Diakonische Fort- und Weiterbildungsakademie

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Diakonische Fortund Weiterbildungsakademie gGmbH
Abschlussarbeit
Im Rahmen der Weiterbildung zur staatlich anerkannten
Leitenden Pflegefachkraft (LP 25/16)
Implementierung eines Ethikkomitees in der
Tabea – Leben in Geborgenheit gGmbH als Modellprojekt
Frank Kobza
geb. 10.12.1973
Abgabetermin:
20.03.2017
Frank Kobza LP 25/16
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1.1 Ausgangssituation in der Einrichtung Tabea – Leben in Geborgenheit gGmbH…..Seite 3
1.2. Zielsetzung der Projektarbeit, Vorgehensweise und Rolle der Ethikberater………Seite 3
Hauptteil
2.1. Rahmenbedingungen und Ethik in der Pflege………………………………………..Seite 5
2.2. Das Ethikkomitee im Altenpflegeheim………………………………………………...Seite 6
2.3. Bedeutung des Change Managements für die Projektplanung…………………….Seite 7
3. Welche Schritte sind zur Implementierung eines Ethikkomitees erforderlich?..........Seite 8
3.1. Schritt 1: Planung………………………………………………………………………..Seite 9
3.2. Schritt 2: Sensibilisierung……………………………………………………………….Seite 10
3.2.1. EXKURS: Die Moderation praxisnaher Ethikberatung am Fallbeispiel………….Seite 11
3.3. Schritt 3: Vernetzung……………………………………………………………………Seite 13
3.4. Schritt 4: Entwicklung eines Arbeitskreises Ethik…………………………………..Seite 13
3.5. Schritt 5: Gründung des Ethikkomitees auf Einrichtungsebene (Ethikzirkel)……Seite 14
3.6. Schritt 6: Mobile Ethikberatung………………………………………………………..Seite 14
Resümee
3.1. Ausblick, Stellungnahme und Fazit…………………………………………………..Seite 15
Literaturverzeichnis………………………………………………………………………..Seite 17
Anhang…………………………………..…………….………………………….………….Seite 17
2
Frank Kobza LP 25/16
Einleitung
1.1.
Ausgangssituation in der Einrichtung Tabea - Leben in Geborgenheit gGmbH
Tabea - Leben in Geborgenheit gGmbH ist eine von vier deutschlandweiten Standorten der
Tabea-Gruppe des Diakoniewerk Tabeas. Die zu beschreibende Einrichtung (nachfolgend
mit Tabea - LiG abgekürzt) umfasst eine Kombination aus Wohn- und Pflegeeinrichtung, die
vor über 117 Jahren aus einer freikirchlichen Diakonissen-Schwesternschaft entstanden ist.
Sie sichert auf ihrem Campus 301 Bewohnern je nach Grad der Pflegebedürftigkeit
individuelle Möglichkeiten der teil- und vollstationären, palliativen Pflege und sozialen
Betreuung zu und bietet zusätzlich über 100 Wohnungen ohne pflegerische Versorgung an.
Tabea - LiG beherbergt eine Physikalische Therapie mit Trainingscenter und einem
Schwimmbad. Es werden auf dem großzügig angelegten Geländekomplex neben der
Beschäftigungstherapie diverse Angebote zur Freizeitgestaltung mit Lädchen, Frisiersalon,
Café, Garten der Sinne, Kita, Restaurant, Bibliothek, Foyer, Festsaal und Räumen der Stille
ermöglicht. Tabea - LiG verfügt seit 1995 über pastorale Seelsorge und Hospizbegleitung
und seit 2016 über Palliative Care-Beratung.
Mitte 2016 wurde seitens des neu zusammengesetzten Vorstandes der Tabea-Gruppe „Topdown“ die Entscheidung getroffen, als langfristiges Ziel ein Gesamtethikkomitee aller
Standorte zu gründen. Dahinter verbirgt sich die Idee nach einem multiprofessionalem Team,
welches in ferner Zukunft helfen soll, den Begriff Ethik über Pflegesituationen hinaus
auszudehnen.
Der Vorteil eines Top-down-Modells besteht darin, dass es schneller und
leichter zur Umsetzung der Entscheidung beiträgt, da „die Einsicht in den Sinn einer
Ethikberatung und die Bereitschaft zu deren Implementierung bereits gegeben sind1 und
daher an dieser Stelle keine Überzeugungsarbeit mehr geleistet werden muß“2. Dazu wurde
Ethikberaterin und Gemeindepastorin Frau Pusch gebeten, die Implementierung zu
begleiten. Es wurde als kurzfristiges Ziel entschieden zuerst ein Ethikkomitee auf
Einrichtungsebene zu entwickeln. Da es am Standort Hamburg, Tabea - LiG bereits von
2008 bis 2012 ein Ethikkomitee gab, bot sich auf Grund der Vorkenntnisse hier das
Modellprojekt
an, um das Rad nicht neu zu erfinden. Positive Grundvoraussetzungen
lieferten einerseits die Tabea Leitlinien3, die von dem damaligen Ethikkomitee erstellt
wurden. Andererseits bestand „Bottom-up“ der Wunsch langjähriger Mitarbeiter, die zum Teil
im Ethikkomitee und Arbeitskreis Ethik mitgewirkt hatten, ein neues Ethikkomitee wieder
aufleben zu lassen. Somit wurde einer generellen Gefahr „der Skepsis oder gar Misstrauen
gegenüber einem Komitee, das „von oben herab“ eingerichtet wird“4 im Vorfelde vorgebeugt.
1
Vgl. Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im Altenpflegeheim, S. 101;
2
Vgl. Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im
3
Altenpflegeheim, S. 101; Vgl. Anhang 1.
3
Frank Kobza LP 25/16
1.2.
Zielsetzung der Projektarbeit , Vorgehensweise und Rolle der Ethikberater
Die vorliegende Abschlussarbeit hat das Ziel, im Rahmen einer Projektentwicklung und begleitung,
exemplarisch die Implementierung eines Ethikkomitees im Tabea - LiG am
Standort Hamburg-Osdorf als Modellprojekt darzustellen. Dabei beschäftige ich mit der
zentralen Frage: Welche Schritte sind zur Implementierung eines Ethikkomitees erforderlich?
Die Implementierung soll „individuell an die Einrichtung angepasst in sechs Schritten“5
erfolgen. Über den Exkurs: Moderation einer praxisnahen Ethikberatung am Fallbeispiel,
bekommt dabei das ethische Fallgespräch eine besondere Bedeutung zugesprochen. Die
jeweiligen Projektschritte werde ich im Hauptteil meiner Abschlussarbeit genauer
beschreiben. Jeder dieser Schritte erfordert Raum und Zeit für Veränderungen, sowie ein
hohes Maß an Reflexionsfähigkeit bei den Mitarbeitenden. Ich habe mich daher dazu
entschlossen, die Planung und Umsetzung mit Hilfe von Change Management Methoden zu
begleiten. Zuvor möchte ich, die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Begriffe Ethik in der
Pflege und die Aufgaben eines Ethikkomitees in der Altenpflege kurz darstellen. Am Ende
der Abschlussarbeit nehme ich zum Projektverlauf kurz Stellung. Da es sich um ein
Laufendes noch nicht abgeschlossenes Projekt handelt, sind am Ende Rückschlüsse nur bis
zum gegenwärtigen Stand möglich. Prognosen zur Errichtung eines Gesamtkomitees sind
nicht Gegenstand dieser Abschlussarbeit und bleiben spekulativ. Abschließend ziehe ich ein
kurzes Fazit und ende mit einer Widmung und Danksagung.
Die Besonderheit an der darzustellenden Projektentwicklung besteht in der Rolle zweier
kooperierender Ethikberater. Sie ermöglicht den direkten Austausch untereinander, Reflexion
und gegenseitiges Feedback im Projektverlauf. Die Ethikberater helfen sich in der
Moderation und Protokollführung zu Fortbildungen, Ethikcafés
und der mobilen
Ethikberatung, auf die ich zum späteren Verlauf genauer eingehen werde. Projektleiterin
Frau Pusch nimmt als Gemeindepastorin, ehemalige Krankenschwester und ausgebildete
Ethikerin die Rolle der ersten Ethikberaterin ein. Als Stellvertretende Pflegedienstleitung und
langjähriger Mitarbeiter bei Tabea - LiG, bin ich in der Rolle des zweiten Ethikberaters. Die
erste Ethikberaterin verfügt über Erfahrungen und Fachwissen im Bereich Ethik und nimmt
die Metaebene ein. Als Gemeindepastorin kennt
sie Bewohner, Angehörige und
Mitarbeitende des Hauses und hat Einblick in ethische Themen im Alltag. Der zweite
Ethikberater, erfahren im Beschwerdemanagement,
befindet sich im Lernprozess zum
Thema Ethik, kennt die Einrichtung Tabea - LiG und moralische Konflikte aus dem Bereich
der Pflege. Mitte des Jahres strebe ich die Weiterbildung zum Berater für Ethik im
Gesundheitswesen an. Damit die Rolle der Ethikberater klar differenziert wird, ist diese
transparent nach außen zu kommunizieren. Zu den Aufgaben der Ethikberater gehört es,
Vgl. Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im Altenpflegeheim, S. 101;
4
5
Vgl. Vollmann: Klinische Ethikkomitees und
Ethikberatung in Deutschland: Bisherige Entwicklung und zukünftige Perspektiven/ Focus Klinische Ethikberatung S. 38ff.
4
Frank Kobza LP 25/16
ethische Themen innerhalb Tabea - LiG, v.a. zwischen den einzelnen Berufsgruppen und
Bewohnern zu identifizieren und den Beteiligten bewusst zu machen, sowie auf erkannte
ethische Problemfelder angemessen zu reagieren. Mitarbeitende sollen fortgebildet werden
mit dem Ziel, selbst ethische Fragestellungen erkennen zu können. Sie sollen wissen, wo
und wie sie Unterstützung zur Lösung ethischer Probleme bekommen und Foren innerhalb
der Einrichtung nutzen zur Förderung ethisch-reflektierten Verhaltens. Konflikte müssen
erkannt und in Prinzipien der biomedizinischen Ethik (Beauchamp/ Childress)6 übersetzt
werden. Die Prinzipienethik von Beauchamp und Childress von 2001 „dient als normative
Grundlage für eine diskursorientierte Ethik… meint …die problemlösungsorientierten
Verfahren in der kommunikativen Praxis der unterschiedlichen Einrichtungen medizinischer
und pflegerischer Versorgung …beispielsweise auch Grundlage und Ziel der Ethikberatung.
Die vier Prinzipien (Anmerkung: Autonomie, Fürsorge, Nichtschaden, Gerechtigkeit)
fungieren dabei als normativer Rahmen, der in der Praxis mit daraus abgeleiteten und
entwickelten Regeln ausgefüllt werden muss.“7
Hauptteil
2.1. Rahmenbedingungen und Ethik in der Pflege
Ethische Fragen in der institutionalisierten Altenpflege verweisen auf die Grundrechte des
Menschen, dazu heißt es in der Präambel der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger
Menschen: “Jeder Mensch hat uneingeschränkten Anspruch auf Respektierung seiner
Würde und Einzigartigkeit. Menschen die Hilfe und Pflege benötigen, haben die gleichen
Rechte wie alle anderen Menschen und dürfen in keiner Weise benachteiligt werden, da sie
sich häufig nicht selbst vertreten können, tragen Staat und Gesellschaft eine besondere
Verantwortung für den Schutz der Menschenwürde hilfe- und pflegebedürftiger Menschen.“8
In Artikel 1 der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen kommt eines der
vier ethischen Prinzipien, die Autonomie zum Tragen, dort lautet es: “Jeder hilfe- und
pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf Hilfe zur Selbsthilfe und auf Unterstützung, um
ein möglichst
selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen zu können.“9 In der
Hamburger Berufsordnung für Pflegeberufe vom 29.September 2009 konkretisiert sich die
ethische Verantwortung in der Begleitung der Menschen im § 3 Berufsbild: Die
Pflegefachkräfte bedienen sich der fachlichen, personalen, sozialen und methodischen
Kompetenzen,
die
zur
Pflege
von
Menschen
in
unterschiedlichen
Pflege-
und
10
Lebenssituationen sowie Lebensphasen erforderlich ist.“ In der Anwendung der einzelnen
Elemente des ICN-Ethikkodex für Pflegende von 2012 wird eine diskursorientierte Ethik
empfohlen: “Anhand eines konkreten Beispiels aus der Berufspraxis ethische
6
Vgl.
Bockenheimer-Lucius,
Altenpflegeheim, S.70;
8+9
Ethikkomitee
im
Altenpflegeheim,
S.71;
7
Vgl.
Bockenheimer-Lucius,
Vgl. Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen, S.7+9;
Ethikkomitee
10
Vgl.
im
Hamburger
Berufsordnung für Pflegeberufe vom 29.September 2009 §3 Berufsbild, Fortbildungspass für Pflegefachkräfte, S.36.
5
Frank Kobza LP 25/16
Problemsituationen identifizieren und die entsprechende Verhaltensform aus dem Kodex
herausfinden, entscheiden, wie das Dilemma zu lösen ist“11.
„Ethik in der Pflege thematisiert diejenigen moralischen und ethischen Dimensionen, die im
Kontext
des
verantwortlichen
pflegeberuflichen
Auftrags,
der
interdisziplinären
Zusammenarbeit und der professionellen Interaktion bedeutsam sind. Ethik hat zum Ziel,
Orientierungshilfe für die ethisch reflektierte und moralisch begründbare Pflegepraxis zu
sein. Ethik und ethische Reflexion, verstanden als integraler Bestandteil professioneller
Pflege, sind an den originären Gegenstandsbereich der Pflege und die damit gekoppelten
anthropologischen Implikationen gebunden.“12
Ethik in der Pflege bekommt zunehmend eine wichtigere Bedeutung „in der Komplexität der
Handlungsoptionen in der Pflege und in der Medizin und angesichts der Wertepluralität
unserer Gesellschaft… wird der Bedarf in Einrichtungen der ambulanten und stationären
Altenhilfe immer bewusster: „Altenpflegeheime sind Entitäten mit moralischen Pflichten““ 13.
2.2. Das Ethikkomitee im Altenpflegeheim
„… Ethikkomitees stellen Foren für ethische Probleme in der täglichen Behandlung von
Patienten im Krankenhaus, in Pflegeheimen, Einrichtungen der Behindertenhilfe…dar…
Neben der fallbezogenen ethischen Beratung von …Mitarbeitern …sowie von Patienten und
Angehörigen
erarbeiten
sie
ethische
Leitlinien
und
bieten
Fort-
und
Weiterbildungsveranstaltungen an“14.Gemeinsamkeiten mit dem klinischen Ethikkomitee
eines Krankenhauses (KEK) und dem eines Altenpflegeheimes bestehen beispielsweise in
den grundsätzlichen Strukturen: „Auf der fallbezogenen Ebene steht die Behandlung, Pflege
und Versorgung des einzelnen Patienten im Mittelpunkt. Hier geht es um konkrete
Entscheidungen und ethische Konflikte im Einzelfall, die von Ärzten, Pflegenden und
anderen Gesundheitsberufen im Alltag auf Station zu bewältigen sind… Durch ethische
Einzelfallbetreuung und Fallbesprechungen auf Station kann ein KEK hier einen wichtigen
Beitrag leisten, um die Mitarbeiter zu unterstützen und die Patientenversorgung zu
verbessern“15.Genauer betrachtet unterliegen klinische Ethikkomitees in Krankenhäusern
anderen Voraussetzungen und Bedingungen, als Ethikkomitees im Altenpflegeheim: Die
Verweildauer der Patienten im Krankenhaus ist kurzweilig, während Bewohner eines
Altenpflegeheimes ihren „Lebensabend“ in ihrem „Zuhause“ verbringen. Dieser Unterschied
macht Mitarbeitende der Pflege zu betreuenden Begleitern, dabei geht beispielsweise die
individuelle biografische Arbeit mit dem Bewohner weit über die Anamnese im Krankenhaus
hinaus. Damit sind „…es nicht nur die großen medizinischen Fragen…, sondern vielmehr
11
Vgl. ICN-Ethikkodex für Pflegende von 2012, S.4;
12
Vgl. Christiane Kallenbach: Unterrichtsskript: Ethik in der Pflege, S.1;
13
Vgl. Bockenheimer-Lucius, May: Ethikberatung - Ethik-Komitee in Einrichtungen der stationären Altenhilfe (EKA) Eckpunkte
für ein Curriculum, S.1;
14+15
Vgl. Vollmann: Klinische Ethikkomitees und Ethikberatung in Deutschland: Bisherige Entwicklung
und zukünftige Perspektiven/ Focus Klinische Ethikberatung, S.33.
6
Frank Kobza LP 25/16
gerade die Probleme in der Alltagsroutine, die Debatten um ethische Fragen hervorrufen…
Dementsprechend ist… in Deutschland auch in Einrichtungen der stationären… Altenhilfe
der Bedarf an Ethikberatung und die Notwendigkeit einer Etablierung von Ethikkomitees
nicht zu übersehen“16. Die Themenschwerpunkte für diese Alltagsroutine im Altenpflegeheim
werden in folgende Falltypen17 eingeordnet, z.B.: Kommunikationsschwierigkeiten zwischen
Mitgliedern der Heilberufe bei therapeutisch-pflegerischen Entscheidungen am Lebensende
(z.B. Notarzt>Pflegefachkraft), die „Defensivpflege“, d.h. aus Angst vor juristischen
Konsequenzen werden überflüssige oder sogar nutzlose diagnostische oder therapeutische
Maßnahmen durchgeführt, die Verletzung der Privatsphäre der Bewohner, Gewalt,
Belästigung und Würdeverletzungen , Verweigerung von pflegerisch eindeutig indizierten
Maßnahmen, Versuche von „Dritten“ (z.B. Angehörige, Ärzte, Betreuer) den Willen des
Bewohners zu beeinflussen. Zur wesentlichen Aufgabe eines Ethikkomitees gehört es
deswegen, die moralischen Akteure im Altenpflegeheim18 (Bewohner, Angehörige,
Pflegende) ethisch zu sensibilisieren und Themenschwerpunkte in den unterschiedlichen
Foren lösungsorientiert zu diskutieren.
2.3. Bedeutung des Change Managements für die Projektplanung
Um ein Projekt in einer Einrichtung mit über 150 Mitarbeitern der Pflege zu entwickeln und
dauerhaft zu integrieren, bedarf es eines anpassungsfähigen Veränderungszeitraums.
Dieser ergibt sich aus den „emotionalen Reaktionen in Change Management-Prozessen“19.
Die Reaktionen brauchen Raum, Zeit und
sind unterschiedlich negativ oder positiv
energiegeladen, d.h. sie bremsen oder beschleunigen den Umsetzungsprozess und haben
wesentlichen Einfluss auf die einzelnen Schritte bei der Implementierung: „Die emotionalen
Reaktionen auf abrupte Veränderungen
vollziehen sich nach Richard K. Streich in 7
Phasen:1) Schock, Überraschung: Hier herrscht das Gefühl von Angst vor Neuem und
Unverständnis vor. 2) Verneinung, Ablehnung: Nach dem ersten Schockzustand schließen
sich die Betroffenen gegen die Veränderung zusammen, um klar zu machen, dass die
angekündigten Maßnahmen aus ihrer Sicht überflüssig sind. 3) Rationale Einsicht: ... dass
ein Wandel unvermeidbar, vielleicht sogar notwendig ist… Es werden oberflächliche
Veränderungen wahrgenommen. 4) Emotionale Akzeptanz: … entscheidende Wendung: Es
werden gewohnte Verhaltensweisen verlassen, eine grundlegende Neuorientierung kann
beginnen. 5) Ausprobieren, Lernen: … Neugier auf das Neue… durch Erfolge und
Misserfolge wird gelernt, welche Verhaltensformen angebracht sind. 6) Erkenntnis: … dass
die Veränderung auch etwas Gutes hat. Durch erste Erfolge vollzieht sich eine Erweiterung
der eigenen Fähigkeiten, und die Integration der Handlungen in den Alltag beginnt.
16
Vgl. Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im Altenpflegeheim, S.15;
Altenpflegeheim, S.156-225;
18
17
Vgl. Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im
Vgl. Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im Altenpflegeheim, S.89;
19
Vgl. Zelesniack/Grolman,
Die besten Change Management Modelle im Vergleich, initio Organisationsberatung, S.1.
7
Frank Kobza LP 25/16
7) Integration: Die neuen Handlungs- und
Verhaltensweisen werden letztlich von den
Mitarbeitern vollständig in den Alltag integriert und als selbstverständlich erachtet.“20 „Dieses
Modell der emotionalen Reaktionen in Change Management Prozessen gibt... eine
Orientierung, mit welchen Verhaltensweisen zu rechnen ist… Dieses Modell gilt… für das
Verarbeiten … bei größeren, abrupten Veränderungen. Solche Reaktionen treten
typischerweise eher nicht auf, wenn… größere Veränderungen sich „leise“ angekündigt
haben und wenig überraschend kommen, Mitarbeiter beim Erarbeiten der Veränderungen
mit einbezogen wurden“21. Eine Grundvorrausetzung, die
in der Einrichtung Tabea-LiG
erfüllt wurde und keine systematischen Situationsanalyse im Vorwege benötigte (siehe 1.1.
Ausgangsituation in der Einrichtung Tabea - Leben in Geborgenheit gGmbH Seite 3, Absatz
3-4). Mit Hilfe von Change Management Methoden ist es möglich, innerhalb eines
Veränderungsprozesses, sich auf Widerstände im Vorwege einzustellen, auf Mitarbeitende
einzugehen, sie „abzuholen“ und dann integrativ Betroffene zu beteiligen. Es bietet sich bei
der Implementierung eines Ethikkomitees in der Einrichtung Tabea - LiG das „Fünf Stufen
Modell nach W. Krüger“22 an. „Es lässt die Möglichkeit zu, innerhalb der verschiedenen
Phasen Umgestaltungsmaßnahmen und flexible Anpassungen an die jeweilige Situation
vorzunehmen,
somit
sind
auch
Rückschritte
erklärbar.“23
„Stufe
1:Initialisierung:
…Notwendigkeit einer Veränderung wird festgestellt; System- und Situationsanalyse ist
durchzuführen; Träger des Veränderungsprozesses werden aktiviert. Stufe 2:Konzeption:
…Definition der Ziele und Maßnahmen. Stufe 3:Mobilisierung: …Kommunikation mit den
Betroffenen über die bevorstehende Veränderung und Vorbereitung auf die Umsetzung.
Stufe 4:Umsetzung: …Geplante Änderungen werden durchgeführt und evaluiert. Stufe
5:Verstetigung:
…Verankerung
der
Ergebnisse
des
Wandlungsprozesses“24.
Das
Qualitätsmanagement und der PDCA-Zyklus sind den Pflegenden aus ihrem Arbeitsalltag
bekannt und sind an dieser Stelle hilfreich bei der Implementierung.
3. Welche Schritte sind zur Implementierung eines Ethikkomitees erforderlich?
Zur Planung und Vorbereitung gehört vor allem die Orientierung der Projektschritte an die
zuvor beschriebenen Change Management Modelle. Nachdem von Vorstand und
Einrichtungsleitung bei einhergehendem Wunsch der Mitarbeiter entschieden wurde, ein
Ethikkomitee in Tabea-LiG neu zu errichten, beginnt die Konzeption:
Schritt 1: Planung: In Anlehnung an Phase:1)Schock, Überraschung25: Das Konzept der
Entwicklung des Ethikkomitees als Modellprojekt wird erstellt und zuerst auf Vorstands- und
Leitungsebene und dann auf einer Mitarbeiterversammlung vorgestellt. Dabei werden Ziele,
20+21
Vgl. Zelesniack/Grolman, Die besten Change Management Modelle im Vergleich, initio Organisationsberatung, S. 3-5;
22+23
Vgl. Zelesniack/Grolman, Die besten Change Management Modelle im Vergleich, initio Organisationsberatung, S. 10-12;
24
Vgl. Zelesniack/Grolman, Die besten Change Management Modelle im Vergleich, initio Organisationsberatung, S. 11;
25
Vgl. 7
Phasen Modell nach Richard K. Streich.
8
Frank Kobza LP 25/16
Aufgaben, Bedarf und Nutzen für die Einrichtung verdeutlicht. Wesentlich für den späteren
Projektverlauf ist Schritt 2: Sensibilisierung: In Anlehnung an die Phase 2) Verneinung,
Ablehnung26 werden alle an der Pflege beteiligten Mitarbeiter und Berufsgruppen über
Fortbildungsangebote zum Thema Ethik informiert und zum Thema „Ethik in der Pflege“
aufgeklärt. Die Mitarbeiter erhalten erste Kurzfortbildungen auf dem Wohnbereich. Diese
werden auf alle Wohnbereiche ausgeweitet in Phase 3) Rationale Einsicht27. In der Phase 4)
Emotionale Akzeptanz28 finden zweite Fortbildungen auf den Wohnbereichen mit
besonderem Augenmerk auf „das ethische Fallgespräch“ statt. Für ein Ethikcafé wird in der
Phase 5) Ausprobieren, Lernen29 geworben. Schritt 3: Vernetzung: Dieser ist angelehnt an
die Phase 6) Erkenntnis30 Kooperation mit dem Diakonischen Werk in Hamburg,
diakonischer Einrichtungen und Krankenhäuser sowie Kontakt herstellen zu externen
Referenten für Veranstaltungen zum Thema: Ethik. Schritt 4: Entwicklung eines
Arbeitskreises Ethik: Dieser ist sinnvoll in Phase 7)Integration31: Interessierte Mitarbeiter
sollen die Möglichkeit erhalten, Ethikcafés thematisch vorzubereiten und sich als Mitarbeiter
für das Ethikkomitee der Einrichtung zu empfehlen. Schritt 5: Gründung des
Ethikkomitees auf Einrichtungsebene: Aus dem Arbeitskreis Ethik werden vom Vorstand
und Einrichtungsleiter fünf bis acht Mitglieder des Komitees gewählt. Das Komitee gibt sich
eine Satzung, organisiert Fortbildungen, verabschiedet „Leitlinien“32 und entsendet die
mobile Ethikberatung. Schritt 6: Mobile Ethikberatung: Zwei Mitglieder des Ethikkomitees
moderieren und protokolieren zeitnah innerhalb eines ethischen Fallgespräches auf dem
Wohnbereich. Beratungsbedarf wird vom Ethik-Ansprechpartner des Wohnbereiches (in der
Regel die Wohnbereichsleitung) an die mobilen Ethikberater gemeldet. Ergebnisse werden
sowohl in der Bewohnerakte als auch anonymisiert an das Ethikkomitee weitergegeben. Die
Erfahrungen der Implementierung werden zukünftig für die Errichtung eines Gesamtkomitees
aller Tabea - Einrichtungen ausgewertet und an den Vorstand zurückgemeldet. Während der
Implementierung steht der Projektleitung das Vorstandsmitglied und Diakonin Frau Eggers Macuch unterstützend und fördernd zur Seite. Sie beteiligt sich an der Öffentlichkeitsarbeit
und innerbetrieblicher Werbung für Ethikcafés und Mitwirkung am Ethikkomitee.
3.1. Schritt 1: Planung
Unter Berücksichtigung des Fünf Stufen Modells nach W.Krüger 33 beginnt die Planung und
Vorbereitung auf Stufe 1: Initialisierung34: Seitens des Vorstands der Tabea-Gruppe wurde
Ethikberaterin und Gemeindepastorin Frau Pusch die Projektleitung übertragen. Es wurde
entschieden, zuerst ein Ethikkomitee am Standort Hamburg, Tabea - LiG als Modellprojekt
zu entwickeln. Großer Aufwand an Überzeugungsarbeit und starke Widerstände stellen nach
SWOT-Analyse ein geringes Risiko dar und werden als Chance eingeschätzt, weil seitens
26-31
Vgl. 7 Phasen Modell nach Richard K. Streich; 32 Vgl. Anhang 1; 33+34 Vgl. Fünf Schritte Modell nach W. Krüger.
9
Frank Kobza LP 25/16
der langjährigen Mitarbeiter der Wunsch zur Mitwirkung im Ethikzirkel und Erfahrungen im
Ethikkomitee projektfördernd ist. Im Rahmen einer Präsentation in einer Vorstandssitzung
zum Thema Strategie, werden der Einrichtungsleitung und der Pflegedienstleitung das
Modellprojekt und die Implementierungsschritte im Wesentlichen dargestellt. Dabei erhalten
alle Anwesenden eine Kurzschulung zum Thema Moral und Ethik, damit alle auf dem
gleichen Wissenstand sind. Anhand von Fallbeispielen wird der Bedarf an ethischer
Beratung in der Altenpflege veranschaulicht. Die Ziele und Aufgaben eines Ethikkomitees
werden kurz dargestellt. Es wird darauf hingewiesen, welche finanziellen, materiellen und
personellen Ressourcen benötigt werden. Die Chancen nach Umsetzung dieses Modells
werden aufgezeigt: Ein Imagegewinn für Tabea, eine optimierte Arbeitsweise und
Kommunikationskultur und eine Verbesserung der Pflegequalität. Stufe 2: Konzeption35:
Ziele werden für alle an der Pflege und Betreuung beteiligten Mitarbeiter definiert: die
Sensibilisierung für ethische Fragestellungen und Stärkung der Kompetenz im Umgang mit
ethischen Fragen, sowie Raum und Möglichkeiten der Reflexion und Diskussion ethischer
Konflikte. Diese Ziele werden ermöglicht durch folgende Aufgaben: Fortbildungen,
Fallbesprechungen und Leitlinienentwicklung. Die Mitarbeit beim Ethikprojekt ist Arbeitszeit:
Die Projektleitung obliegt mit 33% Freistellung der ersten Ethikberaterin Frau Pusch in
Kooperation mit mir als dem zweiten Ethikberater, die beide auch für Fortbildungen und
Inhalte verantwortlich sind. Es wird beschlossen, alle Mitarbeiter innerbetrieblich ethisch
fortzubilden: Zuerst werden die Wohnbereichsleitungen geschult, die als Multiplikatoren in
den Teams der Wohnbereiche fungieren. Sie vermitteln den Mitarbeitern erste Eindrücke
zum Thema Moral und Ethik und sind erste „Ethik-Ansprechpartner“36 für die zwei benannten
Ethikberater. „Die Stärke dieser Hub and Spokes Strategy (oder: Dezentrales Rad-Modell
nach Mac Rae, Toronto) ist die dezentrale und multiprofessionelle Integration von ethischen
Dienstleistungen in einer Organisation“37. „Im Mittelpunkt der Radnabe, steht der …Ethiker
als
Koordinator
und
Organisator.“38
Von
zentraler
Bedeutung
ist
der
nächste
Implementierungsschritt: Die Sensibilisierung der Mitarbeiter.
3.2. Schritt 2: Sensibilisierung
Stufe 3: Mobilisierung39: Um für die nachgeordneten Mitarbeiter ein Bewusstsein für Ethik zu
schaffen ist die erste Kurzfortbildung in Form eines Meinungsaustausches zu den Themen
Moral und Ethik geplant. Alle Fortbildungen finden auf den Wohnbereichen als geplante
Teambesprechungen in einer Dauer von jeweils sechzig Minuten statt. Inhaltlich und
provokativ soll unter der Überschrift: “Niemand soll mehr mit einem schlechtem Gewissen
nach Hause gehen müssen“ bei den Mitarbeitern Betroffenheit ausgelöst werden. Durch
moderierte Gespräche in den Teams sollen die Mitarbeiter dann beteiligt werden und
35+39
Vgl. Fünf Schritte Modell nach W. Krüger;
36-38
Vgl. Vollmann: Klinische Ethikkomitees. Institutionelle Strukturen und
Funktionen klinischer Ethik, S. 32-34.
10
Frank Kobza LP 25/16
erkennen, inwiefern ihnen Reflexion von Moral den Alltag erleichtern kann. Am Ende der
ersten Kurzfortbildung bekommen die Mitarbeiter
ein einseitiges Hand-out mit zwei
Schwerpunkten: Unter der Überschrift 1. Wahrnehmen des Problems werden die Begriffe
Moral und Ethik definiert. Der zweite Schwerpunkt 2. Nachdenken über das Problem nennt in
Anlehnung an Beauchamp und Childress40 die vier ethischen Prinzipien nach (Beauchamp/
Childress)40: Autonomie des Bewohners, Nutzen für den Bewohner, Nicht-Schaden für den
Bewohner, soziale Gerechtigkeit. Dies soll dem Mitarbeiter zeigen, dass ein ethischer
Konflikt zuerst einer differenzierten Betrachtung bedarf. Die Fortbildungsteilnehmer werden
gebeten, zur zwei Wochen später geplanten, zweiten Kurzfortbildung, ein konkretes
ethisches Fallbeispiel zu benennen. Die beiden Ethikberater, in der Rolle des Moderators
und des Protokollanten, leiten diese geplante Folgeschulung der Mitarbeiter auf den
Wohnbereichen. Es wird anhand eines zweiten Hand-Outs „Ethik in der Pflege - Teil II“ 41 ein
Leitfaden und eine Protokollvorlage
für das Vorgehen bei ethischen Problemen
ausgegeben: Hier erfährt der Mitarbeiter von der Kontaktaufnahme mit der „mobilen
Ethikberatung“
über
die
Vorbereitung
der
Fakten:
Nach
dem
Überlegen
und
Zusammentragen der Fakten, wird über die spontane Falldiskussion der direkt Beteiligten
(nach Bedarf), das systematische Vorgehen
innerhalb der ethischen Fallbesprechung
untergliedert. Die Methodische Ethikanalyse übernehmen dann die beiden Ethikberater und
präsentieren Fokusierte Ergebnisse – explizite Formulierungen. Sie schließen die
Veranstaltung mit Feedback, Evaluation, Begleitforschung (wenn möglich). Die Mitarbeiter
werden ermutigt, nach weiteren ethischen Problemen bei den Bewohnern Ausschau zu
halten und die „mobile Ethikberatung“ anzufordern. Im nachfolgenden Kapitel wird
an
folgendem Fallbeispiel: „Bewohnerin mit phasenweiser Desorientierung lehnt Dialyse ab“, die
Systematik einer praxisnahen Ethikberatung, veranschaulicht. Die strukturiert durchgeführte
Moderation ist von zentraler Bedeutung für die Sensibilisierung der Mitarbeiter und den
weiteren Projektverlauf:
3.2.1. EXKURS: Die Moderation praxisnaher Ethikberatung am Fallbeispiel
1. Planung:42
Inhaltlich: Teilnehmer: 2 Ethikberater, Die Wohnbereichsleitung und Stellvertretung von
Haus 1/2, alle Pflegekräfte und Betreuungskräfte des Wohnbereiches Haus 1/2. Ziel dieser
ethischen Fallbesprechung als
zweite Kurzfortbildung: handlungsweisendes ethisches
Verhalten, Verständnis ethischer Sichtweisen und Konflikte. Vorrausgehend gab es bereits
die erste Kurzfortbildung auf dem Wohnbereich Haus 1/2 mit der „Hausaufgabe“ für die
Mitarbeiter, ein aktuelles ethisches Fallbeispiel am Bewohner zu benennen und im
Folgegespräch näher zu betrachten. Es gab bereits Interesse an praxisnaher Ethik mit reger
40
Vgl. Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im Altenpflegeheim, S.71;
41
Vgl. Anlage 2;
42
Vgl. Heiko Schulzki, Unterrichtsmaterial
zur Moderation LP 25/16.
11
Frank Kobza LP 25/16
Beteiligung und deshalb weckte das geplante Folgegespräch die Aufmerksamkeit. Das Team
pflegt eine wertschätzende Kommunikationskultur, ist Neuem gegenüber aufgeschlossen
und nimmt an Gesprächen aktiv und offen teil.
Organisatorisch: Die Teambesprechung ist ein zweiwöchig vorher geplanter Folgetermin.
Ort: Pausenraum in Haus ½, Dauer: 13.30 Uhr bis 14.30 Uhr, Eine Mitarbeiterin wurde
vorher für die pflegerischen Bereitschaftsdienst aus der Teambesprechung „ausgeklammert“,
um Störungen zu vermeiden. Eine zuvor platzierte, mobile Moderationswand wird verwendet;
verschiedenfarbige unbeschriebene Karten mit den Überschriften aus den Fragestellungen:
Ethikfokus, Ethische Prinzipien/Werte, Perspektivenwechsel, Autonomie, Nutzen,
Nicht-Schaden.
Die Überschriften
dienen der Gliederung und werden mit genügend
Abstand links untereinander angeordnet.
Methodisch:
Zuvor wird die Rolle der Ethikberater als Moderator und Protokollant
festgelegt. Es wurde vereinbart,
dass der Protokollant die Karten mitschreibt und der
Moderator diese dann an die Moderationswand anpinnt. Ergebnisse der Moderation werden
auf dem Protokoll43 festgehalten. Geplant ist in einer anschließenden Nachbesprechung
zwischen
beiden
Ethikberatern,
neben
einem
Feedback
zur
Moderation,
das
Ergebnisprotokoll auszuarbeiten.
2. Ablauf:44 Nach einer Begrüßungsrunde im Sitzkreis bekommen die Anwesenden zum
Einstieg eine zweiminütige Kurzwiederholung zum Thema Ethik. In das Hauptthema:
Ethikberatung am Fallbeispiel als zweite Kurzfortbildung wird eingeleitet. Es gibt drei
Fragestellungen:
1) Wo liegt der Ethikfokus? (Gegenüberstellung der Wünsche des Bewohners und des
Bevollmächtigten) 5-10 Minuten > Die Karten werden von der zweiten Ethikberaterin auf
Zuruf mitgeschrieben und an die oberste Zeile links gepinnt: Wunsch des Bewohners, rechts:
Wunsch des Bevollmächtigten.
2) Welche ethischen Prinzipien/Werte werden berührt? 5-10 Minuten > Die Karten werden
von der zweiten Ethikberaterin auf Zuruf mitgeschrieben, links: Wunsch des Bewohners.
rechts: Wunsch des Bevollmächtigten, mittig
werden die Karten: „Autonomie“, „Nicht-
Schaden“ und „Nutzen“ platziert.
3) Können Sie sich auf einen
Perspektivenwechsel einlassen und aus der Sicht der
Pflegenden, der Bewohnerin und des Betreuers Gründe für ihr Verhalten nennen? 30-35
Minuten >
Die Karten werden von der zweiten Ethikberaterin auf Zuruf mitgeschrieben, die
43
Vgl. Anlage 2 ; 44Vgl. Heiko Schulzki, Unterrichtsmaterial zur Moderation LP 25/16.
12
Frank Kobza LP 25/16
vorgefertigten
Karten
„Bewohner“,
„Betreuer“
und
„Pflegende“
werden
unter
„Perspektivenwechsel“ gegliedert, die mitgeschriebenen, mit Inhalt gefüllten Karten werden
dann den Perspektiven zugeordnet.
Eine mögliche Variante innerhalb der Moderation des ethischen Fallgespräches wäre es,
eine Pro/Contra-Analyse aus den ethischen Prinzipien abzuleiten. Dies empfiehlt sich, wenn
Zielsetzung und Maßnahmenfindung noch unklar sind. Es hilft dann bei der Bewertung und
dem Abwiegen von Entscheidungen.
Die Ergebnisse (z.B. der Konflikt zwischen dem „mutmaßlichen“ Willen seitens des Betreuers
und des „erklärten“ Willen der Bewohnerin) werden anhand der Visualisierung
kurz
zusammengefasst und die Moderationswand fotografiert. Das Protokoll wird im Anschluss an
die Moderation zwischen beiden Ethikberatern besprochen und ausgearbeitet. Ein wichtiges
Resultat ist das weitere Vorgehen: „Dem Betreuer werden die Ergebnisse des ethischen
Fallgespräches mitgeteilt und ein gemeinsamer Gesprächstermin vereinbart.“ Das Protokoll
wird als Dokument in der Bewohnerakte archiviert. Das anonymisierte Protokoll erhalten die
Mitarbeiter des Wohnbereiches. Ein Exemplar verbleibt im Ethikkomitee.
3.3. Schritt 3: Vernetzung
Veröffentlichungen in der Zeitschrift „Monatsbrief“, die im Diakoniewerk Tabea erscheint und
auf der Homepage sind erste Wege zur Außendarstellung der ethischen Arbeit in Tabea.
Neben der Mitwirkung externer Ethikberater in den Ethikcafés ist es möglich im Zuge
externer Fortbildungsmöglichkeiten, wie z.B. einem Ethiktag, Kontakte nach außen zu
knüpfen
und
Referenten
Fortbildungsveranstaltung
für
zu
alle
gewinnen.
Der
Berufsgruppen,
Ethiktag
zu
der
ist
eine
auch
ganztägige
Ehrenamtliche,
Kooperationspartner, Hausärzte und der Heimbeirat eingeladen werden. Die Vernetzung
zum Diakonischen Werk und zur Evangelischen Kirche in Hamburg im Bereich der
Krankenhausseelsorge, die eine Arbeitsstelle für Ethik eingerichtet hat,
ist dabei
wünschenswert. Es besteht dort großes Interesse über Entwicklungen im Bereich Ethik
innerhalb von kirchlichen Einrichtungen informiert zu werden. Dieser Projektschritt entwickelt
sich parallel zu den Implementierungsschritten weiter.
3.4. Schritt 4: Entwicklung eines Arbeitskreises Ethik
Nach
der
viermonatigen,
innerbetrieblichen
Fortbildungsphase,
die
Schritt
2:
„Sensibilisierung“ in Anspruch nimmt, sollte sich der Arbeitskreis Ethik entwickeln. Für die
Mitarbeit im Arbeitskreis wird frühzeitig durch ein monatlich stattfindendes „Ethikcafé“45
geworben. Alle in der Einrichtung Tabeas tätigen Mitarbeiter, bekommen die
45
Vgl. Vollmann: Klinische Ethikkomitees, Institutionelle Strukturen und Funktionen klinischer Ethik S. 21.
13
Frank Kobza LP 25/16
Möglichkeit, bei Kaffee und Keksen, auf Kosten des Hauses, ethische Fragen zu diskutieren.
Der Besuch des Ethikcafés ist Arbeitszeit. Die Dauer ist auf eine Stunde in der Zeit von
13.30 Uhr bis 14.30 Uhr begrenzt. Eine provokante und plakative Aussage soll im Aushang
und als Rundmail für das Ethikcafé werben z.B. “Nein, meine Suppe esse ich nicht! - Was
nun, was tun?“. Ein Initialreferat soll dann die Diskussion eröffnen. Die Moderation
übernimmt zuerst
ein interner Ethikberater. Für die Öffnung nach außen sowie für die
spätere Netzwerkarbeit, bieten sich auch externe Ethikberater an.
Offene Fragen sind am
Ende der Veranstaltung erwünscht und dienen der Reflexion. Am Ende der Veranstaltung
haben alle Mitarbeiter, die am Arbeitskreis Ethik interessiert sind, die Möglichkeit, sich für
den Arbeitskreis Ethik anzumelden. Leitung des Arbeitskreises obliegt den internen
Ethikberatern. Sie organisieren die erste Zusammenkunft und laden über einen Verteiler die
Interessenten ein. Dort
bereitet der Arbeitskreises Ethik das nächste Ethikcafé vor und
sammelt Themenschwerpunkte für zukünftige Ethikcafés. Interessierte Mitarbeiter des
Arbeitskreises Ethik bewerben sich zudem für das Ethikkomitee der Einrichtung (Ethikzirkel).
3.5. Schritt 5: Gründung des Ethikkomitees auf Einrichtungsebene (Ethikzirkel)
„Nach…Vorbereitungsphase in einem offenen Arbeitskreis, die in der Regel ca. ein Jahr in
Anspruch nimmt, soll das …Ethikkomitee durch offizielle Berufung seiner Mitglieder… formal
konstituiert
werden“46.
Die
Leitung
und
Stellvertretung
des
Ethikkomitees
auf
Einrichtungsebene (Ethikzirkel) übernehmen die beiden Ethikberater. Aus dem Pool
interessierter Mitarbeiter
des Arbeitskreises Ethik
wählen der Vorstand und die
Einrichtungsleitung eine feste Gruppe von 5-8 Personen. „Dabei hat sich eine Berufung auf
zwei bis drei Jahre bewährt, da kürzere Amtsperioden für eine fundierte Mitarbeit nicht
ausreichen, während viele Mitarbeiter für längere ehrenamtliche Verpflichtungen häufig nicht
zur Verfügung stehen.“47Nach dem sich das Ethikkomitee eine Satzung verabschiedet hat,
stehen folgende
Aufgaben auf der Agenda: 1) Organisation ethischer Fortbildungen, 2)
Aktualisierung der Leitlinien von Tabea und 3) Entsendung der mobilen Ethikberatung.
Außerdem wirkt der Ethikzirkel im Tabea - LiG als Vorbild unterstützend im zukünftigen
Aufbau der Ethikzirkel der anderen Einrichtungen der Tabea-Gruppe. Die Gründung des
Ethikzirkels wird auf dem Ethiktag bekannt gegeben.
3.6. Schritt 6: Mobile Ethikberatung
Anders als noch im Ethikkomitee, welches von 2008 bis 2012 bestand und sich als
„Expertenmodell“48 verstand, ist das jetzige Ethikkomitee als „Prozessmodell“ geplant: „Das
Prozessmodell sieht den umgekehrten Weg vor: Entsprechend kompetente Mitglieder eines
Ethikkomitees gehen auf die angefragte Station und besprechen vor Ort mit allen
46+47
Vgl. Vollmann : Klinische Ethikkomitees. Institutionelle Strukturen und Funktionen klinischer Ethik, S. 41;
48
Vgl.
Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im Altenpflegeheim, S.36-37.
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Frank Kobza LP 25/16
Betroffenen, die eingebunden werden können, das ethische Problem“49. Die Entsendung der
mobilen Ethikberatung ist notwendig und bietet folgende Vorteile: „1)…dass in der Gruppe
der Behandelnden, Pflegenden und Umsorgenden erstmals die Motive und Überzeugungen
der jeweils anderen im Gespräch erkennbar werden. 2)…ein solches Vorgehen macht auch
bei Kontroversen tragfähige Lösungen möglich. 3)…Für alle Beteiligten resultiert aus der
Beratung ein erkennbarer und langfristiger Lerneffekt“50.Der Bedarf eines ethischen
Fallgesprächs wird von den Ethik-Ansprechpartnern der Wohnbereiche an das Komitee
gemeldet. Dieses sendet dann jeweils zwei Ethikberater, einen Protokollanten und einen
Moderator als Mobile Ethikberater auf den angefragten Wohnbereich zeitnah aus. Die
Interessenvertreter des Bewohners, Betreuer, Ärzte, Mitarbeiter der Pflege und der sozialen
Betreuung nehmen dann an der Fallbesprechung auf dem Wohnbereich teil. Im Anschluss
an die
ethische Fallbesprechung fließen die Ergebnisse durch anonymisierte Protokolle
zurück in das Komitee. Eine Auswertung bekannter Fälle ist somit möglich.
Resümee
3.1. Ausblick, Stellungnahme und Fazit
Momentan befindet sich die Implementierung noch in Schritt 4: Entwicklung des
Arbeitskreises Ethik. Die mobile Ethikberatung ist trotz allem von Beginn an im Einsatz um
ethische Fallbesprechungen auf den Wohnbereichen durchzuführen und wird von EthikAnsprechpartnern direkt angefordert. Dieses Verfahren besteht, solange bis sich das
Ethikkomitee gegründet hat. Ab diesem Zeitpunkt wenden sich die Ethik-Ansprechpartner an
das Komitee, welches anschließend die mobile Ethikberatung aussendet. Die Verankerung
des Modellprojekts wird durch die Verknüpfung mit dem Qualitätsmanagement erzielt. Dies
ist zur Auswertung laufender Prozesse, engmaschigen zur Evaluation des Projektverlaufs,
der Entwicklung von Verfahrensanweisungen und Konzeptüberarbeitungen unumgänglich.
Eine Methode zur Evaluation des beschriebenen Modellprojekts in 6 Schritten wäre, einen
Fragebogen für die Mitarbeiter zu entwickeln, eine Befragung durchzuführen und
auszuwerten. Die innerbetriebliche Transparenz wird gefördert durch die Vorstellung der
Befragungsergebnisse und dem gegenwärtigen Stand des Projektverlaufs. Auf der Basis der
SWOT-Analyse wäre es möglich Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken im bisherigen
Projektverlauf aufzudecken. Dies gibt meines Erachtens Rückschlüsse über Erfolg oder
Misserfolg der Implementierungsschritte. Rückschritte könnten innerhalb des Projektverlaufs
notwendig sein und eine zeitliche Verlängerung der Implementierung zur Folge haben. Die
Verankerung des Modellprojekts wird durch die Verknüpfung mit dem Qualitätsmanagement
erzielt. Dies ist zur Auswertung laufender Prozesse, zur engmaschigen Evaluation des
Projektverlaufs, der Entwicklung von Verfahrensanweisungen und Konzeptüberarbeitungen
49
Vgl. Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im Altenpflegeheim, S.36-37;
50
Vgl. Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im
Altenpflegeheim, S.36-37.
15
Frank Kobza LP 25/16
unumgänglich. Innerhalb der Abschlussarbeit wurde der beschriebene Nutzen des Projektes
Ethik beschrieben. Dieser ist für die Einrichtung größer als die Kosten für die benötigten
Fortbildungszwecke. Die große Bereitschaft zur Unterstützung der zeitlichen und finanziellen
Ressourcen von Seiten der Geschäftsführung ist Grundvorrausetzung für die ethische Arbeit.
Die Mitarbeit an der Basis verdient die Wertschätzung für das zum großen Teil ehrenamtlich
benötigte Engagement zur ethischen Reflexion. Widerstände der Mitarbeiter müssen
kontinuierlich aufgegriffen, thematisiert und ernst genommen und an Problemlösungen
beteiligt werden. Dabei müssen ethische Themen die Pflegenden an der Basis „berühren“
um einen „Aha-Effekt“51 zu erzielen. Dies ist das Ziel der Sensibilisierung innerhalb der
ersten und zweiten Kurzfortbildungen, die ich versucht habe, als eine der wesentlichen
Bestandteile dieser Abschlussarbeit herauszuarbeiten. Im Fokus meiner Arbeit stand die
zentrale Frage, welche Schritte zur Implementierung eines Ethikkomitees in der Einrichtung
Tabea - LiG als Modellprojekt notwendig sind. Dies habe ich versucht, individuell und unter
Berücksichtigung von Change Management Methoden darzustellen. Der Leser versteht
dabei, dass diese Darstellung unter vorliegenden Rahmenbedingungen nur fragmentarisch
erfolgen konnte. Aufgrund der bestehenden Alltagsrelevanz zum Thema Ethik und dem
flächendeckenden Interesse, sehe ich jedoch der Realisierung der noch offenen
Implementierungsschritte positiv entgegen.
Ich widme diese Abschlussarbeit allen an dem „Projekt: Ethik“ beteiligten Mitarbeitern
Tabeas.
Besonders herzlich bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei der
Projektleiterin und meiner „Mentorin“ Frau Pusch für ihren ethischen Anschauungsunterricht,
der Hilfe während der Moderationen und des Feedbacks im Anschluss. Besonderer Dank gilt
dem „jungen Vorstand“ und seiner „ethischen Haltung“. Dieser Dank gilt vor allem
Vorstandsmitglied und Diakonin Frau Eggers-Macuch, als engagierte Begleiterin der
ethischen
Arbeit
Tabeas.
Ausdrücklich
bedanken
möchte
ich
mich
bei
der
Einrichtungsleitung Herrn Reymann und meiner Kollegin und Pflegedienstleitung Frau Plog,
dafür, dass sie mir während der Abschlussarbeit und dem Projekt: Ethik „den Rücken frei
gehalten haben“.
51
Vgl. Bockenheimer-Lucius, Ethikkomitee im Altenpflegeheim, S.129.
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Frank Kobza LP 25/16
Literaturverzeichnis
Bockenheimer – Lucius, Gisela Renate Dansou, Timo Sauer: Ethikkomitee im Altenheim,
campus, Frankfurt am Main 2012.
Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees. Institutionelle Strukturen und Funktionen
klinischer Ethik, in: Fernlehrgang Berater/in für Ethik im Gesundheitswesen (Modul 3,
Lehrbrief 1) cekib, Nürnberg 2015.
Hamburger Berufsordnung für Pflegeberufe: Fortbildungspass für Pflegefachkräfte 2009.
https://www.pflege-ndz.de/tl_files/inhalte/Startseite/Fortbildungspass_Pflege-NDZ.pdf
International Council of Nurses: ICN-Ethikkodex für Pflegende von 2012. http://www.icn.ch
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Bundesministerium für
Gesundheit: Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen, Berlin 2015.
http://www.bmfsfj.de
Vollmann, Jochen: Klinische Ethikkomitees und Ethikberatung in Deutschland: Bisherige
Entwicklung und zukünftige Perspektiven, in: Focus Klinische Ethikberatung / Consultation
éthique clinique / Clinical ethics consultation, Bioethica Forum/ 2008/ Volume 1/ No.1.
http://www.bioethica-forum.ch/docs/08_1/1_08_8.pdf
Zelesniack/Grolman: Die besten Change Management Modelle im Vergleich, initio
Organisationsberatung. http://www.organisationsberatung.net/change-management-modelleim-vergleich/
Bockenheimer-Lucius, May: Ethikberatung - Ethik-Komitee in Einrichtungen der stationären
Altenhilfe
(EKA),
Eckpunkte
für
ein
Curriculum,
http://www.ethikzentrum.de/downloads/ethikberatung-altenhilfe.pdf
Christiane Kallenbach: Ethik in der Pflege, Unterrichtsskript DFA, Hamburg 2016
Heiko Schulzki: Moderation, Unterrichtsskript DFA ,LP 25/16, Hamburg 2016.
Anhang
Anlage 1: „Tabea Leitlinien“
Anlage 2: „Ethik in der Pflege - Teil II“
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