LEADER Region Lachte – Lutter – Lüß, 19.11.2010 Regionalkonferenz „Herausforderung Klimawandel…“ Institut für Waldökologie und Waldinventuren (WOI) Welche Risiken und Chancen ergeben sich aus dem Klimawandel für den Waldbesitz? Andreas Bolte Gliederung Klimawandel – wie schlimm wird es wirklich? Standortswandel - wie reagieren unsere Wälder? Anpassung – notwendig oder nicht? Klimaschutz und Waldanpassung – Synergien auf der Maßnahmenebene? 2 Klimawandel – wie schlimm wird es wirklich? 3 Entwicklung der globalen Treibhausgasemissionen 8,7 Gt C y -1 2008 2007 2006 2005 50 Jahre konstante Wachstumsraten bis 2050 IPCC-Szenarien Steigerungsraten 1990 – 2000: 1,0% 2000 – 2008: 3,4% B1 1.1%, A1B 1.7%, A2 1.8% A1FI 2.4% Quellen: Raupach et al. 2007, Le Quéré et al. 2009 (ergänzt) 4 Klimawandel in Europa Projektionen 2100 nach to IPCC, 2007: • Temperatur: +2.0°° C to +6.2°° C (min. SRES B2 to max. A2 scenario) • Vermehrte Extremereignisse: Häufigere und intensivere Hitzeperioden, Trockenheiten (Mittelmeerraum, Mitteleuropa) und Stürme (Nordeuropa, nördliches Mitteleuropa) Quelle: Christensen et al., 2007 (IPCC report) 5 Projektion Hitzeperioden 1961 - 1990 2071-2100 Häufigkeit von Hitzeperioden mit 7 Tagen und länger Quelle: EEA, 2007 6 Medienecho Klimawandel und „Waldsterben“ – Parallelitäten? Wie schlimm wird es mit dem Klimawandel wirklich? „Ab 2020 ist die Klimakatastrophe unumkehrbar, dann werden an den Folgen nicht nur einige Millionen Menschen, sondern wahrscheinlich Milliarden Menschen sterben.“ Franz Alt 2007 in Epoch Times Deutschland (25.2.2007) „Noch nie hat es jemand so deutlich gesagt: Unser Planet stirbt – wir Menschen sind schuld daran!“ BILD, 3.2.2007 (zur Vorstellung des IPCC-Berichts 2007) „Anfang Mai brachte der SPIEGEL, der zwei Monate vorher den Weltuntergang verkündete, praktisch die Gegenposition: „Hilfe, die Erde schmilzt- die große Klima-Hysterie“. Jetzt war plötzlich alles gar nicht mehr so schlimm.“ (Horx 2007) Das Sterben des „Waldsterbens“? „Die ersten großen Wälder werden schon in den nächsten fünf Jahren sterben. Sie sind nicht mehr zu retten.“ (Ullrich 1981, in Der Spiegel Nr. 47/1981) „Chronik einer Panik, ein Vierteljahrhundert Waldsterben oder wie ein deutscher Mythos entstand, sich verfestigte und allmählich zerbröckelt.“ (Keil 2004, Die Zeit) 7 Standortswandel – wie reagieren unsere Wälder? 8 Interaktionen des Wandels Quelle: Bolte et al. 2009, Springer Erwärmung Hitzewellen Höhere Mitteltemperaturen Verkürzung von Frostperioden Ausweitung der Vegetationsperiode + Stoffeinträge N!, Bodenversauerung, Bewirtschaftung Änderung der Niederschlagsverhältnisse Trockenheit Geändertes Windklima Sturmgefahr Höhere Windmittel Niederschlagsextreme Geänderte biotische Interaktionen Andere Konkurrenzverhältnisse Wandel der Symbiosen Biotische Schädigungen 9 Nationales Forstliches Monitoringsystem Bund-Länder-Aktivität: Intensiv-Dauerbeobachtung: • 88 Level II-Flächen Level I-Netz: • 2000 BZE II-Punkte 8x8 km-Netz (auch Waldzustanderhebung / WZE) • 450 BioSoil-Punkte 16x16 km-Netz [Bundeswaldinventur: • BWI 4x4 km-Netz (abweichend zu BZE II, außer BY)] 10 Reaktionsgröße: Kronenverlichtung (WZE/BZE) Feststellungen: Feststellungen: • •Viel Vielgescholten gescholten(zu (zu recht?) recht?) • •Unspezifischer UnspezifischerWert Wert • •Daten Datenininjährlicher jährlicher Auflösung Auflösung(25-jährige (25-jährige Zeitreihen) Zeitreihen) • •Verlaufsanalysen Verlaufsanalysen(Index (Index statt stattabsoluter absoluterWert!) Wert!) • •Flächenrepräsentanz Flächenrepräsentanz Quelle: BMELV 2007 Klimawandel – Kronenverlichtung Koeffizienten der Kreuzkorrelation von Kronenverlichtung und Abweichung von 30-Jahresmitteln (für Buche), 1995 - 2004 -∆ NDS (Vorjahr) Prädikator ∆ T (Vorjahr) Quelle: Seidling 2006 12 Reaktionsgröße: Zuwachs (Level II) Trockenjahre 1992, 1995 Feststellungen: Feststellungen: • •Direkter Direkter Produktivitätsbezug Produktivitätsbezug • •„Überschuss„Überschussbetrachtung“ betrachtung“ • •Daten Datenininjährlicher jährlicher Auflösung Auflösung(n-jährige (n-jährige Zeitreihen) Zeitreihen) • •Verlaufsanalysen Verlaufsanalysen • •Fallstudien Fallstudien Quelle: Bolte und Ibisch 2009 13 Klimawandel – Zuwachseinbrüche Quelle: Beck 2008 14 Klimawandel – Zuwachseinbrüche Quelle: Beck 2008 15 Reaktionsgrößen Belaubung und Zuwachs; ein Vergleich Quelle: Beck 2008 16 Anpassung – notwendig oder nicht? 17 Wanderung von Habitaten Polwärts gerichtete Wanderung von Isothermen (km / Dekade) Quelle: Hansen et al. 2006 18 Witterungsbedingtes (?) Baumsterben Quelle: Allen at el. 2010 19 Anpassung – Grundlagende Strategien Keine – aktive – passive Anpassung*? - Nicht-Anpassung („Erhaltungseingriffe”) erhöht das Risiko von katastrophalen Ereignissen (Trockenschäden, Windwurf) je nach Ausmaß des lokalen Klima/Standortwandels. - Aktive Anpassung („Anpassungseingriffe”) benötigt dynamische Leitbilder, (semi)-statische Leitbilder, z.B. Annäherung an eine heutige pnV oder auch an zukünftige Klimahüllen sind bei Klimawandel risikoreich. - Passive Anpassung („Sich-selbst-Überlassen”) führt zu einer risikoarmen, aber ergebnisoffenen Entwicklung, Ziele sind nicht definitiv planbar (Forstwirtschaft und Naturschutz!). *frei nach Millar et al. 2007, Ecol. Appl. 17(8), 2145-2151 20 Anpassung – Waldflächen und Änderung 2002 bis 2008 Laubbaumarten Nadelbaumarten Verlierer: Fi, (Ki) Gewinner: Bu, (Ei, Dgl) Quelle: Polley et al. 2009 21 Konzept zur Waldanpassung Anpassung Minderung Ebene International Arten/Herkunftseigung Entscheidungsunterstützung National Regional Lokal Quelle: Bolte und Degen 2010 } Vorrangplanung zu Anpassungsstrategien Entscheidungsunterstützung Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen 22 Entscheidungsunterstützung zur Baumarteneignung (Bundesebene) Decision Support System Wald und Klimawandel (DSS-WuK) 23 Waldanpassung und Klimaschutz – Synergien auf der Maßnahmenebene? 24 Sinnvolle Strategien im Sinne des Klimaschutzes (Minderung / Anpassung) Erhöhung der Speicherleistung der Wälder in Deutschland: - Aufforstung (Hochwälder, KUP?) - Produktivitätserhöhung (Baumartenwechsel, Betriebsart) - Pflege des Bodenhumus’ und Moorschutz (!) Erhöhung der Stabilität (Resistenz und Resilienz) der Wälder gegenüber Witterungsextremen: - Baumartenmischung und Strukturvielfalt (Wirkung?) - Wechsel zu anpassungsfähigen Baumarten und Herkünften (auch Neophyten?, Züchtung?) - Neuartige Waldbehandlungsmethoden (Weitstandskonzepte, Verkürzung der Umtriebszeiten) 25 Bewertung ausgewählter Maßnahmen aus Sicht des Klima- und Naturschutzes Maßnahmen Aufforstung Minderung + Anpassung o Naturschutz + bis (Vorkultur und Bewirtschaftungsform) Produktivere Baumart + Boden- und Humuspflege Waldmoorschutz (Wasserrückhaltung) Baumartenmischung und Strukturvielfalt Anpassungsfähige Baumarten/ Herkünfte Neuartige Waldbehandlungsmethoden + bis – – (?) (Anpassungsfähigkeit) (Homogenisierung der Bestände) + + + + + + + bis – + + + + (Gesamtproduktivität) + bis – (Neophyten, Züchtung) + bis – (suboptimale Bestandesdichten, Umtriebszeiten) + + bis (Wirkung auf Strukturvielfalt) 26 Fazit I – Klimawandel und Anpassung Der Klimawandel ist Realität. Die Vermittlung der Folgen darf nicht alarmistisch geschehen und politische Entscheidungen müssen auch auf Basis erhöhter Unsicherheit getroffen werden. Der Klimawandel wird je nach Region und Standort zu einer Erhöhung oder Verminderung der Waldproduktivität führen; Hauptrisiko sind extreme Witterung und begleitende Schäden (biotische Schaderreger!), die das Absterberisiko erhöhen können. Eine Waldanpassung an den Klimawandel ist in vielen Fällen notwendig. Neben der aktiven Anpassung (Waldumbau) lohnt sich auch die Betrachtung der passiven Anpassung. Anpassungskonzepte müssen Informationen und Entscheidungen auf verschiedenen räumlichen und politischen Ebenen verknüpfen. Die Möglichkeit der Anpassung ist begrenzt und muss mit Klimaschutzmaßnahmen (auch im Wald) kombiniert werden. 27 Fazit II - Klimaschutzmaßnahmen Es gibt einige Maßnahmen die uneingeschränkt sowohl Klima- als auch Naturschutz gleichermaßen zu Gute kommen: - (Wald-)Moorschutz und Renaturierung - Bodenpflegemaßnahmen (alternative Rückeverfahren) Bei vielen anderen Maßnahmen können Synergien erreicht werden, die Wirkungen müssen im Einzelfall geprüft werden: - Aufforstung (nicht in wertvollen Biotopen!!) - Baumartenmischung (auf Produktivität achten!) - Anbau von anpassungsfähigen Baumarten und Herkünften (Beschränkungen für Neophyten und züchterisch behandelte Baumarten beachten!) - Neuartige Waldbehandlungsmethoden (Wirkung auf Produktivität und Strukturvielfalt beachten!) 28 Danke für die Aufmerksamkeit! 29