KLÄNGE WIE IN CANTERBURY St. Matthew's Choir aus London mit englischer Choral-Musik in der Neustadter Stiftskirche - Uraufführung von Josephson VON UNSERER MIT ARBEITERIN AN N ET T E WE IG ERT 1 Chorkonzertreisen sind stressig, besonders wenn sie nur über ein verlängertes Wochenende gehen. Deshalb verlangen Proben und Konzertauftritte in ungewohnten, akustischen Räumen ein gerüttelt Maß an Flexibilität von Chor und Chorleiter, denn plötzlich klingen altvertraute Weisen völlig anders: zu laut oder zu leise, zu dumpf oder zu hell, zu schnell oder zu langsam oder gar verzerrt. Höchste Konzentration auf Dirigat, Rhythmus und Intonation ist da mehr als üblich gefragt. So mag es auch den Sängerinnen und Sängern des „St. Matthew's Choir" aus London ergangen sein, die am Sonntagabend auf Einladung der Stiftskantorei ein beachtenswertes Konzert mit englischer Choralmusik in der Stiftskirche in Neustadt präsentierten. Die englische Choralmusik, die über die Jahrhunderte auf eine beneidenswert ungebrochene Chortradition zurückblicken kann, ist reichhaltigst mit den unterschiedlichsten, geistlichen Kompositionen gesegnet, bestens zugeschnitten auf die jeweiligen liturgischen Bedürfnisse. So traf man am Sonntag nicht nur auf die großen englischen Komponisten wie William Byrd, Ralph Vaughan Williams, Charles Stanford oder John Rutter, es waren auch Entdeckungen zu machen von C. Hubert, H. Parry, John Redford, Gerald Finzi oder Thomas Weelkes, eine beachtliche Spannbreite von der Renaissance bis zur Moderne. Mit fein abgestimmten Registern zweier wunderschöner Orgelpräludien von Dietrich Buxtehude rahmte Ulrich Loschky das Konzertprogramm ein: Das Präludium in D (BuxWV i39) in würdevollem Kleid gehalten, das abschließende Präludium in g (BuxWV 149) in silbrig blitzenden Läufen, meditativer Zurückhaltung und pracht Musikalischer Freundschaftsbesuch bei der Neustadter Stiftskantorei: der St. Matthew's Choir aus London präsentierte englische Kirchenmusik und - gemeinsam mit dem Gastgeberchor - die Uraufführung einer Komposition ... vollem Abschluss. Ein Instrumentalquartett der Stiftskantorei, bestehend aus Uta Metz und Heinz Bruch (Querflöten), Karl-Heinz Metz (Violoncello) und Ulrich Loschky (Basso continuo), bereicherte das Programm mit dem Quartett d-Moll aus der „Tafelmusik IV von Georg Philipp Telemann, dem das Publikum erfreut Beifall klatschte, besonders angetan von dem bezaubernden Largo und dem duftig schwingenden Allegro. Die annähernd 30 Sänger des Gastchores boten unter der Leitung von Phiroz Dalal besonders bei den romantisch und spätromantisch geprägten Choralsätzen eine überzeugende Leistung dar, getragen von kräftigen, klangvollen Frauenstimmen und schlanken, geschmeidigen Männerstimmen, die trotz ihrer geringen Anzahl harmonisch im Klangbild standen. Das Dirigat Phiroz Dalals wies eine klare Gestik auf und führte deutlich in den Passagen, wo der Chor schwächelte. Signifikant in den kunstvollen, älteren Chorsätzen eines William Byrd (Ave verum), Thomas Weelkes (Gloria) und John Redford (Rejoice in the Lord) verlor der Chor im Stimmenkonstrukt an Selbstbewusstsein und Klangfreude. Genau gegenteilig verhielt es sich bei den jüngeren Kompositionen. Da schwangen sich die Soprane souverän in die Höhe, die warmen Alti verwalteten stimmungsvoll ihre Themen, die Männerstimmen intonierten gepflegt. Erstere erschienen lediglich bei Parrys „My soul-there is a country far" intonatorisch müde. Ansonsten atmeten beispielsweise Stanfords „Beati quori via Justorum", Vaughan Williams' „0 Taste and See" oder J. Michael Diacks „Sing a Song of Sixpence" unbemühtes, pralles Lebensgefühl, äußerst ansteckend in der Wirkung. Ebenso erwähnenswert war das „Pie Jesu" von Karen Benny aus dem Requiem von Andrew Lloyd Webher. Ein besonderes Dankeschön gebührte dem Chor aber für seine anrührende Interpretation von Rutters „The Lord hiess you and keep you". Ein Extra-Leckerbissen für die Zuhörer war im Programm zusätzlich versteckt. Für die Uraufführung von ... von Nors. S. Josephson, der selbst mitsang. -FOTOS: LM „Full fathom five ..." (aooG) aus der noch unvollendeten Oper „The Tempest" (nach William Shakespeare) des Deidesheimer Musikprofessors Nors S. Josephson vereinigten sich Gastchor und der Gastgeberchor der Neustadter Stiftskantorei unter dem Dirigat von Phiroz Dalal. Den Orgelpart übernahm Ulrich Loschky: Großartig entwickelte sich in postmoderner Manier, nach verhaltenem Orgelund Gesangseinstieg, ein unterschwellig drohendes, abgründig dissonant-reibendes, spannend-harmonisches, großgestisches Klanggeflecht, das Lust auf das vollständige Opus machte. Die zahlreichen Konzertbesucher geizten nach dem gewaltigen Hörerlebnis natürlich nicht mit ihrem Applaus.