Diagnostik von Epstein-Barr-Virusinfektionen: Serologie vs Virusgenomnachweis Nikolaus Müller-Lantzsch und Barbara Gärtner Institut für Virologie, Homburg/Saar Das Epstein - Barr Virus (EBV) 1964 von Epstein und Barr erstmals beschrieben Mitglied der Herpesvirusfamilie: Enthält eine doppelsträngige DNA von 172 000 Basenpaaren, kloniert, sequenziert. Homologien: zu anderen Herpesviren (HSV1, DNA - Polymerase, RibonukleotidReduktase, Thymidinkinase). Zielzellen: B - Lymphozyten und undifferenzierte Epithelzellen des Rachens und des Zungenrandes. Rezeptor: Rezeptor für die Komplementkomponente C3 d (145 KDa Glykoprotein CR - 2) Verbreitung: Ubiquitär, 95%ige Durchseuchung Biologie der EBV - Infektion 1. Produktive Infektion im Mund-Rachenraum (Zungenepithel). Ausscheidung mit dem Speichel. 2. Nicht - produktive Infektion von zirkulierenden B - Zellen, die immortalisiert bzw. transformiet werden. Immunabwehr und Eliminierung durch cytotoxische T-Zellen (LYDMA). 3. Reaktivierung des EBV bei ca. 20 % aller gesunden und seropositiven Personen im Mund - Rachenraum und Ausscheidung mit dem Speichel. 4. EBV im Genitaltrakt? Erkrankungen mit Beteiligung von EBV Burkitt-Lymphom Mononukleose Div. Lymphome Nasopharynx-Karzinom M. Hodgkin Immunsupprimierte Immungesunde Magenkarzinome Hämophagozytensyndrom Orale Haarleukoplakie Chronische EBV Infektion X-chrom. Immundefekt (XLP) Lymphome z.B. PTLD AIDS, TX Epstein-Barr Virus • Primärinfektion • Reaktivierung • Tumorerkrankung Therapie der Mononukleose • Aciclovir – Verkürzt hoch signifikant die Virusausscheidung – Hat keinen Einfluss auf die Symptome Torre 1999 • Kortikosteroide – Evtl. in fulminanten Fällen gerechtfertigt, bisher aber kein Effekt in randomisierten Studien nachgewiesen Organisation des EBV-Genoms EBV Nachweismethoden • Indirekte Nachweismethoden – Nachweis heterophiler Antikörper (Schnelltest) • Paul-Bunnell Test (Schaferys) • Monospot (Pferdeerys) – ELISA (VCA-IgG, -IgM, EBNA-1, EA-IgG, -IgM……. – Blot • rekombinante Blots • Lysat Blots • Lineblots – Immunfluoreszenz • Direkte Nachweismethoden – Viruslastbestimmung mittels PCR – Histologische Techniken EBV-VCA-IgG positiv (in %) Prävalenz von EBV in Deutschland 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 2020 30 40 50 Alter in Jahren 3254 Seren aus der Uniklinik Homburg 60 Ziele der EBV Diagnostik Immungesunde • Unterscheidung der EBV Primärinfektion von EBV negativen oder Patienten mit alten Infektionen – Antikörperuntersuchungen Immunsupprimierte und Tumorerkrankungen • Nachweis der Krankheitsaktivität – PCR – VCA-IgA (als Tumormarker/Nasopharynxcarzinom) Diagnostik bei Immungesunden Wie war das noch mal mit dem EBNA-1? Welche Antikörperkonstellationen sind mehrdeutig? Welche Lösungsstrategien gibt es? Die wichtigsten viralen Antigene in der EBV - Diagnostik VCA Viruskapsidantigen (Strukturproteine), Indirekte Immunfluoreszenz (IF), ELISA, WB EA Early antigen = Frühe Proteine (Regulatorische Proteine), Indirekte Immunfluoreszenz (IF), ELISA, WB EBNA 1 Epstein - Barr Virus spezifisches nukleäres Antigen 1 (Regulatorisches Kernprotein, für DNA - Replikation wichtig), Antikomplimentäre Immunfluoreszenz (ACF), IF, ELISA, WB EBNA 2 Epstein - Barr Virus spezifisches nukleäres Antigen 2 (Regulatorisches Kernprotein, Transaktivator viraler und zellulärer Gene) ACF, IF, ELISA, WB Antikörpernachweis während der Primärinfektion Symptome Infektion VCA-IgM VCA-IgG EBNA-2-IgG EA-IgG EBNA-1-IgG Antikörpernachweise während einer serologischen Reaktivierung VCA-IgG EBNA-2-IgG EBNA-1-IgG VCA-IgM ? EA-IgG Was brauchen wir wirklich an Diagnostik Symptome Infektion VCA-IgM VCA-IgG EBNA-1-IgG Interpretationsschema VCA-IgG VCA-IgM EBNA-1-IgG Interpretation +(-) + + - + + + + - + - Antizelluläre Reaktionen Seronegativ Primärinfektion Alte Infektion ??? ??? ??? Probleme in der serologischen EBV-Diagnostik • Alle Parameter positiv – Wiederauftreten von IgM während einer Reaktivierung – EBNA-1-IgG bereits früh gebildet in der Primärinfektion • Isoliertes VCA-IgG – Fehlendes IgM in der Primärinfektion – Fehlende EBNA-1 Bildung/EBNA-1 Verlust z.B. während serologische Reaktivierung Primärinfektion und alte Infektion können gleich aussehen Wie häufig sind dieses problematischen Seren? negativ 6% Alte Infektionen Primärinfektionen 7% Antizelluläre Reaktionen 4% 6% Unklar : isoliert VCA-IgG positiv 77% Analyse von 3622 Seren einer Routinediagnostik Bauer Clin Lab 2001 Lösungsstrategien – Nachweis eines „späten“ VCA-IgG (p18 im Blot) • p18 negativ (bei isoliert positiven VCA-IgG) = Primärinfektion – Aviditätstestung • Niedrig avide Antikörper = Primärinfektion • Hoch avide Antikörper = alte Infektion – Heterophile Antikörper • positiv = Primärinfektion • negativ = keine Aussage möglich – PCR – Flexibler Grenzwert Sinnvolle serologische Stufendiagnostik beim Immungesunden EBNA-1 IgG positiv negativ Alte Infektion VCA-IgG positiv negativ VCA-IgM Seronegativ positiv Primärinfektion negativ Weiterführend Diagnostik z.B. Avidität, Blot, PCR Diagnostik bei Immunsupprimierten Warum funktionieren die Antikörperteste nicht? Was bringt die Viruslast ? Wie war das damals mit dem „prädiktiven Wert“? Wie muss die Viruslast interpretiert werden? Serologische Diagnostik bei Immunsupprimierten HIV Dialyse Transplantation EBV PCR N Serologische Reaktivierungen Positiv 12 9 (75%) Negativ 18 16 (89%) Positiv 4 2 (50%) Negativ 19 4 (21%) Positiv 15 4 (27%) Negativ 15 2 (13%) Patienten gesamt Positiv 31 15 (48%) Negativ 52 16 (32%) Blutspender Negativ 30 4 (13%) Gärtner, J Clin Microbiol 2000 p 0,31 0,23 0,36 0,59 Warum funktionieren Antikörperteste bei Immunsupprimierten nicht ? • Die serologische Reaktivierungen korrelieren nicht mit den Viruslastbefunden, daher sollte bei Immunsupprimierten auf eine serologische Diagnostik verzichtet werden – passiv übertragene Antikörper – inkonstante Bildung von Antikörper, – lange Persistenz von Antikörpern – Bei z.T. fulminanten Erkrankungen kommt eine Diagnostik auf Antikörpergrundlage zu spät Sinnvolle Diagnostik bei Immunsupprimierten und hohem Risiko für Lymphome VCA-IgG, EBNA-1-IgG Seropositiv Seronegativ Bei TX (mit positivem Spender) EBV-PCR in einem regelm. Monitoring Verlauf der EBV Viruslast bei Patienten mit PTLD ACV 10 8 10 7 10 7 10 6 10 6 10 5 Rituximab 3 2. Transplantation 10 2 Rituximab 3 DLI 10 2 10 1 10 10 4 10 PTLD Antivirale Therapie ACV 10 5 10 4 10 EBV Viruslast in Kopien/ µ gDNA EBV Viruslast in Kopien/ µ gDNA 10 8 10 1 10 0 0 20 40 60 80 Tage nach Transplantation 100 PTLD 0 -20 0 20 40 60 80 100 120 140 Tage nach Transplantation ACV: Aciclovir DLI: Donor-Lymphozyten, adoptiver-T Zell Transfer Verlauf der EBV Viruslast bei Patienten ohne PTLD ACV EB V Viruslast in K opien/µ gD N A EBV Viruslast in Kopien/µ gDNA 10 7 10 5 10 4 10 3 10 2 10 1 10 0 -20 GCV ACV 10 6 10 6 10 5 10 4 10 3 10 2 10 1 10 0 0 20 40 60 80 100 Tage nach Transplantation ACV: Aciclovir GCV: Ganciclovir 120 0 20 40 60 80 100 120 Tage nach Transplantation 140 Bedeutung der EBV Viruslast nach SCT p < 0,0001 EBV-Kopien/µg DNA 10 8 537 negativ 10 7 Grenzwertberechnung für die EBV Viruslast: 105 Kopien/µg DNA Sensitivität: 91 % Spezifität: 93% 10 6 10 5 10 4 10 3 negativ ohne PTLD PTLD Gärtner J Clin Microbiol 2002, aktualisiert 4/2004 Bedeutung der Viruslast II Hohe Werte ergeben nur bedingt eine Aussage zu einer PTLD • EBV nur indirekt beteiligt • EBV nur ein Kofaktor • EBV spielt eine unterschiedliche Rollen, z. B. Hit and Run • Vermutlich ausschlaggebend ist die Reaktivität des Immunsystems Zusammenfassung • In der Diagnostik benigner Erkrankungen von Immungesunden steht die Antikörperdiagnostik im Vordergrund mit den Kernfragen: Primärinfektion -alte Infektion - Seronegativ Hierfür sind die VCA-IgG, VCA-IGM und EBNA-1-IgG in den meisten Fällen ausreichend • Lösungsstrategien für mehrdeutige Antikörpermuster sind: • Nachweis von p18 • Avidität • heterophile Antikörper • PCR • Bei Erkrankungen von Immunsupprimierten ist die EBVViruslastmessung mittels PCR die Methode der Wahl (Monitoring). Aufgrund der Pathogenese der Erkrankungen ist die Interpretation nicht trivial. ENDE