Differenzierung und Proliferation von Zellen während der

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Braun, Thomas | Differenzierung und Proliferation von Zellen ...
Tätigkeitsbericht 2005
Entwicklungs- und Evolutionsbiologie/Genetik
Immun- und Infektionsbiologie/Medizin
Differenzierung und Proliferation von Zellen während der
Entwicklung und Regeneration
Braun, Thomas
Max-Planck-Institut Herz- und Lungenforschung, Bad Nauheim
Korrespondierender Autor: Braun, Thomas
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Das übergreifende Forschungskonzept der Abteilung ‚Entwicklung und Umbau des Herzens‘ ist durch
zwei Strategien charakterisiert: (1) Erforschung von Prozessen, die zur Proliferation von organtypischen Vorläuferzellen und deren koordinierter Differenzierung während der Organentwicklung und
Regeneration führen; (2) Entwicklung von präklinischen Modellen, in denen das mit Strategie (1) erarbeitete Wissen eingesetzt wird, um die Geweberegeneration, besonders im Herzen, zu ermöglichen,
zu verbessern und zu beschleunigen. Individuelle Forschungsprojekte sind Teil dieses Konzepts und
jeweils einem der beiden Schwerpunkte zugeordnet, sofern die thematische Überlappung dies erlaubt.
Die obige Trennung der Thematiken ist eher künstlicher Natur, vereinfacht jedoch die Unterscheidung
zwischen einem mehr grundlagenorientierten und einem im medizinischen Sinne praxisorientierten
Ansatz.
Abstract
The general research concept of the department of cardiac development and remodelling is characterized by two strategies: (i) a better understanding of processes that lead to proliferation of organ typical
precursor cells and their coordinated differentiation during organ development and regeneration; (ii)
development of pre-clinical models in which knowledge gained in approach (i) can be used to enable,
improve and accelerate tissue regeneration in particular of the heart. Individual research projects are
part of this concept and contained in either of these themes. Yet, it is clear that both themes overlap
and that such a separation is rather artificial. Nevertheless it might help to distinguish between mostly
basic and more applied scientific approaches, which hold a direct medical impact.
(1) Differenzierung und Proliferation von Zellen während der Entwicklung und Regeneration
Molekulare Kontrolle der Differenzierung und Regeneration im geschädigten und alternden
Herzen
Nach allgemeiner Lehrmeinung besteht das adulte Herz aus ausdifferenzierten Kardiomyozyten (Herzmuskelzellen), die nicht mehr teilungsfähig sind. Da das menschliche Herz über Dekaden hinweg
kontinuierlich und effizient arbeiten kann, wurde angenommen, dass individuelle Kardiomyozyten diesen Zeitraum ebenfalls ohne große Veränderungen überleben. Verschiedene Arbeiten zeigten jedoch,
dass das Altern und Schädigungen des Herzens unausweichlich zum Verlust von Zellen durch den sog.
programmierten Zelltod (Apoptose) mit folgenden Gewebeveränderungen (Nekrosen) führen. Hieraus
kann geschlossen werden, dass adulte Kardiomyozyten noch eine Restfähigkeit zur Selbst-Erneuerung
haben und dass diese für die Aufrechterhaltung einer normalen Herzfunktion essentiell ist. Bislang ist
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nicht bekannt, welche Signale und Prozesse die Balance von Zelltod, Zellüberleben und Zellteilung
bestimmen.
Eine Arbeitsgruppe am MPI für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim sucht nach Wachstumsfaktoren, die dieses empfindliche Gleichgewicht kontrollieren könnten. Einer dieser Faktoren
ist möglicherweise BMP-10, ein neues Mitglied der BMP-Familie (bone morphogenetic proteins),
das spezifisch in den „Trabekel“ genannten Muskelbällchen im Herzgewebe und dem Atrium (Herzvorhof) des sich entwickelnden Mausherzens exprimiert wird. Homozygot-mutante BMP-10-Mäuse
entwickeln eine frühe Dysfunktion des Herzens, was insbesondere durch eine fehlende Trabekulierung
bedingt sein könnte, die zu einem Absterben der mutanten Embryonen zwischen E10.5 und 11.5 p.c.
(nach Begattung) führt. In der Gewebekultur schützen BMPs zudem die Kardiomyozyten vor Apoptose. Da BMP-10 in adulten Maus- und Menschenherzen hochgradig exprimiert ist, werden die Forscher
die Rolle von BMP-10 beim Überleben und Altern der Kardiomyozyten in transgenen Mausmodellen
analysieren. Sie erwarten, dass ein tieferes Verständnis der Rolle von BMPs zu neuen therapeutischen
Methoden bei Herzkrankheiten führt (Abb.1).
Abb. 1: Im oberen Teil des Bildes ist ein Mausherz nach Ligatur der LAD, eines Herzkranzgefäßes, gezeigt. Die
Unterbindung der Arterie führt zu einem deutlich sichtbaren massiven Herzinfarkt. Im unteren Teil des Bildes
wurde ein Adenovirus in das Herz injiziert, der ein Reportergen exprimiert, das in einer einfachen Blaufärbung
sichtbar gemacht werden kann. Der Gentransfer in das Herzgewebe stellt eine künftige Behandlungsmöglichkeit
bei Herzschwächen dar.
Urheber: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung
Reparaturprozesse im alternden oder geschädigten Herzen sind durch die Generierung von nichtfunktionalem Narbengewebe charakterisiert. Eine Regeneration von alternden Herzen ist – wie oben
ausgeführt – durch die Einschränkung der Teilungsfähigkeit von adulten Herzmuskelzellen und das
Fehlen von ausreichender Mengen an Herzstammzellen nicht möglich. Die Wissenschaftler am MPI
versuchen daher, den mitotischen Block der Kardiomyozyten durch Manipulation der Zell-Maschinerie aufzuheben. Hierbei untersuchen sie besonders die Rolle der Transkriptionsfaktoren E2F und der
katalytischen Untereinheit des Enzyms Telomerase für die Initiierung des Zellzyklus sowie den poten-
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ziellen Einsatz von dominant negativen Versionen von p53 und p73 für die Verhinderung der Apoptose
von Herzmuskelzellen.
Forscher: Izabella Pietrowska, Thomas Kubin, Zhipei Liu
Herzregeneration des Grünen Wassermolches (Notophtalmus viridescens)
Einige Organismen haben die Fähigkeit, Zellen, die in anderen Spezies postmitotisch sind, zum Wiedereintritt in den Zellzyklus zu bewegen und sogar ganze Organe bzw. Organteile neu zu bilden. Ein
bekanntes Mitglied dieser Tierfamilie ist der Molch Notophtalmus viridescens, der für seine Fähigkeit
bekannt ist, amputierte Gliedmaßen oder Schwänze und einige andere Strukturen zu regenerieren. N.
viridescens ist einer der wenigen Vertebraten, der auch in der Lage ist, Herzmuskelgewebe zu regenerieren (Abb. 2). Ein Wissenschaftler-Team am MPI in Bad Nauheim vergleicht Expressionsprofile von
ungeschädigtem und regenerierendem Herzgewebe, um Moleküle zu identifizieren, die die Regenerationsfähigkeit des Molchherzens steuern. Daten aus diesem Screening werden mit Resultaten ähnlicher
Screens eines Mausmodells für Herzinfarkt verglichen. Bislang haben die Forscher DNA-Chips mit
100 000 cDNAs generiert und zur Identifizierung von Genen eingesetzt, die eine differentielle Expression im regenerierenden und ruhenden Herzen zeigen. Eine detaillierte funktionelle Analyse des
molekularen Pfades, der die Herzregeneration in Molchen bestimmt, ist der nächste Schritt, der zurzeit
über verschiedene Herangehensweisen realisiert wird.
Forscher: Thilo Borchadt, Julia Kruse, Thomas Kubin, Thomas Böttger, Rene Zimmermann
Abb. 2: Gezeigt ist ein „rotgepunkteter, grünlicher Wassermolch“ (Notophtalmus viridescens), bei dem ein Teil
des Herzens geschädigt wurde (weiß umrandeter Bereich). In grün sind die intakten Herzmuskelzellen angefärbt
worden, die in dem geschädigten Areal praktisch fehlen. Anders als der Mensch kann der Molch das geschädigte
Areal, und auch im Erwachsenenalter ein völlig normales Herz, wieder neu aufbauen.
Urheber: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung
Identifizierung von Genen, die die Differenzierung von Kardiomyozyten kontrollieren
In der Vergangenheit wurden bereits verschiedene Gene identifiziert, die zur Differenzierung von Kardiomyozyten und zur Morphogenese des Herzens beitragen. Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass
eine deutlich größere Anzahl von Genen für die spezifische Gestaltwerdung des Herzens eine Rolle
spielt. Umfassende funktionelle Ansätze, derartige Gene zu identifizieren, existieren für Säuger bislang
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nicht. Eine Forschergruppe am MPI wendet eine Genome-Wide-Screen-Strategie an, die auf der Differenzierung embryonaler Stammzellen basiert. Sie nutzt komplexe retrovirale siRNA-Bibliotheken, um
Gene zu identifizieren, die eine ausschlaggebende Rolle bei der Differenzierung von Kardiomyozyten
spielen. Die identifizierten Gene werden bei der Differenzierung von embryonalen Stammzellen (ESZellen) in vitro mittels Formation von Embryoid Bodies (EBs; Abb. 3B) und in vivo unter Nutzung
von tetraploid aggregierten Chimären untersucht.
Forscher: Andre Schneider, Thomas Böttger, Dietmar von der Ahe
Abb. 3: Differenzierung von embryonalen Stammzellen (ES) in Kardiomyozyten nach Behandlung der Embryonic
Bodies (EBs) mit dem Wachstumsfaktor FGF-2 über drei Tage. A: undifferenzierte Zellen; B: Embryonic Bodies
nach 3-tägiger Behandlung mit FGF-2; C: Sarkomerische MyHC (MF-20) positive Kardiomyozyten, differenziert aus Embryonic Bodies nach Behandlung mit 3ng/ml FGF-2.
Urheber: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung
Herzalterung und oxidativer Stress: SIR-Gene und die Kontrolle des Energiemetabolismus
Reaktive Sauerstoffspezies (ROS=Sauerstoffradikale) bewirken eine Vielzahl degenerativer Veränderungen in der Zelle und führen zu vorzeitiger Zellalterung. Im Allgemeinen wird die Anhäufung von
ROS als Hauptgrund für verstärkte Zellalterung angesehen. Gewebe, die hauptsächlich aus postmitotischen Zellen bestehen, scheinen für die Schädigung durch ROS besonders anfällig zu sein, da sie nur
ein limitiertes Regenerationspotenzial besitzen. Bislang sind die exakten Zusammenhänge zwischen
oxidativem Stress und Alterung nicht vollständig bekannt Abb. 4. Es ist jedoch klar, dass erhöhter
oxidativer Stress zu einer Instabilität des Energiemetabolismus führt. Der unbalancierte Energiemetabolismus zieht wahrscheinlich eine reduzierte Aktivität der SIR- (silent information regulator)
Genfamilie nach sich. Die SIR-Gene inaktivieren vermutlich spezielle Chromatindomänen (durch die
Deacetylierung NAD-abhängiger Histone) und üben dadurch eine Schutzfunktion aus. Dieser Vorstellung entsprechend führt die Über-Expression von SIR2 in der Hefe (Saccharomyces cervisiae) zu
einem deutlichen Anstieg der Lebensdauer.
Wissenschaftler am MPI für Herz- und Lungenforschung haben verschiedene Mauslinien generiert, die
es ihnen ermöglichen, die Rolle des oxidativen Stresses, des Alterns und der Chromatin-Inaktivierung
zu untersuchen. Hierfür konstruierten sie ein konditionell aktives Allel von SOD2 (Superoxiddismutase), das die Inaktivierung und Aktivierung des Gens zu bestimmten Zeitpunkten im Herzmuskel ermöglicht. In einer zweiten Versuchsreihe wird SIR2-cDNA im Herzen künstlich überexprimiert. Wei-
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terhin erforschen sie den Effekt von normalkalorischer und hypokalorischer Nahrung auf oxidativen
Stress und die Zellalterung unter Nutzung entsprechender Expressionsprofile von Kardiomyozyten. Sie
analysieren zudem die Verbindung zwischen oxidativem Stress und Genchromatin-Inaktivierung durch
die Kreuzung SOD2-defizienter Mäuse mit solchen, in denen SIR2 überexprimiert ist.
Forscher: Eva Bober, Susanne Weinlich, Olesya Vakrusheva
Abb. 4: Das Enzym „Manganisierte Superoxiddismutase (MnSOD)“ erhöht die Überlebensrate von Fibroblasten
unter hyperoxischen Bedingungen.
Kontroll-Fibroblasten und solche, die MnSOD überexprimieren, wurden unter normalen (20% O2 = „Normoxia“) und hyperoxischen (85% O2 = Hyperoxia) Bedingungen kultiviert. Die Phasenkontrast-Bilder dokumentieren eine deutlich höhere Überlebensrate unter oxidativem Stress bei den MnSOD-überexprimierenden Zellen.
Die MnSOD-Überexpression ist durch die grüne Fluoreszens erkenntlich (linke Bildseite und Bildmitte). Rechte
Bildseite: Die blaue Färbung dokumentiert die induzierte Seneszenz (Vergreisung) der Zellen nach Gabe von
200nM Doxorubicin. In Zellen mit einer Überexpression von MnSOD ist die Seneszenz weitgehend verhindert.
Urheber: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung
Kontrolle der Migration von Muskelvorläuferzellen durch induktive und autonome Signale der
Zelle
Die Migration ist eine wichtige Eigenschaft der myogenen Zellen (Muskelvorläuferzellen) während
der Organogenese und Organregeneration. In der Vergangenheit konnten die Forscher zeigen, dass das
Homeobox-Gen Lbx1 die Migration von Muskelvorläuferzellen in den Gliedmaßen auf zell-autonome
Weise reguliert. Ihre Ergebnisse bewiesen, dass Lbx1 ein Schlüsselregulator der Muskelvorläuferzellmigration ist und für die gezielte Migration von Vorläuferzellen der hinteren Gliedmaßenmuskeln und
der Streckermuskeln der Vordergliedmaßen benötigt wird (Abb. 5). Mittels cDNA-Subtraktion hetero- und homozygot mutanter Lbx1-Zellen konnten die Wissenschaftler verschiedene putative Zielgene
von Lbx1 identifizieren. Die funktionelle Untersuchung dieser Gene ist zurzeit in Arbeit. Weiterhin
untersucht die Arbeitsgruppe Signaltransduktionskaskaden, die für die Zellbeweglichkeit und Migration von Muskelvorläuferzellen in adulten Mäusen und Hühnerembryonen nötig sind.
Forscher: Stefan Günther, Svetlana Oustanina
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Abb. 5: Die Ausschaltung des Homeobox-Gens Lbx1 führt zu einem Arrest der Muskelvorläuferzellwanderung in
die Extremitätenanlagen. Durch gezielte Mutagenese wurde ein bakterielles Reportergen in das Gen Lbx1 eingebracht. Durch diesen genetischen Trick wird zum einen die Aktivität des Lbx1-Gens ausgeschaltet, zum anderen
die Zellen sichtbar gemacht, in denen normalerweise Lbx1 vorhanden gewesen wäre. Die erste und die dritte
Reihe zeigen homozygote, die zweite und vierte Reihe heterzygote Mutanten. Deutlich sichtbar ist in den Bildern
c und i, dass die blau markierten Muskelvorläuferzellen nicht in die hintere Extremität hineinwandern können,
sondern im Stamm „stecken bleiben“.
Urheber: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung
Regulation des Körpergewichts und der Herzfunktion durch neuronale bHLH-Gene
Im Rahmen eines Screenings nach neuronal exprimierten bHLH-Genen (Transkriptionsfaktoren, die
eine basische Helix-Loop-Helix-Domäne enthalten) konnten Forscher des MPI in Bad Nauheim vor
einigen Jahren eine Reihe verschiedener cDNAs und Gene identifizieren. Insbesondere analysieren sie
die beiden Gene NSCL1 und NSCL2. Obgleich die Inaktivierung von NSCL1 keine auffallenden neuronalen Dysfunktionen zur Folge hatte, sterben NSCL1-mutante Mäuse vorzeitig, vermutlich in Folge
kardialer Dysfunktionen, die eventuell durch vegetative Fehlfunktionen ausgelöst werden. NSCL2defiziente Mäuse leiden zudem unter multiplen neuroendokrinen Störungen (Abb. 6). Die kombinierte
Inaktivierung beider Gene führt zu einer verringerten Nervenzellproliferation und gestörter Differenzierung im olfaktorischen Epithel.
Abb. 6: Fettleibigkeit durch Fehlfunktion des Nervensystems: Die gezielte Inaktivierung des in Neuronen exprimierten basischen Helix-Loop-Helix-Transkriptionsfaktors NSCL-2 in Mäusen führt zu einer ausgeprägten
Fettleibigkeit. Das Erscheinungsbild der Maus ähnelt in seiner molekularen Signatur dem menschlichen PraderWilli-Syndrom.
Urheber: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung
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Die Forscher interessieren sich für die molekularen und physiologischen Prozesse, die diesen Phänotypen zugrundeliegen. Besonderes Augenmerk wird auf die Analyse von NSCL1- und NSCL2-TargetGenen und auf die Verbindung von Zellproliferation und -differenzierung gelegt. Ein Schwerpunkt der
künftigen Aktivitäten in diesem Projekt liegt in der Untersuchung der Funktion von NSCL2 im adulten
Organismus und dem Mechanismus der Herzrhythmusabnormalitäten und vegetativen Dysfunktionen
in NSCL1-Mutanten.
Forscher: Karen Ruschke, Thomas Schmidt
(2) Verbesserung und Beschleunigung der Geweberegeneration: Reparatur und Ersatz von geschädigten Herz- und Skelettmuskelzellen
Regenerative Medizin ist ein neues und reizvolles Feld der biologischen und medizinischen Forschung. Sie basiert direkt auf Resultaten der Grundlagenforschung, die Zelldifferenzierung und
-entwicklung betreffen. Neuere Erkenntnisse gehen davon aus, dass vorangegangene Entscheidungen
von Zellen nicht unumkehrbar sind, sondern rückgängig gemacht und geändert werden können. Ein
solches „dynamisches Konzept der Identitätsfindung“ einer Zelle basiert auf der Idee, dass die Erhaltung eines zellulären Phänotyps kontinuierlicher Regulation bedarf. Im Prinzip bedeutet dies, dass es
möglich sein sollte, ausdifferenzierte Zellen zu re-programmieren und so die regenerativen Eigenschaften von Gewebe und Organen zu verstärken.
Selektion und Manipulation von mesenchymalen Stammzellen zur Generierung von Myoblasten
und Kardiomyozyten
Mesenchymale Stammzellen (MSCs) treten im Stroma (Stützgewebe) verschiedener Organe auf. Das
Knochenmark enthält MSCs, die in der Lage sind, Eigenschaften verschiedener Zelltypen, inklusive
Herz- und Skelettmuskeln sowie neuroektodermaler Zellen, anzunehmen (Abb. 7). Der Gebrauch
von genetisch markierten, aus Knochenmark abgeleiteten MSCs ermöglichte es den Forschern, einen
Einblick in das Differenzierungspotenzial von MSCs in vivo nach Injektion in frühe Mausembryonen
zu nehmen. Durch die Kombination von spezifischen genetischen Selektionsstrategien und Induktionsprotokollen ist es gelungen, relativ uniforme Zellpopulationen herzustellen, die Charakteristika von
Muskelzellen aufweisen und gegebenenfalls für therapeutische Zwecke eingesetzt werden können.
Weiterhin arbeitet die Gruppe an der Optimierung der Methoden für eine effiziente Selektion und Expansion von MSCs zur Generierung von Myoblasten und Kardiomyozyten. Außerdem bestimmen sie
das therapeutische Potenzial dieser Zellen. Ein solcher Ansatz kann jedoch nur dann erfolgreich sein,
wenn es gelingt, mehr über die Signale und Prozesse zu lernen, die zur Determination und Differenzierung in verschiedene Zelllinien notwendig sind.
Forscher: Fikru Belema Bedada, Kerstin Broich
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Abb. 7: Mesenchymale Stammzellen scheinen bevorzugt durch Fusion mit existierenden Skelett- und Herzmuskelzellen deren Identität anzunehmen. Diese Schlussfolgerung resultiert aus dem gezeigten Experiment, in dem
mesenchymale Stammzellen mit einem roten Farbstoff markiert wurden und über eine Membran mit unterschiedlich großen Poren hinweg mit grün gefärbten Muskelzellen kultiviert wurden. Mesenchymale Stammzellen konnten nur dann Muskelprotein exprimieren (orange), wenn die Porengröße des Filters ausreichte, um eine freie
Passage der Zellen zu ermöglichen. War dies nicht gewährleistet, waren keine Muskelproteine in mesenchymalen
Stammzellen zu finden.
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Satellitenzellen: Kontrolle der Proliferation, Zellzyklusaustritt und Differenzierung während der
Geweberegeneration
Satellitenzellen sind die Stammzellen der Skelettmuskeln. Sie sind zwischen der Basallamina und der
Plasmamembran (Sarkolemma) von Myotuben lokalisiert, wo sie bei körperlicher Betätigung, Muskelverletzungen oder Erkrankungen, die zur Schädigung von Muskelfasern führen, aktiviert werden. Die
Wissenschaftler analysieren die Mechanismen, die die Proliferation, den Zellzyklusaustritt und die
Differenzierung von Satellitenzellen während der Muskelgeweberegeneration kontrollieren (Abb. 8).
Mittels Transplantation genetisch markierter Zellen aus Mausmutanten mit gezielten Mutationen in der
Familie der FGF-Wachstumsfaktorgene zeigten sie, dass myogene Stammzellen in autokriner Weise
von FGFs abhängig sind. Die Nutzung von dominant negativen Retroviren lässt vermuten, dass FGFs
eine ras- und ral-abhängige Kaskade in Gang setzen, die die Zellmigration einleitet.
Die Forscher bestimmen das Potenzial generischer und genetisch veränderter Wachstumsfaktoren für
die Therapie und Prävention von Skelettmuskelkrankheiten in transgenen Tieren als prä-klinisches
Modell. Zwei verschiedene Ansätze werden angewandt: 1) Generierung transgener Tiermodelle für die
Analyse der Funktion der Wachstumsfaktoren, in erster Linie von FGFs, Myostatin und SF/HGF; 2)
Selektion von genetisch veränderten Wachstumsfaktoren auf Myostatin-Basis mit einem veränderten
biologischen Spektrum. Die Analyse der Wachstumsfaktoren während der Regeneration wird durch
Experimente unterstützt, die die Funktion von zellautonomen Prozessen bei der Aktivierung und Erhaltung von Satellitenzellen zum Gegenstand haben.
Forscher: Svetlana Oustanina, Michal Mielcarek, Stefan Günther, André Schneider
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Abb. 8: Das Paired-Box-Gen Pax7 ist für die Erhaltung des Muskelstammzellenpools verantwortlich. Die blaue
Färbung zeigt die Aktivität des Pax7-Gens in Satellitenzellen an, die auf den isolierten Muskelfasern in einer
„Satellitenposition“ lokalisiert sind. In Pax7-Mausmutanten ist die Anzahl der Satellitenzellen während der Jugend (P 11) der Maus nur leicht vermindert, nimmt aber mit zunehmendem Alter (P 60) rasant ab. Zudem zeigen
Pax7-mutante Satellitenzellen einen Verlust der Expression des CD34-Stammzellmarkers.
Urheber: Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung
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