Der Verlag des Narurwissenschaftlichen Vereines für Kärmen bedanke sich für die Umerseüezung zur Drucklegung dieses Werkes bei folgenden Förderern: Ame der Kärnmer Landesregierung, Abc. 20 - Landesplanung Arge NATURSCHUTZ, Klagenfun •• NATURFUHRER SABLATNIGMOOR Herausgegeben von CHRISTIAN WIESER, ALOIS KOFLER, PAUL MILDNER im Verlag des Naturwissenschaftlichen Vereins für Kärnren Mit Beiträgen von: / Helwig BRuNNER, Melitta FEILACHER, Werner E. HOLZINGER, Chris-tian KOMPOSCH, Harald KOMPOSCH, Alois KOFLER, Pavel LAUTERER, Hans MALICKY, Paul MILDNER, Lorenz NEUHÄUSER, Wolfgang PAILL, Johanna TROYER-MILDNER, Chrisrian WIESER Geleitet von Christian WIESEI~ S. 67-68 S. 61.)-74 gelangen so viel schneller in neue Lebensräume als sie es ~ir ihren eigeneIl kurzen Beinen könnten -, wo sie sich zwischen staubigen Buchern, Hetbaflen und Betten an Staubläusen aber auch an Berrwanzen güdich run. Weberknechte (Opiliones) Die Milben (Acari) deren Name zumeist mit Krärzmilben, Hausstaubmilben, Zecken und anderen Läsdingen, Schädlingen und Parasiten in Verbindung gebracht wird, haben neben diesen ökologischen Nischen auch 111 allen anderen Lebenräumen der Erde - ausgenommen den Lufrraum - Ihnen Zllsagende Bedingungen gefunden; selbst im Meer leben viele Durzend Anen, im Süßwasser sind es mehrere Tausend. Neben der eC(Q- und endoparaslflSchen Lebensweise ist nahezu jeder Ernährungstyp verrreten, von Pflanzenfressern und Saprophagen bis hin zu räuberischen Formen. Infolge ihre~. Kleinheir und enorm hohen Arrenzahl sind die Milben - abgesehen von den okonomlsch relevanten G~bppen - im arachnologisch relativ gur erforschte~ Mirreleuropa eine der von Wissenschaftern am stärksten vernachläSSIgten TIergruppen, soJaß man über die tatsächliche Artenzahl in Kärnten kaum Vermurungen anstellen kann, von Fakten über Biologie und Ökologie ganz zu schweigen. Die Palpigradi sind dermaßen unscheinbare und versreckt lebende Spinnentiere daß sie selbst ein Arachnologe kaum einmal lebend zu GeSicht bekom~t. Sie sind lichtscheue und empfindliche Zwerg formen, die ihr Leben in det absoluten Dunkelheit von Höhlen (z.B. Eggerloch bei Villach) bzw. Bodenspalten zubringen - blind, ohne Körperpi.gmente (w.eißlich), ohne Kreislauf- und Atemorgane. Einzig auffallend 1St Ihr korperlanget behaarter Schwanzanhang, der nachgeschleift oder hoch erhaben gerragen WIrd. / Von Christian KOMPosCH Die Weberknechte (Opiliones), von denen in Kärnten zur Zeit 50 Arten nachgewiesen sind, wurden vom Volksmund mit den verschiedensten Namen \Tfsehen: Krakl (kärnmerisch), Kanker, Kankelbein, Langbein, Schneider, Schuster, Geisr und viele mehr, wobei sich diese Namen immer auf die bebnnteren, langbeinigen Vertreter der Phalangiiden beziehen und damit die broße Popularität dieser Tiergruppe verdeutlichen. Manche Arten halten sich .lld1erJem mit großer Vorliebe in der Nähe der menschlichen Wohnungen auf, ~odaß es nicht verwundert, wenn sie schon früh in den Werken der Narurfor~cher Erwähnung gefunden haben. .,The study of Harvestmen is the study of legs" ist nach SAVORY (1964) ein Slogan für jeden Arachnologen, der sich mit diesen Langbeinern beschäftige. Derselbe Autor bezeichnet die Weberknechte als die Komiker unter den Spinfll'mieren, mit ihren beiden großen Augen - manchmal von bizarrer Fotm -, die auf einen so kleinen Körper·gepfercht sind, der von Beinen getragen wird, die für eine Brauchbarkeit zu lang und außerdem ziemlich unsicher befestjgt ~inJ, Weberknechte besitzen niemals Giftdrüsen, das heißt, sie müssen ihre Nahfllng mechanisch zerkleinern. Sie sind eine reEht heterogene Gruppe, was ihre LdJl.,nsweise und Ernährung berriffe: wir finden tag- und nachtaktive Arren, Pllanzenfresser, Saprophage und Räuber. Außerdem haben sie, mehr als alle anderen Spinnentiere, eine starke Tendenz, den Boden zu verlassen und in die Vygetation hinaufzusteigen, immer höher, je älter sie werden. Ein Beispiel dafür isr "der Weberknecht mit den riesigen Augen", Platybllrltls bllcephcdm, dessen] ugendstadien die Streuschicht bewohnen, während die erwachsenen Exemplare an krautigen Gewächsen und Stauden zu finden sind. Vide Arren zeigen durch ihre' Lebensgewohnheiten die Notwendigkeit einer Umgebung mit hoher Feuchtigkeit, womit sich u.a. auch die relativ hohe Ar(enzahl im Sablatnigmoor erklären lälk Als Vergleich konnren in Jer Sandgfube, dem trocken-warmen Exrremstandon, nur drei Weberknechcarren n.llhgewiesen werden, die allesamt unter Steinen und Borkenstücken bzw. in abgestorbener Vegetation Schutz vor der direkren Sonneneinsrrahlung gesucht harten. Mir den bei den Arten Opilio parietinlls und O. saxatilis handeIr es sich dabei um zwei Langbeiner, die wir auch regelmäßig an unseren Hausmauern .IIHreffen. 68 69 J-'-5 \- ' S. 69-74 N"turfiihrer S"blatllig",oor NiltllrfiilJrer Silb/"tltiguI.or Im Sablamigmoor konnten 16 Weberknecht-Arten gefunden werden, was immerhin einem Drittel der in Kärnren lebenden Arren entspric~r. Sie treren uns hier in drei Erscheinungstypen entgegen: erstens als flachgedrückte Brettkanker (Trogulidae), deren Beine erwa 1,5fache Körperlänge erreichen; zweitens als kleine, schwarze und hartchitinisiette Fadenkanker (Nemastomatidae) und drittens als meist weichhäutige, sehr langbeinige Kanker (Phalangiidae). Unter'den Bodenbewohnern sind die beiden hier vorkommenden Fadenkankerahhand ihres Körperbaues und der Färbung leicht anzusprechen und in den Bruchwäldern rund um das Moor - bei entsprechender Geduld - unter Holzstücken zu entdecken: der ansonsFen kohlrabenschwarz gefärbte Vierfleck-Fadenkanker (P,wanemastoma quadriprmetaturn), bei dem sein Name bereits auf die auffälligen Goldflecken am Rücken hinweist und das kleine Mitostome/ chrysomelas, dessen gold-braun glänzender Körper von sehr langen ..fadenarrigen" Laufbeinen getragen wird - daher auch der Name der Familie. Die Meister der Tarnung unter den Weberknechten sind zweifelsfrei die Brettkanker, weshalb sie der Besucher des Sablatnigmoores trotz ihrer Körpergröße von bis knapp einem Zentimeter nur bei genauester Betrachrung der Unterseite von Steinen und Brerrern finden wird können: diese flachen und kurzbeinigen Kanker sondern am Körper und den Laufbeinen ein äußerst gm klebendes Sekret ab, wodurch Erdparrikel und kleinsre Steinchen allS ihrem Lebensraum an ihnen haften bleiben. - S.69-74 Abbildung 30: 'frogu/lli tricarillalui (FotO: Ch. KOMPOSCH) Dit vorzüglich gerarmtn, nachen ßrenkanker oritnrieren sich auf der Suche nach ßeuretiertn, Geschltdnsparrnern oder Versteckmöglichkeiten kaum mir ihren Augen, sondern enasren die nähere Umgebung mir ihrem verlängenen zweiren Beinpaar. Enrgegen der landläufigen Meinung, die jeden Weberknechr als "Langbein" kenm, handelt es sich bei Vertretern dieser Familie um ausgesprochen kurzbeinige Kanker. Dessen nicht genug, besitzen sie die Fähigkeit des TorsrelIreflexes (Thanatose) und sind damit für Freßfeinde (und Wissenschafter) nahezu -unsichtbar. Diese räuberisch lebenden Tiere der Gatrung Trogulm sind ausgesprochene Nahrungsspezialisten, die sich von Gehäüseschnecken ernähren; das leergefressene Schneckenhaus wird - im Sinne einer optimalen Ausnmzung ger Ressourcen - von trächtigen Weibchen zur Eiablage genutzt. Der weitaus größte Teil der im Gebiet vorkommenden Arten zählr zur Familie Phalangiidae, deren langbeinige Vertreter an den menschlichen Siedlungen wohl schlechthin "den Weberknecht" repräsentieren. I Abbiluung 29: ParmmlUlJIOII/(f qlladriplll/Clatll1l/ (FotO: Ch. KOMPOSCII) Dieser han gepanzerte schwarze Fadenkanker ist aufgrunu seiner vier Golunecken am Rückenschilu auch im Freiland sicher anzusprechen; am leichtesten isr er umer Holzsrücken und Steinen in Gebüschsäumen und \'V'äldern zu finden. 70 fine der wichtigsten Verteidigungswaffen der langbeinigen Weberknechte ist neben den Stinkdrüsen und der schnellen Flucht das Abwerfen von Laufbeinen, die Autotomie. Die unverhältnismäßig langen Beine dieser Tiere bieten in bezug auf den schwachen Körper den Feinden viel zu viele Angriffspunkte. Nun kanri aber das bedrohte Individuum seine Existenz dadurch retten, daß es das verhängnisvolle Glied dem Gegner überläßt. Die plötzlich einuerenden lebhaften, Bewegungen des Gliedes nach der Abtrennung vom Körper sind sehr dazu' geeignet, vom Entfliehen des Tieres abzulenken, ähnlich wie sich die Katze mit dem abgeworfenen und zuckenden Schwanz der enteilenden Zauneidechse zufrieden geben muß. Im Gegensatz zur Zauneidechse wird jedoch das abgeworfene Glied beim 'Weberknecht nicht regeneriert! Doch auch der Verlust von zwei bis drei Laufbeinen scheint die Mobilitär und Vitalität dieser Tiere kaum zu beeinträchtigen. 71 S.69-74 NU/llrliilJnr S.,blu/lliglll()tJy Nd/II/fiihrer Stiblailligllloor S. 69-74 . . . \j . . . . ~~ ~ ~ ~ . . . ~.:.-,. ~ '. ,lOk,. \~.~ . .t.~ 1-& Abbildung 3\: Pha/allgill//J opi/io (Foro: Ch. KOMPOscH) Bei dieser Arr handele es sich um einen der bekannteseen Verrreeer der Weberknechee: ein langbeiniger Kanker, dee auch regelmäßig an unseeen Hausmauecn sieze. Pba/flllgill//J "pi/io ise einee der wenigen Weberknechee, die offene licheexponieeee Habieaee bewohnen; die Männchen dieser Are (Foro) erkenne man leiche an ihrem aufiäUigen Horn auf den Cheliceren, also am erseen Excremieärenpaar. Abbildung 32: Lorillill! deli/igel' (Foeo: Ch. KOMPOscll) Der seark bedornee Körper dieser Are eräge einen Augenhligel, bei dem jedes der beiden Augen von ..vier langen Zacken gekrönt isr; ansonseen ise die wärme1ieben<.!e Are L dell/iger wie die meiseen Phalangiiden eher unscheinbar grau-braun gefliebe. Offen bleibt die Frage, welche Rolle die langen Beine im Leben der Phalangiidcn spie1<:n? Beobachtet man ein solches Tier bei seiner l~ortbewegung in einer Wiese, wird der große Vorteil der außergewöhnlichen Beinlänge augenscheinlich: im Gegensatz zu den meisten Insekten und frei' jagenden Spinnen, die trotz aller Hasr beim Klenero ziemlich "vorsichrig" neue Haltepunkte suchen und rrorz allem ofr genug abstürzen, greifen die Weberknechre ohne den geringsren Bedacht bei der Wahl von Stützpunkren aufs Geratewohl mit den Beinen darauflos, als ob sie auf fesrem Boden stünden. Die vorwärts bewegten Gliedmaßen gelangen beim Niedersetzen an die verschiedensten Grashalme, um die sich die vielgliedrigen Fußspitzen dann blirzschnell herumschlingen, etwa wie ein Affe seinen Schwanz um einen Baumast rolle. Damit gelingt es ihnen, schnell und ungefährdet über die vielen kleinen Abgründe zwischen den einzelnen I-lalmen hinwegzukommen. Selbst an BaumstämfIlen, senkrech.. ~ ten Felswänden oder eben Hausmauero zeigen die Phalangiiden eine Gewandtheit und Sicjlerheit, die jeden Sportkletterer bei weitem in den Schanen srellen. Haupclebensraum der Phalangiiden sind die Bruchwälder, Gebüschsäume und Hochstaudenfluren des Moorgebietes, die den weichhäutigen Tieren den notwendigen Schanen spenden. Sie ernähren sich hauptsächlich von kranken oder toren Tieren - von Rilaena triangltlaris wird auch berichtet, daß er MLicken selbst aus der Luft schlägt -, verschmähen aber faulendes Obst und andere pflanzliche Kost keinesfalls. Der überwiegende Teil der im Sablaroigmoor gefundenen Arten kann als feuchtigskeitsliebend (hygrophil) bezeichnet werden, mehrere Weberknechte \vi'e Lafinius dentiger oder Astrob'lflllS laevipes stellen wärmeliebende (rhermophile) Faunenelemenre dar, wobei diese Tarsache die wärmebegünsrigre Lage des Jaunrales unrersrreichc. 72 LITERATUR MAI\TENS, J. (978): Spinnentiere, Arachnida. Weberknechee, Opiliones.- Die Tierwelr Deueschlands, 64: 464 pp., Gusrav Fischer Verlag, Jena. SAVOI\Y, T. (1964): Arachni<.!a. Academic Press, London & New York, 291 pp. 73