18.5 Sehstörung unklarer Genese

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18.5 Sehstörung unklarer Genese
Diese Methode überzeugt im Allgemeinen, wenn
keine genaueren Angaben zu erhalten sind. Der
Prüfling wird aufgefordert, die in 4 Stellungen angebotenen E-Haken mit ihrer jeweiligen Öffnung
anzugeben und wenn sie nicht erkannt wird, zu erraten. Die Trefferwahrscheinlichkeit beim Raten
beträgt statistisch 25 %. Bei 32 angebotenen Sehzeichen sollten ca. 8 Zeichen korrekt sein, wenn
denn ausschließlich geraten, d. h. tatsächlich nichts
erkannt wurde. Wird kein Sehzeichen richtig erraten, ist eine Simulation nahezu erwiesen. Die
Wahrscheinlichkeit nur zufällig zu erraten ist gegeben bei 1 Zeichen mit 0,01 %, bei 2 mit 0,6 % und
bei 3 Zeichen mit 2,5 %.
Kontrasterkennen
Das visuelle Erkennen bedarf des Kontrastes. Zwischen der Kontraststärke und der Wahrnehmung
besteht eine Korrelation. Mit Erfahrung kann aus
dem Erkennen – von im Kontrast stärker werdender – Sehzeichen auf den erreichbaren Visus geschlossen werden.
Elektrophysiologische Verfahren
Letztendlich stehen elektrophysiologische Verfahren zur Verfügung, mit denen bislang zwar noch
keine sehr exakte Visusermittlung erreicht werden
kann, die aber aufschlussreiche Informationen geben. Mit dem Einsatz unterschiedlich großer Reizmotive sind die Größenordnungen des Auflösungsvermögens des Auges nachzuweisen. Es
bedarf dabei keiner weiteren Mitarbeit des Probanden, als dass er sein Auge längere Zeit ruhig
auf einen Fixpunkt gerichtet hält. Simulanten, die
um ihre unkorrekten Vorgaben wissen, werden die
Untersuchung gerne durch ständiges Blinzeln oder
unruhiges Fixieren beeinträchtigen oder unter
einem Vorwand ganz abzubrechen wissen.
Farbenlesen (Burggraf)
Erstmals wird von mir ein einfacher und effektiver
„Farbenprüftest“ für die Visusbestimmung vorgestellt. Auf Tafeln sind mit einem 0,2- und 0,5-Visus entsprechenden großen Worten reihenweise
hintereinander stehend Farbennamen gedruckt.
Anfangs steht jeder Farbenname in der gleichen
Farbe, wird dann aber in einer anderen Farbe wiedergegeben, als sein Name besagt. Es wird dem
Probanden die Aufgabe gestellt, jeweils monokular
die Farben hintereinander – möglichst zügig – zu
benennen. Offiziell wird das Farbensehen des Probanden getestet. Diese Prüfung sollte in der Praxis
so ganz nebenbei ablaufen.
Solange das visusgeminderte Auge keine Schriftzeichen erkennt, werden die Farben genannt. Doch
das Hirn sucht stets nach Strukturen. Wird strukturell in dieser Farbe ein Name entdeckt, drängt
sich dieser auf und wird spontan angegeben (die
Farbenangabe tritt zurück). Dieser Strukturanreiz
ist so stark, dass er auch bei höherer Konzentration
auf die Farbennennung sehr schwer zu unterdrücken ist (daher die Forderung des zügigen Lesens).
Ist die Größe des Schriftzugs bekannt, kann aus
der gelesenen Distanz – von der Ferne näher kommend – auf den Visus rückgeschlossen werden. Es
handelt sich dabei um einen Mindestvisus, da die
Kontraste der farbigen Wörter oft unterhalb des
Normkontrastes (DIN EN ISO) liegen, wie z. B.
Gelb, helles Rot. Es gibt zwei Möglichkeiten der
Darbietungsweisen: entweder die farbigen Worte
isoliert auf weißem Hintergrund oder in einem
Farbenkasten (▶ Abb. 18.7).
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Statistisches Verfahren
18.5 Sehstörung unklarer
Genese
Der Augenarzt ist immer wieder unverhofft mit
Sehstörungen konfrontiert, die mit einer Erstuntersuchung nicht zu klären sind. Abzuklären
und zu erklären ist aber jede Sehminderung, um
keine Krankheitsursache zu übersehen.
Der dominierende Faktor auf ophthalmologischem Gebiet ist die zentrale Sehschärfe. Ein guter Visus ist ein Hinweis auf eine bestehende physiologische Refraktion, klare optische Medien, gute
Makulafunktion und regelrechte Weiterleitung sowie auch zerebrale Verarbeitung des Netzhautbildes. Bei einer Visusminderung sind als Ursache
einzeln abzuklären:
● die Augenoptik: Refraktion sowie anatomische
und optische Verhältnisse des Auges (kaum noch
durchgeführt: die stenopäische Prüfung)
● die Netzhaut: Funktion und Morphologie
● der Sehnerv als leitender Zuträger des Aktionspotenzials
● der Chiasmabereich und Tractus opticus
● sowie die höheren Sehzentren
18
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Simulation
PINK
BLAU
GRAU
G
RAU
LILA
L
ILA
BRAUN
B
RAUN
GRAU
G
RAU
LILA
L
ILA
GRAU
G
RAU
ROT
GRÜN
GRÜN
GELB
G
ELB
GELB
G
ELB
PINK
Gelb
G
elb
GRÜN
G
RÜN
BLAU
B
LAU
GELB
G
ELB
GRÜN
G
RÜN
Abb. 18.7 Farbenlesen (Burggraf).
Im Folgenden wird eine kurze Strategie vorgestellt,
die orientierend einige Störfaktoren oder das Vorliegen von Funktionsdefiziten auszuschließen vermag.
Wesentliche Hinweise ergeben sich bereits aus
der Allgemeinanamnese und der exakten Exploration, wie und wann eine Sehstörung auftrat und in
welcher Weise sie bislang verlief. Akut oder chronisch verlaufend, unverändert oder progredient
sowie die damit einhergehende Symptomatik zeigen bereits differenzialdiagnostische Wege auf.
Wenig bekannt ist, sich vom Patienten das Bild,
das Sehzeichen und sein Umfeld, wie er es auf der
Projektionsfläche wahrnimmt, einmal detailliert
beschreiben zu lassen. Diese Angaben lassen teilweise wegweisende Rückschlüsse zu. Während
Hilfesuchende versuchen, dieser Aufforderung
bestmöglich nachzukommen, sind Simulanten damit immer wieder überfordert und weichen in allgemeine Beschreibungen aus oder geben an, nichts
weiter zu sehen.
Zunächst sind an der Spaltlampe Unregelmäßigkeiten der optischen Medien auszuschließen.
Sodann sind die Brechwertverhältnisse zu überprüfen. Eine Skiaskopie bringt dabei zugleich einen
Einblick in die Gesamtsituation (Verziehungen, In-
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transparenzen). Zu empfehlen ist zudem eine weitere Skiaskopie mit getragener Brille; auf diese
Weise wird das korrigierte gesamte optische System erfasst, so u. a., ob die Brille zentriert ist und
die Achslagen stimmen.
Ein sehr einfaches aber aussagekräftiges Hilfsmittel zum Ausschluss grober Brechungsfehler ist
bekanntlich die Lochblende von etwa 2 mm
Durchmesser. Mit ihr werden alle Randstrahlen
abgeschirmt und nur die zentrale Strahlung erreicht den Makulabereich. Damit werden optische
Faktoren weitgehend ausgeblendet. Nicht erfasst
werden dabei direkt zentral gelegene Inhomogenitäten. Wird damit eine wesentliche Visusbesserung erreicht, ist eine optische Komponente als Ursache einer Visusminderung – zumindest mitbeteiligt – sehr wahrscheinlich. Wird durch diese
stenopäische Lücke eine überhöhte Blendempfindlichkeit wesentlich gemindert und ein gleicher Effekt mit einem Lichtabsorptionsfilter erreicht, so steht der Verdacht einer Netzhauterkrankung nahe.
Bei einem Hinweis auf optische Unregelmäßigkeiten steht zunächst eine exakte objektive Refraktionsbestimmung mit mehreren Methoden – ggf.
unter Zykloplegie – an. Zu denken ist weiterhin an
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18.5 Sehstörung unklarer Genese
Literatur
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irreguläre Hornhautbereiche (hier ist besonders
ein beginnender Keratokonus schwer zu erkennen,
bei einem Verdacht ist eine weitergehende Untersuchung unerlässlich), Hornhautepithelstörungen
(bei trockenen Augen), eine gestörte Tränenfilmzusammensetzung, wie auch an eine follikuläre
Konjunktivitis oder chronische Blepharitis. Sie vermögen eine klare Optik negativ zu beeinflussen.
Zu einer Visusstörung führen Linsentrübungen.
Soweit sie ausgeprägter Art sind, werden sie nicht
verkannt. Wenn im Anfangsstadium jedoch nur
eine geringe Wasseraufnahme erfolgt und Wasserspalten oder zarte Verdichtungen im Rindenbereich auftreten, wird diesen Veränderungen oft
keine Bedeutung zugemessen. Anamnestisch ergeben sich auf solche Funktionsbeeinträchtigungen
Hinweise, wenn eine erhöhte Blendung (besonders
in der Dunkelheit), fleckweise Bildunschärfen oder
Doppelkonturen – manchmal sogar Doppelbilder –
angegeben werden. Hier gibt die Prüfung mit einer
stenopäischen Lochblende einen entsprechenden
Aufschluss.
Netzhauterkrankungen oder Funktionsbeeinträchtigungen der höheren visuellen Sehbahn können teilweise durch die Charakteristik anamnestischer Angaben vermutet und u. a. durch Gesichtsfelderhebungen und eine Fundusspiegelung weiter
geklärt werden. Hinzu kommt eine weitere neurologische Symptomatik – speziell auch der Irisverhältnisse (u. a. swinging flash-light) (S. 487).
Ich habe zur groben Orientierung vorhandener
großer Gesichtsfeldausfälle die Bagolini-Brille eingesetzt: Solange die vier Lichtstrahlen des Kreuzes
ununterbrochen gleich lang sind, liegen keine Auffälligkeiten vor. Das Lichtkreuz sollte über 45°
langsam gedreht werden, um alle Gesichtsfeldsektoren abzudecken. Umschriebene Gesichtsfeldausfälle sind auch mit den Stereotafeln von Sachsenweger aufzudecken, wenn die kleinen Unterschiede an den verschiedenen Bildorten der jeweiligen
Bildpaare genutzt werden.
Eine Übersicht über die wesentlichen Gesichtsfeldausfälle findet sich Sonderkapitel Gesichtsfelddefekte (S. 555).
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