KULTUR REGIONAL DIE RHEINPFALZ — NR. 212 DIENSTAG, 11. SEPTEMBER 2012 07_LNEU Schmelz und Schmalz Der Neustadter Chor „Four‘n more“ und seine Gäste machen tolle Werbung für den Barbershop-Gesang VON HEIKE KLEIN NEUSTADT. Ein flottes Konzert im Barbershop-Style schenkte sich der Neustadter Chor „Four‘n more“ am Sonntag zum zehnten Geburtstag. Ein schönes Präsent war das Musikevent, an dem als Gäste auch „Spam“ aus Amsterdam, „Juniper“ aus Ludwigsburg und die „Laut(r)er Ladies“ aus Kaiserslautern mitwirkten, aber auch für die zahlreichen Zuhörer im fast ausverkauften Saalbau und das Kinderhospiz Sterntaler und den „Verein für Bildung und Migration“, denen der Erlös der Benefizveranstaltung zukam. Es ging bereits am frühen Nachmittag los: 14 Friseursalons aus Neustadt und Umgebung verwandelten Beethoven- und Scheffelsaal in einen riesigen Barbershop. Zwar wurden die Damen und Herren nicht eingeseift, aber mit Schere und Föhn ordentlich zurechtgezupft. Dabei versprühten auch die Sangesformationen bereits lockeren Gesang und gute Laune. Schwungvoll moderiert wurde das Geschnippel von Samuel Kirsch aus Landau. Der 19-jährige Abiturient kam durch ein Chormitglied nach Neustadt und munterte die teilweise wegen des fehlenden Spiegels etwas eingeschüchterten Kunden auf. Das Verhalten der Damen und Herren vor dem Friseur war dabei recht unterschiedlich. Manche stellten sich wartend bei ihrer Stammfriseuse an, andere steuerten einfach den nächsten freien Stuhl an. Allerdings waren die 28 Stühle fast ständig belegt. Den Auftakt beim Konzert am Abend machte die rund 30-köpfige Formation von „Four'n more“ selbst, die einer der wenigen gemischten Barbershopchöre ist. Unter der Leitung von Marci Warner erklang „So happy together“ als Motto des Abends. Sie ließen gleich zu Beginn erahnen, dass nach der Kopfmassage beim Friseur die Seelen- und Ohrenmassage im Konzertsaal folgen würde. Dann waren die Chorgäste an der Reihe: Die „Laut(r)er Ladies“, ein Doppelquartett, präsentierten stimmsicher „Happiness will come your Way“. Swingend und mit sparsamer Gestik folgte „I love Coffee, I love Tea“. „Normalerweise sind die Lieder alle in Englisch, aber man Singen und Schnippeln: Isabell Habenbucher von „Uwes Schittkunst“ widmet sich den Haaren von Barbershop-Sänger Jos Span. Dessen Kollegen Koos Hugen (links) und Ad Roskam assistieren musikalisch. FOTO: LM kann sie auch deutsch singen“, so die Sängerinnen. Mit „Gut Nacht Ihr Lieben“ machten die Damen aus Kaiserslautern die Bühne frei für die vier Sängerinnen von „Juniper“. Mit dem bekannten „Halleluja" gewannen diese leicht die Herzen des Publikums. Die Ballade „Loch Lomond“ ist das bewegende Sahnehäubchen am Schluss. Genauso ausdrucksstark präsentierten sie „My Baby loves me just the way I am“. Als Kontrastprogramm zum Damenübergewicht auf der Bühne folgte der Auftritt von „Spam“. Die vier Herren aus den Niederlanden sind eine Auskoppelung aus dem erfolgreichen Chor „Whale City Sound“. Nach einigen flotten englischen Songs legten sie besonders viel Schmelz und Schmalz in ihr Abschiedslied „Morgen muss ich fort von hier“. Nicht nur das Publikum war an diesem Abend besonders gut gestylt, auch das Programm überzeugte durch eine frische und flotte Folge. Ohne Pause ging es mit dem Auftritt von „Four'n more“ weiter. Die Neustadter Formation schwebte an ihrem Geburtstagskonzert „Ten feet of the ground“. Thomas Schäffer hatte dem Publikum schon vorher eine kleine Barbershop-Kunde angedeihen lassen. So duzen sich die Barbershopchöre und ihre Zuhörer, und bei der Vorstellung der Chormitglieder wird genau einmal geklatscht. Nicht zurückhalten konnten sich die Neustadter aber beim Beifall zwischen den Liedbeiträgen. „Hallo Mary Lou“ wurde ebenso begeistert beklatscht wie das bewegende Sahnehäubchen am Ende: die Ballade von „Loch Lomond“ mit der traurigen Geschichte zweier Brüder, die als Soldaten gefangen wurden und von denen nur einer lebend in die Heimat zurückkehrt. John Warner brillierte dabei als Solist und setzte einen wundervollen Schlusspunkt. Wie eine Mauer entschied sich das Neustadter Publikum sofort zum stehenden Beifall – eine Art Gunstbezeugung, die sich im Saalbau sonst nicht so schnell erzeugen lässt. Auch wenn man noch gerne einige Lieder mehr an diesem Abend gehört hätte, das fast zweistündige, aber doch eher zu kurze Abendprogramm bestach durch seine Intensität. Zum Schluss standen alle Chöre zusammen auf der Bühne und sangen die Hymne, die bei jedem BarbershopKonzert am Ende erklingt: „Keep the whole world singing“. Ein besonders dickes Lob heimste außerdem Claudia Albrecht, die Moderatorin und Gesamtorganisatorin der beiden Veranstaltungen, ein. Die Neustadterin habe die Idee zur Friseuraktion und zum Benefizkonzert von Anfang bis Ende konzipiert, lobte Co-Moderator Thomas Schäffer. Der Erlös von Frisuren und Konzert stand gestern noch nicht fest. 7964595_10_1 Musik zum Tanzen, Zuhören und Genießen Der Neustadter Jazzclub startet sein facettenreiches Herbst-Winter-Programm mit dem „Jazztrio d‘Accord“ NEUSTADT. Mit seinem hochwertigen Programm hat sich der Neustadter Jazzclub im Restaurant Steinhäuser Hof seit seiner Gründung im März 2009 auch überregional einen guten Namen geschaffen. Auffällig ist, dass sich der Club neuerdings auch immer mehr anderen Stilarten gegenüber offen zeigt. Dies wird auch im neuen Halbjahresprogramm deutlich, das neben Jazz auch Ausflüge in die Sparten Blues, Rhythm‘n‘Blues, Soul, Folk und Musikkabarett bietet. Für letzteres stehen die in Neustadt gut bekannten „Twotones“ Anna Krämer und Rainer Klundt, die mit ihrem Best-of „Sahneschnittchen“ am zweiten Weihnachtsfeiertag wieder ein Angebot für alle bereit halten, die es nicht mehr in den eigenen vier Wänden aushalten. Mit dem Bad Bergzaberner Gitarristen Timo Gross wird Anfang November ein mehr dem Blues und Folk zugewandter Musiker seine mit dem Vierteljahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnete CD „Fallen From Grace“ vorstellen. Und energiegeladenen Rhythm‘n‘Blues und Soul verspricht das Trio „Funky B & The Kings of Shuffle" am 19. Oktober: Der Kirchheimer Hammondorganist Markus „Funky B“ Lauer, der Gitarrist Carsten Eggert und der Schlagzeuger Jörg Mattern spielen dabei auch Lieder ihrer aktuellen CD „Green Onions Reloaded“. Zunächst aber läutet am kommenden Freitag das „Jazztrio d´Accord“ um den lettischen Komponisten und Akkordeonvirtuosen Alexej Maslakov die zweite Jahreshälfte mit markantem Jazz ein, angereichert mit Elementen aus Fusion, Latin und Swing. Eine Woche später steht dann das neu formierte Trio „Flu-ViBa“ auf der Jazzclub-Bühne. Der ungewöhnliche Name des AkustikTrios setzt sich aus der Instrumentierung Flute (Flöte), Vibraphon und Bass zusammen. Letzteren bedient mit Norbert Dömling einer der bekanntesten deutschen Jazzbassisten. Jazzclub-Stammgäste haben ihn noch als die eine Hälfte des Duos „Moina & The Bass“ in guter Erinnerung, das am Valentinstag ein Son- Das Trio um den lettischen Komponisten und Akkordeonvirtuosen Alexej Maslakov eröffnet am Freitag die Jazzclub-Saison. FOTO: FREI derkonzert in Neustadt gegeben hat. Da Flötistin Stephanie Wagner klassisch ausgebildet und Vibraphonist Christoph Auppele eigentlich Pianist und dem Latin-Style zugewandt ist, steht ein spannendes Konzert zu erwarten, bei dem auch Melodien des legendären Pianisten Lennie Tristano zu hören sind. Das „Holger Nesweda Trio“ widmet einen ganzen Abend dem Pianisten Lennie Tristano. Im November widmen Saxophonist Steffen Weber, Kontrabassist Thomas Stabenow und Schlagzeuger Holger Nesweda diesem stilprägenden Musiker unter dem Motto „Lennie‘s Groove“ dann sogar gleich einen ganzen Abend. Zu Tristanos Quintett gehörten auch der Tenorsaxophonist Warne Marsh und der Altsaxophonist Lee Konitz, die sich wie ihr Bandleader auch kompositorisch betätigten. Weber, Stabenow und Nesweda berücksichtigen deshalb auch deren Werke und geben ihnen einen zeitgemäßen Anstrich. Weber ist dem Jazzclub-Publikum bis dahin bereits bekannt, da der Mosbacher hier bereits einen Monat vorher zu- sammen mit dem Gitarristen Christian Eckert und dem Schlagzeuger Matt Jorgensen ein Gastspiel gibt, um die aktuelle CD dieses deutschamerikanischen Projektes mit dem Titel „Chamber 3“ vorzustellen. Eine weitere Zusammenarbeit eines deutschen Musikers, in dem Fall sogar eines Pfälzers, mit einem USKünstler gibt es beim gemeinsamen Auftritt des Bad Dürkheimer Gitarristen Marcus Armani und des aus Portland in Oregon kommenden Saitenvirtuosen John Stowell am 2. Oktober. Die beiden konnten bei ihrem ersten Besuch im „Steinhäuser Hof“ im Oktober 2011 viele Fans gewinnen und kommen deshalb gerne wieder. Ein Heimspiel gibt es kurz vor Silvester für den Neustadter Gitarristen Frank Markus, der mit „Twotones“-Pianist Rainer Klundt und der in London geborenen Sängerin Caroline Simpson das Trio „Die Simpsons“ ins Leben gerufen hat. Markus ist ein großer Bewunderer des Gipsyjazz, Klundt hat früher in diversen Rockbands, darunter auch bei der Krautrocklegende „Message“, die Tasten bedient, und Simpson hat sich als Musicalsängerin und Frontfrau diverser Latin- und Soulbands ihre Brötchen verdient. Nun versuchen die drei, ihre so unterschiedliche Erfahrung unter einen Hut zu bringen. Zwei Tage vorher stellt die japanische Pianistin Sachie Matsushita mit ihrer Gruppe ihr Album „Japan Meets Germany“ vor, auf dem sie japanische Folklore und klassische Musik, darunter Bach und Beethoven, mit ihren eigenen, jazzigen Kompositionen zu einer weltmusikalischen Einheit verarbeitet. Anders als bei Matsushitas Stücken, bei denen konzentriertes Zuhören notwendig ist, fordert das Frankfurter „Tiefenrausch Klangkombinat“ vom Publikum, bei seinen Songs auch schon mal aufzustehen und mitzumachen. Die sechsköpfige Band ist beeinflusst von Funk, Acid Jazz, Bebop und Latin und sieht nach eigenen Aussagen ihre Mission darin, tanzbaren Jazz zu den Menschen zu bringen. Etwas ruhiger geht es beim Auftritt der Gruppe „Neuwind“ zu. Schon alleine die Instrumente mit denen Rebecca Trescher (Klarinette; Bassklarinette), Julian Bossert, (Altsaxophon, Klarinette) und Norbert Nagel (Klarinette, Bassklarinette) ihr Programm gestalten, lassen etwas Außergewöhnliches erwarten. „Wir spielen eine Melange aus zeitgenössischem kammermusikalischem Jazz, Minimal Music, moderner Klassik und den vertrackten Grooves einer Folklore Imaginaire“, behaupten die drei Protagonisten, von denen Trescher für die Kompositionen verantwortlich ist. Im Kontrast dazu steht die experimentelle Spielweise aus elektro-akustischen Klängen, Popund Jazzelementen, und schier grenzenloser Energie von „Orioxy“, einem Quartett um die israelische Sängerin Yael Miller und die Schweizer Harfinistin Julie Campiche, unterstützt von Schlagzeuger Roland Merlinc und Kontrabassist Manu Hagmann, das mit seinen avantgardistischen Klangmalereien im Jazzclub bereits im Vorjahr überzeugte. Die auf Initiative des Schlagzeugers Florian Alexandru-Zorn, immer am letzten Donnerstag eines Monats im „Steinhäuser Hof“ durchgeführten „Musicians Nights“ ergänzen das Programm. Bei freiem Eintritt können hier junge Musiker/innen zusammen mit Alexandru-Zorn und weiteren geladenen Gästen aus dem Profibereich auf der Bühne stehen und den Stand ihres Könnens vor Publikum ausloten. Die nächsten Termine sind 27. September, 25. Oktober, 29. November und 27. Dezember. 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(hk) 7737074_70_7