kammer- konzert

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Seinen eigenen Weg fand Malipiero schließlich, indem er die Formen
und die Satzkunst der italienischen Renaissance, die ihm durch seine
Studien ja zutiefst vertraut waren, in einen wechselseitig befruchtenden Austausch mit den Möglichkeiten der modernen Musiksprache
zu bringen suchte. Er verfolgte dieses Ziel in einer Fülle von Beiträgen zu fast allen Gattungen der Musik. Auch seine acht Streichquartette geben davon Zeugnis. So trägt das »Streichquartett Nr. 3«
schon in seinem Untertitel den bezeichnenden Hinweis »Gesänge
nach Art eines Madrigals«. Als Madrigal, wie es etwa bei Monteverdi
in vollendeter Weise vorliegt, bezeichnet man ein durchkomponiertes Chorlied. Das heißt, dass es aus mehreren Teilen gefügt ist, die
sich aber als einsätziges Ganzes darbieten. Dieses Formungsprinzip
hat Malipiero aufgegriffen und so sechs instrumentale Phasen unterschiedlichen Ausdrucks zu einer Einheit geführt. Die Begriff »Gesänge« ist hier nicht wörtlich zu nehmen, sondern als Hinweis auf den
musikgeschichtlichen Hintergrund zu verstehen.
OTTORINO
RESPIGHI
Respighi stammte aus Bologna, hatte dort Violine, Viola und Komposition studiert und danach zunächst Erfahrung im Orchesterdienst
und als Mitglied eines Streichquartetts gesammelt. In diesem Zusammenhang waren umfänglichere Kontakte mit Max Bruch und vor
allem Nikolaj Rimskij-Korsakow für ihn nach eigenem Bekunden
von größter Bedeutung gewesen. Den entscheidenden Durchbruch
als Komponist brachte 1916 die Urauffführung seiner sinfonischen
Dichtung »Fontane di Roma«, die er später mit »Pini di Roma« und
»Feste Romane« zu einer Trilogie erweiterte.
Das »Streichquartett D-dur« ist eine Arbeit aus dem Jahr 1907. Sie
übernimmt die tradierte Viersätzigkeit der Gattung. Der lyrische
Grundzug der ersten beiden Sätze geht zurück auf ein breit strömendes, in sich bewegtes Melos in allen vier Stimmen. Dabei entfaltet
es sich im Eingangssatz im Rahmen einer frei gehandhabten Sonatenform mit zwei Themen. Im zweiten Satz wird es dann gebündelt
in einer Folge von Thema und Variationen. Im Gegensatz dazu
schlägt das Intermezzo einen lockeren Ton an, bevor das Finale sich
dann überraschend erregt nach Moll wendet und erst ganz am Ende
den gelockerten Ton wiederfindet.
VORSCHAU
Das nächste Kammerkonzert dieser Saison findet am
Sonntag, den 19. Juni 2016 im Funkhaus Wallrafplatz statt
und beginnt um 11.00 Uhr.
FÜNF NEUN NEUN
Sergej Prokofjew
Quintett g-moll für Oboe, Klarinette,
Violine, Viola und Kontrabass op. 39
Bohuslav Martinů
Nonett Nr. 2 für Flöte, Oboe, Klarinette,
Fagott, Horn, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass
George Onslow
Grand Nonett a-moll für Flöte, Oboe, Klarinette,
Fagott, Horn, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass op. 77
Karl Kemper
So wie sich Malipieros intensives Verhältnis zur Tradition auch in
einer regen Editionstätigkeit niederschlug, war es entsprechend bei
Respighi. Auch er widmete sich nachdrücklich der Herausgabe alter
Meisterwerke. Als Komponist ging er indes einen anderen Weg.
Er zollte der Tradition Respekt mit der Bearbeitung alter Werke. Man
denke etwa an die »Alten Tänze und Liedweisen« für Laute, die er
sensibel für Orchester arrangierte. Seine Originalkompositionen wie
Opern, Ballette, sinfonische Beiträge, Kammermusiken und Vokalwerke sind davon nur vereinzelt berührt, wie etwa im »Concerto
all'antica«.
ALLA
ITALIANA
SO 28. Februar 2016
11.00 Uhr
Funkhaus Wallrafplatz, Köln
(1879 – 1936)
STREICHQUARTETT NR. 4 D-DUR
ALLEGRO MODERATO – ANDANTE SOSTENUTO
TEMA CON VARIAZIONI
INTERMEZZO. LENTO – ALLEGRETTO VIVACE –
APPASSIONATO
FINALE. ALLEGRO VIVACE
KAMMERKONZERT
BILDNACHWEIS
Titel: Cello © shutterstock/Venus Angel
Holz © Getty Images/malerapaso
Innenteil: Portraits © WDR/Overmann
HERAUSGEBER
Westdeutscher Rundfunk Köln
Marketing
Appellhofplatz 1
50667 Köln
Verantwortliche Redaktion
Patricia Just
Redaktion und Produktion
des Konzerts
Siegwald Bütow
Januar 2016
Änderungen vorbehalten
KAMMERKONZERT
mit Mitgliedern des WDR Sinfonieorchesters
LUIGI BOCCHERINI
Streichquintett d-moll op. 25,1
LUIGI
BOCCHERINI
(1743 – 1805)
STREICHQUINTETT D-MOLL OP. 25,1
LARGHETTO
ALLEGRO
MINUETTO CON MOTO
RONDO, ALLEGRETTO
die Formgebung, die den langsamen Satz an den Anfang rückt und
unmittelbar in das Allegro übergehen lässt. In entsprechender Weise
sind Minuetto und Rondo aneinander gekoppelt.
Die intensive Bassfärbung des Eingangssatzes gibt einen Ausdruck
vor, der als melancholischer Unterton in den Folgesätzen, so
unterschiedlich sie auch sein mögen, immer wieder mitschwingt.
GIUSEPPE VERDI
Streichquartett e-moll
Pause
GIAN FRANCESCO MALIPIERO
Streichquartett Nr. 3
»Cantari alla Madrigalesca«
OTTORINO RESPIGHI
Streichquartett Nr. 4 D-dur
Susanne Richard Violine
Johanne Stadelmann Violine
Katharina Arnold Viola
Johannes Wohlmacher Violoncello
Jörg Schade Kontrabass
Boccherini, der Sohn eines Cellisten und Kontrabassisten aus Lucca,
begann bereits als Zehnjähriger ein Cello- und Kompositionsstudium
in Rom. Dem folgte zunächst eine beachtliche Karriere als Instrumentalist, die ihn durch Italien, nach Wien und Paris führte. Eine
deutliche Wende zu vermehrt auch kompositorischer Arbeit vollzog
sich um die Jahre 1767/68. Er übersiedelte damals für sein weiteres
Leben nach Madrid, wo er bald eine rege instrumentale, vor allem
aber kompositorische Tätigkeit im höfischen Bereich aufnahm. Sein
hohes Ansehen als einer der herausragenden italienischen Komponisten wuchs zudem mit der Drucklegung vieler seiner Werke in
Paris und Wien. Nicht von ungefähr berief ihn der Preussenkönig
Friedrich Wilhelm II. zu seinem Hofkomponisten. Boccherini kam
dem gerne nach, »belieferte« seine Majestät allerdings überwiegend
von Madrid aus. Wenn das Schaffen Boccherinis im 19. Jahrhundert
an Beachtung und Wertschätzung verlor, mag das nicht zuletzt damit
in Zusammenhang gestanden haben, dass es sich nahezu ausschließlich um instrumentale Kammermusik handelte. Es war jedoch die
sinnenfreudige Oper, die zum Inbegriff italienischer Musik wurde.
Von Boccherini sind mehr als 400 Kammermusiken überliefert, überwiegend in reiner Streicherbesetzung. Ihre Bedeutung und Eigenart
kommt inzwischen zunehmend wieder in den Blick. So gelten etwa
seine Streichtrios als die bemerkenswertesten vor Beethoven, und
die Entwicklung des Streichquartetts steht bei ihm in einer ganz
eigenständigen Parallelität zu der bei Joseph Haydn. Unmittelbar
auf ihn selbst zurück geht die Erweiterung des Streichquartetts um
ein zweites Cello bzw. alternativ dazu um einen Kontrabass, so dass
sich die Möglichkeiten der Klangfärbung deutlich erweiterten. Das
»Streichquintett d-moll op. 25,1« von 1778 zeigt wesentliche Züge von
Boccherinis individueller Art der Gestaltung. Verwiesen sei nur auf
GIUSEPPE
VERDI
unmittelbar nach Fertigstellung bei einer lockeren Gesellschaft von
Freunden und Bekannten Verdis statt. Obwohl es sich hier großer
Zustimmung erfreut hatte, untersagte Verdi zunächst weitere Aufführungen. Als Gelegenheitsarbeit sah er das Werk wohl als eher
unbedeutend an. Vier Jahre später erst stimmte er einer Veröffent­
lichung zu, und seither erweist sich die Komposition als ein Meisterwerk italienisch geprägter Quartettkunst. In ihr verbindet sich das
genuine Gespür des Opernkomponisten für unmittelbare klangsinn­
liche Wirkungen eines musikalischen Geschehens mit einem Höchstmaß an satztechnischer Kompetenz. Und das gilt nicht nur für das
in dieser Hinsicht besonders bemerkenswerte Finale, das als rasante
Fuge daherkommt. Übrigens hat Verdi Jahrzehnte später auch eine
seiner Opern mit einer Fuge enden lassen, seinen »Falstaff«.
(1813 – 1901)
STREICHQUARTETT E-MOLL
ALLEGRO
ANDANTINO
PRESTISSIMO
SCHERZO FUGA. ALLEGRO ASSAI MOSSO
In der Tat stand das italienische Musikleben des 19. Jahrhunderts
nahezu ganz im Zeichen der Oper. Bei Giuseppe Verdi kann man
sogar nachlesen, dass er der grundsätzlichen Meinung war, die reine
Instrumentalmusik, insbesondere in ihrer kammermusikalischen Ausformung, sei nicht Sache der Italiener. In einem Brief bekundet er,
dass etwa das Streichquartett eine Pflanze sei, die außerhalb ihres
natürlichen Klimas – gemeint ist der deutsch-österreichische Kulturraum – nicht gedeihen könne. Für zu abstrakt hielt Verdi wohl den instrumentalen Quartettsatz im Vergleich zum opulenten Opernmelos,
das man in Italien liebte. Wenn er nun dennoch ein Streichquartett
komponierte, so muss man wissen, dass er natürlich die Beiträge
Haydns, Mozarts und Beethovens zu dieser Gattung gut kannte und
ihren hohen kompositorischen Rang zu schätzen wusste. Er setzte
sich also entschieden einem beachtlichen Anspruch aus.
Die Gelegenheit dazu ergab sich allerdings zufällig. Als Verdi 1873
zu Proben für seine Oper »Aida« in Neapel weilte, bescherte ihm die
Erkrankung der Hauptdarstellerin eine dreiwöchige probenfreie Zeit.
Und die nutzte der Komponist – wenn man so will als Zeitvertreib –
zum Entwurf und zur Ausführung eben dieses Streichquartetts, seinem einzigen Beitrag zur Kammermusik. Eine erste Aufführung fand
GIAN FRANCESCO
MALIPIERO
(1882 – 1973)
STREICHQUARTETT NR. 3
»CANTARI ALLA MADRIGALESCA«
ALLEGRO MODERATO – ALLEGRO ENERGICO –
LENTO – ALLEGRO – LENTO – TEMPO 1
Es war die Generation der um 1880 geborenen Komponisten, die
sich in Italien wieder vermehrt der Kammermusik zuwandte. Zu
ihnen gehörte neben Alfredo Casella, Ildebrando Pizzetti und Otto­
rino Resphigi auch der aus Venedig stammende Malipiero. Er kam
aus einer angesehenen Musikerfamilie, studierte Komposition in
Venedig, Wien und Bologna, vertiefte sich aus eigenem Antrieb
zugleich aber auch in das Schaffen altitalienischer Meister, insbesondere Monteverdis. Ein in kompositorischer Hinsicht folgenreiches
Erlebnis wurde für ihn die Uraufführung von Strawinskys »Sacre du
printemps« 1913 in Paris. Es weitete letztlich seinen Blick auf den
aktuellen Stand damaligen Komponierens überhaupt. In der Folge
vernichtete er seine bisherigen Werke oder erklärte sie für ungültig
und begann, sich neu zu positionieren.
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