Differenzierung: Wnt und BMP Prof. Dr. Albert Duschl Wnt: Der Ligand und seine Wirkungen Das erste Wnt-Gen wurde in der Maus kloniert, als Gen das bei Integration des Provirus von Mouse Mammary Tumor Virus (MMTV) aufreguliert wird. Es wurde als int-1 bezeichnet. Später wurde entdeckt daß das Drosophila-Gen wingless (wg) dazu homolog ist. Das Gen wurde in Wnt-1 umbenannt. Heute sind mindestens 19 Homologe bekannt. Mutationen in Wnt Genen führen nicht nur zum wingless Phänotyp, sondern sind in allen untersuchten Organismen mit Embryonalentwickung assoziiert. Wnt-1 knockout Mäuse sterben perinatal aufgrund von Defekten in der Entwicklung des Gehirns. Drosophila melanogaster © Wikipedia Der Ligand und sein Rezeptor Wnt Proteine haben meist 350-400 Aminosäuren und enthalten mehrere konservierte N-Glykosylierungsstellen. Wnt ist eng assoziiert mit Proteoglycanen der Zellmembran und lässt sich nur schwer isolieren. Der Rezeptor is Frizzled. Der Name kommt daher daß der Phänotyp der zugehörigen Drosophila-Mutante gestörte Haarmuster auf den Flügeln hat. Vertebraten haben mindestens 8 Homologe. Frizzled hat 7 a-helikale TransmembranDomänen und eine N-terminale cysteinreiche Domäne (CRD), die für WntBindung zuständig ist. Neben Wnt gibt es auch antagonistische Liganden die an den Rezeptor binden. © Gutkind: Signaling Networks and Cell Cycle Control Zur Abwechslung: Wir haben es heute mit einem Signalweg zu tun in dem keine Tyrosinkinasen auftauchen, keine SH2- oder SH3-Domänen, in dem es keine second Messengers gibt (Ca++, cAMP …) und in dem es in Abwesenheit des Liganden eine substanzielle Signalübertragung gibt. Das System hat damit zwei Modi: 1) Signal in Abwesenheit des Liganden und 2) Signal in Anwesenheit des Liganden. Das ist konzeptionell etwas anderes als die zwei Modi an/aus, die wir in den meisten Signalsystemen finden. Wir müssen also in diesem Fall zwei unterschiedliche Signalketten betrachten. The canonical Wnt signaling pathway: off Der entscheidende Faktor ist ß-Catenin. Im inaktiven Zustand wird ß-Catenin im Cytoplasma durch Bindung an Axin und Adenomous Polyposis Coli (APC) Protein zurückgehalten. In dieser Lokalisierung kann ß-Catenin von den S/T-Kinasen Casein Kinase (CK*) und Glycogen Synthase Kinase 3ß (GSK*) phosphoryliert werden. Phosphoryliertes ß-Catenin wird von ß-Transducin Repeat Containing Protein (ß-TRCP) erkannt, was zu Ubiquitinierung und zur proteasomalen Degradation führt. * Eigentlich ganz normale Kinasen für die Regulation des Stoffwechsels. European Journal of Immunology Volume 38, Issue 7, pages 1788-1794, 25 JUN 2008 DOI: 10.1002/eji.200738118 http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/eji.200738118/full#fig1 The canonical Wnt signaling pathway: on Wnt bindet an Frizzled und an Co-Rezeptoren (LRP5 oder LRP6). Die LRP werden phosphoryliert, wobei nicht klar ist wie das zustande kommt. Die Phosphorylierung ist aber für die Signalweiterleitung erforderlich. Das Protein Dishevelled führt nun zur Dissoziation des normalen “destruction complex” von ß-Catenin. Der Mechanismus ist auch hier nicht völlig geklärt. ß-Catenin wird nicht weiter abgebaut, sondern wandert in den Kern, wo es die Transkriptionsfaktoren TCF und LEF aktiviert. European Journal of Immunology Volume 38, Issue 7, pages 1788-1794, 25 JUN 2008 DOI: 10.1002/eji.200738118 http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/eji.200738118/full#fig1 Etwas hübscher: TCF/LEF Aktivität wird nicht nur durch das Fehlen von ß-Catenin verhindert sondern auch durch die Bindung an Inhibitoren aus der Groucho Familie. ß-Catenin kann die Inhibitoren verdrängen, die Transkriptionsfaktoren werden aktiviert. © Cell Signaling Technologies Dishevelled Dishevelled ist nach seinem Drosophila-Phänotyp benannt. Vertebraten haben drei Homologe. PDZ ist eine häufige Protein-ProteinInteraktionsdomäne, die hier dazu dienen könnte Bindung an die Cterminale S/T-XXX-V/I Sequenz von Frizzled zu vermitteln. Das wäre eine typische Bindungsstelle für PDZ. DIX ist auch in Axin vorhanden, die Funktion ist unbekannt. DEP ist eine Domäne mit ebenfalls unklarer Funktion, sie taucht aber in Proteinen auf die mit G-ProteinSignaltransduktion zusammenhängen. © Gutkind: Signaling Networks and Cell Cycle Control Glycogen synthase kinase Eine S/T Kinase. Dsh könnte direkt mit Fz interagieren und GSK mit Axin. Auslöser für die Neubildung dieser Komplexe ist die Phosphorylierung von Dsh (durch GSK?), das auch ubiquitiniert wird. Wesentlich bleiben ß-Catenin und seine Loslösung aus dem Komplex in offstate. Es ist klar dass der off-State nicht Inaktivität bedeutet: ß-Catenin wird lebhaft reguliert, was aber proteolytischen Abbau zur Folge hat. © Gutkind: Signaling Networks and Cell Cycle Control ß-Catenin ß-Catenin wurde zuerst als Komponente von tight junctions identifiziert. Es ist also an sich ein strukturgebendes Protein. Die Armadillo Repeats sind für solche Proteine nicht ungewöhnlich. Axin hat ebenfalls solche Motive. © Gutkind: Signaling Networks and Cell Cycle Control Wnt in Tumoren Eine Reihe von Komponenten des Wnt-Pathways sind an der Entstehung von Tumoren beteiligt. Die mit Krebs assoziierten Mutationen führen jeweils zu einer Disregulation die in Aktivierung von TCF-1 resultiert. Entscheidend ist also eine zu starke Stimulierung der kanonischen Signalkette (dem on-Modus) für Wnt. © Gutkind: Signaling Networks and Cell Cycle Control © Curtin und Lorenzo, Oncotarget 1:563-566 (2010) Therapie-Targets Komponenten der WntSignalkette sind attraktive Targets weil sie speziell in den sonst oft therapieresistenten TumorStammzellen wichtig sind. Therapeutika könnten sich auch für eine Kombination mit konventionellen Wirkstoffen eignen. Die Entwickung entsprechender Moleküle ist allerdings noch nicht weit fortgeschritten. © Gutkind: Signaling Networks and Cell Cycle Control © Curtin und Lorenzo, Oncotarget 1:563-566 (2010) Lymphozyten TCF und LEF werden auch in Lymphozyten exprimiert. TCF ist sogar danach benannt (T cell factor). T-Zell-Aktivierung und Differenzierung zu TH2 Zellen führt zu verminderter Expression von LEF und vor allem von TCF. Dieser Effekt ist von IL-4 abhängig. Das ist merkwürdig: TCF und LEF verstärken die Differenzierung zu TH2 Zellen, Wnt ist also ein proallergischer Faktor. Wieso vermindert dann IL-4 in TH2 Zellen TCF/LEF Expression, und das stärker als in TH1 Zellen? © Maier et al., J. Biol. Chem. 286:919-28 (2011) STAT6 Der IL-4 induzierte Transkriptionsfaktor STAT6 bindet an 4 von 5 potenziellen Bindungsstellen im TCFPromoter bzw. -Gen. Übrigends: Einer der seltenen Fälle wo STAT6 Expression unterdrückt und nicht fördert. Wie lange es dauert eine solche Abbildung zu machen? Wissen Sie, da fragen Sie am besten Frau Maier. © Maier et al., J. Biol. Chem. 286:919-28 (2011) Wie es geht Es werden bevorzugt die kürzeren Isoformen von TCF gehemmt, und die sind dominant-negativ. Der Endeffekt ist also doch eine Verstärkung des TH2 Signals. © Maier et al., J. Biol. Chem. 286:919-28 (2011) Transkriptionsfaktoren Signalabhängige Transkriptionsfaktoren werden reguliert durch interne Signale (e.g. DNA-Schädigung, missgefaltete Proteine, niedrige Lipidspiegel) externe Signale die innen wirken (Steroide, ca. 50 Rezeptoren, bis auf GR alle im Kern) und externe Signale die extern, also durch Membran-Rezeptoren vermittelt wirken. From: Brivanlou and Darnell, Science 295: 813-818 (2002) Überblick Konstitutive Faktoren sind im Kern, werden aber nur über Signalketten aktivert, oft durch S/T-Phosphorylierung. Latente Faktoren liegen im Cytoplasma und werden erst nach Aktivierung in den Kern transportiert. Sie scheinen weniger alt zu sein und fehlen in Pflanzen und Pilzen. Nach Darnell und Baltimore gibt es acht Hauptwege. Zwei aktivieren Faktoren durch Rezeptoren, vier werden durch aktivierende oder inhibierende S/T-Phosphorylierung gesteuert, je einer über Ca++ und Phosphoinositid-Konzentrationen Both figures from: Brivanlou and Darnell, Science 295: 813-818 (2002) TGF-ß TGF-ß ist ein sezerniertes Cytokin. Es kann von allen Immunzellen produziert werden, z.B. TR1, DC, B und Makrophagen. TGF-ß unterdrückt Wachstum, Differenzierung und Aktivierung durch andere Cytokine. Es hat also wachstumshemmende und immunsuppressive Aufgaben. Störungen seiner Signalübertragung sind assoziiert mit Autoimmunität, Entzündung und Krebs. Der TGF-ß Rezeptor ist ein Heterodimer (RI und RII) aus zwei transmembranen Serin/Threonin Rezeptorkinasen. Die Signalübertragung läuft über SMADs. © BioCarta SMAD Der Name SMAD leitet sich ab von MAD, einem Drosophila-Protein (mothers against decapentaplegic) und von SMA (smaller worms), einem Gen aus Caenorhabditis. SMADs sind Tumorsuppressoren und Transkriptionsfaktoren. Regulatorische SMADs, im Fall von TGF-ß SMAD2 und SMAD3, werden durch die Rezeptorkinase phosphoryliert, assozieren mit dem Co-SMAD SMAD4 und wandern in den Kern. In inaktiven Zustand werden SMADs durch Adaptermoleküle wie SARA (SMAD Anchor for Receptor Activation) am Rezeptor zurückgehalten. © BioCarta TGF-ß/BMP Superfamilie Es gibt mehr als 30 TGFß-artige Proteine im Menschen. Man unterscheidet zwei Hauptgruppen, die TGF/Activin und BMP/GMP-Familien. Sie verwenden verschiedene Typen von R-SMADs, aber SMAD4 ist immer das Co-SMAD. (Es gibt auch noch inhibitorische SMADs wie SMAD 6 und SMAD 7). Dazu kommen inhibitorische Liganden wie Inhibin. From Miyazono, Kusanag and Inoue, J. Cell. Phys. 187:265-276 (2001) Assoziierte Krankheiten Aus den assoziierten Krankheitsbildern sieht man, daß die TGF-ß / BMP Familie hauptsächlich mit Wachstumskontrolle und mit Embryonalentwicklung zu tun hat. Tumorprogression geht oft auf Verlust von TGF-ß- oder SMAD-Signalkompetenz zurück. BMPs sind verantwortlich für Anlage, Umbau und Reparatur von Knochen. GDFs sind für Knorpel und Sehnen zuständig. From Miyazono, Kusanag and Inoue, J. Cell. Phys. 187:265-276 (2001) Smad 4 im Coloncarcinom Tumorprogression erfordert normalerweise die sequentielle Mutation von ProtoOncogenen und Tumorsuppressoren. Das am besten untersuchte Beispiel ist das Coloncarcinom, mit mindestens 4 Progressionsstufen. Der Verlust der Tumorsuppressoren bewirkt am Ende Malignität und Metastasierung. From Schwarte-Waldhoff, BioSpektrum 9:260ff (2003) BMP-Anwendung BMPs sind in der Knochenregeneration klinisch interessant. Am Verletzungsort werden BMPs produziert. Dem Konzentrationsgradienten der BMPs folgend wandern Vorläuferzellen für Knochenbildungszellen in die Defektstelle ein und differenzieren unter dem Einfluß hoher BMP-Konzentrationen in funktionelle Osteoblasten um. BMPs können sogar in völlig fremden Geweben nicht vorgesehene (ektope) Knochenbildung auslösen. Gezeigt ist dies rechts im Oberschenkelmuskel der Ratte. BMP-2 und BMP-7/OP-1 werden zur Förderung von Knochenreparatur klinisch verwendet. © Norbert Kübler, MKG-Chirurgie, Universität Würzburg Knochenreparatur Ohne BMPs gibt es auch Heilung, aber in Problemfällen wird entweder der Defekt nur durch schnell einwachsendes Bindegewebe ersetzt, oder es entsteht ein mechanisch schwacher Knochen mit wenig Knochenmatrix. Es ist zu vermuten daß die verschiedenen BMPs nicht identisch wirken, aber dieser Punkt ist nicht gut verstanden. BMP wurde durch seine hohe Stabilität in Knochenpräparationen entdeckt - es ist kaum dauerhaft zu denaturieren und wirkt über alle Speziesgrenzen. Drosophila-Homologe haben Funktionen bei der Flügelbildung. © both figures Norbert Kübler, MKG-Chirurgie, Universität Würzburg Ihr Job? © Nature, 468:139 (2010) Die Pipelines der Pharmaforschung sind nicht so gut gefüllt wie man es sich wünschen würde. Input von Universitäten, Biochech und Pharma ist dringend erforderlich. Die Faustregel Suchen Sie nach etwas ganz bestimmten. Wenn Sie es nicht finden untersuchen Sie das was Sie statt dessen gefunden haben. © Sidney Harris: Einstein Atomized