Sven Jenssen Philipps-Universität Marburg FB 03 Gesellschaftswissenschaften und Philosophie Fachsemester 04 Erfahrungsbericht Marquette University Das Wintersemester 2012 verbrachte ich an der Marquette University in Milwaukee, Wisconsin. Ein Auslandsaufenthalt in den USA ist ein Erlebnis, was ich jedem Kommilitonen und jeder Kommilitonin ans Herz legen möchte. Allerdings ist der Universitätsbesuch in den USA ein komplett anderer als in Deutschland. Besonders an der Marquette. Die Seminare haben höchstens eine Größe von 30 Studierenden und Anwesenheit ist Pflicht. Zu Beginn des Semesters teilt der Leiter oder die Leiterin des Seminares die Materialliste aus, die es unter allen Umständen anzuschaffen gilt, sonst kann man weder in den unangekündigten Tests noch in den regelmäßigen Klausuren erfolgreich bestehen. Aufgrund einer Noteninflation ist es strebsam, mindestens ein B+ zu bekommen, was mit regelmäßiger Lektüre nicht schwer ist. Auch werden, zumindest in den Geisteswissenschaften, regelmäßig kleine Essayfragen ausgeteilt (4 pro Semester), welche es in einer Woche mit der vorhandenen Literatur zu bearbeiten gilt. Auch dies ist nicht besonders schwer, allerdings kann man, wenn man fünf Veranstaltungen hat und diese dann zwei- bis dreimal die Woche hat, dann schon zur Bearbeitung dieser Essays bis in die frühen Morgenstunden in der Bibliothek sitzen. Ja- der Workload scheint hart ist aber wirklich zu schaffen und das Seminarangebot ist super und die Lehrkräfte sind ausnahmslos hervorragend! Regelmäßige Sprechstunden und fast schon überempathische Professoren und Professorinnen bieten oft bis Nachts Hilfestellungen bei den Final Papers, für die man dann aber drei Wochen Zeit hat. Hier hat man dann völlige akademische Freiheit und kann sich die Frage und Quellen selbst wählen. Wenn man jetzt denken mag, dass man aufgrund der Tatsache, dass die Marquette eine katholische Universität ist, nur erzkonservative Kleriker vorfinden wird, irrt sich. Aber die Marquette ist neben Georgetown die größte jesuitische Universität der USA und hat eine sehr liberale (im amerikanischen Sinne, also linke) Tradition. Natürlich, auch hier wird man Menschen mit allen möglichen Meinungen treffen, und so natürlich auch „typisch amerikanische“ Konservative, die aus europäischer Sicht recht merkwürdig erscheinen, doch auch wenn man nicht mit ihnen übereinstimmt, keine Monster sind. Anders als Marburg ist die Marquette eine Campus- Universität. Alle Fachbereiche sind also auf einem großem Areal im Osten Milwaukees, auch der Wohnbereich der Studierenden. Die Bibliothek bietet mit Bistro, 5 Stockwerken und Ledersesseln (!) zum Sitzen und Lernen einen ungewohnten Luxus, genauso wie die perfekt aussehenden Gartenanlagen mit ihren ganzjährig tummelnden Eichhörnchen, Truthähnen und dem legendären Marquette- Fuchs, dem bisher nur wenige Studierende begegnet sind. Die Wohnungssituation ist auch denkbar anders als in Marburg. Du wirst dir ein Zimmer mit einem Kommilitonen oder einer Kommilitonin teilen. Was unglaublich komisch erscheint, wird in wenigen Tagen zur Normalität. Man wohnt mit vier Menschen in einer Wohnung im „Global Village“, immer zwei amerikanische und zwei ausländische Studierende in einer Wohnung. Aufgrund des stark strukturierten Universitätsalltags wird es niemanden einfallen, unter der Woche zu feiern, dafür aber am Wochenende. Ist man über 21 und weiß sich zu benehmen, ist dies alles kein Problem. Die Campus- Polizei, das „Department of Public Safety“ wird niemandem Probleme bereiten, der über 21 ist und auch keinem unter diesem Alter Alkohol gibt. Die wunderbar offene und freundliche, kosmopolitische Gemeinschaft im „Global Village“ wird viele Veranstaltungen machen, sowohl offizielle (zusammen kochen, Triviaturnier, Sportturnier) als auch inoffizielle (Feiern!!) Alles in Allem war mein Semester an der Marquette wunderbar. Wer einen Einblick in die eher pragmatischeren US- amerikanischeren Sozialwissenschaften ergattern möchte, für den oder die ist diese Uni genau das richtige. Auch um die Geschichte der USA zu studieren (mit sehr kritischem Ansatz) bietet die Marquette hervorragende Möglichkeiten. Das Betreuungsangebot für die Auslandsstudienrenden ist immens. Es gibt ein komplettes „Office of International Education“, besetzt mit kompetenten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Allerdings muss man einen großen Willen zum Arbeiten und intensiven, langen Lesen mitbringen, sonst bleibt man auf der Strecke.