Die Hochzeits-Kirche Nienstedtener Kirche erhält Fachwerk-Heizung Ausgabe 3 - März 2006 Kinder spielen für ihre Kirche Theater S ie heißen Christina, Carolin, Isabel und John, sind zwischen fünf und zehn Jahren alt und wurden für ihre Kirche aktiv. Die vier Nienstedtener Kinder führten in der Vorweihnachtszeit ein selbst inszeniertes Theaterstück auf, schrieben Einladungsbriefe für die Uraufführung am 17. Dezember 2005 und erwirtschafteten durch Eintrittsgelder und Spenden 93 Euro zugunsten der Nienstedtener Kirche. Christina (10), Autorin des Theaterstücks und Darstellerin des Weihnachtsmannes: „Wir haben Einladungen geschrieben, eine Gästeliste geführt und die Bühne aufgebaut.“ Das erfolgreiche Stück über das Mädchen Ballerina, seine Mutter, den Weihnachtsmann und ein Zebra wurde nach der Aufführung bei Kaffee und Punsch von Zuschauern und Schauspielern gefeiert. Isabel: „Das nächste Stück ist in Arbeit, wir führen es in der Osterzeit auf.“ Die Nachwuchs-Künstler Carolin, Christina, Isabel und John „Das Herzstück sind die Diagonalstreben“ Die Restaurierung der Nienstedtener Kirche ist schwieriger als erwartet. Kaum waren die Fachwerkarbeiten an der Nordseite abgeschlossen, traten neue Hürden auf - die Statik war in Gefahr. Hier ist die Lösung: S eit einem Jahr wird die Nienstedener Kirche saniert. Der Nagekäfer hatte die Holzbalken der 252 Jahre alten Fachwerkkirche flächendeckend ausgehöhlt und wurde in einer Großaktion aus dem Fachwerk verbannt. An der Nordseite sind die Fachwerkarbeiten abgeschlossen, doch neue Probleme traten zu Tage die Statik der Kirche ist in Gefahr. Architekt Alk Arwed Friedrichsen: „Im Sommer 2005 entdeckten wir die Ursache. Vier wichtige Diagonalstreben waren beim Umbau der Kir- che 1905 entfernt worden, weil man ihre zentrale Aufgabe im Tragwerk nicht erkannt hatte. Diese Streben führen links und rechts von den beiden Seiteneingängen hoch bis an das Kirchendach und halten die Kirche zum Beispiel bei Sturmwind stabil eine seltene und wertvolle Konstruktion.“ Nun werden diese vier ursprünglichen Streben wieder eingebaut. Zwei davon sind schon gespendet worden (vgl. Seite 4). Architekt Friedrichsen betont: „Immer vergisst man, dass bei einem Fachwerkgebäude die Steine überhaupt keine Rolle für die Stabilisierung spielen. Bei der Nienstedtener Kirche sind zum Beispiel vier Diagonalstreben das Herzstück.“ Die fünf Meter langen Streben sind an der Außenwand sichbar. Sie führen von unten hoch bis über Schulterhöhe, gehen durch die Empore, stützen oben die Verankerung des Tonnengewölbes und tragen damit das Gewölbe selber. Hierfür wurden alte, speziell getrocknete Eichenhölzer gesucht. Dabei erweist sich die Renovierung der Kirche als echte Handwerkskunst. cs Ein Stein fiel zu früh. Ein Stein fiel dem Kirchenvorstand vom Herzen, als die veranschlagten 750.000 Euro zur Sanierung des Fachwerks durch Tausende von Freunden der Nienstedtener Kirche zusammengetragen waren. Endlich konnten die so dringenden Arbeiten zur Erhaltung unseres historischen Gotteshauses beginnen! Der Stein fiel zu früh. Bei der Renovierung wurden weitere Schäden entdeckt. Schwamm hatte sich hinter der Holzverkleidung angesiedelt, Wurzeln in den Mauern des Sockels. Der gesamte Sockel erwies sich als instabil, die Statik der Kirche musste durch komplizierte Balkenkonstruktionen gesichert werden. Restaurierung: schwierig, aber solide für die Zukunft Backsteine nach historischem Vorbild Neu: Wandheizung gegen Kellerschwamm Altes handwerkliches Können kommt auch bei den roten Backsteinen der Kirche ins Spiel. Weil sich das Mauerwerk des Sockels an der Kirche als marode herausstellte, müssen nun auch die Backsteine neu gebrannt werden. Doch selbst bei einer Kirche steckt der Teufel im Detail: Der alte, von Hand geformte Stein kann in seiner Oberfläche und dem Farbspiel in einer heutigen Fabrikanlage nicht mehr nachgeahmt werden. Der Sockelbereich der Kirche, von außen nicht sichtbar, erwies sich bei den Bauarbeiten als völlig marode. Architekt Friedrichsen: „Der Mörtel war stellenweise komplett zerbröselt. Außen war er in früheren Zeiten oberflächlich nachgebessert worden, innen bestand er nur noch aus Sand.“ Der Kirchensockel wurde komplett erneuert. Damit hier und in den Wänden keine Feuchtigkeit mehr entsteht, wurde ein bewährtes Verfahren eingebaut: eine Wandheizung. Bei niedrigen Temperaturen und damit geringen Betriebskosten sorgt sie auch bei steifer Brise von der Elbe her für trockene Wände. Nach langem Suchen fanden die Nienstedtener eine kleine Ziegelei in Brandenburg. Nur ihr Ofen mit Kohlebrand hat das Farbspiel der Ziegel exakt getroffen. In Handarbeit werden nun pro Woche rund 500 Steine angefertigt, die gerade mal für Mauerwerk von 2,5 Quadratmeter Fachwerk reichen. Nun wollen Sie wissen, wie viele Ziegel insgesamt gebrannt werden müssen? Fragen Sie Ihren Kirchenvorstand! Gesundheit am Dachstuhl Auch die Arbeiten am Dachstuhl führten zu unvorhersehbaren Kosten. Dort wurden früher Holzschutzmittel in solch großen Mengen eingebracht, dass heute Schutzkleidung und -einrichtungen nötig sind, um gefahrlos zu arbeiten. Die Kosten werden nun auf 1,2 Mio Euro veranschlagt. 900.000 Euro können wir mit zugesagten Spenden decken, 300.000 Euro fehlen jedoch noch. In dieser schwierigen Lage bittet der Kirchenvorstand um Hilfe. Jede Spende zählt. Alle Spender werden in das Goldene Buch der Kirche eingetragen und Spender ab 1.000 Euro sind auf Metalltafeln zu lesen. Unsere Vorfahren haben diese Kirche in viel schwereren Zeiten gebaut. Nun muss unsere Generation sie nachhaltig renoviert den Kindern weitergeben. Der Kirchenvorstand hofft, dieses große Werk mit zahlreicher Unterstützung zu vollenden. Einen fröhlichen Spender hat Gott lieb! Dr. Axel von Heyden Vorsitzender des Kirchenvorstandes der Kirchengemeinde Nienstedten Holzrestaurator Bodo Vogel (links), Architekt Alk Arwed Friedrichsen und Pastorin Astrid Fiehland van der Vegt sind fast täglich auf der Baustelle. Ständer, Riegel, Balken Erwerben Sie einen Stifterbrief! H Sie haben die Wahl: Ein Riegel für Klempnerei Wernicke Fenstereinrahmung 5000 EUR Ständer (vertikaler Balken bis unter das Dach) 2000 EUR Streben (schräger Balken) 1000 EUR Schwelle (unterster waagerechter Balken) pro Gefach 1000 EUR underte von Balken und drei Türeinrahmungen der Nienstedtener Kirche sind inzwischen verkauft. Hören Sie sich um, und Sie werden entdecken, wie viele Stifterbriefe die Wohnungen in Nienstedten bereits schmücken. Bernd Wernicke steht in der Werkstatt seines traditionsreichen Familienbetriebes. Draußen stoppt ein Fahrrad im winterlichen Eisschnee. Rien van der Vegt klingelt: „Ich bringe Ihnen Ihre Stifterurkunde!“ Der gebürtige Nienstedtener Wernicke strahlt. Einen Riegel für die Familie hat der studierte Versorgungstechniker erstanden. Aus Überzeugung, denn: „Ohne die traditionsreiche Kirche wäre Nienstedten kein Dorf. Sie ist der Dorfkern, drum herum wurden Reetdachhäuser gebaut. So ein altes, geschlossenes Ensemble ist für eine Großstadt eine Seltenheit. Das werden wir erhalten.“ Der 41-jährige Vater von zwei Töchtern wurde hier getauft, hat hier geheiratet. „Jetzt sind meine Töchter im Konfirmandenunterricht.“ Riegel (waagerechter Balken) 500 EUR W er einen Balken adoptiert, erhält einen Stifterbrief, in dem das gespendete Bauteil im Gesamtbauplan farblich gekennzeichnet und die Spende eingetragen ist. Auskunft geben Ihnen gerne das Kirchenbüro Nienstedten und die Pastoren. Spendenkonto: Konto-Nr.: 1253/ 128 969, Hamburger Sparkasse, BLZ: 200 505 50, Stichwort: „Fachwerk“. Zahlkarten liegen in der Kirche und im Kirchenbüro: Nienstedtener Marktplatz 19 a, Mo-Fr: 9.0012.00 Uhr, Tel.: 040-82 8744. E-Mail: [email protected] „Wir haben noch Riegel mit Elbblick!“ Rien van der Vegt (Nienstedten) ist nicht nur Theologe und Pfarrmann, sondern auch exakter Kenner sämtlicher gespendeter Kirchenbalken. Über seinen Schreibtisch gehen alle Stifterurkunden. Manchem bringt er die begehrte Urkunde auch nach Hause (Foto links). Der geborene Niederländer gibt auf Wunsch auch mal diskrete Tipps: „Wir haben noch Riegel mit Elbblick!“ Bernd Wernicke (links) von der Klempnerei Wernicke in Nienstedten erhält von Rien van der Vegt die Stifterurkunde überreicht Was die Fachwörter bedeuten, hat sich in Nienstedten längst herumgesprochen: Riegel nennt man die kleinen und mittleren Querbalken, die im Fachwerk senkrechte Ständer miteinander verbinden. Untere Riegel sind Schwellen. Dr. Klaus Raabe: „Die Nienstedtener Kirche ist Teil unseres Lebens.“ Spende zur Goldenen Hochzeit Ihre Goldene Hochzeit war für Hannelore und Dr. Klaus Raabe der Anlass, für „ihre Kirche“ zu sammeln. Die Gäste auf dem Fest spendeten großzügig: 3.000 Euro kamen zusammen. „Das hat uns so gefreut, dass wir den Betrag auf 5.000 Euro aufgestockt haben und damit einen großen senkrechten Balken an der Südseite erwarben“, freut sich Dr. Klaus Raabe. Schmunzelnd ergänzt er: „Mein Schulfreund hatte kurz zuvor zu seinem 80. Geburtstag ebenfalls für die Kirche gesammelt - diese gute Idee blieb wahrscheinlich bei mir hängen.“ Wenn er an die Nienstedtener Kirche denkt, wird der Rechtsanwalt ernst: „Diese Kirche gehört in den Ort. Zwar ist sie als Hochzeitskirche bekannt, aber wir brauchen sie auch für traurige Ereignisse im Leben. Wenn ich an ihr vorbeifahre, denke ich oft zurück an die bewegende Trauerfeier für meinen Vater vor vielen Jahren, auch an Trauerfeiern für Freunde. Die Kirche war manchmal so voll, dass die Gäste draußen stehen mußten. Diese intensiven Erlebnisse möchte ich nicht missen.“ Diagonalstreben gespendet „Damit unsere Kirche nicht zusammenfällt!“ Margrit Wetzel: „Selbstverständlich unterstützen wir unsere Nienstedtener Kirche!“ D ie akute Frage, ob die Nienstedtener Kirche auseinanderbricht, hat die Nienstedtener Familie Wetzel im Sommer 2005 bewegt. „Wir wollten den Stahlgürtel finanziell unterstützen, der als „Rettungsring“ um das Kirchenschiff herum schon vorgesehen war. Als der Architekt dann die Lösung mit den vier tragenden Diagonalstreben entdeckte, haben wir sofort gehandelt.“ Der Bankier Joachim Wetzel und seine Frau Margrit sind Menschen der Tat. Sie spendeten zwei von vier „Herzstücken“ zur Stabilisierung der Kirche: die Diagonalstreben. Diese fünf Meter langen Eichenpfeiler sind seit Monaten Tagesgespräch im Dorf. Denn: „Die Diagonalstreben sind die Rettung!“ Auf diesen vier Balken beruht die einzigartige Konstruktion der Kirche. Sie halten vom Sockel bis zum Dach das Kirchenschiff zusammen. Für zwei Diagonalstreben spendete das Ehepaar Wetzel 30.000 Euro im Rahmen der Agnes-Grefe-Stiftung. Joachim Wetzel: „Wir haben hier seit vielen Jahren eine Dorfgemeinschaft, da gehört diese Hilfe einfach dazu.“ Sonnabend, 6.Mai, 20-24 Uhr: Benefizkonzert „Da wackeln die Wände...“ Benefizkonzert für die Kirche anlässlich des Jubiläums Fünf Jahre MühleisenOrgel, mit sieben Organisten: Alexander Ivanov, Keitum/Sylt; Ulrich Billet, Nienstedten; Manuel Gera, St. Michaelis; Frauke Grübner, Nienstedten; Holger Handke, Blankenese; Rudolf Kelber, St. Jacobi; Rainer Lanz, Othmar- schen; dazu Instrumentalisten und der Gospelchor Blankenese. Danach: Verkauf echter Marcussen-Orgelpfeifen! Impressum: Herausgeber: Kirchengemeinde Nienstedten. Redaktion: C. Strauß, Th. Diedrich (V.i.S.d.P.) Anschrift: Kirchenbüro Nienstedten, Nienstedtener Marktplatz 19a, 22609 Hamburg. Satz, Layout, Fotos: C. Strauß. Auflage: 5.000, Druckerei in St.Pauli Xestobium rufovillosum spricht zu Nienstedten Liebe Leute, die Erfindung der Heizung ist ein Unglück. Sie hält Räume trocken, und das ist ungesund, für uns bunt schillernde Nagekäfer der Nienstedtener Kirche allemal. Kaum haben die Nienstedtener uns im letzten Sommer aus den oberen Etagen unserer Kirche vertrieben, da droht neues Unheil. Ins Erdgeschoß musste meine Familie ziehen; ein paar tausend blieben dabei auf der Strecke. In Bodennähe aber lebten wir auf. Wir wussten: Für menschliche Augen unsichtbar gibt es dort feuchte Balken, voller Pilzbefall, zum Anknabbern schön. Und das haben wir auch getan. Doch nun diese Heizung. Die Menschen wollen sie ins Mauerwerk einbauen. Mit niedriger, gleich bleibender Heizkraft. Damit Bodennässe in der Außenwand nie wieder eine Chance hat. Das ist unser Ende! Seit hundert Jahren kam kein Mensch auf diese Idee. Aber dieser Architekt Friedrichsen ist ein Tüftler. Er geht den morschen Balken auf den Grund. Im wörtlichen Sinn. Nun mobilisieren die Nienstedtener für diese Heizung und neue Backsteine alle „kulturliebenden Hamburger“. Da können wir vom Stamme der Xestobii rufovillosi nur lachen. Kultur und Tradition in dieser Kirche ist unsere Sache! „Totenuhr“ nennt uns der Volksmund. Denn nachts, wenn in der Kirche kein Mensch die himmlische Ruhe stört und Totenstille herrscht, hört man das Fraßgeräusch unserer Greifer ticken. Wie eine Uhr. Das ist Kultur, alt überliefert in allen vernünftigen Fachwerkhäusern. Und nun diese neumodische Wandheizung. Wohin sollen wir ziehen, in Gottes Namen? XESTOBIUM RUFOVILLOSUM, achthundertsiebenundzwanzigster Nagekäfer der Nienstedtener Kirche