Der Feindbegriff bei Carl Schmitt, Philosophie

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Geisteswissenschaft
Sophia Reinhard
Der Feindbegriff bei Carl Schmitt
Essay
Ludwig-Maximilians Universität München
Wintersemester
BA Nebenfach: Philosophie
2010 / 2011
1. Semester
Wer oder was ist der Feind bei Carl Schmitt?
Verfasserin: Sophia Reinhard
Seminar Lektürekurs Klassiker:
Der Begriff des Politischen bei Kant und Carl Schmitt
Abgabetermin: 1.März 2011
1
Wer oder was ist der Feind bei Carl Schmitt?
In der Schrift von 1932 über den Begriff des Politischen möchte Carl Schmitt in erster Linie,
unabhängig von der Definition des Staates, klären was das „Wesen des Politischen“ ausmacht.
„Der Begriff des Staates setzt den Begriff des Politischen voraus. Staat ist nach dem heutigen
Sprachgebrauch der politische Status eines in territorialer Geschlossenheit organisierten
Volkes. Damit ist nur eine erste Umschreibung, keine Begriffsbestimmung gegeben. Eine
solche ist hier, wo es sich um das Wesen des Politischen handelt, aber nicht erforderlich. […]
Im Allgemeinen wird „Politisch“ in irgendeiner Weise mit „Staatlich“ gleichgesetzt oder
wenigstens auf den Staat bezogen. Der Staat erscheint dann als etwas Politisches, das
Politische aber als etwas Staatliches – offenbar ein unbefriedigender Zirkel“ 1 Schmitt hält die
Gleichsetzung von Staat und Politischem für „unrichtig und irreführend“ 2 , und möchte
deshalb eine konkrete Definition des Politischen geben. In gleicher Weise wie die Bereiche
des Moralischen, Ästhetischen oder Ökonomischen, hat auch das Politische eine
grundlegende, letzte Unterscheidung. Im Bereich des Moralischen unterscheidet man
zwischen Gut und Böse, im Ästhetischen zwischen Schön und Hässlich, im Ökonomischen
zwischen Nützlich und Schädlich und das ausschlaggebende Kriterium für das Politische ist
die Freund-Feind Unterscheidung. 3
Dieses Kriterium und die nähere Erläuterung der Freund-Feind Bestimmung soll Thema
dieser Arbeit sein.
Schmitt, ein Katholik, hat die Erbsünde vor Augen, und ist daher von einem eher
pessimistischen Menschenbild geleitet. Diese Ansicht beeinflusst besonders stark seine
politische Theorie. Die Menschen sind prinzipiell nicht immer gut und stellen für einander
eine potentielle Gefahr dar, deshalb kommt es überhaupt zu Feindschaften. Und genau in
dieser Unterscheidung, zwischen Freund und Feind, sieht er, wie bereits erwähnt, das Wesen
des Politischen. Es wird also ersichtlich, das auch bei Schmitt, wie schon bei vielen anderen
Philosophen, die christliche Religion Hintergrund und Anlass für die Form der
1
C. Schmitt, Der Begriff des Politischen – Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, S. 19 f.
ebd., S. 22
3
ebd., vgl. S. 25
2
2
philosophischen Theorie wird. Besonders deshalb, weil sie das Menschenbild der Denker
maßgeblich beeinflusst und das der Ausgangspunkt einer jeden Theorie bildet.
Besonderen Wert legt Schmitt auf die strikte Trennung des Politischen, also der
Unterscheidung zwischen Freund und Feind, von allen anderen Sachgebieten. „Alles ist
potentiell politisch, weil das Politische auf keine spezielle Thematik festgelegt ist. Beginnen
sich die Menschen nach Freund und Feind zu gruppieren, so hat es seine Sonderstellung
bewiesen.“
4
Ein politischer Feind muss nicht zugleich auch moralische böse oder ästhetisch hässlich sein
und nach Schmitt wäre es falsch derartige Schlüsse zu ziehen. Er ist letzten Endes jemand
Fremdes, jemand der anders ist und im äußersten Fall eine Bedrohung darstellen könnte. Die
Bestimmung des Feindes liegt bei den Beteiligten selbst und kann nicht durch Dritte erfolgen,
betont Schmitt, „denn die Möglichkeit richtigen Erkennens und Verstehens und damit auch
die Befugnis mitzusprechen und zu urteilen ist hier nämlich nur durch das existentielle
Teilhaben und Teilnehmen gegeben.“ 5 Er ist nicht der Konkurrent, wie im Bereich des
Ökonomischen, oder sogar nur noch Diskussionsgegner, so wie in einer restlos moralisierten
und ethisierten Welt 6, Schmitt lässt hier schon seine Antipartie gegen den Liberalismus
anklingen, sondern, „Feind ist nur eine wenigstens eventuell, d. h. der realen Möglichkeit
nach
kämpfende
Gesamtheit
von
Menschen,
die
einer
ebensolchen
Gesamtheit
gegenübersteht. Feind ist nur der öffentliche Feind, weil alles, was auf eine solche Gesamtheit
von Menschen, insbesondere auf ein ganzes Volk Bezug hat, dadurch öffentlich wird.“7
Warum spricht Schmitt hier ausschließlich von einem öffentlichen Feind? Er möchte strikt
zwischen privaten und öffentlichen Feind unterscheiden, gemäß der lateinischen und
griechischen Terminologie: „Feind ist hostis, nicht inimicus“ 8 und sieht ein Problem darin,
dass die wenigsten Sprachen zwischen diesen beiden Begriffen differenzieren. Die
Bibelstelle: „ Liebet eure Feinde“ soll dies verdeutlichen. Hier sei nur vom privaten Feind die
Rede, denn es heißt: „diligite inimicos vestros“ und nicht: „diligite hostes vestros“. Schmitt
stellt fest, dass selbst im tausendjährigen Kampf zwischen Christentum und Islam, nie ein
Christ auf den Gedanken gekommen ist, aus Nächstenliebe zu den Türken oder Sarazenen,
Europa statt für es zu kämpfen dem Islam auszuliefern.
4
Hrsg.: R. Mehring, Carl Schmitt – Der Begriff des Politischen – Ein kooperativer Kommentar, S. 54
C. Schmitt, Der Begriff des Politischen – Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, S. 26
6
ebd., vgl. S. 27
7
ebd., S. 27
8
ebd., S. 27
5
3
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