28. März 1918 DEUT&HE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT 347 Hg.Injektionskur eingeleitet, die in der Etappe, wohin Leutzant J. am 8. Juüi entlassen wurde, ambulant zu Ende gefiflrt wurde. Draußen fühlte sich Patient ganz gut, jedoch ein Gefühl im Kopf, besonders am Morgen, erinnerte an die starken Kopfschmerzen von früher. Der Schlaf war häufig unruhig, Patient leicht vergéßlich. Anfang August 1917 traten wieder heftige Kopfschmerzen auf, de nicht weichen wollten. Krankheitsverlauf 7. November bis 21. Dezember 1917. Bei der Aufnahme klagte Patient überfast ständige heftigste Kopfschmerzen, vor allem nachts, über den ganzen Kopf, bis ans Genick hin, mitunter auch Schmerzen in der Kreuzgegend, Müdigkeit in den Beinen, Schwindelgefühl, erhebliche Schlafstörung, Nachlassen der Merkfiihigkeit. Objektiv war an den inneren Organen ünd am Nervensystem nichts nachweisbar. (Infolge vorangegangener Atropineintriiufelung reagierte die linke Pupille schlechter als die rechte und war etwas größer.) Patient ging äußerst vorsichtig und langsam, als ob er jede Erschütterung zu vermeiden suche, hielt dabei Rücken und Kopf auffällig steif. In den folgenden Tagen klagte er weiter über rasende Kopfschmerzen, fast völlige Schlaflosigkeit, Schmerzen zu beiden Seiten der Wirbelsiule. Geht leicht gebückt und äußerst vorsichtig an einem Stock. erheben konnte. Wa.R. fiel negativ () aus. Am 22. November trat mittags plötzlich ein kurzer Verwirrtheitszustand auf. Zunge war belegt, Fieberanstieg (bis 39,3 0). Die Verwirrtheit war schon am nächsten Tage völlig geschwunden. Dem Patienten fehlte jede Er. innerung an den vorhergehenden Tag. In der Folgezeit wechselnd starke Kopfschmerzen, schlechter Schlaf, allgemeines Schwächegefühl, abends ständig Temperaturerhöhung, meistbis 38 vereinzelt bis 38,8 O Langsamer, aber fortschreitender Kräfteverfall. Da somatisch, außer geringer Nackensteifjgkeit und etwas unscharfen Papillengrenzen im Augenhintergrund kein krankhafter Befund festzustellen war, Lumbalpunktion am 17. Oktober. Das Punktat entleerte sich schnell tropfend und war trübe. Nonne: Opaleszenn; Ebach: mehr als 10 Teilstriche, sehr viel Lymphozyten und pôlymorphkernige Leukozyten im Zentrifugat. Wait. positiv ( + + + ) 23. Oktober. Neosalvarsan. injektion 0,45. Nach zwei Tagen Temperatur zur Norm gefallen. Kopfschmerzen wesentlich geringer, Ailgemeinbefinden besser. In den f olgenden Tagen schwitzte Patient mçhrfach. Das subjektive Befinden besserte sich zusehends, und im Verlauf der Neosalvarsankur (ö Einspritzungen von je 0,45 Neosalvarsan intravenös) genas Patient klinisch li. Dezember. Erneut Lumbalpunktion. IÑonne: voilkommén. schwach +, Esbach: 5 Teilstriche, geringe, aber deutliche LymphozyLose (2-15 im Gesichtsfeld). Wa.R. in Blut und Lumbalfliissigkeit negativ (). Die Diagnose solcher Fälle wie des eben beschriebenen ist klinisch außerordentlich schwer, mit Sicherheit überhaupt nicht zu stellen. Man kann sie höchstens mit einem gewissen Grad von Wahrscheinlich- keit vermuten, besonders in einem Krankheitsstadium, das so wenig objektive Anhaltspunkte bietet, wie es hier der Fall war. Nachträglich nehme ich mit Bestimmtheit an, daß die ,,Fischvergiftung" im Februar 1917 auch schon eine Meningitis war. In den ersten Tagen und Wochen Aus dem Reservelazarett Ahrweiler. (Chefarzt: StabsarztSanitätsrat Dr. Kriese), Station y. Ehrenwall. Ein Fall von Meningitis luetica. Von Assist.-Arzt d. L. Dr. S. Lo e b, Ordinierender Arzt. Vorgeschichte. 27jährigei Leutnantd. R. Am 26. Oktober 1911 zum Kriegsdienst eingezogen. Juli 1916 wegen frischer Tripperinfektion ins Lazarett gekommen. 20. August 1916 zeigt sich ein Geschwür am Penis. 4. September 1916 Wa.R. positiv (+ + +). Danach Neo- 4. November 1916 Wa.R. negativ (), 31. Dezember 1916 Wa.R. negativ (). Nach der Entlassung aus salvarsan-Quecksilberkur. dem Lazarett machte Patient wieder leichten Dienst im Ersatzbataillon und fühlte sich ganz wohl. Am 3. Februar 1917 nach üppigem Essen und Trinken in einem Berliner Hotel unter anderem Fischgericht plötzlich erkrankt: sehr starkes Erbrechen, Schwindelgefühl. Durch. fall. Vom Garnisonarzt Berlin dem Lazarett überwiesen. Dort wurde Fischvergiftung angenommen. Nach dem vorliegenden Krankenb1at kl&sgte Leutnant J über große Mattigkeit, Erbrechen und Durchfall, sehr starke und anhaltende Kopfschmerzen, starken Schwindel. Objektiv wurde außer stark belegter Zunge nichts gefunden. Nach 14 Tagen hörte daB Erbrechen auf, dagegen bestanden heftigste Kopfschmerzen, verbunden mit Schmerzen im Genick und Rücken weiter. Ende März stand Patient etwas auf, 1aumelte aber ziemlich stark. Anfang April Halsentzündung. die nach einiger Zeit als luetisch erkannt wurde. Sofortige Wa.R. positiv (+ + + +). Im Lazarett wurde eine neue wurde auch bei uns das Krankheitsbild verkannt. Bei der Häufigkeit der jetzt beobachteten funktionellen Haltungsetörungen bei Kriegsneurotikern wurde an eine solche gedacht, denn der Patient ging auffallend vorsichtg, geradezu gewählt steif. Das Auftreten de Fiebers lenkte erst recht von der wirklich vor'iegenden Krankheit ab, denn Fieber ist bei Meningitis luetica äußerst selten, nach Oppenheim, Lehrbuch der Nervenkrankheiten, eine ,durchaus ungewöhnliche Erscheinung der syphilitischen Meningitis". Erst das Auftreten der geringen Nackensteifigkeit verstärkte die \Termutung so, daß ich eine Lumbalpunktion vornahm. Durch deren Ergebnis: erhöhter Druck, trübe Flüssigkeit, Nonne: Opaleszenz, Esbach über 10 Teilstriche, Vermehrung der Lymphozyten, Vorhandensein von polyinorphkernigen Leukozyten, positive Wa.R. und den ausgezeichneten klinischen Erfolg unmittelbar nach der spezifischen Behandlung ist die Diagnose gesichert. Aehnliche Krankheitsfälle sind nach der mir zugänglichen Sammel- literatur nicht viele beobachtet. Im allgemeinen wird unter Meningitis luetica mehr das chronische, remittierend verlaufende Krankheitsbild verstanden. Hierbei wird die Diagnose auch erst nach längerer Beobachtung, im wesentlichen durch die Herderscheinungen, gestellt. Auch die früher beschriebenen, früh nach der Infektion einsetzenden und schnell verlaufenden Fälle gingen meist mit erheblichen Ausfallserscheinungen des Zentralnervensystems -einher. Erst in neuerer Zeit ist gewissermaßen ein Krankheitsbild Meningitis syphilitica acute" aufgestellt- worden, nachdem die Wa.R. und die Lumbalpunktion den zytologischen bzw. serologischen Beweis für das Vorhandensein dei Erkrankung gebracht haben. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Da objèktiv garniohts nachweisbar war, wurde J. dem Fachärztlichen Beirat vorgestellt, der ebenfalls keinen objektiv krankhaften Befund