Einführung in die Astronomie Beobachtungen am Himmel Die Sterne am Himmel können genau so wie die Orte auf der Erde auf einen Globus oder auf Karten übertragen werden. Auf der Himmelskugel, die wir quasi von innen betrachten, gibt es also einen Nordpol, einen Südpol und einen Himmelsäquator. Der Äquator teilt den Himmelsglobus in die nördliche und südliche Hemisphäre. Jeder Stern hat in diesem Koordinatensystem zwei feste Koordinaten: Die Deklination (δ = 90° bis –90°) die Breite, die Rektaszension (α = 0 h 0 min bis 24 h 0 min) gibt die Länge an. Probleme bereitet nun die Tatsache, dass wir als Betrachter uns ständig gegen den Fixsternhimmel bewegen. Für Beobachtungen am Himmel sind daher folgende Tatsachen wichtig: • Wir befinden uns auf einer Kugeloberfläche. Grundsätzlich können wir nur die Hälfte der Himmelskugel beobachten. Sichtbare Sterne liegen über dem Horizont, unsichtbare darunter. Senkrecht über uns befindet sich der Zenit. Sein Gegenstück unter uns heisst Nadir. Je nach Breitengrad sehen wir einen Stern höher oder tiefer über dem Horizont. Am Nord- und am Südpol fallen Himmelsäquator und Horizont zusammen. Am Äquator geht der Himmelsäquator gerade durch Zenit und Nadir und steht senkrecht auf dem Horizont. Bei uns in Liestal zeigt sich der Himmelsäquator als Halbkreis, der im Süden seinen höchsten Punkt erreicht—42.5° über dem Horizont. (Liestals Breite beträgt 47.5° Nord. Der Winkel zwischen Horizont und Himmelsäquator beträgt gegen Süden 90°–47.5° = 42.5°). Gegen Süden können wir also immer auch einen Ausschnitt der südlichen Hemisphäre sehen. • Die Erde dreht sich in 23 h 56 min 4 s um ihre eigene Achse (siderische Umlaufzeit). Vom Nordpol aus gesehen ist die Drehung gegen den Uhrzeigersinn gerichtet. Als Folge davon ziehen alle Sterne im Laufe eines Tages in einem Kreisbogen über den Himmel. Die meisten gehen im Osten auf und im Westen wieder unter. Sterne nahe dem Himmelsnordpol bleiben Seite 1 Einführung in die Astronomie – Beobachtungen den ganzen Tag über dem Horizont. Dies gilt in Liestal für alle Sterne mit einer Deklination, die grösser ist als 42.5°. Solche Sterne heissen Zirkumpolarsterne. Am Nord- und Südpol sind alle Sterne zirkumpolar, am Äquator keine. Die Differenz von 3 min 56 s zu 24 h ergibt sich durch die Bewegung der Erde um die Sonne. Die siderische Umlaufzeit bezieht sich auf die Fixsterne, nicht auf die Sonne! • Die Erdachse steht nicht senkrecht auf der Ebene, in der sie sich um die Sonne bewegt, sondern ist um 23.4° geneigt. Folglich ist die Bahn der Sonne am Himmel im Laufe eines Jahres gegenüber dem Himmelsäquator um 23.4° geneigt. Im Sommer steht die Sonne bei uns maximal 23.4° über dem Himmelsäquator (und damit maximal 42.5°+23.4° = 65.9° über dem Horizont). Die Bahn der Sonne auf der Himmelskugel wird Ekliptik genannt. Der höchste Punkt der Sonne (oder der eines Sterns) über dem Horizont heisst oberer Kulminationspunkt. Die Ekliptik schneidet den Himmelsäquator im Frühlingspunkt (wo die Sonne am 21.3. steht) und im Herbstpunkt (23.9.). Der Frühlingspunkt ist der Nullpunkt der Rektaszensionsmessung. Von diesem Punkt ausgehend wird die Rektaszension in Stunden und Minuten im Gegenuhrzeigersinn abgetragen. Ein Vollkreis beträgt 24 h. Direkt ober- und unterhalb der Ekliptik befinden sich die Sternbilder der Tierkreiszeichen. Die Sonne durchwandert sie alle im Laufe eines Jahres. • Die Erdachse führt eine Kreiselbewegung aus (Präzession). Deshalb ist der Himmelsnordpol nicht immer an derselben Stelle. Seine Verschiebung ist für uns aber kaum spürbar, kreiselt die Erde doch in 25’700 Jahren lediglich einmal herum. Hingegen hat die Verschiebung des Himmelsnordpols zur Folge, dass sich auch der Frühlingspunkt in 25’700 Jahren einmal um den Himmelsäquator dreht. Deshalb haben die Tierkreiszeichen und die entsprechenden Sternzeichen sich seit der Antike gegeneinDie Wanderung des Himmelsnordpols im Lauf eines Platonischen Jahres (25’700 Jahre). ander um etwa ein Sternbild verschoben. Seite 2 Einführung in die Astronomie – Beobachtungen • Die Erde läuft auf einer elliptischen Bahn um die Sonne. Die Erde läuft auf ihrer jährlichen Bahn um die Sonne deshalb nicht immer gleich schnell (2. Keplersches Gesetz). Zwischen zwei Sonnenhöchstständen vergehen also nur im Schnitt genau 24 h (Mittlerer Sonnentag). In Tat und Wahrheit schwanken diese Zeiten. Den Zusammenhang zwischen wahrer Sonnenzeit und mittlerer Sonnenzeit gibt die sog. Zeitgleichung wieder. Zudem müssen wir berücksichtigen, dass die Zeitmessung in unserer Zeitzone (Mitteleuropäische Zeit MEZ) sich auf den 15. östlichen Längengrad bezieht. Da die Sonne 1° in 4 min (360° in 24 h) überstreicht und sich Liestal auf einer Länge von 7.5° Ost befindet, ergibt sich als Differenz für unsere mittlere Ortszeit: (15°–7.5°)·4 min = 30 min. Wann ist jetzt also Sonnenhöchststand in Liestal am 1. Januar? 12 h 00 min (WOZ) + 30 min (Längenkorrektur) + 3 min (Zeitgleichung) = 12 h 33 min (MEZ). (Wir sind westlicher als der 15. östliche Längengrad, also kulminiert die Sonne später. Die Sonnenuhr geht gemäss der Zeitgleichung nach, also ist die Kulmination der Sonne später.) Wann kulminiert die Sonne in Liestal am 1. Juni? Hier müssen wir zusätzlich die Sommerzeit berücksichtigen: Die Kulminationszeit der Sonne wird um eine Stunde gegen den Abend verschoben. Der Wert der Zeitgleichung ist natürlich auch nicht der gleiche wie in der ersten Rechnung. 12 h 00 min (WOZ) + 1 h (Sommerzeit) + 30 min (Längenkor.) – 3 min (Zeitgl.) = 13 h 27 min (MESZ, Mitteleuropäische Sommerzeit) Aufgabe 1. Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) steht in La Silla, Chile. Ihre Koordinaten sind 29°15’ Süd und 70°44’ West. Genauere Daten für Liestal: 47°29’ Nord, 7°44’ Ost. a) Wie hoch steht die Sonne am Mittag maximal (minimal) über dem Horizont? An welchem Tag ist dies der Fall? b) Welche Uhrzeit (Zonenzeit resp. WOZ) ist in La Silla, wenn bei uns (Liestal) 12 h mittags ist? c) Wann (Zonenzeit) kulminiert die Sonne am 1. März über der ESO? 2. Was ändert sich für den Standort des VLT auf dem Cerro Paranal (24°40’ Süd, 70°25’ West)? Lösungen: 1a) 84.15° am 22.12. (37.35° am 21.6.), b) 6 h 00’ Zonenzeit für 75° West ±7.5° resp. 6 h 46’ WOZ, c) 12 h – 4.27·4 min + 13 min = 11 h 56 min. 2a) 88.73°, 41.93° (gl. Daten), b) gl. Zonenzeit, 6 h 47’ WOZ, c) 11 h 55 min (Genaue Differenz zu La Silla: –1’ 16“). Seite 3 Einführung in die Astronomie – Beobachtungen Sternbilder Seit dem Altertum werden Sterne in Sternbildern zusammengefasst. Viele Bezeichnungen stammen aus dem Griechischen. Oft gibt es aus der Mythologie eine Geschichte, warum eine Person oder ein Tier am Himmel verewigt wurde. Insgesamt gibt es 88 Sternbilder. Darunter sind auch die zwölf Bilder des Tierkreises. Wichtig ist aber die Tatsache, dass nicht alle Sterne eines Sternbildes tatsächlich auch im Raum nahe beieinander sind oder zur gleichen Sterngruppe gehören. Diese Zeichnung des Sternbildes Orion stammt aus dem Himmelsatlas von Johannes Hevelius (17 Jh.). Er hat alle Sternbilder so gezeichnet, wie sie auf einem Himmelsglobus zu sehen wären, also—für uns als Betrachter der Gestirne von der Erde aus—seitenverkehrt. Deutlich erkennbar sind die Gürtelsterne, Beteigeuze (rechter Schulter) und Rigel (linker Fuss). Es gibt mehrere Deutungen aus der griechischen Mythologie, warum der Jäger Orion an den Himmel verbannt wurde. Eine besagt, Orion hätte sich damit gebrüstet, jedes Tier erlegen zu können. Die Götter haben ihm darauf hin einen Skorpion geschickt, der ihn gestochen und getötet hat. Das Sternzeichen Skorpion ist dem Orion gegenüber liegend, sodass das eine Sternbild aufgeht, wenn das andere verschwindet. Orion und der Skorpion gehen sich so für immer aus dem Weg! Der Blick gegen Norden In unseren Breiten sehen wir gegen Norden das ganze Jahr hindurch die gleichen Sternbilder, denn rund um den nördlichen Himmelspol (in der Nähe des Polarsterns) finden wird die sog. Zirkumpolarsterne, die eben in unseren Breiten nie untergehen. Dominiert wird der Himmel vom Grossen Wagen (oder Grossen Bären, lat. Ursa major, kurz UMa) und von der Cassiopeia, dem Himmels–W (kurz Cas). Diese beiden Sternbilder stehen sich—auf den Polarstern bezogen—ziemlich genau gegenüber. D.h. wenn der Grosse Wagen hoch am Himmel steht, so ist Cassiopeia relativ tief und umgekehrt. Seite 4 Einführung in die Astronomie – Beobachtungen Der Blick Richtung Süden Gegen Süden ändern sich die Sternbilder im Lauf eines Jahres. Jede Jahreszeit hat ihre typischen Sternbilder. Im Winter wird der Südhimmel vom Orion (Ori), den Zwillingen (Gemini, Gem), dem Stier (Taurus, Tau) und dem Fuhrmann (Auriga, Aur) dominiert. Die sechs hellen Sterne Capella, Aldebaran, Rigel, Sirius, Procyon und Pollux bilden das sog. Wintersechseck. Die Tierkreiszeichen Krebs (Cancer, Can), Zwillinge und Stier liegen oberhalb des Himmelsäquators und sind deshalb vollständig sichtbar. Einen tollen Anblick bietet der offene Sternhaufen der Plejaden (M45). Von blossem Auge sind 7 bis 9 Sterne auszumachen. Tatsächlich gehören aber mindestens 250 Sterne dazu. Im Frühling sind die Jungfrau (Virgo, Vir) und der Löwe (Leo) die auffälligsten Sternbilder im Süden. Die Sterne Arctur, Regulus und Spica bilden das Frühlingsdreieck. Weil jetzt gegen Süden der Blick von der Milchstrasse wegzeigt, können wir mit dem Teleskop gut andere Galaxien beobachten. In der Jungfrau und im Sternbild Coma sind ganze Haufen von Galaxien zu finden. Viele können allerdings nur photographisch erkannt werden. Der Sommer zeigt uns das auffällige Band der Milchstrasse—unserer Galaxie. Ihr Zentrum befindet sich im Sternbild Schütze (Sagittarius, Sgr). Auffällig sind die Sternbilder Schwan (Cygnus, Cyg), Adler (Aquila, Aql) und Herkules (Her). Deneb, Wega und Atair bilden das Sommerdreieck. Die Tierkreiszeichen Schütze und Skorpion (Sco) sind unterhalb des Himmelsäquators und deshalb nur knapp oder unvollständig sichtbar. Im Herkules befindet sich eines der schönsten Objekte für ein Amateurteleskop: Der Kugelsternhaufen M13 mit Tausenden von Sternen. Seite 5 Einführung in die Astronomie – Beobachtungen Im Herbst zeigen sich im Süden die Sternbilder Pegasus (Peg), Andromeda (And) und Perseus (Per). Das Sternbild Pegasus ist unübersehbar. Seine hellsten Sterne bilden das Herbstviereck. Im Sternbild Andromeda befindet sich die einzige Galaxie, die unter guten Bedingungen von blossem Auge gesehen werden kann: Die Andromeda–Galaxie (M31). Sie ist etwa 2.2 Mio. Lichtjahre entfernt und ist etwa um die Hälfte grösser als unsere eigene Galaxie. Im Sternbild Fische (Pisces, Psc) kreuzen sich die Ekliptik und der Himmelsäquator im Frühlingspunkt, dem Nullpunkt der Rektaszensionsmessung. Unsichtbares Sterne und Sternbilder, die sich nahe beim Himmelssüdpol befinden, sind bei uns das ganze Jahr über nie sichtbar. Bereits das Sternbild Skorpion ist in unseren Breiten nie ganz am Himmel zu bewundern, in Sizilien dagegen schon. Für das Kreuz des Südens ist bereits eine grössere Reise nötig. Auch der sonnennächste Stern (Proxima Centauri) und die beiden Begleitergalaxien der Milchstrasse (die Grosse und die Kleine Magellansche Wolke) sind erst sichtbar, wenn man sich dem Äquator nähert. Am Äquator sind alle Sternbilder im Laufe eines Jahres sichtbar. Himmelsnord- und südpol befinden sich immer am Horizont. Alle Sterne und Sternbilder gehen senkrecht auf und unter. Südlich des Äquators sind Sterne in der Nähe des Himmelssüdpols zirkumpolar. Dafür sind die nördlich gelegenen Sternbilder immer unsichtbar. In Australien sieht man weder der Grossen Bären noch die Cassiopeia. Aufgabe 1. Die Deklination von Proxima Centauri beträgt –62.7°. Wohin müsste man reisen um diesen Stern im Lauf eines Jahres a) einmal b) immer über dem Horizont sehen zu können? Lösungen: 1a) 27.3° Nord (z.B. Miami, Luxor oder Honolulu), b) 27.3° Süd (z.B. Johannesburg oder Brisbane). Seite 6