607_659_BIOsp_0610.qxd 632 22.09.2010 10:15 Uhr Seite 632 W I S S E N SCH AFT Proteasomsystem Immunoproteasomen: Schutz vor Stress ELKE KRÜGER, ULRIKE SEIFERT, PETER-M. KLOETZEL INSTITUT FÜR BIOCHEMIE, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN Immunoproteasomen wurden bisher vor allem mit einer verbesserten Immunantwort in Verbindung gebracht. Jetzt zeigt sich, dass eine der Hauptfunktionen der Immunoproteasomen der Schutz der Zellen vor Interferon-induziertem oxidativen Stress ist. The function of immunoproteasomes has been connected with improved antigen presentation efficiency. Now it is shown, that the main function of immunoproteasomes resides in the protection of cells against interferon induced oxidative stress. ó Der ATP-abhängige Abbau von Proteinen durch das Ubiquitin-Proteasom-System (UPS) ist eine entscheidende Kontrollinstanz vieler zellbiologischer Regulations- und physiologischer Anpassungsprozesse. Die zentrale proteolytische Einheit des UPS ist das 20S-Proteasom mit seinen auf der Innenseite des Enzymkomplexes liegenden katalytischen βUntereinheiten (Abb. 1). Das 20S-Proteasom ist die katalytische Grundeinheit und Bestandteil des noch größeren 26S-Proteasoms, das für den regulierten Abbau von Ubiquitin-markierten Proteinen verantwortlich ist (Abb. 1). Als Substrate des 26S-Proteasoms konnten falsch gefaltete, denaturierte oder kurzlebige regulatorische Proteine, wie z. B. Transkriptionsfaktoren oder den Zellzyklus regulierende Proteine, identifiziert werden, die über eine Kaskade von E1-, E2- und E3-Enzymen mit einer Polyubiquitinkette als Abbausignal versehen werden. Interferon-γγ -induzierte Immunoproteasom-Synthese Als Teil der Immunüberwachung eines Organismus bzw. der zellulären Immunantwort spielt das UPS eine zentrale Rolle. In dieser Funktion produziert das Proteasom von eigenen Proteinen oder in der Zelle translatierten viralen Proteinen kurze Peptidfragmente, die von MHC Klasse I-Proteinen im endoplasmatischen Reticulum gebunden und an der Zelloberfläche den T-Lymphozyten zur Immunüberwachung präsentiert werden. Dabei ist die Menge der vom Proteasom produzierten antigenen Peptide limitierend für die Effizienz der Immunantwort. Das bedeutet, dass die Regulation proteasomaler Aktivität sowie die Versorgung der Prozessierungsmaschinerie mit Proteinsubstrat eine essenzielle Rolle spielen [1]. Interferon – ein Regulatormolekül ˚ Abb. 1: A, Das 20S-Proteasom besteht aus 28 (14 verschiedenen) Untereinheiten (UE). Die α-UE bilden die äußeren, die β-UE die beiden inneren Ringe. Die sechs aktiven Zentren, werden von β1, β2 und β5 gebildet. Die Basis, die an die α-UE bindet, besteht aus sechs ATPasen und zwei Nicht-ATPase-Untereinheiten. Der Deckel enthält zehn Nicht-ATPase-Untereinheiten und spielt eine Rolle bei der Substratbindung. B, IFN-γ induziert die Synthese der Immununtereinheiten iβ1, iβ2 und iβ5 und damit des i20S-Proteasoms (verändert nach [2] und [5]). Ein wichtiger Regulator proteasomaler Aktivität ist das proinflammatorisch und antiviral wirkende Zytokin Interferon-γ (IFN-γ), das unter anderem von aktivierten T-Lymphozyten sekretiert wird. IFN-γ wirkt auf das Proteasom regulatorisch, indem es in Zellen die Synthese von drei alternativen katalytisch aktiven β-Untereinheiten – den Immununtereinheiten iβ1 (LMP2), iβ2 (MECL1) und iβ5 (LMP7) – induziert, die nach ihrem Einbau in neu gebildete 20S-Proteasomen das Immunoproteasom (i20S-Proteasom) bilden (Abb. 1B). i20S-Proteasomen zeichnen sich durch veränderte proteolytische Eigenschaften aus und gewährleisten in den meisten Fällen eine effizientere Produktion antigener Peptide, die an der Zelloberfläche präsentiert werden können [2]. Deshalb wurde bisher die spezifische Funktion des i-Proteasoms fast ausschließBIOspektrum | 06.10 | 16. Jahrgang 607_659_BIOsp_0610.qxd 22.09.2010 10:15 Uhr Seite 633 633 lich mit dem Immunsystem und einer verbesserten Immunantwort in Verbindung gebracht. ¯ Abb. 2: Immunfluoreszenzmikroskopie von normalen und i-Proteasom-defizienten embryonalen Mausfibroblasten (MEFs) mit Immunfärbung gegen Polyubiquitin-Konjugate und ALIS (grün) und 20SProteasomen (rot). Nach IFN-γ-Stimulation kommt es in iProteasom-defizienten Zellen nach 48 Stunden zu einer starken Akkumulation von ALIS, während i-Proteasom-haltige Zellen frei von Polyubiquitin-Konjugaten sind (siehe weiße Pfeile). Nicht verstecken – die DRiPHypothese Da viele zelleigene und virale Proteine nach ihrer Synthese in verschiedene zelluläre Kompartimente transportiert werden und damit dem direkten Zugriff des UPS entzogen sind, stellte sich die Frage nach dem Mechanismus, der es der Zelle ermöglicht, Proteine für die Immunantwort zu prozessieren, bevor sie durch zelluläre Kompartimentierung der Antigenprozessierungsmaschinerie entzogen werden. Eine elegante und effiziente Lösung dieses Problems bestünde darin, einen Teil der neu translatierten Proteine direkt nach ihrer Synthese abzubauen. Tatsächlich scheinen bis zu 30 Prozent der neu synthetisierten Proteine direkt nach ihrer Synthese polyubiquitiniert und durch das Proteasom abgebaut zu werden [3]. Zur Erklärung wurde angenommen, dass es sich dabei um falsch gefaltete oder durch inkorrekten Aminosäureeinbau hervorgerufene fehlerhafte Proteine handelt, die folglich als DRiPs (defekte ribosomale Proteinprodukte) bezeichnet wurden. Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass ein so großer Teil neu synthetisierter Proteine defekt ist, und es ist auch weitgehend ungeklärt, welche Defekte die DRiPs besitzen. Unabhängig davon, stellen die DRiPs die Hauptquelle für die vom Proteasom generierten antigenen Peptide dar und sind somit die scheinbare Lösung des oben beschriebenen Kompartimentierungsproblems. Die DRiP-Hypothese erklärt jedoch nicht, wie nach IFN-γ-Stimulation einer Zelle, die zu einer Hochregulation der gesamten Antigenpräsentationsmaschinerie inklusive des i20S-Proteasoms führt, die DRiP-Menge dem erhöhten Peptidbedarf anpasst wird und welche Rolle das i-Proteasom dabei spielt. Interferon-γγ macht Stress Zytokine wie Interferon-γ sind wichtige Induktoren für die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) und verursachen oxidativen Stress, der zu einer oxidativen Schädigung von Proteinen führen kann. Besonders betroffen sind hiervon vor allem neu synthetisierte, noch nicht vollständig gefaltete Proteine. Innerhalb von 48 Stunden induziert IFN-γ einen fast zweifachen Anstieg der intrazellulären ROS-Menge in HeLa-Zellen und humanen Lymphozyten. Parallel dazu kommt es zu einer äußerst starken, vorübergehenden BIOspektrum | 06.10 | 16. Jahrgang Akkumulation oxidierter, polyubiquitinierter Proteine. Inkubation der Zellen mit antioxidativen Agenzien verhindert die IFN-γ-induzierte oxidative Schädigung und damit auch die Akkumulation polyubiquitinierter Proteine. Messbares Zeichen der oxidativen Schädigung neu translatierter Proteine ist der fast dreifache Anstieg der Menge an DRiPs. Dieser Anstieg ist unter anderem auch das Resultat einer durch IFN-γ stimulierten, über mTOR (mammalian target of rapamycin) vermittelten erhöhten Translationsrate. Das bedeutet, dass DRiPs tatsächlich defekte ribosomale Proteine sind und dass durch die erhöhte Translationsrate sowie die verstärkte oxidative Schädigung der neu synthetisierten Proteine das Substratangebot für die Antigenpräsentation und Immunüberwachung erhöht wird [4]. Immunoproteasomen als Schutzfaktor INF-γ induziert neben der Synthese der Immununtereinheiten β1i, β2i und β5i auch die Synthese des Proteasom-Maturierungsproteins POMP, das für eine um den Faktor 3 beschleunigte Assemblierung des i20S-Proteasoms verantwortlich ist. Trotzdem dauert es nach IFN-γ-Stimulation der Zellen ca. acht bis zwölf Stunden, bis signifikante Mengen des i20S-Proteasoms gegen das Standard-20SProteasom ausgetauscht und als Bestandteil des neu gebildeten i26S-Proteasoms nachweisbar sind. Der durch IFN-γ induzierte Austausch des Standard-Proteasoms gegen das i-Proteasom macht jedoch eine Disassemblierung des vorhandenen s26S-Proteasoms notwendig. Dadurch kommt es zu einer vorübergehenden Abnahme der zellulären, proteasomalen Aktivität und aufgrund des durch IFN-γ induzierten oxidativen Stresses zu einer starken Akkumulation von Polyubiquitin-Konjugaten. Sichtbares Zeichen ist das vorübergehende Auftreten von ALIS (aggresome-like induced structures), die zum Schutz nach Stressinduktion in den Zellen gebildet und mithilfe von Ubiquitin-Antikörpern nachgewiesen werden können (Abb. 2). Mit der allmählichen Zunahme funktionsfähiger i26SProteasomen, die Polyubiquitin-Konjugate drei- bis viermal effizienter abbauen, als es die Standard-26S-Proteasomen können, beschleunigt sich im Laufe der IFN-γ-Stimulation der Zellen der Abbau der PolyubiquitinKonjugate, trotz der weiter bestehenden hohen DRiP-Rate. Das führt dazu, dass 48 Stunden nach IFN-γ-Stimulation praktisch alle hochmolekularen Polyubiquitin-Konjugate aus der Zelle entfernt sind (Abb. 2). Besonders deutlich wird die physiologische Bedeutung der i-Proteasomen, wenn man den Abbau der ALIS in embryonalen Mausfibroblasten (MEFs) von i20S-Proteasom-defizienten Mäusen untersucht. Hier zeigt sich, dass das Fehlen der i-Proteasomen zu einer kontinuierlichen Akkumulation von ALIS in den Zellen führt, die jetzt nicht mehr in der Lage sind, ALIS effizient abzubauen (Abb. 2). Die besondere Bedeutung von i-Proteasomen für den Schutz vor IFN-γ-induziertem oxidativen Stress zeigt sich auch in einer zweifach 607_659_BIOsp_0610.qxd 634 22.09.2010 10:15 Uhr Seite 634 W I S S E N SCH AFT Die primäre physiologische Funktion des Immunoproteasoms dient damit vor allem dem Schutz und der Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit der Zellen bei Zytokin-induziertem oxidativen Stress (Abb. 3). Dieselbe zellprotektive Funktion des i-Proteasoms sorgt andererseits jedoch auch dafür, dass durch den effizienten Abbau der DRiPs die Peptidversorgung dem steigenden Bedarf der durch IFN-γ aktivierten Antigenpräsentationsmaschinerie angepasst wird. In letzter Konsequenz heißt das, dass durch Aufrechterhaltung des Proteingleichgewichts i-Proteasomen auch die zelluläre Immunanpassung gewährleisten. ó Literatur ˚ Abb. 3: IFN-γ induziert oxidativen Stress (reaktive Sauerstoffspezies, ROS). In Verbindung mit einer gesteigerten Proteinsyntheserate kommt es daher zu einem Anstieg der DRiPs. Aufgrund ihrer höheren proteolytischen Aktivität bauen i26S-Proteasomen die DRiPs effektiv ab, und es kommt zu einer verbesserten Antigenpräsentation. In Abwesenheit von i26S-Proteasomen (LMP7KO) kommt es zu einer Akkumulation der Polyubiquitin-Konjugate, der Bildung von ALIS und gesteigerter Apoptoserate. erhöhten Apoptoserate und einer erhöhten Sensitivität gegenüber Apoptose-Induktoren der i-Proteasom-defizienten, embryonalen Fibroblastenzellen der Maus. Immunoproteasomen spielen damit nicht nur eine zentrale Rolle bei der Beseitigung aggregierter, oxidativ geschädigter Proteine, sondern sorgen gleichzeitig auch für die Aufrechterhaltung des Proteingleichgewichts in entzündungsexponierten Geweben. Dieser protektive Effekt wird auch in einem Mausmodel für Multiple Sklerose deutlich, in dem das Fehlen funktionsfähiger i-Proteasomen zu stark verschlechterten klinischen Parametern und zu einem chronischen Verlauf der Erkrankung mit Ablagerungen von Proteinaggregaten in neuronalen Zellen führt. Die entzündungsabhängige Akkumulation von Proteinaggregaten in neuronalen Zellen deutet darauf hin, dass in Kombination mit oxidativem Stress eine Inhibierung des UPS oder eine partielle Dysfunktion des i-Proteasoms in Neuronen ursächlich mit an der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen mit intrazellulärer Proteinaggregatbildung beteiligt sein kann. [1] Benham AM, Neefjes JJ (1997) Proteasome activity limits the assembly of MHC class I molecules after IFN-gamma stimulation. J Immunology 159:5896–5904 [2] Kloetzel PM (2001) Antigen processing by the proteasome. Nat Rev Mol Cell Biol 2:179–187 [3] Schubert U, Antón LC, Gibbs J et al. (2000) Rapid degradation of a large fraction of newly synthesized proteins by proteasomes. Nature 404:770–774 [4] Seifert U, Bialy LP, Ebstein F et al. (2010) Immunoproteasomes preserve protein homeostasis upon interferon-induced oxidative stress. Cell 142:613–624 [5] Kloetzel PM (2004) Generation of major histocompatibility complex class I antigens: functional interplay between proteasomes and TPPII. Nat Immunol 5:661–669 Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Peter-M. Kloetzel Institut für Biochemie Charité Universitätsmedizin Berlin Oudenarder Straße 16 D-13347 Berlin Tel.: 030-450528-142/071 Fax: 030-450528-921 [email protected] AUTOREN Elke Krüger Ulrike Seifert Peter-Michael Kloetzel Jahrgang 1968. 1987–1992 Biologiestudium; 1996 Promotion an der Universität Greifswald. 1997–1999 Postdoktorat bei Prof. Hecker in Greifswald. Seit 1999 Projektgruppenleiter am Institut für Biochemie, Charité Berlin. 2008 Habilitation. Seit 2009 Professorin für Biochemie an der Charité. Jahrgang 1969. 1988–1995 Humanmedizinstudium; 1995 Promotion an der Medizinischen Hochschule Hannover. Seit 1997 am Institut für Biochemie, Charité Berlin. Seit 2003 Leiterin der Projektgruppe MHC Klasse I Epitop-Generierung. Jahrgang 1948. 1970–1976 Biologie- und Biochemiestudium; 1979 Promotion HHU Düsseldorf. 1985 Habilitation in Heidelberg. Seit 1993 Direktor des Instituts für Biochemie, Charité Berlin. Seit 2005 Wissenschaftlicher Direktor Charité Centrum II für Grundlagenmedizin. BIOspektrum | 06.10 | 16. Jahrgang