Psychologische Intervention im Erwachsenenalter

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Psychologische Intervention im Erwachsenenalter (Wilz)
1. Psychotherapie
1.1 Definition
professionelle Anwendung von wissenschaftlich begründeten, empirisch gesicherten
Methoden zur Behandlung von psychischen Störungen
Strotzka, 1975
• „…ist ein bewusster und geplanter interaktionaler Prozess zur Beeinflussung von
Verhaltensstörungen & Leidenszuständen, die in einem Konsensus für behandlungsbedürftig
gehalten werden
• mit psychologischen Mitteln meist verbal, aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes,
nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel
• mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen
Verhaltens.
• In der Regel ist dazu eine tragfähige emotionale Bindung notwendig.“
1.2 Diagnostik in der Psychotherapie
1.2.1
Definition: psychische Störung
Selbst- oder Fremdgefährdung: klinisch bedeutsames Verhaltensmuster oder psychisches
Syndrom, dass mit momentanen Leiden, Beeinträchtigung oder mit einem stark erhöhten
Risiko einhergeht, zu sterben, Schmerz, Beeinträchtigung oder einen tiefgreifenden
Verlust an Freiheit zu erleiden
Persönliches Leid: ist nicht nur eine verständliche Reaktion auf ein Ereignis, wie z.B. eine
normale Trauerreaktion bei Verlust eines geliebten Menschen
Funktionseinschränkung und/oder Behinderung: verhaltensmäßige, psychische oder
biologische Funktionsstörung
Abweichung von Normen: normabweichendes Verhalten oder Konflikte des Einzelnen
mit der Gesellschaft sind keine psychischen Störungen, solange die Abweichung oder der
Konflikt kein Symptom einer oben beschriebenen Funktionsstörung bei der betroffenen
Person darstellt
1.2.2
Intervention als Problemlöseprozess
1.2.3 Diagnostik als Problemlöseprozess
1
1.2.3
Formen der Diagnostik bei psychischen Störungen
Klassifikatorische Diagnostik (Beschreiben) = Zuweisung von Diagnosen zum
Symptomkomplex der Person
Funktionale Diagnostik (Erklären) = Hypothesen zu Ursachen und aufrechterhaltenden
Bedingungen (Ätiologie); Bedingungsanalyse zur Mikroplanung der Indikation und
Therapie
Prozessdiagnostik (Verändern) = Verlaufsmessung und Adaption, Indikation und
Prognose; Evaluation (Veränderungsmessung)
Definitionen:
• Indikation: ob bei einem bestimmten Krankheitsbild (psych. Störung) der Einsatz einer
bestimmten therapeutischen Maßnahme angebracht ist
• Prognose: Beurteilung der Erfolgswahrscheinlichkeit einer Behandlung bei einer Störung
1.2.4
Diagnostische Aufgaben
qualitative und quantitative Beschreibung der vorliegenden (psychischen) Störung
Klassifikation der psychischen Störung
Exploration von besonderen lebensgeschichtlichen Bedingungen bei der Entstehung und
dem bisherigen Verlauf der Störung
Beobachtung des Verlaufs der Intervention und der Veränderung der Symptomatik
(Verlaufsdiagnostik)
Überprüfung des Therapieerfolgs (Qualitätssicherung)
1.2.5
1.)
2.)
3.)
4.)
5.)
6.)
Der diagnostische Prozess
Beziehungsaufbau und allgemeiner Eindruck
Klassifikatorische/kategoriale Diagnose
Abklärung organischer Ursachen und Komplikationen
Biographische Anamnese
Verhaltensanalyse (spezifisch für KVT)
Bestimmung des Therapieziels, Indikation und Behandlungsplan
weitere diagnostische Maßnahmen vor und während der Therapie (z.B. Tagebücher,
Leistungsdiagnostik)
1.3 Die wichtigsten Kompetenzbausteine
•
•
•
•
1.3.1
•
•
Kenntnis der gültigen diagnostischen Klassifikation psychischer Störungen
Kenntnis über diagnostische (Mess-/Einschätzungsverfahren) Verfahren
Diagnostische Gesprächsführungstechniken
Kenntnis grundlegender psychopathologischer Konzepte und Methoden, um den
diagnostischen Befund erheben und bewerten zu können
Klassifikation: DSM-IV
Achse 1: Klinische Störungen und andere klinisch relevante Probleme
Schizophrenie, affektive/dissoziative/somatoforme Störungen, Essstörungen, etc.
Achse 2: Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderungen
PSK: paranoide, schizoide, schizotypische, antisoziale, Boderline, Histrionische,
narzistische, vermeidend-unsichere, dependente, zwanghafte, nicht näher
bezeichnete
2
•
•
•
1.3.2
Achse 3: erfasst alle medizinischen Krankheitsfaktoren und Zustände, die mit einer
Störung in Zusammenhang stehen und Einfluss auf die psychische Störungen haben können
Achse 4: Psychosoziale und umgebungsbedingte Probleme
Arbeitsplatz, wirtschaftl. Situation, zwischenmenschliche Probleme mit
Angehörigen, Probleme in anderen Lebensbereichen
Achse 5: Globale Erfassung des Funktionsniveaus
die psychischen, sozialen und beruflichen Funktionen sind auf einem
hypothetischen Kontinuum von psychischer Gesundheit bis Krankheit
einzuschätzen; NICHT: Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund von körperlichen
oder umgebungsbedingten Einschränkungen
Diagnostische Gesprächsführungstechniken
Ziel der ersten diagnostischen Gespräche:
• Aufbau einer therapeutischen, problemorientierten Arbeitsatmosphäre
• Professionalität
• Empathie
• Parteilichkeit (für den Patienten)
• Problem genauer strukturieren
• verstehen, wie das Problem gegenwärtig Aufrechterhalten wird
• Erhebung der wichtigsten Fakten aus der Lebensgeschichte, die die Entstehung des Problems
mit erklären könnte
Gesprächsführung
• durch die besondere Haltung des Therapeuten (Basisvariablen) und förderliche
Interventionen (Verbalisierung von Gedanken und Gefühlen) wird dem Patienten die
Selbstexploration ermöglicht
• Therapeutische Basisvariablen: Empathie, Echtheit/Kongruenz, Wertschätzung
• aufrichtiges Interesse am Klienten und seiner Situation vor allem durch aktives Zuhören
signalisieren
• Akzeptanz und Bestätigung vermitteln
• Anerkennen des bisherigen Bemühens
Empathische Haltung, da:
• Schwellenängste
• Hoffnung, die erwartete Hilfe zu bekommen
• Unsicherheit, an der richtigen Stelle zu sein
• Scham darüber, klinisch-psychologische Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen
Das klinische Erstgespräch:
Exploration der aktuellen Problematik
Problemvorgeschichte und biographische Anamnese
1.3.3
Kenntnis über diagnostische Verfahren
Psychologische Methoden:
• Selbstbeobachtung
• Selbstbeurteilungsverfahren (Fragebogen- und Testverfahren, z.B. HAWIE)
• Fremd-Beobachtung
• Interviewverfahren (strukturiert & standardisiert)
Biologische Methoden:
• Bildgebende Verfahren
• Psychophysiologische Methoden
• Neurochemische Methoden
3
Verhaltensbeobachtung
Datenquelle:
• Selbstbeobachtung des Verhaltens in natürlichen Situationen mittels Computeraufzeichnung
oder Selbstprotokollen von Verhalten im Alltag
• Fremdbeobachtung des Verhaltens: Therapeut im therapeutischen Gespräch; Angehörige im
Alltag
• Simulation im Rollenspiel
Fragebogen
• geringer Zeitaufwand; bringt meist wichtige Anhaltspunkte für die weitere Diagnostik und
Behandlung
• werden zur Eingangs- und Verlaufdiagnostik und zur Evaluation der Intervention genutzt
• keine ausreichende Grundlage für eine Diagnose
Unterscheidung nach erfasstem Merkmalsbereich:
• Störungsgruppenübergreifende Verfahren:
erhobene Merkmale können zu sehr verschiedenen Störungen zugeordnet
werden, z.B.: körperliche Beschwerden, empfundene Lebensqualität,
Selbstwirksamkeitserwartung
übliche Verfahren: z.B. Befindlichkeits-Skala
• Störungsgruppenbezogene Verfahren:
Erfassung „klassischer“ Merkmalsbereiche, z.B.: Angst, Depression, Zwang,
Essstörung, Schizophrenie, somatoforme Störungen
übliche Verfahren: Fragebogen – Beck Angst Inventar, Beck Depressions
Inventar
1.4 Zusammenfassung
zentrale Aufgaben der klinisch-psychologischen Diagnostik
• Feststellen von:
Ist-Zustand (aktuelle Beschwerden und deren Bedingungen)
Soll-Zustand (Ziel oder Richtung der Veränderung)
Voraussetzungen für Psychotherapie
• Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten in einem gegebenen Fall
• Zentrale Frage: für welche Person, bei welcher Störung, zu welcher Zeit, welche Intervention
zu den gewünschten Veränderungen führt
2.) Kognitiv-behaviorale Psychotherapie – Standardverfahren
Ablauf
1.)
2.)
3.)
4.)
5.)
6.)
Erstgespräch
Explorations- und Diagnosephase
Problemanalyse
Psychoedukation
Identifikation dysfunktionaler Konzepte
Intervention: Disputation dysfunktionaler Gedanken, Aufbau alternativer funktionaler
Gedanken, Training
4
3.1 Konfrontationsverfahren
Konfrontation in vivo
Merkmale
• Expositionsbehandlung: „Übungen zur Aufhebung des Meidungsverhaltens mit Abbau der
negativen kognitiv-emotionalen Reaktionen auf bestimmte Situationen, Objekte,
Problemfelder oder Personen“
• Erstellung einer Angsthierarchie (beim graduierten Vorgehen)
• graduiertes oder massiertes Vorgehen
• Beispiel: massierte Reizkonfrontation:
Informationsvermittlung und kognitive Vorbereitung
An 5-10 Tagen aufeinander folgenden Tagen werden täglich etwa 6-8h angstbesetzte
Situationen aufgesucht
• Ziel ist nicht 0-Angst, sondern einen realistischen Umgang mit der Angst
• Angst bewältigen lernen
• Automatische, angstprovozierende Kognitionen sollen unter fortlaufender
Reaktionsexposition im Feld verändert werden
• Flucht- und Vermeidungsverhalten wird verhindert
• Der Patient soll die Konfrontation bis zum Rückgang der Angst ohne Entspannungshilfe
aushalten
• Abbruchkriterium ist die Bewältigung bzw. das angstfreie/angstreduzierte Ertragen der
Situation
Habituation als zentraler Wirkmechanismus: Abklingen einer Reaktion
• Verringerung ihrer Intensität
• Verlängerung ihrer Latenz
• Reduktion der Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens
Bei wiederholter Präsentation des identischen Reizes
Ablauf:
1.) Systematische Konfrontation mit angstauslösenden Reizen
2.) Gewöhnungseffekt
3.) Angstreduktion
4.) Bewertungsänderung: Abbau der Überreaktion auf bisher als bedrohlich interpretierte Reize
Konfrontation in sensu
•
•
•
Müssen somatische und vegetative Veränderungen auslösen können
Imaginierte Konfrontation als Alternative, wenn die realen Stimuli nicht zugänglich sind, z.B.
bei PTBS
Wenig geeignet für Patienten mit sozialer Phobie, Agoraphobie
Systematische Desensibilisierung (Wolpe)
•
•
•
•
Verhaltenstherapeutische Standardmethode zum Abbau belastender emotionaler
Reaktionen, insbesondere von situations- oder objektgebundenen Ängsten
mittels einer Verhaltensanalyse werden die angstrelevanten Situationen eines Patienten
exploriert und dann bezüglich ihres subjektiven Erregungsgrades aufsteigend in Form einer
Angsthierarchie geordnet
Patient erlernt ein Entspannungsverfahren, zumeist die progressive Muskelentspannung
Die eigentliche Therapie besteht in einem ständigen Wechsel von Entspannungssequenzen
und dem Vorstellen der angstbesetzten Situationen
5
•
Jede Angstsituation der Hierarchie wird dabei so lange wiederholt, bis der Patient keine
Anzeichen subjektiver Erregung mehr bei sich beobachtet
3.2 Psychoedukation
Aufklärung über das therapeutische Vorgehen: Grundprinzip – Transparenz in der KVT
• Aufklärung über Diagnose
• Aufklärung über Modelle der Angst (Drei-Komponenten-Modell)
• Angst als eine übersteigerte normale biologische Reaktion
• Die kritische Rolle von Gedanken und Gefühlen bei der Angstreaktion
• Teufelskreis von Angst und Vermeidung
Psychoedukation:
• Bei der Herausarbeitung der Genese der Angst ist wichtig zu betonen:
Angst ist multikausal bedingt
es sollen Prädispositionen, life-events und Situationsfaktoren als wichtige Einflüsse
besprochen werden
es gibt nie absolute Sicherheit über die Entstehungsgeschichte der Angst, aber
nahe liegende und plausible Entwicklungsmodelle
dem Patienten muss deutlich werden, dass das Vermeidungsverhalten zentral für die
Aufrechterhaltung der Störung ist und diese stabilisiert
Funktionen der Angst:
• Angst ist ein Energiebereitsteller
• Angst kann zu erhöhter Aufmerksamkeit und Reaktionsbereitschaft führen
• Angst kann zu Aufmerksamkeitseinengung und Reaktionsblockaden führen
• Es kann zu Flucht- oder Angriffsreaktionen kommen
• Aus biologischer Sicht ist Angst in der Regel sinnvoll, weil sie auf drohende Gefahr hinwest
3.2.1
Erklärungsmodelle
2-Faktoren-Theorie (Mowrer, 1980)
• 1. Faktor: klassische Konditionierung: ursprünglich neutrale Reize werden aufgrund
traumatischer Ereignisse mit einem Angstzustand assoziiert
• 2. Faktor: operante Konditionierung: die darauf folgende Vermeidung dieser nun aversiven
Reize wird durch den Abbau des unangenehmen Angstzustandes verstärkt
Bio-Informationstheorie der Emotionen (Lang, 1985)
• Theoretische Leitlinie und Ausgangspunkt für die Erstellung des Imaginationsskripts:
lebhafte Vorstellung und Erinnerung einer emotionales Episode durch
Verarbeitungsprozesse wird innerhalb assoziativer Informationsnetzwerte
realisiert
diese emotionalen Netzwerke bestehen aus 3 Informationsklassen oder Ebenen
der Repräsentation
1.) Semantische Bedeutung des Textes: Person versteht die Situation die beschrieben wird
(kann ohne emotionale Beteiligung erfolgen)
2.) Sensorische Reizeigenschaften: Ablauf der Episode vor dem „inneren Auge“ (z.B.
schwarze Spinne läuft auf dem Arm)
3.) Verbindungen zu prozeduralen Repräsentationen von Reaktionsprogrammen für die
Muskulatur (somatischer und vegetativer Emotionsausdruck wird sichtbar, z.B. Ekel: Nase
kraus ziehen; Herzrate)
6
Langs „Drei-Ebenen-Ansatz“ (1971)
• Angst hat immer drei Anteile: Körper, Denken/Fühlen & Verhalten
Vermittlung eines Erklärungsmodells
viele Patienten reagieren mit großer Erleichterung, da sie endlich eine Erklärung für ihre
Symptome bekommen
auf der Basis der diagnostischen Befunde wird ein individuelles Störungsmodell
entwickelt und auf dieser Grundlage wird die therapeutische Vorgehensweise abgeleitet
Funktion:
• Förderung der Wirksamkeit und Akzeptanz der therapeutischen Maßnahmen
• Förderung der Generalisierung des Therapieerfolgs
• Prophylaxe von Rückfällen
• Bietet eine Alternative zu der Befürchtung vieler Patienten, an einer unerkannten schweren
körperlichen oder psychischen Störung zu leiden
3.3 Kognitiv-behaviorale Verfahren
3.3.1
Rational-Emotive-Therapie – Albert Ellis
Das ABC-Modell
• Bsp.: dysfunktionale Interpretation von
dementiell verändertem Verhalten
A: Frau N. wird von ihrem an Demenz
erkrankten Mann beschuldigt, seine
Brieftasche gestohlen zu haben
B: Er hat kein Vertrauen mehr zu mir. Er
lehnt mich ab, obwohl ich mich so sehr um
ihn kümmere.
C: Ich bin traurig und enttäuscht. Ich fühle mich unsicher in Gegenwart meines
Mannes. Dadurch verschlechtert sich unsere Beziehung immer weiter.
7
3.3.2
Kognitive Verhaltenstherapie – Aaron Beck
Grundannahmen:
• Kognitionen haben Einfluss auf psychisches Befinden
• Denkfehler führen zu psychischen Belastungen
• Diesen Kognitionen liegen schädliche Grundannahmen (Schemata) zugrunde
• Einstellungen und Schemata entstehen aus vergangenen Erfahrungen
• Therapeut und Patient versuchen gemeinsam, dysfunktionale Gedanken und Annahmen zu
verändern
• Drei Ebenen:
Automatische Gedanken: am ehesten zugänglich, situationsspezifisch, konkrete
Wörter oder Bilder
• Laufen sehr schnell und reflexartig ab
• Erscheinen der Person selbst in der Situation angemessen und plausibel
• Laufen zwischen einem (externalen oder internalen) Ereignis und einem emotionalen
Erleben ab
• Sind meist nicht bewusst
• Drücken sich in Selbstgesprächen, Selbstinstruktionen, persönlichen Interpretationen
aus
bedingte Annahmen: Einstellungen, persönliche Regeln
Grundannahmen: am wenigsten zugänglich, situationsunabhängig
• Innerste Überzeugungen eins Menschen über sich selbst
• Global, übergeneralisiert, absolut
• Lassen sich nach Beck in zwei Kategorien einteilen:
- Grundannahmen, die mit Hilflosigkeit zusammenhängen
- Grundannahmen, die damit zusammenhängen, nicht liebenswert zu sein
• Identifikation automatischer Gedanken
Grundfrage: Was ist Ihnen in diesem Moment durch den Kopf gegangen?
1.) Stellen Sie diese Frage, wenn Sie in der Sitzung eine Veränderung oder Verstärkung der
Stimmung bemerken.
2.) Lassen Sie den Patienten eine problematische Situation beschreiben oder einen Moment,
in dem er eine Stimmungsveränderung bemerkte, und stellen Sie die obige Frage.
3.) Falls nötig, fordern Sie den Patienten dazu auf, sich in die Situation zurückzuversetzen,
um de Situation detailliert zu beschreiben und stellen Sie die obige Frage.
4.) Falls nötig oder wünschenswert, lassen Sie den Patienten eine bestimmte Interaktion im
Rollenspiel mit Ihnen durchspielen und stellen Sie dann die obige Frage.
• Bsp.: dysfunktionale automatische Gedanken:
Ich kann das nicht
Ich mache viel zu wenig
• Erkennen dysfunktionaler automatischer Gedanken
Anknüpfungspunkt: Schilderungen von kurz zurückliegenden Ereignissen
oder vom Therapeuten wahrgenommenen Stimmungswechsel während
der Therapiesitzung
Erinnern/Vorstellen von Ereignissen und den einhergehenden Gefühlen &
Gedanken
Selbstbeobachtung: Tagesprotokoll negativer Gedanken (3-Spalen-Technik)
Rollenspiel von belastenden sozialen Situationen zur Aktivierung von
Gefühlen & Kognitionen
Konfrontation mit extremen Ereignissen zum Erzeugen und Identifizieren
negativer Kognitionen
8
Kognitive Umstrukturierung
1.) Identifizierung dysfunktionaler Gedanken und Konzepte (Exploration)
2.) Disputation und Prüfung dieser Gedanken und Konzepte
3.) Aufbau alternativer funktionaler Konzepte
4.) Training der neuen Konzepte
3.3.3
Techniken der kognitiven Verfahren
•
Gedankenprotokoll (Spaltentechnik)
Auslöser/Situation
Automatische Gedanken
(Selbstgespräche/innere
Sätze)
Stimmung/Gefühle
(Einschätzen 0-100%)
Rationalere/hilfreichere
Gedanken
Ergebnis
(Stimmung/Gefühl)
(Einschätzen 0-100)
Aktuelle Ereignisse, die
zu unangenehmen
Gefühlen führen;
Gedanken, Tagträume
Besuch von
Arbeitskollegin, die
erzählt was bisher in
der Firma passiert ist
Die automatischen,
negativen Gedanken
angeben, die dem Gefühl
vorausgingen
Ich werde nie wieder so
arbeiten können wie
früher
Genau angeben (z.B.
Wut, Angst)
Rationale Reduktion auf
automatische Gedanken
aufschreiben
Hoffnungslosigkeit(100,
Wut auf mich
selbst(90), traurig(80)
Früher bin ich immer
wieder aus meinem Tief
herausgekommen. Das
werde ich auch dieses
Mal schaffen.
Gefühle nach den
rationaleren
Gedanken angeben
und einschätzen
Hoffnungslosigkeit(3
0), Wut auf mich
selbst(30), traurig
(50)
•
•
Sokratischer Dialog
der Patient wird geleitet, Relativierungen seiner Sichtweisen und Argumente
selbst zu erkennen
insistierendes Fragen, bis die „richtige“ Erkenntnis gewonnen wurde
Therapeut hat eine Hypothese davon, in welcher Weise der vom Patienten
geäußerte Gedanke verzerrt ist
dient der Entwicklung von Realitätstests (Gültigkeit der funktionalen Gedanken
wird erlebt und überprüft)
Verhaltensexperimente
Vorgehen:
1.) Operationalisieren der Erwartungen: befürchtete Reaktionen
2.) Aufsuchen der Situation: abgesprochenes Verhalten zeigen, auf Reaktionen achten
3.) Erfassen des Ergebnisses: Selbsteinschätzung, Fremdeinschätzung
4.) Schlussfolgerung: Vergleich Erwartungen – Ergebnisse, Erklärungen für Diskrepanzen
suchen, alternative Überzeugungen formulieren
Prinzip
Patient soll die Verhaltensexperimente immer selbständiger und schließlich
selbstgeleitet durchführen, z.B.:
- Sicherheitsverhalten/Selbstaufmerksamkeit forcieren oder unterdrücken
- „peinliche“ Verhaltensweisen absichtlich durchführen
werden nicht nur zur Überprüfung von situationsbezogenen Erwartungen,
sondern auch von eher generellen Grundüberzeugungen eingesetzt, z.B.: „Ich bin
unattraktiv.“
9
3.4 Soziales Kompetenztraining
Selbstsichere Persönlichkeit
Selbstsichere Verhaltensgewohnheiten
Selbstsicherheitspyramide
4 Hypothesen der Behandlungsstrategien:
Selbstsicheres
Verhalten
1.) Verhalten wird in bestimmten sozialen Situationen durch
Angst beeinträchtigt; bzw. Angst führt zur Vermeidung dieser
Situationen
Bedeutung für die Behandlung: neues Verhalten muss nicht
unbedingt gelernt werden, die störenden Angstreaktionen sind zu beeinflussen
2.) Unangemessenes bzw. vermeidenes Sozialverhalten ist auf mangelnde soziale Fertigkeiten
zurückzuführen
soziales Verhalten ist komplex und setzt umfangreiche Lernerfahrungen voraus,
deshalb kann es im Laufe der Sozialisation in best. Lebensbereichen schnell zu
Defiziten kommen Behandlungsziel: Nachholen der fehlenden Lernerfahrungen
und Verbesserung der sozialen Verhaltensfertigkeiten
3.) Unangemessenes bzw. vermeidendes Sozialverhalten entsteht durch ungünstige kognitive
Prozesse oder Inhalte
Mängel bei der Wahrnehmung und Interpretation sozialer Situationen: irrationale
Überzeugungen, ungünstige Selbstverbalisation, destruktive Attributionsstile
4.) Unangemessenes bzw. vermeidendes Sozialverhalten ergibt sich aus der Interaktion
affektiver, motorischer und/oder kognitiver Verursachungsfaktoren; derartige
Verursachungsprozesse sind am ehesten im Rahmen von Prozessmodellen zu verstehen
Behandlungsziel: Veränderung und Bewältigungsfertigkeiten auf allen drei Ebenen
des Verhaltens
Erläuterung des Prozessmodells
Alltagssituation
Ungünstige Gedanken
Beweis für die Berechtigung der Befürchtungen
+
Angst
Trainingselemente auf der kognitiven Ebene
1.) Erklärungsmodell
2.) Unterscheidung nach Situationstypen
3.) Differenzierung von aggressivem und selbstsicherem Verhalten
4.) Unterscheidung von Gefühlen und Kognitionen
5.) Wahrnehmen und Verändern von Selbstverbalisation
6.) Methoden der kognitiven Umstrukturierung
Trainingselemente auf der emotionalen Ebene
• Entspannungstraining
Trainingselemente auf der motorischen Ebene
• Verhaltensfertigkeiten im Rollenspiel mit Videofeedback
• Vorformulierte Situationen: Erlernen genereller Strategien
• Hausaufgaben, Auswahl und Durchführung bis zur nächsten Stunde
10
2.3.3 Verhaltenstherapie als Problemlöseprozess
Metamodell des Problemlösens (D’Zurilla & Goldfried, 1971; Dörner, 1976)
• Problemlöseprozess wird als Metastrategie verstanden, die bei der Bewältigung neuer,
komplexer, überraschender, schwieriger Situationen hilfreich ist
• 3 Komponenten: Ausgangszustand, Zielzustand, Mittel (Methoden)
• Problemlösekonzept
in diesem werden generell drei Lernziele formuliert:
1.) die Vermittlung eines systematischen Vorgehens bei der Überwindung aktueller
Probleme
2.) die Stärkung von Selbstbewusstsein und Kontrollüberzeugungen im Umgang mit
Problemen
3.) das Erlernen einer Methode zur selbständigen Lösung zukünftiger Probleme
• Definition und Formulierung des Problems:
Gliederung in Einzelaspekte:
- es ist so leichter vorstellbar, zumindest in einigen Bereichen konkrete
Lösungen zu finden
- die Belastung wird „handhabbar“ und überschaubar
- die strukturierte Problemanalyse hat für die Patienten somit einen kognitivordnenden Effekt und kann dadurch schon entlastend wirken
• Zielanalyse:
häufig stellen bereits die Ziele der Patienten ein eigenes Problem dar
hilfreiche Fragen zur Definition von Zielen: Was würde mir die Situation
erleichtern?; Worüber würde ich mich freuen?
nächster Schritt: genaue Analyse ob bzw. welche Hindernisse der Zielerreichung
entgegenstehen (Frage z.B.: Wie sehen andere das Problem?)
• Lösungsmöglichkeiten:
Therapeutin motiviert dazu, möglichst viele Lösungsmöglichkeiten zu generieren
Technik: Brainstorming, alle Vorschläge werden akzeptiert und nicht kritisiert oder
bewertet
• Auswahl:
Einschätzungen werden übersichtlich durch die 2-Spalten-Technik: Pro und Contra
für die entsprechende Lösung; Vor- und Nachteile werden abgewogen,
Einschätzen, wie wahrscheinlich das Eintreten der Nachteile ist
• Umsetzung:
Erfahrungen des Klienten werden mit der Umsetzung neuer Verhaltensweisen
erfragt
positive Rückmeldung für jeden Umsetzungsversuch (Selbstverstärkung)
3. Allgemeine Grundprinzipien von Psychotherapie
3.1 Medizinisches und psychoanalytisches Krankheitsmodell
Medizinisches Krankheitsmodell:
• Verhaltensproblem wird analog zu organischen Krankheiten als Symptom innerer
Krankheitsursachen gesehen
• Psychische Symptome sind Ausdruck spezifischer psychischer Krankheiten, die auf
unbewusste Konflikte und deren Abwehr zurückzuführen sind
• Psychische Symptome als problematisches Verhalten und Erleben in einem Geflecht von
verschiedenen kausalen Bedingtheiten
11
•
Die auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen unterliegen einem
Veränderungsprozess
3.2 Verhaltenstherapeutisches Krankheitsmodell
Beschwerden und Auffälligkeiten werden nicht als Ausdruck einer zugrunde liegenden
Störung betrachtet, sondern als Probleme, deren Bedingungen im Einzelfall eruiert und
verändert werden müssen
Ansatzpunkt für Veränderungen sind die das Verhalten steuernden Bedingungen
es werden drei Arten von Bedingungen unterschieden:
• Prä/disponierende: Faktoren, die bereits vor langer Zeit eingewirkt haben und deren
Auswirkungen bis in die Gegenwart reichen
• Auslösende: Faktoren, die dem Auftreten der psychischen Störung unmittelbar vorangehen
= Trigger = Lebenskrisen = Stress
• aufrechterhaltend/stabilisierend: Faktoren, die für das Beibehalten, die Chronifizierung
oder die Generalisierung einer bereits bestehenden psychischen Problematik verantwortlich
sind
auch VT behandelt nicht nur die „Symptome“, sondern deren Ursachen im Sinne von
prädisponierenden, auslösenden oder aufrechterhaltenden Bedingungen
Verhaltenstherapie ist eine „Ursachentherapie“, diese werden als Bedingungen
bezeichnet
3 Grundprinzipien der Verhaltenstherapie
1.) Kontinuitätsannahme hinsichtlich normalen und pathologischen Verhaltens:
• bei Entscheidung über normal oder pathologisch bedarf es der Analyse der Häufigkeit,
Intensität, der Konsequenzen und der Umstände, in denen das Verhalten auftritt
• hinsichtlich der Umstände sind nicht nur Aspekte des Mikro- sondern auch des
Makrokontextes (z.B. der Kultur) zu berücksichtigen
• besonders bedeutsame Determinanten sind normative Prinzipien (z.B. bei der Beurteilung
von Alkoholkonsum, sex. Orientierung einer Person)
2.) Annahme der VT zu Lernprozessen:
• „Menschliches Verhalten wurde in wesentlichen Grundzügen gelernt, also kann es auch
verlernt werden.“
• Prozesse des Lernens müssen als eng vernetzt mit Merkmalen der Reifung, mit genetischen
oder biologischen Prozessen gesehen werden
3.) Konkrete, beobachtbare Verhaltensebene:
• Bedeutsam für Veränderung und Intervention
• Therapeutische Veränderungen sollten sich prinzipiell intersubjektiv erfassen, beobachten
und evaluieren lassen
• Verhaltensebene ist aus
methodologischen Gründen
besonders hervorgehoben
Störungsübergreifende Modelle:
• Modelle der Traumatisierung und
Konditionierung
• Operante Modelle, d.h. psych.
Störungen, die durch
Konsequenzen gesteuert werden
• Ansätze des Modelllernens
12
•
•
•
Modelle der Stressbelastung und Bewältigung (z.B. psychophysiologische Theorien)
Sozialpsychologische Modelle
Kognitive Modelle (z.B. Attributionstheorien)
diese Modelle bieten einen Rahmen zum Verständnis einer konkreten Problematik eines
Patienten
3.3 Verhaltensanalyse/Problemanalyse
„die Problemanalyse dient dazu, die Probleme oder psychischen Störungen, wegen derer
Menschen einen Psychotherapeuten aufsuche, zu beschreiben, zu klassifizieren und jene
Faktoren bzw. Mechanismen zu identifizieren, die die Entstehung und Aufrechterhaltung
der Probleme erklären könnte.“
Funktionale Verhaltensanalyse:
• Bindeglied zwischen dem theoretischen Rahmen (Störungsmodell) und der individuellen
Problematik des Patienten
• Die Beschwerden/Verhaltensmuster (R) gelten als abhängige Variable, deren Determinanten
die Unbekannten (unabhängigen Variablen) darstellen
• Ziel der Verhaltensanalyse ist es situative Aspekte S, Merkmale der Selbstregulation O, sowie
Determinanten auf der Ebene der Konsequenzen C zu identifizieren
• Prinzip des Systemmodells nach Kanfer et al. 2000
Systemmodell menschlichen Verhaltens (Kanfer):
• Verhalten einer Person wird gesteuert durch vorangegangene und nachfolgende
Bedingungen (funktionales Prinzip)
SORCK -Schema
• S: Stimulus/auslösende Situation
• O: Organismus/Personenvariable - dispositionale Faktoren (Denkstil, Persönlichkeit),
•
aktuelle/dispos. Biologische Faktoren
• R: Reaktion/Problemverhalten - kognitiv: neg. Bewertung; emot.: Angst, Hilflosigkeit;
physiol.: körperliche Aktivierung; Verh.: ungünstige Bewältigung
• C: Konsequenz, kurzfristig: Entlastung, langfristig: psychische Störung
• K: Kontingenz (wie häufig die Konsequenz auf die Reaktion folgt) – neg. Verstärkung durch
kurzfristige Verminderung der Anspannung; pos. Verstärkung durch Zuwendung von
Bezugsperson
Fallbespiel: Depressive Episode, mittelgradig
• Situation (S): Sohn hielt sich wiederholt nicht an die Vereinbarungen (kommt zu spät, keine
Hausaufgaben)
• Organismusvariable (O): „Ich bin minderwertig“, „Ich habe versagt“, hohe
Leistungsbezogenheit
• Reaktion (R): Gedanken: „Ich bin überflüssig“, „Egal was ich sage, es ist nicht richtig“;
Gefühle: Enttäuschung, Traurigkeit, Schuldgefühle, Wut; körperl. Reaktion: Kopfschmerzen,
„Allgemeinbefinden eigenartig“; Verhalten: die Patientin sagt nichts und geht mit ihrem
Hund spazieren
• Konsequenzen (C): Ck: Reduktion der Anspannung; Cl: Verstärkung der Depression und
Aufrechterhaltung der damit verbundenen Kognitionen durch Rückzugsverhalten und
Passivität: sobald die Patientin wieder nach Hause kommt, kommen die Gedanken wieder
13
3.4 Allgemeine Prinzipien, welche den unterschiedlichen verhaltenstherapeutischen Methoden
zugrunde liegen
1.) VT ist problemorientiert
über die Lösung des aktuell bestehenden Problems hinaus wird in der VT eine
Erhöhung der allgemeinen Problemlösefertigkeit angestrebt
die VT setzt an prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden
Bedingungen des Problems an
2.) VT ist zielorientiert
die Identifikation des Problems sowie die gemeinsame Festlegung des zu erreichenden
Therapieziels durch Therapeutin und Patient sind integrativer Bestandteil der VT
3.) VT ist handlungsorientiert
VT setzt zu ihrem Gelingen die aktive Beteiligung des Patienten voraus
erschöpft sich nicht in Reflektionen und Diskussionen von Problemen, sondern motiviert
den Patienten zur aktiven Erprobung von neuen Verhaltens- bzw. Erlebnisweisen und
Problemlösestrategien, sowohl innerhalb der therapeutischen Sitzungen als auch in
Alltagssituationen
4.) VT ist nicht auf das therapeutische Setting begrenzt
VT strebt Generalisierung der erzielten Änderungen im Alltag an, therapeutische
Setting bietet die Möglichkeit in einem geschätzten Rahmen verändertes
Verhalten einzuüben; gewährleistet jedoch nicht die Übernahme im Alltag Notwendigkeit, dass Patient die Strategien regelmäßig zwischen den Sitzungen
ausprobiert und übt
5.) VT ist transparent
sowohl das Bieten eines plausiblen Erklärungsmodells für die vorliegende Störung
als auch das verständliche Erklären aller Aspekte des therapeutischen Vorgehens:
elementar für die Akzeptanz der Therapie und zur Rückfallprophylaxe
6.) VT stellt Hilfe zur Selbsthilfe dar
über die Erhöhung der allgemeinen Problemlösefertigkeit und über das transparente
Ableiten des therapeutischen Vorgehens aus einem Störungsmodell werden dem
Patienten generelle Fertigkeiten zur selbständigen Analyse und Bewältigung zukünftiger
Probleme vermittelt
7.) VT ist durch ständige Weiterentwicklung gekennzeichnet
3.5 Entwicklung der VT
Untersuchung des beobachtbaren Verhaltens mit objektiven Methoden: Welche Stimuli (S) rufen
welche beobachtbaren Reaktionen (R) hervor?; Erkenntnisse über Lernprozesse
Klassisches Konditionieren (Pawlow)
operantes oder instrumentelles Konditionieren
• Dieser Mechanismus wurde von Skinner (1953) aufgegriffen und auf verschiedene
Gesichtspunkte menschlichen Verhaltens angewandt
Watson & Rayner (1919): Experiment mit „kleinem Albert“: Konditionierung von Angst
Wolpe: Systematische Desensibilisierung
Token economy bei langzeithospitalisierten Patienten (Ayllon und Azrin, 1968)
Bandura (1965, 1968): soziales Lernen, Lernen am Modell
60er Jahre – Paradigmenwechsel in der VT: kognitive Wende
• Vorher: Reiz-Reaktions-Modell (kognitive Prozesse als vermittelnde Ereignisse)
• Nachher: kognitive Prozesse als steuernde & strukturierende Komponenten für emotionale,
motivationale, physiologische & motorische Vorgänge
• Ellis (1962), Beck (1967): Beiträge im Hinblick auf die Bedeutung kognitiver Prozesse bei der
Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung psychischer Störungen
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4. Rehabilitation – Psychotherapeutische Interventionen bei körperlichen Erkrankungen
4.1 Ebenen der klinisch-psychologischen Intervention
1.) Ebene der psychischen Funktionen (Wahrnehmung, Gedächtnis, Lernen) bzw. Störungen der
Funktionen
2.) Ebene der Funktionsmuster bzw. Störungen von Funktionsmustern (repräsentiert durch
Syndrome und Diagnosen)
3.) Ebene der interpersonellen Systeme (Dyade, Familie) bzw. Störungen von interpersonellen
Systemen
Einordnung von Psychotherapie in die Systematik klinisch-psychologischer Intervention
4.2 Definition: Rehabilitation
Rehabilitation: ist die Gesamtheit der Maßnahmen zur Wiedereingliederung
Behinderter in die Umwelt, Gesellschaft und in den Arbeitsprozess
Behinderung: Funktionsstörung als Folge eines körperlichen Schadens und damit
verbundene soziale Beeinträchtigungen
4.3 Interventionen bei chronisch körperlichen Erkrankungen
chronische Erkrankungen nehmen einen wachsenden Anteil am Gesamtspektrum der
Erkrankungen ein
Gründe:
• Wachsender Anteil älterer Menschen in der Gesamtbevölkerung (Inzidenz, Multimorbidität)
• Fortschritte in der medizinischen Versorgung
• Veränderte Anforderungen im Berufsleben
Arten der medizinischen Rehabilitation: kardiologische, psychosomatische,
orthopädische, onkologische, neurologische Reha, Stoffwechselerkrankungen
Therapieziele:
• Emotionale Stabilisierung
• Psychotherapeutische Hilfen bei spez. Bewältigungsproblemen
• Positive Beeinflussung des Verlaufs der körperlichen Erkrankung
Aufgaben:
• Psychologische Eingangs-, Förder- und Belastungsdiagnostik, Verlaufs- und
Ergebnisdiagnostik
• Rehabilitationsbezogene Diagnostik
• Interventionsplanung
• Behandlung komorbider psychischer Störungen
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• Krisenevaluation
• Beratung von Angehörigen
Copingbegriff nach Lazarus und Launier (1978)
• Coping ist die Gesamtheit aller Anstrengungen, die eine Person unternimmt, um eine
stresshafte Situation zu bewältigen.
4.4 Transaktionales Stressmodell – Lazarus
Bewertungsprozesse nach Lazarus
Bewältigungsformen (Lazarus und Folkman, 1984)
• Problemfokussierte Bewältigung: zielt darauf ab, die Problemlage/belastende Situation
positiv zu verändern
• Emotionsorientierte Bewältigung: Regulation belastender Emotionen
• Soziale Unterstützung (Mobilisierung)
• Ablenkung
Problemfokussierte Bewältigung – Umgang mit Risikofaktoren
• Bsp.: Schlaganfall ( Hemiplegie, Aphasie, Gesichtsfeldausfälle, Störungen der kognitiven
Funktionen, Körperschemastörungen, Urininkontinenz, Bewegungsstörungen)
• Überlebende eines Schlaganfalls:
1/3: einschränkungsfreies Leben wie vor der Erkrankung
1/3: bleibende Behinderung durch Lähmungen oder andere Symptome
1/3: dauerhaft pflegebedürftig
• Verhaltensweisen, die das Risiko eines erneuten Schlaganfalls reduzieren:
Rauchen aufgeben
Ernährungsumstellung
Gewicht reduzieren
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•
mehr Bewegung
genauere Kontrolle von Blutdruck und Blutzucker
Für nur 21,7% der Patienten hat ein Schlaganfall die Konsequenz, Risikofaktoren zu
minimieren
4.5 Subjektive Krankheitstheorien
gerade Patienten mit chronisch körperlichen Erkrankungen weisen häufig ein somatisch
orientiertes Krankheitskonzept und eine passive, an medikamentöser Therapie orientierte
Behandlungserwartung auf
Inhalte subjektiver Krankheitstheorien:
• Annahmen zur Ätiologie
• Annahmen über die unmittelbaren und
langfristigen Konsequenzen einer Erkrankung
über deren Bedrohlichkeit und Kontrollierbarkeit
• Annahmen über die notwendigen Mittel zur
Heilung
• Annahmen zum Heilungsverlauf
Bsp.: chronische Schmerzen – typische
Patientenkonzepte
• Es gibt „echte“ und „eingebildete“ Schmerzen
• Schmerz hat immer eine somatische Ursache
• Keine Unterscheidung zwischen akutem und chronischem Schmerz
• Aktivitäten verstärken den Schmerz
• Stärke des Schmerzes vom Ausmaß der körperlichen Schädigung abhängig
• Lediglich med. und medikamentöse Einflussmöglichkeiten auf Schmerzen
• Bedeutung psychischer Faktoren ist ausschließlich im Sinne von „Psychopathologie“ zu
verstehen
• Schmerz und Leiden sind untrennbar verknüpft, nur durch Schmerzfreiheit Verbesserung der
Lebensqualität möglich
Chronische Schmerzen:
• Am Beginn steht of ein definierbares Ereignis (Unfall, Operation)
• Schmerz überdauert seinen Anlass Beginn des chronischen Geschehens
• Die Schmerzempfindung wird durch die unmittelbaren Rahmenbedingungen moduliert:
1.) Bewertung des Geschehens (Bedrohlichkeit des Schmerzes, Kontrollerwartung)
2.) Emotionaler Zustand ( Angst, Hilflosigkeit)
3.) Durch mehr oder weniger erfolgreiche Bewältigungsversuche
• Patienten wollen Schmerzen los werden und nicht damit leben
• Konfrontation mit Psychotherapie stellt massiven Angriff auf ihre Person dar
• Informationsvermittlung:
Multifaktorielles Modell: Zusammenhang – physiologische Prozesse und
emotional-kognitive Prozesse (z.B. Angst-Verspannung – Schmerz); Stressmodelle
Erlebnisorientierte Übungen: alltagsnahe Beispiele für psychophysiologische
Reaktionen finden, eigene Erfahrungen
Vermittlung einer neuen Sichtweise der Schmerzen: „diese kognitive
Umstrukturierung von einem rein somatischen zu einem multifaktoriellen
Krankheitsmodell und die damit einhergehende Einsicht, dass Veränderungen der
Schmerzen und der damit einhergehenden Beeinträchtigungen möglich sind, ist
ein andauernder Prozess, der von der ersten bis zur letzen Therapiesitzung
stattfindet“
4.6 Belastungsfolgen und Anpassungstörungen
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Komorbidität psychischer Störungen bei chronischen körperlichen Erkrankungen: 15-40 %
jüngere Rehabilitanden und Frauen sind stärker betroffen
signifikant höhere Prävalenzraten als in der Allgemeinbevölkerung
komorbide psychische Störungen:
• Steigern die Morbidität und Mortalität
• Nehmen ungünstigen Einfluss auf Compliance und Lebensqualität
• Führen zu einer erhöhten Inanspruchnahme von gesundheitlichen Dienstleistungen
„Post-Stroke-Depression“
4.7 Familie und chronische Krankheit
familiäre Faktoren können im Sinne von prädisponierenden Faktoren zur Entstehung
einer Erkrankung beitragen
familiäre Faktoren können als auslösende Faktoren einer Erkrankung betrachtet werden
familiäre Faktoren können zur Aufrechterhaltung einer Erkrankung beitragen
die Erkrankung eines Familienmitglieds kann sich auf die gesamte Familie und deren
Gesundheit und Lebensqualität auswirken
familiäre Interventionsansätze können die Belastungen der Familienmitglieder reduzieren
und die Rekonvaleszens (Genesung) des betroffenen Familienmitglieds verbessern
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