (7). Unbehandelte Schmerzen können eine negative Auswirkung auf den Heilungsprozess haben und in chronische Schmerzen übergehen. Deswegen ist es wichtig bei bestehenden Schmerzen eine rasche Schmerztherapie einzusetzen und die postoperativ auftretenden Schmerzen rechtzeitig zu unterbinden. 9 Abbildung 4:WHO Stufenschema Im Unterschied zu Tumorschmerzen, bei welchen die Schmerzintensität kontinuierlich steigt, erreichen die Schmerzen nach operativen Eingriffen in der Zahnheilkunde ihr Maximum am Nachmittag des Operationstages. An folgenden Tagen ist ein wiederholtes Schema zu erkennen - Abfall der Schmerzen am Vormittag und wieder Anstieg gegen Abend, wobei das Schmerzempfinden kontinuierlich immer geringer wird. Da die stärksten Schmerzen und Schwellung am ersten bis dritten Tag nach der Operation zu erwarten sind, wird die Therapie für mindestens die ersten drei postoperativen Tage verabreicht. Aufgrund dessen wird das WHO Stufenschema nach oralchirurgischen Eingriffen in umgekehrten Folge, von der höheren Stufe zu niedrigeren, angewendet. Zur Beginn der Schmerztherapie werden stärkere Analgetika verabreicht, um dann bei Nachlassen des Schmerzes auf schwächere Analgetika überzugehen bzw. die Medikation beenden. Das richtige Analgetikum wird nach der Wirkungsqualität und der Wirkungsstärke bestimmt. 10 2 Methodik Bei dieser Diplomarbeit handelt es sich um eine ausführliche Literaturrecherche zum Thema Schmerzmedikation nach zahnärztlich - chirurgischen Eingriffen. Es werden die bereits vorhandenen Erkenntnisse zu Medikamenten, deren Wirkungen und Nebenwirkungen, zusammengefasst. Die Thematik wird mittels aktueller, zur Verfügung stehender Literatur, Studien und Forschungsarbeiten abgehandelt. Die Literaturrecherche nach pharmakologischen und zahnmedizinischen Lehrbücher und Fachbücher erfolgte über die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Graz und Fachbibliothek der Zahnklinik Graz. Weiters wurde die medizinwissenschaftliche Datenbank Pubmed im Internet für Suche von wissenschaftlichen Artikeln und Studien verwendet. Die bei der Recherche nach Publikationen verwendeten Suchbegriffe waren: Nicht-Opioid Analgetika, NSAR, Schmerz, Orale Chirurgie, Schmerztherapie, pain, analgesics, pharmacological treatments, orofacial pain, NSAID. Nach der Vorstellung der einzelnen Substanzen aus der Gruppe der Nicht-Opioid Analgetika und NSAR zur Schmerztherapie und deren bis heute bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen, werden die möglichen pharmakotherapeutischen Ansätze nach oralchirurgischen Eingriffen aufgezeigt. In der Diskussion werden ihre Relevanz im klinischen Alltag und Handlungsrichtlinien bei der Schmerzbehandlung in der zahnärztlichen Praxis dargelegt. 11 3 Ergebnisse 3.1 Analgetika Analgetika sind Mittel welche der Schmerzlinderung dienen. Sie sind sehr effektiv und werden häufig bei der Behandlung von Schmerzen in der Zahnheilkunde angewendet. Das Wort Analgetika stammt aus dem Griechischen, An („ohne“) und olgos („Schmerz“), was Schmerzlosigkeit bedeutet. Sie haben unterschiedliche Wirkmechanismen im Peripheren und Zentralen Nervensystem. Nach dem Wirkmechanismus werden die Analgetika in zwei große Gruppen unterteilt: Opioid Analgetika Nicht-Opioid Analgetika Opioid Analgetika haben eine deutlich stärkere Wirkung; sie rufen häufiger Nebenwirkungen hervor und weisen ein höheres Abhängigkeitspotenzial auf, im Vergleich zu Nicht-Opioid Analgetika. Diese zeichnen sich durch ihre antipyretische, antiphlogistische und antirheumatische Eigenschaften aus. Aufgrund dieser Eigenschaften haben sich die Nicht-Opioid Analgetika als Medikation erster Wahl in der Schmerztherapie durchgesetzt. Analgetika können auch miteinender kombiniert werden, z.B Nichtopioide und Opioide. Nur ist es nicht zu empfehlen die Analgetika innerhalb der gleichen Gruppe, wegen dem erhöhten Risikos von Nebenwirkungen, zu kombinieren. Die Analgetika sollten in regelmäßigen Zeitintervallen und in vorgeschriebener Weise auch nach Abklingen der Beschwerden für einen gewissen Zeitraum weiterhin eingenommen werden. Auf jeden Fall soll die nächste Dosis bereits vor einem Wiederauftreten von Schmerzen eingenommen werden, damit es nicht zur Chronifizierung des Schmerzgeschehens kommt. Die Behandlung sollte mit Analgetika schwächerer Wirkung begonnen werden, um dann nach Bedarf die Wirkungsstärke zu erhöhen; in der 12 postoperativen Schmerztherapie kann aber auch die umgekehrte Reihenfolge sinvoll sein (4). 3.2 Nicht-Opioid Analgetika Nicht-Opioid Analgetika sind eine heterogene Substanzgruppe sehr unterschiedlicher chemischer Strukturen. Dennoch ist das Wirkungsspektrum dieser Gruppe sehr ähnlich (16): analgetische Wirkung Durch die Hemmung von Cyclooxygenasen, ein für die Prostaglandinsynthese verantwortliches Enzym, wird eine Schmerzhemmung bewirkt. antipyretische Wirkung Hemmung der Prostaglandinsynthese im thermoregulatorischen Zentrum führt zur Fiebersenkung. antiphlogistische Wirkung beruht auf Hemmung der Prostaglandine welche bei jeder Entzündung freigesetzt werden. Die Prostaglandine erweitern die Gefäße und sensibilisieren die Nozizeptoren. Nicht-Opioid Analgetika haben eine relativ große therapeutische Breite (Abb.5.). Dies bedeutet, dass die Effektive Dosis und toxische Dosis des Arzneimittels einen sehr großen Dosisabstand haben (16). Dank dieser Eigenschaft stellen sie eine sichere Medikamentenwahl dar. Um eine adäquate Wirkung zu erzielen, soll die verordnete Dosis im Therapeutischen Bereich liegen, eine niedrigere Dosierung hätte keinen Effekt; eine höhere Dosierung könnte zu viele Nebenwirkungen haben. 13 Abbildung 5:Therapeutische Breite Trotz ihres großen Anwendungsbereiches und Wirksamkeit, hat diese Arzneimittelgruppe eine höhere Nebenwirkungsinzidenz welche sehr oft unterschätzt wird. Es zeigen sich, vor allem bei Langzeiteinnahmen, schwere gastrointestinale und renale Nebenwirkungen als auch eine Auswirkung auf die Gerinnungsfunktion der Thrombozyten. Deswegen soll die Handhabung sehr bedacht werden, insbesondere wegen der vielen Wechselwirkungen mit anderen Arzneimittelgruppen, wie mit oralen Antidiabetika, ACE-Hemmer, BetaRezeptor-Antagonisten, Diuretika und Lipidsenker. Diese Interaktionen können die Wirkungen der Arzneimittel verstärken oder abschwächen; oder aber auch eine Begünstigung der Entwicklung von Nebenwirkungen darstellen (17). 3.2.1 Wirkungsmechanismen Prostaglandine sind Produkte des Metabolismus der Arachidonsäure welche mit Hilfe der Cyclooxygenase synthetisiert werden. Prostaglandine beteiligen sich an einer Reihe physiologischer Prozesse im Körper, wie z.B. Zytoprotektion der gastrointestinalen Mukosa, Erhaltung der normalen Nierenfunktion und Gerinnungsfunktion der Thrombozyten. Sie haben aber auch eine pathophysiologische Funktion; sie sind im großen Ausmaß an den Entzündungsreaktionen und Schmerzentstehung beteiligt. Der Wirkungsmechamismus der Nicht-Opioid Analgetika basiert auf der Hemmung der Cyclooxygenase, eines Enzyms welches für die Synthese der Prostaglandine 14 verantwortlich ist. Unterbrechung der Prostaglandinsynthese führt zu Schmerzreduktion und Entzündungshemmung (16). 3.2.1.1 Die Cyclooxygenase Das Enzym Cyclooxygenase ist physiologisch ein im Körper vorkommendes Enzym, welches die freigesetzte Arachidonsäure aus Membranphospholipiden in zyklische Endoperoxide metabolisiert. Endoperoxide werden weiter in Prostaglandine umgewandelt (Abb.6). Abbildung 6:Prostaglandinsynthese Die Prostaglandine sind sowohl physiologische Begleiter einiger Prozesse im Körper, als auch bei der Entstehung und Unterhaltung von Entzündungen und Schmerz beteiligt (Abb. 7). Diese pathophysiologischen Funktionen der Prostaglandine sind u.a. die Verstärkung der Wirkung anderer Entzündungsfaktoren und Steigerung der Gefäßpermeabilität. Aufgrund beider Funktionen und der Tatsache, dass sie in allen Geweben produziert werden, ist es nachvollziehbar, dass ihre Wirkungen und Nebenwirkungen sehr miteinander verflochten sind. So stellt das Prostaglandin E2 auf der einen Seite das wichtigste proinflamatorische Prostaglandin bei der Entstehung der schmerzhaften und entzündlichen Prozesse dar; auf der anderen Seite hat es eine zytoprotektive Funktion des Magen-Darm Traktes und zusammen mit Prostaglandin I2, reguliert es die Hämodynamik und glomeruläre Filtrationsrate der Nieren. 15 Abbildung 7:Physiologische und pathophysiologische Wirkung der Prostaglandinsynthese Die Prostanoide Prostacyclin und Thromboxan A2 werden in den Endothelzellen der Blutgefäße unter Einwirkung der Cyclooxygenasen synthetisiert. Beide Prostanoide sind sehr wichtig für die hämodynamische Funktion des Herz-Kreislauf-Systems. Das Prostacyklin hat eine antiaggregatorische und vasodilatatierende Wirkung; demgegenüber bewirkt Thromboxan A2 eine Plättchenaggregation und Vasokonstriktion. Bei Anwendung der NSAR führt die Inhibition der Cyclooxygenasen zur irreversiblen Hemmung der Synthese von Thromboxan A2 in den Thrombozyten. Es kann zur Neubildung der Cyclooxygenasen in den Endothelzellen, und dort somit auch wieder zur Prostacyclinbildung kommen, nicht jedoch in den Thrombozyten. Auf diesem Wege wird die Gerinnungsfunktion der Thrombozyten beeinträchtigt (17). 16 3.2.1.2 Die COX-Isoenzyme Seit den 90er Jahren werden zwei Isotypen der Cyclooxygenase unterschieden, das COX-1 Enzym und das COX-2 Enzym. COX-1 Enzyme sind konstitutiv und für die Regulierung der physiologischen Funktionen in fast allen Organsystemen zuständig. Aufgrund dessen werden sie auch „house-keeping enzyme“ genannt. Die Inhibition der COX-1 ruft meist Nebenwirkungen hervor. COX-2 Enzyme werden durch Mediatoren, wie Zytokine, Interleukine, Mitogene und Wachstumsfaktoren, im entzündeten Gewebe induziert. Dies führt weiter zu einer lokalen Überproduktion von Prostaglandinen und darauffolgend zur Entstehung der Symptome einer Entzündung, wie Schwellung, Rötung, Erwärmung, gestörte Funktion und Schmerz. Die Inhibition der COX-2 bewirkt hauptsächlich eine antipyretische, analgetische und antiinflammatorische Wirkung. Die Erkenntnisse über eine selektive Hemmung der COX-2 Induktion durch Glucocorticoide und antiinflammatorische Zytokine führt zur gezielten Unterbindung der Entzündungen und Schmerzen ohne eine Beeinflussung der Aktivitäten und Funktionen der COX-1. Dafür wurden die „selektiven COX-2 Hemmer“, die sogenannten Coxibe, entwickelt. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass ein Teil der COX-2 in der Niere, im Gehirn, im Uterus und im Rückenmark konstitutiv vorhanden ist und dass sie bei der Wundheilung eine wesentliche Bedeutung hat. Dies bedeutet dass nicht alle Nebenwirkungen der NSAR nur wegen der COX-1 Hemmung entstehen können, sondern auch die Hemmung der COX-2 Auswirkungen haben kann (Abb. 8) (17). Abbildung 8:COX-1 und COX-2 Isotypen 17 Trotzdem öffnen die medikamentösen Schmerztherapien mit selektiven COX-2 Hemmstoffen neue Perspektiven für effektivere Schmerzbehandlungen. Sie bieten einen schnelleren und optimalen Genesungsverlauf mit bedeutend geringeren Nebenwirkungen. Coxibe werden schon als moderne Nachfolger konventioneller NSAR bezeichnet (18). 3.2.2 Indikationen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen Die Anwendung der Nicht-Opioid Analgetika ist meist bei schwachen bis mäßigen Schmerzen indiziert. Zum Beispiel bei den Schmerzen die auf entzündliche Prozesse beruhen: rheumatische Schmerzen, Zahnschmerzen, Migräne, Knochenschmerzen, auch Tumorschmerzen (oft in Kombination mit starken Opioiden), viszeralen Schmerzen, sowie bei akuten postoperativen Schmerzen (19). Wie schon erwähnt wurde, ruft der Wirkungsmechanismus dieser Substanzen auch gewisse Nebenwirkungen hervor. Aus diesem Grund ist eine Erhebung der medizinischen Anamnese, eine gründliche Überlegung bei der Medikamentenwahl und Dosierung sehr wichtig, vor allem bei bestehenden Magen-Darm oder Nierenerkrankungen, Gerinnungsstörungen oder sogar bei Asthma Bronchiale. Gute Kenntnisse über mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind die Grundlage einer komplikationslosen Therapie. Es ist bekannt, dass die Anwendung der nichtselektiven COX-Hemmer zu Mukosaschäden, Blutungen und Ulcusbildungen im gastrointestinalen Trakt führen können, während bei der Anwendung von COX-2 spezifischen Hemmstoffen diese Nebenwirkungen wesentlich geringer sind. Im Vergleich dazu zeigt Paracetamol, ein nicht-saures antipyretisches Analgetikum, gar keine gastrointestinalen Nebeneffekte (20). Außerdem hat die Therapie mit NSAR eine Auswirkung auf die Nierenfunktion. Während der Hemmung der renalen Prostaglandinsynthese steigt die Natrium- und Wasserretention; es kommt zur Ödembildung und Hypertonie wodurch sich das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen erhöht. Bei Risikopatienten könnte sich ein akutes Nierenversagen entwickeln (21). 18 Die Einnahme der NSAR führt in gewissem Ausmaß zur Hemmung der Thrombozytenaggregation welches als Folge ein erhöhtes postoperatives Blutungsrisiko darstellen kann. Dieser gerinnungshemmende Effekt wird aber zur Verhinderung der Entstehung einer Gefäßprothesen Thrombembolie oder Schlaganfällen nach einem erwünscht; Herzinfarkt, zu diesem nach eingesetzten Zwecke wird die Acetylsalicylsäure (ASS), als stärkster Plättchenaggregationshemmer, angewendet. Bei einer Notwendigkeit von gleichzeitiger Einnahme von ASS, protektiv wirkend, und anderen NSAR, schmerzlindernd, ist es empfohlen die ASS mindestens eine Stunde vor NSAR einzunehmen damit die protektive Wirkung der ASS nicht beeinträchtigt wird (22). Unspezifische COX-Hemmung löst bei etwa 10 Prozent der Patienten mit vorbestehendem Asthma bronchiale ein sogenanntes „Analgetikasthma“ aus. Dies basiert auf vermehrter Leukotriensynthese, welche für diese pseudoallergische Reaktion verantwortlich ist. Es gibt Hinweise darauf, dass spezifische COX-2 Hemmstoffe diese Reaktion deutlich reduzieren da der Arachidonsäuremetabolismus über COX-1 stattfindet und somit überschüssige Leukotriensynthese vermindert (20). In der Tabelle 1 sind die wichtigsten Nebenwirkungen der NSAR dargestellt (23). Tabelle 1: Übersicht über die wichtigsten Nebenwirkungen der NSAR Organ Nebenwirkung Nieren Niereninsuffizienz ,Elektrolytstörungen, Ödeme Herzkreislauf Interstitielle Nephritis Hypertonie, Infarkt (Herz, Hirn) Lungen Herzinsuffizienz Asthma, Eosinophiles Lungeninfiltrat Magen-Darm Blutungen, Divertikelkomplikationen, Kolitis Leber Erosiv-ulzeröse Läsionen/Komplikationen Transaminasenanstieg Arzneimittelinteraktionen Blut Thrombozytenhemmung, Neutropenie Haut Exanthem, Urtikaria ZNS Kopfschmerzen, Tinnitus Schwangerschaft Abort, Verschluss des Ductus arteriosus Blutung, Wehenschwäche Die Entstehung der Komplikationen hängt von dem verordneten Analgetikum, der Therapiedauer und dem Patientenalter ab. Wenn keine nachgewiesenen Kontraindikationen 19 bestehen, sind die NSAR Analgetika die antiphlogistischen Medikamente der Wahl zur Schmerzlinderung (7). Um Nebenwirkungen zu vermeiden ist es empfehlenswert die Dosierung der Analgetika so niedrig als möglich zu halten und sie nur für kurze Zeit zu verwenden (17). Eine Erhöhung der einzelnen Dosis oder eine Kombination mit Analgetika gleicher Gruppe ist sinnlos (22). 3.3 Einteilung der Nicht-Opioid Analgetika Es werden folgende Gruppen der Nicht-Opioid Analgetika unterschieden: Nichtsaure, antipyretische Analgetika Paracetamol und Metamizol Nicht-Opioide Analgetika ohne antipyretische und antiphlogistische Wirkung Flupirtin Saure antiphlogistisch-antipyretische Analgetika (NSAR) Acetylsalicylsäure, Arylessigsäurederivate, Arylpropionsäurederivate, und Anthranilsäurederivate, Heterocyclische Ketoenolsäuren und Sulfonanilid Selektive COX-2 Inhibitoren Celecoxib, Parecoxib und Etoricoxib 3.3.1 Nicht – saure antipyretische Analgetika Es wird angenommen dass die analgetische Wirkung dieser Analgetika auf einer Hemmung der Prostaglandinsynthese auf Rückenmarks- sowie zentralnervöser Ebene beruht, solange die Prostaglandinsynthese in der Peripherie erhalten bleibt. Diese Gruppe hat kaum eine entzündungshemmende Wirkung, zeigt aber auch keine typischen Nebenwirkungen auf die Nieren, den Magen-Darm Trakt und die Thrombozytenaggregation. Die wichstigsten Vertreter der nichtsauren antipyretischen Analgetika sind Paracetamol und Metamizol. 20 3.3.1.1 Paracetamol Abbildung 9:Paracetamol Paracetamol (Acetaminophen) ist ein Anilinderivat mit einer guten antipyretischen und analgetischen Wirkung. Sein Wirkmechanismus ist vorwiegend zentral. Die Prostaglandinsynthese wird in den höheren Zentren des Gehirns und des Rückenmarks unterdrückt, diese bleibt jedoch am Ort der Entzündung weiterhin aufrecht, wodurch die geringe antiphlogistische Wirkung erklärt wird. Dank diesem, vorherrschend zentralnervösen Mechanismus, zeigt Paracetamol keine negativen, NSAR-typischen, Auswirkungen und stellt somit das Mittel der Wahl bei Patienten mit bestehender Nierenschädigung als Kurzzeittherapie dar. Eine bessere Schmerzlinderung bei akuten postoperativen Schmerzen wird in einer Kombination mit NSAR erreicht was auch in einer Studie von Rømsing et al. (24) erwiesen wurde. In dieser Studie wurden die Wirkung von Paracetamol und die Kombination von Paracetamol und NSAR getestet. Es stellte sich heraus, dass die gleichzeitige Anwendung von Paracetamol und einem NSAR überlegen zu Paracetamol allein war, aber es wurden keine Beweise der überlegenen analgetischen Wirkung der Kombination im Vergleich zu den NSARs allein gefunden (24). Indikationen für die Anwendung von Paracetamol sind Fieber und schwache bis mittelmäßige Schmerzen ohne entzündliche Komponente, wie bei Kopf- und Zahnschmerzen sowie postoperativen Schmerzen. Aufgrund der guten Verträglichkeit, dem geringen Risiko und keiner nachgewiesenen teratogenen Wirkung kann es als Antipyretikum und Analgetikum bei Schwangeren, Stillenden und Kindern verwendet werden. Paracetamol wird nach der Einnahme schnell resorbiert und der Wirkungsantritt erfolgt innerhalb 15 Minuten, mit einer Plasmahalbwertszeit von 2 Stunden. Die Therapiedosis bei 21 Erwachsenen beträgt 500 – 1000 mg als Einzeldosis in einem zeitlichen Intervall von 4 bis 6 Stunden. Dabei darf die Tageshöchstdosis von 4000 mg nicht überschritten werden. Höhere Dosierungen haben Leberzellnekrosen zur Folge welche zu einem Leberkoma führen können. Schon eine Dosierung von 100 mg pro kg kann zur Leberschädigung führen; die Einzeldosen von über 250 mg pro kg sind toxisch (17). Es wurden die analgetische Wirksamkeiten der Wirkstoffe Paracetamol, ASS, Ibuprofen und Morphin im Artikel von Becker (2010) verglichen. Die Dosis-Wirkungs-Kurve von allen Wirkstoffen wurde in einem Diagramm dargestellt (Abb.10). Dieses Diagramm zeigt, dass Morphin (Opioide) eine typische Dosis-Wirkungs-Antwort zeigt, mehr Wirkstoff, mehr Wirksamkeit. Im Vergleich dazu zeigen die Nicht-Opioide eine begrenzte Antwort, nämlich ihre Wirksamkeit steigt bis zur einen gewissen Grenze und danach kommt es zu eine Stagnation; es werden, auch in Fällen einer zusätzlichen Erhöhung der Dosis, keine weitere Wirkungen erreicht. Diese Grenze für Ibuprofen liegt bei 400 mg, beim Paracetamol und ASS beträgt diese 1000 mg, wobei das Ibuprofen eine etwas stärkere Wirkung, im Vergleich zu Paracetamol und ASS, zeigt (25). Abbildung 10: Vergleich der analgetischen Potenz von Morphin,Ibuprofen und Acetylsalicylsäure/Acetaminophen Obwohl die Nicht-Opioid Analgetika nur eine begrenzte Wirksamkeit zeigen, sind sie für die postoperative oralchirurgische Schmerzbehandlung sehr gut geeignet. Eine Verabreichung in höherer Dosis am ersten postoperativen Tagen hat sich antiphlogistisch und analgetisch als sehr effizient erwiesen (25). 22 3.3.1.2 Metamizol Abbildung 11:Metamizol Metamizol ist ein Pyrazolonderivat mit ähnlichem Wirkmechanismus wie Paracetamol; es bewirkt die Hemmung der Weiterleitung von Schmerzsignalen im nozizeptiven System. Neben seinen starken antipyretischen und analgetischen Wirkungen wird es besonders wegen seiner spasmolytischen Wirkungen geschätzt. Die Anwendung des Metamizols ist bei mittelstarken bis starken akuten Schmerzen, Tumorschmerzen und schweren Fieberzuständen indiziert. Aufgrund der spasmolytischen Wirkung wird es oft zur Schmerztherapie bei Koliken der Gallen- und Harnwege eingesetzt. In der zahnärztlichen Praxis wird Metamizol, wegen fehlender entzündungshemmender Wirkung, als ein Ersatzpräparat verwendet (26). Nach oraler Gabe tritt die Wirkung schnell ein; es hat eine Plasmahalbwertszeit von etwa 2-5 Stunden. Die Dosierung beträgt 500 – 1000 mg alle 4 bis 6 Stunden, allerdings sollte die Tagesdosis von 3000 mg nicht überschritten werden. Folgen einer Überdosierung und deren klinische Symptomatik sind nicht bekannt. Trotz guter gastrointestinaler Verträglichkeit ist Metamizol bei Säuglingen, während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei vorbestehenden Blutbildungs-Störungen, Asthma bronchiale und Alkoholintoleranz kontraindiziert. Eine Einnahme während der Schwangerschaft, insbesondere im 3. Trimenon, stellt die Gefahr des vorzeitigen Verschlusses des Ductus arteriosus Botalli dar (27). Metamizol kann zu einer Agranulozytose führen, welche nach seinem Absetzen rasch reversibel ist. In seltenen Fällen kann es nach oraler Einnahme, aufgrund einer Überempfindlichkeitsreaktion, zu einer anaphylaktischen Reaktion kommen (16). 23 3.3.2 Nicht-Opioide Analgetika ohne antipyretische und antiphlogistische Wirkung Der Wirkmechanismus dieser Gruppe der Analgetika basiert nicht, wie bei den anderen, auf der Hemmung der Cyclooxygenase bzw. Prostaglandinsynthese, sondern auf der zentralen Wirkung an selektiven Kalium-Kanälen-Öffner. Durch die selektive Öffnung von bestimmten Kaliumkanälen an der Membranoberfläche der WDR-Neurone im Rückenmark wird das Ruhemembranpotenzial stabilisiert. Es bewirkt eine indirekte Hemmung der NMDA-Rezeptoren welche für die Weiterleitung der afferenten Schmerzimpulse aus der Peripherie zum ZNS zuständig sind. Auf diese Weise werden die Schmerzreize gleich auf spinaler Ebene gehemmt und der Schmerz wird unterbunden. In der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde stellt aus dieser Gruppe der NichtopioidAnalgetika der Flupirtin einen besonders effektiven analgetischen Wirkstoff dar (28). 3.3.2.1 Flupirtin Abbildung 12:Flupirtin Die starke analgetische Wirkung von das Flupirtin entspricht fast dem von Codein und Morphin (29). Durch die Hemmung der Schmerzimpulse im Rückenmark wird zusätzlich das Schmerzgedächtnis beeinflusst, eine Chronifizierung des Schmerzes verhindert und eine Entspannung der Muskulatur ausgelöst (28). Flupirtin wird zur Linderung der akuten postoperativen Schmerzen eingesetzt, wenn eine Behandlung mit anderen Analgetika (NSAR oder schwache Opioide) kontraindiziert ist (29). In der Zahnheilkunde wird es wegen seiner muskelrelaxierenden Wirkung oft bei der 24 Therapie der Craniomandibulären Dysregulationen (CMD) mit massiven Myalgien verordnet (28). Die empfohlene Dosierung liegt bei 100 – 200 mg alle 6 bis 8 Stunden. Eine Dosis von 600 mg pro Tag sollte nicht überschritten werden. Wirkungseintritt ist innerhalb von 30 Minuten; die Plasmahalbwertszeit liegt bei etwa 4 Stunden. Eine Kombination mit NSAR, bei Bedarf, ist jedenfalls sinnvoll. In der Schwangerschaft und Stillperiode ist Flupirtin kontraindiziert (16). Zu den häufigsten Nebenwirkung gehören: Müdigkeit, besonders zu Therapiebeginn, Schwindel, Verdauungsstörungen oder Kopfschmerzen. Da der Wirkstoffabbau in der Leber stattfindet, sollte bei vorgeschädigter oder geschwächter Leber der Einsatz kritisch überdacht werden (28). 3.3.3 Saure antiphlogistisch-antipyretische Analgetika (NSAR) Saure antiphlogistisch-antipyretische Analgetika werden auch NSAR (=Nicht-Steroidale Antirheumatika) bzw. NSAID (non-steroidal anti-inflammatory drugs) im englischsprachigen Raum genannt. Der Name Nicht-Steroidale dient zu ihrer Unterscheidung von Glucocorticoiden (Steroidhormone), welche eine antiphlogistische, aber auch eine glucocorticoide Wirkung haben. NSAR haben analgetische, antipyretische und antiphlogistische Wirkungen. Der Wirkmechanismus basiert auf der Hemmung der Cyclooxygenase und im Zuge dessen wird die Prostaglandinsynthese unterbrochen. Eine Blockade der Prostaglandinbildung hat zur Folge eine periphere und zentrale Unterdrückung der Schmerzentstehung. In der peripheren Schmerzhemmung sind Hemmungen der Erregungsbildung in den Rezeptoren der sensiblen Nervenbahnen und der Ausbreitung der Entzündung entscheidend. Im zentralen Nervensystem erfolgt die Schmerzherabsetzung bzw. Schmerzausschaltung durch die Unterbrechung der synaptischen Schmerzweiterleitung im nozizeptiven System. Die Anwendungsgebiete der NSAR sind sehr breit gefächert, von Kopf-, Zahn- und Rückenschmerzen, Fieberzuständen, über Sportverletzungen bis hin zur Behandlung von rheumatoiden Arthritis, Arthrose, Herzinfarkt oder Schlaganfall. 25 Die NSAR sollen als Normdosierung für eine möglichst kurze Zeit eingenommen werden. Eine Dosiserhöhung oder Verlängerung der Einnahme um eine bessere Wirkung zu erzielen ist sinnlos. Ihre Verordnung in den ersten 24 Stunden postoperativ mindert den Verbrauch der Opioid-Analgetika. Das breite Anwendungsgebiet bringt hohe Nebenwirkungsinzidenzen mit sich. Die Nebenwirkungen der NSAR sind häufig kompliziert, schwer und oft erst später erkennbar. Abgesehen davon, dass NSAR schon während einer Normdosis Nebenwirkungen verursachen kann, können diese durch unüberlegte Verordnungen oder Selbstverschulden der Patienten, die aufgrund leichter Zugänglichkeit oft eine Selbstbehandlung durchführen, noch verstärkt werden. Meist treten die Schädigungen im Magen-Darm Trakt (Blutungen, Ulcusbildung, Erosionen), Nieren und Leber auf. Traumen, eine gestörte Hämodynamik und höheres Alter wirken auch fördernd auf die Entstehung unerwünschter Effekte (17,30). In einer Studie der Stanford Universität von Fries und Bruce (31) wurden die Schmerzmittel Paracetamol, Ibuprofen und ASS miteinander im Hinblick auf Verträglichkeit getestet. Dabei ist festgestellt worden, dass alle drei Wirkstoffe gleich gut verträglich sind und in niedrigen Dosierungen keine schwerwiegenden Nebenwirkungen hervorrufen. Bei einer Kombination mit anderen NSAR, oder gleichzeitige Einnahme mit Corticosterioden, steigt das Risiko um zwei- bis sechsfache. Um obengenannte Nebenwirkungen zu umgehen, sind folgende Kontraindikationen für NSAR zu beachten: Magen-Darm Ulzera, Asthma, hämorrhagischer Diathese, sowie in den letzten Schwangerschaftswochen – Gefahr eines möglichen vorzeitigen Verschlusses des Ductus Botalli und Beeinflussung der normalen Geburts- und Nachgeburtsphase auf Grund ihrer Wirkung auf das uterotrope Prostaglandinsystem (4). 26 Einteilung der NSAR: NSAR sind nicht selektive Cyclooxygenase (COX)-Hemmer, während selektive COX-2Hemmer eine eigene Untergruppe darstellen, welche in einem eigenen Kapitel beschrieben werden. In folgender Tabelle werden die Vertreter der nicht selektiven NSAR Gruppe mit ihren Freinamen und Handelsnamen vorgestellt (16). Von einigen NSAR gibt es auch Generika. Tabelle 2: Einteilung der NSAR Substanzklasse Freiname Handelsname(A) Acetylsalicylsäure Acetylsalicylsäure Aspirin Arylessigsäurederivate Diclofenc Voltaren Indometacin Indocid Ibuprofen Brufen Dexibuprofen Seractil Naproxen Proxen Anthranilsäurederivat Mefenaminsäure Parkemed Heterocyclische Meloxicam Movalis Ketoenolsäuren Piroxicam Felden Lornoxicam Xefo Arylpropionsäure Eine sehr unterschiedliche Wirkzeit der einzelnen Substanzen lässt die NSAR, in dieser Hinsicht, in folgenden Gruppen einteilen (16): Sehr kurz wirksam: Acetylsalicylsäure Kurz wirksam: Diclofenac, Dexibuprofen, Ibuprofen, Mefenaminsäure Mittellang wirksam: Indometacin, Naproxen, Ketoprofen, Lornoxicam Lang wirksam: Meloxicam, Piroxicam, Phenylbutazon 27 3.3.3.1 Acetylsalicylsäure Abbildung 13: Acetylsalicylsäure Acetylsalicylsäure (ASS) ist ein schmerzstillender, entzündungshemmender, fiebersenkender und thrombozytenaggregationshemmender Wirkstoff, der seit Anfang des 20. Jahrhunderts unter dem Markennamen Aspirin® hergestellt wird. Der Wirkmechanismus der ASS beruht auf einer irreversiblen Hemmung beider Isoenzyme der COX. Durch Acetylierung der Enzyme werden ihre katalytischen Aktivitäten dauerhaft blockiert. In Folge dessen verlieren die Thrombozyten ihre Fähigkeit zur Aggregation, und zwar für ihre gesamte Überlebenszeit, 8-10 Tage, da sie keine Enzyme, aufgrund des fehlenden Zellkerns, nachbilden können (17). Bei anderen NSAR ist dieser Effekt reversibel und hat eine Dauer von max. 24 Stunden nach der Anwendung. ASS wird therapeutisch bei mäßigen bis mittelstarken und entzündlichen Schmerzen, bei rheumatischen Erkrankungen und prophylaktisch bei herzkoronaren und cerebrovaskulären Erkrankungen verabreicht. Die prophylaktische Wirkung wird schon mit eine Dosis von 30 bis 100 mg pro Tag erreicht. Für eine antiphlogistische und analgetische Wirkung wird eine therapeutische Einzeldosis von 500 bis 1000 mg alle 4-6 Stunden benötigt. Eine maximale Tagesdosis von 3000 mg darf nicht überschritten werden (17). Nach peroraler Applikation der ASS wird diese rasch und vollständig aus dem GI Trakt resorbiert; die Elimination erfolgt mit einer Plasmahalbwertszeit von ca. 15 Minuten (16). Nebenwirkungen die oft bei der Therapie mit ASS auftreten können sind: Mikroblutungen, Ulcera in GI Trakt, epigastrische Beschwerden, Gastritis, Erbrechen und Übelkeit. Besondere Vorsicht bei Langzeittherapie ist bei Patienten mit vorbestehenden Erkrankungen der Niere und Herz wegen Salz- und Wasserretention geboten (17). In hoher Dosierung können Schwindel und Ohrensausen hervorgerufen werden. In Hinblick auf die oralchirurgischen Eingriffe ist wichtig zu erwähnen dass es, aufgrund der gehemmten 28 Thrombozytenaggregation, zu Verlängerung der Blutungszeit oder Nachblutungen kommen kann. Ein Absetzen der Therapie ist nicht notwendig, solange sie in der Normdosis ist. In dem Fall einer Therapie mit höheren Dosen soll eine präoperative Abklärung mit dem verantwortlichen Behandler stattfinden. Die Therapie der Wahl wären dann Paracetamol oder eine Substanz aus der Gruppe der selektiven COX-2 Hemmer. ASS ist bei Leber- und Niereninsuffizienz, Thrombozytopenie, Magen-Darm Ulcera, erhöhter Blutungsneigung sowie im letzten Trimenon der Schwangerschaft und während der Stillzeit kontraindiziert (16). Eine Verabreichung bei Kindern unter 12 Jahre mit viralen fieberhaften Infektionen ist nicht empfohlen, da ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von ASS und dem sog. „Reye-Syndrom“ noch nicht geklärt ist. Bei einer Kombination von ASS und oralen Antikoagulantien kumuliert deren gerinnungshemmender Effekt (4). 3.3.3.2 Arylessigsäurederivate Die Vertreter der Essigsäure-Derivate sind Diclofenac und Indometacin. Diclofenac Abbildung 14: Diclofenac Dieses Essigsäure-Derivat ist unter dem Handelsnamen Voltaren® bekannt. Dank seiner ausgeprägten antiphlogistischen Wirkung ist Diclofenac bei akuten und chronischen entzündlichen Erkrankungen indiziert, vor allem bei der Therapie von rheumatischen Erkrankungen (27). 29 Diclofenac wird schnell im GI Trakt resorbiert, die Plasmahalbwertszeit beträgt ungefähr 90 Minuten. Die therapeutische Dosis liegt bei 50mg bis 100 mg alle 6-8 Stunden; mit einer maximalen Tagesdosis von 150 mg (16). Zu unerwünschten Flüssigkeitsretention Wirkungen und gehören: Beschwerden Wassereinlagerungen, hoher im Verdauungstrakt, Blutdruck, Hautausschlag, Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit (7). Untersuchungen zufolge wird das Risiko von einem Herzinfarkt bei einer Therapie mit Diclofenac um ca. 44-55 Prozent erhöht (27). Die Kontraindikationen für Diclofenac bestehen vor allem bei Magen- und Darmgeschwüren, im letzten Drittel der Schwangerschaft, bei Leberfunktionsstörungen, schwerer Niereninsuffizienz und Herzinsuffizienz. Indometacin Abbildung 15: Indometacin Indometacin, Handelsname Indocid®, wirkt hauptsächlich antiphlogistisch und antirheumatisch. Wegen einer hohen Plasmaproteinbindung (bis zu 90%), beträgt seine Plasmahalbwertszeit etwa 3–11 Stunden. Die empfohlene Normdosis liegt bei 25 bis 50 mg alle 8-12 Stunden; die Tagesdosis jedoch bei 150 mg. Indometacin hat eine höhere Nebenwirkungsinzidenz (GI Trakt, Nieren, Herz und ZNS); in der Zahnheilkunde findet dieser Wirkstoff keine Anwendung; seine Verwendung ist nur auf die Behandlung des akuten Gichtanfall eingeschränkt (17). 30 3.3.3.3 Arylpropionsäuren Die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe der NSAR sind Ibuprofen, Dexibuprofen und Naproxen. Ibuprofen Abbildung 16: Ibuprofen Ibuprofen ist ein Arylproprionsäurenderivat, im Handel unter dem Namen Brufen® bekannt. In geringeren Dosen wirkt es analgetisch und antipyretisch; um eine antiphlogistische Wirkung zu erreichen, sollen höhere Dosen verabreicht werden. Anwendungsgebiete sind Kopf- und Zahnschmerzen, rheumatoide Arthritis sowie die Schmerzen der Muskeln und des Bewegungsapparates. Es wird den eher schwächeren Wirksubstanzen zugeordnet; hat eine sehr hohe Plasmaeiweißbindung; mit einer Eliminationshalbwertszeit im Plasma von ca. 2 Stunden. Die analgetische Einzeldosis liegt bei 200 bis 400 mg, bzw. 800 mg für antiphlogistische Wirkung, bei rheumatoiden Beschwerden. Die Tageshöchstdosis von 1200 mg, bzw 2400 mg soll nicht überschritten werden. Ibuprofen ist ein NSAR mit geringster Nebenwirkungsinzidenz (4). Die Wirkungseffizienz von Ibuprofen ist in einer doppelblinden, randomisierten Studie von Cooper et al. (32) untersucht worden. Den Patienten wurden nach oralchirurgischen Operationen eine Einzeldosis von entweder Codein 60 mg, 650 mg Aspirin, Ibuprofen 400 mg, 650 mg Aspirin + Codein 60 mg, Ibuprofen 400 mg + Codein 60 mg oder Placebo verabreicht. In einem Berichtsformular wurden die Schmerzintensität, Schmerzlinderung und Nebenwirkungen verzeichnet. Es zeigte sich, dass Ibuprofen in Kombination mit Codein die wirksamste Behandlung mit effektiver Schmerzlinderung war, mit rascher Erreichung der höchsten Wirkungsintensität, aber die Wirkungsdauer war deutlich kürzer im Vergleich zu Ibuprofen allein. Auch im Vergleich zu anderen Wirkstoffen hatte Ibuprofen eine deutlich bessere analgetische Wirkung. Codein zeigte sich als schwächstes Analgetikum. Da Ibuprofen zumindest eine so gute Wirkung wie die Kombination von 31 ASS und Codein hat, hat die Studie eine Überlegenheit in der Anwendung von Ibuprofen gegenüber der ASS bestätigt. Dexibuprofen Abbildung 17: Dexibuprofen Dexibuprofen wird unter dem Handelsnamen Seractil® vertrieben. Wegen seiner guten analgetischen und antiphlogistischen Wirkungen, guter Verträglichkeit und sehr geringen Nebenwirkungen wird es oft bei Schmerzen und Entzündungszuständen verschiedener Ursache und nach Operationen angewendet. Durch mehrere Studien hat sich gezeigt, dass Dexibuprofen eine gute Verträglichkeit wie Paracetamol hat; im Vergleich zu ASS ist sie deutlich besser (28). Die Plasmaeiweißbindung ist hoch; die Plasmahalbwertzeit beträgt etwa 2h. Die Dosierung ist 200 bis 400 mg alle 6-8 Stunden; eine Tagesdosis von 1200 mg soll nicht überschritten werden. Es wird eine Einnahme über einen kürzest möglichen Zeitraum von ca. 3-4 Tagen empfohlen. Die seltenen Nebenwirkungen äußern sich durch Übelkeit, Magenbrennen, Magenschmerzen, Erbrechen. Bei Langzeiteinnahme können wie bei allen NSAR schwere Nebenwirkungen auftreten. Dexibuprofen ist bei bekannten allergischen Reaktionen auf NSAR, sowie bei Patienten mit vorbestehender prophylaktischer ASS Therapie, da das Dexibuprofen in höherer Dosis die Wirkung von ASS aufhebt, kontraindiziert. Wenn die Therapie trotzdem erfolgen muss, soll die Einnahme von Dexibuprofen mindestens 2 Stunden nach der ASS stattfinden (27). Zu den häufig verordneten Produkten, vor allem in der Zahnmedizin, gehören u.a. Seractil® 300mg und Seractil forte® 400mg. 32 Naproxen Abbildung 18: Naproxen Naproxen wird vor allem bei der Behandlung von chronisch entzündlichen degenerativen Erkrankungen angewendet. Naproxen hat, im Vergleich zu anderen NSAR, auch eine spasmolytische Wirkung. Die Plasmaproteinbindung liegt bei 98%; die Wirkungsdauer beträgt ca. 12 Stunden. Dosierung: Die Einzeldosis ist 250 bis 500 mg alle 8-12 Stunden; die höchste Tagesdosis ist 1250 mg. Naproxen ist gut verträglich und hat ähnliche Nebenwirkungen wie Ibuprofen (27). Der Handelsname in Österreich ist Proxen®. 3.3.3.4 Anthranilsäurederivat Mefenaminsäure Abbildung 19: Mefenaminsäure Mefenaminsäure, Handelsname Parkemed®, kommt aufgrund ihrer ausgeprägten entzündungshemmenden, schmerzlindernden und fiebersenkenden Wirkung bei unterschiedlichen Behandlungen zum Einsatz wie zum Beispiel bei Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen, bei Muskelschmerzen, Zahnschmerzen, Ohrenschmerzen oder auch bei Grippeerkrankungen. Sie wird im Körper rasch resorbiert, die Plasmakonzentration erreicht das Maximum nach 2-4 Stunden mit einer Plasmaeliminationshalbwertszeit von 2 Stunden. Die Einzeldosis beträgt 250 bis 500 mg in einem Dosisintervall von 6-8 Stunden. Jedoch soll die Tagesdosis von 1000 mg, wegen 33 gefährlichen und schweren Schädigungen im Gastrointestinaltrakt, Nieren und Knochenmark, auf keinen Fall überschritten werden (16). Bei einer relativ kurzen Einnahme, von ca ein bis zwei Wochen, wie in der Zahnmedizin, stellt die Mefenaminsäure kein großes Risiko dar, die Einahme von über einem Jahr ruft die typischen gastrointestinalen Beschwerden hervor (33). In einem Review von Künzel et al. 2007 wird von einer Vergleichsstudie von Mefenaminsäure (500 mg) mit Diclofenac (50 mg) und Placebo nach operativer Entfernung unterer Weisheitszähne berichtet. Die einzigen Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden konnten, waren die bessere analgetische Wirkung von Diclofenac und Mefenaminsäure in Einzeldosis im Vergleich zu Placebo (33). 3.3.3.5 Heterocyclische Ketoenolsäuren Die Vertreter der Gruppe der Oxicame sind Meloxicam, Piroxicam und Lornoxicam. Die Substanzen dieser Gruppe haben eine längere Wirkungsdauer sowie deutlich bessere Magenverträglichkeit im Vergleich zu anderen NSAR (4). Ihr Wirkmechanismus beruht auch auf der unselektiven Hemmung der Cyclooxygenase wobei aber einige Wirkstoffe, wie Meloxicam, eine höhere Affinität zur COX-2 besitzen. Die Oxicame, bis auf teilweise Lornoxicam, werden in der Zahnheilkunde nicht verwendet. Meloxicam Abbildung 20: Meloxicam Meloxicam (Movalis®) hat eine starke antiphlogistische, antipyretische und analgetische Wirkung. Trotz seiner Fähigkeit die Thromboxanbildung zu hemmen, ist eine Auswirkung auf die Thrombozytenaggregation und Blutungszeit nicht nachgewiesen. Meloxicam wird zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungszuständen eingesetzt, besonders bei Arthritis und Arthrose. Bei niedrigeren Dosen, bis 7,5 mg, wird bevorzugt COX-2, bei 34 höheren Dosen, 15 mg, wird jedoch auch die COX-1 gehemmt (30). Aufgrund langer Plasmahalbwertszeit, 20 Stunden, wird die Einnahme auf Einzeldosen von 7,5 bis 15 mg alle 24 Stunden beschränkt (16). Mögliche unerwünschte Wirkungen sind Verdauungsbeschwerden und Kopfschmerzen, wie auch die anderen, für NSAR typischen, schweren Nebenwirkungen. Piroxicam Abbildung 21: Piroxicam Piroxicam ist ein unselektiver COX-1 und COX-2 Inhibitor, bekannt unter dem Handelsnamen Felden®. Es wird als Mittel der Wahl bei einer chronischen Polyarthritis, einer Arthrose und Spondylitis ankylosans angewendet (30). Piroxicam wird nach der Einnahme gut und schnell resorbiert, mit einer Plasmahalbwertszeit von bis zu 50 Stunden. Die Dosierung von 20 bis 40 mg pro Tag als Einzeldosis sollte nicht überschreiten werden (16). Durch die starke Effizienz steigt auch das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen, besonders bei einer Dauerbehandlung (30). Lornoxicam Abbildung 22: Lornoxicam Lornoxicam stellt das potenteste NSAR dar. Im Handel ist er unter dem Namen Xefo® zu finden. Die Einsatzgebiete sind schmerzhafte und entzündliche Erkrankungen und eine Kurzzeitbehandlung von mittelstarken postoperativen Schmerzen. Die Plasmahalbwertszeit beträgt 3-4 Stunden; die Dosierung 4 bis 8 mg alle 8-12 Stunden, jedoch soll die 35 Tagesdosis von 16 mg nicht überschritten werden. Lornoxicam zeigt NSAR charakterischtische Nebenwirkungen (16). 3.3.4 Selektive COX-2-Inhibitoren Die selektiven COX-2 Hemmer sind den NSAR zugeordnet da sie keine Steroide sind und eine antiphlogistische Wirkung haben. Sie werden auch Coxibe gennant. Sie haben eine sehr lange Plasmahalbwertszeit und eine sehr große Potenz, weshalb sie in geringen Dosen und langen Dosisintervallen verabreicht sein müssen. Die Coxibe rufen, dank der selektiven Hemmung, deutlich weniger Nebenwirkungen im gastrointestinalen Trakt hervor und zeigen keine Auswirkung auf die Thrombozytenaggregation (17). Die Studien in Bezug auf die oralchirurgischen Eingriffe haben gezeigt, dass die Coxibe gleich gut wirken wie die unselektiven NSAR und überlegenswert sind. Nun was die Nebenwirkungen angeht, sind die Ergebnisse unterschiedlich. Nach Ansicht einiger Autoren stellen die Coxibe die Ursache der erhöhten kardiovaskulären Nebenwirkungen dar, während andere Studien anscheinend genau das Gegenteil beweisen sollen (33). Lumiracoxib und Rofecoxib, sind zwei Vertreter dieser Gruppe, welche aufgrund von Nebenwirkungen aus dem Handel gezogen worden sind. Rofecoxib hatte eine ca. 800 Mal größere Affinität zur COX-2 als zur COX-1 (17). Nachdem der Wirkstoff einige Zeit in Verwendung war hat sich herausgestellt dass er schwere Herz- und Kreislauferkrankungen, insbesondere Angina Pectoris, Schlaganfälle und Herzinfarkte, hervorruft, was auch der Grund der Marktrücknahme war. Da die meisten Nebenwirkungen im renalen System durch die Hemmung der COX-2 und Flüssigkeitsretention verursacht sind, kann es weiter auch zu einem Blutdruckanstieg, Ödembildung und akutem oder chronischem Nierenversagen führen (4). Aufgrunddessen sind die Coxibe bei bestehenden Herz-Kreislauf Erkränkungen sowie bei schweren Leberschäden, Nierenerkrankungen und Schwangerschft kontraindiziert (27). Ihre Anwendung in der Zahnheilkunde ist nur nach strenger Indikation bei NSAR Unverträglichkeit und starken Schmerzen gerechtfertigt (34). Die Vertreter dieser Gruppe sind: Celecoxib, Parecoxib und Etoricoxib. 36 Celecoxib Abbildung 23: Celecoxib Dieses Sulfonamid-Derivat mit analgetischer, antiphlogistischer und antipyretischer Wirkung wird am häufigsten zur Therapie von Arthrosen, Arthritis und rheumatoider Arthritis eingesetzt, findet aber auch in zahnmedizinischen Behandlungen eine Anwendung. Seine Präferenz zur COX-2 ist um 375-mal höher als zur COX-1. Die Resorption erfolgt sehr langsam und zu 97%, die Plasmaeliminationshalbwertszeit liegt zwischen 6 und 12 Stunden. Die Dosierung von Celecoxib ist entweder ein Mal am Tag 200 mg oder 2 x 100 mg; bei rheumatoider Arthritis ist eine Dosierung von bis zu 400 mg in zwei Einzeldosen zugelassen, welche nicht überschritten sein sollte. Die Nebenwirkungen die auftretten können sind Durchfall, Bauchschmerzen (17). Parecoxib Abbildung 24: Parecoxib 37 Ein weiterer Vertreter dieser Gruppe, Parecoxib ist der einzige injizierbare COX-2 Hemmer. In dieser Applikationsform wird Parecoxib nur kurzfristig nach der Operation zur Schmerzlinderung angewendet und das ist auch seine Hauptindikation. Nach der Applikation wird Parecoxib rasch zum aktiven Valdecoxib hydrolysiert. Valdecoxib wird zu 98% an Plasmaproteine gebunden; die Plasmahalbwertszeit liegt bei etwa 8 Stunden. Die Applikationsdosis beträgt 40 mg, wobei eine Nachdosierung bis zur GesamtTagesdosis von 80 mg möglich ist (17). Etoricoxib Abbildung 25: Etoricoxib Etoricoxib (Arcoxia®) ist seit April 2012 auch für die Behandlung von mäßig starken postoperativen Zahnschmerzen zugelassen. Weitere Indikationen sind: entzündliche und degenerative Gelenkerkrankungen und bei akuter Gichtarthritis. Es zeichnet sich durch relativ schnellen Wirkungseintritt, gute Verträglichkeit und lange Plasmahalbwertszeit aus. Die Einnahme soll einmal täglich in einer Einzeldosis von 90 mg stattfinden. Die unerwünschten Wirkungen sind Schwindel, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Bauchschmerzen. Um kardiotoxische Wirkungen zu vermeiden gilt es niedrige Dosen und Kurzzeit-Therapie einzuhalten (17). 38 3.3.5 NSAR und selektive COX-2 Inhibitoren, Vergleich der Nebenwirkungen Die NSAR haben aufgrund der unselektiven COX-1 Hemmung, welche überall im Körper physiologisch vorkommt, eine hohe Nebenwirkungsinzidenz. Die selektiven COX-2 Inhibitoren hemmen nur das Isoenzym COX-2, welches induktiv bei Entzündungsprozessen entsteht, aber auch konstitutiv in der Niere, im Gehirn, im Uterus und im Rückenmark vorhanden ist. In diesem Kapitel werden die Nebenwirkungen von NSAR nach Organsystemen dargestellt und mit Nebenwirkungen von selektiven COX-2 Inhibitoren in denselben verglichen. Mögliche Nebenwirkungen in den Nieren entstehen wegen der Hemmung der renalen Prostaglandinsynthese vorbestehenden wodurch renalen die Natrium- Erkrankungen, und schlecht Wasserretention kompensierter steigt. Leber- Bei oder Herzinsuffizienz stellt diese Wasserretention ein Risikofaktor zur Entstehung einer Niereninsuffizienz, Interstitieller Nephritis, Elektrolytstörungen und Ödeme dar. Eine Kombination von Diuretika und NSAR erhöht die Beschwerden. Die NSAR mit geringster Nebenwirkungsinzidenz sind ASS und Ibuprofen in niedriger Dosierung. Bei der Anwendung der selektiven COX-2 Inhibitoren haben sich die gleichen Nebenwirkungen wie bei der unselektiven NSAR manifestiert (23). Die unerwünschten Auswirkungen auf Herz und Kreislauf sind Hypertonie Herzinsuffizienz und Herz-oder Hirninfarkt welche auf der Hemmung von COX-1 und daraus folgender Vasokonstriktion und einem erhöhten Blutdruck beruhen. Die NSAR können auch bei Personen ohne kardiovaskuläre Beschwerden eine Herzinsuffizienz hervorrufen. Es wurde durch die Studie von Hippisley-Cox et al.erwiesen, dass die NSAR, wie Diclofenac und Ibuprofen, gleich wie Coxibe, das Risiko von Herzinfarkt steigern (35). Durch Anwendung von Coxiben wird auch das Auftreten einer Herzinsuffizienz und anderen Nebenwirkungen häufiger als bei unselektiven NSAR festgestellt. Bei bestehenden oder vermuteten Herz-Kreislauf Beschwerden wird von der American Heart Assoziation empfohlen die COX-2 Hemmer so kurz und so wenig wie möglich anzuwenden. 39 An pulmonalen Nebenwirkungen von unselektiven NSAR ist das sogenannte Analgetikaasthma, meist durch ASS induziert, zu nennen. Die Symptome treten sehr rasch auf; es kann zu vasomotorischer Rhinitis, angioneurotischem Ödem, Urtikaria, Larynxödem, Bronchospasmus, Flushing, arterieller Hypotonie und letztendlich zum Schock kommen. Es wird empfohlen die ASS oder NSAR Therapie durch eine Therapie mit Coxiben zu ersetzen. Als bester Auswahl hat sich Celecoxib (bis 200 mg) als sicher erwiesen. Celecoxib ist bei den Patienten mit Sulfonamidallergie kontraindiziert. Die häufigsten durch NSAR hervorgerufenen Nebenwirkungen des Magen-Darm Trakts sind die Schleimhautläsionen, weiteres sind es die Schmerzen, Magenbrennen oder Blähungen. Aufgrund der systemischen Hemmung der Prostaglandinsynthese kommt es zu einem Defizit an Prostaglandinen E2 und I2 welche zur Schutz der Mukosa dienen. Schon ab einer Dosis von 10 mg ASS pro Tag treten die Läsionen der Mukosa auf (23), daraus bilden sich in weiterer Folge blutende Ulzerationen, Perforationen und Strikturen. Als Schutzmaßnahmen der Mukosa werden die Protonenpumpenhemmer, eine Prostaglandinsupplementation oder ein Umstieg zu Paracetamol empfohlen. Dass die Einnahme der gastroprotektiven Medikamente während einer NSAR Therapie das Risiko von Nebenwirkungen deutlich reduziert, wurde auch in der eingebetteten Fall-KontrollStudie von Hippsley-Cox et al. 2005 bestätigt. Das Auftreten von unerwünschten Nebenwirkungen wurde bei allen Medikamenten bis auf Diclofenac vermindert (36). Im Dünn- und Dickdarm zeigen sich hämorrhagische und erosive Ulzerationen, entzündliche Darmerkrankungen und erhöhte intestinale Permeabilität und Enterotoxizität. Es hat sich durch die Studien erwiesen, dass die selektiven COX-2 Hemmer in niedriger Dosierung wesentlich weniger Nebenwirkungen induzieren und somit eine sicherere Therapiewahl bei bestehenden Gastrointestinalen Erkrankungen darstellen. Diese Wirkung wird aber bei gleichzeitiger Einnahme von ASS annulliert. Besondere Vorsicht ist aber trotzdem bei Patienten mit Divertikulose, Angiodysplasien und chronischen entzündlichen Darmkrankheiten geboten. Unerwünschte Auswirkungen, welche sich an der Leber manifestieren können, sind akutes Leberversagen (kann lebensbedrohlich sein) und geringgradige Transaminasenerhöhungen. Eine Kontrolle der Leberwerte vor und in den ersten Wochen der Einnahme der NSAR ist ratsam. Durch NSAR Anwendung wird das Risiko einer NSAR-induzierten Hepatitis 40 höher, Salicylate führen zu Leberzellnekrosen, und durch Paracetamol kann auch eine akute Hepatotoxizität hervorgerufen werden. Die negativen NSAR Wirkungen auf das Blutbild und die Gerinnung stellen die Agranulozytose, wegen höhen Knochentoxizität, und die Hemmung der Thrombozytenaggregation durch ASS dar (23). Die ASS hemmt die COX-1, welche die Produktion von Thromboxan A2 ermöglicht, und somit wird die Aggregation von Thrombozyten beeinträchtigt. Die Thrombozyten werden „lebenslang“ gehemmt (17). Die normalen aktiven Thrombozyten werden erst nach etwa einer Woche, mit neuer Generation, ausreifen. Die Anwendung von selektiven COX-2 Hemmer hat keine Auswirkung auf die Thrombozytenaggregation, während die endotheliale PGI2-Produktion sinkt, was auch in gewissen Maßen prothrombisch bewirkt. Mögliche negative Folgen an der Haut nach der NSAR Anwendung sind urtikarielle und morbilliforme Exantheme, toxische Epidermolyse und ein Stevens-Johnson-Syndrom mit mukosaler Beteiligung. Ein erhöhtes Risiko besteht in Zusammenhang mit Oxicamen; die genauen Auswirkungen der selektiven COX-2 Hemmer sind nicht bekannt. Die Nebenwirkungen im ZNS sind Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Tinnitus und Müdigkeit. Die erhöhte Anzahl der Kopfschmerzen sind als Begleiterscheinungen nach der Therapie mit Indometacin registriert worden. Bei der ASS Therapie mit höheren Dosen kommt es zum Tinnitus (23). Eine Therapie mit den selektiven COX-2 Inhibitoren hat in Bezug auf Bronchien/Lunge, Gastrointestinaltrakt und Blut geringeren Nebenwirkungen, in Bezug auf Niere, HerzKreislauf, Leber, Nervensystem und Haut haben sie fast gleiche Nebenwirkungen wie unselektive NSAR. 41 3.4 Oralchirurgische Eingriffe Die Orale Chirurgie umfasst Maßnahmen, welche unter ambulanten Verhältnissen und in der Lokalanästhesie durchgeführt werden können. Die oralchirurgischen Eingriffe können sehr unterschiedlich im Ausmaß des gesetzten Traumas sein. Entsprechend dem Trauma wird auch die notwendige Schmerzmedikation verschrieben. Um richtige medikamentöse Behandlungen zu planen, welche an jeden Patienten individuell angepasst werden müssen, ist es wichtig, aufgrund des Ausmaßes der verletzten Strukturen und Gewebe, die Schmerzintensivität zu erkennen. 3.4.1 Klassifizierung Die Grazer Universitätsklinik für Zahnheilkunde hat diese Eingriffe nach Art, Dauer und Ausdehnung der Wundfläche und Beteiligung von Gewebe und Strukturen in drei Gruppen klassifiziert (22): Gruppe 1 sind einfache, minimal invasive Eingriffe deren Ausdehnung auf Schleimhaut und Muskulatur begrenzt sind: Schleimhautbiopsien / Probeexzisionen Implantatfreilegung kleine Laserchirurgie kleine Parochirurgie (Kronenverlängerung, Rezessionsdeckung) Extraktion gelockerter Zähne, einfache Milchzahnextraktion Das Operationsgebiet der Eingriffe in Gruppe 2 wird auf den Knochen ausgedehnt: unkomplizierte Zahnextraktion operative Zahnentfernung, -freilegung Wurzelspitzenresektion bei guter Erreichbarkeit und geringem Weichgewebstrauma Entfernung kleiner Knochenzysten, Zystostomie kleine Tumorresektion einfache Implantation (+/- GBR) 42 Kieferhöhlenverschluss Inneninzision Die Eingriffe der Gruppe 3 sind komplizierte Operationen, welche neben ihrer Ausdehnung auf alle drei Strukturen, auch mit einem höheren zeitlichen Aufwand und größerem Trauma verbunden sind: komplizierte Zahnentfernungen ausgedehnte Zystenoperationen Wurzelspitzenresektion im Unterkieferseitenzahnbereich komplizierte mehrfache Implantationen große Knochenaugmentation / Sinuslift ausgedehnte Denudierung von Knochen/Periost (z.B.breitflächige Vestibulumplastik etc.) operative Eingriffe mit anzunehmendem Trauma eines Nervenstammes Knochentransplantatentnahme 3.5 Medikation in der Oralchirurgie Statistiken zeigen, dass mehr als 40% der Patienten unter mäßig starken bis starken akuten Schmerzen nach postoperativen Traumen leidet. Die Ziele der Schmerzbekämpfung sind: Erleichterung der Genesung und Wiederherstellung der normalen Funktion. Im modernen Konzept der schnellen Genesung und optimaler postoperative Rehabilitation nach elektiver Chirurgie („fast track surgery“) wird die Elimination von akuten postoperativen Schmerzen zur einer Selbstverständlichkeit. Es gibt aber immer noch viele Hindernisse auf dem Weg zu einer adäquaten Schmerzbekämpfung. Von dem dass, Schmerz eine geringe Priorität im Gesundheitssystem hat, über eine suboptimale Ausbildung und Bewertungsfähigkeit des Schmerzes seitens des medizinischen Personals in der Schmerztherapie, bis zum durch Angst ausgelösten Misstrauen der Patienten in der Diagnosestellung und Therapiewahl. Viele Patienten bekommen eine nicht entsprechende Schmerztherapie oder eine zu geringe 43 Therapiedosis. Eine gute Patient – Arzt Kommunikation, Vertrauen und Zusammenarbeit können die obengenannte Hindernisse und sogar den Analgetika Bedarf verringern (13). Nach einem effizienten Eingriff, welcher nicht zur Behandlung von Symptomen, sondern zur Behebung der Ursachen von den schmerzhaften und entzündlichen Geschehen oder pathologischen Zuständen dient, kommt es danach, in vielen Fällen, zu einem schnellen und spontanen Abklingen der Symptomatik. Jedoch bei einigen Patienten besteht der Schmerz weiterhin, meistens nach der Durchführung von größeren oralchirurgischen Eingriffen der Gruppe 2 und 3. Das Maximum des postoperativen Schmerzes ist nach etwa 12 bis 24 Stunden zu erwarten mit einer abfallenden Tendenz danach; die Schwellungen können, in Gegensatz dazu, bis zu über drei Tage anhalten oder sogar erst dann ihr Maximum erreichen. Ein deutlich längeres und stärkeres Schmerzempfinden zeigen die Patienten mit vorbestehenden, mäßigen bis starken, präoperativen Schmerzen. Zur Behandlung von Entzündungen, Schwellungen und postoperativen Schmerzen wird eine orale Pharmakotherapie angewendet. Es hat sich die Frage gestellt ob es sinnvoll wäre schon vor dem oralchirurgischen Eingriff eine Analgetikatherapie zu verabreichen; ob diese zu einer effizienteren postoperativen Schmerzlinderung führen würde. Dieses wurde in der Studie von Jung et al. (37) untersucht. Sie haben 80 Patienten im Alter ab 16 Jahre, bei welchen eine operative Entfernung von einem unteren Weisheitszahn geplant war, in drei Behandlungsgruppen eingeteilt. Die Voraussetzung war, dass die Weisheitszähne retiniert waren, d.h dass bei der Operation ein Teil der Knochen abgetragen werden musste. Die erste Gruppe hat die erste Dosis der NSAR eine Stunde vor Operation eingenommen; die zweite Gruppe hat der NSAR erst eine Stunde nach der Operation eingenommen; die dritte Gruppe hat ein Placebo vor oder nach Operation verabreicht bekommen. Die Patienten sollten die erste und zweite Eintrittszeit von postoperativen Schmerzen sowie die Schmerzintensität dokumentieren. Nach der Auswertung der Ergebnisse wurde festgestellt, dass die Schmerzintensität in allen drei Gruppen sowohl beim ersten als auch beim zweiten Auftreten von postoperativen Schmerzen fast gleich war (Abb.26.). Die erste Eintrittszeit von postoperativen Schmerzen war in der zweiten Gruppe deutlich verlängert, im Vergleich zu anderen zwei Gruppen, während sich bei der zweiten Eintrittszeit keine großen Unterschiede zeigten (Abb. 27.) 44 Abbildung 26: Schmerzintensität Abbildung 27: Eintrittszeit Diese Ergebnisse implizieren, dass eine postoperative Verabreichung der Medikamente aufgrund einer längeren analgetischen Wirkung sinnvoller ist im Vergleich zu präoperativer Schmerzmedikation. Die Studie von Vogel et al. (38) gab ähnliche Ergebnisse; die postoperative Gabe von Ibuprofen präsentierte verzögerten Beginn der Schmerzen nach oralchirurgischen Eingriffen.Viele klinische Studien haben berichtet, dass die Verabreichung der lokalen Anästhesie vor der Operation eine präventive Analgesie darstellt. Nun, bevor man eine Pharmakotherapie verordnet, soll eine genaue Anamnese erhoben werden, mit besonderem Augenmerk auf schon bestehende Erkrankungen und begleitende Medikation, da die Auswahl der Therapie keine negativen Auswirkungen auf, oder Wechselwirkungen mit der vorhandenen Medikation haben soll. Eine Aufklärung der Patienten über möglichen Folgeerscheinungen ist notwendig (sinnvoll). Die postoperativen Kontrollen optimieren eine weitere medikamentöse Behandlung (39). 45 3.5.1 Studie der Universitätsklinik für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde Graz Im Jahr 2007 wurde an der oralchirurgischen Abteilung der Universitätsklinik für ZahnMund- und Kieferheilkunde Graz, in einer klinischen Studie, die Effektivität der standardmäßig verabreichten Schmerzmedikation nach oralchirurgischen Eingriffen evaluiert. Die Patienten haben ihr subjektives Schmerzempfinden, vom Operationstag weg bis zur eine Woche nach dem Eingriff dreimal am Tag dokumentiert (40). In dieser Studie wurden die Daten von über 500 Patienten erhoben und die Auswertung dieser Schmerzprotokolle ergab: dass ein deutlicher Unterschied bei gleichen Eingriffen zwischen Männern und Frauen in der Schmerzempfindung besteht; dass das Maximum der Schmerzen am Nachmittag des Operationstages erreicht wurde und dann gegen Abend abfiel. In den nächsten Tagen war ein Abfall der Schmerzen am Vormittag und wieder Anstieg gegen Abend, wobei das Schmerzempfinden kontinuierlich immer geringer wird. Weiters gaben in der Ambulanz behandelte Patienten eine höhere Schmerzintensität an als die die im septischen Operationssaal behandelt wurden und es zeigte sich dass die Operationsdauer keinen Einfluss auf die Schmerzintensität hat. Eine „erweiterte“ postoperative Medikation führte zu einem deutlich milderen Schmerzverlauf (40). Aus dieser Studie lässt sich schließen, dass eine Schmerztherapie bei oralchirurgischen Eingriffen, unabhängig vom Schweregrad der Eingriffsgruppe, erforderlich ist. Die Therapie soll mindestens die ersten drei Tage nach der Operation stattfinden. Eine Schmerzmedikationsgabe (NSAR, Opioid oder Cortison) 1-2 Stunden präoperativ oder unmittelbar nach der Operation, reduzieren beim Nachlassen der lokalen Anästhesie am Nachmittag des Operationstages Schmerzen, Schwellungen und eventuelle Komplikationen deutlich. Eine zweckmäßig individuelle Schmerzmedikation, welche dem ausgeweiteten Wundgebiet, der Operationsdauer und den voraussichtlichen Schmerzen entspricht, erhöht die Erfolgsrate der Therapie und die Zufriedenheit von Patient und Behandler (40). 46 3.5.2 Gängige Präparate an der Grazer Zahnklinik Wie schon erwähnt wurde, wird der Bedarf einer Pharmakotherapie nach der, von Patienten durch die Schmerzskala erimttelten, Schmerzqualität bestimmt, während die Analgetikawahl nach dem WHO Stufenschema verordnet wird. Im Bezug darauf und auf die Klassifikation der oralchirurgischen Eingriffe, hat die Abteilung für Zahnärztliche Chirurgie der Grazer Zahnklinik, beruhend auf den Ergebnissen der obengenannten Studie, einen Schmerzmedikationsleitfaden zusammengefasst (Abb. 28.) (22). Es werden drei Gruppen von Schmerzintensität unterschieden und dementsprechend die Analgetikagabe zugeordnet: Gruppe 1: Bei mäßigen Schmerzen erfolgt die Behandlung fakultativ mit NichtOpioid Analgetika Gruppe 2: Mittelstarke Schmerzen werden obligat mit Nicht-Opioid Analgetika therapiert. Dazu wird, nach Bedarf, eine begleitende Co-Medikation empfohlen. Gruppe 3: Die starken Schmerzen werden grundsätzlich mit Nicht-Opioid Analgetika und Co-Medikationen therapiert. Wenn es nicht ausreichend ist, wird empfohlen ein schwaches Opioid Analgetikum zusätzlich zu verordnen. Ein multimodales balanciertes Analgesiekonzept, basierend auf der Kombination verschiedener Analgetika oder Techniken der Analgesie, optimiert die Analgetikawirkung, reduziert die Nebenwirkungen und gewährleistet einen niedrigen Stressfaktor für Patienten. Das Nutzen/Risiko Verhältnis soll aber streng abgewogen sein. Die multimodale Pharmakotherapie wäre z.B. ein Lokalanästhetikum vor und ein NSAR Schmerzmedikament nach dem Eingriff; NSAR und die schwache Opioide. Bei der postoperativen Schmerzbehandlung von oralchirurgischen Eingriffen der Gruppe 1, haben sich die NSAR als viel wirkungsvoller erwiesen als die schwachen Opioide (41). Deswegen stellt ein Wirkstoff der NSAR Gruppe mit relativ kurzer Wirkzeit aber in höherer Konzentration die Wahl der Basismedikation dar. Es wird (z.B. Dexibuprofen) Seractil® forte 400mg in gleicher Dosierung bei allen Gruppen empfohlen. Die Verabreichung der Basismedikation ist solange empfohlen bis das Schmerzempfinden an 47 der zehnteiligen visuellen Analogskala mit dem Wert von ≤ 3 für mindestens 24 Stunden eingestuft wird. Fakultativ Obligat Abbildung 28:Schmerzmedikationsleitfaden Bei nachgewiesenen Kontraindikationen für NSAR sind als Alternativtherapie die Wirkstoffe der Gruppe nichtsaure antipyretische Analgetika, Paracetamol und Metamizol empfohlen, wobei nach einer strengen Indikationsstellung vorgegangen wird. Das Dosierungsintervall von Metamizol wird stufenweise von Gruppe zur Gruppe verkürzt; die Einzeldosis bleibt unverändert. Bei der Dosierung des Paracetamol bleiben die Einzeldosen auch unverändert, nur bei der Gruppe drei wird das Dosisintervall verkürzt. Aufgrund schon bekannter Nebenwirkungen von NSAR ist eine prophylaktische additive Medikation zu empfehlen, besonders bei vorbestehenden Gastrointestinalen Beschwerden. Zu diesem Zwecke werden die Protonenpumpenhemmer als Magenschutz verordnet. Empfohlen werden Pantoloc® oder Nexium® in einer Einzeldosis von 20 mg pro Tag, bzw. bei der Gruppe 3 eine Einzeldosis von 40 mg pro Tag. Die Eingriffe der zweiten und dritten Gruppe sind zeitlich mit mehr Aufwand verbunden und haben ein größeres, auf den Knochen übergreifendes Operationsgebiet. Dem zufolge ist mit ausgeprägteren postoperativen Symptomen, wie Schwellungen und Inflammationen, zu rechnen. Um diese zu vermeiden wird ein Glucocortikoid, Urbason® 40 mg, in Form 48 einer Einzelgabe eine Stunde präoperativ bis maximal drei Tage, jeweils einmal eine Einzeldosis täglich, postoperativ empfohlen. Das Corticoidpräparat hat eine abschwellende Wirkung was den Heilungsprozess positiv beeinflusst und somit das Bedürfnis nach Schmerzmedikamenten reduziert (42). Falls sich die NSAR Medikation nach den Eingriffen der dritten Gruppe als unzureichend zeigt ist es empfohlen, anstatt die Dosierung zu erhöhen, ein schwaches Opioid zur Therapie zuzuführen. Am besten geeignet hat sich der Wirkstoff Dihydrocodein, im Handel als Codidol retard bekannt, bewiesen. Codidol retard soll so kurz wie möglich und in der niedrigsten wirksamen Dosis angewendet werden. Empfohlene Dosierung ist einmal täglich, am Abend, eine Einzeldosis von 60 mg. Die Verabreichung soll solange erfolgen bis das Schmerzempfinden auf der zehnteiligen visuellen Analogskala unter dem Wert von ≤ 5 für mindestens 24 Stunden eingestuft wird. Dieser Leitfaden soll nicht als Vorschrift sondern als Hilfestellung betrachtet werden, da jede Behandlung von Schmerz eine individuell geplante Therapie ist. Eine großzügigere Handhabung mit den Schmerzmedikamenten ist auf jeden Fall bei den Operationen in mehreren Regionen, bei Operationen die länger als 2 Stunden dauern und bei Operationen im inflammiertem Operationsgebiet unerlässlich. 3.5.2.1 Seractil® forte 400mg Seractil Forte ist ein NSAR Analgetikum, welches im obengenannten Schema als eine Basismedikation empfohlen ist. Dank seiner analgetischen, antiphlogistischen und antipyretischen Wirkung findet es nicht nur in der Zahnmedizin, sondern auch bei anderen schmerzhaften und entzündlichen Zuständen Anwendung. In der Zahnmedizin wird es zur postoperativen Behandlung aller oralchirurgischen Eingriffe empfohlen. Laut dem Schmerzmedikationsleitfaden ist eine Dosierung in Einzeldosen von 400 mg 3 Mal täglich vollkommen ausreichend für effektive Schmerzlinderung unabhängig von der Ausdehnung des Operationsgebietes und der Operationsdauer. Verabreichungsform des Seractil ist oral, in Form der Filmtabletten, die am besten mit der Nahrung eingenommen werden sollen. Seractil ist in Normdosen sehr gut verträglich, nur kann es in höheren Dosierungen und bei der Langzeit Einnahme, wie andere NSAR auch, schwere Nebenwirkungen hervorrufen, 49 z.B. allergische Reaktionen, Wasserretentionen Schwangerschaft und und GI Blutungen Leberinsuffizienz. Stillzeit, bei Ulzerationen Strenge schwerer und Perforationen, Kontraindikationen Herzinsuffizienz, sind schwerer Nierenfunktionsstörung (GFR <30 ml/min) und bei schwerer Leberfunktionsstörung (28). 3.5.2.2 Mexalen® 500mg Mexalen ist der Handelsname von Paracetamol, einem Wirkstoff aus der Gruppe nichtsauren antipyretischen Analgetika. Mexalen ist in dem Schema als Alternativtherapie zu Seractil und Novalgin empfohlen. Als einziger Wirkstoff ohne nachgewiesene teratogene Wirkungen wird es während der Schwangerschaft und Stillperiode zum Medikament der Wahl in den postoperativen Behandlungen. Die orale Applikationsdosis beträgt 500 mg in Einzeldosen mit einem Dosisintervall von 8 Stunden. Nur bei der Eingriffen der dritten Gruppe wird das Dosisintervall verkürzt auf ein Dosisintervall von allen 6 Stunden während die Einzeldosis bleibt gleich, 500 mg. Das Paracetamol ruft geringe Nebenwirkungen hervor; durch hohe Überdosierungen kann zur Leberzellnekrose kommen (17). 3.5.2.3 Novalgin® Novalgin ist der Handelsname des analgetischen und antipyretischen Wirkstoffs aus der Gruppe der nichtsauren antipyretischen Analgetika, Metamizol. Die Indikationen sind die Behandlungen vom akuten und chronischen postoperativen Schmerzen. Das Dosierungsintervall variiert von der Gruppe zur Gruppe, die Einzeldosis bleibt aber in allen Gruppen gleich. Das empfohlene Dosisintervall in der ersten Gruppe beträgt alle 8 Stunden, bei der zweiten Gruppe alle 6 Stunden und in der dritten Gruppe alle 5 Stunden, jeweils eine Einzeldosis von 500 mg (16, 27). 50 3.5.3 Medikation bei Kindern Das Schmerzempfinden von Kindern wurde oft unterschätzt, aus Irrglauben wurde angenommen dass Kinder weniger Schmerzen als Erwachsene empfinden, sowie dass sie das Schmerzerlebnis schneller vergessen. Eine schwierige Aufgabe stellte auch das Herausfinden der Schmerzintensität dar. Teils aus diesen Gründen, aber auch aus der Befürchtung Komplikationen oder Nebenwirkungen auszulösen, sind Kinder oft unzureichend oder überhaupt nicht medikamentös behandelt (30). Wobei vor allem bei Kindern eine Vorbeugung von Schmerzentstehung, um negatives Schmerzerleben und zukünftige Angstzustände zu vermeiden, ausgesprochen wichtig ist. Die Schmerztherapie bei Kindern ist auf wenige Analgetika mit kindgemäßen Dosierungen und Applikationsformen eingeschränkt (17). An der Grazer Zahnklinik werden nach postoperativen Eingriffen bei Kindern, wie zum Beispiel eine Serienextraktion aufgrund Karies profunda oder einer Pulpotomie, hauptsächlich Ibuprofen oder Paracetamol empfohlen. Paracetamol (Mexalen®) wird bei kleineren und mit weniger Schmerzen verbundenen Behandlungen verschrieben. Die Dosierung wird auf das Körpergewicht des Kindes angepasst. Es wird die Einzeldosis von 15 mg pro kg des Körpergewichts alle 6 Stunden in Zäpfchenform oder als Tablette empfohlen. Die maximale Tagesdosis liegt bei 60 mg pro kg Körpergewicht und diese darf nur 3 Tage hintereinander eingenommen werden. Wie bei Erwachsenen, ist auch bei Kindern bei bevorstehenden Leberschädigungen eine Anwendung kontraindiziert (17). In der Studie von Beasley et al. (43) wurde untersucht ob die Verabreichung von Paracetamol im Kindesalter eine Auswirkung auf die Entwicklung von Asthma hat. Den Ergebnissen zufolge wird festgestellt, dass die Anwendung von Paracetamol in der Kindheit, vor allem im ersten Lebensjahr, ein erhöhtes Risiko im Alter von 6 bis 7 Jahren, aber auch später, an Asthma zu erkranken, darstellt. Das Risiko für die Entwicklung von schweren Asthmasymptomen beträgt zwischen 22 und 38 Prozent. Ibuprofen (Nureflex®) wird bei stärkeren Schmerzen die mit Entzündungen einhergehen angewendet. Die von der Zahnklinik Graz empfohlene Dosierungen sind: Einzeldosis bei Kinder von 1 bis 3 á mit 10-15 kg beträgt 5 ml pro kg KG 3-mal täglich (entsprechend 300 51 mg pro Tag einnehmen); Kinder von 4 bis 6 á mit 16 - 20 kg KG dürfen 3-mal täglich eine Einzeldosis von 7,5 ml pro kg KG (entsprechend 450 mg pro Tag einnehmen); Im Alter von 7 bis 9 á mit 21 - 29 kg ist eine Einzeldosis von 10 ml pro kg KG 3 mal am Tag (entsprechend 600 mg / Tag einnehmen) und bei Kinder 10 bis 12 á mit 30 - 40 kg ist eine Einzeldosis von 15 ml pro kg KG 3 mal am Tag empfohlen (entsprechend 900 mg / Tag einnehmen). Die Verabreichungsform ist als ein Saft oder Brausegranulat. Metamizol (Novalgin®) in einer Einzeldosis von 15 mg pro kg KG alle 6 Stunden. Die Verordnung ist jedoch wegen schweren Nebenwirkungen (Agranulozytose, Kreislaufschock) nur nach strenger Indikationsstellung in Betracht zu ziehen (30). Allgemein gilt bei der medikamentösen Behandlung von Kindern dass die Dosis sowie das Dosierungsintervall entsprechend dem Kindesalter und Körpergewicht angemessen sein sollen und dass die Nutzen-Risiko Abwägung unumgänglich für eine komplikationsfreie Behandlung ist. Eine Übersicht der von Poveda Roda empfohlenen Medikation im Kindesalter bietet die Tabelle 3 (44). Tabelle 3: Medikation bei Kindern Wirkstoff Anwendung Paracetamol 10 mg/kg alle 4 h 15 mg/kg alle 6 h Ibuprofen 20 mg/kg/Tag in 3-4 Dosen Ketoprofen 1.5-2 mg/kg/ Tag in 3-4 Dosen Naproxen 10 mg/kg/ Tag in 2 Dosen Metamizol 1-3 Jahr 250 mg/6-8 h 3-11 Jahr 250 mg/6 h Laut Poveda Roda, ist die Anwendung von Diclofenac und Piroxam nicht empfohlen; eine Anwendung von Celecoxib ist bei Kindern noch nicht ausgewertet. Andere Wirkstoffe dürfen entsprechend dem Körpergewicht und dem Alter verwendet werden (44). 52 3.5.4 Medikation während Schwangerschaft und Stillzeit Die Pharmakotherapie während der Schwangerschaft und Stillzeit erfordert besondere Sorgfalt bei der Verordnung der Analgetika aus der Gruppe der Nicht-Opioide. Aufgrund vieler Nebenwirkungen, zum Beispiel wegen des Risikos einer erhöhten Blutungsneigung, Abschwächungen der Wehentätigkeiten und frühzeitiger Verschluss des Ductus Botalli beim Feten, sind die meisten der Wirkstoffe kontraindiziert, vor allem im letzten Trimenion (17). Folgende Wirkstoffe sind zur Anwendung während der Schwangerschaft und Stillperiode in der Zahnheilkunde geeignet: Eines der nebenwirkungsärmsten der Nicht-Opioid Analgetika ist Paracetamol und dadurch wird es als das Mittel der Wahl zur Schmerztherapie verschrieben (45). Das gut Verträgliche Analgetikum kann in einer Dosierung von 2000 bis maximal 3000 mg am Tag unbedenklich verabreicht werden (17). An der Grazer Zahnklinik wird Paracetamol unter Handelsnamen Mexalen® in einer Einzeldosis von 500 mg empfohlen (22). Eine Kombination mit schwachen Opioiden (Codein 30 mg) ist bei Bedarf durchaus möglich aber nur als Kurzzeittherapie, da die längere Anwendung ein Auftreten von frühzeitiger Geburt, oder Atemdepression und Entzugsyndrom beim Neugeborenen verursachen kann (17). Die Acetylsalicylsäure gilt zu Mittel der zweiten Wahl in der antipyretischen, antiphlogistischen und analgetischen postoperativen Behandlung. Eine Dosierung von 300 mg pro Tag darf verordnet werden, aber auch eine gelegentliche Einnahme der höheren Dosen von 500 bis 1000 mg pro Tag während Schwangerschaft und Stillperiode ist nicht kontraindiziert. Aus der NSAR Gruppe, wenn unbedingt erforderlich, ist eine vorübergehende Anwendung von Ibuprofen und Diclofenac im ersten und zweiten Trimenon gestattet, nun die Dosierung sollte so gering und die Dauer so kurz wie möglich sein. Die negativen Auswirkungen sind von einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten, über erhöhten Blutungsneigungen und einer Hemmung der Wehentätigkeit bis zu kardialen Missbildungen und gehemmter Nierenfunktion (17). 53 Optimale zahnärztliche Schmerzbehandlung während der Schwangerschaft wäre die Behandlung der Ursache nur unter ausreichender lokaler Anästhesie. Da eine Verabreichung der Schmerzmedikation in manchen Fällen notwendig ist, sollten die Analgetika in Normdosis verabreicht werden (46). Die Ausscheidung des Ibuprofen oder Paracetamol in die Muttermilch ist sehr gering, somit ist eine Einnahme in der Stillzeit unproblematisch (17). Bei einer längeren Anwendung oder höheren Dosierung wäre eventuell das Abstillen ratsam. In der Tabelle 4 sind zur Übersicht noch einmal die Medikamente, die nach oralchirurgischen Eingriffen während Schwangerschaft und Stillzeit verabreicht werden dürfen, zusammengefasst (46). Tabelle 4: Analgetika während Schwangerschaft und Stillzeit Einnahme während Wirkstoff Schwangerschaft Einnahme während Stillzeit Paracetamol Ja Ja Acetylsalicylsäure kontraindiziert im 3. Trimenon mit Vorsicht Diclofenac kontraindiziert im 3. Trimenon ja Ibuprofen kontraindiziert im 3. Trimenon ja Ketoprofen kontraindiziert im 3. Trimenon ja Naproxen kontraindiziert im 3. Trimenon ja Codein kurzzeitig in geringen Dosen ja 54 4 Diskussion Die oralchirurgischen Eingriffe sind tagtägliche Behandlungen in der zahnärztlichen Praxis. Unvermeidliche Schmerzen, die als Reaktion der Gewebe auf diese Behandlungen entstehen, können für Patienten sehr belastend sein und sogar Angst vor weiteren Behandlungen auslösen, deswegen ist eine wirksame Vorbeugung deren Entstehung sehr wichtig. Die durch zahnärztlich chirurgische Eingriffe verursachten Schmerzen haben unterschiedliche Intensität, sie können von ganz leichten, wie nach Biopsien oder Implantatfreilegung, bis zu starken Schmerzen variieren, wie nach komplizierter Entfernung eines retiniertes Weisheitszahnes oder mehrfachen Implantationen. Der Behandler soll die genaue Abwägung von Eingriff, Eingriffsdauer und Ausmaß der Traumata bewerten und dementsprechend die schmerzlindernden Medikamente verordnen. Bei der Schmerzprävention soll auf maximalen Patientenkomfort bei maximaler Patientensicherheit geachtet werden. Da die Patienten in der Zahnheilkunde ambulant operiert und danach gleich entlassen werden, soll die gewählte Schmerztherapie dem Patienten eine effiziente postoperative Schmerzlinderung gewährleisten, sodass die Schmerzen keinen beeinträchtigenden Einfluss auf die Alltagsbelastung haben. Zu diesem Zwecke haben sich Nicht-Opioid Analgetika und NSAR als sehr wirksam erwiesen. Sie wurden sehr oft schon präoperativ als präventive Analgesie verabreicht um eine bessere postoperative Schmerzlinderung zu erreichen. Nun hat sich in mehreren Studien herausgestellt dass die präoperative Medikation keinen Einfluss auf den Beginn der postoperativen Schmerzen hatte, es ist nämlich bewiesen, dass die postoperative Gabe den Beginn deutlich verzögerte (37). Die Anwendung einer Schmerzmedikation vor Behandlung ist bei den Wurzelbehandlungen, Pericoronitis oder Behandlungen von Dolor post extraktionem durchaus sinnvoll. Trotz ihrer hohen Nebenwirkungsinzidenz ist die Anwendung der Nicht-Opioid Analgetika und NSAR in der Schmerzbehandlung unverzichtbar, sie stellen die Mittel der Wahl bei der Behandlung von schmerzhaft-entzündlichen Prozessen dar. Da solche Prozesse meistens akut in der Oralchirugie vorkommen, ist die Einnahmedauer der NSAR zur Behandlung oder als Prophylaxe gegen solche Prozesse relativ kurz. Sie beträgt meistens ein paar Tage bis zu einer Woche und wird Patienten aller Altersgruppen vorgeschrieben. Wenn die Einnahme unter vorgeschriebener Dosierung erfolgt, ist das 55 Nebenwirkungsrisiko sehr gering (44). Dies bedeutet jedoch nicht, dass keine Nebenwirkungen auftreten können und dass jedes NSAR unbedenklich verordnet werden kann. Die Zahnärzte sollen die Wirkungsweise und mögliche negative Auswirkungen von Medikamenten kennen um das am besten geeignete analgetische Verfahren für ihre Patienten zu wählen. Den Untersuchungen zufolge kann man schließen, dass viele Nicht-Opioid Analgetika in geringen Dosen gut verträglich sind und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen hervorrufen. Jedoch zeigte sich dass einige das Risiko zur Entstehung gewisser Nebenwirkungen erhöhen wie zum Beispiel Diclofenac und Coxibe. Laut Studien wird das Risiko von einem Herzinfarkt durch Einnahme von Diclofenac um 44-55 Prozent erhöht (27). Auch im Magen-Darm Trakt zeigte Diclofenac in Kombination mit Gastroprotektiva keine Reduktion von Nebenwirkungen wie bei anderen NSAR (36). Die Coxibe haben aufgrund langer Plasmahalbwertszeit und selektiven COX Hemmung eine sehr gute analgetische Wirkung mit deutlich geringeren Nebenwirkungen, aber nach einigen Studien ist festgestellt worden, dass sie trotz besserer Magenverträglichkeit, vermehrt kardiovaskuläre Nebenwirkungen auslösen können, die Meinungen sind aber umstritten (33). Ihre Anwendung in der Zahnmedizin ist selten und wenn, dann nur unter strengen Indikationen. Die Wirkstoffe haben auch deutlich unterschiedliche analgetische Wirksamkeit gezeigt. Es wurde festgestellt dass Ibuprofen eine bessere Wirkungseffizienz im Vergleich zu Ibuprofen-Codein oder ASS-Codein Kombination hat (32). Die Wirksamkeit des Wirkstoffes wird als number needed to treat (NNT) bezeichnet und sie drückt die Zahl der behandelten Patienten aus welche mit einer Einzeldosis zumindest einen Effekt von 50% gegenüber Placebo über einen Behandlungszeitraum von 4-6 Stunden erfahren. Ein Vergleich der Wirksamkeit der Nicht-Opioid Analgetika und NSAR lässt sich aus der „Oxford League Table“ (Tabelle 5) herauslesen. Die meisten NSAR haben eine NNT zwischen 2 und 3 (47). Die Medikamente Diclofenac, Ibuprofen, Celecoxib und Naproxen sind signifikant stärker wirksam als Paracetamol oder Aspirin. Außerdem lässt sich ein geringer Unterschied bei der Wirksamkeit zwischen unterschiedlichen Dosierungen des gleichen Medikamentes bemerken, wie bei Ibuprofen 400 mg (2,5) und Ibuprofen 200 mg (2,7) was darauf deutet, dass mit einer Dosiserhöhung keine bessere Wirksamkeit erzielt 56 wird. Trotzdem wird nach einigen Autoren eine Verabreichung in höherer Dosis am ersten postoperativen Tagen für antiphlogistisch und analgetisch effizienter gehalten (25). Im Gegensatz dazu, eine Kombination mit schwachen Opioiden bewirkt eine deutliche Erhöhung der Wirksamkeit, Paracetamol 1000mg (3,8) und Paracetamol 1000mg + Codein 60 mg (2,2). Tabelle 5: NNT der Analgetika - „Oxford League Table“ Analgesic and dose Lower confidence Higher confidence (mg) interval interval NNT Etoricoxib 120 1.5 1.8 1.6 Diclofenac 100 1.6 2.1 1.8 Celecoxib 400 1.8 2.5 2.1 Paracetamol 1000 + Codeine 60 1.7 2.9 2.2 Aspirin 1200 1.9 3.2 2.4 Ibuprofen 400 2.4 2.7 2.5 Diclofenac 25 2.2 3.3 2.6 Naproxen 400/440 2.1 4.0 2.7 Piroxicam 20 2.1 3.8 2.7 Lumiracoxib 400 2.2 3.5 2.7 Naproxen 500/550 2.3 3.3 2.7 Diclofenac 50 2.4 3.1 2.7 Ibuprofen 200 2.5 2.9 2.7 Naproxen 200/220 2.4 5.8 3.4 Paracetamol 500 2.2 13.3 3.5 Celecoxib 200 2.9 4.4 3.5 Ibuprofen 100 2.9 4.9 3.7 Paracetamol 1000 3.4 4.4 3.8 Aufgrund fehlender antiphlogistischer Wirkung wird die Anwendung von Paracetamol in der Zahnheilkunde begrenzt, trotz seiner starken analgetischen Wirksamkeit. Die Möglichkeit einer besseren Wirkungseffizienz bei der Kombination mit schwachen Opioiden ist von großer Bedeutung bei einer NSAR Unverträglichkeit oder bei der Medikation während der Schwangerschaft. Die Anwendung von NSAR in der Schwangerschaft ist wegen erhöhten Nebenwirkungsrisikos sehr begrenzt, somit wird die Kombination von Paracetamol und Codein, bei Bedarf, eine effiziente Alternative in 57 Schmerzbehandlung darstellen, welche aber mit Vorsicht und nur als Kurzzeittherapie anzuwenden ist (17). Die Medikation bei Kindern ist auf wenige NSAR und Paracetamol eingeschränkt. Wobei sich in einer Studie herausgestellt hat, dass die Anwendung von Paracetamol in der Kindheit ein erhöhtes Risiko an Asthma zu erkranken darstellt (43). Die Dosierungen sind an Kindesalter und Körpergewicht anzupassen. In folgender Tabelle sind nochmal zur Übersicht auf einen gesunden Erwachsenen bezogene Einzeldosen und Dosisintervalle von in der Oralchirurgie gängigen Analgetika zusammengefasst (48). Tabelle 6: Postoperative Schmerzmedikation Substanz Einzeldosis Dosen pro Tag Tageshöchstdosis Paracetamol 500 – 1000 mg 3-4 4000 mg* Metamizol 500 – 1000 mg 3-4 4000 mg* 50-100 mg 3-4 150-200 mg Dexibuprofen 200-400 mg 3-4 1200 mg Ibuprofen 200-400 mg 3-4 2400 mg Naproxen 250-500 mg 2-3 1000 mg 250-500 mg 3-4 1000 mg 4-8 mg 2 16 mg 2 x 100 mg /1 x 200 mg 1-2 400 mg Arylessigsäuren Diclofenac Arylpropionsäuren Anthranilsäuren Mefenaminsäure Heterozyklische Ketoenolsäuren Lornoxicam Selektive COX-2-Hemmer Celecoxib * weicht von Austria Codex ab 58 Literaturverzeichnis (1) McCaffery ,1968, zitiert nach http://www.notfallpflege.ch/files/_Demo/Dokumente/Veranstaltungen/Skripte_FB_2014/S chmerzmanagement_bei_Kindern_Franziska_von_Arx_Straessler.pdf (14.12.2014) (2) Chapman CR. Limbic processes and the affective dimension of pain. Prog Brain Res. 1996; 110:63-81. (3) Basbaum AI, Bautista DM, Scherrer G, Julius D. Cellular and molecular mechanisms of pain. Cell. 2009 Oct 16;139(2):267-84. 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Pain management: Part 1: Managing acute and postoperative dentalpain. Anesth Prog. 2010 Summer; 57(2):67-78; quiz 79-80. 65 Abbildung 11: Metamizol http://de.wikipedia.org/wiki/Metamizol#mediaviewer/File:Metamizol.svg (20.01.2015) Abbildung 12: Flupirtin http://de.wikipedia.org/wiki/Flupirtin (20.01.2015) Abbildung 13: Acetylsalicylsäure http://de.wikipedia.org/wiki/Acetylsalicyls%C3%A4ure (20.01.2015) Abbildung 14: Diclofenac http://de.wikipedia.org/wiki/Diclofenac (20.01.2015) Abbildung 15: Indometacin http://de.wikipedia.org/wiki/Indometacin (20.01.2015) Abbildung 16: Ibuprofen http://de.wikipedia.org/wiki/Ibuprofen (20.01.2015) Abbildung 17: Dexibuprofen http://de.wikipedia.org/wiki/Dexibuprofen (25.01.2015) Abbildung 18: Naproxen http://de.wikipedia.org/wiki/Naproxen (25.01.2015) Abbildung 19: Mefenaminsäure http://de.wikipedia.org/wiki/Mefenamins%C3%A4ure (25.01.2015) Abbildung 20: Meloxicam http://de.wikipedia.org/wiki/Meloxicam (25.01.2015) Abbildung 21: Piroxicam http://de.wikipedia.org/wiki/Piroxicam (25.01.2015) Abbildung 22: Lornoxicam http://en.wikipedia.org/wiki/Lornoxicam (28.01.2015) Abbildung 23: Celecoxib http://de.wikipedia.org/wiki/Celecoxib (28.01.2015) Abbildung 24: Parecoxib http://de.wikipedia.org/wiki/Parecoxib (28.01.2015) Abbildung 25: Etoricoxib http://de.wikipedia.org/wiki/Etoricoxib (28.01.2015) 66 Abbildung 26: Schmerzintensität Jung YS, Kim MK, Um YJ, Park HS, Lee EW, Kang JW. The effects on postoperativeoral surgery pain by varying NSAID administration times: comparison on effect of preemptive analgesia. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod. 2005 Nov;100(5):559-63. Abbildung 27: Eintrittszeit Jung YS, Kim MK, Um YJ, Park HS, Lee EW, Kang JW. The effects on postoperative oral surgery pain by varying NSAID administration times: comparison on effect of preemptive analgesia. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol Endod. 2005 Nov;100(5):559-63. Abbildung 28: Schmerzmedikationsleitfaden Acham S, Jakse N. Perioperative Medikation bei zahnärztlich-chirurgischen Eingriffen. Quintessenz. 2012; 63(7): 917-929. http://www.ocmr.at/sites/default/files/AR07_Acham_AK.pdf (16.12.2014) 67 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Übersicht über die wichtigsten Nebenwirkungen der NSAR Wirth H, Hürlimann R, Flückigera T. NSAR und COX-2-Hemmer:die häufigsten unerwünschten Wirkungen. Schweiz Med Forum. 2006;6:284–289. Tabelle 2: Einteilung der NSAR Beubler, E. Kompendium der Pharmakologie. Gebräuchliche Arzneimittel in der Praxis. Wien:SpringerWienNewYork-Verlag; 2006;S.7,122-133. Tabelle 3: Medikation bei Kindern Poveda Roda R, Bagán JV, Jiménez Soriano Y, Gallud Romero L. Use of nonsteroidal antiinflammatory drugs in dental practice. A review. Med Oral Patol Oral Cir Bucal. 2007 Jan 1;12(1):E10-8. Tabelle 4: Analgetika während Schwangerschaft und Stillzeit Haas DA. An update on analgesics for the management of acute postoperative dental pain. J Can Dent Assoc. 2002 Sep;68(8):476-82. Tabelle 5: NNT der Analgetika - „Oxford League Table“ http://www.medicine.ox.ac.uk/bandolier/booth/painpag/acutrev/analgesics/leagtab.ht ml (27.02.2015) Tabelle 6: Postoperative Schmerzmedikation Beubler E, Kress H, Gustroff B, Ilias W, Likar R, Sandner-Kiesling A, Schlager A, Schuckall H. Konsensus Statement: POSTOPERATIVE SCHMERZTHERAPIE. Schmerznachrichten 4/2003; 68