Infektionen in der Schwangerschaft Eine orale Therapie ist immer dann notwendig, wenn eine mögliche Infektion der Eihäute oder des Uterus besteht. Vorzeitige Wehen, erhöhte Entzündungsparameter, Zervixverkürzung, Trichterbildung am inneren Muttermund, Fruchtblasenprolaps oder Schmerzen sind ernstzunehmende Hinweise hierauf (s. auch Prophylaxe Spätabort und frühe Frühgeburt, S. 211). Neben B-Streptokokken gehört E. coli zu den wichtigen Erregern neonataler Infektionen. Eine zusätzliche Bedeutung hat E. coli als Ursache von Spätaborten und früher Frügeburt. Der Nachweis von höheren Konzentrationen von E. coli, aber auch anderen Darmkeimen bei Risikoschwangeren (Zustand nach Spätabort, Frühgeburt, vorzeitigen Wehen, Frühgeburtsbestrebungen und vorzeitigem Blasensprung, insbesondere bei unreifem Kind) sollte daher ernst genommen werden. 1 2 Abb. 8.22 Infektion der Episiotomiewunde bei 23jähriger Patientin am 6. postoperativen Tag. 3 4 Klinik. Dünner, cremiger, weißer Fluor mit unangenehmem fischartigen Geruch, ein pH-Wert des Fluors um 5,0 und im Mikroskop zu erkennende clue cells sind typisch und vereinfachen die Diagnose dieser Störung. Bei einem Teil der Frauen normalisiert sich die Vaginalflora im Laufe der Schwangerschaft unter den steigenden Östrogenkonzentrationen und der nachlassenden Koitusfrequenz. Durch die hohe Konzentration fakultativ pathogener Bakterien sind Spätaborte, Frühgeburten und postpartale aszendierende Infektionen, Infektion der Episiotomiewunde (Abb. 8.22), Endometritis post partum und Peritonitis post sectionem bei diesen Frauen bis zu 5 Mal häufiger als bei Frauen mit Laktobazillenflora. 5 6 7 8 9 10 11 12 Therapie und Prophylaxe. Solange es sich nur um ein lokales Geschehen handelt, kann auch lokal behandelt werden. Hierzu ist bei früher Behandlung in der Schwangerschaft die Ansäuerung mit täglich 1/2−1 Tablette Vagi-C meistens ausreichend. Weitere Möglichkeiten sind die einmalige lokale Gabe von 500 mg Metronidazol oder, wenn pathogene aerobe Bakterien vorhanden sind, die Lokalbehandlung mit Desinfektiva (Fluomycin, Vagihex). 13 14 15 16 Therapie. In frühen Stadien kann eine lokale Behandlung mit Ansäuerung oder Desinfektiva und anschließender Ansäuerung in Verbindung mit Anal- und Vulvapflege mit Fett (z. B. Deumavan) versucht werden. Ansonsten Amoxicillin oral oder besser Cephalosporin, da manche E. coli gegen Amoxicillin resistent sind (Antibiogramm daher wichtig). Bei Antibiotika immer gleichzeitig Ansäuern, um das auch von Antibiotika gehemmte Wachstum der Laktobazillen zu fördern. Bei Blasensprung und unreifem Kind sollte der Nachweis von E. coli genauso ernst genommen werden wie der von B-Streptokokken und ein wirksames Antibiotikum verabreicht werden. Evtl. sollte die Schwangerschaft beendet werden. Auch andere Enterobacteriaceen wie Klebsiella pneumoniae sind in der Schwangerschaft besonders und nach Blasensprung immer ernst zu nehmen (s. Tab. 8.12, S. 216). Infektionen als Ursache von Spätabort und Frühgeburt Etwa 5−7 % der Schwangerschaften enden in Deutschland als Frühgeburt vor der 38. SSW, 1 % vor der 32. SSW. In Zentren liegen diese Zahlen deutlich darüber. Über die Häufigkeit der Spätaborte gibt es keine Angaben. Mindestens die Hälfte dieser Komplikationen wird heute auf eine Infektion zurückgeführt. Nur selten lassen sich dabei hämatogene Infektionen mit bekannten Erregern nachweisen (z. B. Listerien, Campylobacter je- 208 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden! Aus Eiko E. Petersen: Infektionen in Gynäkologie unf Geburtshilfe (ISBN 9783137229049) © Georg Thieme Verlag KG 2003 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Escherichia coli und andere Darmkeime Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Infektionen als Ursache von Spätabort und Frühgeburt 1 Abb. 8.23 Hyperplasie der Portio bei 26-jähriger Patientin in der 22. SSW. Abb. 8.24 Großer, leicht nekrotischer Zervixpolyp bei 25-jähriger Patientin in der 6. SSW. juni). Auch Erreger einer Zervizitis wie Gonokokken oder Chlamydien werden hierbei selten gefunden. Die überwiegenden Infektionen sind aus der Vagina aszendierende mit scheinbar eher harmlosen Darmbakterien. Das Wiederholungsrisiko ist mit 60 % relativ hoch angegeben. Die Zervix hat eine wichtige Funktion bei der Entstehung aszendierender Infektionen. Gelegentlich weist sie in der Schwangerschaft auffällige Veränderungen auf wie eine ausgeprägte Hyperplasie (Abb. 8.23) mit einer starken Leukorrhö oder einem großen Zervixpolypen (Abb. 8.24). Wird der Polyp nekrotisch, ist er ein guter Nährboden für Bakterien. Viel häufiger sind aber anamnestische Risiken wie Zustand nach Konisation, mehrfachen Abrasiones und Zustand nach Fruchtblasenprolaps, Spätabort und Frühgeburt. Stellen diese Frauen sich nach Spätabort oder Frühgeburt vor, dann findet man meist eine unauffällige Vaginalflora. Bei Frauen mit wiederholten Spätaborten ist der Zervixkanal nicht selten auffallend weit geöffnet (Abb. 8.25). Die etwa 50 mm lange Zervix mit ihrem Sekret stellt im Regelfall eine recht gute Barriere gegen eine Aszension von Keimen aus dem Vaginalbereich dar. Erst das Zusammenspiel mehrerer ungünstiger Ereignisse induziert wahrscheinlich einen Spätabort oder eine Frühgeburt: 왘 vermehrt Darmkeime in der Vagina, 왘 Anaerobier spalten den schützenden Mucus mit ihren Proteasen, 왘 Schwäche der Laktobazillenflora (atypische Laktobazillen), 왘 Zervixinsuffizienz (Gewebeschwäche), operative Schädigung der Zervix (Konisation, Dilatation), 왘 lokale Abwehrschwäche, 왘 Stresssituationen, 왘 starke psychische Belastung. 2 3 4 5 6 73 8 94 Eine eigene Studie zur Rolle der Vaginalflora zeigt die Tab. 8.11. KommtesvorderLebensfähigkeitdesKindeszu einer Infektion, dann endet die Schwangerschaft in einem Spätabort. In der Mehrzahl dieser Fälle wird dies ausgelöst durch eine Infektion mit Darmbakterien, d. h. Körperflora. Welche Bakterien die Infektion auslösen, ist schwer vorherzusagen. Sobald die Fruchthöhle und das Kind infizierte sind, setzen Wehen ein, die nicht selten zum Fruchtblasenprolaps führen und dann zur Ausstoßung des Kindes, da ansonsten die Mutter gefährdet ist. Die Hoffnung, durch eine engmaschige bakteriologische Kontrolle in Verbindung mit der Bestimmung von Entzündungsparametern das Infektionsrisiko und den Infektionsbeginn frühzeitig zu erkennen und damit den Spätabort/die 10 11 5 12 137 6 14 15 7 16 209 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden! Aus Eiko E. Petersen: Infektionen in Gynäkologie unf Geburtshilfe (ISBN 9783137229049) © Georg Thieme Verlag KG 2003 1 2 Abb. 8.25 27-jährige Patientin im Zustand nach 4 Spätaborten mit klaffendem Zervixkanal. 3 4 Abb. 8.26 Blasenprolaps in der 24. SSW mit Gemini bei 26-jähriger Patientin. Tabelle 8.11 Beziehung zwischen Vaginalflora und Frühgeburt ohne Spätaborte (Studie UFK Freiburg 1985, Eingruppierung nach mikroskopisch bewerteten Grampräparaten bei Aufnahme in den Kreißsaal) 5 6 Gesamtzahl der Schwangeren − Laktobazillen − Mischflora − massive Störung/Aminvaginose 7 8 9 Zahl der Frauen davon Entbindung vor 37. SSW 1031 (100 %) 731 (72 %) 154 (15 %) 138 (13 %) 45 (4 %) 14 (2 %) 20 (13 %) 11 (8 %) frühe Frühgeburt zu verhindern, hat sich leider bis heute nicht erfüllt. Ursachen hierfür sind die zunächst lokale Begrenzung der Infektion, aber auch die begrenzten Möglichkeiten der Bakteriologie. Es ist bekannt, dass in der Routinebakteriologie manche Erreger aufgrund ihrer Labilität und ihrer teilweise schwierigen Anzüchtung nicht nachgewiesen werden können. Es ist daher sinnvoller, eine generelle Verbesserung der Vaginalflora schon früh in der Schwangerschaft anzustreben. Die Quelle der unerwünschten Keime in der Vagina ist meist der Bereich des eigenen Darmausgangs. Schon aus anatomischen Gründen ist dieser Bereich bezüglich Reinigung und Pflege problematisch. Es ist dies für den durchschnittlichen Patienten quasi unbekanntes Land, der Be- 10 11 12 13 14 15 16 reich ist nicht ohne weiteres einsehbar, die Beurteilung seines Zustands wird weitgehend dem Tastgefühl überlassen. Dies ist fatal und die häufige Aussaat von Bakterien ist erklärlich. Ein Fruchtblasenprolaps ohne Infektion der Fruchthöhle führt nicht zwangsläufig sofort zur Frühgeburt, wie die Abb. 8.26 zeigt, sondern kann noch wochenlang halten. Dagegen ist die Ausstoßung des Kindes bei Infektion der Fruchthöhle auch mit Antibiotika nicht mehr aufzuhalten. Die Abb. 8.27 zeigt den Fruchtblasenprolaps einer Patientin in der 18. SSW, die schon 2 Spätaborte erlitten hatte. In der Fruchtblase befindet sich reichlich Leukozytensediment als Ausdruck der Infektion der Fruchthöhle. Die Entzündungsparameter bei der Mutter 210 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden! Aus Eiko E. Petersen: Infektionen in Gynäkologie unf Geburtshilfe (ISBN 9783137229049) © Georg Thieme Verlag KG 2003 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Infektionen in der Schwangerschaft Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Prophylaxe des Spätaborts und der frühen Frühgeburt 1 Abb. 8.27 Fruchtblasenprolaps mit infizierter Fruchthöhle (Leukozytensediment) bei 3. Spätabort einer 23-jähriger Patientin. Abb. 8.28 Patientin nach zweimaligem Spätabort. Jetzt 19. SSW mit prophylaktischer Zerklage. (Leukozyten im Blut und CRP) waren nicht erhöht, die Vaginalflora wies nur eine leichte Störung, bestehend aus Laktobazillen und etwas Darmflora (E. coli), auf. Die Pathohistologie bestätigte eine Chorioamnionitis und eine massive Pneumonie des Kindes. Mit dem folgenden Vorgehen kam es bei insgesamt 42 dieser Frauen nur bei 2 Frauen zum erneuten Verlust des Kindes: 왘 intensive Betreuung mit ganzem Einsatz der ärztlichen Persönlichkeit, 왘 langfristige Optimierung der Vaginalflora (täglich Vagi-C), 왘 Cerclage in der 14. SSW (Abb. 8.28), auch totaler Muttermundverschluss ist möglich, 왘 engmaschige Kontrollen mit Speculumeinstellung, 왘 Beurteilung der Vaginalflora (pH-Wert, Mikroskopie, Mikrobiologie bei: Leukorrhö, Kontraktionen, Zervixverkürzung), 왘 Zervixvermessung durch Ultraschall (Länge, Beurteilung des inneren Muttermunds [Trichter?]) 왘 prophylaktisch Antibiotika zur Cerclage und wiederum 1 Woche vor dem Termin des letzten Spätaborts, bei pathogenen Keimen, erhöhten Entzündungsparametern, Wehen, 왘 Beruhigung durch frühzeitige orale Magnesiumgabe, Abbau von Stresssituationen, 왘 konsequente tägliche Anal- und Vulvapflege zur Keimreduktion durch Glättung und Beruhigung der Hautzone des Intimbereichs mit Fett, z. B. Deumavan. 2 3 4 Prophylaxe des Spätaborts und der frühen Frühgeburt Risikofaktoren für Frühgeburt und Spätabort in der Reihenfolge ihrer Gewichtung sind: 왘 Anamnese (Zustand nach Spätabort/früher Frühgeburt), 왘 Infektionen, 왘 Zervixveränderungen, 왘 gestörte Vaginalflora, 왘 Stress, Angst Einige dieser Risikofaktoren können abgebaut oder zumindest gemildert werden. Die Intensität der Maßnahmen richtet sich nach der Anamnese und dem aktuellen Zustand. Frauen mit mehreren Spätaborten tragen mit über 60 % ein hohes Wiederholungsrisiko. 5 6 73 8 94 10 11 5 12 137 6 14 15 7 16 211 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weiter gegeben werden! Aus Eiko E. Petersen: Infektionen in Gynäkologie unf Geburtshilfe (ISBN 9783137229049) © Georg Thieme Verlag KG 2003