Klinik und Forschung T-Zellen gegen lebensbedrohliche Pilzinfektionen Aspergillus-spezifische T-Zellen als Therapieoption invasiver Aspergillosen bei Kindern nach Stammzelltransplantation Thomas Lehrnbecher und Olaf Beck Allgemeines / Einleitung Trotz Verbesserungen vorbeugender Maßnahmen gefährden invasive Pilzinfektionen immer mehr Kinder und Jugendliche mit einer hämatologischen oder onkologischen Grunderkrankung. Laut epidemiologischen Untersuchungen hat die Häufigkeit von invasiven Pilzinfektionen über die letzten Jahrzehnte zugenommen. Dies ist unter anderem auf intensivere Chemotherapiekonzepte zurückzuführen, die das körpereigene Abwehrsystem immer stärker und länger unterdrüDie Entwicklung eines neuen Therapieansatzes zur Bekämpfung lebensbedrohlicher Pilzinfektionen wird als DLFH-Projekt mit insgesamt 223.310 € gefördert. cken. Auch ausgeprägte Schleimhautschäden aufgrund der Chemotherapie, der weit verbreitete Einsatz von zentralen Kathetern und der häufige Gebrauch von Antibiotika erhöhen das Risiko für eine invasive Pilzinfektion bei krebskranken Kindern. Während invasive Pilzinfektionen bei Gesunden keine Rolle spielen und bei Kindern mit soliden Tumoren, wie zum Beispiel Knochen- oder Nierentumoren, äußerst selten sind, erleiden bis zu 40% der Kinder nach allogener Stammzelltransplantation sowie der Kinder mit akuter myeloischer Leukämie (AML) diese Infektionen. 16 Abbildung 1: Kernspintomographie der Lunge bei einem 14-jährigen Jungen mit invasiver pulmonaler Aspergillose. Das Bild zeigt mehrere runde hyperintense Herde in der rechten Lunge. Auch wenn in diesem Fall durch die Kernspintomographie eine invasive Aspergillose am wahrscheinlichsten erschien, konnten andere Ursachen der Rundherde zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden. Der Zustand des Jungen verschlechterte sich trotz sofortiger hochdosierter medikamentöser Therapie dramatisch, so dass er 10 Tage später an Lungenversagen starb. Die Autopsie erbrachte dann den Nachweis einer invasiven pulmonalen Aspergillose. Invasive Aspergillosen Für Krebspatienten spielen im Rahmen lebensbedrohlicher Pilzerkrankungen immer noch bestimmte Schimmelpilze der Gattung Aspergillus die wichtigste Rolle, auch wenn eine Zunahme an zuvor selteneren Pilzerregern zu verzeichnen ist. Aspergillen können von nahezu allen Gegenständen und Lebewesen isoliert werden, befinden sich jedoch bevorzugt im Erdreich und in verrottender Vegetation. Deswegen kann eine Infektion mit Aspergillen überall stattfinden, wobei die Patienten vor allem Bauschutt (Umbauten, Renovierungen) meiden sollen. Von den knapp zwei Dutzend Aspergillus-Arten, die mit menschli- chen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht worden sind, wird in den meisten Zentren Aspergillus fumigatus am häufigsten isoliert, gefolgt von Aspergillus flavus, Aspergillus niger und Aspergillus terreus. Invasive Aspergillus-Infektionen entstehen nach derzeitigen Kenntnissen überwiegend durch den Eintritt der Erreger von außen, meist über die Atemwege. Es ist somit nicht verwunderlich, dass die invasive pulmonale Aspergillose, eine Infektion der Lunge, die weitaus häufigste Form einer invasiven Aspergillus-Infektion ist (Abb1). Bei etwa einem Drittel der Patienten breitet sich der Erreger in weitere Organe aus, insbesondere in das Zentralnervensystem. Trotz des Einsatzes neuerer Antimykotika (Medikamente gegen Pilzinfektionen) sterben heutzutage noch immer bis zu zwei Drittel der Patienten an den Folgen der Infektion. Beim Befall des Zentralnervensystems sind die Überlebenschancen für die Patienten noch geringer und liegen derzeit immer noch unter 10%. Körpereigene Abwehrfunktionen Der wichtigste Abwehrmechanismus des Körpers gegen eindringende Aspergillen ist die Aufnahme und die intrazelluläre Abtötung der Keime durch Fresszellen. Deren wichtigste Vertreter sind die neutrophilen Granulozyten. Dies ist auch der Grund dafür, dass eine lange Phase von niedrigen Granulozytenzahlen („prolongierte Granulozytopenie“) der wichtigste klinische Risikofaktor für eine invasi- WIR 2/2005 Abbildung 2: Infektionen mit bestimmten Erregern treten nach allogener Stammzelltransplantation in Abhängigkeit der jeweiligen Phasen der Erholung der körpereigenen Abwehr besonders häufig auf (nach Wald et al, J Infect Dis 1998). ve Aspergillus-Infektion ist. Daneben führt aber auch eine Unterdrückung der Fress- und Abtötungsfunktionen der Granulozyten, wie es zum Beispiel bei einer Cortisontherapie der Fall ist, zu einem erhöhten Risiko für Pilzinfektionen. Nach neueren Erkenntnissen ist zudem noch eine andere Gruppe der weißen Blutkörperchen, die so genannten T-Lymphozyten, bei der Abwehr von Pilzen beteiligt. Etwa zwei Drittel der invasiven Aspergillosen nach einer allogenen Stammzelltransplantation ereignen sich zu einem Zeitpunkt, an dem der Patient bereits wieder ausreichende Zahlen neutrophiler Granulozyten besitzt, jedoch noch einen Mangel an T-Lymphozyten aufweist (Abb.2). Die Funktionen dieses speziellen körpereigenen Abwehrsystems werden vor allem durch spezifische T-Lymphozyten vermittelt, die bestimmte Oberflächenstrukturen der Erreger erkennen und auf diese reagieren. Klinik und Diagnose Klinische Leitsymptome der invasiven pulmonalen Aspergillose sind Fieber sowie Symptome einer Atemwegsinfektion, wie atemabhängige Schmerzen, Husten und Atemnot. Da Aspergillen häufig in Blutgefäße einbrechen, kann es zu Blutungen kommen. Diese Komplikation ist besonders gefürchtet, da die Patienten WIR 2/2005 binnen weniger Minuten an einer massiven Blutung versterben können. Falls der Pilz sich im Zentralnervensystem ausbreitet, kommt es zu unterschiedlichen, oft uncharakteristischen neurologischen Symptomen, die durch Lokalisation und Ausmaß der Infektion bestimmt sind. Meist sind invasive Aspergillosen gerade am Beginn der Infektion schwierig zu diagnostizieren. Klinik und radiologische Befunde sind oft unspezifisch und nicht von denen anderer infektiöser und nicht-infektiöser Komplikationen nach Stammzelltransplantation zu unterscheiden. Auch mit aktuellen Laboruntersuchungsmethoden ist der Erregernachweis schwierig und gelingt selbst bei invasiver Diagnostik, z.B. einer Gewebeentnahme, oft nicht. Therapie Die antimykotische Therapie, die chirurgische Intervention und die Wiederherstellung der Immunabwehr sind die Eckpfeiler der Behandlung invasiver Aspergillus-Infektionen. Aufgrund der Schwierigkeiten einer exakten mikrobiologischen Diagnose und des unbehandelt oft raschen klinischen Fortschreitens der Infektion muss die antimykotische Therapie oft bereits bei Verdacht begonnen werden. Generell kommen dafür mehrere Substanzklassen in Betracht wie Amphotericin B, die Triazole oder die Echinocandine. Die Medikamente sind in der Regel sehr teuer. So überschreiten die Kosten einer antimykotischen Therapie eines mittelschweren 10-jährigen Patienten pro Tag schnell 500 Euro. Die Anwendung dieser Substanzen kann mit einer Reihe von Nebenwirkungen einhergehen. Einige der Medikamente können die Abbaugeschwindigkeit gleichzeitig gegebener Chemotherapeutika verändern und somit deren Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil beeinflussen. Mögliche, jedoch meist reversible Störungen der Leber- und der Nierenfunktion erfordern regelmäßige Kontrollen dieser Organe. Ob eine Kombination der teuren Medikamente ein besseres Therapieergebnis bewirken kann, müssen zukünftige Studien zeigen. Die Indikation einer chirurgischen Maßnahme hängt von Faktoren wie der Lage oder der Ausbreitung der Aspergillus-Herde ab. Um die Immunitätslage zu verbessern, können bei Patienten mit niedrigen Granulozytenzahlen sogenannte hämatopoetische Wachstumsfaktoren wie der Granulozyten-Kolonie-stimulierende Faktor (G-CSF) eingesetzt werden. Hierdurch wird die Neubildung der Granulozyten beschleunigt. Unklar ist noch der Stellenwert von Granulozytentransfusionen bei invasiven Pilzinfektionen. Bei Patienten ohne Granulozyten-Mangel, wie zum Beispiel bei Patienten nach allogener Stammzelltransplantation, deren eigene Blutbildung bereits wieder eingesetzt hat, bringen zusätzlich transfundierte Granulozyten keinen Vorteil. Diesen Patienten fehlen nach heutigen Erkenntnissen spezifische, gegen Aspergillus gerichtete T-Lymphozyten. Generierung und Charakterisierung Aspergillusspezifischer T-Zellen Während bei transplantierten erwachsenen Patienten, die an bestimmten Virusinfektionen erkrankt sind, bereits erste Erfahrungen zur Transfusion von Erreger-spezifischen T-Zellen vorliegen, fehlen diese bei Patienten mit invasiven Pilzerkrankungen. Um erste Grundlagen für eine solche Therapiemöglichkeit zu schaf- 17 Klinik und Forschung Abbildung 3: Prinzip des Zytokin-Sekretions-Assay zur Isolierung Aspergillus-spezifischer T-Lymphozyten. Diese werden nach der Isolierung kultiviert und können danach weiter charakterisiert und getestet werden. Fernziel ist der klinische Einsatz dieser Zellen zur Bekämpfung invasiver Aspergillosen nach allogener Stammzelltransplantation. fen, wurde nachfolgend beschriebenes Projekt durch die Arbeitsgruppe PD Dr. Thomas Lehrnbecher (Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Universität Frankfurt) initiiert, das von der Deutschen Leukämie Forschungshilfe unterstützt und in einer Kooperation mit der Universität Tübingen (Prof. Dr. Einsele), dem Institut Pasteur in Paris (Prof. Dr. Latgé) und den Hippokration Hospitals in Thessaloniki (Prof. Dr. Roilides) durchgeführt wurde. Fernziel des Projektes ist es, das Immunsystem von Patienten nach allogener Stammzelltransplantation, die an einer invasiven Aspergillose erkranken, durch eine Übertragung von bestimmten Aspergillus-spezifischen T-Lymphozyten des Spenders zu stärken und so die Heilungs- und Überlebenschancen dieser Patienten zu erhöhen. Prinzipiell ist jede Gabe von Spender-T-Lymphozyten nach allogener Stammzelltransplantation mit dem Risiko einer Transplantat-gegenEmpfänger-Reaktion („Graft-versusHost-Disease“, GvHD) verbunden. Bei dieser in manchen Fällen tödlich verlaufenden Komplikation erkennen Spender-Lymphozyten das Empfängergewebe als fremd und attackieren dieses. Die Therapie der GvHD besteht aus der Gabe von Medikamenten, die diese Immunreaktion verhindern sollen, damit aber auch das nach einer Stammzelltransplantation bereits ge- 18 schwächte körpereigene Abwehrsystem weiter unterdrücken. Je größer die Anzahl der verabreichten Spender-TLymphozyten ist, desto höher ist auch das Risiko einer GvHD. Andererseits ist eine Mindestzahl spezifischer T-Zellen im Kampf gegen Erreger notwendig. Das GvHD-Risiko lässt sich durch die Gabe von isolierten und aufgereinigten spezifischen T-Lymphozyten vermindern. Allerdings ist die Anzahl Aspergillus-spezifischer T-Lymphozyten im Blut gesunder Individuen so gering, dass Methoden entwickelt werden mussten, die aus dem Blut des Spenders gewonnenen und isolierten Zellen im Reagenzglas anzuzüchten und zu vermehren. Für die Isolierung und Aufreinigung Aspergillus-spezifischer T-Lymphozyten wurde ein neuartiges Verfahren benutzt, der sogenannte Zytokin-Sekretions-Assay (Abb.3). Bei dieser Methode werden etwa 100 ml Blut mit aufgereinigten Oberflächenstrukturen des Pilzes versetzt, auf die Aspergillus-spezifische T-Zellen, und nur diese, mit der Produktion und Sekretion des Eiweißmoleküls Interferon reagieren. Danach werden der Probe gegen das Interferon gerichtete Antikörper, die an Eisenpartikel gebunden sind, zugegeben. Nachdem diese Antikörper an das Interferon auf der Zelloberfläche gebunden haben, wird das Blut über eine Magnetsäule gegeben. Die Aspergillus-spezifischen T-Lymphozyten bleiben aufgrund der an den Interferon-Antikörpern befestigten Eisenpartikel hängen und können so isoliert werden. Die isolierten Zellen werden in ein Reagenzglas überführt und mit verschiedenen Wachstumsfaktoren und Nährmedien kultiviert (Abb.4). Nachdem geeignete Bedingungen für die Stimulation, die Isolierung und die Kultivierung gefunden waren, wurden weitere Experimente zur Charakterisierung dieser Aspergillus-spezifischen T-Zellen durchgeführt. Aus höchstens 100 ml Blut von 7 willkürlich ausgewählten, gesunden Individuen konnten innerhalb von maximal 4 Wochen im Mittel 2 x 108 Aspergillusspezifische T-Lymphozyten gewonnen werden, eine Zahl, die anhand von Literaturdaten als ausreichend angesehen werden kann. Die kultivierten T-Lymphozyten wurden als T-HelferZellen identifiziert, und zwar als TH1T-Zellen. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da diese Untergruppe der T-Helferzellen die körpereigene Abwehr gegen Pilze stärkt, während eine andere Untergruppe, die TH2-T-Zellen, die körpereigene Abwehrfunktion unterdrückt und damit das Fortschreiten einer invasiven Pilzinfektion begünstigen könnte. Durch weitere Versuche konnte gezeigt werden, dass die gewonnenen Aspergillus-spezifischen TZellen sich erneut teilen können, wenn sie mit dem Pilzextrakt in Berührung kommen. Transfundierte Aspergillusspezifische T-Zellen würden demnach möglicherweise nicht sofort absterben, sondern durch Zellteilung längere Zeit überleben und könnten das Immunsystem stärken. Die Experimente ergaben weiterhin, dass von aufgereinigten Aspergillus-spezifischen T-Zellen eine geringere Gefahr für die Ent- Abbildung 4: Sich teilende Aspergillus-spezifische T-Zellen 14 Tage nach Isolation und Ansetzen der Kultur (10fach vergrößert). WIR 2/2005 Aspergillus–spezifische T-Zellen verstärken den Effekt der neutrophilen Granulozyten, was für die Prognose von Patienten mit einer invasiven Aspergillose von entscheidender Bedeutung sein könnte. Aspergillus–spezifische T-Zellen verändern ihre Eigenschaften durch Einfrieren und Auftauen nicht wesentlich. Somit wäre es möglich, Aspergillus-spezifische T-Zellen vorsorglich für jeden Patienten herzustellen, diese dann im eingefrorenen Zustand aufzubewahren und erst bei Bedarf dem Patienten zu verabreichen. Die Arbeitsgruppe (von links nach rechts): Dr. Olaf Beck, Dr. Ulrike Köhl, Katrin Müller (sitzend), PD Dr. Thomas Lehrnbecher, Mitra Hanisch. wicklung einer GvHD ausgeht als von unaufgereinigten T-Zellen. Weisen die mit der oben beschriebenen Methode gewonnenen und außerhalb des Körpers kultivierten Zellen, alleine oder in Kombination mit anderen Zellen, überhaupt noch einen Effekt gegen Aspergillen auf? Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen liefern folgende Hinweise: Bereits die aufgereinigten Aspergillus–spezifischen T-Zellen alleine haben eine gewisse antimykotische Aktivität. WIR 2/2005 Zusammenfassung und Ausblick In dem durchgeführten Projekt gelang es erstmals, aus dem bei einer einzigen Blutentnahme gewonnenen Blut eines gesunden Spenders innerhalb von maximal 4 Wochen eine große Anzahl Aspergillus-spezifischer T-Zellen zu isolieren und zu kultivieren. Diese Zellen konnten weiter charakterisiert werden, zeigten ein vermindertes Potenzial für eine GvHD und konnten die körpereigenen Mechanismen der Pilzabwehr verbessern. Bevor Aspergillus-spezifische TZellen in der Prophylaxe oder in der Therapie von invasiven Aspergillosen bei Patienten nach allogener Stamm- zelltransplantation eingesetzt werden können, muss geklärt werden, welche Patienten wirklich von einer Transfusion Aspergillus-spezifischer T-Zellen profitieren könnten. Hierzu muss das biologische Verhalten Aspergillusspezifischer T-Zellen bei Patienten mit und ohne invasiver Pilzerkrankung genauer untersucht und verglichen werden. Weiterhin müssen die für die T-Zellantwort verantwortlichen Oberflächenstrukturen genauer charakterisiert werden. Wahrscheinlich ist es nur bei Einsatz künstlich hergestellter Moleküle möglich, reproduzierbar eine große Zahl gut charakterisierter, aktiver Aspergillus-spezifischer T-Lymphozyten herzustellen. Letztendlich müssen Experimente klären, welche Mechanismen der T-Zellen für den antimykotischen Effekt verantwortlich sind. Dies könnte die Basis für neue, sinnvolle Therapieansätze im Kampf gegen lebensbedrohliche Pilzerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen nach Stammzelltansplantion bilden. PD Dr. Thomas Lehrnbecher Pädiatrische Hämatologie und Onkologie Klinik für Kinderheilkunde III Theodor-Stern-Kai 7 •60590 Frankfurt Tel: 069-6301-83481 [email protected] 19