Psychologische Intervention im Erwachsenenalter (Wilz) 1. Psychotherapie 1.1 Definition professionelle Anwendung von wissenschaftlich begründeten, empirisch gesicherten Methoden zur Behandlung von psychischen Störungen Strotzka, 1975 • „…ist ein bewusster und geplanter interaktionaler Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen & Leidenszuständen, die in einem Konsensus für behandlungsbedürftig gehalten werden • mit psychologischen Mitteln meist verbal, aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel • mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens. • In der Regel ist dazu eine tragfähige emotionale Bindung notwendig.“ 1.2 Diagnostik in der Psychotherapie 1.2.1 Definition: psychische Störung Selbst- oder Fremdgefährdung: klinisch bedeutsames Verhaltensmuster oder psychisches Syndrom, dass mit momentanen Leiden, Beeinträchtigung oder mit einem stark erhöhten Risiko einhergeht, zu sterben, Schmerz, Beeinträchtigung oder einen tiefgreifenden Verlust an Freiheit zu erleiden Persönliches Leid: ist nicht nur eine verständliche Reaktion auf ein Ereignis, wie z.B. eine normale Trauerreaktion bei Verlust eines geliebten Menschen Funktionseinschränkung und/oder Behinderung: verhaltensmäßige, psychische oder biologische Funktionsstörung Abweichung von Normen: normabweichendes Verhalten oder Konflikte des Einzelnen mit der Gesellschaft sind keine psychischen Störungen, solange die Abweichung oder der Konflikt kein Symptom einer oben beschriebenen Funktionsstörung bei der betroffenen Person darstellt 1.2.2 Intervention als Problemlöseprozess 1.2.3 Diagnostik als Problemlöseprozess 1 1.2.3 Formen der Diagnostik bei psychischen Störungen Klassifikatorische Diagnostik (Beschreiben) = Zuweisung von Diagnosen zum Symptomkomplex der Person Funktionale Diagnostik (Erklären) = Hypothesen zu Ursachen und aufrechterhaltenden Bedingungen (Ätiologie); Bedingungsanalyse zur Mikroplanung der Indikation und Therapie Prozessdiagnostik (Verändern) = Verlaufsmessung und Adaption, Indikation und Prognose; Evaluation (Veränderungsmessung) Definitionen: • Indikation: ob bei einem bestimmten Krankheitsbild (psych. Störung) der Einsatz einer bestimmten therapeutischen Maßnahme angebracht ist • Prognose: Beurteilung der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Behandlung bei einer Störung 1.2.4 Diagnostische Aufgaben qualitative und quantitative Beschreibung der vorliegenden (psychischen) Störung Klassifikation der psychischen Störung Exploration von besonderen lebensgeschichtlichen Bedingungen bei der Entstehung und dem bisherigen Verlauf der Störung Beobachtung des Verlaufs der Intervention und der Veränderung der Symptomatik (Verlaufsdiagnostik) Überprüfung des Therapieerfolgs (Qualitätssicherung) 1.2.5 1.) 2.) 3.) 4.) 5.) 6.) Der diagnostische Prozess Beziehungsaufbau und allgemeiner Eindruck Klassifikatorische/kategoriale Diagnose Abklärung organischer Ursachen und Komplikationen Biographische Anamnese Verhaltensanalyse (spezifisch für KVT) Bestimmung des Therapieziels, Indikation und Behandlungsplan weitere diagnostische Maßnahmen vor und während der Therapie (z.B. Tagebücher, Leistungsdiagnostik) 1.3 Die wichtigsten Kompetenzbausteine • • • • 1.3.1 • • Kenntnis der gültigen diagnostischen Klassifikation psychischer Störungen Kenntnis über diagnostische (Mess-/Einschätzungsverfahren) Verfahren Diagnostische Gesprächsführungstechniken Kenntnis grundlegender psychopathologischer Konzepte und Methoden, um den diagnostischen Befund erheben und bewerten zu können Klassifikation: DSM-IV Achse 1: Klinische Störungen und andere klinisch relevante Probleme Schizophrenie, affektive/dissoziative/somatoforme Störungen, Essstörungen, etc. Achse 2: Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderungen PSK: paranoide, schizoide, schizotypische, antisoziale, Boderline, Histrionische, narzistische, vermeidend-unsichere, dependente, zwanghafte, nicht näher bezeichnete 2 • • • 1.3.2 Achse 3: erfasst alle medizinischen Krankheitsfaktoren und Zustände, die mit einer Störung in Zusammenhang stehen und Einfluss auf die psychische Störungen haben können Achse 4: Psychosoziale und umgebungsbedingte Probleme Arbeitsplatz, wirtschaftl. Situation, zwischenmenschliche Probleme mit Angehörigen, Probleme in anderen Lebensbereichen Achse 5: Globale Erfassung des Funktionsniveaus die psychischen, sozialen und beruflichen Funktionen sind auf einem hypothetischen Kontinuum von psychischer Gesundheit bis Krankheit einzuschätzen; NICHT: Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund von körperlichen oder umgebungsbedingten Einschränkungen Diagnostische Gesprächsführungstechniken Ziel der ersten diagnostischen Gespräche: • Aufbau einer therapeutischen, problemorientierten Arbeitsatmosphäre • Professionalität • Empathie • Parteilichkeit (für den Patienten) • Problem genauer strukturieren • verstehen, wie das Problem gegenwärtig Aufrechterhalten wird • Erhebung der wichtigsten Fakten aus der Lebensgeschichte, die die Entstehung des Problems mit erklären könnte Gesprächsführung • durch die besondere Haltung des Therapeuten (Basisvariablen) und förderliche Interventionen (Verbalisierung von Gedanken und Gefühlen) wird dem Patienten die Selbstexploration ermöglicht • Therapeutische Basisvariablen: Empathie, Echtheit/Kongruenz, Wertschätzung • aufrichtiges Interesse am Klienten und seiner Situation vor allem durch aktives Zuhören signalisieren • Akzeptanz und Bestätigung vermitteln • Anerkennen des bisherigen Bemühens Empathische Haltung, da: • Schwellenängste • Hoffnung, die erwartete Hilfe zu bekommen • Unsicherheit, an der richtigen Stelle zu sein • Scham darüber, klinisch-psychologische Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen Das klinische Erstgespräch: Exploration der aktuellen Problematik Problemvorgeschichte und biographische Anamnese 1.3.3 Kenntnis über diagnostische Verfahren Psychologische Methoden: • Selbstbeobachtung • Selbstbeurteilungsverfahren (Fragebogen- und Testverfahren, z.B. HAWIE) • Fremd-Beobachtung • Interviewverfahren (strukturiert & standardisiert) Biologische Methoden: • Bildgebende Verfahren • Psychophysiologische Methoden • Neurochemische Methoden 3 Verhaltensbeobachtung Datenquelle: • Selbstbeobachtung des Verhaltens in natürlichen Situationen mittels Computeraufzeichnung oder Selbstprotokollen von Verhalten im Alltag • Fremdbeobachtung des Verhaltens: Therapeut im therapeutischen Gespräch; Angehörige im Alltag • Simulation im Rollenspiel Fragebogen • geringer Zeitaufwand; bringt meist wichtige Anhaltspunkte für die weitere Diagnostik und Behandlung • werden zur Eingangs- und Verlaufdiagnostik und zur Evaluation der Intervention genutzt • keine ausreichende Grundlage für eine Diagnose Unterscheidung nach erfasstem Merkmalsbereich: • Störungsgruppenübergreifende Verfahren: erhobene Merkmale können zu sehr verschiedenen Störungen zugeordnet werden, z.B.: körperliche Beschwerden, empfundene Lebensqualität, Selbstwirksamkeitserwartung übliche Verfahren: z.B. Befindlichkeits-Skala • Störungsgruppenbezogene Verfahren: Erfassung „klassischer“ Merkmalsbereiche, z.B.: Angst, Depression, Zwang, Essstörung, Schizophrenie, somatoforme Störungen übliche Verfahren: Fragebogen – Beck Angst Inventar, Beck Depressions Inventar 1.4 Zusammenfassung zentrale Aufgaben der klinisch-psychologischen Diagnostik • Feststellen von: Ist-Zustand (aktuelle Beschwerden und deren Bedingungen) Soll-Zustand (Ziel oder Richtung der Veränderung) Voraussetzungen für Psychotherapie • Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten in einem gegebenen Fall • Zentrale Frage: für welche Person, bei welcher Störung, zu welcher Zeit, welche Intervention zu den gewünschten Veränderungen führt 2.) Kognitiv-behaviorale Psychotherapie – Standardverfahren Ablauf 1.) 2.) 3.) 4.) 5.) 6.) Erstgespräch Explorations- und Diagnosephase Problemanalyse Psychoedukation Identifikation dysfunktionaler Konzepte Intervention: Disputation dysfunktionaler Gedanken, Aufbau alternativer funktionaler Gedanken, Training 4 3.1 Konfrontationsverfahren Konfrontation in vivo Merkmale • Expositionsbehandlung: „Übungen zur Aufhebung des Meidungsverhaltens mit Abbau der negativen kognitiv-emotionalen Reaktionen auf bestimmte Situationen, Objekte, Problemfelder oder Personen“ • Erstellung einer Angsthierarchie (beim graduierten Vorgehen) • graduiertes oder massiertes Vorgehen • Beispiel: massierte Reizkonfrontation: Informationsvermittlung und kognitive Vorbereitung An 5-10 Tagen aufeinander folgenden Tagen werden täglich etwa 6-8h angstbesetzte Situationen aufgesucht • Ziel ist nicht 0-Angst, sondern einen realistischen Umgang mit der Angst • Angst bewältigen lernen • Automatische, angstprovozierende Kognitionen sollen unter fortlaufender Reaktionsexposition im Feld verändert werden • Flucht- und Vermeidungsverhalten wird verhindert • Der Patient soll die Konfrontation bis zum Rückgang der Angst ohne Entspannungshilfe aushalten • Abbruchkriterium ist die Bewältigung bzw. das angstfreie/angstreduzierte Ertragen der Situation Habituation als zentraler Wirkmechanismus: Abklingen einer Reaktion • Verringerung ihrer Intensität • Verlängerung ihrer Latenz • Reduktion der Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens Bei wiederholter Präsentation des identischen Reizes Ablauf: 1.) Systematische Konfrontation mit angstauslösenden Reizen 2.) Gewöhnungseffekt 3.) Angstreduktion 4.) Bewertungsänderung: Abbau der Überreaktion auf bisher als bedrohlich interpretierte Reize Konfrontation in sensu • • • Müssen somatische und vegetative Veränderungen auslösen können Imaginierte Konfrontation als Alternative, wenn die realen Stimuli nicht zugänglich sind, z.B. bei PTBS Wenig geeignet für Patienten mit sozialer Phobie, Agoraphobie Systematische Desensibilisierung (Wolpe) • • • • Verhaltenstherapeutische Standardmethode zum Abbau belastender emotionaler Reaktionen, insbesondere von situations- oder objektgebundenen Ängsten mittels einer Verhaltensanalyse werden die angstrelevanten Situationen eines Patienten exploriert und dann bezüglich ihres subjektiven Erregungsgrades aufsteigend in Form einer Angsthierarchie geordnet Patient erlernt ein Entspannungsverfahren, zumeist die progressive Muskelentspannung Die eigentliche Therapie besteht in einem ständigen Wechsel von Entspannungssequenzen und dem Vorstellen der angstbesetzten Situationen 5 • Jede Angstsituation der Hierarchie wird dabei so lange wiederholt, bis der Patient keine Anzeichen subjektiver Erregung mehr bei sich beobachtet 3.2 Psychoedukation Aufklärung über das therapeutische Vorgehen: Grundprinzip – Transparenz in der KVT • Aufklärung über Diagnose • Aufklärung über Modelle der Angst (Drei-Komponenten-Modell) • Angst als eine übersteigerte normale biologische Reaktion • Die kritische Rolle von Gedanken und Gefühlen bei der Angstreaktion • Teufelskreis von Angst und Vermeidung Psychoedukation: • Bei der Herausarbeitung der Genese der Angst ist wichtig zu betonen: Angst ist multikausal bedingt es sollen Prädispositionen, life-events und Situationsfaktoren als wichtige Einflüsse besprochen werden es gibt nie absolute Sicherheit über die Entstehungsgeschichte der Angst, aber nahe liegende und plausible Entwicklungsmodelle dem Patienten muss deutlich werden, dass das Vermeidungsverhalten zentral für die Aufrechterhaltung der Störung ist und diese stabilisiert Funktionen der Angst: • Angst ist ein Energiebereitsteller • Angst kann zu erhöhter Aufmerksamkeit und Reaktionsbereitschaft führen • Angst kann zu Aufmerksamkeitseinengung und Reaktionsblockaden führen • Es kann zu Flucht- oder Angriffsreaktionen kommen • Aus biologischer Sicht ist Angst in der Regel sinnvoll, weil sie auf drohende Gefahr hinwest 3.2.1 Erklärungsmodelle 2-Faktoren-Theorie (Mowrer, 1980) • 1. Faktor: klassische Konditionierung: ursprünglich neutrale Reize werden aufgrund traumatischer Ereignisse mit einem Angstzustand assoziiert • 2. Faktor: operante Konditionierung: die darauf folgende Vermeidung dieser nun aversiven Reize wird durch den Abbau des unangenehmen Angstzustandes verstärkt Bio-Informationstheorie der Emotionen (Lang, 1985) • Theoretische Leitlinie und Ausgangspunkt für die Erstellung des Imaginationsskripts: lebhafte Vorstellung und Erinnerung einer emotionales Episode durch Verarbeitungsprozesse wird innerhalb assoziativer Informationsnetzwerte realisiert diese emotionalen Netzwerke bestehen aus 3 Informationsklassen oder Ebenen der Repräsentation 1.) Semantische Bedeutung des Textes: Person versteht die Situation die beschrieben wird (kann ohne emotionale Beteiligung erfolgen) 2.) Sensorische Reizeigenschaften: Ablauf der Episode vor dem „inneren Auge“ (z.B. schwarze Spinne läuft auf dem Arm) 3.) Verbindungen zu prozeduralen Repräsentationen von Reaktionsprogrammen für die Muskulatur (somatischer und vegetativer Emotionsausdruck wird sichtbar, z.B. Ekel: Nase kraus ziehen; Herzrate) 6 Langs „Drei-Ebenen-Ansatz“ (1971) • Angst hat immer drei Anteile: Körper, Denken/Fühlen & Verhalten Vermittlung eines Erklärungsmodells viele Patienten reagieren mit großer Erleichterung, da sie endlich eine Erklärung für ihre Symptome bekommen auf der Basis der diagnostischen Befunde wird ein individuelles Störungsmodell entwickelt und auf dieser Grundlage wird die therapeutische Vorgehensweise abgeleitet Funktion: • Förderung der Wirksamkeit und Akzeptanz der therapeutischen Maßnahmen • Förderung der Generalisierung des Therapieerfolgs • Prophylaxe von Rückfällen • Bietet eine Alternative zu der Befürchtung vieler Patienten, an einer unerkannten schweren körperlichen oder psychischen Störung zu leiden 3.3 Kognitiv-behaviorale Verfahren 3.3.1 Rational-Emotive-Therapie – Albert Ellis Das ABC-Modell • Bsp.: dysfunktionale Interpretation von dementiell verändertem Verhalten A: Frau N. wird von ihrem an Demenz erkrankten Mann beschuldigt, seine Brieftasche gestohlen zu haben B: Er hat kein Vertrauen mehr zu mir. Er lehnt mich ab, obwohl ich mich so sehr um ihn kümmere. C: Ich bin traurig und enttäuscht. Ich fühle mich unsicher in Gegenwart meines Mannes. Dadurch verschlechtert sich unsere Beziehung immer weiter. 7 3.3.2 Kognitive Verhaltenstherapie – Aaron Beck Grundannahmen: • Kognitionen haben Einfluss auf psychisches Befinden • Denkfehler führen zu psychischen Belastungen • Diesen Kognitionen liegen schädliche Grundannahmen (Schemata) zugrunde • Einstellungen und Schemata entstehen aus vergangenen Erfahrungen • Therapeut und Patient versuchen gemeinsam, dysfunktionale Gedanken und Annahmen zu verändern • Drei Ebenen: Automatische Gedanken: am ehesten zugänglich, situationsspezifisch, konkrete Wörter oder Bilder • Laufen sehr schnell und reflexartig ab • Erscheinen der Person selbst in der Situation angemessen und plausibel • Laufen zwischen einem (externalen oder internalen) Ereignis und einem emotionalen Erleben ab • Sind meist nicht bewusst • Drücken sich in Selbstgesprächen, Selbstinstruktionen, persönlichen Interpretationen aus bedingte Annahmen: Einstellungen, persönliche Regeln Grundannahmen: am wenigsten zugänglich, situationsunabhängig • Innerste Überzeugungen eins Menschen über sich selbst • Global, übergeneralisiert, absolut • Lassen sich nach Beck in zwei Kategorien einteilen: - Grundannahmen, die mit Hilflosigkeit zusammenhängen - Grundannahmen, die damit zusammenhängen, nicht liebenswert zu sein • Identifikation automatischer Gedanken Grundfrage: Was ist Ihnen in diesem Moment durch den Kopf gegangen? 1.) Stellen Sie diese Frage, wenn Sie in der Sitzung eine Veränderung oder Verstärkung der Stimmung bemerken. 2.) Lassen Sie den Patienten eine problematische Situation beschreiben oder einen Moment, in dem er eine Stimmungsveränderung bemerkte, und stellen Sie die obige Frage. 3.) Falls nötig, fordern Sie den Patienten dazu auf, sich in die Situation zurückzuversetzen, um de Situation detailliert zu beschreiben und stellen Sie die obige Frage. 4.) Falls nötig oder wünschenswert, lassen Sie den Patienten eine bestimmte Interaktion im Rollenspiel mit Ihnen durchspielen und stellen Sie dann die obige Frage. • Bsp.: dysfunktionale automatische Gedanken: Ich kann das nicht Ich mache viel zu wenig • Erkennen dysfunktionaler automatischer Gedanken Anknüpfungspunkt: Schilderungen von kurz zurückliegenden Ereignissen oder vom Therapeuten wahrgenommenen Stimmungswechsel während der Therapiesitzung Erinnern/Vorstellen von Ereignissen und den einhergehenden Gefühlen & Gedanken Selbstbeobachtung: Tagesprotokoll negativer Gedanken (3-Spalen-Technik) Rollenspiel von belastenden sozialen Situationen zur Aktivierung von Gefühlen & Kognitionen Konfrontation mit extremen Ereignissen zum Erzeugen und Identifizieren negativer Kognitionen 8 Kognitive Umstrukturierung 1.) Identifizierung dysfunktionaler Gedanken und Konzepte (Exploration) 2.) Disputation und Prüfung dieser Gedanken und Konzepte 3.) Aufbau alternativer funktionaler Konzepte 4.) Training der neuen Konzepte 3.3.3 Techniken der kognitiven Verfahren • Gedankenprotokoll (Spaltentechnik) Auslöser/Situation Automatische Gedanken (Selbstgespräche/innere Sätze) Stimmung/Gefühle (Einschätzen 0-100%) Rationalere/hilfreichere Gedanken Ergebnis (Stimmung/Gefühl) (Einschätzen 0-100) Aktuelle Ereignisse, die zu unangenehmen Gefühlen führen; Gedanken, Tagträume Besuch von Arbeitskollegin, die erzählt was bisher in der Firma passiert ist Die automatischen, negativen Gedanken angeben, die dem Gefühl vorausgingen Ich werde nie wieder so arbeiten können wie früher Genau angeben (z.B. Wut, Angst) Rationale Reduktion auf automatische Gedanken aufschreiben Hoffnungslosigkeit(100, Wut auf mich selbst(90), traurig(80) Früher bin ich immer wieder aus meinem Tief herausgekommen. Das werde ich auch dieses Mal schaffen. Gefühle nach den rationaleren Gedanken angeben und einschätzen Hoffnungslosigkeit(3 0), Wut auf mich selbst(30), traurig (50) • • Sokratischer Dialog der Patient wird geleitet, Relativierungen seiner Sichtweisen und Argumente selbst zu erkennen insistierendes Fragen, bis die „richtige“ Erkenntnis gewonnen wurde Therapeut hat eine Hypothese davon, in welcher Weise der vom Patienten geäußerte Gedanke verzerrt ist dient der Entwicklung von Realitätstests (Gültigkeit der funktionalen Gedanken wird erlebt und überprüft) Verhaltensexperimente Vorgehen: 1.) Operationalisieren der Erwartungen: befürchtete Reaktionen 2.) Aufsuchen der Situation: abgesprochenes Verhalten zeigen, auf Reaktionen achten 3.) Erfassen des Ergebnisses: Selbsteinschätzung, Fremdeinschätzung 4.) Schlussfolgerung: Vergleich Erwartungen – Ergebnisse, Erklärungen für Diskrepanzen suchen, alternative Überzeugungen formulieren Prinzip Patient soll die Verhaltensexperimente immer selbständiger und schließlich selbstgeleitet durchführen, z.B.: - Sicherheitsverhalten/Selbstaufmerksamkeit forcieren oder unterdrücken - „peinliche“ Verhaltensweisen absichtlich durchführen werden nicht nur zur Überprüfung von situationsbezogenen Erwartungen, sondern auch von eher generellen Grundüberzeugungen eingesetzt, z.B.: „Ich bin unattraktiv.“ 9 3.4 Soziales Kompetenztraining Selbstsichere Persönlichkeit Selbstsichere Verhaltensgewohnheiten Selbstsicherheitspyramide 4 Hypothesen der Behandlungsstrategien: Selbstsicheres Verhalten 1.) Verhalten wird in bestimmten sozialen Situationen durch Angst beeinträchtigt; bzw. Angst führt zur Vermeidung dieser Situationen Bedeutung für die Behandlung: neues Verhalten muss nicht unbedingt gelernt werden, die störenden Angstreaktionen sind zu beeinflussen 2.) Unangemessenes bzw. vermeidenes Sozialverhalten ist auf mangelnde soziale Fertigkeiten zurückzuführen soziales Verhalten ist komplex und setzt umfangreiche Lernerfahrungen voraus, deshalb kann es im Laufe der Sozialisation in best. Lebensbereichen schnell zu Defiziten kommen Behandlungsziel: Nachholen der fehlenden Lernerfahrungen und Verbesserung der sozialen Verhaltensfertigkeiten 3.) Unangemessenes bzw. vermeidendes Sozialverhalten entsteht durch ungünstige kognitive Prozesse oder Inhalte Mängel bei der Wahrnehmung und Interpretation sozialer Situationen: irrationale Überzeugungen, ungünstige Selbstverbalisation, destruktive Attributionsstile 4.) Unangemessenes bzw. vermeidendes Sozialverhalten ergibt sich aus der Interaktion affektiver, motorischer und/oder kognitiver Verursachungsfaktoren; derartige Verursachungsprozesse sind am ehesten im Rahmen von Prozessmodellen zu verstehen Behandlungsziel: Veränderung und Bewältigungsfertigkeiten auf allen drei Ebenen des Verhaltens Erläuterung des Prozessmodells Alltagssituation Ungünstige Gedanken Beweis für die Berechtigung der Befürchtungen + Angst Trainingselemente auf der kognitiven Ebene 1.) Erklärungsmodell 2.) Unterscheidung nach Situationstypen 3.) Differenzierung von aggressivem und selbstsicherem Verhalten 4.) Unterscheidung von Gefühlen und Kognitionen 5.) Wahrnehmen und Verändern von Selbstverbalisation 6.) Methoden der kognitiven Umstrukturierung Trainingselemente auf der emotionalen Ebene • Entspannungstraining Trainingselemente auf der motorischen Ebene • Verhaltensfertigkeiten im Rollenspiel mit Videofeedback • Vorformulierte Situationen: Erlernen genereller Strategien • Hausaufgaben, Auswahl und Durchführung bis zur nächsten Stunde 10 2.3.3 Verhaltenstherapie als Problemlöseprozess Metamodell des Problemlösens (D’Zurilla & Goldfried, 1971; Dörner, 1976) • Problemlöseprozess wird als Metastrategie verstanden, die bei der Bewältigung neuer, komplexer, überraschender, schwieriger Situationen hilfreich ist • 3 Komponenten: Ausgangszustand, Zielzustand, Mittel (Methoden) • Problemlösekonzept in diesem werden generell drei Lernziele formuliert: 1.) die Vermittlung eines systematischen Vorgehens bei der Überwindung aktueller Probleme 2.) die Stärkung von Selbstbewusstsein und Kontrollüberzeugungen im Umgang mit Problemen 3.) das Erlernen einer Methode zur selbständigen Lösung zukünftiger Probleme • Definition und Formulierung des Problems: Gliederung in Einzelaspekte: - es ist so leichter vorstellbar, zumindest in einigen Bereichen konkrete Lösungen zu finden - die Belastung wird „handhabbar“ und überschaubar - die strukturierte Problemanalyse hat für die Patienten somit einen kognitivordnenden Effekt und kann dadurch schon entlastend wirken • Zielanalyse: häufig stellen bereits die Ziele der Patienten ein eigenes Problem dar hilfreiche Fragen zur Definition von Zielen: Was würde mir die Situation erleichtern?; Worüber würde ich mich freuen? nächster Schritt: genaue Analyse ob bzw. welche Hindernisse der Zielerreichung entgegenstehen (Frage z.B.: Wie sehen andere das Problem?) • Lösungsmöglichkeiten: Therapeutin motiviert dazu, möglichst viele Lösungsmöglichkeiten zu generieren Technik: Brainstorming, alle Vorschläge werden akzeptiert und nicht kritisiert oder bewertet • Auswahl: Einschätzungen werden übersichtlich durch die 2-Spalten-Technik: Pro und Contra für die entsprechende Lösung; Vor- und Nachteile werden abgewogen, Einschätzen, wie wahrscheinlich das Eintreten der Nachteile ist • Umsetzung: Erfahrungen des Klienten werden mit der Umsetzung neuer Verhaltensweisen erfragt positive Rückmeldung für jeden Umsetzungsversuch (Selbstverstärkung) 3. Allgemeine Grundprinzipien von Psychotherapie 3.1 Medizinisches und psychoanalytisches Krankheitsmodell Medizinisches Krankheitsmodell: • Verhaltensproblem wird analog zu organischen Krankheiten als Symptom innerer Krankheitsursachen gesehen • Psychische Symptome sind Ausdruck spezifischer psychischer Krankheiten, die auf unbewusste Konflikte und deren Abwehr zurückzuführen sind • Psychische Symptome als problematisches Verhalten und Erleben in einem Geflecht von verschiedenen kausalen Bedingtheiten 11 • Die auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen unterliegen einem Veränderungsprozess 3.2 Verhaltenstherapeutisches Krankheitsmodell Beschwerden und Auffälligkeiten werden nicht als Ausdruck einer zugrunde liegenden Störung betrachtet, sondern als Probleme, deren Bedingungen im Einzelfall eruiert und verändert werden müssen Ansatzpunkt für Veränderungen sind die das Verhalten steuernden Bedingungen es werden drei Arten von Bedingungen unterschieden: • Prä/disponierende: Faktoren, die bereits vor langer Zeit eingewirkt haben und deren Auswirkungen bis in die Gegenwart reichen • Auslösende: Faktoren, die dem Auftreten der psychischen Störung unmittelbar vorangehen = Trigger = Lebenskrisen = Stress • aufrechterhaltend/stabilisierend: Faktoren, die für das Beibehalten, die Chronifizierung oder die Generalisierung einer bereits bestehenden psychischen Problematik verantwortlich sind auch VT behandelt nicht nur die „Symptome“, sondern deren Ursachen im Sinne von prädisponierenden, auslösenden oder aufrechterhaltenden Bedingungen Verhaltenstherapie ist eine „Ursachentherapie“, diese werden als Bedingungen bezeichnet 3 Grundprinzipien der Verhaltenstherapie 1.) Kontinuitätsannahme hinsichtlich normalen und pathologischen Verhaltens: • bei Entscheidung über normal oder pathologisch bedarf es der Analyse der Häufigkeit, Intensität, der Konsequenzen und der Umstände, in denen das Verhalten auftritt • hinsichtlich der Umstände sind nicht nur Aspekte des Mikro- sondern auch des Makrokontextes (z.B. der Kultur) zu berücksichtigen • besonders bedeutsame Determinanten sind normative Prinzipien (z.B. bei der Beurteilung von Alkoholkonsum, sex. Orientierung einer Person) 2.) Annahme der VT zu Lernprozessen: • „Menschliches Verhalten wurde in wesentlichen Grundzügen gelernt, also kann es auch verlernt werden.“ • Prozesse des Lernens müssen als eng vernetzt mit Merkmalen der Reifung, mit genetischen oder biologischen Prozessen gesehen werden 3.) Konkrete, beobachtbare Verhaltensebene: • Bedeutsam für Veränderung und Intervention • Therapeutische Veränderungen sollten sich prinzipiell intersubjektiv erfassen, beobachten und evaluieren lassen • Verhaltensebene ist aus methodologischen Gründen besonders hervorgehoben Störungsübergreifende Modelle: • Modelle der Traumatisierung und Konditionierung • Operante Modelle, d.h. psych. Störungen, die durch Konsequenzen gesteuert werden • Ansätze des Modelllernens 12 • • • Modelle der Stressbelastung und Bewältigung (z.B. psychophysiologische Theorien) Sozialpsychologische Modelle Kognitive Modelle (z.B. Attributionstheorien) diese Modelle bieten einen Rahmen zum Verständnis einer konkreten Problematik eines Patienten 3.3 Verhaltensanalyse/Problemanalyse „die Problemanalyse dient dazu, die Probleme oder psychischen Störungen, wegen derer Menschen einen Psychotherapeuten aufsuche, zu beschreiben, zu klassifizieren und jene Faktoren bzw. Mechanismen zu identifizieren, die die Entstehung und Aufrechterhaltung der Probleme erklären könnte.“ Funktionale Verhaltensanalyse: • Bindeglied zwischen dem theoretischen Rahmen (Störungsmodell) und der individuellen Problematik des Patienten • Die Beschwerden/Verhaltensmuster (R) gelten als abhängige Variable, deren Determinanten die Unbekannten (unabhängigen Variablen) darstellen • Ziel der Verhaltensanalyse ist es situative Aspekte S, Merkmale der Selbstregulation O, sowie Determinanten auf der Ebene der Konsequenzen C zu identifizieren • Prinzip des Systemmodells nach Kanfer et al. 2000 Systemmodell menschlichen Verhaltens (Kanfer): • Verhalten einer Person wird gesteuert durch vorangegangene und nachfolgende Bedingungen (funktionales Prinzip) SORCK -Schema • S: Stimulus/auslösende Situation • O: Organismus/Personenvariable - dispositionale Faktoren (Denkstil, Persönlichkeit), • aktuelle/dispos. Biologische Faktoren • R: Reaktion/Problemverhalten - kognitiv: neg. Bewertung; emot.: Angst, Hilflosigkeit; physiol.: körperliche Aktivierung; Verh.: ungünstige Bewältigung • C: Konsequenz, kurzfristig: Entlastung, langfristig: psychische Störung • K: Kontingenz (wie häufig die Konsequenz auf die Reaktion folgt) – neg. Verstärkung durch kurzfristige Verminderung der Anspannung; pos. Verstärkung durch Zuwendung von Bezugsperson Fallbespiel: Depressive Episode, mittelgradig • Situation (S): Sohn hielt sich wiederholt nicht an die Vereinbarungen (kommt zu spät, keine Hausaufgaben) • Organismusvariable (O): „Ich bin minderwertig“, „Ich habe versagt“, hohe Leistungsbezogenheit • Reaktion (R): Gedanken: „Ich bin überflüssig“, „Egal was ich sage, es ist nicht richtig“; Gefühle: Enttäuschung, Traurigkeit, Schuldgefühle, Wut; körperl. Reaktion: Kopfschmerzen, „Allgemeinbefinden eigenartig“; Verhalten: die Patientin sagt nichts und geht mit ihrem Hund spazieren • Konsequenzen (C): Ck: Reduktion der Anspannung; Cl: Verstärkung der Depression und Aufrechterhaltung der damit verbundenen Kognitionen durch Rückzugsverhalten und Passivität: sobald die Patientin wieder nach Hause kommt, kommen die Gedanken wieder 13 3.4 Allgemeine Prinzipien, welche den unterschiedlichen verhaltenstherapeutischen Methoden zugrunde liegen 1.) VT ist problemorientiert über die Lösung des aktuell bestehenden Problems hinaus wird in der VT eine Erhöhung der allgemeinen Problemlösefertigkeit angestrebt die VT setzt an prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen des Problems an 2.) VT ist zielorientiert die Identifikation des Problems sowie die gemeinsame Festlegung des zu erreichenden Therapieziels durch Therapeutin und Patient sind integrativer Bestandteil der VT 3.) VT ist handlungsorientiert VT setzt zu ihrem Gelingen die aktive Beteiligung des Patienten voraus erschöpft sich nicht in Reflektionen und Diskussionen von Problemen, sondern motiviert den Patienten zur aktiven Erprobung von neuen Verhaltens- bzw. Erlebnisweisen und Problemlösestrategien, sowohl innerhalb der therapeutischen Sitzungen als auch in Alltagssituationen 4.) VT ist nicht auf das therapeutische Setting begrenzt VT strebt Generalisierung der erzielten Änderungen im Alltag an, therapeutische Setting bietet die Möglichkeit in einem geschätzten Rahmen verändertes Verhalten einzuüben; gewährleistet jedoch nicht die Übernahme im Alltag Notwendigkeit, dass Patient die Strategien regelmäßig zwischen den Sitzungen ausprobiert und übt 5.) VT ist transparent sowohl das Bieten eines plausiblen Erklärungsmodells für die vorliegende Störung als auch das verständliche Erklären aller Aspekte des therapeutischen Vorgehens: elementar für die Akzeptanz der Therapie und zur Rückfallprophylaxe 6.) VT stellt Hilfe zur Selbsthilfe dar über die Erhöhung der allgemeinen Problemlösefertigkeit und über das transparente Ableiten des therapeutischen Vorgehens aus einem Störungsmodell werden dem Patienten generelle Fertigkeiten zur selbständigen Analyse und Bewältigung zukünftiger Probleme vermittelt 7.) VT ist durch ständige Weiterentwicklung gekennzeichnet 3.5 Entwicklung der VT Untersuchung des beobachtbaren Verhaltens mit objektiven Methoden: Welche Stimuli (S) rufen welche beobachtbaren Reaktionen (R) hervor?; Erkenntnisse über Lernprozesse Klassisches Konditionieren (Pawlow) operantes oder instrumentelles Konditionieren • Dieser Mechanismus wurde von Skinner (1953) aufgegriffen und auf verschiedene Gesichtspunkte menschlichen Verhaltens angewandt Watson & Rayner (1919): Experiment mit „kleinem Albert“: Konditionierung von Angst Wolpe: Systematische Desensibilisierung Token economy bei langzeithospitalisierten Patienten (Ayllon und Azrin, 1968) Bandura (1965, 1968): soziales Lernen, Lernen am Modell 60er Jahre – Paradigmenwechsel in der VT: kognitive Wende • Vorher: Reiz-Reaktions-Modell (kognitive Prozesse als vermittelnde Ereignisse) • Nachher: kognitive Prozesse als steuernde & strukturierende Komponenten für emotionale, motivationale, physiologische & motorische Vorgänge • Ellis (1962), Beck (1967): Beiträge im Hinblick auf die Bedeutung kognitiver Prozesse bei der Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung psychischer Störungen 14 4. Rehabilitation – Psychotherapeutische Interventionen bei körperlichen Erkrankungen 4.1 Ebenen der klinisch-psychologischen Intervention 1.) Ebene der psychischen Funktionen (Wahrnehmung, Gedächtnis, Lernen) bzw. Störungen der Funktionen 2.) Ebene der Funktionsmuster bzw. Störungen von Funktionsmustern (repräsentiert durch Syndrome und Diagnosen) 3.) Ebene der interpersonellen Systeme (Dyade, Familie) bzw. Störungen von interpersonellen Systemen Einordnung von Psychotherapie in die Systematik klinisch-psychologischer Intervention 4.2 Definition: Rehabilitation Rehabilitation: ist die Gesamtheit der Maßnahmen zur Wiedereingliederung Behinderter in die Umwelt, Gesellschaft und in den Arbeitsprozess Behinderung: Funktionsstörung als Folge eines körperlichen Schadens und damit verbundene soziale Beeinträchtigungen 4.3 Interventionen bei chronisch körperlichen Erkrankungen chronische Erkrankungen nehmen einen wachsenden Anteil am Gesamtspektrum der Erkrankungen ein Gründe: • Wachsender Anteil älterer Menschen in der Gesamtbevölkerung (Inzidenz, Multimorbidität) • Fortschritte in der medizinischen Versorgung • Veränderte Anforderungen im Berufsleben Arten der medizinischen Rehabilitation: kardiologische, psychosomatische, orthopädische, onkologische, neurologische Reha, Stoffwechselerkrankungen Therapieziele: • Emotionale Stabilisierung • Psychotherapeutische Hilfen bei spez. Bewältigungsproblemen • Positive Beeinflussung des Verlaufs der körperlichen Erkrankung Aufgaben: • Psychologische Eingangs-, Förder- und Belastungsdiagnostik, Verlaufs- und Ergebnisdiagnostik • Rehabilitationsbezogene Diagnostik • Interventionsplanung • Behandlung komorbider psychischer Störungen 15 • Krisenevaluation • Beratung von Angehörigen Copingbegriff nach Lazarus und Launier (1978) • Coping ist die Gesamtheit aller Anstrengungen, die eine Person unternimmt, um eine stresshafte Situation zu bewältigen. 4.4 Transaktionales Stressmodell – Lazarus Bewertungsprozesse nach Lazarus Bewältigungsformen (Lazarus und Folkman, 1984) • Problemfokussierte Bewältigung: zielt darauf ab, die Problemlage/belastende Situation positiv zu verändern • Emotionsorientierte Bewältigung: Regulation belastender Emotionen • Soziale Unterstützung (Mobilisierung) • Ablenkung Problemfokussierte Bewältigung – Umgang mit Risikofaktoren • Bsp.: Schlaganfall ( Hemiplegie, Aphasie, Gesichtsfeldausfälle, Störungen der kognitiven Funktionen, Körperschemastörungen, Urininkontinenz, Bewegungsstörungen) • Überlebende eines Schlaganfalls: 1/3: einschränkungsfreies Leben wie vor der Erkrankung 1/3: bleibende Behinderung durch Lähmungen oder andere Symptome 1/3: dauerhaft pflegebedürftig • Verhaltensweisen, die das Risiko eines erneuten Schlaganfalls reduzieren: Rauchen aufgeben Ernährungsumstellung Gewicht reduzieren 16 • mehr Bewegung genauere Kontrolle von Blutdruck und Blutzucker Für nur 21,7% der Patienten hat ein Schlaganfall die Konsequenz, Risikofaktoren zu minimieren 4.5 Subjektive Krankheitstheorien gerade Patienten mit chronisch körperlichen Erkrankungen weisen häufig ein somatisch orientiertes Krankheitskonzept und eine passive, an medikamentöser Therapie orientierte Behandlungserwartung auf Inhalte subjektiver Krankheitstheorien: • Annahmen zur Ätiologie • Annahmen über die unmittelbaren und langfristigen Konsequenzen einer Erkrankung über deren Bedrohlichkeit und Kontrollierbarkeit • Annahmen über die notwendigen Mittel zur Heilung • Annahmen zum Heilungsverlauf Bsp.: chronische Schmerzen – typische Patientenkonzepte • Es gibt „echte“ und „eingebildete“ Schmerzen • Schmerz hat immer eine somatische Ursache • Keine Unterscheidung zwischen akutem und chronischem Schmerz • Aktivitäten verstärken den Schmerz • Stärke des Schmerzes vom Ausmaß der körperlichen Schädigung abhängig • Lediglich med. und medikamentöse Einflussmöglichkeiten auf Schmerzen • Bedeutung psychischer Faktoren ist ausschließlich im Sinne von „Psychopathologie“ zu verstehen • Schmerz und Leiden sind untrennbar verknüpft, nur durch Schmerzfreiheit Verbesserung der Lebensqualität möglich Chronische Schmerzen: • Am Beginn steht of ein definierbares Ereignis (Unfall, Operation) • Schmerz überdauert seinen Anlass Beginn des chronischen Geschehens • Die Schmerzempfindung wird durch die unmittelbaren Rahmenbedingungen moduliert: 1.) Bewertung des Geschehens (Bedrohlichkeit des Schmerzes, Kontrollerwartung) 2.) Emotionaler Zustand ( Angst, Hilflosigkeit) 3.) Durch mehr oder weniger erfolgreiche Bewältigungsversuche • Patienten wollen Schmerzen los werden und nicht damit leben • Konfrontation mit Psychotherapie stellt massiven Angriff auf ihre Person dar • Informationsvermittlung: Multifaktorielles Modell: Zusammenhang – physiologische Prozesse und emotional-kognitive Prozesse (z.B. Angst-Verspannung – Schmerz); Stressmodelle Erlebnisorientierte Übungen: alltagsnahe Beispiele für psychophysiologische Reaktionen finden, eigene Erfahrungen Vermittlung einer neuen Sichtweise der Schmerzen: „diese kognitive Umstrukturierung von einem rein somatischen zu einem multifaktoriellen Krankheitsmodell und die damit einhergehende Einsicht, dass Veränderungen der Schmerzen und der damit einhergehenden Beeinträchtigungen möglich sind, ist ein andauernder Prozess, der von der ersten bis zur letzen Therapiesitzung stattfindet“ 4.6 Belastungsfolgen und Anpassungstörungen 17 Komorbidität psychischer Störungen bei chronischen körperlichen Erkrankungen: 15-40 % jüngere Rehabilitanden und Frauen sind stärker betroffen signifikant höhere Prävalenzraten als in der Allgemeinbevölkerung komorbide psychische Störungen: • Steigern die Morbidität und Mortalität • Nehmen ungünstigen Einfluss auf Compliance und Lebensqualität • Führen zu einer erhöhten Inanspruchnahme von gesundheitlichen Dienstleistungen „Post-Stroke-Depression“ 4.7 Familie und chronische Krankheit familiäre Faktoren können im Sinne von prädisponierenden Faktoren zur Entstehung einer Erkrankung beitragen familiäre Faktoren können als auslösende Faktoren einer Erkrankung betrachtet werden familiäre Faktoren können zur Aufrechterhaltung einer Erkrankung beitragen die Erkrankung eines Familienmitglieds kann sich auf die gesamte Familie und deren Gesundheit und Lebensqualität auswirken familiäre Interventionsansätze können die Belastungen der Familienmitglieder reduzieren und die Rekonvaleszens (Genesung) des betroffenen Familienmitglieds verbessern 18