Virosomen - BIOspektrum

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Special
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Special: Drug-Targeting
Virosomen – ein wirksames Drug-TargetingSystem für Tumorzellen
Ernst Rudolf Waelti,
Institut für Pathologie, Universität Bern
Wie die Ritter des Mittelalters auf der
Suche nach dem heiligen Gral waren, sucht
die Pharmaindustrie seit langem Ehrlichs
„magic bullet“, um Tumore zu therapieren.
Mit den monoklonalen Antikörpern, die
tumorassoziierte Antigene erkannten,
glaubte man, sie gefunden zu haben.
Jedoch klinische Versuche verliefen mit
wenigen Ausnahmen meist enttäuschend.
Einen Schritt näher ans Ziel gelangte man
durch die Entwicklung von Liposomen, in
die Arzneistoffe verkapselt werden
konnten. Durch diese Wirkstoff-Carrier
liessen sich die toxischen Nebenwirkungen
von Zytostatika zum Teil verringern. Eine
vielversprechende Weiterentwicklung bot
die Kombination von Liposomen mit monoklonalen Antikörper (Immunoliposomen),
die erlaubte, die Lipidvesikel zielgerichtet
an eine bestimmte Zelle zu addressieren,
um den Arzneistoff an seinen Wirkungsorte
zu bringen. In vielen Fällen wird dieser
aber nur im Tumorgewebe deponiert und
entfaltet so leider nicht sein ganzes therapeutisches Potential.
Es gilt somit ein Vesikel zu entwickeln, das
sowohl eine Tumorzelle als Target
erkennen als auch nach der Bindung aktiv
in ihr Zytoplasma eindringen kann, um
dort den Wirkstoff freizusetzen. Um diesem
hohen Anforderungsprofil zu genügen,
griff man auf die Vorbilder in der Natur
zurück. Da Viren über ausgeklügelte
Mechanismen verfügen, um in Säugerzellen zu gelangen, baute man diese
Fähigkeit in die Liposomen ein und erhielt
als elegante Lösung Lipidvesikel, die als
Virosomen bezeichnet werden.
BIOspektrum · 3/03 · 9. Jahrgang
Abb. 1: Modell eine Virosoms mit HA, NA
und Fab’ auf der Oberfläche. Im Anschnitt
verkapselter Arzneistoff sichtbar.
Bau und Struktur der Influenza-Virosomen
Virosomen sind sphärische unilamellare
Vesikel, deren Hülle aus einer PhospholipidDoppelschicht besteht. Auf der Hülle sind
im hier beschriebenen Falle die Oberflächenproteine des Influenzavirus A, nämlich das Hämagglutinin-Trimere (HA) und
die tetramere Neuraminidase (NA), aufgesetzt. Im Prinzip lässt sich ein Virosom als eine mit viralen oder synthetischen Phospholipiden rekonstituierte Virus Envelope bezeichnen. Die Grundlage zur Herstellung
von Influenza-Virosomen ist das von Stegmann et al.[1] beschriebene Solubilisierungsverfahren mit dem Detergens C12E8,
das erlaubt, die Fusionsaktivität der nativen
HA bei deren Isolierung zu erhalten. Das
Detergens wird darauf aus der Lösung durch
Adsorption an hydrophobe Polystyrolpartikel kontrolliert entfernt, wobei es nach Unterschreitung der CMC (critical micelle concentration) zur spontanen Ausformung der
Virosomen kommt. Die Methode wurde adaptiert, um für das Drug-Targeting geeignete Virosomen zu erhalten[2, 3]. Der mittlere Durchmesser der Virosomen liegt zwischen 120 – 200 nm und lässt sich mit der
Photon-Korrelations-spektroskopie messen.
Die elektrische Oberflächenladung der
Virosomen lässt sich durch Einbau von negativ wie positiv geladenen Phospholipiden
beliebig variieren. So lassen sich durch Einbau von DOTAP oder DOSPER in die Lipid-Doppelschicht kationische Virosomen
herstellen, die sich besonders gut für die
Verkapselung von Antisense-Oligonukleotiden oder anderem genetischen Material
eignen[2].
An die Phospholipide der Virosomenhülle können eine Vielzahl von Biomolekülen
gekoppelt werden wie Zytokine, Peptide
und monoklonale Antikörper, jenachdem
welche Zielzelle addressiert werden soll.
Cross-linker mit einem langen Spacerarm
sind für die Kopplung nötig, damit die für
das Targeting vorgesehenen Biomoleküle
die 13.5 nm hohen HA überragen. Der heterofunktionelle Cross-linker Maleinimidopropionyloxy-polyethylenglykol-succinimid
(NHS-PEG-MAL) erfüllt diese Anforderungen. Tumorspezifische monoklonale Antikörper-Fragmente Fab’ lassen sich mit ihrer freien Thiolgruppe an die Maleimidgruppe binden, während die Succinimidgruppe an die in der Membran vorhandenen
Phosphatidylethanolamin-Moleküle (PE)
gekoppelt werden kann. Die lange Poly-
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A
B
Abb. 2: A: Aufnahme von kationischen Virosomen, die FITC-markierte Antisense-L-mycOligonukleotide enthalten, durch NCI-H209-Zellen unter dem Fluoreszenzmikroskop. B: Aufnahme von
FITC-markierte Anti-rNeu-Virosomen (grün) durch rNeu-positive NF 9006-Zellen (rot, mit Rhodamin
markiertes F-Actin) im konfokalen Mikroskop. Unteres Segment: XY-Projektion; rechtes seitliches
Segment: XZ-Projektion.
ethylenglykolkette gewährleistet, dass die
antigenische Bindungsaktivität des Fab’
nicht sterisch beeinträchtigt wird.
In das Innere der Virosomen lassen sich je
nach der gewählten Verpackungsmethode
eine Vielzahl von Wirkstoffen, hydrophile
wie lipophile Substanzen, verkapseln. Eine
größere Bedeutung kommt den zytostatisch
wirkenden Antibiotika (Anthracycline) zu,
weil sich Virosomen mit Verbindungen wie
Doxorubicin, Daunomycin, Minocyclin in
einem speziellen Verfahren beladen lassen,
bei dem zwischen der Innen- und Außenseite der Virosomen/Liposomen ein Ionengradienten durch Ammoniumsulfat gebildet
wird. Die interne Konzentration des Zytostatikums kann dabei seine Löslichkeit
in wässrigem Medium mehrfach übersteigen[3, 4]. Die in den hier beschriebenen Experimenten verwendeten Virosomenpräparate enthielten 150 µg/ml Doxorubicin.
Funktionsweise der Immunovirosomen:
Zweifach andocken und eindringen
Fab’-Virosomen werden während ihrer Zirkulation durch ihr tumorspezifisches monoklonales Antikörper-Fragment Fab’ selektiv
an die Tumorzellen binden, gleichzeitig adsorbieren dann die HA wie beim virulenten
Influenza Virus an die ubiquitären endständigen Neuraminsäuren der Glykoproteine
und Glykolipide auf der Zelloberfläche.
Dank dieser HA-Bindung nehmen die Tumorzellen die Virosomen durch Endozytose auf. Diese Aufnahme läuft ab, unabhängig davon, welches zelluläre Oberflächenantigen Fab’ erkennt. Eingeschlossen in den Endosomen werden die Virosomen in das Zellinnere transportiert.
Während der Reifung des Endosoms senkt
sich der pH-Wert im endosomalen Lumen
ab, wodurch es zu einer irreversiblen Ände-
rung der Konformation der HA kommt. Dabei lagern sich die fusogenen Regionen am
aminoterminalen HA2-Fragment in die endosomale Membran ein und es erfolgt die
Verschmelzung der beiden Membranen. Die
verkapselten Arzneistoffe – im hier beschriebenen Fall Doxorubicin – werden nach
der Fusion der endosomalen Membran mit
der Virosomenmembran aus den Vesikeln
entlassen, gelangen in das Zytoplasma und
können dort ihre Wirkung entfalten.
Der endosomale Weg der Virosomen ins
Zellinnere kann sowohl am Fluoreszenzmikroskop wie mit konfokaler Mikroskopie
dargestellt werden[2, 3], wie die Abbildungen
2A und B illustrieren. Bei der konfokalen
Darstellung ist zudem deutlich zu erkennen,
dass die Virosomen sich im Zellinnern (siehe Querschnittsdarstellung) befinden und
nicht nur auf der Oberfläche der Zelle kleben.
Anti-rNeu-Fab’-Doxo-Virosomen hemmen
das Tumorwachstum
Da etwa 30 % der primären Mammakarzinome wie ihre Metastasen eine Überexpression des c-erbB2(HER-2/neu) Onkogens aufweisen und da das exprimierte
erbB2-Glykoprotein p185 zudem als ein
transmembranen Rezeptor auf der Oberfläche der Tumorzelle vorliegt, bot sich p 185
als antigene Zielstruktur an, um anti-HER2/neu-Immunovirosomen als Targeting System in vivo zu testen. Das Fab’-Fragment
des monoklonalen Antikörpers 7.16.4, der
den extrazellulären Bereich des Ratten
(r)HER-2/neu erkennt, wurde für zielgerichtete Adressierung der Virosomen verwendet[5]. In einer Serie von Experimenten
wurden transgene Mäuse mit rNeu-positiven Tumoren (5 mm Durchmesser) jeden
Abb. 3: A: Behandlung von Mäusen mit Anti-rNeu-Fab’-Doxo-Virosomen im Vergleich zur Kontrollgruppe und zur mit freiem Doxorubicin behandelten
Gruppe. B: Behandlung von Mäusen mit Anti-rNeu-Fab’-Doxo-Virosomen im Vergleich zur Behandlung mit Doxo-Virosomen ohne Targeting.
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Literatur
[1] Stegmann, T., Morselt, H., Booy, F., van
Breemen, J., Scherphof, G., and Wilschut, J. Functional reconstitution of influenza virus envelopes. EMBO
J., 6: 2651–2659, 1987.
[2] Waelti, E.R., Glueck R. Delivery to cancer cells of
antisense L-myc oligonucleotides incorporated in fusogenic, cationic-lipid-reconstitutedn influenza-virus envelopes (cationic virosomes). Int. J. Cancer, 77: 728–733,
1998.
[3] Waelti, E.R., Wegmann, N., Schwaninger, R.,
Wetterwald, A., Wingenfeld, C., RothenRutishauser, B., and Gimmi, C.D. Targeting HER-
2/neu with antirat neu virosomes for cancer therapy.
Cancer Res. 62: 437–444, 2002.
[4] Haran, G., Cohen, R., Bar, L.K., and Barenholz, Y. Transmembrane ammoniumsulfate gradients in
Abb. 4: Behandlung von Mäusen mit Anti-rNeu-Fab’-Doxo-Virosomen. Behandlungsbeginn: 3 – 5 Tage
nach subkutaner Injektion der Tumorzellen.
dritten bis vierten Tag mit intravenös verabreichten Anti-rNeu-Fab’-Doxo-Virosomen behandelt. Abbildung 3A belegt ihre
Wirksamkeit: Das weitere Wachstum der Tumorzellen wurde vollständig unterbunden.
Die histologische Untersuchung des Tumorgewebes zeigte, dass die meisten Tumorzellen nekrotisch waren und größtenteils
durch Infiltrate von Granulozyten und
Eosinophilen ersetzt worden waren. Die Behandlung der Mäuse mit einer gleichen
Menge an freiem Doxorubicin beeinflusste
das Wachstum dagegen nur geringfügig.
Die Behandlung mit Doxo-Virosomen ohne Fab’ für ein Targeting zeigte keine wesentlich bessere Wirkung als die mit freiem
Doxorubicin. Damit wird die Wichtigkeit eines Targeting unterstrichen (Abbildung 3B).
Leere Anti-rNeu-Fab’-Virosomen vermochten das Wachstum ebenfalls bis zu einem gewissen Grad zu hemmen[3]. Dieses
Resultat ist nicht so überraschend, weil der
für das Targeting verwendete monoklonale
Antikörper 7.16.4 den HER-2/neu-Rezeptor
blockiert und somit ähnlich wie der therapeutisch eingesetzte Herceptin-Antikörper
wirkt.
Eliminierung von Mikrometastasen durch
Anti-rNeu-Fab’-Doxo-Virosomen
Solide Tumore wie Mammakarzinome werden sich vorläufig nicht durch irgendwelche zytotoxische Trägersysteme mit Targeting entfernen lassen, aber solche Systeme
wie die Virosomen können eine wichtige
therapeutische Rolle nach einer Mastektomie spielen, um noch vorhandene oder sich
neu bildende Mikrometastasen zu vernichten. Um diese Situation einigermassen zu simulieren, wurden transgene Mäuse mit Ratten-Neu-Protein (rNeu) nach einer subku-
tanen Injektion von rNeu-positiven Mammakarzinomzellen der Zell-Linie NF 9006
(2 x 105 Zellen) mit Immunovirosomen
(Fab’-Doxo-Vir) behandelt. Die Behandlung
begann drei bis fünf Tage nach Injektion der
Tumorzellen und beinhaltete neun intravenöse Injektionen von Virosomen (150 µg
Doxorubicin pro ml Virosomen) während
dreier Wochen. Innerhalb vier Wochen entwickelten die unbehandelte Kontrollgruppe
der Mäuse und die Gruppen, die mit freiem
Doxorubicin und Doxorubicin-Virosomen
(Doxo-Vir) ohne Targeting behandelt wurden, Tumore (Abbildung 4). Die Tumorbildung war so ausgeprägt, dass die Tiere geopfert werden mussten. Im Gegensatz dazu
blieben 90 % der mit Fab’-Doxo-Vir behandelten Mäuse während der 90-tägigen Beobachtungszeit tumorfrei[3].
liposomes produce efficient and stable entrapment of
amphipathic weak bases. Biochim. Biophys. Acta 1151:
201–215, 1993.
[5] Drebin, J.A., Link, V.C., Weinberg, R.A., and
Greene, M.I. Inhibition of tumor growth by a monoclonal antibody reactve with an oncogene-encoded tumor antigen. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 83:9129–9133,
1986.
Korrespondenzadresse:
Dr. Ernst R. Waelti
Institut für Pathologie
Universität Bern
Murtenstrasse 31
CH-3010 Bern
Tel.: 41-31-632 88 78
Fax: 41-31-381 87 64
[email protected]
Zukünftige Entwicklungen
Die viel versprechenden Resultate mit Immunovirosomen werden zur Entwicklung
von neuen Virosomen führen. In erster Linie wird man versuchen, einen Tumor mit
verschiedenen Typen von Virosomen kombiniert anzugreifen. Der zusätzliche Einsatz
von VEGF(vascular endothelial growth factor)-Virosomen oder Anti-VEGF-R2-Fab’Virosomen, die die VEGF-Rezeptor2-positiven Endothelzellen in den neu gebildeten
Blutkapillaren der Tumore gezielt adressieren können, dürfte die Angiogenese bei Tumoren verhindern und auf diese Weise zu einer vollständigen Tumorrückbildung führen.
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