Diplomarbeit Das Mammakarzinom

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Diplomarbeit
Das Mammakarzinom - seine pharmakologische
Betreuung mit Berücksichtigung der heute vorhandenen
Phytopharmaka
eingereicht von
Lena Marie Gappa
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktorin der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt am
Institut / Klinik für Experimentelle und Klinische Pharmakologie
der Medizinischen Universität Graz
unter der Anleitung von
Univ.-Prof. i. R. Mag. Dr. Eckhard Beubler
Ao.Univ.-Prof. Dr. med. univ. Josef Donnerer
Graz, den 12.07.2016
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet
habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen
als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, den 12.07.2016
Lena Marie Gappa eh.
i
Vorwort
Das Mammakarzinom ist die häufigste Tumorerkrankung der Frau weltweit und
betrifft somit einen großen Teil der Bevölkerung. Eine gute fächerübergreifende
Betreuung durch Gynäkologie, onkologische Gynäkologie und Allgemeinmedizin
ist von großer Bedeutung. Da durch die heutige Medizin und Forschung ein immer
schneller voranschreitender Fortschritt in Hinblick auf die Behandlung möglich
geworden ist, soll meine Arbeit einen Überblick über diesen geben und die aktuell
pharmakologischen Therapiemöglichkeiten darstellen. Da besonders die
Chemotherapie und ihre Nebenwirkungen gefürchtet sind, ist die Frage nach
anderen Therapiemöglichkeiten nach wie vor ein wichtiges Thema. Hier ist
besonders der Fortschritt in Hinblick auf Unterschiede in der Tumorbiologie und
damit Möglichkeiten einer endokrinen Therapie oder begleitenden
Antikörpertherapie wichtig. Im ersten Teil der Arbeit wird ein Überblick über die
Epidemiologie, Ätiologie, Tumorbiologie und Therapie des Mammakarzinoms
insbesondere in Bezug auf die Leitlinien der „Arbeitsgemeinschaften der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.“ gegeben. Daraufhin
werden die pharmakologischen Therapiemöglichkeiten ausführlich dargestellt
unterteilt in endokrine Therapie, Antikörpertherapie und Chemotherapie. Im
zweiten Teil der Arbeit werden dann die Phytopharmaka genauer erläutert. Diese
können zum Teil für die Behandlung von Nebenwirkungen beispielsweise einer
Chemotherapie herangezogen werden. In Hinblick auf die Phytopharmaka soll
meine Arbeit ebenfalls näher bringen, an welcher Stelle sie in der Behandlung der
eventuell gegebenen Symptomatik oder sogar Therapie des Mammakarzinoms
eingesetzt werden können. Außerdem wird zusätzlich der rechtliche Aspekt bei der
Behandlung des Mammakarzinoms mit Phytopharmaka berücksichtigt.
ii
Danksagungen
Zunächst möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Betreuer Hr. Univ.-Prof. i. R.
Mag. Dr. Beubler bedanken. Er hat es mir ermöglicht über dieses Interessengebiet
zu schreiben und mich während dieser Zeit unterstützt. Vielen Dank für den
komplikationslosen Ablauf.
Dann gilt ein großes Dankeschön meinen Eltern, die mir immer eine große Stütze
sind und mir überhaupt erst dieses Studium ermöglicht haben. Dafür, dass ihr
immer an mich geglaubt habt, bin ich euch unendlich dankbar. Auch meinen
beiden Schwestern danke ich von ganzem Herzen. Danke für die wunderbare Zeit,
die wir immer gemeinsam haben und das Zuhause, zu dem ich immer wieder
gerne zurückkehre und das die Quelle meiner Kraft ist.
Zu guter Letzt möchte ich natürlich auch meinen Kommilitonen für eine
unglaublich schöne Studienzeit danken. Ohne euch wäre diese Zeit niemals so
besonders gewesen. Besonders Roman, Nora, Shirley, Jakob, Steffi, Birgit und
Luki möchte ich für die tolle Freundschaft und die tollen Momente danken. Auch
wenn wir mittlerweile am Ende unseres Studiums schon weit verteilt sind und uns
teilweise etwas aus den Augen verloren haben, gilt euch ein ganz besonderer
Dank.
iii
Zusammenfassung
Für die pharmakologische Betreuung des Mammakarzinoms steht ein sehr breites
Spektrum an Therapiemöglichkeiten zu Verfügung. Es stellt außerdem nach wie
vor ein großes Forschungsgebiet mit stetigem Fortschritt und neuen
Erkenntnissen dar. Die Therapiemöglichkeiten reichen von der endokrinen
Therapie über die Antikörpertherapie bis hin zur Chemotherapie. Auch
Kombinationen unterschiedlicher Wirkstoffe sind möglich. Für eine bestmögliche
Therapie ist es essentiell je nach Tumorbiologie, Tumorlast, menopausalem Status
und dem Wunsch der Patientin die richtigen Medikamente zu wählen.
Die endokrine Therapie stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der
pharmakologischen Betreuung des Mammakarzinoms dar. Durch sie konnten die
Erfolge der systemischen Therapie deutlich verbessert werden. Sie betrifft die HRpositiven Mammakarzinome. Da es allerdings immer häufiger zu
Resistenzentwicklungen gegenüber der Standardtherapien gekommen ist, ist es
eine der größten Herausforderungen der heutigen Zeit Alternativen in diesem
Bereich zu finden. Von einer Kombination der endokrinen Therapieformen mit
Chemotherapien wird bislang abgeraten. Für das HER2-positive Mammakarzinom
kommt eine Antikörpertherapie in Frage. Diese wird in der Regel mit
Chemotherapeutika kombiniert verabreicht. Ist das Tumorgewebe zusätzlich HRpositiv, so kann eine endokrine Therapie mit einer Antikörpertherapie verbunden
werden. Treffen die weiter oben genannten Szenarien nicht zu oder ist ein
schnelles Ansprechen auf die Therapie auf Grund einer hohen Tumorlast,
Metastasen und Gefahr der Organschädigung gefragt, so wird empfohlen eine
Chemotherapie einzusetzen. Gefürchtete Nebenwirkungen der Chemotherapien
werden durch die Vermeidung von Kombinationstherapien versucht gering zu
halten. Nebenwirkungen wie das Erschöpfungssyndrom (Fatigue), Müdigkeit und
dem Angriff des Immunsystems können durch Phytopharmaka gelindert werden.
Diese können einen sehr positiven Einfluss auf das Allgemeinbefinden haben.
Allerdings muss auf Wechselwirkungen acht gegeben werden. Einige
Phytopharmaka wie Extrakte von Cimicifuga, Rheum Palmatum oder auch aus der
Gruppe der Flavonoide, zeigen in In-Vitro-Studien einen vielversprechenden Effekt
auf östrogensensitive und östrogennegative Mammakarzinomzellen. Allerdings
fehlen bislang klinische Studien.
iv
Abstract
Nowadays there are a lot of pharmacological therapy options for breast cancer
and it is one of the major research areas with constant progress and improvement.
The treatment options include endocrine therapy, targeted therapeutic antibodies
and chemotherapy. Moreover a combination of different pharmaceutical
substances is possible. It is essential to choose the right medication for the best
treatment depending on tumor biology, tumor burden, menopausal status and not
to forget the patient's wish. One of the greatest milestones was the discovery of
the endocrine therapy for hormone receptor positive breast cancer. But patients
seem to develop resistances, so it is one of the greatest challenges of today's
research to find alternative treatment possibilities. For HER2-positive breast
cancer targeted therapeutic antibodies are used and are normally combined with
either endocrine therapy (for hormone receptor positive breast cancer) or
chemotherapy. In case of high tumor burden, metastasis, risk of organ damage
and a required fast therapy response, chemotherapy is the recommended therapy
option. In order to keep undesirable side effects as low as possible the
combination of chemotherapeutical substances is avoided. In addition to that, side
affects such as fatigue or the attack of the immune system, can be reduced by
phytopharmaceuticals. They show a positive effect on the general condition of
patients. However, interactions between different types of drugs need to be
considered. Some phytopharmaceuticals such as Cimicifuga, Rheum palmatum or
Flavonoides show promising results in in-vitro-studies on estrogen positive and
negative breast cancer cells. But clinical studies have been mainly missing up to
now.
v
Inhaltsverzeichnis
Vorwort......................................................................................................................ii
Danksagungen.........................................................................................................iii
Zusammenfassung.................................................................................................. iv
Abstract.....................................................................................................................v
Glossar und Abkürzungen....................................................................................... ix
Abbildungsverzeichnis............................................................................................. xi
Tabellenverzeichnis.................................................................................................xii
1 Einleitung und Grundlagen zur Therapie des Mammakarzinoms..........................1
1.1 Epidemiologie .............................................................................................. 1
1.2 Ätiologie........................................................................................................ 3
1.3 Tumorbiologie............................................................................................... 3
1.4 Therapie........................................................................................................4
1.4.1 Therapieempfehlung für die lokoregionale Primärerkrankung.........5
1.4.2 Therapieempfehlung für das metastasierte Mammakarzinom ........8
1.4.3 Therapieempfehlung für komplementäre Therapieformen ..............10
1.4.4 Einteilung der Therapieansätze in First-, Second-, und Third-Line. .10
2 Pharmakologische Betreuung..............................................................................10
2.1 Endokrine Therapie...................................................................................... 11
2.1.1 Selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs) ........................12
2.1.1.1 Chemie der SERMs...............................................................12
2.1.1.2 Wirkungsmechanismus der SERMs......................................13
2.1.1.3 Pharmakodynamik und -kinetik der SERMs Tamoxifen und
Toremifen........................................................................................... 14
2.1.1.4 Nebenwirkungen von Tamoxifen und Toremifen...................15
2.1.1.5 Indikation und Resistenzentwicklung von Tamoxifen und Toremifen
........................................................................................................... 16
2.1.1.6 Everolimus in Kombination mit Tamoxifen............................17
2.1.2 Aromataseinhibitoren........................................................................ 18
2.1.2.1 Unterschiede in der Chemie von Letrozol, Anastrozol und
Exemestan.........................................................................................21
2.1.2.2 Unterschiede der Pharmakokinetik von Letrozol, Anastrozol und
Exemestan.........................................................................................22
vi
2.1.2.3 Kombination von Exemestan und Etinostat..........................22
2.1.2.4 Kombination von Everolimus und Exemestan...................... 23
2.1.2.5 Kombination von Palbociclib und Letrozol............................25
2.1.3 Der Östrogenrezeptorantagonist Fulvestrant...................................25
2.1.3.1 Kombination von Palbociclib plus Fulvestrant.......................27
2.1.3.2 Kombination von Fulvestrant und Anastrozol........................27
2.1.4 Gestagene ........................................................................................29
2.1.4.1 Chemie der Gestagene......................................................... 29
2.1.4.2 Pharmakokinetik und Pharmakodynamik der Gestagene.....30
2.1.4.3 Indikation für Gestagene ...................................................... 31
2.1.4.4 Nebenwirkungen der Gestagene..........................................33
2.1.4.5 Interaktionen und Kontraindikationen der Gestagene..........33
2.1.5 Selektive-Progesteronrezeptor-Modulatoren (SPRMs)....................33
2.1.6 Weitere endokrine Therapiemöglichkeiten.......................................35
2.2 Antikörpertherapie........................................................................................ 37
2.2.1 Pharmakologie von Trastuzumab..................................................... 38
2.2.2 Pharmakologie von Lapatinib...........................................................39
2.2.3 Trastuzumab plus Anastrozol............................................................39
2.2.4 Lapatinib plus Letrozol...................................................................... 40
2.3 Überblick über die endokrine Therapie und Antikörpertherapie...................40
2.4 Chemotherapie............................................................................................. 46
2.4.1 Pharmakodynamik und -kinetik der Anthrazykline Doxorubicin und
Epirubicin....................................................................................................47
2.4.2 Dosierung, Neben- sowie Wechselwirkungen der Anthrazykline
Doxorubicin und Epirubicin........................................................................ 48
2.4.3 Pharmakodynamik und -kinetik der Taxane Paclitaxel und Docetaxel. 49
2.4.4 Dosierung, Neben- sowie Wechselwirkungen der Taxane Paclitaxel und
Docetaxel................................................................................................... 50
2.4.5 Vergleich von unterschiedlichen Taxanen.........................................51
2.4.6 Anthrazykline versus Taxane............................................................ 52
2.4.7 Pharmakologie von Capecitabin....................................................... 53
2.4.8 Weitere Chemotherapeutika ............................................................ 53
2.4.9 Kombinationstherapien..................................................................... 56
vii
2.4.9.1 Anthrazyklin- und Taxanhaltige Regime................................57
2.4.9.2 Weitere mögliche Kombinationstherapien.............................59
2.5 Überblick über die Chemotherapie...............................................................60
3 Phytopharmaka.................................................................................................... 63
3.1 Cimicifugae rhizoma..................................................................................... 64
3.1.1 Wirkung und Wirksamkeit................................................................. 64
3.1.2 Nebenwirkungen, Gegenanzeigen und Dosierung...........................65
3.2 Flavonoide.................................................................................................... 66
3.2.1 Chemie der Flavonoide ....................................................................66
3.2.2 Wirkung und Wirkungsmechanismus der Flavonoide .....................66
3.2.3 Bioverfügbarkeit, Metabolismus, Pharmakokinetik...........................68
3.2.4 Interaktionen mit anderen Medikamenten und unerwünschte Wirkungen
der Flavonoide........................................................................................... 69
3.3 Mistel.............................................................................................................69
3.3.1 Inhaltsstoffe.......................................................................................69
3.3.2 Wirkung und Wirksamkeit der Mistellektine...................................... 70
3.3.3 Darreichungsform und Durchführung...............................................71
3.3.4 Nebenwirkungen und Kontraindikationen ........................................ 71
3.4 Weitere Phytopharmaka............................................................................... 72
3.4.1 Lignane............................................................................................. 72
3.4.2 Eleutherococci radix..........................................................................73
3.4.3 Ginseng radix ................................................................................... 73
3.4.4 Hyperici herba................................................................................... 74
3.4.5 Uncariae radix................................................................................... 75
3.4.6 Rheum rhaponticum..........................................................................75
4 Material und Methoden........................................................................................ 76
5 Diskussion............................................................................................................ 77
6 Literaturverzeichnis.............................................................................................. 80
viii
Glossar und Abkürzungen
AI
Aromataseinhibitoren
AC
Docetaxel+Cyclophsphamid
AR
Androgenrezeptor
AT1
Doxorubicin+Paclitaxel
AT2
Doxorubicin+Docetaxel
AWMF
Arbeitsgemeinschaften der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften e.V.
CBR
Rate für das klinische Benefit
CD
Capecitabin+Docetaxel
CDK
Cyclin Dependent Kinases
CHMP
Committee for Medicinal Products for Human Use
CI
Confidence Interval
CIP2A
Cancerous inhibitor of protein phosphatase 2A
CMF
Cyclophosphamid+Methotrexat+Fluorouracil
CT
Chemotherapie
CYP
Cytochrom
DF
Disease Free
DVT
Tiefe Venenthrombose
EFS
Ereignisfreie Überleben
EMA
European Medicines Agency
ER
Östrogenrezeptor
ET
Endokrine Therapie
FDA
Food and Drug Administration
FEC
Fluorouracil+Epirubicin+Cyclophosphamid
FSH
Follikelstimulierendes Hormon
GC
Gemcitabin+Capecitabin
GD
Gemcitabin+Docetaxel
GnRH
Gonadotropin-Releasing-Hormon
GD
Gemcitabin+Docetaxel
HDAC
Hyston Deacetylase
HER2
Human Epidermal Growth Factor 2
ix
HR
Hormonrezeptor
IC
Ixabepilon+Capecitabin
LH
Luteinisierendes Hormon
LJ
Lebensjahr
mTOR
mammalian target of rampamycin
NCCN
National Comprehensive Cancer Network
OR
Odds Ratio
ORR
Gesamtansprechrate
OS
Gesamtüberleben
PFS
Progressionsfreies Überleben
PR
Progesteronrezeptor
RH
Relative Hazards
RR
Relatives Risiko
SERD
Selektiver-Östrogen-Rezeptor-Downregulator
SERM
Selektiver-Östrogenrezeptor-Modulator
SPRM
Selektiver-Progesteronrezeptor-Modulator
TAC
Docetaxel+Doxorubicin+Cyclophosophamid
VC
Vinorelbin+Capecitabin
x
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Estimated age-standarised rates (World) per 100.000 .......................2
Abbildung 2: Chemische Struktur von Diethylstilbestrol, Tamoxifen und Toremifen
.................................................................................................................................13
Abbildung 3: Aufbau des Östrogenrezeptors ......................................................... 14
Abbildung 4: Chemische Struktur von 1 H-1-2-4-Triazol, Anastrozol und Letrozol
.................................................................................................................................21
Abbildung 5: Chemische Struktur von Adrostendion und Exemestan ...................22
Abbildung 6: Chemische Struktur von Progesteron, 17-alpha-Hydroxyprogesteron,
Medroxyprogesteron-Acetat und Megestrolacetat ................................................30
Abbildung 7: Endokrine Therapie des Mammakarzinoms......................................43
Abbildung 8: Antikörpertherapie des Mammakarzinoms........................................45
Abbildung 9: Chemotherapie des Mammakarzinoms............................................. 62
xi
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Biologische Subtypen des Mammakarzinoms.........................................4
Tabelle 2: Therapieempfehlung Mammakarzinom lokoregionale Primärerkrankung
...................................................................................................................................7
Tabelle 3: Therapieempfehlung Mammakarzinom metastasiert...............................9
Tabelle 4: ORR der Taxan-und Anthrazyklinhaltigen Therapieregime....................59
xii
1 Einleitung und Grundlagen zur Therapie des
Mammakarzinoms
In diesem Kapitel werden die wichtigsten Grundlagen zum Mammakarzinom und
dessen Therapie behandelt. Es wird näher auf das Vorkommen, die Ursachen und
auch die Tumorbiologie eingegangen. Zur Therapie werden besonders die
Leitlinien zusammengefasst dargestellt. Dies dient als Grundlage für das
Verständnis der pharmakologischen Betreuung. Da die Inzidenz des
Mammakarzinoms für Männer unter 1/100 000 Männern liegt und somit Frauen
viel häufiger betroffen sind, soll in dieser Arbeit das Augenmerk auf die Therapie
der Frau gerichtet werden. [1]
1.1 Epidemiologie
Das Mammakarzinom ist die am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung bei
Frauen weltweit. Das heißt im Jahr 2012 wurde laut der International Association
on Research of Cancer bei 1.67 Millionen Frauen Brustkrebs neu diagnostiziert.
Dies entspricht 25% aller 2012 neu diagnostizierten Tumore. In 522 000 Fällen
führte die Erkrankung zum Tod. [2] Da es bei unterschiedlicher Bevölkerungszahl
und -aufbau schwer ist die Inzidenz und Mortalität genau zu bestimmen, handelt
es sich hierbei um geschätzte Werte. Um einen Vergleich verschiedener
Kontinente möglich zu machen, wird eine so genannte „age-standardised rate“
herangezogen. Diese bezieht sich auf 100 000 Personen (in diesem Fall Frauen),
deren Altersverteilung dem Bevölkerungsaufbau entspricht. [1] Betrachtet man nun
die Inzidenz unterschiedlicher Kontinente, wird deutlich, dass hier erhebliche
Unterschiede bestehen. Nordamerika und Westeuropa haben beispielsweise die
weltweit höchste Inzidenz von ca. 92 pro 100 000 Frauen. Im Gegensatz dazu
weist zum Beispiel Mittelafrika eine Inzidenz von ca. 27 pro 100 000 Frauen auf.
Es besteht jedoch trotz der deutlich höheren Inzidenzrate kein großer Unterschied
in Hinblick auf die Anzahl der Todesfälle. Die Mortalität liegt sowohl in Westeuropa
als auch in Mittelafrika bei ca. 17 pro 100 000 Frauen. In Nordamerika ist sie mit
ca. 15 pro 100 000 Frauen sogar etwas niedriger (siehe Abbildung 1). Dies ist
wahrscheinlich auf besser umsetzbare Screeningmethoden und eine
fortgeschrittenere medizinische Versorgung in Kontinenten wie Nordamerika und
Westeuropa zurückzuführen. [2]
1
1.2 Ätiologie
Ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Mammakarzinoms ist zum
einen das Alter. Während das Risiko zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr (LJ)
noch bei 1:252 liegt, steigt es zwischen dem 60. und 70. LJ auf 1:27 an. [6]
Weiterhin scheint der Hormonhaushalt eine Rolle zu spielen. Eine frühe Menarche
(relatives Risiko (RR) < 12. LJ = 1.3 [7], eine späte Menopause (RR > 55. LJ =
2.0), hohes Alter zum Zeitpunkt der ersten Geburt (RR > 30. LJ = 1.9)
beziehungsweise Nullipara (RR = 1.5) erhöhen das Risiko an einem
Mammakarzinom zu erkranken. Außerdem sind determinierende Risikofaktoren
wie Strahlenexposition, genetische Prädisposition (BRCA1 und 2, sowie p53) und
auch Hormonsubstitution zu nennen. Trägerinnen der BRCA 1/ 2 Mutation
besitzen ein Risiko von 30 – 80% ein Mammakarzinom bis zum 80. LJ zu
entwickeln. Bei einer Hormonersatztherapie mit Östrogenen steigt das RR nach 59 Jahren auf 1.31, nach 10-14 Jahren auf 1.24 und nach 15 Jahren auf 1.56. Auch
bei Einnahme von Östrogen/Gestagen-Kombinationen konnte ein Anstieg des RR
auf 1.24 nach 5 Jahren Therapie festgestellt werden. Die Einnahme von oralen
Antikonzeptiva wird kontrovers diskutiert. Auch das Vorkommen von
Mammakarzinomen bei direkt verwandten Familienmitgliedern stellt eine höhere
Wahrscheinlichkeit des Auftretens dar (1 Verwandte 1. Grades RR= 2.6-2.5, 2
Verwandte 1. Grades RR= 4.2-6.8). [1]
1.3 Tumorbiologie
Das Mammakarzinom weist eine vielfältige Tumorbiologie auf. Besonders
ausschlaggebend für die Therapie des Mammakarzinoms ist zum einen die
mögliche Expression von Östrogen (ER) - oder auch Progesteronrezeptoren (PR).
Zum anderen spielt der human epidermal growth factor 2 (HER2), der auf der
Oberfläche des normalen Brustgewebes vorkommt und in ungefähr 20 % der Fälle
überexprimiert wird, eine Rolle. Wie in Tabelle 1 dargestellt, kann das
Mammakarzinom mittlerweile dank DNA-Microarray-Studien in mehrere
biologische Subtypen unterteilt werden.[6] Hierfür ist noch das Ki-67 Protein zu
erwähnen, das sich teilende menschliche Zellen markiert und somit für eine hohe
oder niedrige Mitoserate des Tumors steht. Dies könnte einen Hinweis darauf
geben wie gut ein Tumor auf eine Chemotherapie ansprechen wird. Zusätzlich
konnten EC Inwald et al. in einer Studie nachweisen, dass es ebenfalls als
3
Prognosefaktor eine wichtige Rolle spielt. So lag das 5-Jahres-Gesamtüberleben
für prämenopausale Frauen bei Ki-67 ≤15% bei 97,7% vs. 93,0% bei Ki-67 >15%.
Bei postmenopausalen Patientinnen mit Ki-67 ≤15% lag es bei 88,0% vs. 81,4%
bei Ki-67 >15%. [8] Luminal-like Subtypen haben die beste Prognose, wohingegen
vor allem der HER2-non-luminal Subtyp ein gegebenenfalls besseres Ansprechen
auf Chemotherapien aufweist, aber eine schlechtere Gesamtprognose zeigt. [6]
Biologischer
Subtyp
ER/PR
HER2
ki-67
Triple negativ
Negativ
Negativ
-
Luminal-A
Positiv
Negativ
Niedrig (< 15 %)
Luminal-B
Positiv
Positiv
-
Negativ
hoch (> 15 %)
Positiv
-
HER2-non-luminal Negativ
Tabelle 1: Biologische Subtypen des Mammakarzinoms
Außerdem liegt eine Mutation des Tumorsuppressorgens TP53 in 30% bis 50%
der Fälle vor. Diese Mutation wird vor allem mit einer schlechten Prognose und
einem schlechten Ansprechen auf die Therapien assoziiert. Die Tumorbiologie
stellt eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Auswahl einer passenden
Therapie dar. In den letzten Jahren wurden Forschungsanstrengungen weiter
verstärkt und es konnten Fortschritte erzielt werden.[6]
1.4 Therapie
Die Therapie des Mammakarzinoms setzt sich aus einem chirurgischen und einem
pharmakologischen Anteil zusammen. Außerdem kann zwischen einem kurativem,
die Heilung anstrebenden, und einem palliativem, die Symptome mindernden,
Ansatz unterschieden werden. Chirurgisch gesehen gibt es die Möglichkeit einer
brusterhaltenden Therapie oder aber einer kompletten Mastektomie. Zudem muss
entschieden werden, ob eine Entfernung des Sentinellymphknotens oder auch
weiterer Lymphknoten (wie zum Beispiel der gesamten Axilla) angestrebt werden
sollte. Diese Entscheidungen richten sich hauptsächlich nach der Art des Tumors,
dem Stadium bzw. dem Fortschritt des Karzinoms, dem Alter und der Prognose
sowie dem Wunsch der Patientin.[9]
4
Aus pharmakologischer Sicht gibt es den neoadjuvanten oder adjuvanten Ansatz.
Neoadjuvant angewendet dient die systemische Therapie der Ermöglichung einer
Operation überhaupt oder einer brusterhaltenden Operation durch Verkleinerung
des Tumors. Außerdem ist eine neoadjuvante Therapie bei inflammatorischem
Mammakarzinom indiziert. Adjuvant dient sie unterstützend und wird nach
Entfernung des Tumors zur Verlängerung der Rezidivfreiheit oder der Kontrolle
von Metastasen eingesetzt. Dieser Therapieansatz spielt bei der Therapie des
Mammakarzinoms eine große und wichtige Rolle. Besonders beim metastasiertem
Mammakarzinom konnte in den letzten Jahren durch den Fortschritt der
systemischen Therapie das Überleben der Patientinnen verbessert werden. Die
pharmakologische Betreuung richtet sich besonders nach Art des Tumors,
Tumorlast, Tumorprogress und dem Wunsch der Patientin. Abschließend sollte
ebenfalls die Strahlentherapie genannt werden, da diese vor allem adjuvant zu
Verhinderung von Rezidiven eingesetzt wird.[9]
Für die Behandlung des Mammakarzinom gibt es evidenzbasierte Leitlinien. Die
Arbeitsgruppe der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
gibt als Empfehlung die Berücksichtigung der Leitlinie der Arbeitsgemeinschaften
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) oder auch des
National Comprehensive Cancer Network (NCCN) an. [10] Da in Österreich und
Deutschland eher die AWMF Leitlinien angewendet werden, wird hier
insbesondere auf diese eingegangen. Derzeit ist die interdisziplinäre S3-Leitlinie
(letzte Aktualisierung 2012) die zuletzt herausgegebene Fassung der AWMF.
1.4.1 Therapieempfehlung für die lokoregionale Primärerkrankung
Für die lokoregionale Primärerkrankung wird eine adjuvante Chemotherapie (CT)
empfohlen, wenn das Mammakarzinom Hormonrezeptor-negativ oder fraglich
endokrin sensitiv ist. Außerdem sollte eine Chemotherapie bei nodal-positiven
Tumoren oder auch hohem Grading (GIII) und jungem Erkrankungsalter (<35
Jahre) in Erwägung gezogen werden. Im adjuvanten Setting sollte eine
Chemotherapie taxan- oder anthrazyklinhaltig sein. Die Dauer der adjuvanten
taxan- und anthrazyklinhaltigen Standard-Chemotherapie erstreckt sich über 1824 Wochen. Auch neoadjuvant sollte eine Chemotherapie bestehend aus einem
5
Anthrazyklin oder einem Taxan zum Einsatz kommen. Die Dauer unterscheidet
sich hierbei nicht von der adjuvanten Therapie.[11]
Für einen Hormonrezeptor-positiven Tumor sollte eine endokrine Therapie (ET)
herangezogen werden. Diese sollte nicht mit einer Chemotherapie kombiniert
verabreicht werden. Falls eine Chemotherapie nötig ist, wird empfohlen die
endokrine Therapie nach Abschluss der Chemotherapie zu beginnen. Für
prämenopausale Patientinnen wird Tamoxifen als erste Wahl für die endokrine
Therapie aufgeführt. Postmenopausale Patientinnen hingegen sollten
Aromatasehemmer der 3. Generation erhalten. Diese zeigten in dem Fall ein
längeres krankheitsfreies Überleben. Sowohl Tamoxifen als auch
Aromataseinhibitoren können über einen Zeitraum von fünf Jahren oder bis zum
Auftreten eines Rezidivs verabreicht werden. Eine weitere Möglichkeit sind
sequenzielle Therapieschemata. So können zum Beispiel 2-3 Jahre Tamoxifen
gefolgt von 2 Jahren Aromataseinhibitoren oder umgekehrt gegeben werden.
Eine Antikörpertherapie mit Trastuzumab über 1 Jahr ist bei HER2-positivem
Mammakarzinom sowohl neoadjuvant als auch adjuvant indiziert. Eine
Antikörpertherapie und Chemotherapie können zeitlich simultan oder sequenziell
verabreicht werden. Sollte sie simultan zu einer Chemotherapie durchgeführt
werden, wird empfohlen sie mit der Taxanphase der Chemotherapie beginnen zu
lassen.[11] Die folgende Tabelle 2 soll eine übersichtliche Darstellung des oben
genannten geben.
6
Tumorbiolgie
Therapieempfehlung
Pharmaka
HR +/ HER2 -
Endokrine
Therapie
Prämenopausal:
Tamoxifen
(nicht mit
Chemotherapie
kombinieren)
Zu beachten
Schnell
wachsender Tumor,
Postmenopausal: schnelle Remission
Aromataseinhibitor erforderlich, Gefahr
der
Organschädigung,
junges
Erkrankungsalter
(>35), hohes
Grading (G III)
→ CT
HR +/ HER2 +
Antikörpertherapie Trastuzumab
+ endokrine
Therapie (wie oben)
Schnell
wachsender Tumor,
schnelle Remission
erforderlich, Gefahr
der
Organschädigung,
junges
Erkrankungsalter
(<35), hohes
Grading (G III)
→ CT
HR -/ HER2 +
Antikörpertherapie Trastuzumab
+ Chemotherapie
Kardiotoxisch,
Kombination mit
Anthrazyklin
umgehen
(wie unten)
In Taxanphase der
CT Behandlung
beginnen
HR -/ HER2 -
Chemotherapie
Taxan/Anthrazyklin Kardiotoxische
Substanz
(Anthrazyklin) →
Überwachung der
Herzfunktion
Tabelle 2: Therapieempfehlung Mammakarzinom lokoregionale Primärerkrankung
7
1.4.2 Therapieempfehlung für das metastasierte Mammakarzinom
Im Falle von Metastasen kann der Einsatz einer Polychemotherapie in Erwägung
gezogen werden. Diese kann einen geringen Überlebensvorteil bedeuten, ist aber
mit stärkeren Nebenwirkungen verbunden. Auch hier sollten zunächst Taxane und
Anthrazykline zum Einsatz kommen. Hochdosistherapien zeigen keinen Vorteil
und sollten nicht eingesetzt werden. Eine Überwachung der Herzfunktion ist bei
Therapien mit kardiotoxischen Substanzen (wie z.B. Anthrazykline) unerlässlich.
Auch andere Chemotherapeutika wie Capecitabin können beim metastasierten
Mammakarzinom zur Therapie herangezogen werden. Capecitabin und Paclitaxel
können außerdem mit Bevacizumab (humanisierter monoklonaler Antikörper)
kombiniert werden, was gegebenenfalls zu einer Verbesserung des
Therapieerfolges führen kann.[11]
Beim metastasiertem Mammakarzinom ist für Hormonrezeptor-positive Tumore die
endokrine Therapie die erste Wahl. Es sei denn es ist eine sehr schnelle
Remission des Tumors anzustreben, da es sonst zu einer ausgeprägten
Symptomatik bis Schädigung von Organen kommen kann. Auch wenn
Hirnmetastasen vorliegen wird von einer endokrinen Therapie abgeraten. In
diesen Fällen sollte auf eine Chemotherapie zurückgegriffen werden. Es wird auch
hier auf Grund des Nebenwirkungsprofils von einer Kombination einer endokrinen
Therapie mit einer Chemotherapie abgeraten. Für prämenopausale Patientinnen
ist eine Ausschaltung der Ovarialfunktion in Kombination mit Tamoxifen die
empfohlene Therapie. Allerdings kann im Fall von Metastasen ebenfalls auf
Aromataseinhibitoren (nur in Kombination mit Suppression der Ovarien) oder im
Weiteren auch auf hochdosierte Gestagene zurückgegriffen werden. Bei
postmenopausalen Patientinnen sollten auch bei dem metastasiertem
Mammakarzinom Aromataseinhibitoren eingesetzt werden. Allerdings hängt dies
von der gegebenenfalls bereits durchgeführten adjuvanten Therapie ab. Je nach
Vorbehandlung ist hier der Wechsel zu einem anderen Aromataseinhibitor,
Antiöstrogenen, Östrogenrezeptor-Antagonisten oder auch hoch dosierten
Gestagenen indiziert.[11] Die folgende Tabelle 3 dient der Übersicht zu dem oben
genannten.
8
Tumorbiologie
Therapieempfehlung
HR +/ HER2 -
Endokrine Therapie Prämenopausal:
(nicht mit
GnRH Analoga
Chemotherapie
kombinieren)
Pharmaka
Zu beachten
Schnell
wachsender Tumor,
(Suppression der
schnelle Remission
Ovarien) +
erforderlich, Gefahr
Tamoxifen oder
der
Aromataseinhibitor Organschädigung,
oder Gestagene
junges
(hochdosiert)
Erkrankungsalter
Postmenopausal: (<35), hohes
Aromataseinhibitor Grading (G III),
oder Antiöstrogene Hirnmetastasen
→ CT
oder ÖR –
Antagonisten oder
Gestagene
HR +/ HER2 +
Antikörpertherapie Trastuzumab
+ endokrine
Therapie (wie oben)
Schnell
wachsender Tumor,
schnelle Remission
erforderlich, Gefahr
der
Organschädigung,
junges
Erkrankungsalter
(<35), hohes
Grading (G III),
Hirnmetastasen →
CT
HR -/ HER2 +
Antikörpertherapie
+ Chemotherapie
Kardiotoxisch,
Kombination mit
Anthrazyklin
umgehen
Trastuzumab
(wie unten)
In Taxanphase der
CT Behandlung
beginnen
HR -/ HER2 -
Chemotherapie
Taxan/Anthrazyklin Kardiotoxische
oder andere CT
Substanz
wie Capecitabin
(Anthrazyklin) →
Überwachung der
Kombination mit
Herzfunktion
Bevacizumab
(Antikörper)
möglich
Polychemotherapie Nebenwirkungen
Tabelle 3: Therapieempfehlung Mammakarzinom metastasiert
9
1.4.3 Therapieempfehlung für komplementäre Therapieformen
Auch komplementäre Therapieformen, zu denen die Phytopharmaka zählen,
werden in den Leitlinien kurz behandelt. Eine Misteltherapie zum Beispiel soll das
Überleben der Patientinnen demnach nicht verlängern. Auch die Verbesserung der
Lebensqualität durch ihren Einsatz ist nicht nachgewiesen. Die Traubensilberkerze
(Cimicifuga) kann beim Mammakarzinom zum Einsatz kommen, da sie eine
Selektive-Östrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) -ähnliche Wirkung zeigt. Somit
stellt sie eine endokrine Therapieform dar, die in dieser Arbeit später ausführlich
beschrieben wird (siehe Kapitel 3). [11]
1.4.4 Einteilung der Therapieansätze in First-, Second-, und Third-Line
Im weiteren kann man die Therapieansätze insbesondere für die endokrine
Therapie in First-Line, Second-Line und Third-Line unterteilen. Diese sind in den
Guidlines des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) genauer
definiert. First-Line stellt die Therapieform für Patientinnen dar, die bislang keine
endokrine Therapie erhalten haben, einen Tumorprogress ≥ 12 Monate nach dem
Ende einer adjuvanten Therapie zeigen oder sich mit neu diagnostiziertem
metastasiertem Brustkrebs vorstellen. Die Second-Line-Therapiemöglichkeiten
sind für Patientinnen, bei denen der Tumor trotz First-Line-Therapie wächst.
Voraussetzung ist allerdings, dass sie passende Kandidatinnen für eine endokrine
Therapie sind. Für Patientinnen bei denen immer noch ein Progress des Tumors
trotz First- und Second-Line-Therapie festgestellt wird, sollte das weitere
Vorgehen individuell entschieden werden. Dies ist abhängig von vorheriger
Therapieansprache, Tumorlast und den Präferenzen der Patientin (Third-LineTherapie). Diese Definition kann ebenfalls auf die anderen Therapieformen
übertragen werden.[12]
2 Pharmakologische Betreuung
Im folgenden Kapitel werden die bereits in den Leitlinien erwähnten
Therapieformen endokrine Therapie, Antikörpertherapie und Chemotherapie
ausführlich behandelt. In den Unterkapiteln wird auf die wichtigsten derzeit
eingesetzten Pharmaka eingegangen. Zudem werden in den jeweiligen Kapiteln
kurz die Kombinationen mit anderen Medikamenten dargestellt, die in Studien
gegebenenfalls eine verbesserte Wirkung auf das Mammakarzinom zeigen
10
konnten. Zuletzt wird auf neuere Therapieansätze hingewiesen, die noch nicht
etabliert sind, aber teilweise vielversprechend klingen.
2.1 Endokrine Therapie
Vor bereits über 100 Jahren hatten schottische Schäfer beobachtet, dass sich
nach Entfernung der Eierstöcke bei Kühen die Milchproduktion und auch die Form
der Euter veränderte. Auf Grundlage dieser Information entfernte Beatson bei drei
Frauen mit Mammakarzinomen die Ovarien und beobachtete eine deutliche
Verkleinerung der Tumore. Allerdings wusste man zu dem Zeitpunkt nur sehr
wenig über den hormonellen Zusammenhang. Erst in den 1920/30er Jahren wurde
das Hormon Östrogen von Edward Doisy, einem US-amerikanischem
Biochemiker, entdeckt. 1968 fand der Chemiker Elwood Jensen mehr über die
Physiologie des Hormons und seiner Rezeptoren heraus. In Folge entdeckte
Elwood Jensen ebenfalls, dass Mammakarzinome Östrogenrezeptor-posititv oder
-negativ sein können. Aus diesen Beobachtungen heraus sollte sich ein
systemischer pharmakologischer Therapieansatz entwickeln. Er begann mit
Tamoxifen, das etwa zeitgleich von einem Team britischer Chemiker des
Unternehmens Imperial Chemical Industries hergestellt wurde. Es war zunächst
als Antikonzeptivum gedacht, zeigte dann aber eine antiöstrogene Wirkung.
Zunächst als unbrauchbar abgestempelt, bildete es dann die Grundlage für die
ersten vielversprechenden Ergebnisse von Studien zum Einsatz von Tamoxifen bei
Mammakarzinomen. So untersuchten u.a. M.P. Cole et al. 1971 die antiöstrogene
Wirkung von Tamoxifen bei fortgeschrittenem Brustkrebs. [13] Zwei Jahre später
wurde eine Studie von H. W. C. Ward veröffentlicht, die die Wirkung von Tamoxifen
als antiöstrogene Therapie für Brustkrebs in unterschiedlicher Dosierung
beobachtet hatte. Bei einer Dosis von 20 mg zweimal täglich zeigten 77 % der
Patientinnen einen Rückgang oder Stopp des Tumorwachstums. Es wurden nur
schwache Nebenwirkungen festgestellt. [14]
Die Entdeckung von endokrinen Therapieformen war ein wichtiger Fortschritt in
der Behandlung des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms. Da diese
hormonsensitiven Tumore unter Hormoneinfluss wachsen, wirkt in den meisten
Fällen eine antihormonelle Therapie sehr gut. Die Ansätze zur antihormonellen
Therapie bei Östrogenrezeptor-positivem Mammakarzinom sind zum einen die
Östrogenproduktion zu reduzieren oder zu stoppen und zum anderen die
11
Östrogenrezeptoren-Signalübertragung zu blockieren beziehungsweise die
Rezeptoren zu antagonisieren. Bei Frauen mit noch funktionstüchtigen Ovarien
sollte eine Suppression der Ovarien (zeitweise hervorgerufene Menopause) oder
sogar eine Entfernung der Ovarien (permanente Menopause) in Betracht gezogen
werden. Besonders für das metastasierte Mammakarzinom liegt eine bedeutsame
Verbesserung der Überlebensrate in der besseren systemischen Therapie, wobei
es sich in dem Falle nach wie vor nicht um einen kurativen sondern einen
palliativen Therapieansatz handelt.[12]
2.1.1 Selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs)
Selektive-Östrogenrezeptor-Modulatoren können gewebe-, zell- und
zielgenspezifische agonistische und antagonistische Östrogenwirkungen
erzeugen. [15] Aus dieser Gruppe sind derzeit Tamoxifen und Toremifen für die
Behandlung von Brustkrebs verfügbar, die deshalb in Kapitel 2.1.1.1- 2.1.1.5
näher vorgestellt werden. Es liegen mehr Studien zu Tamoxifen vor, sodass ein
größeres Wissen über die Pharmakodynamik und Pharmakokinetik hierzu besteht.
Auf Grund dessen wird es häufiger eingesetzt als Toremifen, weshalb Tamoxifen
im Folgenden ausführlicher beschrieben werden soll. SERMs werden vor allem bei
prämenopausalen Frauen zur First-Line Therapie herangezogen. [12]
2.1.1.1 Chemie der SERMs
Es handelt sich um Derivate, die sich strukturell von dem synthetisch hergestellten
nichtsteroidalen Östrogen Diethylstilbestrol ableiten. Tamoxifen liegt als cis- und
trans- Enantiomer vor, welche eine unterschiedliche Wirkung vorweisen. Das
trans-Enantiomer wirkt als SERM und somit antiöstrogen. Sein cis-Enantiomer
hingegen zeigt eine östrogene Wirkung. Tamoxifen ist nur als trans-Enantiomer
auf dem heutigen Markt erhältlich. [15] Toremifen weist eine Chlorethyl-Gruppe auf
anstatt einer Ethylgruppe wie bei Tamoxifen (siehe Abb. 2). Dies ist der einzige
strukturelle Unterschied.[15]
12
modifiziert nach PubChem Compound Database, 2016[16][17][18]
2.1.1.2 Wirkungsmechanismus der SERMs
Für den Wirkungsmechanismus der SERMs ist der Östrogenrezeptor von großer
Bedeutung. Er dient als DNA-bindender Transkriptionsfaktor und spielt somit eine
wichtige Rolle bei der Genexpression seiner Zielgene.[15] Es sind derzeit zwei
Unterformen des Östrogenrezeptors bekannt (siehe Abb. 3) . Zum einen der
Östrogenrezeptor alpha (ERα) und zum anderen der Östrogenrezeptor beta
(ERβ). Beide Östrogenrezeptoren können in sechs Domänen unterteilt werden.
Unter den sechs Domänen befinden sich zwei Transkriptionsaktivierungsbereiche.
[19] Einer davon ist AF-1, der sich auch ohne Anwesenheit eines Agonisten
(konstitutiv) in einem aktivierten Zustand befindet. Der Andere ist AF-2. Seine
Aktivierung ist abhängig von Liganden, wobei Östradiol seinen natürlichen
Agonisten darstellt. Es wurde festgestellt, dass SERMS unterschiedliche
13
Strukturen des AF-2 Bereichs stabilisieren, welche wiederum andere Affinitäten
gegenüber koregulatorischen Proteinen und somit Interaktionspartnern
(Koaktivatoren oder Korepressoren) zeigen. Jede Zelle exprimiert zudem
Koaktivatoren oder Korepressoren in unterschiedlicher Menge und ist somit
spezifisch ausgestattet. Dieses Phänomen führt zu Unterschieden in der
biologischen Wirkung der verschiedenen SERMs. ERα scheint dabei beim
Mammakarzinom eine größere Rolle zu spielen, da er in der Brust exprimiert wird.
[15]
Abbildung 3: Aufbau des Östrogenrezeptors [19]
2.1.1.3 Pharmakodynamik und -kinetik der SERMs Tamoxifen und
Toremifen
Tamoxifen ist ein SERM der 1. Generation. Es kann über AF-1 seine agonistische
und über AF-2 seine antagonistische Wirkung entfalten. So führt es zu einer
Hemmung der Proliferation von Zellen des Mammakarzinoms, regt aber
gleichzeitig das Wachstum des Endometriums an.
Pharmakodynamisch wirkt Tamoxifen als kompetitiver ÖstrogenrezeptorAntagonist. Dadurch wird die Expression östrogenregulierter Gene blockiert. Diese
beeinflussen wiederum die parakrine und autokrine Kontrolle des
Tumorwachstums. Sie codieren für Wachstumsfaktoren und blockieren die G1Phase des Zellzyklus. Außerdem wird angenommen, dass Tamoxifen bei der
Induktion der Apoptose eine Rolle spielt. Es handelt sich bei Tamoxifen um einen
partiellen Antagonisten, da es ebenfalls eine östrogen-agonistische Wirkung
14
besitzt. Seine Affinität zu den Östrogenrezeptoren (alpha und beta) ist 100 mal
niedriger als die Affinität des natürlichen Agonisten Östradiol. Im Vordergrund steht
die antiöstrogene Wirkung am Brustgewebe. Des Weiteren zeigt es eine
antiresorptive Wirkung am Knochen und kann in der Postmenopause zur
Verhinderung einer Osteoporose beitragen. Es hat ebenfalls eine positive Wirkung
auf das kardiovaskuläre Risiko indem es das Lipidprofil verändert.[15]
Zur Pharmakokinetik von Tamoxifen ist zu sagen, dass es oral verfügbar ist und
auf diesem Weg gut aufgenommen wird. Die Serumalbuminbindung liegt bei 99 %.
Die Metabolisierung geschieht durch Demethylierung, Hydroxylierung über
CYP3A4 und schließlich die Konjugation. Die Halbwertszeit (HWZ) von Tamoxifen
und seinem aktiven Metaboliten (N-Desmethyltamoxifen) liegt bei 7
beziehungsweise 14 Tagen. Die Ausscheidung geschieht hauptsächlich über den
Darm. Ein außerdem wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass es auch nach
Absetzen noch mehrere Monate im Tumorgewebe nachweisbar ist. Es können
Interaktionen mit Cumarinen auftreten, da der Abbau dieser von Tamoxifen
gehemmt wird.[15]
Toremifen ist ein Tamoxifenanalogon und wird ebenfalls über das CYP3A4
metabolisiert. Dieser SERM unterscheidet sich in Hinblick auf seine Eigenschaften
nur wenig von Tamoxifen, zeigt also ein ähnliches Wirkungsprofil. Seine
östrogenagonistische Wirkung ist jedoch etwas geringer und der positive Einfluss
auf das kardiovaskuläre Risiko ist fraglich. Zudem zeigt Toremifen im Gegensatz
zu Tamoxifen kaum eine antiresorptive Wirkung am Knochen.[15]
2.1.1.4 Nebenwirkungen von Tamoxifen und Toremifen
Tamoxifen kann als Nebenwirkung auf Grund der antiöstrogenen Wirkung bei
manchen Frauen Hitzewallungen hervorrufen. Außerdem kann Übelkeit auftreten.
Wie bereits weiter oben erwähnt kommt es unter anderem zur Stimulation der
Östrogenrezeptoren des Endometriums. Dies kann in Folge zu Hyperplasie, dem
Auftreten von Polypen oder sogar Karzinomen führen. Das Risiko an einem
Karzinom zu erkranken steigt aber nur geringfügig um den Faktor 2 an. Auch
vaginale Blutungen können eine Folge sein. Weiterhin sollte bei dem Einsatz von
Tamoxifen beachtet werden, dass das Risiko für Thrombembolien erhöht ist.
15
Toremifen weist ein ähnliches Nebenwirkungsprofil wie Tamoxifen auf, scheint
jedoch eher keinen Einfluss auf die Entstehung eines möglichen
Endometriumkarzinoms zu haben.[15]
2.1.1.5 Indikation und Resistenzentwicklung von Tamoxifen und
Toremifen
Tamoxifen ist als adjuvante und palliative Therapie des ER-positiven
Mammakarzinoms indiziert, da es im Brustgewebe eine antiöstrogene Wirkung
zeigt. Tamoxifen wird in der Regel in einer Dosis von 20 mg am Tag verabreicht.
[15] In einer Studie von J.G. Klijn et al konnte 2001 gezeigt werden, dass
Tamoxifen in Kombination mit Suppression der Ovarien eine signifikante
Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS) (Hazard Ratio (HR) 0.70,
p= 0.0003) und des Gesamtüberlebens (OS) (HR 0.78, p= 0.02) im Vergleich zu
einer Therapie mit Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Agonisten alleine
zeigte. Es handelt sich hierbei um eine Metaanalyse (n=506). 64% und 90 % der
Patientinnen hatten vorher keine Chemotherapie oder endokrine Therapie
erhalten. [12]
L. Chun-Yu et al. konnten in einer Studie nachweisen, dass Tamoxifen in vitro und
in vivo (bei Mäusen) ebenfalls einen Effekt auf das ER-negative Mammakarzinom
zeigt. In vier von fünf Zellinien führte es signifikant zur Induktion der Apoptose.
Das Onkogen Cancerous Inhibitor of Protein Phosphatase 2A (CIP2A) und der
CIP2A/phospho-Akt Signalweg scheinen dabei eine große Rolle zu spielen. Durch
sie wird eine Apoptose von Zellen verhindert. Ihre Herunterregulierung durch
Tamoxifen macht den Zelltod möglich. CIP2A wird in dieser Studie als
vielversprechender Ansatzpunkt für weitere Forschungsarbeiten dargestellt. [20]
Tamoxifen kann ebenfalls als Second-Line-Therapie eingesetzt werden.
Die Studienlage hierzu ist jedoch bislang eingeschränkt. In einer Analyse von zwei
randomisierten Cross-Over-Studien, bei denen 137 Frauen zu Tamoxifen als
Second-Line-Therapie (z.B. nach Gabe von Anastrozol) wechselten, betrug die
Gesamtansprechrate (ORR) für Tamoxifen 10% und das klinische Benefit (das
hier als ORR plus stabiler Krankheitsverlauf von 6 oder mehr Monaten definiert
wurde) von 49%.[12]
16
Als Nachteil einer Tamoxifentherapie ist die Möglichkeit der Resistenzentwicklung
von Tumorzellen anzusehen. Dies geschieht häufig durch die Herunterregulation
der Östrogenrezeptoren. Außerdem kann sich das Verhältnis von
Östrogenrezeptor alpha zu Östrogenrezeptor beta oder auch das Vorhandensein
spezifischer Koregulatoren in einer Zelle verändern. Zudem kann eine gesteigerte
Mitogen-Aktivierte-Proteinkinase-Kaskade (MAPK)- und Aromataseaktivität
vorliegen. Durch eine gesteigerte Aromataseaktivität wird die Umwandlung von
Androgen zu Östrogen unterstützt, das wiederum negativ für das Wachstum eines
östrogensensitiven Tumors ist.[15]
Toremifen ist als Therapie bei metastasiertem, HR-positivem Mammakarzinom
indiziert. Derzeit ist es jedoch nur für postmenopausale Patientinnen zugelassen.
[15] Es wird in einer Dosis von 60mg täglich verabreicht. G. Ran et al. verglichen
den Einsatz von Toremifen und Tamoxifen bei prämenopausalen Patientinnen in
einer retrospektiven Studie. 240 Patientinnen erhielten Tamoxifen und 212
Toremifen in den oben angegebenen Dosierungen. Das Gesamtüberleben,
gemessen am 5-Jahres-Überleben, war mit 100% (Toremifen) und 98,4 %
(Tamoxifen) fast gleich. Auch das Nebenwirkungsprofil war für beide nur von
leichten Nebenwirkungen gekennzeichnet. Ein signifikanter Unterschied zeigte
sich beim rezidivfreiem Intervall, der bei Toremifen länger war (HR 0.385, 95% CI = 0.154-0.961; p = 0.041). Es sollte allerdings erwähnt werden, dass die an der
Studie teilnehmenden Patientinnen häufig eine Operation sowie Chemotherapie
und teilweise unterschiedliche adjuvante endokrine Therapien im Voraus erhalten
hatten. [21] Außerdem wurde in einem sogenannten „Rote-Hand-Brief“ darauf
hingewiesen, dass Toremifen das QT-Intervall verlängert und deshalb gut überlegt
eingesetzt werden sollte.[22]
2.1.1.6 Everolimus in Kombination mit Tamoxifen
Everolimus agiert als Mammalian Target of Rapamycin (mTOR) Inhibitor.
Es ist ein Derivat des Sirolimus, das aus dem Streptomyces hygroscopius isoliert
wird und weist eine strukturelle Ähnlichkeit mit Tacrolimus auf. Everolimus bindet
an einen cytosolischen Rezeptor, den FKBP-12 Rezeptor. Dies wiederum führt zur
Hemmung von mTOR. Auf Grund dessen wird die Aktivierung der S6-Kinase
verhindert, die für die Zellproliferation nötig ist. Es werden das Tumorwachstum
17
sowie die Angiogenese inhibiert. Everolimus wird über das Enzym CYP3A4
metabolisiert. Es wird über die Galle ausgeschieden und seine HWZ liegt bei 28
Stunden. [15]
Als Second-Line-Therapie ist eine Kombination von dem Immunsuppressivum
Everolimus und Tamoxifen möglich. Es ist ebenfalls eine Option für Patientinnen,
die vorher mit einem Aromataseinhibitor (AI) behandelt worden sind. In einer
Studie (n= 54) untersuchten T. Bachelot et al. postmenopausale Frauen, welche
trotz Gabe von AIs ein Tumorwachstum aufgezeigt hatten. Sie wurden
randomisiert entweder mit Tamoxifen 20 mg/d (n= 57) oder Tamoxifen 20 mg/d
plus Everolimus 10 mg/d therapiert. Die Rate für das klinische Benefit (CBR)
wurde hier definiert als Prozentsatz aller Patientinnen mit einer kompletten oder
teilweisen Antwort auf die Therapie oder einer stabilen Tumorerkrankung nach 6
Monaten. Eine Kombination von Tamoxifen und Everolimus resultierte in einer
CBR von 61% (95% CI, 47 to 74) im Vergleich zu einer CBR von 42% (95% CI, 29
to 56) bei Therapie mit ausschließlich Tamoxifen. Außerdem zeigte eine
Kombinationstherapie mit den beiden Medikamenten eine verbesserte Zeit bis zur
Tumorprogression (8.6 versus 4.5 Monate für Tamoxifen alleine; HR 0.54, 95% CI
0.36-0.81). Auch das Risiko zu sterben sank um 55% bei einer Kombination von
Tamoxifen mit Everolimus (HR 0.45, 95% CI 0.24- 0.81). Die
Hauptnebenwirkungen waren Fatigue (72% versus 53% mit Tamoxifen alleine)
Stomatitis (56% versus 7%), Rash (44% vs. 7%), Anorexie (43% versus 18%) und
Diarrhoe (39% vs 11%). [23]
2.1.2 Aromataseinhibitoren
Drei Aromataseinhibitoren (AIs) der 3. Generation werden häufig zur Therapie
herangezogen. Diese sind zum einen Letrozol (Dosierung: 2.5 mg/d) und
Anastrozol (Dosierung: 1 mg/d), sowie Exemestan (Dosierung: 25 mg/d). Sie
werden oral verabreicht. [12]
Im Folgenden wird zunächst die allgemeine Pharmakologie dieser Wirkstoffe
dargestellt, da sie in vielerlei Hinsicht ähnlich ist. Auf die Unterschiede und auch
mögliche Kombinationen mit anderen Wirkstoffen wird dann später genauer
eingegangen (siehe Kapitel 2.1.2.1-2.1.2.5).
18
Alle der genannten Aromataseinhibitoren agieren als kompetitive Hemmstoffe des
Enzyms Aromatase. Dieses Enzym katalysiert die Umwandlung von Androgenen
zu Östrogenen. Somit wird die Östrogensynthese durch eine Hemmung der
Aromatase blockiert. Als Nebenwirkungen treten häufig Hitzewallungen,
Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit sowie Depressionen auf. Anastrozol erhöht
außerdem das Osteoporoserisiko. Aromataseinhibitoren werden zur adjuvanten
Therapie des ER-positiven Mammakarzinoms bei postmenopausalen Frauen
herangezogen. Bei metastasiertem Mammakarzinom stellen sie die First-LineTherapie für postmenopausale Patientinnen dar. [24] 2006 zeigten D. Mauri et al.
in einer Metaanalyse von 25 randomisierten Studien (n= 8504 Patienten) die
Effektivität von AIs bei fortgeschrittenem Mammakarzinom bei postmenopausalen
Frauen. Ergebnisse zeigten eine statistisch signifikante Verbesserung des OS
besonders für Aromataseinhibitoren der 3. Generation (Anastrozol, Letrozol,
Exemestan) (Relative Hazards (RH) = 0.87, 95% confidence interval (CI) = 0.820.93; P<.001). Aromataseinhibitoren der 1. und 2. Generation (Aminoglutethimid,
Formestan, Fadrozol) zeigten keinen Vorteil gegenüber anderen Therapieformen.
Des Weiteren fiel auf, dass eine Verbesserung im OS im Vergleich zu einer
Behandlung mit Tamoxifen (11% RH Reduktion, 95% CI = 1-19%; P = .03) und
anderen endokrinen Therapiemöglichkeiten (14% RH Reduktion, 95% CI = 621%; P<.001) erzielt werden konnte. [25]
Bislang gibt es keine Beweislage dazu, ob ein AI der dritten Generation besser als
das andere wirkt. In einer Studie (n=128) von 2009 wiesen D. Mauri et al. nach,
dass Exemestan und Anastrozol eine gleiche ORR von 15% und ein ähnliches OS
von 31 versus 33 Monaten bei postmenopausalen Patientinnen mit viszeralen
Metastasen zeigen.[26] 2013 führten P.E. Goss et al. eine randomisierte Phase-IIIStudie durch, in der sie ebenfalls Exemestan (als steroidales Präparat) mit
Anastrozol (als nicht-steroidales Präparat) bei postmenopausalen Patientinnen mit
Mammakarzinom in einem frühen Stadium verglichen (n=7576). Das ereignisfreie
Überleben (EFS) nach vier Jahren lag für Exemestan bei 91% und für Anastrozol
bei 91,2 % (stratified HR=1.02; 95% CI, 0.87 to 1.18; P = .85). Es gab ebenfalls
kaum Unterschiede im OS. Es sollte allerdings erwähnt werden, dass 31,6 % der
Patientinnen die Studie auf Grund von Nebenwirkungen, anderen gleichzeitigen
Erkrankungen etc. abbrachen. Die Nebenwirkungen betreffend zeigten sich
19
Unterschiede. So war Osteoporose bei Exemestan seltener, dafür traten
Ereignisse wie eine Leberfunktionsstörung oder Vorhofflimmern häufiger auf als
bei Anastrozol auf.[27]
Auch in der Second-Line-Therapie spielen AIs eine Rolle und auch hier sind keine
deutlichen Unterschiede zwischen der Wirksamkeit der unterschiedlichen AIs
festzustellen. So zeigte eine randomisierte Phase-III-Studie (n=713) in der
Patientinnen mit einer Tumorprogression trotz vorheriger Antiöstrogen-Therapie
entweder eine Therapie mit Letrozol oder Anastrozol erhielten, dass es keinen
erheblichen Unterschied im Hinblick auf die Zeit bis zur Tumorprogression oder
dem OS gab. Allerdings zeigte Letrozol eine signifikant höhere ORR auf (19%
versus 12%). Exemestan als steroidales AI kann in der Second-Line-Therapie
nach Tumorwachstum trotz nicht-steroidalen AIs eingesetzt werden. Ein 2011
erstelltes Review von neun Studien zeigte eine große Spannbreite der ORR
zwischen 2% und 26%, sowie des klinischen Benefits zwichen 12% und 55%.[12]
Aromataseinhibitoren sollten bei schweren Nieren- und Leberfunktionsstörungen
nur bedingt eingesetzt werden. Außerdem gelten eine Schwangerschaft und
Stillzeit als Kontraindikation.[24] Ohne Kombination mit anderen Therapieformen
wie Suppression der Ovarien sind Aromataseinhibitoren außerdem in der
Prämenopause kontraindiziert. Hier kann es gegebenenfalls zur Reaktivierung der
Funktion der Ovarien über ein negatives Feedback kommen. Allerdings zeigen
Phase-II-Studien, dass ein Einsatz möglich ist, wenn sie mit einer
pharmakologischen Suppression der Ovarien kombiniert werden. So wurden in
einer Studie Patientinnen mit Letrozol und Goserelin behandelt. Im Follow-up nach
27 Monaten zeigte sich, dass die Zeit bis zur Tumorprogression hier ähnlich lang
im Vergleich von prämenopausalen und postmenopausalen Frauen war (9.0 vs.
9.5 Monate). Ein GnRH Agonist plus ein AI kann also bei prämenopausalen
Patientinnen gegebenenfalls so effektiv sein wie ein AI bei postmenopausalen
Frauen. Ob allerdings ein Vorteil aus dieser kombinierten Therapie im Vergleich
zur Suppression alleine besteht, scheint bislang nicht bekannt zu sein.[12]
20
modifiziert nach PubChem Compound Database, 2016[28][29][30]
21
modifiziert nach PubChem Compound Database, 2016 [31][32]
2.1.2.2 Unterschiede der Pharmakokinetik von Letrozol, Anastrozol und
Exemestan
Die beiden Substanzen Letrozol und Anastrozol werden, wenn oral aufgenommen,
gut resorbiert. Die Metabolisierung geschieht über die Leber mittels NDesalkylierung, Hydroxylierung und Glucuronidierung. Ausgeschieden werden sie
dann über die Niere. Die HWZ liegt bei 2 Tagen.[24]
Im Fall von Exemestan besteht ein intensiver First-Pass-Effekt. Es wird über das
Enzym CYP3A4 und die Aldoreduktase metabolisiert und zu gleichen Teilen über
die Niere und die Faeces ausgeschieden. Die HWZ liegt bei 24 Stunden.[24]
2.1.2.3 Kombination von Exemestan und Etinostat
Etinostat ist ein Klasse-1-Hyston Deacetylase (HDAC) Inhibitor. HDAC ist ein
Enzym, das bei der Kontrolle der Genexpression eine Rolle spielt. Es hat einen
antiproliferativen Effekt auf Mammakarzinomzellen und unterstützt die Apoptose
von Brustkrebszellinien. Es könnte als Second- oder Third-Line-Therapie genutzt
22
werden.[12] Häufig wird eine Resistenzentwicklung der Tumorzellen gegen
Aromataseinhibitoren als Grund für einen Therapiemisserfolg gesehen. Diese
Resistenzen können u.a. durch östrogenunabhängiges Wachstum,
Hypersensitivität gegenüber geringen Östrogenmengen oder auch durch
Herunterregulierung der Expression von ERα hervorgerufen werden. Präklinische
Studien zeigten, dass Etinostat das Tumorwachstum von ER-positiven
Tumorzellen hemmt und die Hormonsensitivität wieder herstellt indem es u.a. das
ERα-Level normalisiert.[33] Eine Studie von G.J. Sabnis et al. stellte dar, dass
Zellen die resistent gegenüber Letrozol geworden waren, ein signifikant
langsameres Tumorwachstum bei Behandlung mit Etinostat in Kombination mit
Exemestan oder Letrozol aufzeigen als mit einer Monotherapie (p<0.05). Etinostat
erhöhte die Expression von ERα und die Aromataseaktivität und verminderte
gleichzeitig Her-2, p-Her-2, p-MAPK und p-Akt.[34] In einer randomisierten,
placebokontrollierten Phase-II-Studie untersuchten D.A. Yardley et al. 130 Frauen,
welche trotz der Gabe von nicht-steroidalen Aromataseinhibitoren einen
Tumorprogress gezeigt hatten. In dieser Studie wurden die Patientinnen mit
Exemestan (25 mg/d) plus Etinostat (5mg/w) oder Exemestan plus Placebo
behandelt. Ergebnisse zeigten, dass Patientinnen, die Exemestan plus Etinostat
erhielten im Vergleich zur anderen Gruppe, ein signifikant besseres PFS
vorwiesen (4.3 versus 2.3 Monate) und auch das OS verbessert werden konnte
(28.1 versus 19.8 Monate). Auf der anderen Seite traten mehr Episoden von
Fatigue und Neutropenie Grad 3/4 bei einer Kombinationstherapie von Exemestan
und Etinostat auf. Auch der Abbruch der Studie auf Grund von zu starken
Nebenwirkungen war in dieser Gruppe höher (11% versus 2%).[35]
2.1.2.4 Kombination von Everolimus und Exemestan
Im Falle eines AI-resistenten fortgeschrittenem ER-positiven Mammakarzinoms
bei postmenopausalen Frauen ist ebenfalls der Mammalian Target of Rampamycin
(mTOR) Inhibitor Everolimus eine Therapieoption.[12]
Die BOLERO-2 Studie von D.A. Yardley et al. untersuchte den Einsatz von
Everolimus plus Exemestan. Es wurden 724 Patientinnen untersucht, die einen
Tumorprogress trotz Therapie mit nicht-steroidalen AIs gezeigt hatten. Es wurden
zwei randomisierte Gruppen verglichen. Eine Gruppe bekam Exemestan (25mg/d)
plus Placebo, die Andere Exemestan plus Everolimus (10mg/d). Die Gruppe
23
Exemestan plus Everolimus zeigte eine Verlängerung des PFS (7.8 versus 3.2
Monate, HR= 0.45; 95% CI 0.38–0.54) für die Gesamtpopulation der Studie, aber
auch in allen Untergruppen wie z.B. bei Patientinnen mit Metastasen etc.[36] In
beiden Gruppen war der Hauptgrund für das Ausscheiden aus der Studie eine
Progression der Erkrankung (Exemestan plus Everolimus 61% und Exemestan
plus Placebo 88.7%). Allerdings war der Abbruch der Einnahme von mindestens
einem Medikament für die Gruppe Exemestan plus Everolimus auf Grund von zu
starken Nebenwirkungen mit 26.3% im Vergleich zu 5% in der anderen Gruppe
deutlich höher. Bei einer Kombination von Exemestan mit Everolimus traten
schwere Nebenwirkungen wie Stomatitis, Fatigue, Dyspnoe, Anämie,
Hyperglykämie und ein Anstieg der γ-Glutamyltransferase auf (Grad 3/4 bei >25%
der Patientinnen). In Verbindung mit Placebo war bei Exemestan lediglich eine
Erhöhung der γ-Glutamyltransferase als schwere Nebenwirkung (Grad 3/4) zu
beobachten. Zudem sollte erwähnt werden, dass bei einer Therapie mit
Everolimus plus Exemestan Pneumonien auftraten, die in 5.6% zum Abbruch der
Studie führten. Das erhöhte Auftreten von Nebenwirkungen bei einer
Kombinationstherapie könnte aber auch auf den längeren Behandlungszeitraum
zurückzuführen sein. Die mit der Gesundheit verbundene Lebensqualität wurde
trotz Nebenwirkungen nicht als schlechter empfunden. [37][38] Da es häufiger zur
Erkrankung der Lunge kam, sollte bei Patientinnen, die während der Anwendung
Luftnot oder Husten entwickeln, eine Pneumonie abgeklärt werden.
Gegebenenfalls ist eine kurze Gabe von Steroiden nötig.[12] Auch in anderen
Studien wie einer Phase-II-Studie zu Letrozol plus Everolimus als neoadjuvante
Therapie und einer Studie zu Tamoxifen plus Everolimus bei fortgeschrittenem
Tumorstadium scheinen die Ergebnisse vielversprechend. So zeigte Letrozol plus
Everolimus nicht nur eine Ansprechrate von 68% versus 59% in der anderen
Gruppe, sondern auch eine Verbesserung der antiproliferativen Wirkung
(Verminderung des Ki-67 von 57% versus 30% (p < 0.01)). Bei Kombination von
Tamoxifen und Everolimus sank die Mortalität und das Risiko einer
Tumorprogression um 46%. Auch das OS und die progressionsfreie Zeit
verbesserten sich signifikant.[39]
24
2.1.2.5 Kombination von Palbociclib und Letrozol
Bei Palbociclib handelt es sich um ein relativ neues Zytostatikum. Es agiert als
Cyclin-dependent-kinases (CDK4/6)-Inhibitor. Präklinische Studien ließen darauf
schließen, dass Palbociclib selektiv die Proliferation von ER-positiven
Brustkrebstumorzelllinien hemmt.[12] 2015 wurde Palbociclib in Kombination mit
Letrozol als First-Line-Therapie bei ER-positivem HER2-negativem
metastasiertem Mammakarzinom von der US Food and Drug Administration (FDA)
zugelassen.[40] Dies war Folge einer randomisierten Phase-II-Studie, welche
Frauen mit fortgeschrittenem ER-positivem Mammakarzinom einschloss (n=165),
die vorher keine systemische Therapie erhalten hatten. Entweder erhielten sie 2.5
mg Letrozol täglich oder 2.5 mg Letrozol in Kombination mit Palbociclib in einer
Dosis von 125 mg für drei Wochen gefolgt von einer Woche Pause (28-TageZyklus). Das Ergebnis zeigte, dass Palbociclib plus Letrozol ein signifikant
höheres (verdoppeltes) PFS vorwiesen (20.2 versus 10.2 Monate für Letrozol
alleine; HR 0.49, 95% CI 0.319-0.748). Aber auch eine höhere Inzidenz von ernst
zu nehmenden Toxizitäten (Grad 3/4) war zu beobachten. Nebenwirkungen wie
Neutropenie (54% versus 1 %), Leukopenie (19% versus 0%) und Fatigue (4%
versus 1%) traten deutlich häufiger bei einer Kombination von Letrozol mit
Palbociclib auf. 4% der Patientinnen unter Kombinationstherapie entwickelten eine
pulmonale Embolie.[41] Die Ergebnisse einer fortführenden Phase-III-Studie sind
noch nicht fertig gestellt.[42]
2.1.3 Der Östrogenrezeptorantagonist Fulvestrant
Fulvestrant ist ebenfalls als eine mögliche Therapie für das ER-postitive
Mammakarzinom anzusehen. Pharmakodynamisch wirkt es als ein kompetitiver
Östrogenrezeptorantagonist und hat im Vergleich zu Tamoxifen eine 30-fach
höhere Affinität zum Östrogenrezeptor α und β. Es weist zudem keine
restagonistische Wirkung auf. Fulvestrant führt zur Hemmung der Dimerisierung
und Translokation des Östrogenrezeptors. Außerdem vermindert es die Anzahl der
Östrogenrezeptoren, da der Komplex aus Antagonist und Rezeptor im Cytoplasma
abgebaut wird. Dadurch wird die Gentranskription gehemmt.[15] Fulvestrant wird
vor allem postmenopausal eingesetzt. Als Dosierung ist mittlerweile eine
intramuskuläre Injektion von 500 mg an den Tagen 1, 14 und 28 des ersten
Monats und danach eine monatlich Erhaltungsdosis an Tag 28, +/- 3 Tagen
25
empfohlen. Vorher war eine monatliche Dosis von 250 mg üblich, allerdings
konnte in neuen Studien ein Vorteil der höheren Dosis gezeigt werden, die
deshalb nun vorzugsweise eingesetzt wird. Zum Beispiel konnte im CONFIRM
Trial von A. Di Leo et al. nachgewiesen werden, dass sich das Mortalitätsrisiko um
19% verringerte und das mittlere OS um 4.1 Monate gesteigert werden konnte.
Zudem zeigte die Studie keine Unterschiede oder Verschlechterungen in Bezug
auf die Nebenwirkungen.[43] Es gab eine randomisierte Phase-II-Studie First-Line
Study Comparing Endocrine Treatments (FIRST) von J.F. Robertson et al. in der
205 Patientinnen im Vergleich entweder mit Fulvestrant (500 mg/Monat + 500mg
an Tag 14 des 1. Monats) oder Anastrozol (1mg/d oral) behandelt wurden. Es
ergab sich eine signifikant längere Zeit bis zum Tumorprogress (23.4 versus 13.1
Monate; HR 0.66; 95 % CI 0.47, 0.92; P = 0.01). Das klinische Benefit (objektives
Ansprechen auf die Therapie oder ein stabiles Krankheitsbild ≥ 24 Monate) und
die allgemeine Ansprechrate auf die Therapie waren in beiden Gruppen gleich.[44]
M.J. Ellis at al. veröffentlichten außerdem 2015 eine Analyse zum OS dieser
Studie. Es zeigte sich ein signifikant höheres OS für die Patientinnen, die mit
Fulvestrant therapiert worden waren (54.1 versus 48.4 Monate; HR 0.70, CI 95%
0.05-0.98). Da in der ursprünglichen Studie allerdings keine Auswertung des OS
vorgesehen war, sollte hier bedacht werden, dass nicht alle Patientinnen an der
zusätzlichen Auswertung teilnahmen. Eine prospektive Phase-III-Studie (FALCON)
soll diese Ergebnisse bestätigen bzw. weiteren Aufschluss darüber geben.[45]
Obwohl die Ergebnisse derzeit noch nicht bekannt sind, sollte Fulvestrant auf
Grund der vorliegenden Studien als eine Alternative für eine Behandlung mit AIs
oder Letrozol plus Palbociclib angesehen werden.[12]
Auch second-line kann Fulvestrant zum Einsatz kommen. Fulvestrant zeigte hier
eine ähnliche ORR, sowie ein ähnliches OS im Vergleich zur Behandlung mit
einem AI. Allerdings wurde in den zu dieser Thematik bislang existierenden
Studien Fulvestrant mit einer Dosis von 250mg/Monat angewendet, welche im
klinischen Gebrauch auf 500mg angehoben worden ist. Zu dieser neuen höheren
Dosis im Vergleich mit AIs als Second-Line-Therapie liegen jedoch noch keine
Ergebnisse vor.[12]
26
2.1.3.1 Kombination von Palbociclib plus Fulvestrant
Diese Therapiekombination von Palbociclib und Fulvestrant ist nach Studienlage
eine in Erwägung zu ziehende Therapieoption für Frauen, die unter initial
durchgeführter Hormontherapie einen Tumorprogress gezeigt haben. Unterstützt
werden kann diese Aussage durch die Ergebnisse der PALOMA3 Studie (M.
Cristofanili et al.). Diese Studie schloss 521 Frauen (Fulvestrant+Palbociclib= 347,
Fulvestrant+Placebo= 174) mit metastasiertem HR-positivem und HER2negativem Mammakarzinom ein. Außerdem beinhalteten die Einschlusskriterien,
dass die Frauen einen Tumorprogress trotz vorher durchgeführter adjuvanter
endokriner Therapie gezeigt haben sollten. 21% der Frauen befanden sich in der
Prämenopause und erhielten zusätzlich das GnRH-Analogon Goserelin. Die
Studie ergab eine signifikante Verbesserung des PFS in der Gruppe
Fulvestrant+Palbociclib mit 9.7 Monaten (95% CI 9.2-11.0) versus 4.6 Monaten
(95% CI 3.5-5.6) in der anderen Gruppe (HR 0.46, 95% CI 0.36-0.59, p<0.0001).
Auf der anderen Seite zeigten die Ergebnisse eine deutlich höhere Rate an
schweren Nebenwirkungen (Grad 3/4) wie Neutropenie (65% versus 1%) und
Leukopenie (28% versus 1%). Eine genauere Analyse ergab, dass eine Therapie
von Fulvestrant+Palbociclib für alle Patientinnen (unabhängig von endokriner
Resistenz, Hormonrezeptor-Expressions-Level oder PIK3CA-Mutation) eine
Verbesserung des PFS erzielen konnte und somit als Therapieoption in Erwägung
gezogen werden kann. Ein Follow-Up, welches das OS analysieren soll, wird
derzeit verfasst. [46] Hervorzuheben ist außerdem, dass die Therapiebeurteilung
aus Patientensicht in Bezug auf die Lebensqualität trotz insgesamt stärkeren
Nebenwirkungen die Kombinationstherapie favorisierte. Die Lebensqualität (P <
0.025) und auch die Schmerzen (P < 0.001) verschlechterten sich später als in der
Vergleichsgruppe.[47]
2.1.3.2 Kombination von Fulvestrant und Anastrozol
Die Beurteilung einer kombinierten Therapie von Fulvestrant mit Anastrozol wird
durch uneindeutige Studienergebnisse erschwert. So evaluierte die randomisierte
Phase-III-Studie von J. Bergh et al. (FACT), ob eine Kombinationstherapie von
Fulvestrant und Anastrozol gegenüber einer Therapie mit Anastrozol alleine von
Vorteil wäre. FACT umschloss 514 Frauen, von denen ein drittel bislang keine
endokrine Therapie erhalten hatten. Die Kombinationstherapie von Fulvestrant mit
27
Anastrozol zeigte ein ähnliches PFS (10.8 versus 10.2 Monate; HR 0.99, 95% CI
0.81-1.20) und OS (37.8 versus 38.2; HR 1.0, 95% CI 0.76-1.32). Die Ergebnisse
scheinen also keinen Vorteil einer Kombinationstherapie zu ergeben. Es sollte
allerdings beachtet werden, dass Fulvestrant in der alten üblichen Dosis von
250mg verabreicht wurde und nicht in der neuen 500mg Dosis.[48]
Eine andere randomisierte Studie der South West Oncology Group (SWOG)
(n=694) untersuchte ebenfalls eine Therapie mit Fulvestrant plus Anastrozol und
Anastrozol alleine. 59.7 % der teilnehmenden Frauen hatten noch keine endokrine
Therapie im Vorfeld erhalten (der Rest wurde bereits mit Tamoxifen therapiert). Die
meisten der Patientinnen erhielten 250mg/Monat Dosen Fulvestrant. Manchen
wurde erlaubt 500mg/Monat zu erhalten, nachdem der Vorteil der höheren Dosis
nachgewiesen worden war. Die Behandlung mit kombinierter Therapie zeigte ein
etwas bessere PFS (13.5 versus 15 Monate; HR 0.80, 95% CI 0.68-0.94) und ein
besseres OS (47.7 versus 41.3 Monate; HR 0.81, 95% CI 0.65-1.00). Bei Analyse
der Subgruppen (keine endokrine Therapie oder Therapie mit Tamoxifen im
Vorfeld) schien der Vorteil der Kombination bei vorher behandelten Patientinnen
eingeschränkt zu sein. Diese Studie schloss eine signifikant höhere Anzahl von
Patientinnen ein, welche bislang keine endokrine Therapie erhalten hatten,
wodurch möglicherweise der Unterschied zum Ergebnis der FACT Studie zu
erklären ist. Weitere Studien hierzu sind jedoch noch nötig.[49]
Eine Analyse der Pharmakokinetik der Kombination von Fulvestrant und
Anastrozol deutet zudem auf eine Interaktion der beiden Medikamente hin.
Fulvestrant scheint die Konzentration von Anastrozol zu verringern (eine
geschätzte Differenz von 9.85 ng ml(-1) (95% CI 5.69, 14.00 ng ml(-1) ), P <
0.001). Der genaue pharmakologische Mechanismus und ein eventueller Einfluss
auf die Wirksamkeit der Therapie müssen jedoch noch weiter untersucht werden.
[50]
Second-Line scheint die Kombination von Fulvestrant und einem AI (Anastrozol)
keine Vorteile gegenüber einer Therapie mit Fulvestrant oder einem AI alleine
aufzuweisen. Dies wurde durch eine randomisierte Phase-III Studie (SoFEA) von
S.R. Johnston et al. belegt, die Patientinnen entweder mit Fulvestrant plus
Anastrozol oder Placebo oder Exemestan alleine behandelten. Die 723
28
Patientinnen hatten im Vorfeld einen Tumorprogress trotz nicht-steroidalem AI
gezeigt. Aus dem Ergebnis der Studie wurde deutlich, dass keine signifikanten
Unterschiede im PFS (4.4 Monate bei Fulvestrant plus Anastrozol, 4.8 Monate bei
Fulvestrant plus Placebo und 3.4 Monate bei Exemestan) bestehen. Auch hier
sollte darauf hingewiesen werden, dass Fulvestrant nicht in der heute üblichen
Dosis von 500mg, sondern in der alten Dosis von 250mg, verabreicht wurde.[51]
2.1.4 Gestagene
Bei Gestagenen handelt sich um eine Stoffklasse von Sexualhormonen, die
Eigenschaften des physiologischen Gelbkörperhormons Progesteron aufweist. Sie
finden insbesondere in der Thrid-Line-Therapie Einsatz. Die synthetisch
hergestellten Gestagene werden auch häufig als Progestine bezeichnet.
Gemeinsam mit den Östrogenen bilden sie die weiblichen Sexualhormone und
spielen somit bei vielen wichtigen hormonellen Prozessen wie z.B. der
Embryonalentwicklung, der Steuerung des weiblichen Zyklus oder auch zentralen
metabolischen Vorgängen eine essentielle Rolle. Die Sexualhormone der Frau
werden im Ovar, der Plazenta und den Nebennieren gebildet.[15]
2.1.4.1 Chemie der Gestagene
Gestagene sind Steroidhormone, deren Ausgangssubstanz für die Biosynthese
Cholesterin ist. Dadurch ist eine polycyclische Ringstruktur in den Hormonen
vorhanden. Das natürliche Gestagen Progesteron hat 21 Kohlenstoffatome.[15]
Bei parenteraler Gabe ist dieses allerdings nur kurz und auch bei oraler Gabe auf
Grund des starken First-Pass-Effekts wenig wirksam. Deshalb wurde Progesteron
chemisch so modifiziert, dass schließlich länger wirksame Derivate hergestellt
werden konnten. Die längere Wirkdauer wird durch Hydroxylierung in 17-Stellung
und Veresterung erreicht. Die stärkere Wiksamkeit kann mittels einer
Doppelbindung zwischen C-6 und C-7 und einer Methylgruppe bzw. eines
Chloratoms in 6-Stellung erzielt werden. Die im Folgenden beschriebenen
Wirkstoffe Megestrolacetat und Medroxyprogesteronacetat sind oral wirksame 17alpha-Hydroxyderivate. Die beiden Wirkstoffe unterscheiden sich durch eine
Doppelbindung (siehe Abbildung 6).[52]
29
modifiziert nach PubChem Compound Database, 2016[53][54][55][56]
2.1.4.2 Pharmakokinetik und Pharmakodynamik der Gestagene
Die Wirkung von Gestagenen hängt unter anderem von ihrem Gegenspieler dem
Östrogen ab, da Östrogen die Synthese von Progesteronrezeptoren induziert. Auf
Grund dessen ist das Östrogen-Gestagen-Verhältnis sowie die zeitliche Sequenz
des Zusammenwirkens ausschlaggebend.[15] Durch Gestagene wird die
hypophysäre Sekretion des Luteinisierenden Hormons (LH) und des
Follikelstimulierenden Hormons (FSH) inhibiert. Die Hemmung dieser Hormone
30
führt zum Abfall des Östrogenspiegels, was zum einen für die Behandlung eines
ER-positiven Mammakarzinoms von Vorteil ist und zum anderen zur verminderten
Expression von Progesteronrezeptoren führt. Außerdem wird die
Östrogenrezeptorsynthese gehemmt. Somit senken Gestagene die Anzahl der
Östrogenrezeptoren, wodurch eine positive Wirkung auf das ER-positive
Mammakarzinom erzielt werden kann.[52] Gestagene entfalten ihre Wirkung über
die Expression von Zielgenen, wozu sie zunächst an Rezeptoren binden müssen.
Progesteron hat zwei Rezeptor-Subtypen, A und B. Diese Rezeptoren sind
Spleißvarianten eines Gens und unterscheiden sich N-terminal. Eine 3Ketogruppe ist für eine Bindung unentbehrlich. Wie bereits oben erwähnt wird die
Bildung der Rezeptoren durch Östrogene verstärkt. Im folgenden Kapitel sollen
hauptsächlich die Wirkstoffe Megestrolacetat und Medroxyprogesteronacetat
behandelt werden, da insbesondere zu diesen beiden Stoffen Studien vorliegen
und sie deshalb zur Therapie des Mammakarzinoms eingesetzt werden. Sie
weisen zusätzlich zu ihrer gestagenen Wirkung, die durch Stimulation der
Progesteronrezeptoren hervorgerufen wird, eine antiandrogene Wirkung auf.
Megestrolacetat hat eine HWZ von 15-30 Stunden und die mittlere Tagesdosis
beträgt 160mg. Medroxyprogesteronacetat weist eine HWZ von 30-60 Stunden
auf und die mittlere Tagesdosis liegt bei 300-1000mg. [52]
2.1.4.3 Indikation für Gestagene
Gestagene können beim fortgeschrittenen Mammakarzinom angewendet werden.
Sie können besonders zur palliativen Therapie herangezogen werden. Weiterhin
sind Gestagene zur Antikonzeption, Hormonsubstitution, bei Dysmenorrhoe,
Endometriose oder auch zur ovariellen Hemmung von Gebärmutterblutungen
indiziert.[52] Megestrolacetat mit einer Dosis von 160mg/d zeigt Wirkung auf das
ER-positive Mammakarzinom. Höhere Dosen weisen keine bessere Effektivität
auf, werden aber häufiger mit Gewichtszunahme, Flüssigkeitsretention, vaginalen
Blutungen und geringerer Lebensqualität in Verbindung gebracht.[12][57]Bereits
1989 verglichen Lundgren et al. die Wirkung von Megestrolacetat mit der Wirkung
von Aminoglutethimid (Aromatasehemmer der 1. Generation). Auch wenn dieser
Vergleich heutzutage obsolet ist, da mittlerweile nur noch AIs der 3. Generation
eingesetzt werden, konnte durch diese Studie nachgewiesen werden, dass ein
Ansprechen von 31% (n=176) und das Erreichen eines stabilen Krankheitsbildes
31
in 35% der Fälle bei Therapie mit Megestrolacetat erreichbar ist.[58] Laut Bines et
al. zeigt Megestrolacetat Wirkung bei postmenopausalen Frauen mit
fortgeschrittenem Mammakarzinom, das unter Therapie mit einem nichtsteroidalen Aromataseinhibitor progredient war. In dieser 2014 durchgeführten
Phase-II-Studie wurden 48 Patientinnen mit einer Dosis von 160mg täglich
behandelt. Die Rate für das klinische Benefit, definiert als vollständiges
Ansprechen auf die Therapie oder ein stabiles Krankheitsbild für >24 Monate, lag
bei 40% (95% CI 25.2–54.9%). Das PFS war 3.9 Monate (95% CI 3.0–4.8) und
das mittlere OS lag bei 19.4 Monaten (95% CI 15.1–23.6). Als Nebenwirkung war
insbesondere die tiefe Venenthrombose (DVT) gefürchtet. Sie trat bei 10% der
Patientinnen auf und war damit die häufigste unerwünschte Wirkung. Die
zweithäufigste Nebenwirkung war eine Gewichtszunahme. Sonst zeigten sich nur
leichte unerwünschte Wirkungen.[59] Im Vergleich zu anderen Studien umfasst
diese Studie deutlich weniger Patientinnen und beinhaltet auch keine
Vergleichsgruppe, die mit einem anderen Medikament oder Placebo behandelt
wurde. In der bereits weiter oben besprochenen BOLERO-2 Studie von D.A.
Yardley et al. erhöhte Exemestan plus Everolimus das PFS auf 7.8 Monate, aber
die Placebo-Gruppe zeigte ein PFS von nur 3.2 Monaten (siehe Kapitel 2.1.2.4.).
[36] Vergleicht man dieses PFS mit dem oben genannten PFS von 3.9 Monaten,
so scheint die Wirkung von Megestrolacetat nicht besonders stark.
Medroxyprogesteronacetat wird ebenfalls mit einer Wirkung auf Brustkrebs
assoziiert. Die ungefähre Ansprechrate liegt bei 25% und die mittleren Dauer der
Antwort bei 15 Monaten. Die Wirkung scheint bei Patientinnen, die einen
Fortschritt der Erkrankung trotz Tamoxifen zeigten, aufrechterhalten.[12] In einer
Studie von W.M. Willemse et al. (1990) wurde Medroxyprogesteron (1000mg/d)
mit Megestrolacetat (160mg/d) zum Einsatz bei fortgeschrittenem Brustkrebs
verglichen. Die Therapieansprache schien in der Gruppe, die mit
Medroxyprogesteron behandelt wurde deutlich besser (43% versus 25%).
Besonders die Wirkung auf Knochenmetastasen war mit 45% versus 12% deutlich
höher. Allerdings sollte kritisch angemerkt werden, dass in der Gruppe der
Patientinnen, die Megestrolacetat als Therapie erhielten, überwiegend HRnegative Mammakarzinome vorlagen. Das mittlere PFS war mit 15 versus 10
Monaten und das OS mit 20 versus 16 Monaten vergleichbar, aber besser in der
32
Medroxyprogesteron-Gruppe. Auf der anderen Seite traten in dieser Gruppe mehr
Nebenwirkungen auf (83% versus 74%). [60]
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Studien zur Wirksamkeit von
Megestrolacetat und Medroxyprogesteronacetat vorliegen, aber die Effektivität und
das Ausmaß der Nebenwirkungen im Vergleich zu aktuellen Medikamenten in
neueren Studien noch näher untersucht werden müssten. Trotzdem können diese
Substanzen als Third-Line-Therapie eingesetzt werden.
2.1.4.4 Nebenwirkungen der Gestagene
Bei geringer Dosis und zyklusgerechter Anwendung sind selten Nebenwirkungen
bei Gestagengabe zu verzeichnen. Nach längerer Anwendung kann eine
Gewichtszunahme als Folge der Aktivierung der Mineralcorticoidrezeptoren
auftreten. Die beiden Wirkstoffe Megestrolacetat und Medroxyprogesteronacetat
werden allerdings nicht mit einer Wirkung auf diese Rezeptoren assoziiert. Des
Weiteren können Libidoverlust, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und
Spannungsschmerzen in der Brustdrüse auftreten.[52] Außerdem kann es zu
Muskelkrämpfen, Tremor, einem Blutdruckanstieg sowie einer Obstipation
kommen.[15]
2.1.4.5 Interaktionen und Kontraindikationen der Gestagene
Enzyminduktoren wie Barbiturate, Carbamazepin, Phenytoin, Rifampicin und
Johanniskrautextrakte können die Biotransformation und somit den Abbau von
Gestagenen beschleunigen. Kontraindiziert sind Gestagene mit antiandrogenen
Eigenschaften in der Schwangerschaft, da die Gefahr der Feminisierung
männlicher Feten besteht. Alle Gestagene sollten nicht bei Leberschäden,
Hyperbilirubinämie oder thrombembolischen Erkrankungen eingesetzt werden.[52]
2.1.5 Selektive-Progesteronrezeptor-Modulatoren (SPRMs)
In den vorangegangenen Kapiteln wurde vor allem auf den Östrogenrezeptor und
ihn beeinflussende Substanzen eingegangen. Die dazu herangezogenen Studien
schlossen meistens HR (PR/ER)-positive Mammakarzinome ein, sodass ein Effekt
der vorher dargestellten Substanzen auf den PR-Rezeptor angenommen werden
kann. Es stellt sich jedoch trotzdem die Frage, ob ein PR-positives
Mammakarzinom nicht effektiver behandelt werden könnte. Hierfür könnten zum
Beispiel Selektive-Progesteronrezeptor-Modulatoren (SPRMs) oder auch
33
Antigestagene eine Rolle spielen. Schon in der Vergangenheit wurde viel mehr an
Östrogenen geforscht. So werden Antiöstrogene bereits seit über 40 Jahren
hergestellt. Antigestagene jedoch erst seit 1981 mit der Entdeckung des
Mifepristons, das hauptsächlich als Abortivum eingesetzt wird. Später sollte sich in
In-vitro-Studien herausstellen, dass Mifepriston nicht wie zunächst angenommen
nur antagonistisch, sondern auch agonistisch wirken kann und somit als
Selektiver-Progesteronrezeptor-Modulator anzusehen ist. Wie bei den SelektivenÖstrogenrezeptor-Modulatoren hängt es von dem Koaktivator-KorepressorVerhältnis in der entsprechenden Zelle ab, ob eine antagonistische oder
agonistische Wirkung hervorgerufen wird. Mittlerweile gibt es viele weitere
Substanzen, die zu der Stoffklasse der SPRMs zählen. Nach wie vor wird
Mifepriston als Abortivum bis zur 8. Schwangerschaftswoche eingesetzt, aber
zeigt Potenzial bei der Behandlung des Mammakarzinoms.[52] Ein Review von C.
Lanari et al. fasst mehrere Studien zusammen. Eine davon wurde von Romieu et
al. durchgeführt und umfasste 22 Patientinnen. Diese litten unter Tamoxifenresistenten Metastasen und reagierten nicht auf Chemo- oder andere endokrine
Therapieformen. Sie erhielten 200mg/d Mifepriston für 1-3 Monate. Nach 3
Monaten Behandlung sprachen 18% auf die Therapie an. Außerdem zeigten alle
Patientinnen ein erhöhtes Serum-Level an 17-β-Östradiol, Cortisol und
Androstendion. Die Toleranz der Therapie war gut. In einer weiteren Studie von
Klijn et al. wurden 11 Patientinnen, die Tamoxifen als First-Line-Therapie erhalten
hatten mit 200-400mg/d Mifepriston behandelt. 6 Patientinnen zeigten eine
Stabilisierung des Krankheitsbildes bei 4 Patientinnen kam es jedoch zu einem
Tumorprogress. In einer dritten Studie von Perrault et al. mit 28
postmenopausalen, PR-positiven Patientinnen konnte allerdings nur bei 3
Patientinnen eine Therapieansprache bei Behandlung mit Mifepriston (200mg/d)
verzeichnet werden.[61]
Klijn et al. konnten aber in einer Studie an Ratten nachweisen, dass eine
Kombination von Mifepriston und Tamoxifen hemmend auf ein Tumorwachstum
wirkt. Erklärt werden könnte dies dadurch, dass Tamoxifen die Expression von
Progesteronrezeptoren steigert und Mifepriston somit besser wirken kann. Eine
weitere Hypothese wäre, dass Tamoxifen das durch Mifepriston erhöhte 17-βÖstradiol-Level ausgleichen kann.[61] Da die hier aufgeführten Studien alle Ende
34
der 80er Jahre entstanden sind und nur wenige Patientinnen umfassten, wäre es
möglicherweise sinnvoll hier neue Forschungsanstrengungen zu unternehmen, die
auch die Wirkung von Tamoxifen verbunden mit Mifepriston weiter untersuchen
könnten.
2.1.6 Weitere endokrine Therapiemöglichkeiten
Androgene wie Testosteron, Fluoxymesteron und Danazol werden nur selten für
die Third-Line-Therapie des metastasierten Mammakarzinoms eingesetzt. Auch
wenn die Ansprechrate auf diese Substanzen bei 10-20% bei vorbehandelten
Patientinnen liegt, machen Nebenwirkungen wie Virilisierung, Ödeme und
Gelbsucht diese Substanzen zur Therapie des Mammakarzinoms uninteressant.
Falls es trotzdem zur Therapie herangezogen wird, wäre das zu bevorzugenden
Androgen Fluoxymesteron in einer Dosis von 10 mg oral 2x täglich.[12]
Des Weiteren ist es von großer Bedeutung Therapiemöglichkeiten zu entwickeln,
die die Resistenzbildung gegen bestehende endokrine Therapieformen
verhindern, überbrücken oder bekämpfen. Ein möglicher Grund für diese
Resistenzbildung könnte die Mutation des ESR1 (ein Gen, welches für den
Östrogen-Rezeptor 1 codiert) sein. Studien haben gezeigt, dass Frauen mit
Tumorwachstum trotz endokriner Therapie diese Mutation besitzen. W. Toy et al.
wiesen ist einer Studie in 20% des ER-positiven metastasierten Mammakarzinome
diese Mutation nach. [62] Und auch D.R. Robinson et al. konnten in einer Studie
nachweisen, dass 6 von 11 Patientinnen von einer ESR1-Mutation betroffen sind.
Besonders interessant war hier auch, dass 3 dieser 6 Patientinnen zu Beginn der
Therapie noch keine derartige Mutation aufwiesen.[63] Im Gewebe vom primären
Mammakarzinom wurde diese Mutation nur selten nachgewiesen, wohingegen
das Gewebe der Metastasen eine ESR1 Mutation in 11-55% der Fälle vorweist.
[12] Diese Mutation gruppiert sich in der Liganden-bindenden Domäne des ER mit
Y537S (12%), Y537N (5%) und D538G (2%) als die am häufigsten
vorkommenden.[64]
Innerhalb präklinischer Studien stellte sich heraus, dass eine höhere Dosis von
Tamoxifen oder Fulvestrant bei ESR1 Mutation gebraucht wurde um die
Tumorzellproliferation zu unterdrücken. Neue Selektive-Estrogen-RezeptorDownregulators (SERDs) werden derzeit untersucht, die die Möglichkeit bieten,
35
mutierten Östrogenrezeptoren zu vermindern. Ein Beispiel ist GDC-810, welches
sich in der Phase I/II zum Einsatz bei postmenopausalen Frauen mit lokal
fortgeschrittenem oder metastasiertem, ER-positivem Brustkrebs mit oder ohne
ESR1 Mutation befindet.[12] So konnten zum Beispiel A. Lei et al. eine Aktivität
von GDC-810 bei Tamoxifen-resistentem fortgeschrittenem Mammakarzinom
nachweisen.[65]
Auch Mutationen in Bestandteilen des PI3K Signalwegs werden häufig bei ERpositivem Mammakarzinom beobachtet. Der Phophatidylinositol-3-Kinase
(PI3K)/Akt/mTOR-Signalweg spielt eine kritische Rolle dabei Zellwachstum,
Überleben und Angiogenese zu ermöglichen. Eine mögliche Mutation ist die
Mutation des PIK3CA, welches für die alpha-katalysierende Untergruppe von PI3K
codiert. Diese Mutation wird in 40% der ER-positiven Mammakarzinome gefunden.
Präklinische Studien zeigen, dass nach längerem Östrogen Entzug eine
Hochregulierung des PI3K-Signalwegs stattfindet. Außerdem wird eine
synergistische Zelltötung beobachtet, wenn man die endokrine Therapie mit PI3KSignalweg-Inhibitoren kombiniert.[12] Nach der BOLERO-2 Studie, welche den
Erfolg einer Hemmung von mTOR bei AI resistentem ER-positivem Brutkrebs
zeigte[38], werden nun auch einige Mittel untersucht, die verschiedene
Komponenten des PI3K-Signalwegs angreifen. Viele pan-PI3K Inhibitoren wie zum
Beispiel BKM120 (Buparlisib) und GDC-0941 (Pictilisib) befinden sich in Phase-IIIStudien, deren Ergebnisse erwartet werden. Zudem sind isoform-spezifische
Inhibitoren des PI3K und Inhibitoren von mTOR oder auch AK in Entwicklung.[12]
In einer Phase-II-Studie von I.E. Krop et al. sind die Ergebnisse zu Pictilisib
allerdings eher enttäuschend. Es konnte keine signifikante Verlängerung der PFS
durch Gabe von Pictilisib (6.6 Monate (95% CI 3.9-9.8)) versus Placebo 5.1
Monate (3.6-7.3); HR 0.74; 95% CI 0.52-1.06; p=0.096) erreicht werden. Diese
Ergebnisse zeigten sich unabhängig davon, ob eine Mutation bei den Patientinnen
nachgewiesen werden konnte oder nicht (Mutation: Pictilisib 6.5 Monate (95% CI
3.7-9.8) versus Placebo 5.1Monate (95% CI 2.6-10.4); HR 0.73; 95% CI 0.421.28), keine Mutation: Pictilisib 5.8 Monate (95% CI 3.6-11.1) versus 3.6 Monate
(95% CI 2.8-7.3); HR 0.72 95% CI 0.42-1.23). Zudem zeigte sich die Toxizität von
36
Pictilisib als sehr hoch, wodurch eine höhere Dosierung unmöglich und
gegebenenfalls die Wirksamkeit von Pictilisib eingeschränkt wird.[66]
Ein weiterer vielversprechender Therapieansatz ist die Kombination einer
endokrinen Therapie mit Cyclin-Dependent-Kinase (CDK) 4/6 Inhibitoren. CDK 4/6
kontrolliert den Übergang der G1-Phase zur S-Phase und spielt somit bei der
Zellproliferation eine wichtige Rolle. Die Bindung des Cyclin D1 aktiviert CDK 4/6.
Die Cyclin D1 Expression wird durch Östrogen und andere
Zellproliferationssignale erhöht. Der CDK4/6 Inhibitor Palbociclib wird bereits in
Kombination mit Letrozol als First-Line-Therapie beim fortgeschrittenen ERpositiven Mammakarzinom eingesetzt. Zwei weitere CDK 4/6 Inhibitoren LEE 011
und LY2835219 (Abemaciclib) werden nun in Kombination mit AI oder Fulvestrant
als First-Line- oder auch Second-Line-Therapiemöglichkeit untersucht.[67]
Abschließend sollte noch der neue Ansatz einer Kombination von endokriner
Therapie mit Blockade der Androgenrezeptoren angesprochen werden.
Bei ER-positivem Mammakarzinom ist in der Mehrzahl der Fälle ebenfalls der
Androgenrezeptor (AR) überexpremiert. Präklinische Studien zeigten bereits einen
Synergismus zwischen einer auf die ER und AR abzielenden Therapie.
Diese Strategie wird nun in klinischen Studien weiter erprobt. So wird zum Beispiel
eine randomisierte Phase-II-Studie durchgeführt, welche die Wirkung von
Exemestan mit oder ohne Enzalutamid bei fortgeschrittenem ER-positivem HER2negativem Brustkrebs untersucht.[12] Auch hervorzuheben ist das Ergebnis einer
Phase-II-Studie von Traina et al., welche die Expression des Androgenrezeptors
bei triple-negativem Mammakarzinom und das Ansprechen auf Enzalutamid
untersuchte. Bei 79% der triple-negativen Tumore war eine Expression des AR
vorhanden, bei 55% davon lag diese bei über 10%. Von 75 Patientinnen, die mit
Enzalutamid behandelt wurden, war bei 35% ein klinisches Benefit nach 16
Wochen und bei 29% ein klinisches Benefit nach 24 Wochen nachzuweisen.[68]
2.2 Antikörpertherapie
Für Patientinnen, bei denen der human epidermal growth factor 2 (HER2) positiv
ist, stellt eine Antikörpertherapie eine wichtige Ergänzung des Therapieplans dar.
Dazu werden derzeit die Substanzen Trastuzumab und Lapatinib herangezogen,
37
die im Folgenden näher erläutert werden sollen. Für das HR-positive, HER2positive Mammakarzinom wird first-line eine Kombination aus HER2-gezielter
Therapie und endokriner Therapie empfohlen. Es besteht jedoch auch die
Möglichkeit zunächst eine Therapie mit Trastuzumab alleine durchzuführen bevor
man die Patientin einer Kombinationstherapie unterzieht. Sollte es sich um einen
HR-negativen, symptomatisch metastasierten oder sehr schnell fortschreitenden
Tumor handeln, sollte eine Antikörpertherapie in Kombination mit einer
Chemotherapie durchgeführt werden.[12]
Für prämenopausale Patientinnen mit intakter Funktion der Ovarien gibt es derzeit
keinen Beweis, dass sie von einer Therapie mit Tamoxifen in Kombination mit
einer Antikörpertherapie profitieren. Da allerdings eine Kombination einer
endokrinen Therapie mit einer Antikörpertherapie bei postmenopausalen Frauen
einen Vorteil zeigt, wird häufig ebenfalls bei prämenopausalen Frauen eine
Kombination von Trastuzumab und Tamoxifen eingesetzt. Für postmenopausale
Patientinnen mit HR-positivem, HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs, ist
außerdem eine HER2-gezielte Therapie in Verbindung mit einem
Aromataseinhibitor als effektiv anzusehen. Die vergleichende Betrachtung von
Trastuzumab und Lapatinib lässt derzeit offen, inwiefern oder ob eine der beiden
Substanzen einen Vorteil bei der Kombination mit einer endokrinen Therapie
bietet. Es ist allerdings in Betracht zu ziehen, dass Trastuzumab intravenös
verabreicht werden muss. Im Gegensatz dazu kann Lapatinib oral gegeben
werden, was in Verbindung mit einer oralen endokrinen Therapie für die Patientin
gegebenenfalls angenehmer ist. Allerdings treten häufiger Nebenwirkungen auf,
wie Rash und Diarrhoe.[12]
2.2.1 Pharmakologie von Trastuzumab
Bei Trastuzumab handelt es sich um einen rekombinanten humanisierten
Antikörper gegen das HER2-Onkoprotein. HER2 ist eine Rezeptortyrosinkinase
und wird in 20-30 % der Fälle auf der Plasmamembran der Mammakarzinomzellen
überexprimiert. Ist HER2 positiv, verschlechtert dies zwar die Prognose, aber
ermöglicht eine Antikörpertherapie als zusätzliche Therapieform.[15]
HER2 kann als Wachstumsfaktorrezeptor in mehrere Domänen unterteilt werden.
An die vierte dieser Domänen bindet Trastuzumab. Es kommt nach Bindung zur
Endozytose des Rezeptors und anschließend zum Abbau. Für die Wirkung
38
scheinen zudem sogenannte Antikörperrezeptoren vom Typ FC-γ eine Rolle zu
spielen, da die Zytotoxizität durch Trastuzumab ansteigt.[15]
Die HWZ von Tratuzumab liegt bei 28 Tagen. Häufig treten Schüttelfrost und
Fieber als Nebenwirkung auf. Es kann aber auch zu anaphylaktischen Reaktionen
mit Folge eines Bronchospasmus kommen. Dies tritt allerdings meist nur bei
Erstapplikation auf. Außerdem sollte die Wirkung auf das Herz bedacht werden, da
HER2-Rezeptoren auch hier vorzufinden sind. Dadurch verstärkt sich
möglicherweise die kardiotoxische Wirkung in Verbindung mit Anthrazyklinen.
Trastuzumab kann bei metastasiertem ER-postitivem/negativem HER2-postitivem
Mammakarzinom eingesetzt und auch in Verbindung mit Paclitaxel verabreicht
werden. [15]
2.2.2 Pharmakologie von Lapatinib
Bei Lapatinib handelt es sich um einen dualen Proteintyrosinkinase-Inhibitor, der
eingesetzt wird, wenn es zu einer Resistenzentwicklung gegenüber Trastuzumab
gekommen ist. Lapatinib blockiert sowohl HER1- als auch HER2-Rezeptoren. Bei
HER1 handelt es sich um einen Epidermal-Growth-Factor (EGF)-Rezeptor. Im
Unterschied zu Tamoxifen kann Lapatinib auf Grund der geringeren Molekülgröße
die Blut-Hirn-Schranke besser überwinden. Die Metabolisierung geschieht über
CYP3A4. Es wird dann über Faeces ausgeschieden. Die HWZ liegt bei 24
Stunden. Es kommt häufig zu Nebenwirkungen wie Durchfall (40%) und
Erythembildung (30%). Selten wirkt es kardiotoxisch (1-2 %). Außerdem kann ein
Hand-Fuß-Syndrom auftreten.[15]
2.2.3 Trastuzumab plus Anastrozol
Die Kombination von Trastuzumab und Anastrozol ist eine übliche First-LineTherapie bei postmenopausalen Frauen mit ER-/PR- und HER2-positivem
fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom. Die TanDEM Studie
(n=207) von B. Kaufmann et al. verglich eine Therapie mit Anastrozol (1mg/d per
oral) plus Trastuzumab (4mg/kg intravenös an Tag 1, dann 2mg/kg intravenös
wöchentlich) mit einer Monotherapie mit Anastrozol. Beiden Gruppen wurden
postmenopausale Frauen randomisiert zugeteilt. Die Ergebnisse zeigten eine
signifikante Verbesserung des PFS (4.8 versus 2.4 Monate; HR 0.63; 95% CI,
0.47-0.84), sowie eine (nicht signifikante) Verbesserung des OS (28.5 versus 23.9
39
Monate) für die Gruppe, die Trastuzumab plus Anastrozol erhielt. 70% der
Patientinnen wechselten zu einer Therapie mit Trastuzumab plus Anastrozol auf
Grund einer Tumorprogression. Bei einer kombinierten Therapie war jedoch eine
höhere Rate an Toxizitäten zu verzeichenen (alle Grade) wie zum Beispiel Fatigue
(21% versus 9%), Diarrhoe (20% versus 8%), Erbrechen (21% versus 4%) und
Pyrexie (18% versus 7%). Schwerwiegendere Toxizitäten (Grad 3/4) wurden
allerdings auch in der Gruppe beobachtet, die Anastrozol als Monotherapie erhielt.
[69]
2.2.4 Lapatinib plus Letrozol
Eine Kombination von Lapatinib und Letrozol stellt eine weitere Möglichkeit der
First-Line-Therapie dar. Da beide Substanzen oral verabreicht werden können ist
ihr Einsatz von besonderem Interesse. Eine randomisierte Studie von S. Johnston
et al.(n=219) untersuchte die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie bei
postmenopausalen Frauen mit Letrozol (2.5mg/d) und Lapatinib (1500mg/d) im
Vergleich zu einer Therapie mit Letrozol alleine. Die Ergebnisse zeigten eine
Verbesserung des PFS (8.2 versus 3 Monate, HR 0.71, 95% Cl 0.53-0.96) sowie
ein besseres klinisches Benefit (stabiles Erkrankungsbild > 6 Monate, 48% versus
29%; HR 0.4, 95% Cl 0.2-0.8) für die Gruppe, die eine Kombination von Letrozol
und Lapatinib erhielt. Aber auch hier war die Rate der Nebenwirkungen (Grad 3/4)
wie Diarrhoe (10% versus 1%) und Rash (1% versus 0%) bei einer
Kombinationstherapie höher.[70] Der Einfluss einer Kombinationstherapie auf das
OS wurde nicht erwähnt. Aber auf Grund der deutlichen Verbesserung des PFS
wurde eine Therapie mit Lapatinib plus AI durch die US Food and Drug
Administration (FDA) sowie die European Medicines Agency (EMA) anerkannt.[12]
2.3 Überblick über die endokrine Therapie und
Antikörpertherapie
Für die Auswahl der am besten geeigneten Therapie zur Behandlung eines
Mammakarzinoms spielt also die Tumorbiologie eine wichtige Rolle. Auf eine
endokrine Therapie wird zurückgegriffen, wenn der Hormonrezeptor (Östrogen
(ER)-/Progesteron (PR)) positiv ist. Eine Antikörpertherapie wird begonnen, wenn
der Human Epidermal Growth Factor 2 (HER2)- positiv ist. Die Antikörpertherapie
wird allerdings selten als Monotherapie verabreicht. Sie wird bei HR-positivem
40
Tumor mit endokriner Therapie und bei HR-negativem Tumor mit einer
Chemotherapie kombiniert gegeben.[12]
Abgesehen von der Tumorbiologie ist natürlich auch das Alter der Patientin, der
Fortschritt der Erkrankung und dergleichen ausschlaggebend. In manchen Fällen
(z.B. bei Gefahr von Organschädigungen) sollte sofort mit einer Chemotherapie
begonnen werden. Auf dieses Thema wird später (siehe Kapitel 2.5) noch
ausführlich eingegangen. Weiterhin ist für die Wahl der Therapie entscheidend,
welche Therapien bereits in der Vergangenheit durchgeführt worden sind
(besonders mit Rücksicht auf eine endokrine Therapie in der
Medikamentenhistorie) und ob die Patientin prämenopausal oder postmenopausal
einzustufen ist.[12]
Es gibt wenig Nachweis dafür, dass eine Kombination aus endokriner Therapie
und einer Chemotherapie ein längeres Überleben bei metastasiertem
Mammakarzinom aufweist als eine endokrine Therapie alleine. Da man die
Lebensqualität der Patientinnen erhöhen und die Nebenwirkungen - vor allem die
aggressiven Nebenwirkungen der Chemotherapie - reduzieren möchte, wird in der
Regel eine endokrine Therapie ohne Kombination mit einer Chemotherapie
empfohlen.[12]
Die folgenden zwei Abbildungen sollen noch einmal in einer zusammenfassenden
Übersicht darstellen wie sich der Verlauf der Entscheidungsfindung bei der
Auswahl einer geeigneten Therapie derzeit gestaltet.
Die Abbildung 7 stellt die endokrine Therapie bei HR-positivem, HER2-negativem
Mammakarzinom dar. Wie weiter oben angesprochen ist hier zunächst eine
Einordnung in prä- oder postmenopausal wichtig, da sich vor allem die First-LineTherapie unterscheidet. Außerdem sollten prämenopausale Patientinnen
zusätzlich ein GnRH-Analogon erhalten oder sich einer Ovarektomie unterziehen.
Wird dies von einer Patientin abgelehnt sollte eine Chemotherapie in Betracht
gezogen werden. First-Line wird für prämenopausale Patientinnen Tamoxifen (+
GnRH-Analoga) empfohlen. Bei weiterem Tumorprogress kann second-line auf
Fulvestrant oder ein AI (nach neueren Studien auch in Verbindung mit Palbociclib)
zurückgegriffen werden. Vor Beginn einer Second-Line-Therapie mit diesen
Substanzen ist es besonders wichtig den Zustand einer Postmenopause zu
41
erreichen, da diese Therapieherangehensweise eigentlich für postmenopausale
Patientinnen gedacht ist. Es sollte das Serum-Östradiol-Level bestimmt werden.
Ist dieses trotz ovarieller Suppression hoch wird eine Ovarektomie empfohlen.
Erweisen sich alle diese Therapiemöglichkeiten als erfolglos, gibt es third-line die
Option Megestrolacetat oder Medroxyprogesteron auszuprobieren. Des Weiteren
kann überlegt werden die Patientin an Studien anzubinden, die neuere
Therapieformen (z.B. zur Überbrückung von Resistenzen etc.) untersuchen.
Postmenopausal gilt als First-Line-Therapie der Einsatz von Aromataseinhibitoren.
Kommt es zum Tumorprogress trotz dieser Behandlung kann second-line auf
Megestrolacetat oder Medroxyprogesteron zurückgegriffen werden. Auch hier
sollte die Patientin ggf. in Studien eingeschlossen werden, die neuere
Therapieformen (z.B. zur Überbrückung von Resistenzen etc.) untersuchen.
Die Entscheidung zwischen den Optionen sollte immer individuell getroffen
werden und den klinischen Status, Komorbiditäten und Ziele bzw. Präferenzen der
Patientin berücksichtigen.
42
ER/PgR positiv
+
HER2 negativ
ET
(wenn mit
CT komibiniert
nur sequentiell)
prämenopausal
1st line
2nd line
Tamoxifen
+
GnRH Analoga
(oder Ovarektomie )
Fulvestrant oder
Aromataseinhibitor
+ Palbociclib
+ GnRH Analoga
(oder Ovarektomie)
postmenopausal
1st line
2nd line
Aromataseinhibitor
Je nach vorheriger
Therapie
z.B. Megestrolacetat
oder
Medroxyprogesteronacetat
3rd line
Abbildung 7: Endokrine Therapie des Mammakarzinoms
43
Abbildung 8 beschreibt die Antikörpertherapie. Hier ist es wichtig zusätzlich
zwischen HR-positiv und HR-negativ zu unterscheiden. Liegt ein HR-positives
Mammakarzinom vor, sollte Trastuzumab in Verbindung mit der entsprechenden
endokrinen Therapie gegeben werden. Bei Resistenzentwicklung gegenüber
Tamoxifen kann auf Lapatinib zurückgegriffen werden. Bei einem HR-negativem
Mammakarzinom sollte die Antikörpertherapie in Verbindung mit einer
Chemotherapie verabreicht werden. Beachtet werden sollte in diesem Fall, dass
ein Anthrazyklin in Verbindung mit Trastuzumab vermieden werden sollte. Bei
einer Kombinationstherapie dieser Substanzen könnte die kardiotoxische Wirkung
verstärkt werden. Als Second-Line-Therapie kann entweder Trastuzumab in
Kombination mit einem anderen Chemotherapeutikum gegeben oder Trastuzumab
durch Lapatinib ersetzt werden. Lapatinib zeigte in Verbindung mit Paclitaxel sehr
gute Studienergebnisse. Wenn es auch second-line unter Trastuzumab und einem
weiteren Chemotherapeutikum zur Tumorprogression kommt, sollte spätestens
thrid-line zu Lapatinib gewechselt werden.
44
ER/PgR positiv
+
HER2 positiv
ER/PgR negativ
+
HER2 positiv
Schnelles
Wachstum,Metastasen,
junges
Erkankungsalter,
Hohes Grading (G III)
Antikörpertherapie
+
ET
Antikörpertherapie
+
CT
1st line:
Trastuzumab
+
Tamoxifen oder
Aromataseinhibitor
1st line:
Trastuzumab
+
CT(Anthrazyklin
Bei ResistenzEntwicklung:
Lapatinib
+
Tamoxifen oder
Aromataseinhibitor
vermeiden, da beide
Substanzen kardiotoxisch)
Tumorprogression
2nd line
Trastuzumab
+
alternative CT
2nd line
Lapatinib
+
CT (Paclitaxel)
Tumorprogression
3rd line
Lapatinib
+
CT (Paclitaxel)
Abbildung 8: Antikörpertherapie des Mammakarzinoms
45
2.4 Chemotherapie
Die Chemotherapie spielt nach wie vor eine wichtige Rolle bei der
pharmakologischen Behandlung des Mammakarzinoms. Für das triple-negative
Mammakarzinom stellt sie die Standardtherapie unter den pharmakologischen
Behandlungsmöglichkeiten dar und auch beim HR-negativem und HER2positivem Mammakarzinom ist sie eine wichtige Komponente des Therapieplans.
Zudem sollte bei allen Mammakarzinomen mit einer hohen Tumorlast, schneller
Progression, Metastasen in viszeralen Organen und Gefahr der Organschädigung
auf eine Chemotherapie zurückgegriffen werden.[71]
Da Chemotherapien sich insbesondere gegen schnell teilende Zellen richten,
könnte der Ki-67 Faktor für Zellwachstum einen Schluss darauf zulassen,
inwieweit eine Chemotherapie Wirkung zeigen wird.
Das Chemotherapieregime sollte individuell an die Patientinnen angepasst
werden. So gibt es mehrere Substanzen, die zur Therapie des Mammakarzinoms
eingesetzt werden können und auch die Möglichkeiten einer Mono- versus einer
Kombinationstherapie. Im Allgemeinen ist eine Monotherapie zu empfehlen, da sie
weniger Nebenwirkungen bei gleichem Gesamtüberleben (OS) zeigt. Sollte die
Ansprechrate und ein besonders schnelles Ansprechen auf die Therapie wichtiger
erscheinen als die Belastung der Patientin durch Nebenwirkungen, ist jedoch eine
Kombinationstherapie mit mehreren Wirkstoffen vorzuziehen. Beispiele für solche
Situationen sind Schmerzen auf Grund von Lebermetastasen oder Luftnot
hervorgerufen durch Lungenmetastasen. Des Weiteren spielt bei der
Therapieentscheidung der generelle Gesundheitszustand der Patientin eine Rolle.
So sollten zum Beispiel Patientinnen mit einer aktuellen oder aus der
Vergangenheit bekannten Herzerkrankung nicht mit Anthrazyklinen (kardiotoxisch)
behandelt werden. Bei Patientinnen mit Risiko für eine Hyperglykämie oder
Unverträglichkeit gegenüber Steroiden ist es vorzuziehen eher Substanzen ohne
steroidhaltige Prämedikation einzusetzten . Es sollte auch berücksichtigt werden,
dass Patientinnen mit Befall des Peritoneums, Schluckbeschwerden oder
Schwierigkeiten einem täglichen Therapieregime Folge zu leisten, für eine oral
eingenommene Substanz eher ungeeignet sind. Generell sollten für die Wahl des
Chemotherapeutikums in der Vorgeschichte bereits eingenommene Medikamente
46
und deren Nebenwirkungen mit einbezogen werden. Natürlich spielt auch der
Patientinnenwunsch eine große Rolle.[71]
Um die Nebenwirkungen wie z.B. erhöhte Thrombosegefahr so gering wie möglich
zu halten, wird empfohlen eine endokrine Therapie nicht mit einer Chemotherapie
zu kombinieren. Eine bereits 1998 von R. Fossati et al. durchgeführte
Metaanalyse von 189 Studien (n=31.510) konnte zeigen, dass eine Kombination
der beiden Therapiemöglichkeiten keinen Vorteil gegenüber der Therapie mit einer
Chemotherapie alleine brachte.[72]
2.4.1 Pharmakodynamik und -kinetik der Anthrazykline Doxorubicin
und Epirubicin
Anthrazykline spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Brustkrebs. Sie
können sowohl neoadjuvant als auch adjuvant oder bei metastasiertem
Mammakarzinom eingesetzt werden.[71] Derzeit werden vor allem Epirubicin und
Doxorubicin zur Therapie herangezogen, weshalb vor allem diese beiden
Substanzen im Folgenden dargestellt werden sollen.
Anthrazykline gehören zu der Gruppe der zytostatisch wirksamen Antibiotika und
werden aus Streptomycesarten isoliert. Auf Grund ihrer toxischen Eigenschaften
werden sie nicht zur Behandlung bakterieller Infektionen, sondern als
Chemotherapeutika eingesetzt.
Ihre zytotoxische Wirkung ist in der S-Phase des Zellzyklus am stärksten
ausgeprägt. Diese ist auf vier Vorgänge zurückzuführen:
•
die Interkalation in die DNA, welche zur Hemmung der
Nukleinsäuresynthese führt
•
der Induktion von Strangbrüchen durch eine hervorgerufene Hemmung der
Topoisomerase II
•
der Biotransformation zu freien Radikalen, welche ebenfalls zu
Doppelstrangbrüchen führen
•
die Bindung an Bestandteile der Zellmembran, die die Membranfluidität und
-permeabilität erhöhen
Doxorubicin weist eine HWZ von 30 – 50 Stunden auf. Seine Elimination erfolgt
hauptsächlich über die Biotransformation zum zytotoxisch aktiven Doxorubicinol.
47
Nur 5- 15% der verabreichten Dosis werden unverändert über die Niere
ausgeschieden. Epirubicin ist ein Epimer des Doxorubicin, das nach bisherigen
Untersuchungen weniger kardiotoxisch wirksam ist als Doxorubicin. Die HWZ von
Epirubicin liegt bei 18- 45 Stunden. Die Elimination erfolgt ebenfalls über
Biotransformation zum aktive Metaboliten Epirubicinol. Ungefähr 7% der
verabreichten Dosis werden unverändert renal ausgeschieden.[52]
Allgemein betrachtet kann gesagt werden, dass in den Vereinigten Staaten von
Amerika (USA) Doxorubicin und in Europa Epirubicin häufiger eingesetzt wird.
Auch das Pegylated-Liposomal-Doxorubicin sollte hier kurz angesprochen werden.
Es handelt sich hierbei um eine neuere Substanz. Es kann vor allem bei
Patientinnen eingesetzt werden, die ein weniger regelmäßiges Therapieregime
anstreben. Das Pegylated-Liposomal-Doxorubicin sollte in einer Dosis von 40
mg/m2 alle vier Wochen verabreicht werden. Es wies in einer Studie eine ähnliche
Wirksamkeit, aber geringere Nebenwirkungen als Doxorubicin auf (ORR 10-33%).
[71]
2.4.2 Dosierung, Neben- sowie Wechselwirkungen der Anthrazykline
Doxorubicin und Epirubicin
Anthrazykline werden intravenös verabreicht. Doxorubicin kann als Einzeldosis
von 60-75 mg/m2 Körperoberfläche alle drei Wochen oder als wöchentliche Dosis
von 20 mg/m2 über drei Wochen gefolgt von einer Woche Pause verabreicht
werden (ORR 30-47 %[71]). Die Gesamtdosis sollte auf Grund der kardiotoxischen
Wirkung nicht mehr als 450 mg/m2 Körperoberfläche betragen.
Epirubicin kann als Einzeldosis von 75-100 mg/m2 Körperoberfläche alle drei
Wochen oder als wöchentliche Dosis von 20-30 mg/m2 für drei Wochen gefolgt
von einer Woche Pause gegeben werden(ORR 42-50 %[71]). Die Gesamtdosis
sollte nicht mehr als 700 mg/m2 Körperoberfläche betragen, da es kardiotoxisch
wirksam ist.[52]
Zum Einsatz von Doxorubicin und Epirubicin ist ingesamt anzumerken, dass bei
der Behandlung Kardiotoxizität als irreversible Nebenwirkung von weitreichendem
Ausmaß auftreten kann. Da das Risiko mit der verabreichten Gesamtdosis
korreliert, ist der Einsatz dieser Chemotherapeutika nur eingeschränkt möglich.
48
Doxorubicin ist zusätzlich als sogenannter „Radiosensitizer“ klassifiziert. Das
bedeutet, dass die therapeutischen und toxischen Eigenschaften bei gleichzeitiger
Strahlentherapie verstärkt werden. Eine Kombination mit Amphotericin B führt zu
einer erhöhten nephrotoxischen Wirkung. Außerdem wurden Interaktionen mit
Substraten des Transportproteins P-Glykoprotein beobachtet.[52]
2.4.3 Pharmakodynamik und -kinetik der Taxane Paclitaxel und
Docetaxel
Laut den Leitlinien zur Behandlung des Brustkrebs kann ebenfalls eine
taxanhaltige Chemotherapie angestrebt werden.[11] Sie sind eine der wirksamsten
Stoffe beim metastasierten Brustkrebs und werden deshalb häufig als First-LineTherapie eingesetzt.[71] Es kommen vor allem Paclitaxel und Docetaxel zum
Einsatz, weshalb im Folgenden der Schwerpunkt auf der Beschreibung dieser
Stoffe liegen wird.[52]
Taxane wirken zytotoxisch und gehören zur Gruppe der Mitosehemmstoffe, wobei
sie den Zellzyklus in der G2- bzw. M-Phase blockieren. Sie verhindern den Abbau
des Spindelapparats und führen somit zur Blockade der Mitose, wodurch es
wiederum zur Hemmung des Zellzyklus kommt. Zunächst wird die Bildung der
Mikrotubuli beschleunigt. Dann binden die Taxane an die beta-Tubulinuntereinheit
und verhindern damit die Desaggregation des Spindelapparats. Spindeln, die in
der G2-Phase zum Stofftransport hergestellt werden, können somit nicht mehr
umgebaut werden. Zudem wird in der Mitosephase das Entstehen von
Kernspindeln verhindert.[52]
Taxane können von verschiedenen Eiben-Arten gewonnen werden. Einer der
therapeuthsich genutzten Wirkstoffe dieser Gruppe ist Paclitaxel. Es wird aus der
Rinde der pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) extrahiert. Da allerdings der heutige
Bedarf nicht mehr durch die natürlich vorkommende Form gedeckt werden kann,
wird es ebenfalls partialsynthetisch aus Baccatin hergestellt. Baccatin kommt in
europäischen Eibenarten (unter anderem Taxus baccata) in ausreichender Menge
vor. Paclitaxel hat eine HWZ von 6- 13 Stunden. Es wird zu 90% an
Plasmaporteine gebunden und nur 2- 13% werden unverändert über die Niere im
Harn ausgeschieden. Der Rest wird über das P450-Enzyme zu 6-alpha-HydroxyPaclitaxel, 3'-p-Hydroxy-Paclitaxel und 6-alpha-3'-p-Dihydroxy-Paclitaxel
abgebaut.[52]
49
Der zweite therapeutisch genutzte Wirkstoff ist Docetaxel, das durch SeitenkettenModifikation hergestellt wird. Docetaxel ist vor allem bei lokal fortgeschrittenem
oder bereits metastasiertem Mammakarzinom einzusetzen, das sich trotz
Chemotherapie progredient entwickelt oder während adjuvanter Therapie Rezidive
bildet. Es wird über CYP3A4 verstoffwechselt. Die HWZ von Docetaxel liegt bei 11
Stunden.[52]
2.4.4 Dosierung, Neben- sowie Wechselwirkungen der Taxane
Paclitaxel und Docetaxel
Paclitaxel sollte als intravenöse Infusion von 175 mg/m2 Körperoberfläche
verabreicht werden. Nach drei Wochen wird eine Wiederholung der Therapie
empfohlen.[52] Als weitere Möglichkeit können wöchentlich 80-100 mg/m2 (an
den Tagen 1, 8, und 15 eines 28-Tage Zyklus) verabreicht werden. Dieses
Regimen weist laut einer von Mauri et al. 2010 durchgeführten Metaanalyse einen
Vorteil des OS gegenüber dem drei-wöchentlichen Regimen auf (HR 0.78, 95% Cl
0.67-0.89).[73]
Es können jedoch Überempfindlichkeitsreaktionen durch den Lösungsvermittler
Cremophor EL hervorgerufen werden. Eine Überempfindlichkeitsreaktion sollte
deshalb vermieden werden, indem mit Dexamethason, einem H1Antihistaminikum oder einem H2-Antihistaminikum prämediziert wird.[52] In den
meisten Institutionen wird für die Prämedikation Dexamethason 20 mg in der
Nacht und am Morgen vor der Infusion eingesetzt. Als Nebenwirkung von
Paclitaxel wurden kurzfristige Knochenmarkssuppression und periphere
Nephropathien beobachtet.[71]
Docetaxel kann mit einer Dosis von 80-100 mg/m2 Körperoberfläche als Infusion
alle drei Wochen oder wöchentlich 30- 40 mg/m2 für drei Wochen und mit einer
Woche Pause gegeben werden. Im Gegensatz zu Paclitaxel zeigte hier eine
randomisierte Studie, dass das drei-Wochen-Schema ein besseres Ergebnis in
Hinsicht auf das erkrankungsfreie Überleben (DFS) als das wöchentliche Schema
ergab. Docetaxel ist außerdem mit einem hohen Risiko von Flüssigkeitsretention
verbunden, der durch eine Prämedikation mit Dexamethason vorgebeugt werden
kann.[71]
50
Sollte die Prämedikation mit Dexamethason ein Problem für die Verabreichung
eines Taxans darstellen, kann auf den Stoff Nab-Paclitaxel zurückgegriffen
werden. Er zeigt eine ähnliche Wirkung auf Brustkrebs wie die anderen Taxane,
aber bringt ein niedrigereres Allergierisiko als die anderen Stoffe aus dieser
Substanzklasse mit sich. Deshalb wird keine Prämedikation mit Dexamethason
benötigt. Somit ist Nab-Paclitaxel vor allem für Patientinnen geeignet, die ein
erhöhtes Risiko einer Hperglykämie (z.B. bei Vorhandensein eines Diabetes
mellitus) oder keine Toleranz gegenüber Steroiden zeigen.[71]
2.4.5 Vergleich von unterschiedlichen Taxanen
Das Risiko einer Neuropathie oder Myalgie als Nebenwirkung ist bei Paclitaxel
höher als bei Docetaxel. Dafür kann Paclitaxel im Gegensatz zu Docetaxel bei
milder bis moderater Leberdysfunktion eingesetzt werden. Zudem ist Docetaxel
(im drei-wöchentlichen Schema verabreicht) das am meisten myelosuppressiv
wirksame Taxan. Zusätzlich dazu können bei der Gabe von Docetaxel febrile
Neuropathie, Ödeme und gastrointestinale Beschwerden auftreten.[71]
In einer Phase-III-Studie verglichen S.E. Jones et al. die Wirksamkeit von
Docetaxel (100mg/m2) und Paclitaxel (175mg/m2). Beide wurden im 21-Tages
Zyklus verabreicht (also alle drei Wochen). Es wurden Patientinnen (n=449) mit
fortgeschrittenem Brustkrebs und Tumorprogress nach anthrazyklinhaltiger
Chemotherapie in die Studie eingeschlossen. Docetaxel wies eine signifikant
bessere Zeit bis zur erneuten Tumorprogression (5.7 versus 3.6 Monate; HR 1.64;
95% CI, 1.33-2.02) und ein signifikant besseres OS auf (15.4 versus 12.7 Monate;
HR 1.41; 95% CI, 1.15-1.73). Auch die allgemeine Ansprechrate gegenüber
Docetaxel war besser (32% versus 25%). Allerdings traten bei Gabe von
Docetaxel häufiger hämatologische und nicht-hämatologische Nebenwirkungen
auf. Die Lebensqualität der Patientinnen schien dadurch aber nicht negativ
beeinflusst zu werden. Zur Beurteilung der Ergebnisse dieser Studie ist jedoch zu
bedenken, dass Paclitaxel standardmäßig im wöchentlichen Zyklus verabreicht
wird wofür auch eine bessere Wirkung nachgewiesen wurde. Es wurde hier aber
nur im drei-wöchentlichen Zyklus gegeben, wodurch die Ergebnisse beeinflusst
worden sein könnten.[74]
51
Zum Vergleich des Einsatzes der Taxane Paclitaxel versus Nab-Paclitaxel liegen
ebenfalls Studien vor. H.S. Rugo et al. (Alliance Trial) führten eine randomisierte
Phase-III-Studie (n=799) zum Vergleich von Paclitaxel (90mg/m2), Nab-Paclitaxel
(150mg/m2) und Ixapepilon (16mg/m2) in Verbindung mit Bevacizumab durch. Die
Patientinnen waren chemotherapienaiv. Es zeigten sich im Vergleich von
Paclitaxel und Nab-Paclitaxel Nachteile beim progressionsfreien Überleben (11
Monate versus 9.3 Monate) und auch beim OS. Zudem kam es häufiger zu
schweren Nebenwirkungen in der Gruppe mit Nab-Paclitaxel behandeltn Gruppe.
Diese beinhalteten sensorische Neuropathie und hämatologische Toxizität.[75]
Besonders bei Paclitaxel ist zu beachten, dass es zur Entwicklung von
Resistenzen kommen kann. Diese sind wahrscheinlich auf die Bildung von
zellauswärtsgerichteten ABC-Transportern bzw. einer Strukturveränderung der
beta-Untereinheit des Tubulindimers zurückzuführen.[52]
2.4.6 Anthrazykline versus Taxane
Vergleicht man die Studienlage zu grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten von
Anthrazyklinen vs. Taxanen, so ist festzustellen, dass keine der beiden
Wirkstoffgruppen eine klare Überlegenheit gegenüber der anderen aufweist. Bei
dem Einsatz von Anthrazyklinen sollte die Kardiotoxizität beachtet werden, die
auch die Dauer der Therapie mit Anthrazyklinen limitiert. Bei adjuvant
eingesetztem Anthrazyklin sollte bedacht werden, dass der Einsatz im Falle des
Auftretens von Metastasen eingeschränkt ist. 2008 wurde eine Metaanalyse von
M.J. Piccart-Gebhart et al. durchgeführt (n=919). Die Ergebnisse zeigten, dass
Anthrazykline eine geringfügig bessere Ansprechrate (38% versus 33%) und ein
etwas besseres progressionsfreies Überleben (7 versus 5 Monate) vorweisen.[76]
Die Differenzen sind also gering und bei der Analyse der Ergebnisse können
einige Kritikpunkte aufgeführt werden wie die Heterogenität zwischen den
einbezogenen Studien, zu wenig Studien mit einem wöchentlichen
Therapieregime für Paclitaxel, Einschluss von Patientinnen mit oder ohne
vorherige endokrine Therapie und zu geringe Anzahl von Patientinnen, die
adjuvant mit Taxanen behandelt worden sind.[71]
52
2.4.7 Pharmakologie von Capecitabin
Capecitabin stellt die Standardtherapie dar, wenn das Mammakarzinom trotz
taxanhaltiger oder anthrazyklinhaltiger Therapie einen Progress zeigt.
Außerdem wird es relativ häufig bei ER-positivem, metastasiertem
Mammakarzinom eingesetzt, das trotz endokriner Therapie (mindestens zwei
Therapieversuche) progredient ist. Es scheint die Blut-Hirn-Schranke besser als
andere Chemotherapeutika zu passieren und kann deshalb besonders bei
Patientinnen mit Metastasen des zentralen Nervensystems von Vorteil sein.
Capecitabin ist ein Prodrug des Anit-Metaboliten Fluorouracil und kann auch bei
Leberdysfunktion eingesetzt werden. Es kann oral verabreicht werden und ist nur
selten mit Haarausfall oder Neuropathie als Nebenwirkung verbunden. Die primär
auftretenden Nebenwirkungen beinhalten das Hand-Fuß-Syndrom und Diarrhoe.
Es sollte in einer Dosis von 1000-1250 mg/m2 Körperoberfläche 2x täglich für 14
Tage gefolgt von 7 Tagen Pause verabreicht werden.[71]
Zwei Phase-II-Studien zeigten den Vorteil einer Therapie mit Capecitabin. In einer
Studie von P. Fumoleau et al. (n=126) wurden Patientinnen mit 1250 mg/m2
Capecitabin 2x täglich für 2 Wochen gefolgt von 1 Woche Pause behandelt. Die
Patientinnen hatten im Vorfeld bereits Therapien mit Taxanen oder Anthrazyklinen
erhalten. Die Zeit bis zur erneuten Tumorprogression betrug 4.9 Monate, das OS
lag bei 15.2 Monaten und die Ansprechrate auf die Therapie lag bei 28%.[77] Die
zweite randomisierte Studie (n=95) von J.A. Oshaughnessy verglich Capecitabin
(1255 mg/m2 2x täglich für 2 Wochen gefolgt von 1 Woche Pause) mit der
Kombinationstherapie Cyclophosphamid plus Methotrexat plus Fluourouracil
(CMF, intravenös alle 3 Wochen). Capecitabin zeigte eine höhere Ansprechrate
(30% versus 16%) und resultierte in einem etwas höheren OS (19.6 Monate
versus 17.2 Monate). Die progressionsfreie Zeit war ähnlich (4.1 versus 3.0
Monate).[78]
2.4.8 Weitere Chemotherapeutika
Für Patientinnen, bei denen die oben genannten standardmäßig eingesetzten
Chemotherapeutika auf Grund von Vorgeschichte, Nebenerkrankungen oder zu
starken Nebenwirkungen nicht eingesetzt werden können, bestehen weitere
Behandlungsmöglichkeiten mit Chemotherapeutika, für die auch eine
dokumentierte Wirksamkeit gegen Brustkrebs vorliegt. Zu diesen
53
Chemotherapeutika zählen die Wirkstoffe Eribulin, Gemcitabin, Etoposid,
Vinorelbin, Cisplatin und Carboplatin, die im Folgenden kurz dargestellt werden
sollen. Da diese Chemtherapeutika keinen Wirksamkeitsvorteil und teilweise
schwerere Nebenwirkungen als die Standardchemotherapeutika aufweisen,
werden diese selten bis nie oder nur in Kombination mit anderen Substanzen als
First-Line-Therapie angeboten.
Die erste Substanz auf die hier näher eingegangen werden soll ist Eribulin.
Eribulin wird aus einem Meeresschwamm gewonnen und inhibiert die
Polymerisation von Tubulin zu Mikrotubuli und somit die Replikation der
Tumorzellen. Es kann bei milder bis moderater Leberdysfunktion eingesetzt
werden. Die Neuropathie tritt seltener als Nebenwirkung auf als bei anderen
Chemotherapeutika, die als Mikrotubuli-Inhibitoren agieren.[71] Die Wirkung von
Eribulin konnte in einer Phase III Studie von J. Cortes et al. nachgewiesen werden
(n=762). Es wurden Patientinnen, die schon mutliple erfolglose Therapieversuche
hinter sich hatten, randomisiert entweder mit Eribulin oder einem anderen
Chemotherapeutikum behandelt. Eribulin zeigte eine signifikante Verbesserung
des OS (13.1 Monate versus 10.6 Monate; HR 0.81). In beiden Gruppen traten als
häufigste Nebenwirkungen Asthenie oder Fatigue (54% versus 40%) und
Neutropenie (52% versus 30%) auf. In 5 % der Fälle musste eine Therapie mit
Eribulin auf Grund einer peripheren Neuropathie abgebrochen werden.[79] Es
wurde eine weitere Studie von P.A. Kaufmann et al. durchgeführt, welche Frauen
mit metastasiertem Brustkrebs einschloss, die bereits eine taxan- und
anthrazyklinhaltige Therapie erhalten hatten. Eribulin wurde hier mit Capecitabin
verglichen. Es zeigte sich kein Unterschied in Hinsicht auf das PFS (4.1 versus 4.2
Monate; HR 1.08; 95% CI 0.93-1.25) oder die Ansprechrate (11% versus 11.5 %).
Auch das OS war nicht bedeutsam verbessert (15.9 Monate versus 14.5 Monate;
HR 0.88, 95% Cl 0.77-1.00).[80]
Eine weiterer Wirkstoff ist Gemcitabin. Dieses Chemotherapeutikum wird in
Verbindung mit Paclitaxel als First-Line-Therapie für das metastasierte
Mammakarzinom angeboten. Aber es kann in Ausnahmefällen auch als
Monotherapie angewendet werden. Die Dosierung liegt bei 1000 mg/m2 an Tag 1
54
und 8 eines 21-Tage Zyklus. Da es die Blut-Hirn-Schranke besser zu passieren
scheint als andere Chemotherapeutika, kann es besonders im Falle von
Metastasen des zentralen Nervensystems eingesetzt werden. Sowohl Alopezie als
auch gastrointestinale Beschwerden sind als Nebenwirkung gering. Es wird nicht
mit Neuropathien assoziiert.[71] Allerdings zeigte es in einer Studie, die
Gemcitabin und Epirubin als First-Line-Therapie ohne vorherige
anthrazyklinhaltige Therapie verglich, eine deutlich geringere progrssionsfreie Zeit
und ein geringeres OS.[81] Außerdem ist das Thrombozytopenierisiko erhöht und
kann daher – besonders bei stark vorbehandelten Patientinnen – nur limitiert
eingesetzt werden.[71]
Etoposid ist ein weiteres Chemotherapeutikum, das zur Therapie herangezogen
werden kann. Vorbehandelten Patientinnen zeigten eine Ansprechrate von 30%
gegenüber dieser Substanz. Es kann besonders gut bei langsam fortschreitender
Erkrankung oral verabreicht werden. Die Dosierung ist 50 mg/m2 täglich für 21
Tage alle 28 Tage. Es können hämatologische und gastrointestinale
Nebenwirkungen auftreten.[71]
Es soll auch der Wirkstoff Vinorelbin kurz vorgestellt werden. Hierbei handelt es
sich um ein intravenös (30 mg/m2 wöchentlich an den Tagen 1 und 8 alle 21 Tage)
verabreichtes Chemotherapeutikum, das ebenfalls bei vorbehandelten
Patientinnen als Monotherapie eingesetzt werden kann (ORR 25-45%). Als
Nebenwirkung können leichte Übelkeit, Erbrechen und Haarverlust auftreten.[71]
Als platinumhaltige Substanzen werden Carboplatin und Cisplatin eingesetzt.
Diese Chemotherapeutika werden selten als Monotherapie zur Behandlung des
metastasierten Mammakarzinoms herangezogen. Studiendaten lassen vermuten,
dass die ORR Cisplatin betreffend im Falle von nicht vorbehandelten Patientinnen
höher ist als bei vorbehandelten Frauen (42-54 % versus weniger als 10%).
Allerdings sind sie in Kombination mit anderen Chemotherapeutika von Interesse.
Besonders bei Tumoren, die einen geschädigten DNA-Reparatur-Prozess
vorweisen. Dies kann zum Beispiel bei einer BRCA1 Mutation oder auch einem
triple-negativem Tumor der Fall sein.[71]
55
Ein weiterer zu erwähnender Wirkstoff ist Ixabepilon. Er ist ein Epithelon, dass zu
der Klasse der nicht taxan-haltigen tubulinpolymerisierenden Substanzen gehört
und eine Aktivität bei taxanresistenten Patientinnen zeigt (ORR 19 %, OS 8.6
Monate). Es ist zwar von der US Food and Drug Administration (FDA) zugelassen,
aber in Europa nicht erhältlich, da die European Medicines Agency (EMA)
Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) beschlossen, dass der
Nutzen zu geringfügig und das Risiko einer peripheren Neuropathie (14 %, im
Vergleich mit Nab-Paclitaxel 25 %) hingegen zu hoch waren. Andere Dosierungen
werden aber weiterhin untersucht.[71]
2.4.9 Kombinationstherapien
Kombinationstherapien sind die Therapie der Wahl, wenn das schnellstmögliche
Ansprechen auf die Behandlung wichtiger als die höhere Wahrscheinlichkeit von
starken Nebenwirkungen ist. Dies ist zum Beispiel bei drohender
Organschädigung auf Grund der hohen Tumorlast der Fall. Man muss allerdings
bedenken, dass die Gesamtüberlebenszeit nicht durch den Einsatz von
Kombinationstherapien verbessert werden kann. Dies zeigte eine randomisierte
Phase-III- Studie (n=739) von G.W. Sledge et al. Sie verglichen eine Therapie mit
Doxorubicin (D, 60mg/m2/24h), Paclitaxel (P, 175mg/m2/24h) und einer
Kombination dieser beiden Chemotherapeutika (AT, 50mg/m2 und 150mg/m2/24h)
als First-Line-Therapie. Im Falle einer Tumorprogression bei Behandlung mit einer
Monotherapie wechselten die Patientinnen zur Kombinationstherapie. Die
Ergebnisse zeigten einen Vorteil der Kombinationstherapie in Hinblick auf die ORR
(47% (AT) versus 36% (D) und 34% (P)) und der Zeit bis zur Tumorprogression (8
Monate (AT) versus 5.8 Monate (D) und 6.0 Monate (P)). Wie bereits oben
erwähnt zeigte sich jedoch keine Verbesserung des OS (22 Monate (AT) versus
18.9 Monate (D) und 22.2 Monate (P)). [82] 2009 verfassten S. Carrick et al. eine
Metaanalyse von 43 Studien (n=9742, 55% erhielten eine First-Line-Therapie).
Diese Metaanalyse evaluierte wiederum, dass die Kombinationstherapie einen
Vorteil des OS mit sich bringen könnte (HR 0.88, 95% CI 0.83-0.93, p<0.00001).
Es zeigten sich aber auch gehäuft Nebenwirkungen wie Alopezie, Übelkeit und
Erbrechen. Es wurde nicht evaluiert wie sich eine Kombinationstherapie im
Vergleich zu einer aufeinanderfolgenden (sequentiellen) Therapie von
56
Monosubstanzen auswirkt.[83] Eine Review von 12 Studien von R.F. Dear et al.
(n=2317) zeigte keinen Unterschied des OS zwischen einer Sequentialtherapie
und einer Kombinationstherapie (HR 1.04; 95% CI 0.93-1.16; P = 0.45). Das
progressionsfreie Überleben war im Falle einer sequentiell verabreichten Therapie
höher. Die ORR war auch hier für eine Kombinationstherapie verbessert.[84]
2.4.9.1 Anthrazyklin- und Taxanhaltige Regime
Anthrazyklinhaltige Regime zeigen eine Ansprechrate von 60% bei vorher
unbehandelten Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom. Nachteilig wirkt
sich aus, dass sie toxischer als andere Chemotherapeutika sind. Besonders ihre
kardiotoxische Wirkung muss bedacht werden. Können Patientinnen zum Beispiel
auf Grund dieser hohen kardiotoxischen Wirkung keine Anthrazykline erhalten,
kann auf Taxane zurückgegriffen werden. Die Entscheidung für eines der Taxane
ist basierend auf der vorherigen Therapie und dem Nebenwirkungsprofil. Wurde
zum Beispiel Paclitaxel adjuvant bereits eingesetzt, empfiehlt es sich sich für ein
Regime mit Docetaxel zu entscheiden. Es liegt im dem Fall keine vollständige
Kreuzresistenz vor. Wurde vorher kein Taxan zur Behandlung herangezogen kann
individuell nach Patientin und Nebenwirkungsprofil entschieden werden.[71]
Mögliche taxanhaltige Regime sind Gemcitabin plus Paclitaxel oder Capecitabin
plus Docetaxel.
Gemcitabin (Dosierung: 1250 mg/m2 an Tag 1 und 8) plus Paclitaxel (Dosierung
175 mg/m2 an Tag 1) ist als First-Line-Therapie bei metastasiertem
Mammakarzinom möglich. Es zeigte in einer Studie von K.S. Albain et al. eine
ORR von 41.4 %.[85] In einer anderen Studie von S. Chan et al., die Gemcitabin
(Dosierung: 1000 mg/m2 an Tag 1 und 8) plus Docetaxel (Dosierung 75 mg/m2 an
Tag 1) untersuchte, stellte sich eine ORR von 32% heraus.[86] Diese Regime
wurden bislang nicht direkt miteinander verglichen. Allerdings könnte eine
Kombination von Gemcitabin und Docetaxel eine höhere Gefahr für
Nebenwirkungen mit sich bringen, da beide als Monosubstanz bereits
myelotoxisch wirken.[71]
57
Capecitabin (Dosierung: 1250 mg/m2 2x täglich für 14 Tage gefolgt von einer
Woche Pause) plus Docetaxel (Dosierung: 75 mg/m2 oder 100mg/m2 alle 21
Tage) bei mit Anthrazyklin vorbehandelten Patientinnen zeigte eine ORR von
42 %. Außerdem deutet diese Phase-III-Studie darauf hin, dass es einen Vorteil im
Überleben gegenüber Docetaxel alleine zeigt (J. O'Shaughnessy et al.).[87]
Andere Studien zeigen, dass Capecitabin plus Docetaxel von der Wirksamkeit her
gleichzustellen ist mit einer Therapie mit Gemcitabin plus Docetaxel, aber
toxischer wirkt als diese Kombination.[71]
Anthrazykline und Taxane können auch in Verbindung miteinander verabreicht
werden.[71] Die bereits weiter oben angesprochene Metanalyse von M.J. PiccartGebhart et al. untersuchte nicht nur den Unterschied von Taxanen und
Anthrazyklinen, sondern auch die Wirksamkeit von Taxanen in Kombination mit
Anthrazyklinen (n=3034). Die Ergebnisse zeigten bei Therapieregimen mit
Taxanen eine deutlich höhere ORR (57% versus 46 %, P < .001) und eine
Verbesserung des Risikos der Tumorprogression (HR 0.92, 95% Cl 0.85-0.99) als
bei Anthrazyklinregimen ohne Taxane. Es wurde kein Unterschied des OS im
Ergebnis festgestellt.[76] Es wird angenommen, dass für das neoadjuvante Setting
ein Chemotherapieregime, das ein Anthrazyklin plus Taxan enthält von Vorteil
gegenüber einem nicht taxanhaltigen Regimen ist.[71] Die folgende Tabelle soll
einen Überblick über die möglichen Kombinationen und ihre Ansprechraten beim
Mammakarzinom geben. Zusätzlich zu den Anthrazyklinen Doxorubicin und
Epirubicin und den Taxanen Paclitaxel und Docetaxel werden die Zytostatika
Cyclophosphamid und Fluorouracil für die Therapieregime herangezogen.
58
Therapieregime
ORR
Docetaxel+Doxorubicin+Cyclophosphamid 77,00% [Nabholtz et al.[88]]
(TAC)
Doxorubicin+Cyclophosphamid
(AC)
47-54% [Nabholtz et al.[89],
Biganzoli et al.[90]]
Fluorouracil+Epirubicin+Cyclophsosphamid 45-55% [Joensuu et al.[91], The
French Epirubicin Study Group[92]]
(FEC)
Doxorubicin+Paclitaxel
42,00% [Cassier et al.[93]]
(AT1)
Doxorubicin+Docetaxel
(AT2)
40-59% [Cassier et al. [93]Nabholtz
et al. 2003[89]]
Tabelle 4: ORR der Taxan-und Anthrazyklinhaltigen Therapieregime
2.4.9.2 Weitere mögliche Kombinationstherapien
Für Patientinnen bei denen die oben genannten Kombinationen nicht eingesetzt
werden können gibt es noch weitere Möglichkeiten. Eine davon ist Ixabepilon mit
Capecitabin zu kombinieren. Ixabepilon in einer Dosierung von 40 mg/m2 alle 3
Wochen in Kombination mit Capecitabin in einer Dosierung von 2000 mg/m2 2x
täglich für 14 Tage in einem 21-Tage-Zyklus zeigte in einer Phase-III-Studie von
E.S. Thomas et al. eine ORR von 35 %.[94] Eine weitere Möglichkeit besteht in
Cyclophosphamid plus Methotrexat plus Fluorouracil (CMF). Diese wird selten bei
metastasiertem Mammakarzinom zur Therapie eingesetzt, da es laut einer Studie
von M.R. Stockler et al. eine ähnliche ORR wie Capecitabin zu haben scheint. Die
ORR für dieses Therapieregime liegt bei 20%. Das OS stellte sich aber für
Capecitabin als besser heraus (22 versus 18 Monate; HR 0.72, 95% Cl 0.550.94).[95] Trotzdem kann CMF eine Option für Patientinnen sein, die Capecitabin
nicht vertragen oder zum Beispiel auf Grund von Schluckbeschwerden oral
verabreichte Medikamente nur erschwert zu sich nehmen können. Schließlich
existieren noch die platinhaltigen Regime. Platinsalze mit Taxanen, Vinorelbin oder
auch Gemcitabin als Kombination einzusetzen scheint vor allem bei Tumoren
deren DNA Reparatur Prozesse geschädigt sind von Vorteil zu sein. Ein Beispiel
hierfür wären einigen Untergruppen der triple-negativen Mammakarzinome. Aber
auch hier gibt es bislang keine Ergebnisse von prospektiven Studien, die einen
59
Vorteil im Gesamtüberleben gegenüber anderen Chemotherapeutika bzw.
Regimen zeigen konnten.[71]
Abschließend sei noch erwähnt, dass Chemotherapeutika nicht nur in Kombination
untereinander verabreicht werden können, sondern auch in Kombination mit
anderen Wirkstoffen. Hierzu würde eine Kombination mit einer endokrinen
Therapie zählen, von der bislang abgeraten wurde. Neuere Studien zeigen jedoch
eine gute Wirkung von Fulvestrant in Verbindung mit Capecitabin. Dies könnte
damit zusammenhängen, dass zwar eine endokrine Therapie mit Tamoxifen einen
antagonistischen Effekt gegenüber Chemotherapeutika zeigt, Fulvestrant
hingegen eine synergistische Wirkung vorweist und somit die Wirkung der
Chemotherapeutika unterstützt bzw. verstärkt.[96]
In einer Phase-II-Studie konnten L.S. Schwartzberg et al. eine gute Wirksamkeit
von einer Kombination von Fulvestrant mit Capecitabin und nur wenige
Nebenwirkungen (<10% Grad 3 Hand-Fuß-Syndrom) nachweisen.[97] Eine
Fallstudie von M. Nakai et al. konnte diese Beobachtungen bestätigen und
berichtet von einer sehr guten Wirksamkeit dieser Therapie bei einer stark
vorbehandelten Patientin. Es zeigten sich kaum Nebenwirkungen.[98] Diese
Kombination sollte noch weiter erforscht werden.
2.5 Überblick über die Chemotherapie
Abbildung 9 stellt einen allgemeinen Überblick über die Chemotherapie des
Mammakarzinoms dar. Hier ist zunächst die Entscheidung zwischen dem Einsatz
von Monosubstanzen oder einer Kombinationstherapie wichtig. Für eine
Monochemotherapie werden first-line Taxane oder Anthrazykline, second-line
Capecitabin und third-line Gemcitabin, Eribulin, Etoposid, Vinorelbin, Cisplatin
oder Carboplatin empfohlen. Außerdem kann eine Kombination von Paclitaxel
oder Capecitabin mit Bevacizumab in Erwägung gezogen werden. Bei
Bevacizumab handelt es sich um einen humanisierten, monoklonalen Antikörper,
der die Angiogenese hemmt. Allerdings wird eine Behandlung mit Bevacizumab
kontrovers diskutiert. Die Zulassung durch die FDA wurde 2011 auf Grund von zu
starken Nebenwirkungen bei fehlendem Nachweis einer Verbesserung des
Gesamtüberlebens bei Behandlung des Mammakarzinoms widerrufen.[99] In
60
Europa ist es nach wie vor durch die EMA zugelassen, da ein Nachweis der
Verlängerung des progressionsfreien Überlebens vorliegt. [100]
Bei der Entscheidung für die richtige Kombinationstherapie ist wichtig mögliche
Vorbehandlungen mit einzubeziehen. Wenn Patientinnen in der Vergangenheit
noch keine Chemotherapie mit Anthrazyklinen oder Taxanen erhalten haben, sollte
zunächst auf Docetaxel+Doxorubicin+Cyclophosphamid (TAC),
Docetaxel+Cyclophosphamid (AC), Fluorouracil+Epirubicin+Cyclophosphamid
(FEC), Doxorubicin+Paclitaxel (AT1) oder Doxorubicin+Docetaxel (AT2)
zurückgegriffen werden. Zeigte sich in der Historie eine mögliche Resistenz
gegenüber Anthrazyklinen, kommen Gemcitabin+Paclitaxel (GP),
Gemcitabin+Docetaxel (GD) oder Capecitabin+Docetaxel (CD) in Frage. Wird eine
Resistenz gegenüber Anthrazyklinen und Taxanen vermutet, kann zwischen
Vinorelbin+Capecitabin (VC), Gemcitabin+Capecitabin (GC),
Ixabepilon+Capecitabin (IC) und Cyclophosphamid+Methotrexat+Fluorouracil
(CMF) entschieden werden.
61
ER/PgR negativ
+
HER2 negativ
Chemotherapie
Monochemotherapie
st
1 line
Taxan
Anthrazyklin
(Kombination von
Paclitaxel mit
Bevacizumab in
Erwägung ziehen)
2nd line
3rd line
Kombinationschemotherapie
Anthrazyklinund Taxannaiv
Anthrazyklinresistent
Eribulin
Gemcitabin
Etoposid
Vinorelbin
Cisplatin
Carboplatin
Anthrazyklinund Taxanresistent
TAC
FEC
AC
AT1
AT2
GP
GD
CD
VC
GC
IC
CMF
Abbildung 9: Chemotherapie des Mammakarzinoms
62
3 Phytopharmaka
Phytopharmaka werden bislang nicht als primäre Therapie für das
Mammakarzinom angeboten, sie dienen derzeit nur dem komplementären Einsatz.
Es gibt jedoch Studien, die eine Wirkung bestimmter Phytopharmaka wie z.B.
Cimicifuga rhizoma auf Brustkrebs belegen. Zudem sollte ihr Einsatz zur
Behandlung von Nebenwirkungen der gewählten Therapie nicht unterschätzt
werden. Es können zum Beispiel prämenopausale Patientinnen, bei denen durch
die Therapie eine Menopause hervorgerufen wird, klimakterische Beschwerden
entwickeln. Diese können sehr gut mit der Hilfe von Phytopharmaka behandelt
werden.
In der folgenden Darstellung soll nun zunächst kurz auf Phytopharmaka im
allgemeinen eingegangen werden. Anschließend werden dann einige Stoffe aus
dieser Gruppe genauer dargestellt, die in Studien eine Wirkung auf
Mammakarzinomzellinien zeigten oder für die Behandlung von Nebenwirkungen
der Standardtherapien geeignet sind. Da sich die Literatur und auch Studienlage
in Bezug auf Chemie, Pharmakodynamik, Pharmakokinetik etc. für
Phytopharmaka sehr unterscheidet, wird im Folgenden teilweise mal weniger und
mal mehr detailliert auf diese Punkte eingegangen.
Phytopharmaka sind pflanzliche Arzneimittel, die im Arzneimittelgesetzbuch als
Stoffe aus "...Pflanzen, Pflanzenteilen und Pflanzenbestandteilen, Algen, Pilzen
und Flechten in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand." beschrieben werden.
[101] Sie unterliegen einer Zulassungspflicht. Das bedeutet, dass ihre
Wirksamkeit, Qualität und die Unbedenklichkeit ihres Einsatzes nachgewiesen und
von Bundesbehörden überprüft worden sein müssen. Somit handelt sich um
wissenschaftlich geprüfte Produkte, die zu den medikamentösen
schulmedizinischen Therapiemöglichkeiten zählen. Der Einsatz von
Phytopharmaka geschieht nach Regeln der Allopathie. Damit unterscheiden sie
sich von homöopathischen Mitteln und sind von diesen klar abzugrenzen. Im
Sozialgesetzbuch V ist festgehalten, dass der Patient das Recht auf eine
„adäquate, medizinisch fundierte und der Erfahrung der Ärzte entsprechende
Behandlung“ hat. Dabei besteht in der Verschreibbarkeit von Arzneimitteln kein
63
Unterschied zwischen chemisch-synthetischen Präparaten und pflanzlichen
Präparaten.[102] Im Gegenteil, der Patient hat nach § 31 Abs. 1 des SGB V, S.
548 den „Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln“.[103]
3.1 Cimicifugae rhizoma
Cimicifugae rhizoma, auch bekannt unter dem Namen TraubensilberkerzenWurzelstock, ist ein in der Gynäkologie bislang hauptsächlich für klimakterische
Beschwerden eingesetzter Stoff. Die Stammpflanze ist die Acteae racemosa (syn.
Cimicifuga racemosa). Sie kommt fast nur in definierten Gebieten innerhalb der
USA und Kanada vor. Die Droge wird aus den erst nach der Fruchtreife
gesammelten unterirdischen Teilen der Acteae racemosa gewonnen.[104] Die
Hauptinhaltsstoffe sind Triterpenglykoside, Phenolcarbonsäuren und
Phenylpropanoide. Die in dieser Droge enthaltenen Triterpene sind C30Triterpene, die biogenetisch wie Cycloartenol aufgebaut sind.[105]
3.1.1 Wirkung und Wirksamkeit
Für Cimicifugae rhizoma wird eine östrogenartige Wirkung vermutet, da der LHSerumspiegel bei in einem 1985 durchgeführten Versuch an ovarektomierten
Ratten deutlich reduziert werden konnte. Im Folgenden wurde eine Bindung von
lipophilen Inhaltsstoffen an Östrogenrezeptoren beobachtet. Mittels In-vitroStudien an Ratten wurde schließlich die Wirkung als SERM von Cimicifuga
nachgewiesen. Der Stoff Cimicifuga-BNO 1055 fiel durch eine besonders starke
Verdrängung von Estradiol an den Rezeptoren auf.[105]
Die Wirkungen von Cimicifuga-Extrakten am Östrogenrezeptor werden heutzutage
trotz dieser Studien kontrovers diskutiert. So vermuten manche, dass die Wirkung
bei klimakterischen Beschwerden wie den Hitzewallungen durch eine Affinität zu
den Serotoninrezeptoren 5-HT 1A, 5-HT 1D und 5-HT 7 zustande kommt. Da
Serotonin die LH-Ausschüttung der Hypophyse senkt, könnte auch dieses
Phänomen die Wirkung der Cimicifuga-Extrakte erklären. Die entsprechenden
Cimicifuga Rhizoma Liganden konnten allerdings noch nicht extrahiert dargestellt
werden.[105]
In randomisierten Doppelblindversuchen konnte die Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit definierter Extrakte zur Behandlung von klimakterischen
Beschwerden (sowohl psychisch als auch somatisch bedingt) bei peri- und
64
postmenopausalen Frauen eindeutig nachgewiesen werden. Die Symptomatik der
Hitzewallungen, Nervosität, Müdigkeit und Schweißausbrüchen besserte sich
insbesondere. Des Weiteren existieren In-Vitro-Studien, die eine hemmende
Wirkung auf humane Östrogenrezeptor-positive Brustkrebszellinien (T47D und
MCF-7) zeigen.[105] So konnte eine Studie von T. Nesselhut et al. bereits 1993
eine östrogenantagonistische Wirkung auf östrogenpositive Brustkrebszellinien
und somit eine antiproliferative Aktivität belegen.[106] Hostanska et al.
untersuchten in einer Studie die Wirkung von ethanolischen und
isopropanolischen Cimicifuga-Extrakten auf MCF-7 (östrogensensitive Zellen) und
MDA-MB231 (ER-negative Zellen). Dabei wiesen sie zusätzlich eine durch
Caspasen herbeigeführte Induktion der Apoptose nach. Diese Wirkung erklärt
ebenfalls den antiproliferativen Effekt der Droge, den sie in Bezug auf beide
Zelllinien zeigte. Die antiproliferative Wirkung war sogar mit der von Tamoxifen
vergleichbar.[107] Die für diese Wirkung zuständigen Stoffe scheinen die
Triterpenglykoside (besonders Actein, 23-epi-26-Desoxyacetein, Cimiracemosid A)
und die Zimtsäureester zu sein. Hierzu gab es mehrere Studien in denen L.S.
Einbond et al. besonders das Triterpenglykosid Actein [108] [109] und Hostanska
et al. die Triterpenglykoside und Zimtsäureester [110] als antiproliferative Stoffe
evaluierten.
Cimicifuga zeigt außerdem eine dopaminerge Aktivität am D2-Rezeptor und eine
osteoprotektive Wirkung. Zugelassen mit klinisch belegter Indikation ist das
Präparat bislang nur für die Besserung von „ prämenstruellen und
dysmenorrhoischen sowie klimakterisch bedingte(n) neurovegetative(n)
Beschwerden„ nach E-Monographie.[105] Derzeit wird von einem Einsatz von
Cimicifuga Präparaten bei Patientinnen, die auf Grund eines östrogensensitiven
Tumors in Behandlung gewesen sind, abgeraten. Trotzdem lassen die weiter oben
aufgeführten Studien eher auf einen positiven Effekt auf sowohl ER-positive als
auch ER-negative Zellen schließen. In Hinblick auf die gute Verträglichkeit der
Therapie sollten hier weitere Studien durchgeführt und mehr Erfahrungen
gesammelt werden. Es fehlen insbesondere klinische Studien.
3.1.2 Nebenwirkungen, Gegenanzeigen und Dosierung
Als Dosierung wird eine Tagesdosis von 40mg empfohlen. Es handelt sich um eine
galenische Zubereitung zur Einnahme, die nicht länger als 6 Monate verabreicht
65
werden sollte.[104] In seltene Fällen kann es zu Nebenwirkungen kommen wie
gastrointestinalen Beschwerden, Gewichtszunahme, Gesichtsröte, allergischen
Reaktionen der Haut oder auch einem Spannungsgefühl der Brust. Außerdem
können u.U. menstruationsähnliche Blutungen auftreten. Für die ebenfalls sehr
seltene Schädigung der Leber konnte kein Zusammenhang mit der Einnahme von
Cimicifuga Präparaten nachgewiesen werden. Leidet die Patientin jedoch bereits
unter einer Schädigung der Leber, sollte Cimicifuga nicht verabreicht werden.
[104]
3.2 Flavonoide
Geschichtlich leitet sich die Bezeichnung der Flavonoide von dem lateinischen
Wort flavus ab, das gelb bedeutet. Früher wurden Flavone (heute eine
Unterklasse der Flavonoide) als Inhaltsstoffe von Färbedrogen zum Gelbfärben
von Wolle und Baumwolle benutzt. Als man später herausfand, dass einige
weitere Pflanzeninhaltsstoffe denselben chemischen Aufbau wie Flavone
vorweisen, nannte man die gesamte Stoffklasse Flavonoide. Flavonoide lassen
sich in die Unterklassen Flavonone, Flavone, Flavononole, Flavonole, Flavandiole,
Flavanole und Anthocyanidine teilen.[105]
3.2.1 Chemie der Flavonoide
Es handelt sich bei Flavonoiden um sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe, die nur
in bestimmten Zelltypen produziert werden und für die Pflanze nicht
lebensnotwendig sind. Dies unterscheidet sie von primären Pflanzenstoffen.
Chemisch betrachtet enthalten Flavonoide 2 aromatische Ringe, Ring A und Ring
B. Das Substitutionsmuster von Ring A entspricht Phloroglycin oder Resorcin. Ring
B kann in unterschiedlichen Stellungen (4'Stellung, 3',4'-Stellung, 3', 4', 5'Stellung) hydroxyliert sein. Die beiden Ringe sind über eine C3-Brücke
miteinander verbunden, die unterschiedliche Oxidationsgrade aufweist. Dieser hat
zum einen einen starken Einfluss auf das analytische Verhalten der Stoffe und
dient zum anderen der Einteilung der Flavonoide in die entsprechenden
Unterklassen.[105]
3.2.2 Wirkung und Wirkungsmechanismus der Flavonoide
Es gibt über 8000 Flavonoide, die von unterschiedlicher chemischer Struktur sind
und somit auch eine andere Wirkung aufweisen.[111] Sie wirken antiallergisch,
66
antiphlogistisch, antiviral, antimikrobiell, antioxidativ, antiproliferativ,
antikanzerogen und neuroprotektiv.
Weitere Wirkungen, die nachgewiesen werden konnten sind:
•
analgetisch
•
spasmolytisch
•
hepatoprotektiv
•
antiulzerogen
•
antihypertensiv
•
kardioprotektiv
•
hypoglykämisch
•
mutagen
Flavonoide interagieren mit Biopolymeren wie der DNA oder Enzymen und
beeinflussen dadurch Signaltransduktionswege, die über mitogenaktivierte
Proteinkinasen (MAPK), den Transkriptionsfaktor Nuclear Factor κB (NF-κB) oder
die Extracellular Signal Regulated Kinase (ERK) laufen.[105]
Flavonoide inhibieren über 30 Enzyme und aktivieren Zellen des Immunsystems.
Sie können aber auch teilweise die Freisetzung von Mediatoren aus den Zellen
des Immunsystems hemmen und somit eine antiallergische und
entzündungshemmende Wirkung entfalten. Die entzündungshemmende Wirkung
wird durch die Inhibition von bestimmten Enzymsystemen gestärkt. Einige
Enzyme, die durch Flavonoide gehemmt werden, spielen bei Zellaktivierungs- und
Signaltransduktionsprozessen eine wichtige Rolle. Diese Wirkungen erklären die
antiphlogistische Wirkung der Flavonoide, sind aber ebenfalls bedeutsam für ein
mögliches Potenzial bei der Bekämpfung von Karzinomen. Für einen möglichen
Einsatz in der Onkologie ist zudem die Wirkung von Flavonoiden auf den TumorNekrose-Faktor alpha von Bedeutung. In einer Studie konnten für die als
Glykoside vorkommenden Flavonole Quercetin, Chrysin und Kaempferol ein
zytotoxischer Effekt auf ER-positive und -negative Zelle nachgewiesen werden.
[112] Außerdem besitzen Flavonoide Radikalfängereigenschaften und wirken
ebenfalls als Proteasominhibitoren. [105]
67
3.2.3 Bioverfügbarkeit, Metabolismus, Pharmakokinetik
Flavonoide sind in vielen Nahrungsmitteln vorhanden. Über diese werden sie
täglich in größeren Mengen aufgenommen. Therapeutisch sind sie hauptsächlich
als Glykoside in den Arzneidrogen vorhanden. Die Mechanismen der
gastrointestinalen Absorption bei oraler Aufnahme sind zu einem großen Teil noch
ungeklärt. Während Flavonoidglykone über die Magen-Darmwand resorbiert und
aufgenommen werden können, ist dies für Glykoside auf Grund ihrer Hydrophilie
nicht möglich. Untersuchungen mit Quercetin und Quercentinglykosiden zeigten,
dass nach oraler Einnahme Phase-2-Metaboliten entstehen. Im Plasma konnten
vier Glucuronide nachgewiesen werden (4'-, 3'-, 3- und 7-O- Glucoronide). Freies
Quercetin hingegen konnte nicht im Plasma gefunden werden. Die
Quercetinglykoside weisen außerdem eine unterschiedliche Bioverfügbarkeit auf
(Quercetin-3O-rutinosid maximale Plasmakonzentration nach 7h, Quercetin-4'-Oglucosid nach 0.7 h). Zudem scheint der Dünndarm bei der Aufnahme von
Flavonoiden (Aglykonen und Glucosiden) eine Rolle zu spielen.[105]
Isoflavonoide wie Daidzein-7-O-glucosid, die eine niedrigere Hydrolyserate
besitzen, stellen eine Ausnahme dar. Sie können als Glucoside resorbiert werden.
Warum das in diesem Falle möglich ist, wird nach wie vor diskutiert. Es könnte an
der Instabilität ihrer Aglykone oder aber auch an bislang noch nicht bekannten
Mechanismen liegen. Wenn sie einmal aufgenommen sind konjugieren die
Polyphenole und sind an Plasmaproteine gebunden über den Pfortaderkreislauf
verfügbar. Sie werden in der Leber metabolisiert. In-vitro konnte eine
Metabolisation über CYP1A1 und CYP1A2 nachgewiesen werden. Die
Metaboliten werden schließlich renal ausgeschieden.[105]
Zur Therapie werden flavonoidhaltige Arzneistoffe, aber auch einige Reinstoffe
eingesetzt. Bislang dienen sie als Herz-Kreislauf-Mittel, Diuretika, Spasmolytika
(bei Magen-Darm-Beschwerden), Antidementiva, Venenmittel und als
Lebertherapeutika. Sie werden derzeit nicht in der Behandlung von Tumoren
eingesetzt.[105]
68
3.2.4 Interaktionen mit anderen Medikamenten und unerwünschte
Wirkungen der Flavonoide
Durch die Hemmung von Enzymsystemen wie dem des Cytochrom (CYP) P450
und einzelner Isoformen wie zum Beispiel dem CYP3A4 kann es zu Interaktionen
mit anderen Medikamenten kommen. Zum Beispiel ändern sie die
Pharmakokinetik von Calciumantagonisten oder dem 17-β-Estradiol.
Unterschiedliche Flavonoidglykone, besonders Quercetin und andere Flavonole,
wiesen im Ames-Test (In-vitro-Kurzzeittest an Bakterien) eine mutagene Wirkung
auf. In-vivo-Studien an Ratten und Mäusen lassen allerdings vermuten, dass kein
kanzerogenes Risiko beim Menschen durch Einnahme dieser Substanzen vorliegt.
Besonders wichtig zu beachten ist, dass manche Flavonoide (z.B. Quercetin)
Bortezomib, ein beim multiplem Myelom zugelassener Proteasominhibitor,
hemmen können. Somit wird die Hemmwirkung von Bortezomib auf das
Proteasom aufgehoben.[105]
3.3 Mistel
Die Misteltherapie wird wie bereits erwähnt in den Leitlinien zur Behandlung von
Brustkrebs aufgeführt und sollte wie auch hier empfohlen nicht an Stelle einer
konventionellen Therapie verabreicht werden.[11] Trotzdem scheint sie einen
positiven Effekt auf das Immunsystem zu haben, das bei betroffenen
Tumorpatientinnen häufig geschwächt ist und unter Chemotherapien etc.
zusätzlich leiden kann. Wirkungen auf den Tumor an sich, also das rezidivfreie
Überleben oder die Überlebenszeit, konnten bislang nicht nachgewiesen werden
und werden kontrovers diskutiert.[104]
Die Stammpflanze ist Viscum album L., Viscaceae oder Loranthaceae. Sie gehört
zu den Halbschmarotzern und kommt in Europa und Asien vor. Sie wächst auf fast
allen Laubbäumen, ausgenommen der Buche. Zwei ihrer Unterarten wachsen nur
auf Nadelhölzern. Zudem wird sie aus der Türkei, Balkanländern und auch
Russland importiert.[104]
3.3.1 Inhaltsstoffe
Die Hauptinhaltsstoffe der Mistel sind Lektine. Dabei handelt es sich um Proteine,
die Ribosomen inaktivieren und ein spezifisches Bindungsverhalten für bestimmte
69
Zucker und Zelloberflächen aufweisen. Lektine liegen in unterschiedlichen Formen
vor, wobei insbesondere zu den Mistellektin I bis III viele Untersuchungen
vorliegen. Sie setzen sich aus zwei Peptidketten zusammen (A und B, A= 29,5
kDalton und B= 27,5 kDalton). Die Peptidkette B bindet spezifisch an Galactose
bzw. N-Acetyl-D-Galactosamin. Laubholzmisteln enthalten meistens Mistellektin I,
während Tannen- und Kiefernmisteln häufiger Mistellektin III enthalten. Weitere
Inhaltstoffe der Mistel sind die Viscotoxine. Dies sind Oligopeptide, die sich aus 46
Aminosäuren zusammensetzen. Flavonoide gehören ebenfalls zu den
Bestandteilen der Mistel, wozu Glykoside des Isorhamnetins und und Rhamnazins
bzw. Chalkonglykoside zählen. Phenylpropane und Lignane, Derivate der
Kaffeesäure, biogene Amine, Cyclitole, basische Proteine, Alkaloide und
Triterpene sind ebenfalls in Misteln enthalten.[104]
3.3.2 Wirkung und Wirksamkeit der Mistellektine
Die bedeutendste Wirkung der Mistellektine besteht darin, dass sie eine TH1Immunantwort auslösen, indem sie die Freisetzung von Cytokine wie TNF- alpha
und Interferon-γ aus den Zellen des Immunsystems induzieren. Dadurch wird das
Netzwerk des zellulären Immunsystems aktiviert. Außerdem wurde beobachtet,
dass sie zur Induktion der Apoptose führen, was wahrscheinlich durch einen basal
erhöhten intrazellulärer Ca++ Anstieg bzw. der Steigerung einer von H1- und
Komplement C5a-Rezeptor vermittelten Ca++ Erhöhung zu Stande kommt. Die
Peptidkette B bindet an die Zelle an, wohingegen die Peptidkette A eingeschleust
wird. Dadurch kommt es zur Störung des Stoffwechsels wie z.B. der
Proteinbiosynthese. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass Mistelextrakte
eine hemmende Wirkung auf Karzinome und Metastasierungen z.B. in der Lunge
und der Leber haben. Dies stimmt allerdings nicht mit der klinisch beobachteten
Wirksamkeit überein.[104]
Mistelpräparate scheinen stimmungsaufhellend und Lebensqualität verbessernd
zu wirken. Bei Patientinnen, die eine Chemotherapie erhalten, scheinen sie die
Anzahl von T-Helferzellen (Lymphozyten, CD4+), aktivierten T-Lymphozyten (CD
3+25+), das Verhältnis von CD4+/CD8+ (T-Suppressor-Lymphozyten) und die
Ausschüttung von β-Endorphinen zu erhöhen. In Studien verbesserte sich die
Lebensqualität, der Appetit (Zunahme des Körpergewichts), die Stimmungslage
70
und der Allgemeinzustand sowie die Leistungsfähigkeit. Weitere Studien stehen
noch aus.[104]
3.3.3 Darreichungsform und Durchführung
Die Misteltherapie ist nicht nur ein anthroposophisches Mittel, sondern kommt
auch innerhalb der rationalen Phytotherapie zum Einsatz. Hierfür gibt es
allopathische, phytotherapeutische Fertigarzneimittel, die sich über den
Mistellektingehalt standardisieren lassen. Es sollten nur Mistelpräparate mit
definiertem phytochemischen Spektrum verabreicht werden. In diesem Fall
bestehen die standardisierten Präparate aus wässrigen Auszügen aus ViscumAlbum-Arten.[113]
Zunächst sollte ein zellulärer Immunstatus bestimmt werden, nach dem sich die
Präparatwahl richtet. Die Dosierung liegt optimalerweise bei 0.5-1.0 ng
Mistellektin I pro Kilogramm Körpergewicht und sollte 2x pro Woche subcutan
verabreicht werden. Bei zu hoher Dosierung können Nekrosen auftreten. Der
Abstand zwischen den Applikationen sollte bei 72 Stunden liegen und die Therapie
für 2 Monate verabreicht werden. Es sollten keine Injektionen tumornah oder in
Bestrahlungsgebieten gesetzt werden. Nach 4-8 Wochen Pause sollte die
Therapie wiederholt werden. Die Pause dient der Wiederherstellung der
Reaktionsfähigkeit des gesamten Systems. Der Behandlungszeitraum liegt bei 5
Jahren.[113]
Derzeit findet sie Anwendung in der Segmenttherapie bei degenerativ
entzündlichen Gelenkerkrankungen, der Palliativtherapie (unspezifische
Reiztherapie) bei malignen Tumoren (E-Monographie) und zur Unterstützung des
Herz-Kreislaufsystems nach Paragraph 109 a in Kombination mit anderen Stoffen.
Die Frischpflanze, Schnitt- oder Pulverdroge wird zur Herstellung von
Injektionslösungen herangezogen.[104]
3.3.4 Nebenwirkungen und Kontraindikationen
Als Nebenwirkungen können Schüttelfrost, Kopfschmerzen, orthostatische
Kreislaufstörungen, hohes Fieber, pektanginöse Beschwerden sowie allergische
Reaktionen auftreten. Bei Leukämien und Lymphomerkrankungen ist eine
Misteltherapie kontraindiziert. Ihre immunmodulierende Wirkung kann diese
Grunderkrankungen verschlechtern. Auch bei immunogenen Tumoren wie dem
71
Nierenzellkarzinom oder malignem Melanom sollte eine Misteltherapie vermieden
werden. Gegenanzeigen sind eine Eiweiß-Überempfindlichkeit und chronisch
progrediente Infektionen wie Tuberkulose. Es sind keine Wechselwirkungen mit
anderen Medikamenten bekannt.[104]
3.4 Weitere Phytopharmaka
Im Rahmen dieses Kapitels soll eine Gruppe von Phytopharmaka dargestellt
werden, die vor allem zur Behandlung von Nebenwirkungen bei einer Therapie
des Mammakarzinoms eingesetzt wird. Sie sind jedoch in den Leitlinien bislang
nicht erwähnt und es liegen wenig Aussagen zur Behandlung des
Mammakarzinoms mit diesen Phytopharmaka vor. Aus diesen Gründen sollen sie
nicht so ausführlich wie die weiter oben behandelten Drogen besprochen werden.
3.4.1 Lignane
Im oben genannten Sinn sollen zunächst die Lignane (sekundärer Pflanzenstoff)
erläutert werden. Chemisch betrachtet sind Lignane dimere C6-C3-Körper
(Phenylpropanoide). Sie sind über das mittlere Kohlenstoffatom der C3Seitenkette verbunden. Die Konstellation der C3-Kette ist variabel. Da keine
charakteristische Gruppenreaktion aller Lignane bekannt ist, ist keine schnelle
Erkennung von diesem Pflanzenstoff möglich. Analytisch gesehen zeigen Lignane
das Verhalten von Phenolen, Phenolethern oder Phenolglykosiden. Sie sind
Inhaltstoffe in manchen Arzneidrogen wie der Taigawurzel oder auch Podopyhllin,
die im Folgenden noch genauer dargestellt werden. Auch als Reinstoffe z.B.
Podophyllintoxinderivate (Etoposid, Teniposid) haben sie eine Bedeutung.[105]
Podophyllum peltatum (Podophyllin) und auch Podophyllum emodi (indisches
Podophyllin) sind Berberitzengewächse. Das in dem getrockneten Wurzelstock
(Podophylli rhizoma) enthaltene Harz hat zum einen eine laxierende Wirkung,
kann aber auch äußerlich bei Condylomata acuminata aufgetragen werden.
Podophyllintoxine haben eine antimitotische Wirkung und wurden sogar
insbesondere beim Ovarialkarzinom als Zytostatika angewendet. Allerdings rief
diese Anwendung als Nebenwirkungen häufig Haarausfall, Leukopenien,
Erytheme, gastrointestinale und auch orthostatische Probleme hervor. Dies
machte den Einsatz als Zytostatikum uninteressant. Heute ist es für diese
72
Anwendung nicht mehr indiziert. Auf Grund der toxischen Wirkung sind sie
während einer Schwangerschaft kontraindiziert.[114]
3.4.2 Eleutherococci radix
Die Taigawurzel (Eleutherococci radix) kommt in Nordostasien mit Schwerpunkt
Ostsibirien vor. Sie enthält Lignane, monomere Phenylpropane und seine
Derivate, Cumarine, Triterpensaponine sowie Polysaccharide und Zucker. Nach
Monographie der Kommission E kann sie als Tonikum bei Müdigkeits- und
Schwächegefühlen, verschlechterter Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit und
während der Genesungszeit angewendet werden. Es konnte klinisch ein Anstieg
der Lymphozyten bei Gesunden nachgewiesen werden. Als Gegenanzeigen wird
hier Bluthochdurck angeführt, allerdings liegen keine Nachweise über
Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen vor. Zusätzlich zum Tonikum liegt die
Droge als Drogenpulver oder zerkleinert zur Teezubereitung vor. Nach § 9a kann
sie allein oder auch in Kombination mit anderen Präparaten „Zur Besserung des
Allgemeinbefindens“ eingesetzt werden.[104]
3.4.3 Ginseng radix
Die Ginsengwurzel (Ginseng radix) kommt vor allem im mittleren Ostasien vor.
Kultiviert wird die Pflanze außerdem in Korea, Nordostchina, Japan und im
russischen Sibirien. Die Wurzel enthält Ginsenoside (bisdesmosidische
Triterpensaponine), von denen mehr als 30 bekannt sind. Neben diesen sind
Polyacetylene, Sesquiterpenkohlenwasserstoffe, freie Phenolcarbonsäuren,
Peptidoglykane, Polysaccharide, ätherisches Öl und Stärke enthalten.
Sie kann wie die Taigawurzel als Tonikum bei Fatigue, verschlechterter Leistungsund Konzentrationsfähigkeit und während der Genesungszeit verabreicht werden.
Nach § 9a kann sie allein oder auch in Kombination mit anderen Präparaten „Zur
Besserung des Allgemeinbefindens“ eingesetzt werden. Nebenwirkungen treten
selten und erst bei hoher Dosierung auf. Es kann zu Schlaflosigkeit, Hypertonie,
Durchfällen, Nervosität oder Blutungen in der Menopause kommen.
Gegenanzeigen oder Wechselwirkungen sind keine aufgeführt. In In-vitro-, Exvivo- und In-vivo-Studien konnten Wirkungen auf die Zellproliferation, Steigerung
(Stimulation) der DNA- und Proteinsynthese, sowie immunmodulatorische,
antioxidative, adaptogene, antikomplementäre und mitogene Eigenschaften
73
nachgewiesen werden. Außerdem zeigte der Einsatz von Ginseng bei isolierten
Herzen von Ratten eine kardio- und endothelprotektive Wirkung. Bei an AIDS
Erkrankten konnte eine signifikante Erhöhung von immunkompetenten Zellen
nachgewiesen werden. Außerdem verbesserten Ginseng-Extrakte in weiteren
Studien die kognitiven Fähigkeiten.[104]
3.4.4 Hyperici herba
Hyperici herba im Volksmund als Johanniskraut sehr gut bekannt, wird heutzutage
kaum mehr aus dem Wildvorkommen verwertet, sondern in Deutschland,
Osteuropa und Chile kultiviert. Es enthält Hypericine, Hyperforine, Flavonoide,
Procyanidine, Xanthone, Phenolcarbonsäuren und ätherisches Öl. Es wird vor
allem bei depressiven Verstimmungen eingesetzt. Seine antidepressive Wirkung
konnte klinisch nachgewiesen werden. Nach Monographie der Kommission E
kann es demnach bei depressiven Verstimmungen, psychovegetativen Störungen
und auch Angst oder Nervosität eingesetzt werden. Als Nebenwirkung ist eine
mögliche Photosensibilisierung zu beachten, außerdem können gastrointestinale
Beschwerden, Müdigkeit oder auch allergische Reaktionen auftreten.[105]
Hypericin als Inhaltsstoff von Johanniskraut zählt zu den
Monoaminooxydasehemmern. Ölige Hypericumzubereitungen haben eine
antiphlogistische Wirkung und können bei äußerlichen Verletzungen, Myalgien und
auch leichten Verbrennungen aufgetragen werden. Extrakte dieser Droge erhöhen
die Aktivität des Enzyms Cytochrom-P450 3A4 (CYP3A4) und des
Transporterproteins P-Glykoprotein (P-gk). Als Folge führt es zu einem geringerem
Plasmaspiegel und damit einer abgeschwächten Wirkung von Antikoagulantien
des Cumarin-Typ, Ciprosporin, Tacrolimus, Digoxin, Indinavir und
Proteasehemmstoffen bei der HIV-Therapie, Zytostatika, Amitriptylin, Nortriptylin,
Theophyllin und Antikonzeptiva. Außerdem sind Wechselwirkungen mit Irinotecan
und Midazolam nachgewiesen. Da zur Behandlung des Mammakarzinoms einige
Pharmaka über das oben genannte Enzym verstoffwechselt werden, ist der
Einsatz von Johanniskraut hier genau abzuwägen und die Patientin sollte über
Wechselwirkungen informiert werden, da es eine bekannte Droge ist. Es kann als
74
geschnittene Droge, als Drogenpulver, als flüssige oder feste Zubereitung oral
verabreicht werden.[105]
3.4.5 Uncariae radix
Die Katzenkrallenwurzel (Uncariae radix) kann laut einer Studie zur Linderung von
Chemotherapieassoziierten Nebenwirkungen, vor allem der Neutropenie,
eingesetzt werden. Sie kommt hauptsächlich in den Regenwäldern von Mittel- und
Südamerika vor und enthält vor allem Indolalkaloide, wobei insbesondere die
Mitraphyllin und Pteropodin zu nennen sind. Zudem enthält sie pentazyklische
Triterpene vom Ursantyp, Ursolsäure- und Chinovinsäurederivate. Nachgewiesen
werden konnten eine immunstimulierende, antivirale, antientzündliche,
antioxidative und vasodilatatorische Wirkung.[115]
Zur adjuvanten Anwendung bei Tumorerkrankungen liegen keine klinischen
Nachweise vor, auch wenn die Katzenkrallenwurzel hier zum Einsatz kommt. Es
wurde eine hemmende Wirkung auf das Enzym CYP3A4 nachgewiesen. Deshalb
sollte auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten geachtet werden, die
über dieses Enzym verstoffwechselt werden. Normalerweise wird es als
Teezubereitung verabreicht. In Österreich gibt es außerdem rezept- und
apothekenpflichtige Kapseln, die allerdings als zusätzliche Behandlung zu einer
antirheumatischen Therapie gedacht sind.[115]
3.4.6 Rheum rhaponticum
Rheum rhaponticum ist ein Spezialextrakt aus sibirischem Rhabarber, das
angereichertes Rhaponticosid enthält. Er zählt zu der Stoffklasse der
Phytoöstrogene und wird hauptsächlich bei Wechseljahresbeschwerden
verabreicht.[104] Allerdings gibt es auch Studien, die eine hemmende Wirkung auf
Mammakarzinomzellinien zu zeigen scheinen. K.J. Nho et al konnten nachweisen,
dass ein Rheum Palmatum Ethanol Extrakt eine anit-metastatische Eigenschaft
besitzt, indem es Signaltransduktionswege beeinflusst.[116]
75
4 Material und Methoden
Diese Arbeit basiert auf einer ausführlichen Literaturrecherche über die
pharmakologische Betreuung des Mammakarzinoms unter Berücksichtigung der
heute vorhandenen Phytopharmaka. Für die Recherche habe ich zum einen
Fachbücher der Pharmakologie, Phytopharmakotherapie und Gynäkologie
herangezogen. Mit Hilfe dieser sollte ein Überblick über das Mammakarzinom, die
Tumorbiologie sowie die Pharmakologie der heute verwendeten Medikamente
gegeben werden. Des Weiteren stützt sich meine Recherche auf die Leitlinien zur
Therapie des Mammakarzinoms der „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen
Medizinischen Fachgesellschaften e.V.“ (AWMF) sowie des „National
Comprehensive Cancer Network“ (NCCN). Diese Leitlinien werden in
regelmäßigen Abständen den neuesten Studienergebnissen angepasst und sind
somit wissenschaftlich fundierte Therapieempfehlungen. Mit Hilfe der
regelmäßigen Überarbeitung und Anpassung an die neueste Studienlage werden
strenge Therapieschemata verhindert. Diese wären auf Grund der Variabilität
innerhalb der Patientinnenpopulation bezogen auf die Tumorbiologie,
Komorbiditäten, Unverträglichkeiten etc. sowie der immer schneller
voranschreitenden Forschung in der Praxis schwer umsetzbar. Mit Hilfe der
Leitlinien können Patientinnen individuell und in Anlehnung an die neueste
Wissenschaft bestmöglich behandelt werden. Anschließend habe ich eine
ausführliche Onlinerecherche durchgeführt, die sich vor allem auf „UpToDate“ ein
evidenzbasiertes Unterstützungssystem für klinische Entscheidungen und die
medizinische Datenbank „PubMed“ bezog. Es sollten die neuesten
Studienergebnisse mit Hilfe dieser ausführlich dargestellt werden.
76
5 Diskussion
Die pharmakologische Betreuung des Mammakarzinoms ist sehr breit gefächert.
Es gibt multiple Therapieoptionen, die sich nach Tumorbiologie, menopausalem
Status, Tumorlast und Tumorfortschritt richten. Viele präklinische und klinische
Studien zeigen gute Ergebnisse für eine große Anzahl an Wirkstoffen.
Auch wenn eine große Auswahl an Wirkstoffen existiert, ist der Therapieansatz
bislang häufig nicht kurativ. Eine Heilung kann in den meisten Fällen nur bei einem
primären lokoregionalen Mammakarzinom ohne Metastasierung und in
Verbindung mit einem operativen Eingriff erzielt werden. Zudem entstehen neue
Herausforderungen wie die Resistenzentwicklung gegenüber endokrinen
Therapieformen. Es gilt in der Zukunft Wirkstoffe zur Verhinderung oder
Überbrückung dieser zu finden. Es gibt neuere Studien, die ein Hinzufügen des
mTOR-Inhibitors Everolimus oder des HDAC-Inhibitors Etinostat zu den
Standardtherapien als neues Erfolgsrezept darstellen. Allerdings sind hier weitere
Studien nötig. Der CDK-4/6-Inhibitor Palbociclib ist bereits in Verbindung mit
Letrozol als Therapie für das Mammakarzinom zugelassen. Es existieren ebenfalls
vielversprechende Studienergebnisse für Palbociclib in Verbindung mit
Fulvestrant. Diese Kombination könnte in Zukunft anerkannt und in die Leitlinien
übernommen werden.
Des Weiteren scheint CIP2A ein vielversprechender Ansatzpunkt für weitere
Forschung, da durch dieses Onkogen der Zelltod verhindert wird. Bei
Ausschaltung von CIP2A kann die Apoptose wieder ermöglicht und das
unbegrenzte Wachstum der Tumore gestoppt werden. Dieser Ansatz wäre
gegebenenfalls auch für das triple-negative Mammakarzinom von Interessen. In
diesem Fall kann bislang nur auf eine Chemotherapie zurückgegriffen werden.
Durch den bevorzugten Einsatz von Monosubstanzen können die
Nebenwirkungen einer Chemotherapie zwar geringer gehalten werden, aber
trotzdem sollten in diesem Bereich die Forschungsanstrengungen gesteigert
werden, um auch diesen Patientinnen Alternativen anbieten zu können.
Meine Arbeit hat sich neben synthetisch hergestellten Pharmaka ebenfalls mit
Phytopharmaka auseinandergesetzt. Präklinisch zeigten Phytopharmaka einen
positiven Effekt auf Mammakarzinomzellinien. Da bislang eine klinische Evidenz
fehlt, könnten Stoffe aus dem Bereich der Phytopharmake zunächst in Verbindung
77
mit anderen Wirkstoffen geprüft werden, die als Standardtherapien gelten. Wie
zum Beispiel eine Studie von A. Minaei et al. nachweisen konnte, kann bei
Hinzufügen von Nano-Quercentin zu Doxorubicin dessen zytotoxische Wirkung
gesteigert und damit die Behandlungserfolge verbessert werden.[117] Für
Patientinnen die unter den Nebenwirkungen einer Chemotherapie leiden, könnte
durch Hinzufügen dieser weniger aggressiven Substanzen eventuell die Dosis
verringert werden.
Außerdem versuchen viele Patientinnen einen stationären Krankenhausaufenthalt
zu vermeiden. In dem Fall kann auf neuere oral verfügbare Substanzen
zurückgegriffen werden, deren Einnahme ambulant kontrolliert werden kann. Es ist
essentiell Patientinnen ausführlich über die Therapiemöglichkeiten und auch die
gefürchteten Nebenwirkungen aufzuklären. Eine gute Arzt/ÄrztinPatienten/Patientinnen Beziehung ist ausschlaggebend für das Vertrauen in und
den Erfolg einer Therapie.
Zudem ist es wichtig eine angenehme Umgebung für die schwer kranken
Patientinnen zu schaffen. Da einige eine adjuvante Therapie über Jahre hinweg
erhalten sollten Tumorzentren mit Ambulanzen entstehen, die die Patientinnen in
dieser Zeit mit dem entsprechenden Fachpersonal begleiten und betreuen
können. Auch die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Fachdisziplinen
ist von großer Bedeutung. So können z.B. Metastasen in den Knochen, der Leber
oder der Lunge zu weiteren Symptomen führen, die nicht durch die Gynäkologie
oder onkologische Gynäkologie abgedeckt werden können. Andere Disziplinen wie
die Innere Medizin und Viszeralchirurgie müssen gegebenenfalls hinzugezogen
werden. Auch der Allgemeinmediziner/die Allgemeinmedizinerin spielt für viele
Patientinnen als Ansprechpartner/Ansprechpartnerin eine wichtige Rolle. In der
Kommunikation ist es essentiell die Medikation abzustimmen, da es sonst zu
Wechselwirkungen kommen kann. Interdisziplinäre Ambulanzen wären eine
Möglichkeit die Kommunikation zu verbessern. Einige Patientinnen suchen
zusätzlich Heilpraktiker/Heilpraktikerinnen auf, vor allem um die Symptomatik und
die Nebenwirkungen von anderen Therapieformen zu verbessern. Phytopharmaka
können komplementär sehr gut zur Linderung von Symptomen, unerwünschten
Wirkungen und einer Verbesserung des Krankheitsverlaufs beitragen. Aber auch
dabei ist eine Abstimmung mit weiteren Medikamenten wichtig. Nur durch ein
78
gutes Zusammenarbeiten der Pharmakologie, der unterschiedlichen
Fachdisziplinen und Patientinnen ist die bestmögliche Therapie und eine weitere
Entwicklung der Therapieoptionen möglich.
79
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