Virus-ExportEur mit bE - Ruhr

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rubin | frühjahr 11
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Virologen untersuchen die Details
der „Verpackung“ von HIV
Virus-Exporteur mit besonderen Aufgaben
Abb. 1: Die effiziente „Verpackung“ von neuen
Viruspartikeln ist unverzichtbar für die Vermehrung
des HI-Virus. Es missbraucht dazu die zelleigene
Infrastruktur.
Um sich in seinem Wirt vermehren zu
können, missbraucht das HI-Virus auf
ausgeklügelte Art zelluläre Mechanismen
in den von ihm infizierten Immunzellen.
Dabei spielen verschiedene virale Proteine
wichtige Rollen, z. B. Rev, das vor allem als
„Exporteur“ von „viraler Fracht“ arbeitet.
Dass es darüber hinaus noch andere Funktionen erfüllen muss, haben Bochumer Virologen jetzt belegen können.
Die Ansteckung mit HIV verläuft auf
zellulärer Ebene in zwei Phasen: Befinden sich Viruspartikel im Blut, müssen
sie zunächst an den sog. CD4-Rezeptor
auf der Oberfläche von Immunzellen andocken, so dass beide Zellmembranen
miteinander verschmelzen. Der Inhalt des
Viruspartikels wird ins Zellinnere entlassen. Sein Erbgut liegt als RNA vor und
muss in DNA umgeschrieben werden,
die dann in den Zellkern importiert und
ins zelleigene Erbgut eingeschleust wird
(Abb. 2 links). In der zweiten Phase wird
die Virus-DNA dann genau wie die zelleigene Erbinformation im Zellkern abgelesen und in RNA übersetzt. Die dabei
entstehende vollständige RNA-Abschrift
des Virus-Genoms wird dann weiterverarbeitet: Sie wird gespleißt, d.h. unnötige Stücke werden herausgeschnitten. So
entstehen zuerst einfach gespleißte und
daraus zweifach gespleißte RNA-Stränge
(Abb. 2 rechts).
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Vermehrungszelle von HIV
frühe Phase späte Phase
Bindung des Virus an
menschliche CD4-Zellen
und Fusion der Virus- und
der Zellmembran
Vermehrungszelle von HIV
frühe Phase späte Phase
Bildung des
Proteins Rev
Bildung des
Proteins Rev
Umschreiben der
viralen RNA zu DNA
Vermehrungszelle von HIV
frühe Phase späte Phase
Rev
Rev
Reifung zur Bildung
infektiöser Partikel
Ausknospung
neuer viraler Partikel
Bildung des
Proteins Rev
Bildung des
Proteins Env
Bildung des
Proteins Env
Import in den Zellkern
durch nukleäre Poren
Gag
Spleißen
Spleißen
Spleißen
Integration der viralen DNA
in die menschliche DNA
Zellkern
Zytoplasma
Gag
Bildung des
Proteins Gag
Spleißen
Rev-vermittelter
Zellkern-Export
Bildung viraler RNA
Spleißen
Rev-vermittelter
Zellkern-Export
Bildung viraler RNA
Bildung viraler RNA
Zellkern
Zytoplasma
Verpackung
der viralen RNA
in Gag-Partikel
Zellkern
Zytoplasma
Abb. 2: Links: Frühe Phase der HIV-Infektion. Das
Virus dockt an die Zellmembran an und entlässt seinen Inhalt in die Zelle. Die als RNA vorliegende Erbinformation wird in DNA umgeschrieben, in den
Zellkern geschleust und in die zelleigene DNA integriert. Rechts: Die DNA wird in RNA übersetzt und
zweimal gespleißt. Nur fertig gespleißte RNA kann
den Zellkern verlassen. Sie enthält den Bauplan für
das Protein Rev, das den „Rückfahrschein“ in den
Zellkern hat.
Abb. 2a: Rev schleust „unfertige” RNA-Stränge aus
dem Zellkern heraus, nach deren Information dann
die Proteine Gag und Env hergestellt werden.
Abb. 2b: Gag und Env lassen sich zur Zellmembran
bringen, Gag bringt auch komplette RNA-Stränge
mit. Es bildet sich eine Knospe, in die zwei ganze
RNA-Stränge verpackt werden. Die Knospe schnürt
sich ab, es entsteht ein neues Viruspartikel, das nach
einer Zeit der Reifung wieder neue Zellen infizieren kann.
Normalerweise kann nur fertig gespleißte RNA den Zellkern verlassen. „Das
ist auch sinnvoll, damit nicht irgendwelche
halbfertigen Informationen in der Zelle herumvagabundieren und danach überflüssige oder krank machende Proteine hergestellt werden“, erklärt Bastian Grewe, der
am Lehrstuhl von Prof. Dr. Klaus Überla
an HIV forscht. Für die Vermehrung des
Virus ist es aber wichtig, dass sowohl vollständige als auch einfach und zweifach
gespleißte RNA-Stränge den Zellkern verlassen und in der Zellflüssigkeit zur Verfügung stehen. HIV nutzt daher einen spezialisierten Exporteur: Die „fertige“, zweifach gespleißte RNA verlässt auf normalem
Wege den Zellkern. Sie enthält den Bau-
plan für das Protein Rev. Rev kann zurück
in den Zellkern wandern und auch „unfertige“ RNA hinaus schleusen. Dieser Revshuttle-Service sorgt dafür, dass alle drei
RNA-Varianten in der Zellflüssigkeit verfügbar sind (Abb. 2a).
Die unfertigen Varianten tragen Informationen für die Herstellung verschiedener Proteine. Dazu gehören das Protein
Gag, dessen Bauplan auf den vollständigen
RNA-Strängen liegt, und das Protein Env,
kodiert auf den einfach gespleißten RNASträngen. Gag kann vollständige RNAStränge „abschleppen“ in Richtung Zellmembran. Dort lagert es sich mit anderen
Gag-Proteinen zusammen und trifft auf
Env, das sich ebenfalls zielgerichtet zur
Membran bewegt. Gemeinsam erzeugen
sie eine „Knospe“, in die zwei ganze VirusRNA-Stränge verpackt werden – ein neues
Viruspartikel ist entstanden, das weitere
Zellen infizieren kann (Abb. 2b).
Diese ausgeklügelten Mechanismen wollen die Bochumer Forscher genauer verstehen. Besonders das shuttle-Protein Rev
hat es Bastian Grewe angetan. Er nutzt ein
Virus, das dank gentechnischer Veränderungen keine Information zur Herstellung
von Rev enthält. „Bei der sog. Transfektion schleust man veränderte Virus-DNA in
Zellen ein“, erklärt er. „Dann lässt man die
Zelle eine Weile arbeiten und schaut sich
später an, was man in der Zellflüssigkeit
und im Zellkern findet.“
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Einfluss von Rev auf die Bildung von Gag
260 fach
1,2 fach
HIV Rev-negativ
Bauplan für Gag
6
5
Gag Spaltprodukte
Kontrolle:
a-Tubulin
HIV Rev-negativ
mit
extra
Rev
ohne
extra
Rev
Bauplan für Gag
mit
extra
Rev
ohne
extra
Rev
Gag [ng /ml]
Gag
4
3
2
1
0
mit
extra
Rev
ohne
extra
Rev
mit
extra
Rev
ohne
extra
Rev
Abb. 3: Die Western-Blot-Analyse (links) zeigt, dass kein Gag gebildet wird, wenn kein Rev anwesend ist. Gibt
man Rev künstlich hinzu, wird auch Gag hergestellt. Die Untersuchung mittels eines sog. ELISA (rechts)
zeigt, dass durch Rev ca. 260fach mehr Gag gebildet wird als ohne Rev. Gag kann aber auch ganz ohne Rev
gebildet werden, wenn ein speziell veränderter Bauplan für Gag in die Zellen eingeschleust wird.
Anfangs vermutete man, dass ohne
Rev keine Virusvermehrung möglich sein
könnte, weil ohne shuttle keine vollständige und einfach gespleißte RNA aus dem
Zellkern herauskommen könnte. Untersuchungen in den 1990er-Jahren bestätigten diese Hypothese. Man fand wie erwartet nur zweifach gespleißte RNA in der
Zellflüssigkeit, die den Zellkern auf regulärem Wege verlassen kann. „Wir hatten
aber den Verdacht, dass dieser Fund mit
den Nachweismethoden zusammenhing,
die man damals genutzt hat“, sagt Bastian
Grewe. Die Bochumer Forscher prüften
das ganze daher noch einmal mit sensibleren Techniken.
Als erstes suchten sie nach HIV-Proteinen in den Zellen. Wie erwartet war weder
Rev noch Gag zu finden – den Bauplan für
Rev hatte man vorher entfernt, der von Gag
sollte laut der Theorie den Zellkern ohne
Rev-shuttle nicht verlassen. Gab man aber
nachträglich den Bauplan für Rev dazu,
wurde nicht nur Rev hergestellt, sondern
auch Gag (Abb. 3) – ganz wie erwartet.
Im nächsten Schritt untersuchten die
Bochumer Forscher die Zellflüssigkeit auf
die Anwesenheit von vollständiger RNA.
Dazu werden die Zellen zuerst fraktioniert,
d.h. man löst die äußere Zellmembran auf
und zentrifugiert die Zellen. Wegen ihres
größeren Gewichts liegen die Zellkerne
dann unten, darüber die Zellflüssigkeit.
Durch eine sensitive Nachweismethode
lässt sich dann die exakte RNA-Menge in
der Zellflüssigkeit bestimmen. Dabei erlebten die Forscher um Prof. Überla eine
Überraschung: Auch ohne Rev hatte eine
große Menge vollständiger RNA den Zellkern verlassen. „Mit Rev gelangt nur zweibis zehnmal mehr ganze RNA in die Zellflüssigkeit“, beziffert Bastian Grewe das
Ergebnis. „Interessanterweise scheint die
Bildung von Gag aber trotzdem nur möglich zu sein, wenn Rev die RNA aus dem
Zellkern transportiert hat. Verlässt der Bauplan für Gag den Kern ohne Rev, liegt die
RNA brach und wird nicht verwendet.“
(Abb. 4) Die alte Vermutung war widerlegt. Und neue Fragen taten sich auf: Warum wird Gag ohne Rev nicht gebildet, obwohl der Bauplan auf den vollständigen
RNA-Strängen in der Zellflüssigkeit vorliegt? „Rev muss über den shuttle-Service
hinaus noch weitere Funktionen haben“,
folgert der Forscher.
Im nächsten Schritt untersuchte die Arbeitsgruppe also, was passiert, wenn man
Gag in den transfizierten Zellen ohne Rev
mittels extra eingeschleuster Gag-Baupläne bilden lässt. Die verwendeten Baupläne
sind dabei so verändert worden, dass von
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Einfluss von Rev auf die Verpackung
3,6 fach
1440 fach
9
log10 [Kopienzahl]
8
7
6
5
4
Quantifizierung der ungespleißten RNA
in der Zellflüssigkeit
in den viralen Partikeln
3
2
mit
extra
Rev
ohne
extra
Rev
Abb. 4: In Anwesenheit von Rev findet man nur zwei- bis zehnmal mehr komplette RNA-Stränge in der
Zellflüssigkeit als ohne Rev. Fehlt Rev, wird aber 1.400mal weniger ungespleißte RNA in neue Viruspartikel verpackt. In beiden Fällen wurde der veränderte Bauplan für Gag eingeschleust, so dass Gag auch ohne
Rev gebildet werden kann.
ihnen auch ohne Rev das Protein Gag gebildet wird. Resultat: Trotzdem funktionieren die Abläufe nicht „normal“. Obwohl in
der Zellflüssigkeit viel RNA und jetzt auch
große Mengen Gag zur Verfügung stehen,
wird ohne Rev fast keine RNA in die Viruspartikel verpackt: 1.400mal weniger als
mit Rev (s. Abb. 2b und 4). Mit Rev finden
sich z.B. eine Millionen RNA-Moleküle in
den gebildeten Viruspartikeln, ohne Rev
nur noch Tausend RNA-Moleküle in der
gleichen Anzahl Viruspartikel. Rev muss
also auch bei den Verpackungsabläufen
eine wichtige Rolle spielen.
Den zusätzlichen Funktionen von Rev
versuchen die Forscher jetzt auf die Spur
zu kommen. „Wir haben drei Vermutungen, warum Rev für die Herstellung
von Gag und für die Verpackung von RNA
so wichtig ist“, erklärt Bastian Grewe. Einerseits könnte es sein, dass Rev die RNA
aus dem Zellkern an einen bestimmten Ort
innerhalb der Zelle bringt, wo sie dann abgelesen und weitertransportiert wird. Ohne
Rev würde die RNA irgendwo hin gelangen, wo sie brach liegen bleibt; allenfalls
wenige Stränge würden zufällig am richtigen Ort landen.
Eine andere Erklärung wäre, dass die
RNA ohne das gebundene Rev eine ungünstige Struktur einnimmt. „Manchmal faltet
sich der Strang, und gegenüberliegende
Stücke passen so gut zusammen, dass sie
aneinander binden“, erklärt der Virologe. „Dann entstehen so genannte Haarnadeln.“ Möglicherweise können solche Formationen dem Ablesen und Transport im
Wege stehen.
Die dritte und wahrscheinlichste Ursache ist, dass Rev die Gruppe der zelleigenen Bindungspartner der RNA verändert. Die Bindung von negativ wirkenden
Partnern, die ein Ablesen und Transportieren der RNA unmöglich machen, würde dann durch Rev verhindert. „Es ist bekannt, dass zelluläre Bindungspartner
eine ganz entscheidende Rolle beim Ablesen und beim Transport von RNA spielen können. Sowohl positive als auch negative Faktoren sind bekannt. Jetzt gilt es
die zu finden, die bei HIV eine Rolle spielen“, sagt Bastian Grewe.
Die Bochumer Forscher wollen diese Vermutungen nun überprüfen. Bastian Grewe
versucht, die RNA so zu verändern, dass
sie auch in Abwesenheit von Rev zur GagBildung abgelesen und verpackt wird. Seine Kollegin Bianca Hoffmann untersucht,
was in An- und Abwesenheit von Rev an
die RNA bindet.
Warum aber der shuttle-Service, wenn
die RNA auch ohne Rev aus dem Zellkern
in die Zellflüssigkeit gelangt? „Wir vermuten, dass in der shuttle-Aufgabe von Rev
ein Evolutionsvorteil liegt, denn sie braucht
Zeit. Diese nutzt das Virus, um seine Vermehrung in der Zelle heimlich voranzutreiben, ohne dass schon Partikel freigesetzt und dem Immunsystem präsentiert
werden“, sagt Bastian Grewe. Würde das
Immunsystem schon früh aktiv, könnte es
die befallene Zelle töten und der Vermehrung von HIV schnell ein Ende setzen.
Bei der Erforschung der Grundlagen der
HIV-Infektion haben die Forscher noch
nicht zu allererst antivirale Strategien im
Sinn. Zunächst geht es darum, die Prozesse zu verstehen, die HIV im Inneren
der Zelle auslöst. „Viren sind Experten für
zelluläre Mechanismen“, sagt Grewe, „von
ihnen können wir eine Menge lernen.“ So
ist die Forschung zum Beispiel durch die
Untersuchung des Proteins Rev überhaupt
erst dem Mechanismus des Ein- und Ausschleusens von Proteinen in und aus dem
Zellkern auf die Schliche gekommen.
md
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