Umgang mit selbstverletzendem Verhalten und Suizidalität

Werbung
Beratung und Begleitung
von suizidgefährdeten
Kindern und Jugendlichen
in Familien
BVkE-Fachtag
20. September 2011
Winfried Fritz©2011
Aufbau des Workshops
• Annäherung an das Thema
• Voraussetzungen
> individuell
> institutionell
> Vernetzung - Kooperation
• Besonderheiten bei Kindern/Jugendlichen
> in Hinblick auf die Suizidalität
> in Hinblick auf die Begleitung
> in Hinblick auf das Umfeld
Suizid – Suizidalität
• Jährlich nehmen sich ca. 10 000 Menschen in
Deutschland das Leben; im Vergleich dazu
sterben ca. 6000 Menschen jährlich im
Straßenverkehr.
• Es besteht eine hohe Dunkelziffer, da viele
Unfälle auch Suizide sein können oder bei
alten Menschen oftmals die genaue
Todesursache nicht geklärt wird.
• Es bringen sich ca. doppelt so viele Männer
um, wie Frauen
Suizid - Suizidalität
• Besonders gefährdet ist die Altersgruppe
zwischen 15 und 35 Jahren; hier ist der Suizid
die zweithäufigste Todesursache nach dem
Unfalltod. Ebenso steigt das Suizidrisiko nach
dem 50 Lebensjahr.
• Jünger als 10 Jahre sind Suizide sehr selten,
erst im Alter von 9 Jahren haben Kinder ein
inneres realistisches Konzept vom Tod. Bei
Kindern unter 10 ist der Suizid die Ausnahme,
welche dennoch 1-2 Mal jährlich stattfindet.
Suizidtheorien und Motivstrukturen
Gesellschaftliche
Medizinische Theorie
Aspekte
Soziologische Theorien
Biologische Theorien
Appellsuizid
Suizidales
Geschehen
Nachahmungssuizid
Psychologische
Theorien
Moralische
Aspekte
Kulturelle
Aspekte
Talionssiuzid
Bilanzsuizid
Philosophische
Theorien
Ethische
Aspekte
Suizidale Entwicklungskette/
Präsuizidales Syndrom
SUIZID
-phantasien
-zwangsgedanken
-planung
EINENGUNG
AGGRESSIONS
-situativ
-hemmung
-dynamisch
-stau
-zwischen
-umkehr
menschlich
-in der Wertwelt
• Lang andauernde
Traumatisierung
• Neurotische Lebensgestaltung,
z.B. Kontaktstörung, Isolierung
• Krise, z.B. durch Verlust von
Kontaktpersonen
• Einengung, z.B. Grübeln,
Selbstmitleid
• Aggressionsumkehr, z.B.
Selbstvorwürfe, Selbstverletzung
• Suizidphantasien, z.B. konkrete
Planung
• Suizidhandlungen
Individuelle Voraussetzungen
• Fachwissen zum Thema Suizid
• Eigene Auseinandersetzung und Haltung
mit der Thematik
• Eigene Professionalität und deren Grenzen
• Rechtliches Wissen (Garantenstellung –
Kindeswohlgefährdung - Grenzen der
Profession)
• Regelmäßige Selbstreflexion (eigene
Stabilität – Vulnerabilität)
Institutionelle Voraussetzungen
• Fachkompetenz: Was will und was kann die
Institution?
• Absicherung: Gibt es jederzeit Möglichkeit
zur Rücksprache bzw. zur kollegialen
Beratung
• Verlässlichkeit: Ist in einer suizidalen Krise
jederzeit jemand erreichbar?
• Komm- Gehstruktur: Kommt BeraterIn im
Notfall vor Ort?
Vernetzung - Kooperation
Wissen zu Kooperationspartner:
• Aufgaben/ Strukturen
▫ Verfahrenswege / Handlungsabläufe
▫ Entscheidungswege / -kompetenzen
▫ Ansprechpartner / Zuständigkeiten
▫ Kommunikationsmuster und -wege
• Fach- und Entscheidungskompetenz des
anderen anerkennen
• Möglichkeiten und Grenzen der
Zusammenarbeit kennen lernen
• Vorbehalte abbauen
Suizidalität bei Jugendlichen
Wichtig ist es, sich zunächst alterstypisches
„normales“ Verhalten bewusst zu machen:
 Auseinandersetzung mit der eigenen
Sterblichkeit
 Grenzen spüren, wahrnehmen, austesten
 Ablösung von elterlichem bzw. familiären
Verhalten
 Eigene Kommunikation, Interaktion,
Ausdrucksweise
 Lösung in der Peergroup
Suizidalität bei Jugendlichen
Eine Ursache für eine suizidale Krise kann eine
psychische Erkrankung sein:
 Anpassungs- und Belastungsstörungen
 Emotionale Störungen, ängstlich, depressiv
 Neurosen wie Angst, Depression und Zwang
 Störungen des Sozialverhaltens
 Persönlichkeitsstörungen
 Psychosen
> Schwierig hierbei ist, dass oftmals die suizidale
Krise im Rahmen der ersten Manifestierung erfolgt.
Suzidalität bei Jugendlichen
Oder aber ist eine Konfliktsituation bzw. aktuelle
Kränkung ursächlich für die suizidale Krise
•
•
•
•
•
•
Konflikte mit Bezugspersonen (31%)
Liebeskummer (16%)
Schulschwierigkeiten (11,5%)
Entwicklungskrisen (8,9%)
Sexuelle Identitätsstörung (7%)
Psychische Erkrankungen (3,8%)
Ca. 1/3 zeigen keine klaren Auslöser
(*I.Böge nach Remschnmidt et al)
Suizidalität-Warnsignale
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Subjektiver Eindruck nicht ausreichend geliebt zu werden
Gefühl der Einsamkeit, Isolation, Verzweiflung
Gefühl der Sinnlosigkeit / Hoffnungslosigkeit
Aussagen über Zukunftsängste/ Perspektivlosigkeit
Grübelzwänge
Teilnahmslosigkeit
Sehnsucht „weg zu sein“
Schlafschwierigkeiten
Leistungsabfall in der Schule, Konzentrationsstörungen
Weglauftendenzen
Frühere Suizidversuche
Phantasien über Durchführung und das „danach“
Umgang bei ersten Anzeichen von
Suizidalität
• Ernst nehmen – nicht verharmlosen oder
bagatellisieren
• Offenes Ansprechen der Wahrnehmung von
Warnzeichen auf Suizidalität
• Offenes konkretes Ansprechen auf Suizidgedanken
(Entlastung durch Verbalisierung)
• Klares Benennen der Suizidgedanken nach Art und
Intensität (schafft Distanzierungshilfe)
• Empathisches Verstehen und Einnehmen einer
lebensbejahenden Haltung
• Besprechung von Hilfs- und Beratungsmöglichkeiten
Begleitung bei akuter Suizidalität
• Von Beginn an transparente verlässliche Absprachen,
in welchen auch die Grenzen benannt werden.
• Begleitung intensivieren bspw. durch Verkürzung der
Kontaktintervalle.
• „Notfallpakete schnüren“
• Aufbau und Intensivierung eines Netzwerkes (ggf.
Jugendliche aktiv begleiten).
• Wenn stat. Intervention notwendig erscheint
Jugendlichen direkt begleiten – keine freien
Intervalle!!
• Ggf. Zwangsmaßnahmen einleiten- auch hier
Jugendlichen begleiten.
Rolle der Familie
• In der Familie sind oft Anteile für die suizidale Krise,
ebenso ist die Familie oft eine wichtige Ressource in
einer solchen Krise.
• Der familiäre Kontext ist mitentscheidend, ob
ambulante Begleitung ausreichend ist
• Wenn ein Jugendlicher in der Krise im familiären
Rahmen begleitet wird sollten Aufgaben und
Erwartungen transparent kommuniziert werden.
• Eine Familie kann nicht die Verantwortung einer „
professionellen Überwachung“ übernehmen.
Rolle der Schule
• Für die Schule gelten ähnliche Aspekte, wie bei der
Familie.
• Da suizidgefährdete Schüler manchmal jedoch
„ungemütliche“ und/oder „schwierige“ Schüler sind,
sollte Beteiligung der Schule gut vorbereitet und
begleitet werden.
Grenzen der ambulanten Begleitung
• Ob und wie lange eine ambulante Begleitung geeignet und
sinnvoll ist, hängt von vielen Faktoren ab
> Situation, Stabilität, Compliance des Jugendlichen
> soziales Umfeld (Familie, Schule, Freundeskreis usw.)
> Rahmenbedingung und Rolle bei Betreuenden
• Vor und während ambulanter Begleitung ist regelmäßige
kollegiale Beratung ggf. unter Einbeziehung eines
Facharztes wichtig.
• Hilfreich ist ein gut funktionierendes Helfernetz
• Bei aktuell vollzogenem Suizidversuch sollte auf jeden
Fall Facharzt hinzugezogen werden.
Vielen Dank
Winfried Fritz
Amselweg
72511 Bingen
[email protected]
Herunterladen