Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" "Astroglia" Vorlesung in der Reihe "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" von Dr. Bernhard Reuss am 6. 5. 2002 Einleitung Astrocyten gehören zu den Gliazellen. Als Glia werden alle nicht-neuronalen Zellen des Nervensystems bezeichnet welche die Neuronen unterstützen. Der Name Glia leitet sich vom griechischen Wort für Leim ab und wurde diesen Zellen von dem deutschen Pathologen Rudolf Virchow gegeben. Virchow hielt die Gliazellen irrigerweise für rein passive Zellen mit vorwiegend mechanischer Stützfunktion. Er bezeichnete sie daher als Nervenkitt (Neuroglia). Heute wissen wir das Gliazellen sehr viel stärker an den aktiven Vorgängen des Gehirns beteiligt sind als dies lange Zeit vermutet wurde. Die Gliazellen werden in Makro- und Mikroglia unterteilt. Zu den Makroglia gehören neben den Astrocyten auch die Oligodendrocyten von denen sie noch in der nächsten Woche hören werden. Als Mikroglia werden die Gehirnmakrophagen bezeichnet, die sich jedoch nicht vom Neuralrohr ableiten. Astrocyten kommen im gesamten ZNS vor, während sie im PNS nicht anzutreffen sind. Sie bilden eine Gruppe morphologisch sehr heterogener Zellen zu denen die protoplasmatischen, die fibrillären und die laminären Astrocyten gehören sowie die Ependymzellen, und die radiären Gliazellen. Molekular können sie durch den Nachweis verschiedener Markerproteine wie GFAP, S100 oder GS identifiziert werden. Allerdings treten nicht immer alle drei Marker gleichzeitig auf. So gibt es auch Astrocyten die kein GFAP exprimieren. Aufgrund der phosphorylierung des Proteins ist der Nachweis von GFAP generell problematisch da er stark von der Phosphorylierung des Proteins abhängt. Die wichtigsten Funktionen der Astrocyten sind: (1) Die Versorgung von Neuronen mit Sauerstoff und Nährstoffen (Transport von den Endothelzellen der Hirnkapillaren zu den Neuronen (2) Die Nährstoffspeicherung (Glycogen) (3) Die Nährstoffkonversion (Glucose => Lactat => Neuronen) (4) Der Abtransport von neuronalen Stoffwechselprodukten (CO2) 1 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" (5) Der Abtransport überschüssiger Ionen (K+, Ca++) (6) Die Aufnahme und Abbau überschüssiger Neurotransmitter an den Synapsen (Glutamat => GS, Dopamin => MAO-B) Morphologie Wie bei allen Zellen richtet sich die Morphologie der Astrocyten nach ihrer Funktion. Die Funktion der Astrocyten liegt in der Versorgung von Neuronen mit Nährstoffen aus den Hirnkapillaren und im Abtransport neuronaler Abfallstoffe zu den Kapillaren. Astrocyten sind demnach also polar, d.h. sie besitzen eine Zellseite die den Kapillaren zugewandt ist und eine die dem Neuron zugewandt ist. Da Astrocyten zahlreiche Fortsätze besitzen wird dieser polare Bau nicht auf den ersten Blick deutlich, ist bei näherem Zusehen jedoch bei jedem Astrocyt zu erkennen. Wir haben also auf der einen Seite Fortsätze die zu den Gefäßen verlaufen, auf der anderen solche deren Enden die neuronale Oberfläche bedecken. Die Endfüße der Fortsätze die an den Gefäßen liegen bilden sog. perivaskuläre Astrocytenscheiden aus. Sie umhüllen die Kapillaren vollständig, bilden jedoch keine Tight Junctions aus, sind also nicht direkt an der Barrierefunktion der BlutHirn-Schranke beteiligt. Sie wird durch Tight Junctions zwischen den Kapillarendothelzellen bewirkt, für deren Induktion die Astrocyten allerdings eine wichtige Rolle spielen. Zwischen den Astrocytenendfüßen finden sich vorallem Gap Junctions, sodaß sie ein funktionelles Syncytium bilden in dem niedermolekulare Substanzen (Ionen, Botenstoffe, Metabolite) frei fließen können. Die perineuralen Fortsätze bedecken die Oberfläche des neuronalen Zellkörpers, sowie große Teile der Dendriten mit Ausnahme der Synapsen. Mit den Axonen treten die Astrocyten überwiegend nur indirekt über die Oligodendrocyten in Kontakt. Nur an den Ranvier Schnürringen liegen Astrocytenfortsätze dem Neuriten direkt an. An den Synapsen bilden die Astrocytenfortsätze einen vollständigen Saum um den synaptischen Spalt herum und schließen diesen vollständig nach außen ab. Die perisynaptischen Astrocytenfortsätze dienen dem Abtransport der Transmittersubstanz aus dem synaptischen Spalt nach dem Ende der neuronalen Erregung. 2 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" Die Astrocytenfortsätze können durch ihre mechanische Plastizität die Größe der Synapsenoberfläche vergrößern oder verkleinern und dadurch die Übertragunsstärke einer Synapse beeinflußen. Dies scheint ein wichtiger Mechanismus für die Entstehung synaptischer Plastizität zu sein. Astrocyten besitzen mit einem Durchmesser von ca 8µm einen vergleichsweise kleinen Zellkörper, der zu zwei Dritteln vom Zellkern ausgefüllt wird. Im Cytoplasma befinden sich alle üblichen Organellen wie Mitochondrien, rER und Golgi Apparat. Das Cytoplasma der Astrocyten weist ein charakteristisches Cytoskelett mit stark ausgebildeten Intermdiärfilamenten auf. Diese Intermdiärfilamente bestehen aus Vimentin und dem für Astrocyten spezifischen Markerprotein GFAP (gliäres fibrilläres saures Protein). Diese Intermediärfilamente treten im gesamten Zellkörper und in allen Fortsätzen auf. Im Zellkörper der Astrocyten finden sich neben dem normalen Enzymbesatz für alle wichtigen Stoffwechselwege wie Glycolyse und Citratcyclus einige spezielle Enzyme, die für besondere Stoffwechselleistungen der Astrocyten verantwortlich sind. Dazu gehören die GS (Inaktivierung von Glutamat) und der GluT (Aufnahme von Glucose aus den Kapillaren). Aufgrund ihrer Lage und Morphologie kann man verschiedene Astrocytentypen unterscheiden: Protoplasmatische Astrocyten liegen in der grauen Substanz. Sie haben vergleichsweise kurze Fortsätze mit denen sie die Perikaryen der Neurone und die Hirnkapillaren berühren. Fibrilläre Astrocyten liegen in der weißen Substanz. Sie berühren mit ihren sehr viel längeren Fortsätzen einerseits die Hirnkapillaren, andererseits die Myelinscheiden der Axone, sowie die Axone an den Ranvier Schnürringen. Eine Spezialform der protoplasmatischen Astrocyten sind die sog. laminären Astrocyten, die vorallem in der Körnerzellschicht des Kleinhirns vorkommen. Ihre Fortsätze sind zu segelartigen Fächern ausgezogen mit denen sie einerseits die Hirnkapillaren umgeben, andererseits die Synapsen in den Glomeruli cerebellares. Neben diesen "Astrocyten" i.e.S. gehören zu den Astrocyten auch die Ependymzellen, welche die inneren Liquorräume auskleiden und den Plexus 3 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" choroideus überziehen. Das Ependym besteht aus einer einfachen Schicht iso- bis hochprismatischer Zellen, welche die Ventrikelräume des Gehirns und den Zentralkanal des Rückenmarks auskleiden. Während der frühen Gehirnentwicklung besitzen Ependymzellen noch basale Fortsätze, die im adulten Gehirn jedoch meist degeneriert sind. Apikal tragen die Ependymzellen auf ihrer Oberfläche meist aktiv bewegliche Kinozilien, sowie kurze Mikrovilli. Als Tanyzyten werden Ependymzellen bezeichnet, die über basale Fortsätze mit subependymal verlaufenden Blutkapillaren in Berührung treten. Neben ihrer Rolle der Ependymzellen für die Auskleidung der Ventrikelräume bilden Astrocytenfortsätze auch in als sog. Membrana limitans gliae superficialis (äußere Gliagrenzschicht) die äußere Begrenzung der Hirnoberfläche aus. Sie steht in direktem Kontakt mit dem Bindgebewebe der Pia mater, der sich nach außen die Arachnoidea und die Dura mater anschließen. Insbesondere während der Entwicklung tritt eine weitere Astrocytenart in Erscheinung die im adulten Gehrin nur noch in einigen wenigen Hirnregionen erhalten bleibt: die sog. Radiärglia. Radiärglia sind dadurch charakterisiert, daß sie die Wand des Neuralrohrs komplett durchspannen und so mit ihrem einen Ende das Neuralrohrlumen und mit dem anderen Ende die Neuralrohroberfläche berühren. An den Fortsätzen der Radiärglia entlang erfolgt die Wanderung der Neurone von dem Ort ihrer Entstehung in der ventrikulären und subventrikulären Zone zu ihrer Lokalisation im adulten Gehirn. Im adulten Gehirn wandeln sich die meisten radiären Gliazellen zu Astrocyten um, während als adulte Radiärglia nur noch die Müller Gliazellen der Retina und Bergmann Gliazellen des Kleinhirns erhalten bleiben. Entwicklung von Astrocyten Aufgrund der besseren Zugänglichkeit stammt ein großer Teil der Befunde zur Differenzierung von Astrocyten von Untersuchungen die an primären Zellkulturen in vitro durchgeführt wurden. 4 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" In vitro A Multipotente Neuronenvorläuferzelle des Neuralrohrs Nestin A/A1 => Neuronale Stammzelle A/A2 => Gliastammzelle A2B5+, nestin+, FGFR1+, FGFR2+, FGFR3+, PLP+, DM-20+ (Shh, Vitronectin, PDGF, FGF) A2/B1 => Astrocytenstammzelle (LIF, BMP, CNTF, EGF) B1/C1 => Typ1 Astrocyten Ran-2+, A2B5-, GFAPA2/B2 => O2A-Vorläuferzelle A2B5+, Ran-2-, GFAPB2/C2 => Typ2 Astrocyten GFAP+, A2B5+,FGFR3+ B2/C3 => Unreife Oligodendrocyten O4+, GalC+ C3/D1 => Oligodendrocyten O4+, GalC+, MBP+ (PDGF, GRO-alpha, Neuregulin, T3, RA, cAMP) Aus multipotenten Nestin positiven Neuronenvorläuferzellen des Neuralrohrs entstehen einerseits neuronale Vorläuferzellen, andererseits determinierte Gliastammzellen. Dieser erste Differenierungsschritt wird durch Shh, Vitronectin, PDGF und bFGF gefördert. Aus der Gliastammzelle wird durch weitere Differenzierung vermittelt durch LIF, BMP, CNTF und EGF eine Astrocytenstammzelle aus der durch weitere Differenzierung schließlich die Typ1 Astrocyten hervorgehen. Bei ihnen handelt es sich sehr wahrscheinlich um die eigentlichen Astrocyten die so auch in vivo zu beobachten sind. Aus der Gliastammzelle können andererseits auch O2A-Vorläuferzellen entstehen aus denen sog. Typ2 Astrocyten sowie unreife Oligodendrocyten und schließlich reife Oligodendrocyten hervorgehen. Bei den Typ2 Astrocyten handelt es sich um ein Zellkulturartefakt für das es in vivo wohl keine Entsprechung gibt. 5 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" In vivo Aufgrund der sehr viel schlechteren Zugänglichkeit ist über die tatsächliche in vivo Entwicklung der Makroglia bzw. der Astrocyten sehr viel weniger bekannt. Was man weiß ist, das die Gliogenese später als die Neurogenese stattfindet. So findet die Entstehung und Differenzierung der Neuronen bei der Maus in der Zeit zwischen den Embryonaltagen E10 und E16 statt, während die Entstehung der Astrocyten erst mit dem Embryonaltag E16 beginnt und erst postnatal zum Abschluß kommt. Die Entstehung der Oligodendrozyten und die Myelinisierung schließlich findet ausschließlich postnatal statt und findet ihren Abschluß teilweise erst mit dem Erlangen der Geschlechtsreife. Astrogliäre Expression von Wachstumsfaktoren und deren Rezeptoren Astrocyten sind im ZNS eine wichtige Quelle sog. neurotropher Faktoren, d.h. für Proteinwachstumsfaktoren die Überleben und Differenzierung von Neuronen positiv beeinflußen. Astrocyten exprimieren eine ganze Reihe verschiedener Wachstumsfaktoren. Im normalen Gehirn ist deren Expressionsrate allerdings vergleichsweise niedrig. Sie nimmt vorallem während astrogliärer Aktivierung im Verlauf von Läsionsbedingten Erkrankungen stark zu. Das trifft z.B. für FGF-1 und FGF-2 zu, die sowohl bei mechanischen Hirntraumen, als auch im Verlauf der Alzheimer' schen Krankheit in Astrocyten verstärkt exprimiert werden. Auch EGF und IGF werden nach mechanischer Schädigung von Astrocyten verstärkt synthetisiert. BDNF und NGF zwei sog. Neurotrophine werden verstärkt exprimiert was möglicherweise einen protektiven Effekt auf die betroffenen Neurone haben könnte. Neben den Wachstumsfaktoren i.e.S. werden im geschädigten Nervensystem auch verschiedene Cytokine von Astrocyten freigesetzt. So z.B. verschiedene Interferone (IFNalpha, IFNbeta, IFNgamma), Interleukine (IL-1, IL-6, IL-8), und Mitglieder der Gruppe der Tumornekrose Faktoren (TNFalpha, TNFbeta). TGFbeta1 und 2 werden ebenfalls freigesetzt. Die Expression all dieser Faktoren dient der Steuerung derjenigen Prozesse die der Wiederherstellung des geschädigten Hirnareals bzw. wenn das nicht erreicht werden kann doch zumindest der Schadensbegrenzung dienen. 6 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" Neben einer unspezifischen Schädigung sind mittlerweile eine ganze Reihe physiologischer Faktoren bekannt, welche ihrerseits die astrogliäre Wachstumsfaktorsynthese beeinflußen. So scheint dabei der aminerge Neurotronansmitter Dopamin eine wichtige Rolle zu spielen, da für Dopamin gezeigt werden konnte das es sowohl die astrogliäre Expression von FGF-2 als auch von NGF beeinflußt. Inwieweit dieser Regulationsmechanismus das Überleben dopaminerger Neurone beeinflußt, bedarf noch der weiteren experimentellen Klärung. Astrocyten besitzen auf ihrer Zelloberfläche eine Vielzahl von WachstumsfaktorRezeptoren mit denen sie ihrerseits durch andere Zellen oder durch autokrine Wirkungen beeinflußt werden können. Astrocyten exprimieren verschiedene Rezeptoren für FGFs, sowie EGF-Rezeptoren. Eine mutationsbedingte Überexpression des EGF-Rezeptors stellt z.B. eine der Hauptursachen für die Entstehung astrogliärer Tumore dar. Auch die Rezeptortyrosinkinase TrkA wird von Astrocyten gebildet, ein Rezeptor über den NGF autokrin astrogliäre Funktionen beeinflußen kann. Rezeptoren für Neurotransmitter auf Astrocyten Rezeptoren stellen den wichtigsten Weg dar, wie Zellen Informationen über ihre Umgebung wahrnehmen und verarbeiten können. Aufgrund ihrer vielfältigen Versorgungsaufgaben besitzen auch Astrocyten zahlreiche Rezeptormoleküle auf ihrer Zelloberfläche. Glutamat Rezeptoren Glutamat ist der wichtigste exzitatorische Neurotransmitter des ZNS der in fast allen Hirnregionen vorkommt. Glutamat entfaltet seine Wirkung durch Bindung an membranständige Rezeptorproteine welche intrazellulär an verschiedene Signalkaskaden gekoppelt sind. So werden ionotrope von metabotropen Rezeptoren unterschieden. Ionotrope Rezeptoren vermitteln den Ein- oder Austrom verschiedener Ionen und führen dadurch direkt zu Änderungen des zellulären Membranpotentials. Die ionotropen Glutamatrezeptoren werden aufgrund der Bindung entsprechender Rezeptoragonisten in die sog. AMPA/Kainat 7 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" und die NMDA-Rezeptoren unterteilt. NMDA = N-methyl-D-aspartat; AMPA = alpha-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolepropionic acid; Kainat = 2-Carboxy-4(1-methyl-ethenyl)-3-pyrrolidin-Essigsäure. Metabotrope Rezeptoren beeinflußen das Membranpotential wenn überhaupt dann nur indirekt. Ihre Wirkungen werden durch Aktivierung sekundärer Botenstoffkaskaden vermittelt wie z.B. des PhospholipaseC oder des Adenylat-Cyclase Pfads. AMPA/Kainat-Rezeptoren Vorkommen in hippocampalen Astrocyten, Bergmann Glia, und Astrocyten der Retina. Ligandbindung führt zu einem Calciumeinstrom in Verbindung mit einer Membrandepolarisation. 4 Rezeptorproteine bekannt: GluR1-7 sowie KA1 u. 2 die im ZNS ein komplexes Expressionsmuster aufweisen. Auf Astrocyten wird vorwiegend GluR4 exprimiert, während GluR1 auf Astrocyten nur auf vereinzelten Regionen anzutreffen ist. So z.B. im Thalamus, im Hypothalamus (Tanyzyten), im Cerebellum (Bergmann Glia Zellen) und in den Faserastrocyten des Corpus Callosum. Metabotrope Glutamat Rezeptoren Neben AMPA/Kainat Rezeptoren kommen auf Astrocyten in einigen Ausnahmefällen auch sog. metabotrope Glutamatrezeptoren vor. Es wurden bislang mGluR1-8 identifiziert. Davon konnte auf Astrocyten aber nur mGluR5 eindeutig identifiziert werden. NMDA-Rezeptoren Da in vitro auf Astrocyten keine NMDA-Astrocyten nachgewiesen werden konnten, wurde zunächst vermutet, daß Astrocyten keine NMDA-Rezeptoren besitzen. Allerdings wurde mittlerweile auf verschiedenen Astrocytensubpopulation in vivo NMDA-Rezeptoren nachgewiesen wie z.B. in Bergmann Glia Zellen des Kleinhirns und im Hippocampus. Diese NMDA-Rezeptoren unterscheiden sich allerdings in ihren Eigenschaften von denen neuronaler NMDA-Rezeptoren, da sie weder durch Mg2+ blockiert noch durch Glycin verstärkt werden. Zudem sind sie nicht an eine Calciumeinstrom gekoppelt. GABA-Rezeptoren Protoplasmatische Astrocyten des Hippocampus, des Rückenmarks und der Retina, sowie fibrilläre Astrocyten des Sehnervs, Bergmann Glia und Pituizyten. Während 8 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" GABA in Neuronen durch einen Cl- Einfluß zu einer Hyperpolarisierung führt, bewirkt es in Astrocyten durch Stimulierung eines Cl- Ausstroms eine Depolarisation mit anschließendem Calciumreaktionspotential. Auf Astrocyten werden vorallem GABAA-Rezeptoren exprimiert. Purinerge Rezeptoren Eine wichtige Rolle insbesondere für die Weiterleitung astrogliärer Calciumwellen spielen Purinerge Rezeptoren. Sie werden in zwei Gruppen unterteilt, die Adenosin-Rezeptoren und die ATP-Rezeptoren. Mitglieder beider Rezeptorgruppen können auf Astrocyten nachgewiesen werden. In hippocampalen Astrocyten werden Adenosinrezeptoren vom A2B-Subtyp exprimiert welche eine Aktivierung der Phospholipase C, sowie eine Erhöhung der intrazellulären Calciumkonzentration bewirken. Ebenfalls in hippocampalen Astrocyten kann ein ATP-abhängiger Rezeptor nachgewiesen werden, der eine Erhöhung der intrazellulären Calciumkonzentration bewirkt. In Bergmann Gliazellen existiert ebenfalls ein ATP-Rezeptor, bei dem es sich sehr Wahrscheinlich um einen P2Y Rezeptor handelt. Aminerge Rezeptoren (Adrenalin, Dopamin, Serotonin) Adrenerge Rezeptoren Beta-adrenerge Rezeptoren können in protoplasmatischen und fibrillären Astrocyten des Cortex und des Neostriatums nachgewiesen werden. Insbesondere in der Umgebung adrenerger Nervenendigungen treten vermehrt Beta-adrenerge Rezeptoren auf Astrocyten auf. Aber auch weiter entfernt von adrenergen Synapsen treten adrenerge Rezeptoren auf, ein Hinweis auf extrasynaptische Wirkungen von Adrenalin. Expression astrogliärer Adrenalin Rezeptoren hängt von der neuronalen Aktivität ab, da im visuellen Cortex einäugiger Affen die Expression des Beta-adrenergen Rezeptors auf die Dominanzsäulen des blinden Auges beschränkt ist. Ausfall der Afferenzen führt offensichtlich zur Induktion adrenerger Rezeptoren. Von den verschiedenen Beta-adrenergen Rezeptoren wird von Astrocyten vorwiegend der Beta-2-Subtyp exprimiert wie Bindungsstudien mit radioaktiv markierten Rezeptorantagonisten gezeigt haben. 9 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" Neben Beta-adrenergen Rezeptoren werden von Astrocyten auch Alpha-1-adrenerge Rezeptoren exprimiert. So z.B. in Cortex, Cerebellum, Striatum, und Nucleus motorius n. trigemini. Funktionell lassen sich diese Rezeptoren durch Messung der intrazellulären Calciumkonzentration nach Stimulierung mit Norepinephrin am Hirnschnittpräparat nachweisen. Serotonin- und Histamin Rezeptoren Von den 14 bekannten Serotonin-Rezeptoren konnte auf Astrocyten bisher nur der 5HT1A Rezeptor nachgewiesen werden. Daneben konnten in Bergmann Gliazellen auch Rezeptoren für Histamin (H1) gezeigt werden, während H2 und H3 spezfische Agonisten keine Calciumantwort auslösen konnte. Störungen des Serotonin-Stoffwechsels spielen bei depressiven Erkrankungen eine Rolle. Dopamin-Rezeptoren Auch Rezeptoren für Dopamin können auf Astrocyten in vivo und in vitro detektiert werden. So führt Dopamin in Astrocyten zu einer transienten Erhöhung der intrazellulären Calciumkonzentration. Von den vier bekannten Dopamin Rezeptor Subtypen konnten bislang vorallem der D1 und der D2 Subtyp auf Astrocyten in vivo nachgewiesen werden. Dopamin Rezeptoren spielen vermutlich bei der Entstehung neuropsychiatrischer Erkrankungen wie der schizophrenen Psychosen eine Rolle. Muskarinerge Acetylcholin-Rezeptoren Rezeptoren für Acetylcholin werden aufgrund der Bindung der beiden cholinergen Agonisten Muskarin und Nicotin in zwei Gruppen unterteilt: Die nicotinergen und die muskarinergen Azetylcholinrezeptoren. Auf Astrocyten in Cortex, Hippocampus und Corpus Callosum konnten bislang Rezeptoren vom muskarinergen Typ nachgewiesen werden. Von den fünf bekannten muskarinergen Rezeptoren wurde bislang der M3 Subtyp in Astrocyten gezeigt. Pathologische Änderungen der astrogliären Expression muskarinerger Rezeptoren kann in postmortem Gewebe aus dem Gehirn von Alzheimerkranken beobachtet. werden. Neuropeptide (Natriuretisches Peptid, Angiotensin II, Endothelin, Vasoaktives Intestinales Peptid, Bradykinin, Substanz P, ThyreotropinReleasingHormone) 10 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" Astrocyten exprimieren auch Rezeptoren für verschiedene Neuropeptide wie Somatostatin, Substanz P und Atriales natriuretisches Peptid. Auch Opioidrezeptoren gehören zur Ausstattung mancher Astrocyten. Rezeptoren für SubstanzP, einem Peptid das eine wichtige Rolle bei der Schmerzwahrnehmung spielt, werden in reaktiven Astrocyten nach Durchtrennung des N. opticus vermehrt exprimiert. Astrocyten reagieren auf eine Stimulierung mit ANF mit einer Erhöhung der intrazellulären cGMP Konzentration, die durch cGMP-spezifische Antikörper nachgewiesen werden kann. Eine solche Erhöhung der cGMP Immunreaktivität kann im Bulbus olfactorius, in der Area septalis, im Hippocampus, im Nucl. medialis der Amygdala, und in der Area peaeoptica nachgewiesen werden. Opioidrezeptoren Pituizyten (Astrocyten der Hirnanhangdrüse) exprimieren Kappa-Opioidrezeptoren. NO Ein wichtiges Signalmolekül das auf Astrocyten wirkt ist auch NO. NO wird von Endothelzellen, Mikroglia und Markophagen sowie von Neuronen durch das Enzym NOS gebildet. NO bindet an eine lösliche Guanylat-Cyclase die eine Erhöhung der intrazellulären cGMP bewirkt. Eine solche Induktion von cGMP durch NO kann auch in Astrocyten nachgewiesen werden. Eicosanoide und Arachidonsäure Arachidonsäure und ihre Derivate die Prostaglandine sind wichtige Mediatoren bei Entzündungsprozessen. Auch Eicosanoide und die Arachidonsäure wirken auf Astrocyten. So bewirken PGE2 und PGI2 bewirken in Astrocyten eine Zunahme von cAMP, während PGE2alpha die Bildung von IP3 bewirkt. Wechselwirkungen der Astrocyten mit Neuronen Synaptogenese Astrocyten scheinen eine wichtige Voraussetzung für die Ausbildung funktioneller Synapsen darzustellen. In reinen Neuronenkulturen werden nur sehr wenige 11 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" Synapsen ausgebildet, die zudem nur schlecht funktionieren. Bei NeuronAstrogliären Co-Kulturen hingegen, ist die Bildung von Synapsen stark vermehrt und auch die Funktionalität der gebildteten Synapsen ist erhöht. Dieser Effekt kann teilweise durch Astrocyten-konditioniertes Medium simuliert werden. Nährstoffversorgung von Neuronen Das bevorzugte Substrat für den Energiestoffwechsel der Neuronen ist nicht Glucose, sondern Lactat. Dieses Lactat wird von Astrocyten über die Glycolyse bereitgestellt. Die Bildung von Lactat durch Astrocyten wird durch die neuronale Aktivität über die astrogliäre Aufnahme von Glutamat gesteuert. GutamatAufnahme führt zur Aufnahme von Na+ und dadurch zu einer Depolarisierung der Zellen. Dies führt über die Aktivierung der Na/K-Pumpe zu einer Aktivierung des astrogliären Energiestoffwechsels und dadurch zur Bildung von Lactat. Abtransport und Inaktivierung von Glutamat aus dem synaptischen Spalt Über die astrogliären Glutamat-Transporter GLAST und GLT-1 wird Glutamat aus dem synaptischen Spalt von Astrocyten aufgenommen. Im Cytoplasma folgt der Umbau in Glutamin durch die Glutamin-Synthetase. Glutamin wird wieder aus den Astrocyten ausgeschleust, und nach Wiederaufnahme durch die Neuronen zur Synthese neuen Glutamats verwendet. Wird die Glutamat-Aufnahme in Astrocyten inhibiert gehen die Neurone wegen Übererregung zugrunde (Exzitotoxische Degeneration). Die Expression der astrogliären Glutamat-Transporter wird durch neuronale Faktoren induziert, da reine Astrocytenkulturen weder GLAST noch GLT-1 exprimieren. Erst nach Zugabe Neuron-konditionierten Mediums stellt sich die Expression der Transporter ein. Synthese von Glutamat-Vorstufen durch Astrocyten Astrocyten spielen eine wichtige Rolle für die Herstellung des Kohlenstoffgrundgerüsts als Zulieferer für die neuronale Glutamat-Synthese. Freisetzung von Neurotransmittern durch Astrocyten Nach Stimulierung mit Bradykinin kommt es vermittelt durch eine intrazelluläre Calciumantwort zur Freisetzung von Glutamat aus Astrocyten, das wiederum zu 12 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" einer langsamen Depolarisierung in benachbarten Neuronen führt. Sie kann durch NMDA-Antagonisten blockiert werden. Durch Stimulierung mit beta-adrenergen Agonisten kommt es zur Freisetzung von Homocystein aus Astrocyten, eines NMDA-Agonisten. Synthese neurotropher Faktoren Wie vorhin erwähnt exprimieren Astrocyten eine Reihe von sog. neurotrophen Faktoren, von Faktoren also die eine Rolle für das Überleben bestimmter Neuronenpopulationen spielen. Dazu gehören u.a. FGF-2, CNTF und NGF. Für alle drei Faktoren ist bekannt, daß sie in embryonalen Mittelhirnkulturen in vitro eine Zunahme der Zahl überlebender dopaminerger Neurone bewirken. Umgekehrt bewirkt eine Behandlung kultivierter Astrocyten mit Dopamin eine Induktion der astrogliären Expression von NGF und FGF-2. Dabei könnte es sich also um eine selbststabilisierende Regulationskette handeln, die das aktivitätsabhängige Überleben dopaminerger Neurone bewirkt. Neuronale Kontrolle der astrogliären Calciumkonzentration Während der hauptsächliche Weg für die Informationsübertragung bei Neuronen in der Änderung des Membranpotentials liegt, stellt bei Astrocyten die Intrazelluläre Calciumkonzentration das wichtigste Medium für die Singalübertragung dar. So konnte für eine Vielzahl von Substanzen gezeigt werden, daß sie zu Schwankungen der intrazellulären Calciumkonzentration führen. Dazu gehören vorallem Glutamat aber auch Noradrenalin, Histamin, Dopamin, Acetylcholin, ATP und GABA können die astrogliäre intrazelluläre Calciumkonzentration beeinflußen. Interzelluäre Übertragung astrogliärer Signale Astrogliäre Calciumantworten wirken nicht nur lokal, sondern können über verschiedene Mechanismen auf benachbarte Zellen übertragen werden. Zum einen findet eine Signalübertragun über Gap Junctions statt, durch die IP3, ein intrazelluläre Botenstoff welcher Calcium aus intrazellulären Speichern freisetzt, in benachbarte Astrocyten übertreten kann. Zum anderen findet die Übertragun auch extrazelluläre über die freisetzung von ATP und dessen Bindung an purinerge Rezeptoren auf der Zelloberfläche statt. 13 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" Die Rolle der Astrocyten bei der synaptischen Übertragung Astrocyten können zum einen Glutamat aufnehmen Die Langzeitdepression in CA1 Neuronen des Hippocampus kann durch extrazelluläre Verbreichung von Cs++ inhibiert werden. Dieser Wirkung liegt sehr wahrscheinlich eine Blockade der astrogliären K+ Aufnahme zugrunde. GFAP -/- Mäuse zeigen Veränderungen in der synaptischen Plastizität der CA1 Neurone mit einer starken Zunahme der LZP. Auch die LZD ist beeinträchtigt und weist geringere Raten auf als der Wildtyp. Wie EM-Untersuchungen zeigen, spielen die Astrocytenfortsätze welche den synaptischen Spalt umgeben eine wichtige Rolle für die synaptische Übertragung. Die Morphologie der Astrocytenfortsätze ändert sich nach wiederholter hochfrequenter Stimulierung. Wechselwirkungen von Astrocyten untereinander und mit anderen nichtneuralen Zellen des Gehirns Astrocytennetzwerke Astrocyten stehen untereinander durch Gap Junctions in direktem cytoplasmatischen Kontakt. Sie bilden daher zumindest für niedermoleklulare Bestandteile (<1kDa) des Cytoplasmas ein sog. funktionelles Syncytium aus. Innerhalb dieses Syncytiums können Metabolite wie Glucose und Aminosäuren, Ionen wie Na+, K+, und Cl-, sowie sekundäre Botenstoffe wie Ca++, IP3 und cAMP frei ausgetauscht werden. Peptide, Proteine und Nucleinsäuren werden hingegen nicht durchgelassen. Die Gap Junction Kanäle werden von den sog. Connexinen gebildet, von denen mittlerweile eine vielzahl unterschiedlicher Typen bekannt sind. Da GJ Kanäle jeh nach Connexintyp auch Ionenselektiv sein können, richtet sich die Permeabilität der einzelnen Typen auch nach der Ladung eines Moleküls. Astrogliäre Gap Junctions bestehen vorwiegend aus dem GJ-Connexin Cx43. Daneben treten aber auch Cx26 und Cx30 in Erscheinung. Aufgrund ihrer Permeabilität für K+ spielen die astrogliären Gap Junctions bei einem Prozess der als räumliche Pufferung (spatial buffering) bezeichnet wird eine wichtige Rolle. Über diesen Mechanismus kann im ZNS überschüssiges K+ nach 14 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" Aufnahme in die Astrocyten von Bereichen hoher neuronaler Aktivität in Bereiche mit niedriger Aktivität abgeleitet werden. Im Gegenzug können über den selben Mechanismus Nährstoffe aus ruhenden Hirnregionen rasch in Bereiche mit hoher Aktivität transportiert werden. Astrogliäre Gap Junctions spielen auch während Hirnläsionen eine Rolle, wenn durch einen Vorgang der als Spreading Depression bezeichnet wird, sekundär Bereiche des ZNS geschädigt werden können die vom eigentlichen Infarkt zunächst nicht betroffen sind. In der Klinik bezeichnet man diese Bereiche als sog. Penumbra. Wechselwirkungen mit Oligodendrocyten Astrocyten spielen durch Bereitstellung trophischer Faktoren für Oligodendrocyten eine wichtige Rolle für die Myelinisierung. Zu Beginn der Myelinisierung der Fimbria fornicis bilden unreife Oligodendrocyten Spaliere entlang der Axone. Sie sind eng assoziiert mit Astrocytenfortsätzen, mit denen sie zudem über Gap Junctions gekoppelt sind. Während der Myelinisierung kann eine starke Zunahme der GFAP-Expression nachgewiesen werden. In Übereinstimmung damit zeigen Mäuse mit einem Defekt für GFAP defizite in der Myelinisierung. In der Alexanderschen Leukodystrophie, einer Krankheit die mit einer Demyelinisierung einhergeht, ist in Astrocyten die Expression von alpha-B-Crystallin stark erhöht. Wechswelwirkungen mit Endothelzellen Die Blut-Hirn-Schranke ist eine spezialisierte Struktur des ZNS, welche die Wanderung von Immunzellen und die Diffusion löslicher Bestandteile aus dem Blut in das Gehirnparenchym einschränkt. Ihre Existenz kann durch transkardiale Perfusion mit einer farbstoffhaltigen Lösung nachgewiesen werden. Während sich alle anderen Gewebe vollständig Blau anfärben, verbleibt der Farbstoff im Gehirn in den Blutgefäßen und das Gehirnparenchym wird nicht angefärbt. Lange Zeit war nicht geklärt, welche Zellen für die eigentliche Barrierefunktion verantwortlich sind: Endothelzellen oder Astrocyten? Wie wir oben gesehen haben umhüllen die Astrocyten mit ihren perivaskulären Fortsätzen die Hirnkapillaren und es wurde daher zunächst vermutet, daß diese Umhüllung das strukturelle Korrelat 15 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" der Blut-Hirn-Schranke darstellt. In der Zwischenzeit konnte jedoch gezeigt werden, daß die eigentliche Barrierefunktion von den Endothelzellen durch Ausbildung dicht schließender Tight Junctions bewerkstelligt wird. Astrocyten sind nur indirekt an der Bildung der Blut-Hirn-Schranke beteiligt. Sie induzieren durch Abgabe humoraler Faktoren die Bildung endothelialer Tight Junctions. Neben humoralen Faktoren scheinen aber auch Zelloberflächenproteine der Astrocyten für die Ausbildung der BHS wichtig zu sein, da eine optimale Barrierefunktion nur bei direktem Kontakt zwischen Astrocytenfortsatz und Endothelzelle erreicht wird. Wechselwirkungen mit Mikroglia Das ZNS wird aufgrund des weitgehenden Ausschlußes des Lymphatischen Systems durch die Blut-Hirn-Schranke als immunprivilegierter Raum angesehen. Zudem exprimieren die residenten Zellen des Gehirns nur sehr geringe Mengen der MHC-Antigene die für die Auslösung einer Immunantwort notwendig sind. Im Verlauf von Läsionen oder Infektionen kommt es jedoch häufig zu einem Zusammenbruch der BHS und dadurch haben lymphatische Zellen des Blutes Zutritt zum Gehirn. Eine wichtige Voraussetzung Für die Auslösung einer Immunantwort im Gehirn ist die Kommunikation zwischen Astrocyten und Mikrogliazellen über verschiedene Cytokine. Mikrogliazellen entstehen im Gegensatz zu den Makroglia nicht aus den neuronalen Stammzellen des Neuralrohrs sondern leiten sich von Zellen des Knochenmarks ab. Sie gehören Linie der Monozyten und Makrophagen so daß es sich bei ihnen um die residenten Makrophagen des Gehirns handelt. Im Gesunden Gehirn besteht ihre Aufgabe hauptsächlich in der Entfernung und Unschädlichmachung von Zelltrümmern. Im Verlauf von entzündlichen Prozessen synthetisieren sie zahlreiche Cytokine und können auch als antigenpräsentierende Zellen fungieren. Microglia sind demnach in das dichte Signalnetzwerk des Immunsystems des ZNS eingebettet in dem auch die Astrocyten eine Rolle spielen. Zum Immunsystem gehören wie sie sicher wissen B-Zellen, T-Zellen und Makrophagen. Die Makrophagen besitzen dabei die Aufgabe Krankheitserreger oder entartete Zellen zu phagocytieren und deren Antigene auf ihrer Oberfläche zu 16 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" präsentieren, wo sie zusammen mit dem MHC-Komplex die spezifische Immunantwort der B- und T-Zellen auslösen. Mikroglia exprimieren IL-1, IL-6 und TNFalpha. Über diese Faktoren beeinflußen sie die Funktion der Astrocyten nachhaltig. Aber auch Astrocyten exprimieren Cytokine wie G-CSF und GM-CSF über welche sie die Funktion der Mikroglia beeinflußen. TNF-alpha ist ein 17 kDa Polypeptide, das vorwiegend von aktiverten Makrophagen exprimiert wird als Antwort auf eine bakterielle Infektion. TNF-alpha wird jedoch auch in anderen Zellen wie Astrocyten und Mikroglia synthetisiert werden. Interleukin-1 ist ebenfalls ein 17 kDa Polypeptid das von vielen verschiedenen Zelltypen hergestellt wird, wie Makrophagen, Endothelzellen, B-Zellen, Microglia und Astrocyten. Interleukin-6 ist ebenfalls an der Regulation von Entzündungs- und Immunantworten beteiligt. Mit 26 kDa ist es schwerer als andere Cytokine und wird von Mikroglia, Endothelzellen, B-Zellen, T-Zellen und Astrocyten gebildet. Interferon-gamma ist ein 17 kDa Polypeptid wird vorwiegend von CD4 und CD8 positiven T-Zellen exprimiert ebenso wie von cytotoxischen T-Zellen. Astrocyten als antigenpräsentierende Zellen Astrocyten können auch als antigenpräsentiernde Zellen fungieren. Dies konnte zumindest für Nager-Astrocyten gezeigt werden, die MHC II Moleküle exprimieren und in naiven T-Zellen eine Immunantwort auslösen können. Astrocyten und menschliche Erkrankung Astrogliäre Tumore Entstehung aus Astrocyten durch fortschreitende Genmutation und dadurch bedingter Wegfall der Proliferationskontrolle. Mutationen des EGFR-Gens treten bei den spontan auftretenden Gliomen bei älteren Patienten auf, bei den eher lansam entstehenden Astrogliomen ist meist der Ausfall des p53 Tumor Suppressorgens zu beobachten. Daneben treten Mutationen des Retinoblastom Gens, Überexpression von PDGF, TGFa, TGFb, sowie der Onkogene c-erb B-1, c-myc, ras, c-fos, und ros in Erscheinung. 17 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" Astrogliäre Narben und Epilepsie Bestimmte Formen epileptischer Erkrankungen werden durch krankhafte Veränderungen von Gliazellen verursacht. So können Glia-Narben nach Mikroläsionen zu unkontrollierten krampfartigen Entladungen führen. Auch durch Astrogliome können Krampfanfälle ausgelöst werden. Astrocyten und Hirnödem Ödeme, d.h. Wasseransammlung im Gewebe entstehen im Gehirn v.a. bei Erkrankungen die mit einem Zusammenbruch der Blut-Hirnschranke einhergehen. Dazu gehören z.B. Tumore, aber auch ischämische Läsionen oder auch mechanische Verletzungen wie sie z.B. in der Folge von Operationen entstehen. Astrocyten scheinen dabei eine wichtige Rolle bei der Resorption und dem Abtransport des Gewebswassers zu spielen. Insbesondere die Expression des Wasserkanals Aquaporin-4 scheint für die Wasseraufnahme in Astrocyten eine Rolle zu spielen. Hepathische Enzephalopathie Tritt häufig im Zusammenhang mit chronischen Lebererkrankungen auf (Leberzirrhose => Hepatitis C, chronischer Alkoholabusus). Neuropathologische Veränderungen schließen eine reaktive Astrogliose mit ein, wie sie auch bei Alzheimerkranken zu beobachten ist. In vitro Unersuchungen haben gezeigt, daß die astrogliären Veränderungen durch die erhöhte Ammonium-Ionen Konzentration bedingt sind. Weiter kann in derart geschädigten Astrocyten eine reduzierte Glutamataufnahme beobachtet werden, sowie ein gestörter astrogliärer Energiemetabolismus. Auch die aktivität der MAO-B ist erhöhte => erhöhter Abbau von aminergen Neurotransmittern. Hirnischämien Im Verlauf von ischämischen Erkrankungen des Gehirns (Gefäßverschluß mit nachfolgender Minderversorgung) kommt es zu einer reaktiven Gliose. In der Infarktregion kommte es zu einer verstärkten Expression von GFAP, sowie verschiedener Cytokine und Wachstumsfaktoren. Im weiteren Verlauf kann es 18 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" auch zur Ausbildung gliärer Narben kommen. Durch intrazelluläre Signalprozesse (Spreading depression => Gap Junction Kopplung), kommt es zudem zu einer transienten Aktivierung der Astrocyten in der Umgebung des akuten Infarkts und dadurch zur Ausbildung der sog. Penumbra. Parkinsonismus Beim M. Parkinson handelt es sich um eine neurodegenerative Erkrankung bei der dopaminerge Neurone der Subsantia nigra des Mittelhirns nach und nach degenerieren. Die dopaminergen Neurone des Mittelhirns projezieren in das Neostriatum und sind dort für die extrapyramidale Steuerung der Motorik verantwortlich. Wenn die dopaminerge Aktivität zu mehr als 80% fehlt stellen sich funktionelle Defizite ein wie Tremor, Rigor und Akinesie. Obwohl noch längst nicht alle Ursachen des Morbus Parkinson bekannt sind ist schon jetzt klar, daß verschiedene Prozesse zu einer Degeneration dopaminerger Mittelhirnneurone führen können. So wird vermutet daß eine Verminderte Expression neurotropher Faktoren im Striatum oder im Mittelhirn das Absterben dopaminerger Neurone begünstigen kann. In Übereinstimmung mit dieser Hypothese konnte im Mittelhirn von Parkinsonpatienten eine verringerte Expression von FGF-2 festgestellt werden. Parkinsonismus kann auch durch neurotxische Substanzen ausgelöst werden, wie z.B. MPTP, einem ungewollten Nebenprodukt bei der Heroinherstellung. Drogensüchtige die den verunreinigten "Stoff" konsumieren entwickeln alle Symptome eines Parkinsonismus. Auch hierfür spielen Astrocyten eine Rolle, da die Umwandlung des MPTP in das eigentliche Neurotoxin MPP+ in Astrocyten stattfindet. MPP+ wir dann über verschiedene Monoamintransporter in dopaminerge Neurone aufgenommen wo es die mitochondriale Atmung blockiert. Infektionen (Borna Viren, HIV, Toxoplasmen) Borna Viren treten normalerweise bei Pferden und Schafen auf, wo sie entweder zu latenten Infektionen des Gehirns führen können, oder zu einer akuten meist lethalen Enzephalitis. Besonders Infektionen während der frühen Entwicklung führen zu Defekten, die mit verschiedenen neuropsychiatrischen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht werden wie Depressionen und Schizophrenen 19 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" Psychosen. Insbesondere bei der latenten Infektion sind auch die Astrocyten betroffen. Bei HIV Infektionen kommt es bei ca einem Drittel der Fälle zu einer sog. AIDS Neuropathie. Sie wird u.a. durch eine latente Infektion der Astrocyten ausgelöst. Die dadurch bedingten Störungen astrogliärer Funktionen (Synthese neurotropher Faktoren, Neurotransmitter Reuptake, Glucose Transport, Induktion der Blut-HirnSchranke) führen zu Schädigung der Neuronen. Die neurotoxischen Störungen werden noch verstärkt durch Wechselwirkungen mit Mikrogliazellen und Makrophagen. Toxoplasmen kommen häufig als opportunistische Infektion im Zusammenhang mit AIDS auf. Es handelt sich dabei oft um ein Wiederaufflammen latenter Infektionen. Toxoplasmen infizieren sowohl Neuronen als auch Astrocyten. Die Vermehrung der Toxoplasmen findet dabei vorwiegend in Astrocyten statt. Störungen astrogliärer Funktionen durch die Infektion werden auch mit der Entstehung neuropsychiatrischer Symptome wie sie im Zusammenhang mit AIDS berichtet werden, in Zusammenhang gebracht. Sie werden auch als eine mögliche Ursache schizophrener Symptome betrachtet. Alzheimer' sche Krankheit Beim M. Alzheimer kommt es zu einer Degeneration cholinerger Neurone des Vorderhirns und bedingt dadurch zu einer Abnahme von Azetylcholin in Cortex und Hippocampus. Auch hierfür sind die genauen Ursachen für die Entstehung der Krankheit noch nicht endgültig geklärt, da es sich sehr wahrscheinlich um ein multifaktorielles Geschehen handelt. Was jedoch bereits feststeht ist, daß auch bei der Entstehung dieser Erkrankung Astrocyten eine Rolle spielen. So treten in den Amyloid-beta Plaques von Alzheimer Patienten verstärkt reaktive Astrocyten auf die den neurotrophen Faktor S100beta exprimieren. Wichtige Methoden zur Untersuchung astrogliärer Funktionen Primäre Zellkulturen Eine wichtige Methode zur Untersuchung astrogliärer Funktionen ist die Herstellung sog. primärer Gliazellkulturen. Sie werden aus dem Gehirn neugeborener Ratten 20 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" oder Mäuse gewonnen, da zu diesem Zeitpunkt einerseits die Neurogenese bereits abgeschlossen ist, andererseits die Myelinisierung noch nicht begonnen hat. Für die Herstellung der Kulturen wird das Hirngewebe mechanisch herauspräpariert und in einer Pufferlösung gesammelt. Anschließend werden die Gewebestücke mechanisch zerkleinert und die entstandene Zellsuspension in einem speziellen Medium auf beschichtete Plastikkulturflaschen ausgesäht. Die Flaschen werden mit Poly-L-Lysin einem synthetischen Peptid beschichtet. Bei dem Medium handelt es sich um DMEM das mit 10% Serum sowie Antibiotika versetzt wurde. Die Zellen die diese Prozedur überleben heften sich nach 1-2 h auf dem Boden an und beginnen sich zu teilen. Sie werden in einem Inkubator bei 37°C, sowie bei 5% CO2 inkubiert. Das Medium wird alle 2-3 Tage ausgetauscht. Um Oligodendrocytenvorläuferzellen und Microglia zu entfernen werden die Kulturen nach Erreichen der Konfluenz jeweils vor dem Mediumwechsel geschüttelt sodaß diese Zellen die weniger gut anhften entfernt werden. Wiederholt man das einige male erhält man vergleichsweise reine Astrocytenkulturen. Immunhistochemie Eine wichtige Methode zur Identifizierung von Astrocyten in vivo und in vitro ist der immunhistochemische Nachweis des Intermediärfilamentproteins GFAP. Dabei werden Gehirnschnitte oder Zellkulturen auf Deckgläsern mit einem Antikörper der ein Epitop des GFAP spezifisch bindet inkubiert. Dieser Antikörper kann dann durch einen fluoreszenzmarkierten speziesspezifischen Sekundärantikörper unter dem Fluoreszenzmikroskop detektiert werden. In situ Hybridisierung Während die Immunhistochemischen Verfahren das Proteinprodukt eines Gens nachweisen, dient die in situ Hybridisierung dem Nachweis der mRNA für ein bestimmtes Protein. Man bedient sich dabei der Bindung einer markierten RNA oder DNA-Sonde mit dem komplementären Abschnitt eines bestimmten zellulären RNA-Molekül durch Hybridisierung mit komplementären Genabschnitten. Dabei sind die Bedingungen (Temperatur, Ionenkonzentration) so zu wählen, daß eine unspezifische Bindung der Sonde ausgeschlossen werden kann. Der Nachweis 21 Dr. B. Reuss: "Astroglia" "Molekulare und zelluläre Neurobiologie" Erfolgt dann entweder nichtrdioaktive über eine Farbreaktion, oder, bei Markierung mit einer radioaktiv markierten Sonde über eine Filmautoradiographie. Calcium Imaging Eine wichtige Methode zur Untersuchung der physiologischen Reaktionen astrogliärer Zellen stellt das sog. Calcium-Imaging dar. Dabei werden die Zellen mit einem Calcium-Sensitiven Fluoreszenzfarbstoff wie z.B. Fluo-3 oder Fura-2 beladen. Anschließend wird unter dem Fluoreszenzmikroskop der Zeiverlauf der Fluoreszenzintensität während einer Behandlung mit einer bestimmten Substanz (z.B. eines Neurotransmitters) gemessen. Änderungen der Fluoreszenz deuten auf eine Änderung der intrazellulären Calciumkonzentration hin. Elektrophysiologie Einen alternativen Weg zum Nachweis funktioneller astrogliärer Parameter stellen ektrophysiologische Methoden dar. Bei diesen Verfahren wird das astrogliäre Membranpotential entweder durch Einstechen einer Mikroelektrode, oder mittels des sog. Patch-Clamp-Verfahrens analysiert. Bei der Patch-Clamp Methode, wird eine hitze polierte stumpfe Glaselektrode auf die Zellmembran aufgesetzt, die in der Folge aufgrund ihrer hydrophoben Eigenschaften mit der Zellmembran verschmilzt. Nach Durchtrennung der Zellmembran durch Unterdruck in der Kapillare entsteht eine direkte Verbindung zwischen Eletrode und Zellinnerem. Die dient dem Nachweis der Transmembranären Spannungsdifferenz. Transgene Tiere (GFP, EGFP) Eine wichtige Möglichkeit bestimmte Zellpopulationen in vivo sichtbar zu machen besteht in der Herstellung transgener Tiere die ein sog. Reporterprotein exprimieren das unter der Kontrolle eines Zell- oder Gewebe-spezifischen Promotors steht. So existieren mittlerweile Tiere die das Gen für das Enhanced green fluorecent Protein (EGFP) unter der Kontrolle des GFAP-Promotors exprimiert. Bei diesen Tieren können Astrocyten am lebenden Tier bzw. Präparat anhand ihrer grünen Fluoreszenz identifziert werden. Eine solche Identifikatio ist v.a. für elektrophysiologische Experimente von großer Wichtigkeit. 22