konstruktiv Thema Planen und Bauen Die heimischen Büroflächen betragen von der Quadratmeterzahl her rund zwei Prozent des gesamt- für Arbeitswelten Rendering: Archconsult europäischen Büromarktes. Bürogebäude zu planen, fordert von Ziviltechnikern ein hohes Maß an Flexibilität, Geduld und eine Menge Überzeugungskraft gegenüber den Bauherren, berichtet Gisela Gary. bwohl im Jahr 2002 die Vermietungsrate gesunken ist, beklagen sich heimische Immobilienentwickler und verwerter nicht. Die Nachfrage nach Büros in urbaner Nähe zieht wieder an – doch gesucht werden gemischte, multifunktionale Objekte (Büro gepaart mit Wohn- oder Geschäftsbau) und vor allem Neubauten. Geachtet wird von Nutzern auch auf günstige Verkehrsanbindungen. Die Büromarktberichte von Colliers Columbus und NAI Otto bestätigen: Der Boom bei Büroimmobilien ist leicht gebrochen. Da aber weiterhin Bürogebäude gebaut werden, steigen die Leerstandsraten. Die Erwartungshaltung an Bürorenditen liegt in Österreich derzeit bei rund sieben Prozent pro Jahr. Das zeigt eine unter internationalen Investoren und Immobilienentscheidern durchgeführte Umfrage von Neuberger Research. Drei Faktoren werden laut der Marktanalyse des internationalen Mak- O Büroflächen, die pro Jahr vermittelt werden* ÖRAG CPB Immobilientreuhand Inter-pool Post.Immobilien Colliers Columbus CB Richard Ellis DIVA Consult NAI Otto Ekazent s-Immobilien Immo-Contract 65.600 m2 65.030 m2 63.000 m2 54.000 m2 40.000 m2 38.000 m2 28.300 m2 28.000 m2 9.100 m2 2.500 m2 2.412 m2 *) Bezogen auf Österreich, Quelle: Immobilienmagazin, Stand 5/2002, laut eigenen Angaben der Büroimmobilienmakler T-Mobile-Gebäude in Wien – zurzeit die größte, heimische Baustelle und mit 134.000 Quadratmeter Nutzfläche zukünftig auch das größte Bürogebäude Österreichs, geplant von den Architekten Eisenköck/Domenig/Pyker. lerunternehmens Colliers Columbus den Wiener Büromarkt in den kommenden Jahren bestimmen: die EU-Erweiterung, das EU-Wirtschaftswachstum, aber auch die Positionierung Wiens im Mitbewerb zentraleuropäischer Städte. Der international tätige und Bürobau erfahrene Architekt Christoph Achammer ist davon überzeugt, dass der Bedarf an Neubauten-Büros vorhanden ist: „Generell gibt es zwar in Europa derzeit ein Überangebot, momentan stürzt der Immobilienmarkt überall ab. Doch das wird sich bald ändern. Wettbewerbsfähige Immobilien sind multifunktional, auch die Infrastruktur ist wichtig, die Monofunktionalität hat keine Chance mehr.“ Wesentlich ist vor allem, Bauherren eine Kostenoptimierung anbieten zu können. Ein vor kurzem von Achammer fertiggestelltes Bürogebäude in Wiener Neudorf zeichnet sich einerseits durch ein klar umgesetztes formales Konzept aus, andererseits durch besonders schnelle und kostengünstige Realisierung. Die von Achammer angewandte Methode nennt sich GMP-Vereinbarung (Garantied Maximum Price) und beruht auf einem neuen Verständnis von „Kooperation im Bauprozess“. Im Wesentlichen beinhaltet die Methode, dass von der Planungs-, Ausführungs- sowie Bauherrenseite bei gleichbleibender Qualität versucht wird, kostengünstigere Preise zu erzielen (d. h. arbeiten in simultanen Prozessen mit „open books“). Ein Trend, der sich in den letzten Jahren abzeichnet: Immer mehr BürohausBauherren entscheiden sich für eine Planung ihres Bürogebäudes, das bereits in der Architektur eine Identifikation mit dem darin ansässigen Unternehmen zeigt. Beim Bürogebäude in Wiener Neudorf ist Achammer dies gelungen, wobei er zugibt: „Wenn der Nutzer zugleich der Bauherr ist, ist es auch für die Planer einfacher, denn dann kommt es zu einem intensiven, konstruktiven Austausch.“ Für Achammer zählen vor allem vier Aspekte in der Architektur: Ästhetik, Organisation, Funktion und Wirtschaft- 18 konstruktiv 235 • Februar 2003 Ungewöhnliche Fassade Foto: Klomfar & Sengmüller/Michael Zaic Klar zu sehen ist diese Grundhaltung beim Bürogebäude Sterneckstraße in Salzburg. Das Haus fällt bereits in der Form und der Fassadengestaltung auf, aber auch in der Konstruktion des Stiegenhauses konnten sich die Salzburger Architekten gegenüber dem privaten Bauherren durchsetzen. Das Gebäude umfasst 2281,46 Quadratmeter Nutzfläche. Für die sachgerechte Bauphysik sorgte die Zivilingenieur-Arge Lukas/Fischer. Bei dem Bürohaus Mosstraße in Salzburg lag die Herausforderung vor allem darin, aus einem 60er-Jahre-Haus einen attraktiven, den jetzigen Anforderungen an Arbeitswelten entsprechenden Entwurf zu finden. Zaic: „Mit dem zweigeschoßigen Luftraum und der großzügigen Glasfassade mit Ausblick auf den Untersberg inszenieren wir den Büroraum. An den Luftraum gliedern sich die Arbeitsflächen wie mit Werkbänken.“ Doch auch über die Arbeitsweise machten sich die beiden Architekten Gedanken: „Der Ausblick in die Natur motiviert die Mitarbeiter.“ Österreichs Riesenbaustelle Eine aktuelle, erst vor wenigen Monaten gestartete Baustelle ist das T-Mobile-Headquarter in Wien – ein gemeinsames Projekt der Grazer Architekten Eisenköck/Domenig/Peyker. Das Gebäude umfasst eine Nutzfläche von 134.000 Quadratmeter, die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 160 Millionen Euro. Die erste Baustufe wird im September 2003 abgeschlossen sein. Bürogebäude in dieser Größenordnung bedürfen einer langen Planung im Voraus. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist notwendig. Bei dem Projekt sind an die 20 Ingenieurkonsulenten – vom Statiker bis zum Bauphysiker – beschäftigt. Die Architekten konnten sich mit ihrer Entwurfsidee gegenüber dem Bauherrn durchsetzen. T-Mobile wollte ein Hochhaus, das anders aussieht als alle Tower in Wien, doch das gefiel wiederum Eisenköck nicht. „Wir planten ein liegendes Hochhaus. Wir konnten nachweisen, dass sie bei einer vertikalen Organisation mit höheren Betriebskosten, längeren Verkehrswegen (Lifte) und höheren Mietkosten rechnen müssen. Ein Hochhaus ist in der Umsetzung auch bei den Betriebskosten teurer. Das T-Mobile-Gebäude wird dennoch knapp 60 Meter hoch. Durch die unverwechselbare Form wird es aber wesentlich kräftiger im Stadtbild sein, als es durch einen Hochhausbau möglich gewesen wäre.“ ¦ Aus meiner Sicht von Roland Rainer Foto: Atelier Roland Rainer lichkeit. Er lehnt Bürogebäude, die nur aus einem Gang und links und rechts Zimmer bestehen, ab: „Flexibilität wird immer wichtiger, 70 Prozent der Innovationen passieren beim zufälligen Kommunizieren an Gemeinschaftsplätzen in Bürogebäuden.“ Bei spekulativen Bauherrn sieht Achammer das Problem, dass Bürogebäude oft errichtet werden, um ein Produkt zu haben, das am Mietenmarkt angebracht werden kann: „Das hemmt die Kraft zur Innovation. Vor allem, wenn ich dabei als Architekt keine durchgängige Kompetenz durchsetze, bestimmt letztlich der Makler die Zukunft des Gebäudes.“ Doch der Verantwortliche ist für Achammer der Architekt, das Baugeschäft ist eine Branche mit einem Elefantengedächtnis: „Ärzte vergraben ihre Kunstfehler – unsere Fehler stehen herum“. Für die Salzburger Architekten Robert Wimmer und Michael Zaic gilt bei Büroplanungen vor allem eines: „Wir bemühen uns, von der konventionellen Büroplanung – also ein Arbeitsraum fix neben dem anderen – abzuweichen. Und wir setzen Architektur deutlich und sichtbar ein“, erklärt Zaic. Nachdenken als Hochverrat as wir alle wissen müssen: Alles muss immer mehr werden, muss weiter wachsen, sonst wächst ja „die Wirtschaft“ nicht – und das wäre das Ende. Und jeder ist gleich ein Hochverräter, der fragt, warum und wohin alles immer weiter wachsen muss. Die Kehrseiten des unbegrenzten Wachstums sind die Überproduktion und die Überangebote, denen man vielfach – durch Vernichtung des Angebotenen – begegnet. Bei Gebäuden ist das schwer: Sie stehen eben leer. Man spricht davon nicht gern. Leerstehende Gebäude, leerstehende Büros und Wohnungen beunruhigen zunächst nicht. Aber dann, wenn die großen, vielen Türme, die an den Straßenkreuzungen stehen werden, uns über den Kopf gewachsen sind, wird die Frage eines Tages doch aktuell werden, ob die Büros, die dort geboten werden, ein echter Gewinn sind und für wen. Und da es sich um städtebauliche Konzepte handelt, wird der Bedarf an Büros zu hinterfragen sein. Bürogebäude werden Raum gefressen haben, damit aber werden sie etwas für die Zukunft Tödliches bedeuten, denn es gibt dann keinen Raum, den man „produzieren“, wachsen lassen kann. Raum ist das Geschenk der Schöpfung an den Menschen, von dem er lebt und das er niemals „produzieren“ kann, er kann es nur verbrauchen. ¦ W Prof. Dr. Dr. h. c. Roland Rainer Bürogebäude Sterneckstraße in Salzburg, geplant von den Architekten Wimmer/Zaic: Architektur als Zeichen. Mag. Dr. Gisela Gary ist Architekt in Wien. ist Redakteurin bei „konstruktiv“. 19 konstruktiv 235 • Februar 2003