Influenza-Virus-induzierte Signalkaskaden

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Influenza-Virus-induzierte Signalkaskaden
– Ziel für eine antivirale Therapie?
Stephan Ludwig
Institut für Molekulare Medizin (IMM), Düsseldorf
Fieber, Schnupfen, Kopf- und Gliederschmerzen – wer kennt das nicht? Regelmäßig ziehen Grippewellen durchs Land,
die zu ökonomischen Schäden führen und
viele Todesopfer fordern. Weltweite Epidemien (Pandemien) durch Grippeviren
mit neuen Oberflächenproteinen kosteten
Millionen von Menschen das Leben. Das
Auftreten der asiatischen Vogelgrippe
beim Menschen mit hohen Mortalitätsraten verdeutlicht die Gefahr solcher pandemischer Grippeviren.
Das Problem liegt im RNA-Genom der
Influenza-Viren (Abb. 1), das einer hohen
Mutationsrate unterliegt. Dies macht die
Produktion ständig neuer Impfstoffe nötig
und lässt antivirale Substanzen, wie das
Amantadin (gegen das virale M2-Protein gerichtet) schnell unwirksam werden. Dies gilt
eingeschränkt auch für die derzeit besten Influenza-Therapeutika, die NeuraminidaseInhibitoren, gegen die bereits resistente Varianten gefunden wurden. Eine noch größere potenzielle Gefahr birgt der segmentierte Aufbau des viralen Genoms. Dieses erlaubt den Austausch von Gensegmenten bei
Doppelinfektion, beispielsweise mit einem
aviären und einem humanen Virusstamm,
was zum Auftreten neuer pandemischer
Stämme führen kann, gegen die kein Impfschutz besteht. Ein solches Szenario macht
die Notwendigkeit verbesserter InfluenzaTherapeutika deutlich, die eine breite Aktivität gegen verschiedene Influenza-Viren
aufweisen und nicht schnell resistente Virusvarianten erzeugen.
Wie alle Viren manipulieren auch Influenza-Viren die Wirtszellantwort zur
Unterstützung der eigenen Vermehrung.
Intrazelluläre Signalmechanismen liegen an
den Schaltstellen solcher Wirtszellantworten, und das Wissen über virusinduzierte Signalvorgänge kann helfen, virale Replikationsstrategien in der Zelle aufzuklären und
Ansatzpunkte für neue antivirale Therapien
zu finden. Die potenziellen Vorteile eines
antiviralen Angriffs auf virusfördernde zelluläre Komponenten wären eine breite vom
Virusstamm unabhängige Aktivität sowie eine verminderte Tendenz der Resistenzbildung, da das Virus die Funktionen der Zelle nicht leicht ersetzen kann.
Genexpression und Signaltransduktion
Influenza A-Viren induzieren die Expression
einer ganzen Reihe von Genen in der infi
Abb. 1: Schematische Darstellung eines Influenza A-Virus-Partikels. Links: Gelelektrophoretische
Auftrennung des segmentierten viralen Genoms, das für elf virale Proteine kodiert. Polymerasekomplex PB2, PB1, PA; PB1-F2; Nucleoprotein NP; Glycoproteine Haemagglutinin (HA) und Neuraminidase
(NA); Matrix Protein (M1), Ionenkanalprotein (M2); Nichtstrukturprotein 1 (NS1) Nukleäres-ExportProtein (NEP/NS2).
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Abb. 2: Influenza-Virus-induzierte Signalprozesse und ihre Funktion in der infizierten Wirtszelle. PAK, p21-aktivierte Kinase; IKK, Inhibitor der κB-Kinase,
NF-κB, Nukleärer Faktor κB, IRF-3, Interferon-regulatorischer Faktor-3, TBK-1, TANK-Bindekinase 1, MKK, Mitogen-aktivierte Proteinkinase (MAPK); SAPK,
Stress-aktivierte Proteinkinase; ATF-2, aktivierender Transkriptionsfaktor 2, MEK, MAPK-/ERK-Kinase, PKC, Proteinkinase C (s. Text).
zierten Zelle, was auf eine intensive Aktivierung zellulärer Signaltransduktionsprozesse hindeutet[5, 6]. Vermutlich wird diese
Signalinduktion zunächst von der Zelle als
antivirale Antwort initiiert. Dies ermöglicht
dem Virus, die Signale für die eigene Vermehrung zu nutzen. Ein Beispiel für das
Ausnutzen solcher Signale früh im Replikationszyklus ist die virale Aktivierung der Protein-Kinase C (Isoform betaII), die für die
endozytotische Aufnahme des Virus benötigt wird (Abb. 2)[11].
Mitogen-aktivierte Proteinkinase-Kaskaden
MAP-Kinase-Kaskaden sind wichtige intrazelluläre Signalüberträger und regulieren
viele zelluläre Entscheidungsprozesse. Vier
verschiedene MAP-Kinase-Familien, in
unterschiedlichen Kinasekaskaden organisiert, wurden bislang identifiziert: Extrazellulär-Signal-regulierte Kinasen (ERKs), JunN-terminale Kinasen (JNKs), die p38-Isozyme und die „Big“ MAP-Kinase (BMK1/ERK5) (Abb. 2). Alle vier Kaskaden werden nach Influenza-Virus-Infektion aktiviert.
Während die Bedeutung des p38 und des
BMK-1-Signalwegs in Influenza-Virus-infizierten Zellen noch im Unklaren liegt,
scheint die Aktivierung der JNK-Kaskade
eine antivirale Antwort darzustellen[4], welche durch die für IFNß-Expression notwendigen Transkriptionsfaktoren c-Jun und
ATF-2 vermittelt wird (Abb. 2). Es verwundert daher nicht, dass das Virus diese Funktion bis zu einem tolerierbaren Limit unterdrückt. Das virale NS1-Protein ist ein Antagonist von Doppelstrang-RNA(dsRNA)-abhängigen antiviralen Antworten in der Zelle
und reduziert die RNA-abhängige Aktivierung von JNK[7].
Im Gegensatz hierzu wirkt der ERK-aktivierende Signalweg, die Raf/MEK/ERKKaskade, eher virusfördernd[10]. Bei Inhibition des Signalwegs, etwa mit dem MEK-Inhibitor U0126, werden signifikant weniger
Viren gebildet, was auf eine Funktionshemmung des viralen nukleären Exportproteins
NEP/NS2 und dem Zurückhalten viraler Ribonukleoprotein (RNP)-Komplexe im Kern
der infizierten Zelle beruht[10]. Untersuchungen zeigten, dass auch andere Viren von
der Aktivität des Signalwegs abhängen[5].
Interessanterweise erfüllen Hemmstoffe
der Signalkaskade weitere wichtige Voraussetzungen für eine potenzielle Verwendung
als Influenza-Therapeutika: Breite Wirksamkeit gegen alle bislang untersuchten aviären und humanen Influenza-Viren[8, 10],
Wirksamkeit im Tiermodell, sehr geringe
Toxizität in Zellkultur und Tier[2, 9, 10], überraschend geringe Nebenwirkungen in klinischen Studien für andere Indikationen[2] und
keinerlei erkennbare Tendenz zur Induktion
resistenter Varianten[8].
κB
Die Rolle von NF-κ
Der Transkriptionsfaktor NF-κB ist ein
wichtiger Regulator der proinflamatorischen
und apoptotischen Genexpression. NF-κB
Aktivierung erfolgt durch eine IκB-Kinase
(IKK), welche durch Phosphorylierung des
Inhibitors von NF-κB (IκB) dessen proteasomalen Abbau induziert (Abb. 2).
Influenza-Viren aktivieren IKK und NFκB[5] sowohl nach produktiver Infektion als
auch durch virale Komponenten wie dsRNA
oder Expression der Proteine HA, NP und
M1[1, 3]. Da viele antivirale Zytokine durch
NF-κB reguliert werden, besteht die Lehrmeinung, dass NF-κB-Aktivierung eine rein
antivirale Antwort auf Virusinfektion darstellt[1]. Jedoch scheint NF-κB auch virusfördernde Funktionen zu haben. Die Influenza-Virus-Vermehrung lässt sich durch
dominant-negative Mutanten aus dem NFκB-Signalweg oder durch pharmakologische
Inhibitoren von NF-κB hemmen, was vermutlich auf die NF-κB regulierte Expression
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pro-apoptotischer Faktoren zurückzuführen
ist (eigene unveröffentlichte Daten). Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob sich
NF-κB auf Grund dieser Befunde als Ziel einer antiviralen Therapie eignet.
Apoptose – Die zentrale Rolle von
Caspase 3
Eine weitere Signalantwort in infizierten
Zellen ist die Induktion des apoptotischen
Zelltodes. Apoptose wird dabei hauptsächlich als antivirale Antwort betrachtet, da viele Viren anti-apoptotische Proteine exprimieren, um diese zelluläre Reaktion zu
unterdrücken. Die zentrale Komponente der
Apoptose-Maschinerie ist ein proteolytisches
System von kaskadenartig hintereinander
geschalteten Proteasen, den Caspasen. Obwohl Influenza-Viren in vitro und in vivo
Apoptose induzieren, sind die Konsequenzen dieser zellulären Antwort weitgehend
unklar. Neuere Untersuchungen zeigen,
dass Inhibition von Caspasen, insbesondere von Caspase 3 zur effizienten Hemmung
der Influenza-Virus-Vermehrung führt[12].
Auch hier zeigte sich ein Zurückhalten der
viralen RNP-Komplexe im Kern der infizierten Zelle, ein Schritt im viralen Replikationszyklus, der abhängig vom zellulären
Raf/MEK/ERK-Signalweg ist[10]. Dies war
zunächst überraschend, da Caspaseaktivität
nie mit aktiven Kernexportprozessen korreliert gefunden wurde. Es ist jedoch bekannt, dass Caspasen durch Spaltung von
Proteinen in der Kernmembran die Ausschlussgrenze für passive Diffusion erhöhen.
Dies legt die Hypothese nahe, dass der
RNP-Transport durch zwei unabhängige induzierbare Mechanismen gefördert werden
kann, wobei der aktive Raf/MEK/ERK-abhängige Transport graduell durch den passiven Caspase-vermittelten Export ersetzt
wird. Entsprechend lässt sich die durch
MEK-Inhibitoren erreichbare Hemmung
der Virusvermehrung durch Kombination
mit Caspase-Inhibitoren noch steigern[12].
Influenza-Viren scheinen die Fähigkeit
erlangt zu haben, antivirale Signalantworten
der Zelle teilweise für die eigene Vermehrung zu missbrauchen. Dies schafft jedoch
Abhängigkeiten, die man für antivirale Ansätze ausnutzen könnte. Der zelluläre
Raf/MEK/ERK-Signalweg ist ein viel versprechendes Beispiel, das Hoffnungen auf
die mögliche Entwicklung einer neuen
Form von Anti-Influenza-Medikamenten
weckt.
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Literatur
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Korrespondenzadresse:
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