Diplomarbeit Das Mammakarzinom - seine pharmakologische Betreuung mit Berücksichtigung der heute vorhandenen Phytopharmaka eingereicht von Lena Marie Gappa zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut / Klinik für Experimentelle und Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Graz unter der Anleitung von Univ.-Prof. i. R. Mag. Dr. Eckhard Beubler Ao.Univ.-Prof. Dr. med. univ. Josef Donnerer Graz, den 12.07.2016 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, den 12.07.2016 Lena Marie Gappa eh. i Vorwort Das Mammakarzinom ist die häufigste Tumorerkrankung der Frau weltweit und betrifft somit einen großen Teil der Bevölkerung. Eine gute fächerübergreifende Betreuung durch Gynäkologie, onkologische Gynäkologie und Allgemeinmedizin ist von großer Bedeutung. Da durch die heutige Medizin und Forschung ein immer schneller voranschreitender Fortschritt in Hinblick auf die Behandlung möglich geworden ist, soll meine Arbeit einen Überblick über diesen geben und die aktuell pharmakologischen Therapiemöglichkeiten darstellen. Da besonders die Chemotherapie und ihre Nebenwirkungen gefürchtet sind, ist die Frage nach anderen Therapiemöglichkeiten nach wie vor ein wichtiges Thema. Hier ist besonders der Fortschritt in Hinblick auf Unterschiede in der Tumorbiologie und damit Möglichkeiten einer endokrinen Therapie oder begleitenden Antikörpertherapie wichtig. Im ersten Teil der Arbeit wird ein Überblick über die Epidemiologie, Ätiologie, Tumorbiologie und Therapie des Mammakarzinoms insbesondere in Bezug auf die Leitlinien der „Arbeitsgemeinschaften der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.“ gegeben. Daraufhin werden die pharmakologischen Therapiemöglichkeiten ausführlich dargestellt unterteilt in endokrine Therapie, Antikörpertherapie und Chemotherapie. Im zweiten Teil der Arbeit werden dann die Phytopharmaka genauer erläutert. Diese können zum Teil für die Behandlung von Nebenwirkungen beispielsweise einer Chemotherapie herangezogen werden. In Hinblick auf die Phytopharmaka soll meine Arbeit ebenfalls näher bringen, an welcher Stelle sie in der Behandlung der eventuell gegebenen Symptomatik oder sogar Therapie des Mammakarzinoms eingesetzt werden können. Außerdem wird zusätzlich der rechtliche Aspekt bei der Behandlung des Mammakarzinoms mit Phytopharmaka berücksichtigt. ii Danksagungen Zunächst möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Betreuer Hr. Univ.-Prof. i. R. Mag. Dr. Beubler bedanken. Er hat es mir ermöglicht über dieses Interessengebiet zu schreiben und mich während dieser Zeit unterstützt. Vielen Dank für den komplikationslosen Ablauf. Dann gilt ein großes Dankeschön meinen Eltern, die mir immer eine große Stütze sind und mir überhaupt erst dieses Studium ermöglicht haben. Dafür, dass ihr immer an mich geglaubt habt, bin ich euch unendlich dankbar. Auch meinen beiden Schwestern danke ich von ganzem Herzen. Danke für die wunderbare Zeit, die wir immer gemeinsam haben und das Zuhause, zu dem ich immer wieder gerne zurückkehre und das die Quelle meiner Kraft ist. Zu guter Letzt möchte ich natürlich auch meinen Kommilitonen für eine unglaublich schöne Studienzeit danken. Ohne euch wäre diese Zeit niemals so besonders gewesen. Besonders Roman, Nora, Shirley, Jakob, Steffi, Birgit und Luki möchte ich für die tolle Freundschaft und die tollen Momente danken. Auch wenn wir mittlerweile am Ende unseres Studiums schon weit verteilt sind und uns teilweise etwas aus den Augen verloren haben, gilt euch ein ganz besonderer Dank. iii Zusammenfassung Für die pharmakologische Betreuung des Mammakarzinoms steht ein sehr breites Spektrum an Therapiemöglichkeiten zu Verfügung. Es stellt außerdem nach wie vor ein großes Forschungsgebiet mit stetigem Fortschritt und neuen Erkenntnissen dar. Die Therapiemöglichkeiten reichen von der endokrinen Therapie über die Antikörpertherapie bis hin zur Chemotherapie. Auch Kombinationen unterschiedlicher Wirkstoffe sind möglich. Für eine bestmögliche Therapie ist es essentiell je nach Tumorbiologie, Tumorlast, menopausalem Status und dem Wunsch der Patientin die richtigen Medikamente zu wählen. Die endokrine Therapie stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der pharmakologischen Betreuung des Mammakarzinoms dar. Durch sie konnten die Erfolge der systemischen Therapie deutlich verbessert werden. Sie betrifft die HRpositiven Mammakarzinome. Da es allerdings immer häufiger zu Resistenzentwicklungen gegenüber der Standardtherapien gekommen ist, ist es eine der größten Herausforderungen der heutigen Zeit Alternativen in diesem Bereich zu finden. Von einer Kombination der endokrinen Therapieformen mit Chemotherapien wird bislang abgeraten. Für das HER2-positive Mammakarzinom kommt eine Antikörpertherapie in Frage. Diese wird in der Regel mit Chemotherapeutika kombiniert verabreicht. Ist das Tumorgewebe zusätzlich HRpositiv, so kann eine endokrine Therapie mit einer Antikörpertherapie verbunden werden. Treffen die weiter oben genannten Szenarien nicht zu oder ist ein schnelles Ansprechen auf die Therapie auf Grund einer hohen Tumorlast, Metastasen und Gefahr der Organschädigung gefragt, so wird empfohlen eine Chemotherapie einzusetzen. Gefürchtete Nebenwirkungen der Chemotherapien werden durch die Vermeidung von Kombinationstherapien versucht gering zu halten. Nebenwirkungen wie das Erschöpfungssyndrom (Fatigue), Müdigkeit und dem Angriff des Immunsystems können durch Phytopharmaka gelindert werden. Diese können einen sehr positiven Einfluss auf das Allgemeinbefinden haben. Allerdings muss auf Wechselwirkungen acht gegeben werden. Einige Phytopharmaka wie Extrakte von Cimicifuga, Rheum Palmatum oder auch aus der Gruppe der Flavonoide, zeigen in In-Vitro-Studien einen vielversprechenden Effekt auf östrogensensitive und östrogennegative Mammakarzinomzellen. Allerdings fehlen bislang klinische Studien. iv Abstract Nowadays there are a lot of pharmacological therapy options for breast cancer and it is one of the major research areas with constant progress and improvement. The treatment options include endocrine therapy, targeted therapeutic antibodies and chemotherapy. Moreover a combination of different pharmaceutical substances is possible. It is essential to choose the right medication for the best treatment depending on tumor biology, tumor burden, menopausal status and not to forget the patient's wish. One of the greatest milestones was the discovery of the endocrine therapy for hormone receptor positive breast cancer. But patients seem to develop resistances, so it is one of the greatest challenges of today's research to find alternative treatment possibilities. For HER2-positive breast cancer targeted therapeutic antibodies are used and are normally combined with either endocrine therapy (for hormone receptor positive breast cancer) or chemotherapy. In case of high tumor burden, metastasis, risk of organ damage and a required fast therapy response, chemotherapy is the recommended therapy option. In order to keep undesirable side effects as low as possible the combination of chemotherapeutical substances is avoided. In addition to that, side affects such as fatigue or the attack of the immune system, can be reduced by phytopharmaceuticals. They show a positive effect on the general condition of patients. However, interactions between different types of drugs need to be considered. Some phytopharmaceuticals such as Cimicifuga, Rheum palmatum or Flavonoides show promising results in in-vitro-studies on estrogen positive and negative breast cancer cells. But clinical studies have been mainly missing up to now. v Inhaltsverzeichnis Vorwort......................................................................................................................ii Danksagungen.........................................................................................................iii Zusammenfassung.................................................................................................. iv Abstract.....................................................................................................................v Glossar und Abkürzungen....................................................................................... ix Abbildungsverzeichnis............................................................................................. xi Tabellenverzeichnis.................................................................................................xii 1 Einleitung und Grundlagen zur Therapie des Mammakarzinoms..........................1 1.1 Epidemiologie .............................................................................................. 1 1.2 Ätiologie........................................................................................................ 3 1.3 Tumorbiologie............................................................................................... 3 1.4 Therapie........................................................................................................4 1.4.1 Therapieempfehlung für die lokoregionale Primärerkrankung.........5 1.4.2 Therapieempfehlung für das metastasierte Mammakarzinom ........8 1.4.3 Therapieempfehlung für komplementäre Therapieformen ..............10 1.4.4 Einteilung der Therapieansätze in First-, Second-, und Third-Line. .10 2 Pharmakologische Betreuung..............................................................................10 2.1 Endokrine Therapie...................................................................................... 11 2.1.1 Selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs) ........................12 2.1.1.1 Chemie der SERMs...............................................................12 2.1.1.2 Wirkungsmechanismus der SERMs......................................13 2.1.1.3 Pharmakodynamik und -kinetik der SERMs Tamoxifen und Toremifen........................................................................................... 14 2.1.1.4 Nebenwirkungen von Tamoxifen und Toremifen...................15 2.1.1.5 Indikation und Resistenzentwicklung von Tamoxifen und Toremifen ........................................................................................................... 16 2.1.1.6 Everolimus in Kombination mit Tamoxifen............................17 2.1.2 Aromataseinhibitoren........................................................................ 18 2.1.2.1 Unterschiede in der Chemie von Letrozol, Anastrozol und Exemestan.........................................................................................21 2.1.2.2 Unterschiede der Pharmakokinetik von Letrozol, Anastrozol und Exemestan.........................................................................................22 vi 2.1.2.3 Kombination von Exemestan und Etinostat..........................22 2.1.2.4 Kombination von Everolimus und Exemestan...................... 23 2.1.2.5 Kombination von Palbociclib und Letrozol............................25 2.1.3 Der Östrogenrezeptorantagonist Fulvestrant...................................25 2.1.3.1 Kombination von Palbociclib plus Fulvestrant.......................27 2.1.3.2 Kombination von Fulvestrant und Anastrozol........................27 2.1.4 Gestagene ........................................................................................29 2.1.4.1 Chemie der Gestagene......................................................... 29 2.1.4.2 Pharmakokinetik und Pharmakodynamik der Gestagene.....30 2.1.4.3 Indikation für Gestagene ...................................................... 31 2.1.4.4 Nebenwirkungen der Gestagene..........................................33 2.1.4.5 Interaktionen und Kontraindikationen der Gestagene..........33 2.1.5 Selektive-Progesteronrezeptor-Modulatoren (SPRMs)....................33 2.1.6 Weitere endokrine Therapiemöglichkeiten.......................................35 2.2 Antikörpertherapie........................................................................................ 37 2.2.1 Pharmakologie von Trastuzumab..................................................... 38 2.2.2 Pharmakologie von Lapatinib...........................................................39 2.2.3 Trastuzumab plus Anastrozol............................................................39 2.2.4 Lapatinib plus Letrozol...................................................................... 40 2.3 Überblick über die endokrine Therapie und Antikörpertherapie...................40 2.4 Chemotherapie............................................................................................. 46 2.4.1 Pharmakodynamik und -kinetik der Anthrazykline Doxorubicin und Epirubicin....................................................................................................47 2.4.2 Dosierung, Neben- sowie Wechselwirkungen der Anthrazykline Doxorubicin und Epirubicin........................................................................ 48 2.4.3 Pharmakodynamik und -kinetik der Taxane Paclitaxel und Docetaxel. 49 2.4.4 Dosierung, Neben- sowie Wechselwirkungen der Taxane Paclitaxel und Docetaxel................................................................................................... 50 2.4.5 Vergleich von unterschiedlichen Taxanen.........................................51 2.4.6 Anthrazykline versus Taxane............................................................ 52 2.4.7 Pharmakologie von Capecitabin....................................................... 53 2.4.8 Weitere Chemotherapeutika ............................................................ 53 2.4.9 Kombinationstherapien..................................................................... 56 vii 2.4.9.1 Anthrazyklin- und Taxanhaltige Regime................................57 2.4.9.2 Weitere mögliche Kombinationstherapien.............................59 2.5 Überblick über die Chemotherapie...............................................................60 3 Phytopharmaka.................................................................................................... 63 3.1 Cimicifugae rhizoma..................................................................................... 64 3.1.1 Wirkung und Wirksamkeit................................................................. 64 3.1.2 Nebenwirkungen, Gegenanzeigen und Dosierung...........................65 3.2 Flavonoide.................................................................................................... 66 3.2.1 Chemie der Flavonoide ....................................................................66 3.2.2 Wirkung und Wirkungsmechanismus der Flavonoide .....................66 3.2.3 Bioverfügbarkeit, Metabolismus, Pharmakokinetik...........................68 3.2.4 Interaktionen mit anderen Medikamenten und unerwünschte Wirkungen der Flavonoide........................................................................................... 69 3.3 Mistel.............................................................................................................69 3.3.1 Inhaltsstoffe.......................................................................................69 3.3.2 Wirkung und Wirksamkeit der Mistellektine...................................... 70 3.3.3 Darreichungsform und Durchführung...............................................71 3.3.4 Nebenwirkungen und Kontraindikationen ........................................ 71 3.4 Weitere Phytopharmaka............................................................................... 72 3.4.1 Lignane............................................................................................. 72 3.4.2 Eleutherococci radix..........................................................................73 3.4.3 Ginseng radix ................................................................................... 73 3.4.4 Hyperici herba................................................................................... 74 3.4.5 Uncariae radix................................................................................... 75 3.4.6 Rheum rhaponticum..........................................................................75 4 Material und Methoden........................................................................................ 76 5 Diskussion............................................................................................................ 77 6 Literaturverzeichnis.............................................................................................. 80 viii Glossar und Abkürzungen AI Aromataseinhibitoren AC Docetaxel+Cyclophsphamid AR Androgenrezeptor AT1 Doxorubicin+Paclitaxel AT2 Doxorubicin+Docetaxel AWMF Arbeitsgemeinschaften der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. CBR Rate für das klinische Benefit CD Capecitabin+Docetaxel CDK Cyclin Dependent Kinases CHMP Committee for Medicinal Products for Human Use CI Confidence Interval CIP2A Cancerous inhibitor of protein phosphatase 2A CMF Cyclophosphamid+Methotrexat+Fluorouracil CT Chemotherapie CYP Cytochrom DF Disease Free DVT Tiefe Venenthrombose EFS Ereignisfreie Überleben EMA European Medicines Agency ER Östrogenrezeptor ET Endokrine Therapie FDA Food and Drug Administration FEC Fluorouracil+Epirubicin+Cyclophosphamid FSH Follikelstimulierendes Hormon GC Gemcitabin+Capecitabin GD Gemcitabin+Docetaxel GnRH Gonadotropin-Releasing-Hormon GD Gemcitabin+Docetaxel HDAC Hyston Deacetylase HER2 Human Epidermal Growth Factor 2 ix HR Hormonrezeptor IC Ixabepilon+Capecitabin LH Luteinisierendes Hormon LJ Lebensjahr mTOR mammalian target of rampamycin NCCN National Comprehensive Cancer Network OR Odds Ratio ORR Gesamtansprechrate OS Gesamtüberleben PFS Progressionsfreies Überleben PR Progesteronrezeptor RH Relative Hazards RR Relatives Risiko SERD Selektiver-Östrogen-Rezeptor-Downregulator SERM Selektiver-Östrogenrezeptor-Modulator SPRM Selektiver-Progesteronrezeptor-Modulator TAC Docetaxel+Doxorubicin+Cyclophosophamid VC Vinorelbin+Capecitabin x Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Estimated age-standarised rates (World) per 100.000 .......................2 Abbildung 2: Chemische Struktur von Diethylstilbestrol, Tamoxifen und Toremifen .................................................................................................................................13 Abbildung 3: Aufbau des Östrogenrezeptors ......................................................... 14 Abbildung 4: Chemische Struktur von 1 H-1-2-4-Triazol, Anastrozol und Letrozol .................................................................................................................................21 Abbildung 5: Chemische Struktur von Adrostendion und Exemestan ...................22 Abbildung 6: Chemische Struktur von Progesteron, 17-alpha-Hydroxyprogesteron, Medroxyprogesteron-Acetat und Megestrolacetat ................................................30 Abbildung 7: Endokrine Therapie des Mammakarzinoms......................................43 Abbildung 8: Antikörpertherapie des Mammakarzinoms........................................45 Abbildung 9: Chemotherapie des Mammakarzinoms............................................. 62 xi Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Biologische Subtypen des Mammakarzinoms.........................................4 Tabelle 2: Therapieempfehlung Mammakarzinom lokoregionale Primärerkrankung ...................................................................................................................................7 Tabelle 3: Therapieempfehlung Mammakarzinom metastasiert...............................9 Tabelle 4: ORR der Taxan-und Anthrazyklinhaltigen Therapieregime....................59 xii 1 Einleitung und Grundlagen zur Therapie des Mammakarzinoms In diesem Kapitel werden die wichtigsten Grundlagen zum Mammakarzinom und dessen Therapie behandelt. Es wird näher auf das Vorkommen, die Ursachen und auch die Tumorbiologie eingegangen. Zur Therapie werden besonders die Leitlinien zusammengefasst dargestellt. Dies dient als Grundlage für das Verständnis der pharmakologischen Betreuung. Da die Inzidenz des Mammakarzinoms für Männer unter 1/100 000 Männern liegt und somit Frauen viel häufiger betroffen sind, soll in dieser Arbeit das Augenmerk auf die Therapie der Frau gerichtet werden. [1] 1.1 Epidemiologie Das Mammakarzinom ist die am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung bei Frauen weltweit. Das heißt im Jahr 2012 wurde laut der International Association on Research of Cancer bei 1.67 Millionen Frauen Brustkrebs neu diagnostiziert. Dies entspricht 25% aller 2012 neu diagnostizierten Tumore. In 522 000 Fällen führte die Erkrankung zum Tod. [2] Da es bei unterschiedlicher Bevölkerungszahl und -aufbau schwer ist die Inzidenz und Mortalität genau zu bestimmen, handelt es sich hierbei um geschätzte Werte. Um einen Vergleich verschiedener Kontinente möglich zu machen, wird eine so genannte „age-standardised rate“ herangezogen. Diese bezieht sich auf 100 000 Personen (in diesem Fall Frauen), deren Altersverteilung dem Bevölkerungsaufbau entspricht. [1] Betrachtet man nun die Inzidenz unterschiedlicher Kontinente, wird deutlich, dass hier erhebliche Unterschiede bestehen. Nordamerika und Westeuropa haben beispielsweise die weltweit höchste Inzidenz von ca. 92 pro 100 000 Frauen. Im Gegensatz dazu weist zum Beispiel Mittelafrika eine Inzidenz von ca. 27 pro 100 000 Frauen auf. Es besteht jedoch trotz der deutlich höheren Inzidenzrate kein großer Unterschied in Hinblick auf die Anzahl der Todesfälle. Die Mortalität liegt sowohl in Westeuropa als auch in Mittelafrika bei ca. 17 pro 100 000 Frauen. In Nordamerika ist sie mit ca. 15 pro 100 000 Frauen sogar etwas niedriger (siehe Abbildung 1). Dies ist wahrscheinlich auf besser umsetzbare Screeningmethoden und eine fortgeschrittenere medizinische Versorgung in Kontinenten wie Nordamerika und Westeuropa zurückzuführen. [2] 1 1.2 Ätiologie Ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Mammakarzinoms ist zum einen das Alter. Während das Risiko zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr (LJ) noch bei 1:252 liegt, steigt es zwischen dem 60. und 70. LJ auf 1:27 an. [6] Weiterhin scheint der Hormonhaushalt eine Rolle zu spielen. Eine frühe Menarche (relatives Risiko (RR) < 12. LJ = 1.3 [7], eine späte Menopause (RR > 55. LJ = 2.0), hohes Alter zum Zeitpunkt der ersten Geburt (RR > 30. LJ = 1.9) beziehungsweise Nullipara (RR = 1.5) erhöhen das Risiko an einem Mammakarzinom zu erkranken. Außerdem sind determinierende Risikofaktoren wie Strahlenexposition, genetische Prädisposition (BRCA1 und 2, sowie p53) und auch Hormonsubstitution zu nennen. Trägerinnen der BRCA 1/ 2 Mutation besitzen ein Risiko von 30 – 80% ein Mammakarzinom bis zum 80. LJ zu entwickeln. Bei einer Hormonersatztherapie mit Östrogenen steigt das RR nach 59 Jahren auf 1.31, nach 10-14 Jahren auf 1.24 und nach 15 Jahren auf 1.56. Auch bei Einnahme von Östrogen/Gestagen-Kombinationen konnte ein Anstieg des RR auf 1.24 nach 5 Jahren Therapie festgestellt werden. Die Einnahme von oralen Antikonzeptiva wird kontrovers diskutiert. Auch das Vorkommen von Mammakarzinomen bei direkt verwandten Familienmitgliedern stellt eine höhere Wahrscheinlichkeit des Auftretens dar (1 Verwandte 1. Grades RR= 2.6-2.5, 2 Verwandte 1. Grades RR= 4.2-6.8). [1] 1.3 Tumorbiologie Das Mammakarzinom weist eine vielfältige Tumorbiologie auf. Besonders ausschlaggebend für die Therapie des Mammakarzinoms ist zum einen die mögliche Expression von Östrogen (ER) - oder auch Progesteronrezeptoren (PR). Zum anderen spielt der human epidermal growth factor 2 (HER2), der auf der Oberfläche des normalen Brustgewebes vorkommt und in ungefähr 20 % der Fälle überexprimiert wird, eine Rolle. Wie in Tabelle 1 dargestellt, kann das Mammakarzinom mittlerweile dank DNA-Microarray-Studien in mehrere biologische Subtypen unterteilt werden.[6] Hierfür ist noch das Ki-67 Protein zu erwähnen, das sich teilende menschliche Zellen markiert und somit für eine hohe oder niedrige Mitoserate des Tumors steht. Dies könnte einen Hinweis darauf geben wie gut ein Tumor auf eine Chemotherapie ansprechen wird. Zusätzlich konnten EC Inwald et al. in einer Studie nachweisen, dass es ebenfalls als 3 Prognosefaktor eine wichtige Rolle spielt. So lag das 5-Jahres-Gesamtüberleben für prämenopausale Frauen bei Ki-67 ≤15% bei 97,7% vs. 93,0% bei Ki-67 >15%. Bei postmenopausalen Patientinnen mit Ki-67 ≤15% lag es bei 88,0% vs. 81,4% bei Ki-67 >15%. [8] Luminal-like Subtypen haben die beste Prognose, wohingegen vor allem der HER2-non-luminal Subtyp ein gegebenenfalls besseres Ansprechen auf Chemotherapien aufweist, aber eine schlechtere Gesamtprognose zeigt. [6] Biologischer Subtyp ER/PR HER2 ki-67 Triple negativ Negativ Negativ - Luminal-A Positiv Negativ Niedrig (< 15 %) Luminal-B Positiv Positiv - Negativ hoch (> 15 %) Positiv - HER2-non-luminal Negativ Tabelle 1: Biologische Subtypen des Mammakarzinoms Außerdem liegt eine Mutation des Tumorsuppressorgens TP53 in 30% bis 50% der Fälle vor. Diese Mutation wird vor allem mit einer schlechten Prognose und einem schlechten Ansprechen auf die Therapien assoziiert. Die Tumorbiologie stellt eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Auswahl einer passenden Therapie dar. In den letzten Jahren wurden Forschungsanstrengungen weiter verstärkt und es konnten Fortschritte erzielt werden.[6] 1.4 Therapie Die Therapie des Mammakarzinoms setzt sich aus einem chirurgischen und einem pharmakologischen Anteil zusammen. Außerdem kann zwischen einem kurativem, die Heilung anstrebenden, und einem palliativem, die Symptome mindernden, Ansatz unterschieden werden. Chirurgisch gesehen gibt es die Möglichkeit einer brusterhaltenden Therapie oder aber einer kompletten Mastektomie. Zudem muss entschieden werden, ob eine Entfernung des Sentinellymphknotens oder auch weiterer Lymphknoten (wie zum Beispiel der gesamten Axilla) angestrebt werden sollte. Diese Entscheidungen richten sich hauptsächlich nach der Art des Tumors, dem Stadium bzw. dem Fortschritt des Karzinoms, dem Alter und der Prognose sowie dem Wunsch der Patientin.[9] 4 Aus pharmakologischer Sicht gibt es den neoadjuvanten oder adjuvanten Ansatz. Neoadjuvant angewendet dient die systemische Therapie der Ermöglichung einer Operation überhaupt oder einer brusterhaltenden Operation durch Verkleinerung des Tumors. Außerdem ist eine neoadjuvante Therapie bei inflammatorischem Mammakarzinom indiziert. Adjuvant dient sie unterstützend und wird nach Entfernung des Tumors zur Verlängerung der Rezidivfreiheit oder der Kontrolle von Metastasen eingesetzt. Dieser Therapieansatz spielt bei der Therapie des Mammakarzinoms eine große und wichtige Rolle. Besonders beim metastasiertem Mammakarzinom konnte in den letzten Jahren durch den Fortschritt der systemischen Therapie das Überleben der Patientinnen verbessert werden. Die pharmakologische Betreuung richtet sich besonders nach Art des Tumors, Tumorlast, Tumorprogress und dem Wunsch der Patientin. Abschließend sollte ebenfalls die Strahlentherapie genannt werden, da diese vor allem adjuvant zu Verhinderung von Rezidiven eingesetzt wird.[9] Für die Behandlung des Mammakarzinom gibt es evidenzbasierte Leitlinien. Die Arbeitsgruppe der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe gibt als Empfehlung die Berücksichtigung der Leitlinie der Arbeitsgemeinschaften der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) oder auch des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) an. [10] Da in Österreich und Deutschland eher die AWMF Leitlinien angewendet werden, wird hier insbesondere auf diese eingegangen. Derzeit ist die interdisziplinäre S3-Leitlinie (letzte Aktualisierung 2012) die zuletzt herausgegebene Fassung der AWMF. 1.4.1 Therapieempfehlung für die lokoregionale Primärerkrankung Für die lokoregionale Primärerkrankung wird eine adjuvante Chemotherapie (CT) empfohlen, wenn das Mammakarzinom Hormonrezeptor-negativ oder fraglich endokrin sensitiv ist. Außerdem sollte eine Chemotherapie bei nodal-positiven Tumoren oder auch hohem Grading (GIII) und jungem Erkrankungsalter (<35 Jahre) in Erwägung gezogen werden. Im adjuvanten Setting sollte eine Chemotherapie taxan- oder anthrazyklinhaltig sein. Die Dauer der adjuvanten taxan- und anthrazyklinhaltigen Standard-Chemotherapie erstreckt sich über 1824 Wochen. Auch neoadjuvant sollte eine Chemotherapie bestehend aus einem 5 Anthrazyklin oder einem Taxan zum Einsatz kommen. Die Dauer unterscheidet sich hierbei nicht von der adjuvanten Therapie.[11] Für einen Hormonrezeptor-positiven Tumor sollte eine endokrine Therapie (ET) herangezogen werden. Diese sollte nicht mit einer Chemotherapie kombiniert verabreicht werden. Falls eine Chemotherapie nötig ist, wird empfohlen die endokrine Therapie nach Abschluss der Chemotherapie zu beginnen. Für prämenopausale Patientinnen wird Tamoxifen als erste Wahl für die endokrine Therapie aufgeführt. Postmenopausale Patientinnen hingegen sollten Aromatasehemmer der 3. Generation erhalten. Diese zeigten in dem Fall ein längeres krankheitsfreies Überleben. Sowohl Tamoxifen als auch Aromataseinhibitoren können über einen Zeitraum von fünf Jahren oder bis zum Auftreten eines Rezidivs verabreicht werden. Eine weitere Möglichkeit sind sequenzielle Therapieschemata. So können zum Beispiel 2-3 Jahre Tamoxifen gefolgt von 2 Jahren Aromataseinhibitoren oder umgekehrt gegeben werden. Eine Antikörpertherapie mit Trastuzumab über 1 Jahr ist bei HER2-positivem Mammakarzinom sowohl neoadjuvant als auch adjuvant indiziert. Eine Antikörpertherapie und Chemotherapie können zeitlich simultan oder sequenziell verabreicht werden. Sollte sie simultan zu einer Chemotherapie durchgeführt werden, wird empfohlen sie mit der Taxanphase der Chemotherapie beginnen zu lassen.[11] Die folgende Tabelle 2 soll eine übersichtliche Darstellung des oben genannten geben. 6 Tumorbiolgie Therapieempfehlung Pharmaka HR +/ HER2 - Endokrine Therapie Prämenopausal: Tamoxifen (nicht mit Chemotherapie kombinieren) Zu beachten Schnell wachsender Tumor, Postmenopausal: schnelle Remission Aromataseinhibitor erforderlich, Gefahr der Organschädigung, junges Erkrankungsalter (>35), hohes Grading (G III) → CT HR +/ HER2 + Antikörpertherapie Trastuzumab + endokrine Therapie (wie oben) Schnell wachsender Tumor, schnelle Remission erforderlich, Gefahr der Organschädigung, junges Erkrankungsalter (<35), hohes Grading (G III) → CT HR -/ HER2 + Antikörpertherapie Trastuzumab + Chemotherapie Kardiotoxisch, Kombination mit Anthrazyklin umgehen (wie unten) In Taxanphase der CT Behandlung beginnen HR -/ HER2 - Chemotherapie Taxan/Anthrazyklin Kardiotoxische Substanz (Anthrazyklin) → Überwachung der Herzfunktion Tabelle 2: Therapieempfehlung Mammakarzinom lokoregionale Primärerkrankung 7 1.4.2 Therapieempfehlung für das metastasierte Mammakarzinom Im Falle von Metastasen kann der Einsatz einer Polychemotherapie in Erwägung gezogen werden. Diese kann einen geringen Überlebensvorteil bedeuten, ist aber mit stärkeren Nebenwirkungen verbunden. Auch hier sollten zunächst Taxane und Anthrazykline zum Einsatz kommen. Hochdosistherapien zeigen keinen Vorteil und sollten nicht eingesetzt werden. Eine Überwachung der Herzfunktion ist bei Therapien mit kardiotoxischen Substanzen (wie z.B. Anthrazykline) unerlässlich. Auch andere Chemotherapeutika wie Capecitabin können beim metastasierten Mammakarzinom zur Therapie herangezogen werden. Capecitabin und Paclitaxel können außerdem mit Bevacizumab (humanisierter monoklonaler Antikörper) kombiniert werden, was gegebenenfalls zu einer Verbesserung des Therapieerfolges führen kann.[11] Beim metastasiertem Mammakarzinom ist für Hormonrezeptor-positive Tumore die endokrine Therapie die erste Wahl. Es sei denn es ist eine sehr schnelle Remission des Tumors anzustreben, da es sonst zu einer ausgeprägten Symptomatik bis Schädigung von Organen kommen kann. Auch wenn Hirnmetastasen vorliegen wird von einer endokrinen Therapie abgeraten. In diesen Fällen sollte auf eine Chemotherapie zurückgegriffen werden. Es wird auch hier auf Grund des Nebenwirkungsprofils von einer Kombination einer endokrinen Therapie mit einer Chemotherapie abgeraten. Für prämenopausale Patientinnen ist eine Ausschaltung der Ovarialfunktion in Kombination mit Tamoxifen die empfohlene Therapie. Allerdings kann im Fall von Metastasen ebenfalls auf Aromataseinhibitoren (nur in Kombination mit Suppression der Ovarien) oder im Weiteren auch auf hochdosierte Gestagene zurückgegriffen werden. Bei postmenopausalen Patientinnen sollten auch bei dem metastasiertem Mammakarzinom Aromataseinhibitoren eingesetzt werden. Allerdings hängt dies von der gegebenenfalls bereits durchgeführten adjuvanten Therapie ab. Je nach Vorbehandlung ist hier der Wechsel zu einem anderen Aromataseinhibitor, Antiöstrogenen, Östrogenrezeptor-Antagonisten oder auch hoch dosierten Gestagenen indiziert.[11] Die folgende Tabelle 3 dient der Übersicht zu dem oben genannten. 8 Tumorbiologie Therapieempfehlung HR +/ HER2 - Endokrine Therapie Prämenopausal: (nicht mit GnRH Analoga Chemotherapie kombinieren) Pharmaka Zu beachten Schnell wachsender Tumor, (Suppression der schnelle Remission Ovarien) + erforderlich, Gefahr Tamoxifen oder der Aromataseinhibitor Organschädigung, oder Gestagene junges (hochdosiert) Erkrankungsalter Postmenopausal: (<35), hohes Aromataseinhibitor Grading (G III), oder Antiöstrogene Hirnmetastasen → CT oder ÖR – Antagonisten oder Gestagene HR +/ HER2 + Antikörpertherapie Trastuzumab + endokrine Therapie (wie oben) Schnell wachsender Tumor, schnelle Remission erforderlich, Gefahr der Organschädigung, junges Erkrankungsalter (<35), hohes Grading (G III), Hirnmetastasen → CT HR -/ HER2 + Antikörpertherapie + Chemotherapie Kardiotoxisch, Kombination mit Anthrazyklin umgehen Trastuzumab (wie unten) In Taxanphase der CT Behandlung beginnen HR -/ HER2 - Chemotherapie Taxan/Anthrazyklin Kardiotoxische oder andere CT Substanz wie Capecitabin (Anthrazyklin) → Überwachung der Kombination mit Herzfunktion Bevacizumab (Antikörper) möglich Polychemotherapie Nebenwirkungen Tabelle 3: Therapieempfehlung Mammakarzinom metastasiert 9 1.4.3 Therapieempfehlung für komplementäre Therapieformen Auch komplementäre Therapieformen, zu denen die Phytopharmaka zählen, werden in den Leitlinien kurz behandelt. Eine Misteltherapie zum Beispiel soll das Überleben der Patientinnen demnach nicht verlängern. Auch die Verbesserung der Lebensqualität durch ihren Einsatz ist nicht nachgewiesen. Die Traubensilberkerze (Cimicifuga) kann beim Mammakarzinom zum Einsatz kommen, da sie eine Selektive-Östrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) -ähnliche Wirkung zeigt. Somit stellt sie eine endokrine Therapieform dar, die in dieser Arbeit später ausführlich beschrieben wird (siehe Kapitel 3). [11] 1.4.4 Einteilung der Therapieansätze in First-, Second-, und Third-Line Im weiteren kann man die Therapieansätze insbesondere für die endokrine Therapie in First-Line, Second-Line und Third-Line unterteilen. Diese sind in den Guidlines des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) genauer definiert. First-Line stellt die Therapieform für Patientinnen dar, die bislang keine endokrine Therapie erhalten haben, einen Tumorprogress ≥ 12 Monate nach dem Ende einer adjuvanten Therapie zeigen oder sich mit neu diagnostiziertem metastasiertem Brustkrebs vorstellen. Die Second-Line-Therapiemöglichkeiten sind für Patientinnen, bei denen der Tumor trotz First-Line-Therapie wächst. Voraussetzung ist allerdings, dass sie passende Kandidatinnen für eine endokrine Therapie sind. Für Patientinnen bei denen immer noch ein Progress des Tumors trotz First- und Second-Line-Therapie festgestellt wird, sollte das weitere Vorgehen individuell entschieden werden. Dies ist abhängig von vorheriger Therapieansprache, Tumorlast und den Präferenzen der Patientin (Third-LineTherapie). Diese Definition kann ebenfalls auf die anderen Therapieformen übertragen werden.[12] 2 Pharmakologische Betreuung Im folgenden Kapitel werden die bereits in den Leitlinien erwähnten Therapieformen endokrine Therapie, Antikörpertherapie und Chemotherapie ausführlich behandelt. In den Unterkapiteln wird auf die wichtigsten derzeit eingesetzten Pharmaka eingegangen. Zudem werden in den jeweiligen Kapiteln kurz die Kombinationen mit anderen Medikamenten dargestellt, die in Studien gegebenenfalls eine verbesserte Wirkung auf das Mammakarzinom zeigen 10 konnten. Zuletzt wird auf neuere Therapieansätze hingewiesen, die noch nicht etabliert sind, aber teilweise vielversprechend klingen. 2.1 Endokrine Therapie Vor bereits über 100 Jahren hatten schottische Schäfer beobachtet, dass sich nach Entfernung der Eierstöcke bei Kühen die Milchproduktion und auch die Form der Euter veränderte. Auf Grundlage dieser Information entfernte Beatson bei drei Frauen mit Mammakarzinomen die Ovarien und beobachtete eine deutliche Verkleinerung der Tumore. Allerdings wusste man zu dem Zeitpunkt nur sehr wenig über den hormonellen Zusammenhang. Erst in den 1920/30er Jahren wurde das Hormon Östrogen von Edward Doisy, einem US-amerikanischem Biochemiker, entdeckt. 1968 fand der Chemiker Elwood Jensen mehr über die Physiologie des Hormons und seiner Rezeptoren heraus. In Folge entdeckte Elwood Jensen ebenfalls, dass Mammakarzinome Östrogenrezeptor-posititv oder -negativ sein können. Aus diesen Beobachtungen heraus sollte sich ein systemischer pharmakologischer Therapieansatz entwickeln. Er begann mit Tamoxifen, das etwa zeitgleich von einem Team britischer Chemiker des Unternehmens Imperial Chemical Industries hergestellt wurde. Es war zunächst als Antikonzeptivum gedacht, zeigte dann aber eine antiöstrogene Wirkung. Zunächst als unbrauchbar abgestempelt, bildete es dann die Grundlage für die ersten vielversprechenden Ergebnisse von Studien zum Einsatz von Tamoxifen bei Mammakarzinomen. So untersuchten u.a. M.P. Cole et al. 1971 die antiöstrogene Wirkung von Tamoxifen bei fortgeschrittenem Brustkrebs. [13] Zwei Jahre später wurde eine Studie von H. W. C. Ward veröffentlicht, die die Wirkung von Tamoxifen als antiöstrogene Therapie für Brustkrebs in unterschiedlicher Dosierung beobachtet hatte. Bei einer Dosis von 20 mg zweimal täglich zeigten 77 % der Patientinnen einen Rückgang oder Stopp des Tumorwachstums. Es wurden nur schwache Nebenwirkungen festgestellt. [14] Die Entdeckung von endokrinen Therapieformen war ein wichtiger Fortschritt in der Behandlung des Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms. Da diese hormonsensitiven Tumore unter Hormoneinfluss wachsen, wirkt in den meisten Fällen eine antihormonelle Therapie sehr gut. Die Ansätze zur antihormonellen Therapie bei Östrogenrezeptor-positivem Mammakarzinom sind zum einen die Östrogenproduktion zu reduzieren oder zu stoppen und zum anderen die 11 Östrogenrezeptoren-Signalübertragung zu blockieren beziehungsweise die Rezeptoren zu antagonisieren. Bei Frauen mit noch funktionstüchtigen Ovarien sollte eine Suppression der Ovarien (zeitweise hervorgerufene Menopause) oder sogar eine Entfernung der Ovarien (permanente Menopause) in Betracht gezogen werden. Besonders für das metastasierte Mammakarzinom liegt eine bedeutsame Verbesserung der Überlebensrate in der besseren systemischen Therapie, wobei es sich in dem Falle nach wie vor nicht um einen kurativen sondern einen palliativen Therapieansatz handelt.[12] 2.1.1 Selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs) Selektive-Östrogenrezeptor-Modulatoren können gewebe-, zell- und zielgenspezifische agonistische und antagonistische Östrogenwirkungen erzeugen. [15] Aus dieser Gruppe sind derzeit Tamoxifen und Toremifen für die Behandlung von Brustkrebs verfügbar, die deshalb in Kapitel 2.1.1.1- 2.1.1.5 näher vorgestellt werden. Es liegen mehr Studien zu Tamoxifen vor, sodass ein größeres Wissen über die Pharmakodynamik und Pharmakokinetik hierzu besteht. Auf Grund dessen wird es häufiger eingesetzt als Toremifen, weshalb Tamoxifen im Folgenden ausführlicher beschrieben werden soll. SERMs werden vor allem bei prämenopausalen Frauen zur First-Line Therapie herangezogen. [12] 2.1.1.1 Chemie der SERMs Es handelt sich um Derivate, die sich strukturell von dem synthetisch hergestellten nichtsteroidalen Östrogen Diethylstilbestrol ableiten. Tamoxifen liegt als cis- und trans- Enantiomer vor, welche eine unterschiedliche Wirkung vorweisen. Das trans-Enantiomer wirkt als SERM und somit antiöstrogen. Sein cis-Enantiomer hingegen zeigt eine östrogene Wirkung. Tamoxifen ist nur als trans-Enantiomer auf dem heutigen Markt erhältlich. [15] Toremifen weist eine Chlorethyl-Gruppe auf anstatt einer Ethylgruppe wie bei Tamoxifen (siehe Abb. 2). Dies ist der einzige strukturelle Unterschied.[15] 12 modifiziert nach PubChem Compound Database, 2016[16][17][18] 2.1.1.2 Wirkungsmechanismus der SERMs Für den Wirkungsmechanismus der SERMs ist der Östrogenrezeptor von großer Bedeutung. Er dient als DNA-bindender Transkriptionsfaktor und spielt somit eine wichtige Rolle bei der Genexpression seiner Zielgene.[15] Es sind derzeit zwei Unterformen des Östrogenrezeptors bekannt (siehe Abb. 3) . Zum einen der Östrogenrezeptor alpha (ERα) und zum anderen der Östrogenrezeptor beta (ERβ). Beide Östrogenrezeptoren können in sechs Domänen unterteilt werden. Unter den sechs Domänen befinden sich zwei Transkriptionsaktivierungsbereiche. [19] Einer davon ist AF-1, der sich auch ohne Anwesenheit eines Agonisten (konstitutiv) in einem aktivierten Zustand befindet. Der Andere ist AF-2. Seine Aktivierung ist abhängig von Liganden, wobei Östradiol seinen natürlichen Agonisten darstellt. Es wurde festgestellt, dass SERMS unterschiedliche 13 Strukturen des AF-2 Bereichs stabilisieren, welche wiederum andere Affinitäten gegenüber koregulatorischen Proteinen und somit Interaktionspartnern (Koaktivatoren oder Korepressoren) zeigen. Jede Zelle exprimiert zudem Koaktivatoren oder Korepressoren in unterschiedlicher Menge und ist somit spezifisch ausgestattet. Dieses Phänomen führt zu Unterschieden in der biologischen Wirkung der verschiedenen SERMs. ERα scheint dabei beim Mammakarzinom eine größere Rolle zu spielen, da er in der Brust exprimiert wird. [15] Abbildung 3: Aufbau des Östrogenrezeptors [19] 2.1.1.3 Pharmakodynamik und -kinetik der SERMs Tamoxifen und Toremifen Tamoxifen ist ein SERM der 1. Generation. Es kann über AF-1 seine agonistische und über AF-2 seine antagonistische Wirkung entfalten. So führt es zu einer Hemmung der Proliferation von Zellen des Mammakarzinoms, regt aber gleichzeitig das Wachstum des Endometriums an. Pharmakodynamisch wirkt Tamoxifen als kompetitiver ÖstrogenrezeptorAntagonist. Dadurch wird die Expression östrogenregulierter Gene blockiert. Diese beeinflussen wiederum die parakrine und autokrine Kontrolle des Tumorwachstums. Sie codieren für Wachstumsfaktoren und blockieren die G1Phase des Zellzyklus. Außerdem wird angenommen, dass Tamoxifen bei der Induktion der Apoptose eine Rolle spielt. Es handelt sich bei Tamoxifen um einen partiellen Antagonisten, da es ebenfalls eine östrogen-agonistische Wirkung 14 besitzt. Seine Affinität zu den Östrogenrezeptoren (alpha und beta) ist 100 mal niedriger als die Affinität des natürlichen Agonisten Östradiol. Im Vordergrund steht die antiöstrogene Wirkung am Brustgewebe. Des Weiteren zeigt es eine antiresorptive Wirkung am Knochen und kann in der Postmenopause zur Verhinderung einer Osteoporose beitragen. Es hat ebenfalls eine positive Wirkung auf das kardiovaskuläre Risiko indem es das Lipidprofil verändert.[15] Zur Pharmakokinetik von Tamoxifen ist zu sagen, dass es oral verfügbar ist und auf diesem Weg gut aufgenommen wird. Die Serumalbuminbindung liegt bei 99 %. Die Metabolisierung geschieht durch Demethylierung, Hydroxylierung über CYP3A4 und schließlich die Konjugation. Die Halbwertszeit (HWZ) von Tamoxifen und seinem aktiven Metaboliten (N-Desmethyltamoxifen) liegt bei 7 beziehungsweise 14 Tagen. Die Ausscheidung geschieht hauptsächlich über den Darm. Ein außerdem wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass es auch nach Absetzen noch mehrere Monate im Tumorgewebe nachweisbar ist. Es können Interaktionen mit Cumarinen auftreten, da der Abbau dieser von Tamoxifen gehemmt wird.[15] Toremifen ist ein Tamoxifenanalogon und wird ebenfalls über das CYP3A4 metabolisiert. Dieser SERM unterscheidet sich in Hinblick auf seine Eigenschaften nur wenig von Tamoxifen, zeigt also ein ähnliches Wirkungsprofil. Seine östrogenagonistische Wirkung ist jedoch etwas geringer und der positive Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko ist fraglich. Zudem zeigt Toremifen im Gegensatz zu Tamoxifen kaum eine antiresorptive Wirkung am Knochen.[15] 2.1.1.4 Nebenwirkungen von Tamoxifen und Toremifen Tamoxifen kann als Nebenwirkung auf Grund der antiöstrogenen Wirkung bei manchen Frauen Hitzewallungen hervorrufen. Außerdem kann Übelkeit auftreten. Wie bereits weiter oben erwähnt kommt es unter anderem zur Stimulation der Östrogenrezeptoren des Endometriums. Dies kann in Folge zu Hyperplasie, dem Auftreten von Polypen oder sogar Karzinomen führen. Das Risiko an einem Karzinom zu erkranken steigt aber nur geringfügig um den Faktor 2 an. Auch vaginale Blutungen können eine Folge sein. Weiterhin sollte bei dem Einsatz von Tamoxifen beachtet werden, dass das Risiko für Thrombembolien erhöht ist. 15 Toremifen weist ein ähnliches Nebenwirkungsprofil wie Tamoxifen auf, scheint jedoch eher keinen Einfluss auf die Entstehung eines möglichen Endometriumkarzinoms zu haben.[15] 2.1.1.5 Indikation und Resistenzentwicklung von Tamoxifen und Toremifen Tamoxifen ist als adjuvante und palliative Therapie des ER-positiven Mammakarzinoms indiziert, da es im Brustgewebe eine antiöstrogene Wirkung zeigt. Tamoxifen wird in der Regel in einer Dosis von 20 mg am Tag verabreicht. [15] In einer Studie von J.G. Klijn et al konnte 2001 gezeigt werden, dass Tamoxifen in Kombination mit Suppression der Ovarien eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS) (Hazard Ratio (HR) 0.70, p= 0.0003) und des Gesamtüberlebens (OS) (HR 0.78, p= 0.02) im Vergleich zu einer Therapie mit Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Agonisten alleine zeigte. Es handelt sich hierbei um eine Metaanalyse (n=506). 64% und 90 % der Patientinnen hatten vorher keine Chemotherapie oder endokrine Therapie erhalten. [12] L. Chun-Yu et al. konnten in einer Studie nachweisen, dass Tamoxifen in vitro und in vivo (bei Mäusen) ebenfalls einen Effekt auf das ER-negative Mammakarzinom zeigt. In vier von fünf Zellinien führte es signifikant zur Induktion der Apoptose. Das Onkogen Cancerous Inhibitor of Protein Phosphatase 2A (CIP2A) und der CIP2A/phospho-Akt Signalweg scheinen dabei eine große Rolle zu spielen. Durch sie wird eine Apoptose von Zellen verhindert. Ihre Herunterregulierung durch Tamoxifen macht den Zelltod möglich. CIP2A wird in dieser Studie als vielversprechender Ansatzpunkt für weitere Forschungsarbeiten dargestellt. [20] Tamoxifen kann ebenfalls als Second-Line-Therapie eingesetzt werden. Die Studienlage hierzu ist jedoch bislang eingeschränkt. In einer Analyse von zwei randomisierten Cross-Over-Studien, bei denen 137 Frauen zu Tamoxifen als Second-Line-Therapie (z.B. nach Gabe von Anastrozol) wechselten, betrug die Gesamtansprechrate (ORR) für Tamoxifen 10% und das klinische Benefit (das hier als ORR plus stabiler Krankheitsverlauf von 6 oder mehr Monaten definiert wurde) von 49%.[12] 16 Als Nachteil einer Tamoxifentherapie ist die Möglichkeit der Resistenzentwicklung von Tumorzellen anzusehen. Dies geschieht häufig durch die Herunterregulation der Östrogenrezeptoren. Außerdem kann sich das Verhältnis von Östrogenrezeptor alpha zu Östrogenrezeptor beta oder auch das Vorhandensein spezifischer Koregulatoren in einer Zelle verändern. Zudem kann eine gesteigerte Mitogen-Aktivierte-Proteinkinase-Kaskade (MAPK)- und Aromataseaktivität vorliegen. Durch eine gesteigerte Aromataseaktivität wird die Umwandlung von Androgen zu Östrogen unterstützt, das wiederum negativ für das Wachstum eines östrogensensitiven Tumors ist.[15] Toremifen ist als Therapie bei metastasiertem, HR-positivem Mammakarzinom indiziert. Derzeit ist es jedoch nur für postmenopausale Patientinnen zugelassen. [15] Es wird in einer Dosis von 60mg täglich verabreicht. G. Ran et al. verglichen den Einsatz von Toremifen und Tamoxifen bei prämenopausalen Patientinnen in einer retrospektiven Studie. 240 Patientinnen erhielten Tamoxifen und 212 Toremifen in den oben angegebenen Dosierungen. Das Gesamtüberleben, gemessen am 5-Jahres-Überleben, war mit 100% (Toremifen) und 98,4 % (Tamoxifen) fast gleich. Auch das Nebenwirkungsprofil war für beide nur von leichten Nebenwirkungen gekennzeichnet. Ein signifikanter Unterschied zeigte sich beim rezidivfreiem Intervall, der bei Toremifen länger war (HR 0.385, 95% CI = 0.154-0.961; p = 0.041). Es sollte allerdings erwähnt werden, dass die an der Studie teilnehmenden Patientinnen häufig eine Operation sowie Chemotherapie und teilweise unterschiedliche adjuvante endokrine Therapien im Voraus erhalten hatten. [21] Außerdem wurde in einem sogenannten „Rote-Hand-Brief“ darauf hingewiesen, dass Toremifen das QT-Intervall verlängert und deshalb gut überlegt eingesetzt werden sollte.[22] 2.1.1.6 Everolimus in Kombination mit Tamoxifen Everolimus agiert als Mammalian Target of Rapamycin (mTOR) Inhibitor. Es ist ein Derivat des Sirolimus, das aus dem Streptomyces hygroscopius isoliert wird und weist eine strukturelle Ähnlichkeit mit Tacrolimus auf. Everolimus bindet an einen cytosolischen Rezeptor, den FKBP-12 Rezeptor. Dies wiederum führt zur Hemmung von mTOR. Auf Grund dessen wird die Aktivierung der S6-Kinase verhindert, die für die Zellproliferation nötig ist. Es werden das Tumorwachstum 17 sowie die Angiogenese inhibiert. Everolimus wird über das Enzym CYP3A4 metabolisiert. Es wird über die Galle ausgeschieden und seine HWZ liegt bei 28 Stunden. [15] Als Second-Line-Therapie ist eine Kombination von dem Immunsuppressivum Everolimus und Tamoxifen möglich. Es ist ebenfalls eine Option für Patientinnen, die vorher mit einem Aromataseinhibitor (AI) behandelt worden sind. In einer Studie (n= 54) untersuchten T. Bachelot et al. postmenopausale Frauen, welche trotz Gabe von AIs ein Tumorwachstum aufgezeigt hatten. Sie wurden randomisiert entweder mit Tamoxifen 20 mg/d (n= 57) oder Tamoxifen 20 mg/d plus Everolimus 10 mg/d therapiert. Die Rate für das klinische Benefit (CBR) wurde hier definiert als Prozentsatz aller Patientinnen mit einer kompletten oder teilweisen Antwort auf die Therapie oder einer stabilen Tumorerkrankung nach 6 Monaten. Eine Kombination von Tamoxifen und Everolimus resultierte in einer CBR von 61% (95% CI, 47 to 74) im Vergleich zu einer CBR von 42% (95% CI, 29 to 56) bei Therapie mit ausschließlich Tamoxifen. Außerdem zeigte eine Kombinationstherapie mit den beiden Medikamenten eine verbesserte Zeit bis zur Tumorprogression (8.6 versus 4.5 Monate für Tamoxifen alleine; HR 0.54, 95% CI 0.36-0.81). Auch das Risiko zu sterben sank um 55% bei einer Kombination von Tamoxifen mit Everolimus (HR 0.45, 95% CI 0.24- 0.81). Die Hauptnebenwirkungen waren Fatigue (72% versus 53% mit Tamoxifen alleine) Stomatitis (56% versus 7%), Rash (44% vs. 7%), Anorexie (43% versus 18%) und Diarrhoe (39% vs 11%). [23] 2.1.2 Aromataseinhibitoren Drei Aromataseinhibitoren (AIs) der 3. Generation werden häufig zur Therapie herangezogen. Diese sind zum einen Letrozol (Dosierung: 2.5 mg/d) und Anastrozol (Dosierung: 1 mg/d), sowie Exemestan (Dosierung: 25 mg/d). Sie werden oral verabreicht. [12] Im Folgenden wird zunächst die allgemeine Pharmakologie dieser Wirkstoffe dargestellt, da sie in vielerlei Hinsicht ähnlich ist. Auf die Unterschiede und auch mögliche Kombinationen mit anderen Wirkstoffen wird dann später genauer eingegangen (siehe Kapitel 2.1.2.1-2.1.2.5). 18 Alle der genannten Aromataseinhibitoren agieren als kompetitive Hemmstoffe des Enzyms Aromatase. Dieses Enzym katalysiert die Umwandlung von Androgenen zu Östrogenen. Somit wird die Östrogensynthese durch eine Hemmung der Aromatase blockiert. Als Nebenwirkungen treten häufig Hitzewallungen, Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit sowie Depressionen auf. Anastrozol erhöht außerdem das Osteoporoserisiko. Aromataseinhibitoren werden zur adjuvanten Therapie des ER-positiven Mammakarzinoms bei postmenopausalen Frauen herangezogen. Bei metastasiertem Mammakarzinom stellen sie die First-LineTherapie für postmenopausale Patientinnen dar. [24] 2006 zeigten D. Mauri et al. in einer Metaanalyse von 25 randomisierten Studien (n= 8504 Patienten) die Effektivität von AIs bei fortgeschrittenem Mammakarzinom bei postmenopausalen Frauen. Ergebnisse zeigten eine statistisch signifikante Verbesserung des OS besonders für Aromataseinhibitoren der 3. Generation (Anastrozol, Letrozol, Exemestan) (Relative Hazards (RH) = 0.87, 95% confidence interval (CI) = 0.820.93; P<.001). Aromataseinhibitoren der 1. und 2. Generation (Aminoglutethimid, Formestan, Fadrozol) zeigten keinen Vorteil gegenüber anderen Therapieformen. Des Weiteren fiel auf, dass eine Verbesserung im OS im Vergleich zu einer Behandlung mit Tamoxifen (11% RH Reduktion, 95% CI = 1-19%; P = .03) und anderen endokrinen Therapiemöglichkeiten (14% RH Reduktion, 95% CI = 621%; P<.001) erzielt werden konnte. [25] Bislang gibt es keine Beweislage dazu, ob ein AI der dritten Generation besser als das andere wirkt. In einer Studie (n=128) von 2009 wiesen D. Mauri et al. nach, dass Exemestan und Anastrozol eine gleiche ORR von 15% und ein ähnliches OS von 31 versus 33 Monaten bei postmenopausalen Patientinnen mit viszeralen Metastasen zeigen.[26] 2013 führten P.E. Goss et al. eine randomisierte Phase-IIIStudie durch, in der sie ebenfalls Exemestan (als steroidales Präparat) mit Anastrozol (als nicht-steroidales Präparat) bei postmenopausalen Patientinnen mit Mammakarzinom in einem frühen Stadium verglichen (n=7576). Das ereignisfreie Überleben (EFS) nach vier Jahren lag für Exemestan bei 91% und für Anastrozol bei 91,2 % (stratified HR=1.02; 95% CI, 0.87 to 1.18; P = .85). Es gab ebenfalls kaum Unterschiede im OS. Es sollte allerdings erwähnt werden, dass 31,6 % der Patientinnen die Studie auf Grund von Nebenwirkungen, anderen gleichzeitigen Erkrankungen etc. abbrachen. Die Nebenwirkungen betreffend zeigten sich 19 Unterschiede. So war Osteoporose bei Exemestan seltener, dafür traten Ereignisse wie eine Leberfunktionsstörung oder Vorhofflimmern häufiger auf als bei Anastrozol auf.[27] Auch in der Second-Line-Therapie spielen AIs eine Rolle und auch hier sind keine deutlichen Unterschiede zwischen der Wirksamkeit der unterschiedlichen AIs festzustellen. So zeigte eine randomisierte Phase-III-Studie (n=713) in der Patientinnen mit einer Tumorprogression trotz vorheriger Antiöstrogen-Therapie entweder eine Therapie mit Letrozol oder Anastrozol erhielten, dass es keinen erheblichen Unterschied im Hinblick auf die Zeit bis zur Tumorprogression oder dem OS gab. Allerdings zeigte Letrozol eine signifikant höhere ORR auf (19% versus 12%). Exemestan als steroidales AI kann in der Second-Line-Therapie nach Tumorwachstum trotz nicht-steroidalen AIs eingesetzt werden. Ein 2011 erstelltes Review von neun Studien zeigte eine große Spannbreite der ORR zwischen 2% und 26%, sowie des klinischen Benefits zwichen 12% und 55%.[12] Aromataseinhibitoren sollten bei schweren Nieren- und Leberfunktionsstörungen nur bedingt eingesetzt werden. Außerdem gelten eine Schwangerschaft und Stillzeit als Kontraindikation.[24] Ohne Kombination mit anderen Therapieformen wie Suppression der Ovarien sind Aromataseinhibitoren außerdem in der Prämenopause kontraindiziert. Hier kann es gegebenenfalls zur Reaktivierung der Funktion der Ovarien über ein negatives Feedback kommen. Allerdings zeigen Phase-II-Studien, dass ein Einsatz möglich ist, wenn sie mit einer pharmakologischen Suppression der Ovarien kombiniert werden. So wurden in einer Studie Patientinnen mit Letrozol und Goserelin behandelt. Im Follow-up nach 27 Monaten zeigte sich, dass die Zeit bis zur Tumorprogression hier ähnlich lang im Vergleich von prämenopausalen und postmenopausalen Frauen war (9.0 vs. 9.5 Monate). Ein GnRH Agonist plus ein AI kann also bei prämenopausalen Patientinnen gegebenenfalls so effektiv sein wie ein AI bei postmenopausalen Frauen. Ob allerdings ein Vorteil aus dieser kombinierten Therapie im Vergleich zur Suppression alleine besteht, scheint bislang nicht bekannt zu sein.[12] 20 modifiziert nach PubChem Compound Database, 2016[28][29][30] 21 modifiziert nach PubChem Compound Database, 2016 [31][32] 2.1.2.2 Unterschiede der Pharmakokinetik von Letrozol, Anastrozol und Exemestan Die beiden Substanzen Letrozol und Anastrozol werden, wenn oral aufgenommen, gut resorbiert. Die Metabolisierung geschieht über die Leber mittels NDesalkylierung, Hydroxylierung und Glucuronidierung. Ausgeschieden werden sie dann über die Niere. Die HWZ liegt bei 2 Tagen.[24] Im Fall von Exemestan besteht ein intensiver First-Pass-Effekt. Es wird über das Enzym CYP3A4 und die Aldoreduktase metabolisiert und zu gleichen Teilen über die Niere und die Faeces ausgeschieden. Die HWZ liegt bei 24 Stunden.[24] 2.1.2.3 Kombination von Exemestan und Etinostat Etinostat ist ein Klasse-1-Hyston Deacetylase (HDAC) Inhibitor. HDAC ist ein Enzym, das bei der Kontrolle der Genexpression eine Rolle spielt. Es hat einen antiproliferativen Effekt auf Mammakarzinomzellen und unterstützt die Apoptose von Brustkrebszellinien. Es könnte als Second- oder Third-Line-Therapie genutzt 22 werden.[12] Häufig wird eine Resistenzentwicklung der Tumorzellen gegen Aromataseinhibitoren als Grund für einen Therapiemisserfolg gesehen. Diese Resistenzen können u.a. durch östrogenunabhängiges Wachstum, Hypersensitivität gegenüber geringen Östrogenmengen oder auch durch Herunterregulierung der Expression von ERα hervorgerufen werden. Präklinische Studien zeigten, dass Etinostat das Tumorwachstum von ER-positiven Tumorzellen hemmt und die Hormonsensitivität wieder herstellt indem es u.a. das ERα-Level normalisiert.[33] Eine Studie von G.J. Sabnis et al. stellte dar, dass Zellen die resistent gegenüber Letrozol geworden waren, ein signifikant langsameres Tumorwachstum bei Behandlung mit Etinostat in Kombination mit Exemestan oder Letrozol aufzeigen als mit einer Monotherapie (p<0.05). Etinostat erhöhte die Expression von ERα und die Aromataseaktivität und verminderte gleichzeitig Her-2, p-Her-2, p-MAPK und p-Akt.[34] In einer randomisierten, placebokontrollierten Phase-II-Studie untersuchten D.A. Yardley et al. 130 Frauen, welche trotz der Gabe von nicht-steroidalen Aromataseinhibitoren einen Tumorprogress gezeigt hatten. In dieser Studie wurden die Patientinnen mit Exemestan (25 mg/d) plus Etinostat (5mg/w) oder Exemestan plus Placebo behandelt. Ergebnisse zeigten, dass Patientinnen, die Exemestan plus Etinostat erhielten im Vergleich zur anderen Gruppe, ein signifikant besseres PFS vorwiesen (4.3 versus 2.3 Monate) und auch das OS verbessert werden konnte (28.1 versus 19.8 Monate). Auf der anderen Seite traten mehr Episoden von Fatigue und Neutropenie Grad 3/4 bei einer Kombinationstherapie von Exemestan und Etinostat auf. Auch der Abbruch der Studie auf Grund von zu starken Nebenwirkungen war in dieser Gruppe höher (11% versus 2%).[35] 2.1.2.4 Kombination von Everolimus und Exemestan Im Falle eines AI-resistenten fortgeschrittenem ER-positiven Mammakarzinoms bei postmenopausalen Frauen ist ebenfalls der Mammalian Target of Rampamycin (mTOR) Inhibitor Everolimus eine Therapieoption.[12] Die BOLERO-2 Studie von D.A. Yardley et al. untersuchte den Einsatz von Everolimus plus Exemestan. Es wurden 724 Patientinnen untersucht, die einen Tumorprogress trotz Therapie mit nicht-steroidalen AIs gezeigt hatten. Es wurden zwei randomisierte Gruppen verglichen. Eine Gruppe bekam Exemestan (25mg/d) plus Placebo, die Andere Exemestan plus Everolimus (10mg/d). Die Gruppe 23 Exemestan plus Everolimus zeigte eine Verlängerung des PFS (7.8 versus 3.2 Monate, HR= 0.45; 95% CI 0.38–0.54) für die Gesamtpopulation der Studie, aber auch in allen Untergruppen wie z.B. bei Patientinnen mit Metastasen etc.[36] In beiden Gruppen war der Hauptgrund für das Ausscheiden aus der Studie eine Progression der Erkrankung (Exemestan plus Everolimus 61% und Exemestan plus Placebo 88.7%). Allerdings war der Abbruch der Einnahme von mindestens einem Medikament für die Gruppe Exemestan plus Everolimus auf Grund von zu starken Nebenwirkungen mit 26.3% im Vergleich zu 5% in der anderen Gruppe deutlich höher. Bei einer Kombination von Exemestan mit Everolimus traten schwere Nebenwirkungen wie Stomatitis, Fatigue, Dyspnoe, Anämie, Hyperglykämie und ein Anstieg der γ-Glutamyltransferase auf (Grad 3/4 bei >25% der Patientinnen). In Verbindung mit Placebo war bei Exemestan lediglich eine Erhöhung der γ-Glutamyltransferase als schwere Nebenwirkung (Grad 3/4) zu beobachten. Zudem sollte erwähnt werden, dass bei einer Therapie mit Everolimus plus Exemestan Pneumonien auftraten, die in 5.6% zum Abbruch der Studie führten. Das erhöhte Auftreten von Nebenwirkungen bei einer Kombinationstherapie könnte aber auch auf den längeren Behandlungszeitraum zurückzuführen sein. Die mit der Gesundheit verbundene Lebensqualität wurde trotz Nebenwirkungen nicht als schlechter empfunden. [37][38] Da es häufiger zur Erkrankung der Lunge kam, sollte bei Patientinnen, die während der Anwendung Luftnot oder Husten entwickeln, eine Pneumonie abgeklärt werden. Gegebenenfalls ist eine kurze Gabe von Steroiden nötig.[12] Auch in anderen Studien wie einer Phase-II-Studie zu Letrozol plus Everolimus als neoadjuvante Therapie und einer Studie zu Tamoxifen plus Everolimus bei fortgeschrittenem Tumorstadium scheinen die Ergebnisse vielversprechend. So zeigte Letrozol plus Everolimus nicht nur eine Ansprechrate von 68% versus 59% in der anderen Gruppe, sondern auch eine Verbesserung der antiproliferativen Wirkung (Verminderung des Ki-67 von 57% versus 30% (p < 0.01)). Bei Kombination von Tamoxifen und Everolimus sank die Mortalität und das Risiko einer Tumorprogression um 46%. Auch das OS und die progressionsfreie Zeit verbesserten sich signifikant.[39] 24 2.1.2.5 Kombination von Palbociclib und Letrozol Bei Palbociclib handelt es sich um ein relativ neues Zytostatikum. Es agiert als Cyclin-dependent-kinases (CDK4/6)-Inhibitor. Präklinische Studien ließen darauf schließen, dass Palbociclib selektiv die Proliferation von ER-positiven Brustkrebstumorzelllinien hemmt.[12] 2015 wurde Palbociclib in Kombination mit Letrozol als First-Line-Therapie bei ER-positivem HER2-negativem metastasiertem Mammakarzinom von der US Food and Drug Administration (FDA) zugelassen.[40] Dies war Folge einer randomisierten Phase-II-Studie, welche Frauen mit fortgeschrittenem ER-positivem Mammakarzinom einschloss (n=165), die vorher keine systemische Therapie erhalten hatten. Entweder erhielten sie 2.5 mg Letrozol täglich oder 2.5 mg Letrozol in Kombination mit Palbociclib in einer Dosis von 125 mg für drei Wochen gefolgt von einer Woche Pause (28-TageZyklus). Das Ergebnis zeigte, dass Palbociclib plus Letrozol ein signifikant höheres (verdoppeltes) PFS vorwiesen (20.2 versus 10.2 Monate für Letrozol alleine; HR 0.49, 95% CI 0.319-0.748). Aber auch eine höhere Inzidenz von ernst zu nehmenden Toxizitäten (Grad 3/4) war zu beobachten. Nebenwirkungen wie Neutropenie (54% versus 1 %), Leukopenie (19% versus 0%) und Fatigue (4% versus 1%) traten deutlich häufiger bei einer Kombination von Letrozol mit Palbociclib auf. 4% der Patientinnen unter Kombinationstherapie entwickelten eine pulmonale Embolie.[41] Die Ergebnisse einer fortführenden Phase-III-Studie sind noch nicht fertig gestellt.[42] 2.1.3 Der Östrogenrezeptorantagonist Fulvestrant Fulvestrant ist ebenfalls als eine mögliche Therapie für das ER-postitive Mammakarzinom anzusehen. Pharmakodynamisch wirkt es als ein kompetitiver Östrogenrezeptorantagonist und hat im Vergleich zu Tamoxifen eine 30-fach höhere Affinität zum Östrogenrezeptor α und β. Es weist zudem keine restagonistische Wirkung auf. Fulvestrant führt zur Hemmung der Dimerisierung und Translokation des Östrogenrezeptors. Außerdem vermindert es die Anzahl der Östrogenrezeptoren, da der Komplex aus Antagonist und Rezeptor im Cytoplasma abgebaut wird. Dadurch wird die Gentranskription gehemmt.[15] Fulvestrant wird vor allem postmenopausal eingesetzt. Als Dosierung ist mittlerweile eine intramuskuläre Injektion von 500 mg an den Tagen 1, 14 und 28 des ersten Monats und danach eine monatlich Erhaltungsdosis an Tag 28, +/- 3 Tagen 25 empfohlen. Vorher war eine monatliche Dosis von 250 mg üblich, allerdings konnte in neuen Studien ein Vorteil der höheren Dosis gezeigt werden, die deshalb nun vorzugsweise eingesetzt wird. Zum Beispiel konnte im CONFIRM Trial von A. Di Leo et al. nachgewiesen werden, dass sich das Mortalitätsrisiko um 19% verringerte und das mittlere OS um 4.1 Monate gesteigert werden konnte. Zudem zeigte die Studie keine Unterschiede oder Verschlechterungen in Bezug auf die Nebenwirkungen.[43] Es gab eine randomisierte Phase-II-Studie First-Line Study Comparing Endocrine Treatments (FIRST) von J.F. Robertson et al. in der 205 Patientinnen im Vergleich entweder mit Fulvestrant (500 mg/Monat + 500mg an Tag 14 des 1. Monats) oder Anastrozol (1mg/d oral) behandelt wurden. Es ergab sich eine signifikant längere Zeit bis zum Tumorprogress (23.4 versus 13.1 Monate; HR 0.66; 95 % CI 0.47, 0.92; P = 0.01). Das klinische Benefit (objektives Ansprechen auf die Therapie oder ein stabiles Krankheitsbild ≥ 24 Monate) und die allgemeine Ansprechrate auf die Therapie waren in beiden Gruppen gleich.[44] M.J. Ellis at al. veröffentlichten außerdem 2015 eine Analyse zum OS dieser Studie. Es zeigte sich ein signifikant höheres OS für die Patientinnen, die mit Fulvestrant therapiert worden waren (54.1 versus 48.4 Monate; HR 0.70, CI 95% 0.05-0.98). Da in der ursprünglichen Studie allerdings keine Auswertung des OS vorgesehen war, sollte hier bedacht werden, dass nicht alle Patientinnen an der zusätzlichen Auswertung teilnahmen. Eine prospektive Phase-III-Studie (FALCON) soll diese Ergebnisse bestätigen bzw. weiteren Aufschluss darüber geben.[45] Obwohl die Ergebnisse derzeit noch nicht bekannt sind, sollte Fulvestrant auf Grund der vorliegenden Studien als eine Alternative für eine Behandlung mit AIs oder Letrozol plus Palbociclib angesehen werden.[12] Auch second-line kann Fulvestrant zum Einsatz kommen. Fulvestrant zeigte hier eine ähnliche ORR, sowie ein ähnliches OS im Vergleich zur Behandlung mit einem AI. Allerdings wurde in den zu dieser Thematik bislang existierenden Studien Fulvestrant mit einer Dosis von 250mg/Monat angewendet, welche im klinischen Gebrauch auf 500mg angehoben worden ist. Zu dieser neuen höheren Dosis im Vergleich mit AIs als Second-Line-Therapie liegen jedoch noch keine Ergebnisse vor.[12] 26 2.1.3.1 Kombination von Palbociclib plus Fulvestrant Diese Therapiekombination von Palbociclib und Fulvestrant ist nach Studienlage eine in Erwägung zu ziehende Therapieoption für Frauen, die unter initial durchgeführter Hormontherapie einen Tumorprogress gezeigt haben. Unterstützt werden kann diese Aussage durch die Ergebnisse der PALOMA3 Studie (M. Cristofanili et al.). Diese Studie schloss 521 Frauen (Fulvestrant+Palbociclib= 347, Fulvestrant+Placebo= 174) mit metastasiertem HR-positivem und HER2negativem Mammakarzinom ein. Außerdem beinhalteten die Einschlusskriterien, dass die Frauen einen Tumorprogress trotz vorher durchgeführter adjuvanter endokriner Therapie gezeigt haben sollten. 21% der Frauen befanden sich in der Prämenopause und erhielten zusätzlich das GnRH-Analogon Goserelin. Die Studie ergab eine signifikante Verbesserung des PFS in der Gruppe Fulvestrant+Palbociclib mit 9.7 Monaten (95% CI 9.2-11.0) versus 4.6 Monaten (95% CI 3.5-5.6) in der anderen Gruppe (HR 0.46, 95% CI 0.36-0.59, p<0.0001). Auf der anderen Seite zeigten die Ergebnisse eine deutlich höhere Rate an schweren Nebenwirkungen (Grad 3/4) wie Neutropenie (65% versus 1%) und Leukopenie (28% versus 1%). Eine genauere Analyse ergab, dass eine Therapie von Fulvestrant+Palbociclib für alle Patientinnen (unabhängig von endokriner Resistenz, Hormonrezeptor-Expressions-Level oder PIK3CA-Mutation) eine Verbesserung des PFS erzielen konnte und somit als Therapieoption in Erwägung gezogen werden kann. Ein Follow-Up, welches das OS analysieren soll, wird derzeit verfasst. [46] Hervorzuheben ist außerdem, dass die Therapiebeurteilung aus Patientensicht in Bezug auf die Lebensqualität trotz insgesamt stärkeren Nebenwirkungen die Kombinationstherapie favorisierte. Die Lebensqualität (P < 0.025) und auch die Schmerzen (P < 0.001) verschlechterten sich später als in der Vergleichsgruppe.[47] 2.1.3.2 Kombination von Fulvestrant und Anastrozol Die Beurteilung einer kombinierten Therapie von Fulvestrant mit Anastrozol wird durch uneindeutige Studienergebnisse erschwert. So evaluierte die randomisierte Phase-III-Studie von J. Bergh et al. (FACT), ob eine Kombinationstherapie von Fulvestrant und Anastrozol gegenüber einer Therapie mit Anastrozol alleine von Vorteil wäre. FACT umschloss 514 Frauen, von denen ein drittel bislang keine endokrine Therapie erhalten hatten. Die Kombinationstherapie von Fulvestrant mit 27 Anastrozol zeigte ein ähnliches PFS (10.8 versus 10.2 Monate; HR 0.99, 95% CI 0.81-1.20) und OS (37.8 versus 38.2; HR 1.0, 95% CI 0.76-1.32). Die Ergebnisse scheinen also keinen Vorteil einer Kombinationstherapie zu ergeben. Es sollte allerdings beachtet werden, dass Fulvestrant in der alten üblichen Dosis von 250mg verabreicht wurde und nicht in der neuen 500mg Dosis.[48] Eine andere randomisierte Studie der South West Oncology Group (SWOG) (n=694) untersuchte ebenfalls eine Therapie mit Fulvestrant plus Anastrozol und Anastrozol alleine. 59.7 % der teilnehmenden Frauen hatten noch keine endokrine Therapie im Vorfeld erhalten (der Rest wurde bereits mit Tamoxifen therapiert). Die meisten der Patientinnen erhielten 250mg/Monat Dosen Fulvestrant. Manchen wurde erlaubt 500mg/Monat zu erhalten, nachdem der Vorteil der höheren Dosis nachgewiesen worden war. Die Behandlung mit kombinierter Therapie zeigte ein etwas bessere PFS (13.5 versus 15 Monate; HR 0.80, 95% CI 0.68-0.94) und ein besseres OS (47.7 versus 41.3 Monate; HR 0.81, 95% CI 0.65-1.00). Bei Analyse der Subgruppen (keine endokrine Therapie oder Therapie mit Tamoxifen im Vorfeld) schien der Vorteil der Kombination bei vorher behandelten Patientinnen eingeschränkt zu sein. Diese Studie schloss eine signifikant höhere Anzahl von Patientinnen ein, welche bislang keine endokrine Therapie erhalten hatten, wodurch möglicherweise der Unterschied zum Ergebnis der FACT Studie zu erklären ist. Weitere Studien hierzu sind jedoch noch nötig.[49] Eine Analyse der Pharmakokinetik der Kombination von Fulvestrant und Anastrozol deutet zudem auf eine Interaktion der beiden Medikamente hin. Fulvestrant scheint die Konzentration von Anastrozol zu verringern (eine geschätzte Differenz von 9.85 ng ml(-1) (95% CI 5.69, 14.00 ng ml(-1) ), P < 0.001). Der genaue pharmakologische Mechanismus und ein eventueller Einfluss auf die Wirksamkeit der Therapie müssen jedoch noch weiter untersucht werden. [50] Second-Line scheint die Kombination von Fulvestrant und einem AI (Anastrozol) keine Vorteile gegenüber einer Therapie mit Fulvestrant oder einem AI alleine aufzuweisen. Dies wurde durch eine randomisierte Phase-III Studie (SoFEA) von S.R. Johnston et al. belegt, die Patientinnen entweder mit Fulvestrant plus Anastrozol oder Placebo oder Exemestan alleine behandelten. Die 723 28 Patientinnen hatten im Vorfeld einen Tumorprogress trotz nicht-steroidalem AI gezeigt. Aus dem Ergebnis der Studie wurde deutlich, dass keine signifikanten Unterschiede im PFS (4.4 Monate bei Fulvestrant plus Anastrozol, 4.8 Monate bei Fulvestrant plus Placebo und 3.4 Monate bei Exemestan) bestehen. Auch hier sollte darauf hingewiesen werden, dass Fulvestrant nicht in der heute üblichen Dosis von 500mg, sondern in der alten Dosis von 250mg, verabreicht wurde.[51] 2.1.4 Gestagene Bei Gestagenen handelt sich um eine Stoffklasse von Sexualhormonen, die Eigenschaften des physiologischen Gelbkörperhormons Progesteron aufweist. Sie finden insbesondere in der Thrid-Line-Therapie Einsatz. Die synthetisch hergestellten Gestagene werden auch häufig als Progestine bezeichnet. Gemeinsam mit den Östrogenen bilden sie die weiblichen Sexualhormone und spielen somit bei vielen wichtigen hormonellen Prozessen wie z.B. der Embryonalentwicklung, der Steuerung des weiblichen Zyklus oder auch zentralen metabolischen Vorgängen eine essentielle Rolle. Die Sexualhormone der Frau werden im Ovar, der Plazenta und den Nebennieren gebildet.[15] 2.1.4.1 Chemie der Gestagene Gestagene sind Steroidhormone, deren Ausgangssubstanz für die Biosynthese Cholesterin ist. Dadurch ist eine polycyclische Ringstruktur in den Hormonen vorhanden. Das natürliche Gestagen Progesteron hat 21 Kohlenstoffatome.[15] Bei parenteraler Gabe ist dieses allerdings nur kurz und auch bei oraler Gabe auf Grund des starken First-Pass-Effekts wenig wirksam. Deshalb wurde Progesteron chemisch so modifiziert, dass schließlich länger wirksame Derivate hergestellt werden konnten. Die längere Wirkdauer wird durch Hydroxylierung in 17-Stellung und Veresterung erreicht. Die stärkere Wiksamkeit kann mittels einer Doppelbindung zwischen C-6 und C-7 und einer Methylgruppe bzw. eines Chloratoms in 6-Stellung erzielt werden. Die im Folgenden beschriebenen Wirkstoffe Megestrolacetat und Medroxyprogesteronacetat sind oral wirksame 17alpha-Hydroxyderivate. Die beiden Wirkstoffe unterscheiden sich durch eine Doppelbindung (siehe Abbildung 6).[52] 29 modifiziert nach PubChem Compound Database, 2016[53][54][55][56] 2.1.4.2 Pharmakokinetik und Pharmakodynamik der Gestagene Die Wirkung von Gestagenen hängt unter anderem von ihrem Gegenspieler dem Östrogen ab, da Östrogen die Synthese von Progesteronrezeptoren induziert. Auf Grund dessen ist das Östrogen-Gestagen-Verhältnis sowie die zeitliche Sequenz des Zusammenwirkens ausschlaggebend.[15] Durch Gestagene wird die hypophysäre Sekretion des Luteinisierenden Hormons (LH) und des Follikelstimulierenden Hormons (FSH) inhibiert. Die Hemmung dieser Hormone 30 führt zum Abfall des Östrogenspiegels, was zum einen für die Behandlung eines ER-positiven Mammakarzinoms von Vorteil ist und zum anderen zur verminderten Expression von Progesteronrezeptoren führt. Außerdem wird die Östrogenrezeptorsynthese gehemmt. Somit senken Gestagene die Anzahl der Östrogenrezeptoren, wodurch eine positive Wirkung auf das ER-positive Mammakarzinom erzielt werden kann.[52] Gestagene entfalten ihre Wirkung über die Expression von Zielgenen, wozu sie zunächst an Rezeptoren binden müssen. Progesteron hat zwei Rezeptor-Subtypen, A und B. Diese Rezeptoren sind Spleißvarianten eines Gens und unterscheiden sich N-terminal. Eine 3Ketogruppe ist für eine Bindung unentbehrlich. Wie bereits oben erwähnt wird die Bildung der Rezeptoren durch Östrogene verstärkt. Im folgenden Kapitel sollen hauptsächlich die Wirkstoffe Megestrolacetat und Medroxyprogesteronacetat behandelt werden, da insbesondere zu diesen beiden Stoffen Studien vorliegen und sie deshalb zur Therapie des Mammakarzinoms eingesetzt werden. Sie weisen zusätzlich zu ihrer gestagenen Wirkung, die durch Stimulation der Progesteronrezeptoren hervorgerufen wird, eine antiandrogene Wirkung auf. Megestrolacetat hat eine HWZ von 15-30 Stunden und die mittlere Tagesdosis beträgt 160mg. Medroxyprogesteronacetat weist eine HWZ von 30-60 Stunden auf und die mittlere Tagesdosis liegt bei 300-1000mg. [52] 2.1.4.3 Indikation für Gestagene Gestagene können beim fortgeschrittenen Mammakarzinom angewendet werden. Sie können besonders zur palliativen Therapie herangezogen werden. Weiterhin sind Gestagene zur Antikonzeption, Hormonsubstitution, bei Dysmenorrhoe, Endometriose oder auch zur ovariellen Hemmung von Gebärmutterblutungen indiziert.[52] Megestrolacetat mit einer Dosis von 160mg/d zeigt Wirkung auf das ER-positive Mammakarzinom. Höhere Dosen weisen keine bessere Effektivität auf, werden aber häufiger mit Gewichtszunahme, Flüssigkeitsretention, vaginalen Blutungen und geringerer Lebensqualität in Verbindung gebracht.[12][57]Bereits 1989 verglichen Lundgren et al. die Wirkung von Megestrolacetat mit der Wirkung von Aminoglutethimid (Aromatasehemmer der 1. Generation). Auch wenn dieser Vergleich heutzutage obsolet ist, da mittlerweile nur noch AIs der 3. Generation eingesetzt werden, konnte durch diese Studie nachgewiesen werden, dass ein Ansprechen von 31% (n=176) und das Erreichen eines stabilen Krankheitsbildes 31 in 35% der Fälle bei Therapie mit Megestrolacetat erreichbar ist.[58] Laut Bines et al. zeigt Megestrolacetat Wirkung bei postmenopausalen Frauen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom, das unter Therapie mit einem nichtsteroidalen Aromataseinhibitor progredient war. In dieser 2014 durchgeführten Phase-II-Studie wurden 48 Patientinnen mit einer Dosis von 160mg täglich behandelt. Die Rate für das klinische Benefit, definiert als vollständiges Ansprechen auf die Therapie oder ein stabiles Krankheitsbild für >24 Monate, lag bei 40% (95% CI 25.2–54.9%). Das PFS war 3.9 Monate (95% CI 3.0–4.8) und das mittlere OS lag bei 19.4 Monaten (95% CI 15.1–23.6). Als Nebenwirkung war insbesondere die tiefe Venenthrombose (DVT) gefürchtet. Sie trat bei 10% der Patientinnen auf und war damit die häufigste unerwünschte Wirkung. Die zweithäufigste Nebenwirkung war eine Gewichtszunahme. Sonst zeigten sich nur leichte unerwünschte Wirkungen.[59] Im Vergleich zu anderen Studien umfasst diese Studie deutlich weniger Patientinnen und beinhaltet auch keine Vergleichsgruppe, die mit einem anderen Medikament oder Placebo behandelt wurde. In der bereits weiter oben besprochenen BOLERO-2 Studie von D.A. Yardley et al. erhöhte Exemestan plus Everolimus das PFS auf 7.8 Monate, aber die Placebo-Gruppe zeigte ein PFS von nur 3.2 Monaten (siehe Kapitel 2.1.2.4.). [36] Vergleicht man dieses PFS mit dem oben genannten PFS von 3.9 Monaten, so scheint die Wirkung von Megestrolacetat nicht besonders stark. Medroxyprogesteronacetat wird ebenfalls mit einer Wirkung auf Brustkrebs assoziiert. Die ungefähre Ansprechrate liegt bei 25% und die mittleren Dauer der Antwort bei 15 Monaten. Die Wirkung scheint bei Patientinnen, die einen Fortschritt der Erkrankung trotz Tamoxifen zeigten, aufrechterhalten.[12] In einer Studie von W.M. Willemse et al. (1990) wurde Medroxyprogesteron (1000mg/d) mit Megestrolacetat (160mg/d) zum Einsatz bei fortgeschrittenem Brustkrebs verglichen. Die Therapieansprache schien in der Gruppe, die mit Medroxyprogesteron behandelt wurde deutlich besser (43% versus 25%). Besonders die Wirkung auf Knochenmetastasen war mit 45% versus 12% deutlich höher. Allerdings sollte kritisch angemerkt werden, dass in der Gruppe der Patientinnen, die Megestrolacetat als Therapie erhielten, überwiegend HRnegative Mammakarzinome vorlagen. Das mittlere PFS war mit 15 versus 10 Monaten und das OS mit 20 versus 16 Monaten vergleichbar, aber besser in der 32 Medroxyprogesteron-Gruppe. Auf der anderen Seite traten in dieser Gruppe mehr Nebenwirkungen auf (83% versus 74%). [60] Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Studien zur Wirksamkeit von Megestrolacetat und Medroxyprogesteronacetat vorliegen, aber die Effektivität und das Ausmaß der Nebenwirkungen im Vergleich zu aktuellen Medikamenten in neueren Studien noch näher untersucht werden müssten. Trotzdem können diese Substanzen als Third-Line-Therapie eingesetzt werden. 2.1.4.4 Nebenwirkungen der Gestagene Bei geringer Dosis und zyklusgerechter Anwendung sind selten Nebenwirkungen bei Gestagengabe zu verzeichnen. Nach längerer Anwendung kann eine Gewichtszunahme als Folge der Aktivierung der Mineralcorticoidrezeptoren auftreten. Die beiden Wirkstoffe Megestrolacetat und Medroxyprogesteronacetat werden allerdings nicht mit einer Wirkung auf diese Rezeptoren assoziiert. Des Weiteren können Libidoverlust, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Spannungsschmerzen in der Brustdrüse auftreten.[52] Außerdem kann es zu Muskelkrämpfen, Tremor, einem Blutdruckanstieg sowie einer Obstipation kommen.[15] 2.1.4.5 Interaktionen und Kontraindikationen der Gestagene Enzyminduktoren wie Barbiturate, Carbamazepin, Phenytoin, Rifampicin und Johanniskrautextrakte können die Biotransformation und somit den Abbau von Gestagenen beschleunigen. Kontraindiziert sind Gestagene mit antiandrogenen Eigenschaften in der Schwangerschaft, da die Gefahr der Feminisierung männlicher Feten besteht. Alle Gestagene sollten nicht bei Leberschäden, Hyperbilirubinämie oder thrombembolischen Erkrankungen eingesetzt werden.[52] 2.1.5 Selektive-Progesteronrezeptor-Modulatoren (SPRMs) In den vorangegangenen Kapiteln wurde vor allem auf den Östrogenrezeptor und ihn beeinflussende Substanzen eingegangen. Die dazu herangezogenen Studien schlossen meistens HR (PR/ER)-positive Mammakarzinome ein, sodass ein Effekt der vorher dargestellten Substanzen auf den PR-Rezeptor angenommen werden kann. Es stellt sich jedoch trotzdem die Frage, ob ein PR-positives Mammakarzinom nicht effektiver behandelt werden könnte. Hierfür könnten zum Beispiel Selektive-Progesteronrezeptor-Modulatoren (SPRMs) oder auch 33 Antigestagene eine Rolle spielen. Schon in der Vergangenheit wurde viel mehr an Östrogenen geforscht. So werden Antiöstrogene bereits seit über 40 Jahren hergestellt. Antigestagene jedoch erst seit 1981 mit der Entdeckung des Mifepristons, das hauptsächlich als Abortivum eingesetzt wird. Später sollte sich in In-vitro-Studien herausstellen, dass Mifepriston nicht wie zunächst angenommen nur antagonistisch, sondern auch agonistisch wirken kann und somit als Selektiver-Progesteronrezeptor-Modulator anzusehen ist. Wie bei den SelektivenÖstrogenrezeptor-Modulatoren hängt es von dem Koaktivator-KorepressorVerhältnis in der entsprechenden Zelle ab, ob eine antagonistische oder agonistische Wirkung hervorgerufen wird. Mittlerweile gibt es viele weitere Substanzen, die zu der Stoffklasse der SPRMs zählen. Nach wie vor wird Mifepriston als Abortivum bis zur 8. Schwangerschaftswoche eingesetzt, aber zeigt Potenzial bei der Behandlung des Mammakarzinoms.[52] Ein Review von C. Lanari et al. fasst mehrere Studien zusammen. Eine davon wurde von Romieu et al. durchgeführt und umfasste 22 Patientinnen. Diese litten unter Tamoxifenresistenten Metastasen und reagierten nicht auf Chemo- oder andere endokrine Therapieformen. Sie erhielten 200mg/d Mifepriston für 1-3 Monate. Nach 3 Monaten Behandlung sprachen 18% auf die Therapie an. Außerdem zeigten alle Patientinnen ein erhöhtes Serum-Level an 17-β-Östradiol, Cortisol und Androstendion. Die Toleranz der Therapie war gut. In einer weiteren Studie von Klijn et al. wurden 11 Patientinnen, die Tamoxifen als First-Line-Therapie erhalten hatten mit 200-400mg/d Mifepriston behandelt. 6 Patientinnen zeigten eine Stabilisierung des Krankheitsbildes bei 4 Patientinnen kam es jedoch zu einem Tumorprogress. In einer dritten Studie von Perrault et al. mit 28 postmenopausalen, PR-positiven Patientinnen konnte allerdings nur bei 3 Patientinnen eine Therapieansprache bei Behandlung mit Mifepriston (200mg/d) verzeichnet werden.[61] Klijn et al. konnten aber in einer Studie an Ratten nachweisen, dass eine Kombination von Mifepriston und Tamoxifen hemmend auf ein Tumorwachstum wirkt. Erklärt werden könnte dies dadurch, dass Tamoxifen die Expression von Progesteronrezeptoren steigert und Mifepriston somit besser wirken kann. Eine weitere Hypothese wäre, dass Tamoxifen das durch Mifepriston erhöhte 17-βÖstradiol-Level ausgleichen kann.[61] Da die hier aufgeführten Studien alle Ende 34 der 80er Jahre entstanden sind und nur wenige Patientinnen umfassten, wäre es möglicherweise sinnvoll hier neue Forschungsanstrengungen zu unternehmen, die auch die Wirkung von Tamoxifen verbunden mit Mifepriston weiter untersuchen könnten. 2.1.6 Weitere endokrine Therapiemöglichkeiten Androgene wie Testosteron, Fluoxymesteron und Danazol werden nur selten für die Third-Line-Therapie des metastasierten Mammakarzinoms eingesetzt. Auch wenn die Ansprechrate auf diese Substanzen bei 10-20% bei vorbehandelten Patientinnen liegt, machen Nebenwirkungen wie Virilisierung, Ödeme und Gelbsucht diese Substanzen zur Therapie des Mammakarzinoms uninteressant. Falls es trotzdem zur Therapie herangezogen wird, wäre das zu bevorzugenden Androgen Fluoxymesteron in einer Dosis von 10 mg oral 2x täglich.[12] Des Weiteren ist es von großer Bedeutung Therapiemöglichkeiten zu entwickeln, die die Resistenzbildung gegen bestehende endokrine Therapieformen verhindern, überbrücken oder bekämpfen. Ein möglicher Grund für diese Resistenzbildung könnte die Mutation des ESR1 (ein Gen, welches für den Östrogen-Rezeptor 1 codiert) sein. Studien haben gezeigt, dass Frauen mit Tumorwachstum trotz endokriner Therapie diese Mutation besitzen. W. Toy et al. wiesen ist einer Studie in 20% des ER-positiven metastasierten Mammakarzinome diese Mutation nach. [62] Und auch D.R. Robinson et al. konnten in einer Studie nachweisen, dass 6 von 11 Patientinnen von einer ESR1-Mutation betroffen sind. Besonders interessant war hier auch, dass 3 dieser 6 Patientinnen zu Beginn der Therapie noch keine derartige Mutation aufwiesen.[63] Im Gewebe vom primären Mammakarzinom wurde diese Mutation nur selten nachgewiesen, wohingegen das Gewebe der Metastasen eine ESR1 Mutation in 11-55% der Fälle vorweist. [12] Diese Mutation gruppiert sich in der Liganden-bindenden Domäne des ER mit Y537S (12%), Y537N (5%) und D538G (2%) als die am häufigsten vorkommenden.[64] Innerhalb präklinischer Studien stellte sich heraus, dass eine höhere Dosis von Tamoxifen oder Fulvestrant bei ESR1 Mutation gebraucht wurde um die Tumorzellproliferation zu unterdrücken. Neue Selektive-Estrogen-RezeptorDownregulators (SERDs) werden derzeit untersucht, die die Möglichkeit bieten, 35 mutierten Östrogenrezeptoren zu vermindern. Ein Beispiel ist GDC-810, welches sich in der Phase I/II zum Einsatz bei postmenopausalen Frauen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem, ER-positivem Brustkrebs mit oder ohne ESR1 Mutation befindet.[12] So konnten zum Beispiel A. Lei et al. eine Aktivität von GDC-810 bei Tamoxifen-resistentem fortgeschrittenem Mammakarzinom nachweisen.[65] Auch Mutationen in Bestandteilen des PI3K Signalwegs werden häufig bei ERpositivem Mammakarzinom beobachtet. Der Phophatidylinositol-3-Kinase (PI3K)/Akt/mTOR-Signalweg spielt eine kritische Rolle dabei Zellwachstum, Überleben und Angiogenese zu ermöglichen. Eine mögliche Mutation ist die Mutation des PIK3CA, welches für die alpha-katalysierende Untergruppe von PI3K codiert. Diese Mutation wird in 40% der ER-positiven Mammakarzinome gefunden. Präklinische Studien zeigen, dass nach längerem Östrogen Entzug eine Hochregulierung des PI3K-Signalwegs stattfindet. Außerdem wird eine synergistische Zelltötung beobachtet, wenn man die endokrine Therapie mit PI3KSignalweg-Inhibitoren kombiniert.[12] Nach der BOLERO-2 Studie, welche den Erfolg einer Hemmung von mTOR bei AI resistentem ER-positivem Brutkrebs zeigte[38], werden nun auch einige Mittel untersucht, die verschiedene Komponenten des PI3K-Signalwegs angreifen. Viele pan-PI3K Inhibitoren wie zum Beispiel BKM120 (Buparlisib) und GDC-0941 (Pictilisib) befinden sich in Phase-IIIStudien, deren Ergebnisse erwartet werden. Zudem sind isoform-spezifische Inhibitoren des PI3K und Inhibitoren von mTOR oder auch AK in Entwicklung.[12] In einer Phase-II-Studie von I.E. Krop et al. sind die Ergebnisse zu Pictilisib allerdings eher enttäuschend. Es konnte keine signifikante Verlängerung der PFS durch Gabe von Pictilisib (6.6 Monate (95% CI 3.9-9.8)) versus Placebo 5.1 Monate (3.6-7.3); HR 0.74; 95% CI 0.52-1.06; p=0.096) erreicht werden. Diese Ergebnisse zeigten sich unabhängig davon, ob eine Mutation bei den Patientinnen nachgewiesen werden konnte oder nicht (Mutation: Pictilisib 6.5 Monate (95% CI 3.7-9.8) versus Placebo 5.1Monate (95% CI 2.6-10.4); HR 0.73; 95% CI 0.421.28), keine Mutation: Pictilisib 5.8 Monate (95% CI 3.6-11.1) versus 3.6 Monate (95% CI 2.8-7.3); HR 0.72 95% CI 0.42-1.23). Zudem zeigte sich die Toxizität von 36 Pictilisib als sehr hoch, wodurch eine höhere Dosierung unmöglich und gegebenenfalls die Wirksamkeit von Pictilisib eingeschränkt wird.[66] Ein weiterer vielversprechender Therapieansatz ist die Kombination einer endokrinen Therapie mit Cyclin-Dependent-Kinase (CDK) 4/6 Inhibitoren. CDK 4/6 kontrolliert den Übergang der G1-Phase zur S-Phase und spielt somit bei der Zellproliferation eine wichtige Rolle. Die Bindung des Cyclin D1 aktiviert CDK 4/6. Die Cyclin D1 Expression wird durch Östrogen und andere Zellproliferationssignale erhöht. Der CDK4/6 Inhibitor Palbociclib wird bereits in Kombination mit Letrozol als First-Line-Therapie beim fortgeschrittenen ERpositiven Mammakarzinom eingesetzt. Zwei weitere CDK 4/6 Inhibitoren LEE 011 und LY2835219 (Abemaciclib) werden nun in Kombination mit AI oder Fulvestrant als First-Line- oder auch Second-Line-Therapiemöglichkeit untersucht.[67] Abschließend sollte noch der neue Ansatz einer Kombination von endokriner Therapie mit Blockade der Androgenrezeptoren angesprochen werden. Bei ER-positivem Mammakarzinom ist in der Mehrzahl der Fälle ebenfalls der Androgenrezeptor (AR) überexpremiert. Präklinische Studien zeigten bereits einen Synergismus zwischen einer auf die ER und AR abzielenden Therapie. Diese Strategie wird nun in klinischen Studien weiter erprobt. So wird zum Beispiel eine randomisierte Phase-II-Studie durchgeführt, welche die Wirkung von Exemestan mit oder ohne Enzalutamid bei fortgeschrittenem ER-positivem HER2negativem Brustkrebs untersucht.[12] Auch hervorzuheben ist das Ergebnis einer Phase-II-Studie von Traina et al., welche die Expression des Androgenrezeptors bei triple-negativem Mammakarzinom und das Ansprechen auf Enzalutamid untersuchte. Bei 79% der triple-negativen Tumore war eine Expression des AR vorhanden, bei 55% davon lag diese bei über 10%. Von 75 Patientinnen, die mit Enzalutamid behandelt wurden, war bei 35% ein klinisches Benefit nach 16 Wochen und bei 29% ein klinisches Benefit nach 24 Wochen nachzuweisen.[68] 2.2 Antikörpertherapie Für Patientinnen, bei denen der human epidermal growth factor 2 (HER2) positiv ist, stellt eine Antikörpertherapie eine wichtige Ergänzung des Therapieplans dar. Dazu werden derzeit die Substanzen Trastuzumab und Lapatinib herangezogen, 37 die im Folgenden näher erläutert werden sollen. Für das HR-positive, HER2positive Mammakarzinom wird first-line eine Kombination aus HER2-gezielter Therapie und endokriner Therapie empfohlen. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit zunächst eine Therapie mit Trastuzumab alleine durchzuführen bevor man die Patientin einer Kombinationstherapie unterzieht. Sollte es sich um einen HR-negativen, symptomatisch metastasierten oder sehr schnell fortschreitenden Tumor handeln, sollte eine Antikörpertherapie in Kombination mit einer Chemotherapie durchgeführt werden.[12] Für prämenopausale Patientinnen mit intakter Funktion der Ovarien gibt es derzeit keinen Beweis, dass sie von einer Therapie mit Tamoxifen in Kombination mit einer Antikörpertherapie profitieren. Da allerdings eine Kombination einer endokrinen Therapie mit einer Antikörpertherapie bei postmenopausalen Frauen einen Vorteil zeigt, wird häufig ebenfalls bei prämenopausalen Frauen eine Kombination von Trastuzumab und Tamoxifen eingesetzt. Für postmenopausale Patientinnen mit HR-positivem, HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs, ist außerdem eine HER2-gezielte Therapie in Verbindung mit einem Aromataseinhibitor als effektiv anzusehen. Die vergleichende Betrachtung von Trastuzumab und Lapatinib lässt derzeit offen, inwiefern oder ob eine der beiden Substanzen einen Vorteil bei der Kombination mit einer endokrinen Therapie bietet. Es ist allerdings in Betracht zu ziehen, dass Trastuzumab intravenös verabreicht werden muss. Im Gegensatz dazu kann Lapatinib oral gegeben werden, was in Verbindung mit einer oralen endokrinen Therapie für die Patientin gegebenenfalls angenehmer ist. Allerdings treten häufiger Nebenwirkungen auf, wie Rash und Diarrhoe.[12] 2.2.1 Pharmakologie von Trastuzumab Bei Trastuzumab handelt es sich um einen rekombinanten humanisierten Antikörper gegen das HER2-Onkoprotein. HER2 ist eine Rezeptortyrosinkinase und wird in 20-30 % der Fälle auf der Plasmamembran der Mammakarzinomzellen überexprimiert. Ist HER2 positiv, verschlechtert dies zwar die Prognose, aber ermöglicht eine Antikörpertherapie als zusätzliche Therapieform.[15] HER2 kann als Wachstumsfaktorrezeptor in mehrere Domänen unterteilt werden. An die vierte dieser Domänen bindet Trastuzumab. Es kommt nach Bindung zur Endozytose des Rezeptors und anschließend zum Abbau. Für die Wirkung 38 scheinen zudem sogenannte Antikörperrezeptoren vom Typ FC-γ eine Rolle zu spielen, da die Zytotoxizität durch Trastuzumab ansteigt.[15] Die HWZ von Tratuzumab liegt bei 28 Tagen. Häufig treten Schüttelfrost und Fieber als Nebenwirkung auf. Es kann aber auch zu anaphylaktischen Reaktionen mit Folge eines Bronchospasmus kommen. Dies tritt allerdings meist nur bei Erstapplikation auf. Außerdem sollte die Wirkung auf das Herz bedacht werden, da HER2-Rezeptoren auch hier vorzufinden sind. Dadurch verstärkt sich möglicherweise die kardiotoxische Wirkung in Verbindung mit Anthrazyklinen. Trastuzumab kann bei metastasiertem ER-postitivem/negativem HER2-postitivem Mammakarzinom eingesetzt und auch in Verbindung mit Paclitaxel verabreicht werden. [15] 2.2.2 Pharmakologie von Lapatinib Bei Lapatinib handelt es sich um einen dualen Proteintyrosinkinase-Inhibitor, der eingesetzt wird, wenn es zu einer Resistenzentwicklung gegenüber Trastuzumab gekommen ist. Lapatinib blockiert sowohl HER1- als auch HER2-Rezeptoren. Bei HER1 handelt es sich um einen Epidermal-Growth-Factor (EGF)-Rezeptor. Im Unterschied zu Tamoxifen kann Lapatinib auf Grund der geringeren Molekülgröße die Blut-Hirn-Schranke besser überwinden. Die Metabolisierung geschieht über CYP3A4. Es wird dann über Faeces ausgeschieden. Die HWZ liegt bei 24 Stunden. Es kommt häufig zu Nebenwirkungen wie Durchfall (40%) und Erythembildung (30%). Selten wirkt es kardiotoxisch (1-2 %). Außerdem kann ein Hand-Fuß-Syndrom auftreten.[15] 2.2.3 Trastuzumab plus Anastrozol Die Kombination von Trastuzumab und Anastrozol ist eine übliche First-LineTherapie bei postmenopausalen Frauen mit ER-/PR- und HER2-positivem fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom. Die TanDEM Studie (n=207) von B. Kaufmann et al. verglich eine Therapie mit Anastrozol (1mg/d per oral) plus Trastuzumab (4mg/kg intravenös an Tag 1, dann 2mg/kg intravenös wöchentlich) mit einer Monotherapie mit Anastrozol. Beiden Gruppen wurden postmenopausale Frauen randomisiert zugeteilt. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Verbesserung des PFS (4.8 versus 2.4 Monate; HR 0.63; 95% CI, 0.47-0.84), sowie eine (nicht signifikante) Verbesserung des OS (28.5 versus 23.9 39 Monate) für die Gruppe, die Trastuzumab plus Anastrozol erhielt. 70% der Patientinnen wechselten zu einer Therapie mit Trastuzumab plus Anastrozol auf Grund einer Tumorprogression. Bei einer kombinierten Therapie war jedoch eine höhere Rate an Toxizitäten zu verzeichenen (alle Grade) wie zum Beispiel Fatigue (21% versus 9%), Diarrhoe (20% versus 8%), Erbrechen (21% versus 4%) und Pyrexie (18% versus 7%). Schwerwiegendere Toxizitäten (Grad 3/4) wurden allerdings auch in der Gruppe beobachtet, die Anastrozol als Monotherapie erhielt. [69] 2.2.4 Lapatinib plus Letrozol Eine Kombination von Lapatinib und Letrozol stellt eine weitere Möglichkeit der First-Line-Therapie dar. Da beide Substanzen oral verabreicht werden können ist ihr Einsatz von besonderem Interesse. Eine randomisierte Studie von S. Johnston et al.(n=219) untersuchte die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie bei postmenopausalen Frauen mit Letrozol (2.5mg/d) und Lapatinib (1500mg/d) im Vergleich zu einer Therapie mit Letrozol alleine. Die Ergebnisse zeigten eine Verbesserung des PFS (8.2 versus 3 Monate, HR 0.71, 95% Cl 0.53-0.96) sowie ein besseres klinisches Benefit (stabiles Erkrankungsbild > 6 Monate, 48% versus 29%; HR 0.4, 95% Cl 0.2-0.8) für die Gruppe, die eine Kombination von Letrozol und Lapatinib erhielt. Aber auch hier war die Rate der Nebenwirkungen (Grad 3/4) wie Diarrhoe (10% versus 1%) und Rash (1% versus 0%) bei einer Kombinationstherapie höher.[70] Der Einfluss einer Kombinationstherapie auf das OS wurde nicht erwähnt. Aber auf Grund der deutlichen Verbesserung des PFS wurde eine Therapie mit Lapatinib plus AI durch die US Food and Drug Administration (FDA) sowie die European Medicines Agency (EMA) anerkannt.[12] 2.3 Überblick über die endokrine Therapie und Antikörpertherapie Für die Auswahl der am besten geeigneten Therapie zur Behandlung eines Mammakarzinoms spielt also die Tumorbiologie eine wichtige Rolle. Auf eine endokrine Therapie wird zurückgegriffen, wenn der Hormonrezeptor (Östrogen (ER)-/Progesteron (PR)) positiv ist. Eine Antikörpertherapie wird begonnen, wenn der Human Epidermal Growth Factor 2 (HER2)- positiv ist. Die Antikörpertherapie wird allerdings selten als Monotherapie verabreicht. Sie wird bei HR-positivem 40 Tumor mit endokriner Therapie und bei HR-negativem Tumor mit einer Chemotherapie kombiniert gegeben.[12] Abgesehen von der Tumorbiologie ist natürlich auch das Alter der Patientin, der Fortschritt der Erkrankung und dergleichen ausschlaggebend. In manchen Fällen (z.B. bei Gefahr von Organschädigungen) sollte sofort mit einer Chemotherapie begonnen werden. Auf dieses Thema wird später (siehe Kapitel 2.5) noch ausführlich eingegangen. Weiterhin ist für die Wahl der Therapie entscheidend, welche Therapien bereits in der Vergangenheit durchgeführt worden sind (besonders mit Rücksicht auf eine endokrine Therapie in der Medikamentenhistorie) und ob die Patientin prämenopausal oder postmenopausal einzustufen ist.[12] Es gibt wenig Nachweis dafür, dass eine Kombination aus endokriner Therapie und einer Chemotherapie ein längeres Überleben bei metastasiertem Mammakarzinom aufweist als eine endokrine Therapie alleine. Da man die Lebensqualität der Patientinnen erhöhen und die Nebenwirkungen - vor allem die aggressiven Nebenwirkungen der Chemotherapie - reduzieren möchte, wird in der Regel eine endokrine Therapie ohne Kombination mit einer Chemotherapie empfohlen.[12] Die folgenden zwei Abbildungen sollen noch einmal in einer zusammenfassenden Übersicht darstellen wie sich der Verlauf der Entscheidungsfindung bei der Auswahl einer geeigneten Therapie derzeit gestaltet. Die Abbildung 7 stellt die endokrine Therapie bei HR-positivem, HER2-negativem Mammakarzinom dar. Wie weiter oben angesprochen ist hier zunächst eine Einordnung in prä- oder postmenopausal wichtig, da sich vor allem die First-LineTherapie unterscheidet. Außerdem sollten prämenopausale Patientinnen zusätzlich ein GnRH-Analogon erhalten oder sich einer Ovarektomie unterziehen. Wird dies von einer Patientin abgelehnt sollte eine Chemotherapie in Betracht gezogen werden. First-Line wird für prämenopausale Patientinnen Tamoxifen (+ GnRH-Analoga) empfohlen. Bei weiterem Tumorprogress kann second-line auf Fulvestrant oder ein AI (nach neueren Studien auch in Verbindung mit Palbociclib) zurückgegriffen werden. Vor Beginn einer Second-Line-Therapie mit diesen Substanzen ist es besonders wichtig den Zustand einer Postmenopause zu 41 erreichen, da diese Therapieherangehensweise eigentlich für postmenopausale Patientinnen gedacht ist. Es sollte das Serum-Östradiol-Level bestimmt werden. Ist dieses trotz ovarieller Suppression hoch wird eine Ovarektomie empfohlen. Erweisen sich alle diese Therapiemöglichkeiten als erfolglos, gibt es third-line die Option Megestrolacetat oder Medroxyprogesteron auszuprobieren. Des Weiteren kann überlegt werden die Patientin an Studien anzubinden, die neuere Therapieformen (z.B. zur Überbrückung von Resistenzen etc.) untersuchen. Postmenopausal gilt als First-Line-Therapie der Einsatz von Aromataseinhibitoren. Kommt es zum Tumorprogress trotz dieser Behandlung kann second-line auf Megestrolacetat oder Medroxyprogesteron zurückgegriffen werden. Auch hier sollte die Patientin ggf. in Studien eingeschlossen werden, die neuere Therapieformen (z.B. zur Überbrückung von Resistenzen etc.) untersuchen. Die Entscheidung zwischen den Optionen sollte immer individuell getroffen werden und den klinischen Status, Komorbiditäten und Ziele bzw. Präferenzen der Patientin berücksichtigen. 42 ER/PgR positiv + HER2 negativ ET (wenn mit CT komibiniert nur sequentiell) prämenopausal 1st line 2nd line Tamoxifen + GnRH Analoga (oder Ovarektomie ) Fulvestrant oder Aromataseinhibitor + Palbociclib + GnRH Analoga (oder Ovarektomie) postmenopausal 1st line 2nd line Aromataseinhibitor Je nach vorheriger Therapie z.B. Megestrolacetat oder Medroxyprogesteronacetat 3rd line Abbildung 7: Endokrine Therapie des Mammakarzinoms 43 Abbildung 8 beschreibt die Antikörpertherapie. Hier ist es wichtig zusätzlich zwischen HR-positiv und HR-negativ zu unterscheiden. Liegt ein HR-positives Mammakarzinom vor, sollte Trastuzumab in Verbindung mit der entsprechenden endokrinen Therapie gegeben werden. Bei Resistenzentwicklung gegenüber Tamoxifen kann auf Lapatinib zurückgegriffen werden. Bei einem HR-negativem Mammakarzinom sollte die Antikörpertherapie in Verbindung mit einer Chemotherapie verabreicht werden. Beachtet werden sollte in diesem Fall, dass ein Anthrazyklin in Verbindung mit Trastuzumab vermieden werden sollte. Bei einer Kombinationstherapie dieser Substanzen könnte die kardiotoxische Wirkung verstärkt werden. Als Second-Line-Therapie kann entweder Trastuzumab in Kombination mit einem anderen Chemotherapeutikum gegeben oder Trastuzumab durch Lapatinib ersetzt werden. Lapatinib zeigte in Verbindung mit Paclitaxel sehr gute Studienergebnisse. Wenn es auch second-line unter Trastuzumab und einem weiteren Chemotherapeutikum zur Tumorprogression kommt, sollte spätestens thrid-line zu Lapatinib gewechselt werden. 44 ER/PgR positiv + HER2 positiv ER/PgR negativ + HER2 positiv Schnelles Wachstum,Metastasen, junges Erkankungsalter, Hohes Grading (G III) Antikörpertherapie + ET Antikörpertherapie + CT 1st line: Trastuzumab + Tamoxifen oder Aromataseinhibitor 1st line: Trastuzumab + CT(Anthrazyklin Bei ResistenzEntwicklung: Lapatinib + Tamoxifen oder Aromataseinhibitor vermeiden, da beide Substanzen kardiotoxisch) Tumorprogression 2nd line Trastuzumab + alternative CT 2nd line Lapatinib + CT (Paclitaxel) Tumorprogression 3rd line Lapatinib + CT (Paclitaxel) Abbildung 8: Antikörpertherapie des Mammakarzinoms 45 2.4 Chemotherapie Die Chemotherapie spielt nach wie vor eine wichtige Rolle bei der pharmakologischen Behandlung des Mammakarzinoms. Für das triple-negative Mammakarzinom stellt sie die Standardtherapie unter den pharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten dar und auch beim HR-negativem und HER2positivem Mammakarzinom ist sie eine wichtige Komponente des Therapieplans. Zudem sollte bei allen Mammakarzinomen mit einer hohen Tumorlast, schneller Progression, Metastasen in viszeralen Organen und Gefahr der Organschädigung auf eine Chemotherapie zurückgegriffen werden.[71] Da Chemotherapien sich insbesondere gegen schnell teilende Zellen richten, könnte der Ki-67 Faktor für Zellwachstum einen Schluss darauf zulassen, inwieweit eine Chemotherapie Wirkung zeigen wird. Das Chemotherapieregime sollte individuell an die Patientinnen angepasst werden. So gibt es mehrere Substanzen, die zur Therapie des Mammakarzinoms eingesetzt werden können und auch die Möglichkeiten einer Mono- versus einer Kombinationstherapie. Im Allgemeinen ist eine Monotherapie zu empfehlen, da sie weniger Nebenwirkungen bei gleichem Gesamtüberleben (OS) zeigt. Sollte die Ansprechrate und ein besonders schnelles Ansprechen auf die Therapie wichtiger erscheinen als die Belastung der Patientin durch Nebenwirkungen, ist jedoch eine Kombinationstherapie mit mehreren Wirkstoffen vorzuziehen. Beispiele für solche Situationen sind Schmerzen auf Grund von Lebermetastasen oder Luftnot hervorgerufen durch Lungenmetastasen. Des Weiteren spielt bei der Therapieentscheidung der generelle Gesundheitszustand der Patientin eine Rolle. So sollten zum Beispiel Patientinnen mit einer aktuellen oder aus der Vergangenheit bekannten Herzerkrankung nicht mit Anthrazyklinen (kardiotoxisch) behandelt werden. Bei Patientinnen mit Risiko für eine Hyperglykämie oder Unverträglichkeit gegenüber Steroiden ist es vorzuziehen eher Substanzen ohne steroidhaltige Prämedikation einzusetzten . Es sollte auch berücksichtigt werden, dass Patientinnen mit Befall des Peritoneums, Schluckbeschwerden oder Schwierigkeiten einem täglichen Therapieregime Folge zu leisten, für eine oral eingenommene Substanz eher ungeeignet sind. Generell sollten für die Wahl des Chemotherapeutikums in der Vorgeschichte bereits eingenommene Medikamente 46 und deren Nebenwirkungen mit einbezogen werden. Natürlich spielt auch der Patientinnenwunsch eine große Rolle.[71] Um die Nebenwirkungen wie z.B. erhöhte Thrombosegefahr so gering wie möglich zu halten, wird empfohlen eine endokrine Therapie nicht mit einer Chemotherapie zu kombinieren. Eine bereits 1998 von R. Fossati et al. durchgeführte Metaanalyse von 189 Studien (n=31.510) konnte zeigen, dass eine Kombination der beiden Therapiemöglichkeiten keinen Vorteil gegenüber der Therapie mit einer Chemotherapie alleine brachte.[72] 2.4.1 Pharmakodynamik und -kinetik der Anthrazykline Doxorubicin und Epirubicin Anthrazykline spielen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Brustkrebs. Sie können sowohl neoadjuvant als auch adjuvant oder bei metastasiertem Mammakarzinom eingesetzt werden.[71] Derzeit werden vor allem Epirubicin und Doxorubicin zur Therapie herangezogen, weshalb vor allem diese beiden Substanzen im Folgenden dargestellt werden sollen. Anthrazykline gehören zu der Gruppe der zytostatisch wirksamen Antibiotika und werden aus Streptomycesarten isoliert. Auf Grund ihrer toxischen Eigenschaften werden sie nicht zur Behandlung bakterieller Infektionen, sondern als Chemotherapeutika eingesetzt. Ihre zytotoxische Wirkung ist in der S-Phase des Zellzyklus am stärksten ausgeprägt. Diese ist auf vier Vorgänge zurückzuführen: • die Interkalation in die DNA, welche zur Hemmung der Nukleinsäuresynthese führt • der Induktion von Strangbrüchen durch eine hervorgerufene Hemmung der Topoisomerase II • der Biotransformation zu freien Radikalen, welche ebenfalls zu Doppelstrangbrüchen führen • die Bindung an Bestandteile der Zellmembran, die die Membranfluidität und -permeabilität erhöhen Doxorubicin weist eine HWZ von 30 – 50 Stunden auf. Seine Elimination erfolgt hauptsächlich über die Biotransformation zum zytotoxisch aktiven Doxorubicinol. 47 Nur 5- 15% der verabreichten Dosis werden unverändert über die Niere ausgeschieden. Epirubicin ist ein Epimer des Doxorubicin, das nach bisherigen Untersuchungen weniger kardiotoxisch wirksam ist als Doxorubicin. Die HWZ von Epirubicin liegt bei 18- 45 Stunden. Die Elimination erfolgt ebenfalls über Biotransformation zum aktive Metaboliten Epirubicinol. Ungefähr 7% der verabreichten Dosis werden unverändert renal ausgeschieden.[52] Allgemein betrachtet kann gesagt werden, dass in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) Doxorubicin und in Europa Epirubicin häufiger eingesetzt wird. Auch das Pegylated-Liposomal-Doxorubicin sollte hier kurz angesprochen werden. Es handelt sich hierbei um eine neuere Substanz. Es kann vor allem bei Patientinnen eingesetzt werden, die ein weniger regelmäßiges Therapieregime anstreben. Das Pegylated-Liposomal-Doxorubicin sollte in einer Dosis von 40 mg/m2 alle vier Wochen verabreicht werden. Es wies in einer Studie eine ähnliche Wirksamkeit, aber geringere Nebenwirkungen als Doxorubicin auf (ORR 10-33%). [71] 2.4.2 Dosierung, Neben- sowie Wechselwirkungen der Anthrazykline Doxorubicin und Epirubicin Anthrazykline werden intravenös verabreicht. Doxorubicin kann als Einzeldosis von 60-75 mg/m2 Körperoberfläche alle drei Wochen oder als wöchentliche Dosis von 20 mg/m2 über drei Wochen gefolgt von einer Woche Pause verabreicht werden (ORR 30-47 %[71]). Die Gesamtdosis sollte auf Grund der kardiotoxischen Wirkung nicht mehr als 450 mg/m2 Körperoberfläche betragen. Epirubicin kann als Einzeldosis von 75-100 mg/m2 Körperoberfläche alle drei Wochen oder als wöchentliche Dosis von 20-30 mg/m2 für drei Wochen gefolgt von einer Woche Pause gegeben werden(ORR 42-50 %[71]). Die Gesamtdosis sollte nicht mehr als 700 mg/m2 Körperoberfläche betragen, da es kardiotoxisch wirksam ist.[52] Zum Einsatz von Doxorubicin und Epirubicin ist ingesamt anzumerken, dass bei der Behandlung Kardiotoxizität als irreversible Nebenwirkung von weitreichendem Ausmaß auftreten kann. Da das Risiko mit der verabreichten Gesamtdosis korreliert, ist der Einsatz dieser Chemotherapeutika nur eingeschränkt möglich. 48 Doxorubicin ist zusätzlich als sogenannter „Radiosensitizer“ klassifiziert. Das bedeutet, dass die therapeutischen und toxischen Eigenschaften bei gleichzeitiger Strahlentherapie verstärkt werden. Eine Kombination mit Amphotericin B führt zu einer erhöhten nephrotoxischen Wirkung. Außerdem wurden Interaktionen mit Substraten des Transportproteins P-Glykoprotein beobachtet.[52] 2.4.3 Pharmakodynamik und -kinetik der Taxane Paclitaxel und Docetaxel Laut den Leitlinien zur Behandlung des Brustkrebs kann ebenfalls eine taxanhaltige Chemotherapie angestrebt werden.[11] Sie sind eine der wirksamsten Stoffe beim metastasierten Brustkrebs und werden deshalb häufig als First-LineTherapie eingesetzt.[71] Es kommen vor allem Paclitaxel und Docetaxel zum Einsatz, weshalb im Folgenden der Schwerpunkt auf der Beschreibung dieser Stoffe liegen wird.[52] Taxane wirken zytotoxisch und gehören zur Gruppe der Mitosehemmstoffe, wobei sie den Zellzyklus in der G2- bzw. M-Phase blockieren. Sie verhindern den Abbau des Spindelapparats und führen somit zur Blockade der Mitose, wodurch es wiederum zur Hemmung des Zellzyklus kommt. Zunächst wird die Bildung der Mikrotubuli beschleunigt. Dann binden die Taxane an die beta-Tubulinuntereinheit und verhindern damit die Desaggregation des Spindelapparats. Spindeln, die in der G2-Phase zum Stofftransport hergestellt werden, können somit nicht mehr umgebaut werden. Zudem wird in der Mitosephase das Entstehen von Kernspindeln verhindert.[52] Taxane können von verschiedenen Eiben-Arten gewonnen werden. Einer der therapeuthsich genutzten Wirkstoffe dieser Gruppe ist Paclitaxel. Es wird aus der Rinde der pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) extrahiert. Da allerdings der heutige Bedarf nicht mehr durch die natürlich vorkommende Form gedeckt werden kann, wird es ebenfalls partialsynthetisch aus Baccatin hergestellt. Baccatin kommt in europäischen Eibenarten (unter anderem Taxus baccata) in ausreichender Menge vor. Paclitaxel hat eine HWZ von 6- 13 Stunden. Es wird zu 90% an Plasmaporteine gebunden und nur 2- 13% werden unverändert über die Niere im Harn ausgeschieden. Der Rest wird über das P450-Enzyme zu 6-alpha-HydroxyPaclitaxel, 3'-p-Hydroxy-Paclitaxel und 6-alpha-3'-p-Dihydroxy-Paclitaxel abgebaut.[52] 49 Der zweite therapeutisch genutzte Wirkstoff ist Docetaxel, das durch SeitenkettenModifikation hergestellt wird. Docetaxel ist vor allem bei lokal fortgeschrittenem oder bereits metastasiertem Mammakarzinom einzusetzen, das sich trotz Chemotherapie progredient entwickelt oder während adjuvanter Therapie Rezidive bildet. Es wird über CYP3A4 verstoffwechselt. Die HWZ von Docetaxel liegt bei 11 Stunden.[52] 2.4.4 Dosierung, Neben- sowie Wechselwirkungen der Taxane Paclitaxel und Docetaxel Paclitaxel sollte als intravenöse Infusion von 175 mg/m2 Körperoberfläche verabreicht werden. Nach drei Wochen wird eine Wiederholung der Therapie empfohlen.[52] Als weitere Möglichkeit können wöchentlich 80-100 mg/m2 (an den Tagen 1, 8, und 15 eines 28-Tage Zyklus) verabreicht werden. Dieses Regimen weist laut einer von Mauri et al. 2010 durchgeführten Metaanalyse einen Vorteil des OS gegenüber dem drei-wöchentlichen Regimen auf (HR 0.78, 95% Cl 0.67-0.89).[73] Es können jedoch Überempfindlichkeitsreaktionen durch den Lösungsvermittler Cremophor EL hervorgerufen werden. Eine Überempfindlichkeitsreaktion sollte deshalb vermieden werden, indem mit Dexamethason, einem H1Antihistaminikum oder einem H2-Antihistaminikum prämediziert wird.[52] In den meisten Institutionen wird für die Prämedikation Dexamethason 20 mg in der Nacht und am Morgen vor der Infusion eingesetzt. Als Nebenwirkung von Paclitaxel wurden kurzfristige Knochenmarkssuppression und periphere Nephropathien beobachtet.[71] Docetaxel kann mit einer Dosis von 80-100 mg/m2 Körperoberfläche als Infusion alle drei Wochen oder wöchentlich 30- 40 mg/m2 für drei Wochen und mit einer Woche Pause gegeben werden. Im Gegensatz zu Paclitaxel zeigte hier eine randomisierte Studie, dass das drei-Wochen-Schema ein besseres Ergebnis in Hinsicht auf das erkrankungsfreie Überleben (DFS) als das wöchentliche Schema ergab. Docetaxel ist außerdem mit einem hohen Risiko von Flüssigkeitsretention verbunden, der durch eine Prämedikation mit Dexamethason vorgebeugt werden kann.[71] 50 Sollte die Prämedikation mit Dexamethason ein Problem für die Verabreichung eines Taxans darstellen, kann auf den Stoff Nab-Paclitaxel zurückgegriffen werden. Er zeigt eine ähnliche Wirkung auf Brustkrebs wie die anderen Taxane, aber bringt ein niedrigereres Allergierisiko als die anderen Stoffe aus dieser Substanzklasse mit sich. Deshalb wird keine Prämedikation mit Dexamethason benötigt. Somit ist Nab-Paclitaxel vor allem für Patientinnen geeignet, die ein erhöhtes Risiko einer Hperglykämie (z.B. bei Vorhandensein eines Diabetes mellitus) oder keine Toleranz gegenüber Steroiden zeigen.[71] 2.4.5 Vergleich von unterschiedlichen Taxanen Das Risiko einer Neuropathie oder Myalgie als Nebenwirkung ist bei Paclitaxel höher als bei Docetaxel. Dafür kann Paclitaxel im Gegensatz zu Docetaxel bei milder bis moderater Leberdysfunktion eingesetzt werden. Zudem ist Docetaxel (im drei-wöchentlichen Schema verabreicht) das am meisten myelosuppressiv wirksame Taxan. Zusätzlich dazu können bei der Gabe von Docetaxel febrile Neuropathie, Ödeme und gastrointestinale Beschwerden auftreten.[71] In einer Phase-III-Studie verglichen S.E. Jones et al. die Wirksamkeit von Docetaxel (100mg/m2) und Paclitaxel (175mg/m2). Beide wurden im 21-Tages Zyklus verabreicht (also alle drei Wochen). Es wurden Patientinnen (n=449) mit fortgeschrittenem Brustkrebs und Tumorprogress nach anthrazyklinhaltiger Chemotherapie in die Studie eingeschlossen. Docetaxel wies eine signifikant bessere Zeit bis zur erneuten Tumorprogression (5.7 versus 3.6 Monate; HR 1.64; 95% CI, 1.33-2.02) und ein signifikant besseres OS auf (15.4 versus 12.7 Monate; HR 1.41; 95% CI, 1.15-1.73). Auch die allgemeine Ansprechrate gegenüber Docetaxel war besser (32% versus 25%). Allerdings traten bei Gabe von Docetaxel häufiger hämatologische und nicht-hämatologische Nebenwirkungen auf. Die Lebensqualität der Patientinnen schien dadurch aber nicht negativ beeinflusst zu werden. Zur Beurteilung der Ergebnisse dieser Studie ist jedoch zu bedenken, dass Paclitaxel standardmäßig im wöchentlichen Zyklus verabreicht wird wofür auch eine bessere Wirkung nachgewiesen wurde. Es wurde hier aber nur im drei-wöchentlichen Zyklus gegeben, wodurch die Ergebnisse beeinflusst worden sein könnten.[74] 51 Zum Vergleich des Einsatzes der Taxane Paclitaxel versus Nab-Paclitaxel liegen ebenfalls Studien vor. H.S. Rugo et al. (Alliance Trial) führten eine randomisierte Phase-III-Studie (n=799) zum Vergleich von Paclitaxel (90mg/m2), Nab-Paclitaxel (150mg/m2) und Ixapepilon (16mg/m2) in Verbindung mit Bevacizumab durch. Die Patientinnen waren chemotherapienaiv. Es zeigten sich im Vergleich von Paclitaxel und Nab-Paclitaxel Nachteile beim progressionsfreien Überleben (11 Monate versus 9.3 Monate) und auch beim OS. Zudem kam es häufiger zu schweren Nebenwirkungen in der Gruppe mit Nab-Paclitaxel behandeltn Gruppe. Diese beinhalteten sensorische Neuropathie und hämatologische Toxizität.[75] Besonders bei Paclitaxel ist zu beachten, dass es zur Entwicklung von Resistenzen kommen kann. Diese sind wahrscheinlich auf die Bildung von zellauswärtsgerichteten ABC-Transportern bzw. einer Strukturveränderung der beta-Untereinheit des Tubulindimers zurückzuführen.[52] 2.4.6 Anthrazykline versus Taxane Vergleicht man die Studienlage zu grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten von Anthrazyklinen vs. Taxanen, so ist festzustellen, dass keine der beiden Wirkstoffgruppen eine klare Überlegenheit gegenüber der anderen aufweist. Bei dem Einsatz von Anthrazyklinen sollte die Kardiotoxizität beachtet werden, die auch die Dauer der Therapie mit Anthrazyklinen limitiert. Bei adjuvant eingesetztem Anthrazyklin sollte bedacht werden, dass der Einsatz im Falle des Auftretens von Metastasen eingeschränkt ist. 2008 wurde eine Metaanalyse von M.J. Piccart-Gebhart et al. durchgeführt (n=919). Die Ergebnisse zeigten, dass Anthrazykline eine geringfügig bessere Ansprechrate (38% versus 33%) und ein etwas besseres progressionsfreies Überleben (7 versus 5 Monate) vorweisen.[76] Die Differenzen sind also gering und bei der Analyse der Ergebnisse können einige Kritikpunkte aufgeführt werden wie die Heterogenität zwischen den einbezogenen Studien, zu wenig Studien mit einem wöchentlichen Therapieregime für Paclitaxel, Einschluss von Patientinnen mit oder ohne vorherige endokrine Therapie und zu geringe Anzahl von Patientinnen, die adjuvant mit Taxanen behandelt worden sind.[71] 52 2.4.7 Pharmakologie von Capecitabin Capecitabin stellt die Standardtherapie dar, wenn das Mammakarzinom trotz taxanhaltiger oder anthrazyklinhaltiger Therapie einen Progress zeigt. Außerdem wird es relativ häufig bei ER-positivem, metastasiertem Mammakarzinom eingesetzt, das trotz endokriner Therapie (mindestens zwei Therapieversuche) progredient ist. Es scheint die Blut-Hirn-Schranke besser als andere Chemotherapeutika zu passieren und kann deshalb besonders bei Patientinnen mit Metastasen des zentralen Nervensystems von Vorteil sein. Capecitabin ist ein Prodrug des Anit-Metaboliten Fluorouracil und kann auch bei Leberdysfunktion eingesetzt werden. Es kann oral verabreicht werden und ist nur selten mit Haarausfall oder Neuropathie als Nebenwirkung verbunden. Die primär auftretenden Nebenwirkungen beinhalten das Hand-Fuß-Syndrom und Diarrhoe. Es sollte in einer Dosis von 1000-1250 mg/m2 Körperoberfläche 2x täglich für 14 Tage gefolgt von 7 Tagen Pause verabreicht werden.[71] Zwei Phase-II-Studien zeigten den Vorteil einer Therapie mit Capecitabin. In einer Studie von P. Fumoleau et al. (n=126) wurden Patientinnen mit 1250 mg/m2 Capecitabin 2x täglich für 2 Wochen gefolgt von 1 Woche Pause behandelt. Die Patientinnen hatten im Vorfeld bereits Therapien mit Taxanen oder Anthrazyklinen erhalten. Die Zeit bis zur erneuten Tumorprogression betrug 4.9 Monate, das OS lag bei 15.2 Monaten und die Ansprechrate auf die Therapie lag bei 28%.[77] Die zweite randomisierte Studie (n=95) von J.A. Oshaughnessy verglich Capecitabin (1255 mg/m2 2x täglich für 2 Wochen gefolgt von 1 Woche Pause) mit der Kombinationstherapie Cyclophosphamid plus Methotrexat plus Fluourouracil (CMF, intravenös alle 3 Wochen). Capecitabin zeigte eine höhere Ansprechrate (30% versus 16%) und resultierte in einem etwas höheren OS (19.6 Monate versus 17.2 Monate). Die progressionsfreie Zeit war ähnlich (4.1 versus 3.0 Monate).[78] 2.4.8 Weitere Chemotherapeutika Für Patientinnen, bei denen die oben genannten standardmäßig eingesetzten Chemotherapeutika auf Grund von Vorgeschichte, Nebenerkrankungen oder zu starken Nebenwirkungen nicht eingesetzt werden können, bestehen weitere Behandlungsmöglichkeiten mit Chemotherapeutika, für die auch eine dokumentierte Wirksamkeit gegen Brustkrebs vorliegt. Zu diesen 53 Chemotherapeutika zählen die Wirkstoffe Eribulin, Gemcitabin, Etoposid, Vinorelbin, Cisplatin und Carboplatin, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen. Da diese Chemtherapeutika keinen Wirksamkeitsvorteil und teilweise schwerere Nebenwirkungen als die Standardchemotherapeutika aufweisen, werden diese selten bis nie oder nur in Kombination mit anderen Substanzen als First-Line-Therapie angeboten. Die erste Substanz auf die hier näher eingegangen werden soll ist Eribulin. Eribulin wird aus einem Meeresschwamm gewonnen und inhibiert die Polymerisation von Tubulin zu Mikrotubuli und somit die Replikation der Tumorzellen. Es kann bei milder bis moderater Leberdysfunktion eingesetzt werden. Die Neuropathie tritt seltener als Nebenwirkung auf als bei anderen Chemotherapeutika, die als Mikrotubuli-Inhibitoren agieren.[71] Die Wirkung von Eribulin konnte in einer Phase III Studie von J. Cortes et al. nachgewiesen werden (n=762). Es wurden Patientinnen, die schon mutliple erfolglose Therapieversuche hinter sich hatten, randomisiert entweder mit Eribulin oder einem anderen Chemotherapeutikum behandelt. Eribulin zeigte eine signifikante Verbesserung des OS (13.1 Monate versus 10.6 Monate; HR 0.81). In beiden Gruppen traten als häufigste Nebenwirkungen Asthenie oder Fatigue (54% versus 40%) und Neutropenie (52% versus 30%) auf. In 5 % der Fälle musste eine Therapie mit Eribulin auf Grund einer peripheren Neuropathie abgebrochen werden.[79] Es wurde eine weitere Studie von P.A. Kaufmann et al. durchgeführt, welche Frauen mit metastasiertem Brustkrebs einschloss, die bereits eine taxan- und anthrazyklinhaltige Therapie erhalten hatten. Eribulin wurde hier mit Capecitabin verglichen. Es zeigte sich kein Unterschied in Hinsicht auf das PFS (4.1 versus 4.2 Monate; HR 1.08; 95% CI 0.93-1.25) oder die Ansprechrate (11% versus 11.5 %). Auch das OS war nicht bedeutsam verbessert (15.9 Monate versus 14.5 Monate; HR 0.88, 95% Cl 0.77-1.00).[80] Eine weiterer Wirkstoff ist Gemcitabin. Dieses Chemotherapeutikum wird in Verbindung mit Paclitaxel als First-Line-Therapie für das metastasierte Mammakarzinom angeboten. Aber es kann in Ausnahmefällen auch als Monotherapie angewendet werden. Die Dosierung liegt bei 1000 mg/m2 an Tag 1 54 und 8 eines 21-Tage Zyklus. Da es die Blut-Hirn-Schranke besser zu passieren scheint als andere Chemotherapeutika, kann es besonders im Falle von Metastasen des zentralen Nervensystems eingesetzt werden. Sowohl Alopezie als auch gastrointestinale Beschwerden sind als Nebenwirkung gering. Es wird nicht mit Neuropathien assoziiert.[71] Allerdings zeigte es in einer Studie, die Gemcitabin und Epirubin als First-Line-Therapie ohne vorherige anthrazyklinhaltige Therapie verglich, eine deutlich geringere progrssionsfreie Zeit und ein geringeres OS.[81] Außerdem ist das Thrombozytopenierisiko erhöht und kann daher – besonders bei stark vorbehandelten Patientinnen – nur limitiert eingesetzt werden.[71] Etoposid ist ein weiteres Chemotherapeutikum, das zur Therapie herangezogen werden kann. Vorbehandelten Patientinnen zeigten eine Ansprechrate von 30% gegenüber dieser Substanz. Es kann besonders gut bei langsam fortschreitender Erkrankung oral verabreicht werden. Die Dosierung ist 50 mg/m2 täglich für 21 Tage alle 28 Tage. Es können hämatologische und gastrointestinale Nebenwirkungen auftreten.[71] Es soll auch der Wirkstoff Vinorelbin kurz vorgestellt werden. Hierbei handelt es sich um ein intravenös (30 mg/m2 wöchentlich an den Tagen 1 und 8 alle 21 Tage) verabreichtes Chemotherapeutikum, das ebenfalls bei vorbehandelten Patientinnen als Monotherapie eingesetzt werden kann (ORR 25-45%). Als Nebenwirkung können leichte Übelkeit, Erbrechen und Haarverlust auftreten.[71] Als platinumhaltige Substanzen werden Carboplatin und Cisplatin eingesetzt. Diese Chemotherapeutika werden selten als Monotherapie zur Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms herangezogen. Studiendaten lassen vermuten, dass die ORR Cisplatin betreffend im Falle von nicht vorbehandelten Patientinnen höher ist als bei vorbehandelten Frauen (42-54 % versus weniger als 10%). Allerdings sind sie in Kombination mit anderen Chemotherapeutika von Interesse. Besonders bei Tumoren, die einen geschädigten DNA-Reparatur-Prozess vorweisen. Dies kann zum Beispiel bei einer BRCA1 Mutation oder auch einem triple-negativem Tumor der Fall sein.[71] 55 Ein weiterer zu erwähnender Wirkstoff ist Ixabepilon. Er ist ein Epithelon, dass zu der Klasse der nicht taxan-haltigen tubulinpolymerisierenden Substanzen gehört und eine Aktivität bei taxanresistenten Patientinnen zeigt (ORR 19 %, OS 8.6 Monate). Es ist zwar von der US Food and Drug Administration (FDA) zugelassen, aber in Europa nicht erhältlich, da die European Medicines Agency (EMA) Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) beschlossen, dass der Nutzen zu geringfügig und das Risiko einer peripheren Neuropathie (14 %, im Vergleich mit Nab-Paclitaxel 25 %) hingegen zu hoch waren. Andere Dosierungen werden aber weiterhin untersucht.[71] 2.4.9 Kombinationstherapien Kombinationstherapien sind die Therapie der Wahl, wenn das schnellstmögliche Ansprechen auf die Behandlung wichtiger als die höhere Wahrscheinlichkeit von starken Nebenwirkungen ist. Dies ist zum Beispiel bei drohender Organschädigung auf Grund der hohen Tumorlast der Fall. Man muss allerdings bedenken, dass die Gesamtüberlebenszeit nicht durch den Einsatz von Kombinationstherapien verbessert werden kann. Dies zeigte eine randomisierte Phase-III- Studie (n=739) von G.W. Sledge et al. Sie verglichen eine Therapie mit Doxorubicin (D, 60mg/m2/24h), Paclitaxel (P, 175mg/m2/24h) und einer Kombination dieser beiden Chemotherapeutika (AT, 50mg/m2 und 150mg/m2/24h) als First-Line-Therapie. Im Falle einer Tumorprogression bei Behandlung mit einer Monotherapie wechselten die Patientinnen zur Kombinationstherapie. Die Ergebnisse zeigten einen Vorteil der Kombinationstherapie in Hinblick auf die ORR (47% (AT) versus 36% (D) und 34% (P)) und der Zeit bis zur Tumorprogression (8 Monate (AT) versus 5.8 Monate (D) und 6.0 Monate (P)). Wie bereits oben erwähnt zeigte sich jedoch keine Verbesserung des OS (22 Monate (AT) versus 18.9 Monate (D) und 22.2 Monate (P)). [82] 2009 verfassten S. Carrick et al. eine Metaanalyse von 43 Studien (n=9742, 55% erhielten eine First-Line-Therapie). Diese Metaanalyse evaluierte wiederum, dass die Kombinationstherapie einen Vorteil des OS mit sich bringen könnte (HR 0.88, 95% CI 0.83-0.93, p<0.00001). Es zeigten sich aber auch gehäuft Nebenwirkungen wie Alopezie, Übelkeit und Erbrechen. Es wurde nicht evaluiert wie sich eine Kombinationstherapie im Vergleich zu einer aufeinanderfolgenden (sequentiellen) Therapie von 56 Monosubstanzen auswirkt.[83] Eine Review von 12 Studien von R.F. Dear et al. (n=2317) zeigte keinen Unterschied des OS zwischen einer Sequentialtherapie und einer Kombinationstherapie (HR 1.04; 95% CI 0.93-1.16; P = 0.45). Das progressionsfreie Überleben war im Falle einer sequentiell verabreichten Therapie höher. Die ORR war auch hier für eine Kombinationstherapie verbessert.[84] 2.4.9.1 Anthrazyklin- und Taxanhaltige Regime Anthrazyklinhaltige Regime zeigen eine Ansprechrate von 60% bei vorher unbehandelten Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom. Nachteilig wirkt sich aus, dass sie toxischer als andere Chemotherapeutika sind. Besonders ihre kardiotoxische Wirkung muss bedacht werden. Können Patientinnen zum Beispiel auf Grund dieser hohen kardiotoxischen Wirkung keine Anthrazykline erhalten, kann auf Taxane zurückgegriffen werden. Die Entscheidung für eines der Taxane ist basierend auf der vorherigen Therapie und dem Nebenwirkungsprofil. Wurde zum Beispiel Paclitaxel adjuvant bereits eingesetzt, empfiehlt es sich sich für ein Regime mit Docetaxel zu entscheiden. Es liegt im dem Fall keine vollständige Kreuzresistenz vor. Wurde vorher kein Taxan zur Behandlung herangezogen kann individuell nach Patientin und Nebenwirkungsprofil entschieden werden.[71] Mögliche taxanhaltige Regime sind Gemcitabin plus Paclitaxel oder Capecitabin plus Docetaxel. Gemcitabin (Dosierung: 1250 mg/m2 an Tag 1 und 8) plus Paclitaxel (Dosierung 175 mg/m2 an Tag 1) ist als First-Line-Therapie bei metastasiertem Mammakarzinom möglich. Es zeigte in einer Studie von K.S. Albain et al. eine ORR von 41.4 %.[85] In einer anderen Studie von S. Chan et al., die Gemcitabin (Dosierung: 1000 mg/m2 an Tag 1 und 8) plus Docetaxel (Dosierung 75 mg/m2 an Tag 1) untersuchte, stellte sich eine ORR von 32% heraus.[86] Diese Regime wurden bislang nicht direkt miteinander verglichen. Allerdings könnte eine Kombination von Gemcitabin und Docetaxel eine höhere Gefahr für Nebenwirkungen mit sich bringen, da beide als Monosubstanz bereits myelotoxisch wirken.[71] 57 Capecitabin (Dosierung: 1250 mg/m2 2x täglich für 14 Tage gefolgt von einer Woche Pause) plus Docetaxel (Dosierung: 75 mg/m2 oder 100mg/m2 alle 21 Tage) bei mit Anthrazyklin vorbehandelten Patientinnen zeigte eine ORR von 42 %. Außerdem deutet diese Phase-III-Studie darauf hin, dass es einen Vorteil im Überleben gegenüber Docetaxel alleine zeigt (J. O'Shaughnessy et al.).[87] Andere Studien zeigen, dass Capecitabin plus Docetaxel von der Wirksamkeit her gleichzustellen ist mit einer Therapie mit Gemcitabin plus Docetaxel, aber toxischer wirkt als diese Kombination.[71] Anthrazykline und Taxane können auch in Verbindung miteinander verabreicht werden.[71] Die bereits weiter oben angesprochene Metanalyse von M.J. PiccartGebhart et al. untersuchte nicht nur den Unterschied von Taxanen und Anthrazyklinen, sondern auch die Wirksamkeit von Taxanen in Kombination mit Anthrazyklinen (n=3034). Die Ergebnisse zeigten bei Therapieregimen mit Taxanen eine deutlich höhere ORR (57% versus 46 %, P < .001) und eine Verbesserung des Risikos der Tumorprogression (HR 0.92, 95% Cl 0.85-0.99) als bei Anthrazyklinregimen ohne Taxane. Es wurde kein Unterschied des OS im Ergebnis festgestellt.[76] Es wird angenommen, dass für das neoadjuvante Setting ein Chemotherapieregime, das ein Anthrazyklin plus Taxan enthält von Vorteil gegenüber einem nicht taxanhaltigen Regimen ist.[71] Die folgende Tabelle soll einen Überblick über die möglichen Kombinationen und ihre Ansprechraten beim Mammakarzinom geben. Zusätzlich zu den Anthrazyklinen Doxorubicin und Epirubicin und den Taxanen Paclitaxel und Docetaxel werden die Zytostatika Cyclophosphamid und Fluorouracil für die Therapieregime herangezogen. 58 Therapieregime ORR Docetaxel+Doxorubicin+Cyclophosphamid 77,00% [Nabholtz et al.[88]] (TAC) Doxorubicin+Cyclophosphamid (AC) 47-54% [Nabholtz et al.[89], Biganzoli et al.[90]] Fluorouracil+Epirubicin+Cyclophsosphamid 45-55% [Joensuu et al.[91], The French Epirubicin Study Group[92]] (FEC) Doxorubicin+Paclitaxel 42,00% [Cassier et al.[93]] (AT1) Doxorubicin+Docetaxel (AT2) 40-59% [Cassier et al. [93]Nabholtz et al. 2003[89]] Tabelle 4: ORR der Taxan-und Anthrazyklinhaltigen Therapieregime 2.4.9.2 Weitere mögliche Kombinationstherapien Für Patientinnen bei denen die oben genannten Kombinationen nicht eingesetzt werden können gibt es noch weitere Möglichkeiten. Eine davon ist Ixabepilon mit Capecitabin zu kombinieren. Ixabepilon in einer Dosierung von 40 mg/m2 alle 3 Wochen in Kombination mit Capecitabin in einer Dosierung von 2000 mg/m2 2x täglich für 14 Tage in einem 21-Tage-Zyklus zeigte in einer Phase-III-Studie von E.S. Thomas et al. eine ORR von 35 %.[94] Eine weitere Möglichkeit besteht in Cyclophosphamid plus Methotrexat plus Fluorouracil (CMF). Diese wird selten bei metastasiertem Mammakarzinom zur Therapie eingesetzt, da es laut einer Studie von M.R. Stockler et al. eine ähnliche ORR wie Capecitabin zu haben scheint. Die ORR für dieses Therapieregime liegt bei 20%. Das OS stellte sich aber für Capecitabin als besser heraus (22 versus 18 Monate; HR 0.72, 95% Cl 0.550.94).[95] Trotzdem kann CMF eine Option für Patientinnen sein, die Capecitabin nicht vertragen oder zum Beispiel auf Grund von Schluckbeschwerden oral verabreichte Medikamente nur erschwert zu sich nehmen können. Schließlich existieren noch die platinhaltigen Regime. Platinsalze mit Taxanen, Vinorelbin oder auch Gemcitabin als Kombination einzusetzen scheint vor allem bei Tumoren deren DNA Reparatur Prozesse geschädigt sind von Vorteil zu sein. Ein Beispiel hierfür wären einigen Untergruppen der triple-negativen Mammakarzinome. Aber auch hier gibt es bislang keine Ergebnisse von prospektiven Studien, die einen 59 Vorteil im Gesamtüberleben gegenüber anderen Chemotherapeutika bzw. Regimen zeigen konnten.[71] Abschließend sei noch erwähnt, dass Chemotherapeutika nicht nur in Kombination untereinander verabreicht werden können, sondern auch in Kombination mit anderen Wirkstoffen. Hierzu würde eine Kombination mit einer endokrinen Therapie zählen, von der bislang abgeraten wurde. Neuere Studien zeigen jedoch eine gute Wirkung von Fulvestrant in Verbindung mit Capecitabin. Dies könnte damit zusammenhängen, dass zwar eine endokrine Therapie mit Tamoxifen einen antagonistischen Effekt gegenüber Chemotherapeutika zeigt, Fulvestrant hingegen eine synergistische Wirkung vorweist und somit die Wirkung der Chemotherapeutika unterstützt bzw. verstärkt.[96] In einer Phase-II-Studie konnten L.S. Schwartzberg et al. eine gute Wirksamkeit von einer Kombination von Fulvestrant mit Capecitabin und nur wenige Nebenwirkungen (<10% Grad 3 Hand-Fuß-Syndrom) nachweisen.[97] Eine Fallstudie von M. Nakai et al. konnte diese Beobachtungen bestätigen und berichtet von einer sehr guten Wirksamkeit dieser Therapie bei einer stark vorbehandelten Patientin. Es zeigten sich kaum Nebenwirkungen.[98] Diese Kombination sollte noch weiter erforscht werden. 2.5 Überblick über die Chemotherapie Abbildung 9 stellt einen allgemeinen Überblick über die Chemotherapie des Mammakarzinoms dar. Hier ist zunächst die Entscheidung zwischen dem Einsatz von Monosubstanzen oder einer Kombinationstherapie wichtig. Für eine Monochemotherapie werden first-line Taxane oder Anthrazykline, second-line Capecitabin und third-line Gemcitabin, Eribulin, Etoposid, Vinorelbin, Cisplatin oder Carboplatin empfohlen. Außerdem kann eine Kombination von Paclitaxel oder Capecitabin mit Bevacizumab in Erwägung gezogen werden. Bei Bevacizumab handelt es sich um einen humanisierten, monoklonalen Antikörper, der die Angiogenese hemmt. Allerdings wird eine Behandlung mit Bevacizumab kontrovers diskutiert. Die Zulassung durch die FDA wurde 2011 auf Grund von zu starken Nebenwirkungen bei fehlendem Nachweis einer Verbesserung des Gesamtüberlebens bei Behandlung des Mammakarzinoms widerrufen.[99] In 60 Europa ist es nach wie vor durch die EMA zugelassen, da ein Nachweis der Verlängerung des progressionsfreien Überlebens vorliegt. [100] Bei der Entscheidung für die richtige Kombinationstherapie ist wichtig mögliche Vorbehandlungen mit einzubeziehen. Wenn Patientinnen in der Vergangenheit noch keine Chemotherapie mit Anthrazyklinen oder Taxanen erhalten haben, sollte zunächst auf Docetaxel+Doxorubicin+Cyclophosphamid (TAC), Docetaxel+Cyclophosphamid (AC), Fluorouracil+Epirubicin+Cyclophosphamid (FEC), Doxorubicin+Paclitaxel (AT1) oder Doxorubicin+Docetaxel (AT2) zurückgegriffen werden. Zeigte sich in der Historie eine mögliche Resistenz gegenüber Anthrazyklinen, kommen Gemcitabin+Paclitaxel (GP), Gemcitabin+Docetaxel (GD) oder Capecitabin+Docetaxel (CD) in Frage. Wird eine Resistenz gegenüber Anthrazyklinen und Taxanen vermutet, kann zwischen Vinorelbin+Capecitabin (VC), Gemcitabin+Capecitabin (GC), Ixabepilon+Capecitabin (IC) und Cyclophosphamid+Methotrexat+Fluorouracil (CMF) entschieden werden. 61 ER/PgR negativ + HER2 negativ Chemotherapie Monochemotherapie st 1 line Taxan Anthrazyklin (Kombination von Paclitaxel mit Bevacizumab in Erwägung ziehen) 2nd line 3rd line Kombinationschemotherapie Anthrazyklinund Taxannaiv Anthrazyklinresistent Eribulin Gemcitabin Etoposid Vinorelbin Cisplatin Carboplatin Anthrazyklinund Taxanresistent TAC FEC AC AT1 AT2 GP GD CD VC GC IC CMF Abbildung 9: Chemotherapie des Mammakarzinoms 62 3 Phytopharmaka Phytopharmaka werden bislang nicht als primäre Therapie für das Mammakarzinom angeboten, sie dienen derzeit nur dem komplementären Einsatz. Es gibt jedoch Studien, die eine Wirkung bestimmter Phytopharmaka wie z.B. Cimicifuga rhizoma auf Brustkrebs belegen. Zudem sollte ihr Einsatz zur Behandlung von Nebenwirkungen der gewählten Therapie nicht unterschätzt werden. Es können zum Beispiel prämenopausale Patientinnen, bei denen durch die Therapie eine Menopause hervorgerufen wird, klimakterische Beschwerden entwickeln. Diese können sehr gut mit der Hilfe von Phytopharmaka behandelt werden. In der folgenden Darstellung soll nun zunächst kurz auf Phytopharmaka im allgemeinen eingegangen werden. Anschließend werden dann einige Stoffe aus dieser Gruppe genauer dargestellt, die in Studien eine Wirkung auf Mammakarzinomzellinien zeigten oder für die Behandlung von Nebenwirkungen der Standardtherapien geeignet sind. Da sich die Literatur und auch Studienlage in Bezug auf Chemie, Pharmakodynamik, Pharmakokinetik etc. für Phytopharmaka sehr unterscheidet, wird im Folgenden teilweise mal weniger und mal mehr detailliert auf diese Punkte eingegangen. Phytopharmaka sind pflanzliche Arzneimittel, die im Arzneimittelgesetzbuch als Stoffe aus "...Pflanzen, Pflanzenteilen und Pflanzenbestandteilen, Algen, Pilzen und Flechten in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand." beschrieben werden. [101] Sie unterliegen einer Zulassungspflicht. Das bedeutet, dass ihre Wirksamkeit, Qualität und die Unbedenklichkeit ihres Einsatzes nachgewiesen und von Bundesbehörden überprüft worden sein müssen. Somit handelt sich um wissenschaftlich geprüfte Produkte, die zu den medikamentösen schulmedizinischen Therapiemöglichkeiten zählen. Der Einsatz von Phytopharmaka geschieht nach Regeln der Allopathie. Damit unterscheiden sie sich von homöopathischen Mitteln und sind von diesen klar abzugrenzen. Im Sozialgesetzbuch V ist festgehalten, dass der Patient das Recht auf eine „adäquate, medizinisch fundierte und der Erfahrung der Ärzte entsprechende Behandlung“ hat. Dabei besteht in der Verschreibbarkeit von Arzneimitteln kein 63 Unterschied zwischen chemisch-synthetischen Präparaten und pflanzlichen Präparaten.[102] Im Gegenteil, der Patient hat nach § 31 Abs. 1 des SGB V, S. 548 den „Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln“.[103] 3.1 Cimicifugae rhizoma Cimicifugae rhizoma, auch bekannt unter dem Namen TraubensilberkerzenWurzelstock, ist ein in der Gynäkologie bislang hauptsächlich für klimakterische Beschwerden eingesetzter Stoff. Die Stammpflanze ist die Acteae racemosa (syn. Cimicifuga racemosa). Sie kommt fast nur in definierten Gebieten innerhalb der USA und Kanada vor. Die Droge wird aus den erst nach der Fruchtreife gesammelten unterirdischen Teilen der Acteae racemosa gewonnen.[104] Die Hauptinhaltsstoffe sind Triterpenglykoside, Phenolcarbonsäuren und Phenylpropanoide. Die in dieser Droge enthaltenen Triterpene sind C30Triterpene, die biogenetisch wie Cycloartenol aufgebaut sind.[105] 3.1.1 Wirkung und Wirksamkeit Für Cimicifugae rhizoma wird eine östrogenartige Wirkung vermutet, da der LHSerumspiegel bei in einem 1985 durchgeführten Versuch an ovarektomierten Ratten deutlich reduziert werden konnte. Im Folgenden wurde eine Bindung von lipophilen Inhaltsstoffen an Östrogenrezeptoren beobachtet. Mittels In-vitroStudien an Ratten wurde schließlich die Wirkung als SERM von Cimicifuga nachgewiesen. Der Stoff Cimicifuga-BNO 1055 fiel durch eine besonders starke Verdrängung von Estradiol an den Rezeptoren auf.[105] Die Wirkungen von Cimicifuga-Extrakten am Östrogenrezeptor werden heutzutage trotz dieser Studien kontrovers diskutiert. So vermuten manche, dass die Wirkung bei klimakterischen Beschwerden wie den Hitzewallungen durch eine Affinität zu den Serotoninrezeptoren 5-HT 1A, 5-HT 1D und 5-HT 7 zustande kommt. Da Serotonin die LH-Ausschüttung der Hypophyse senkt, könnte auch dieses Phänomen die Wirkung der Cimicifuga-Extrakte erklären. Die entsprechenden Cimicifuga Rhizoma Liganden konnten allerdings noch nicht extrahiert dargestellt werden.[105] In randomisierten Doppelblindversuchen konnte die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit definierter Extrakte zur Behandlung von klimakterischen Beschwerden (sowohl psychisch als auch somatisch bedingt) bei peri- und 64 postmenopausalen Frauen eindeutig nachgewiesen werden. Die Symptomatik der Hitzewallungen, Nervosität, Müdigkeit und Schweißausbrüchen besserte sich insbesondere. Des Weiteren existieren In-Vitro-Studien, die eine hemmende Wirkung auf humane Östrogenrezeptor-positive Brustkrebszellinien (T47D und MCF-7) zeigen.[105] So konnte eine Studie von T. Nesselhut et al. bereits 1993 eine östrogenantagonistische Wirkung auf östrogenpositive Brustkrebszellinien und somit eine antiproliferative Aktivität belegen.[106] Hostanska et al. untersuchten in einer Studie die Wirkung von ethanolischen und isopropanolischen Cimicifuga-Extrakten auf MCF-7 (östrogensensitive Zellen) und MDA-MB231 (ER-negative Zellen). Dabei wiesen sie zusätzlich eine durch Caspasen herbeigeführte Induktion der Apoptose nach. Diese Wirkung erklärt ebenfalls den antiproliferativen Effekt der Droge, den sie in Bezug auf beide Zelllinien zeigte. Die antiproliferative Wirkung war sogar mit der von Tamoxifen vergleichbar.[107] Die für diese Wirkung zuständigen Stoffe scheinen die Triterpenglykoside (besonders Actein, 23-epi-26-Desoxyacetein, Cimiracemosid A) und die Zimtsäureester zu sein. Hierzu gab es mehrere Studien in denen L.S. Einbond et al. besonders das Triterpenglykosid Actein [108] [109] und Hostanska et al. die Triterpenglykoside und Zimtsäureester [110] als antiproliferative Stoffe evaluierten. Cimicifuga zeigt außerdem eine dopaminerge Aktivität am D2-Rezeptor und eine osteoprotektive Wirkung. Zugelassen mit klinisch belegter Indikation ist das Präparat bislang nur für die Besserung von „ prämenstruellen und dysmenorrhoischen sowie klimakterisch bedingte(n) neurovegetative(n) Beschwerden„ nach E-Monographie.[105] Derzeit wird von einem Einsatz von Cimicifuga Präparaten bei Patientinnen, die auf Grund eines östrogensensitiven Tumors in Behandlung gewesen sind, abgeraten. Trotzdem lassen die weiter oben aufgeführten Studien eher auf einen positiven Effekt auf sowohl ER-positive als auch ER-negative Zellen schließen. In Hinblick auf die gute Verträglichkeit der Therapie sollten hier weitere Studien durchgeführt und mehr Erfahrungen gesammelt werden. Es fehlen insbesondere klinische Studien. 3.1.2 Nebenwirkungen, Gegenanzeigen und Dosierung Als Dosierung wird eine Tagesdosis von 40mg empfohlen. Es handelt sich um eine galenische Zubereitung zur Einnahme, die nicht länger als 6 Monate verabreicht 65 werden sollte.[104] In seltene Fällen kann es zu Nebenwirkungen kommen wie gastrointestinalen Beschwerden, Gewichtszunahme, Gesichtsröte, allergischen Reaktionen der Haut oder auch einem Spannungsgefühl der Brust. Außerdem können u.U. menstruationsähnliche Blutungen auftreten. Für die ebenfalls sehr seltene Schädigung der Leber konnte kein Zusammenhang mit der Einnahme von Cimicifuga Präparaten nachgewiesen werden. Leidet die Patientin jedoch bereits unter einer Schädigung der Leber, sollte Cimicifuga nicht verabreicht werden. [104] 3.2 Flavonoide Geschichtlich leitet sich die Bezeichnung der Flavonoide von dem lateinischen Wort flavus ab, das gelb bedeutet. Früher wurden Flavone (heute eine Unterklasse der Flavonoide) als Inhaltsstoffe von Färbedrogen zum Gelbfärben von Wolle und Baumwolle benutzt. Als man später herausfand, dass einige weitere Pflanzeninhaltsstoffe denselben chemischen Aufbau wie Flavone vorweisen, nannte man die gesamte Stoffklasse Flavonoide. Flavonoide lassen sich in die Unterklassen Flavonone, Flavone, Flavononole, Flavonole, Flavandiole, Flavanole und Anthocyanidine teilen.[105] 3.2.1 Chemie der Flavonoide Es handelt sich bei Flavonoiden um sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe, die nur in bestimmten Zelltypen produziert werden und für die Pflanze nicht lebensnotwendig sind. Dies unterscheidet sie von primären Pflanzenstoffen. Chemisch betrachtet enthalten Flavonoide 2 aromatische Ringe, Ring A und Ring B. Das Substitutionsmuster von Ring A entspricht Phloroglycin oder Resorcin. Ring B kann in unterschiedlichen Stellungen (4'Stellung, 3',4'-Stellung, 3', 4', 5'Stellung) hydroxyliert sein. Die beiden Ringe sind über eine C3-Brücke miteinander verbunden, die unterschiedliche Oxidationsgrade aufweist. Dieser hat zum einen einen starken Einfluss auf das analytische Verhalten der Stoffe und dient zum anderen der Einteilung der Flavonoide in die entsprechenden Unterklassen.[105] 3.2.2 Wirkung und Wirkungsmechanismus der Flavonoide Es gibt über 8000 Flavonoide, die von unterschiedlicher chemischer Struktur sind und somit auch eine andere Wirkung aufweisen.[111] Sie wirken antiallergisch, 66 antiphlogistisch, antiviral, antimikrobiell, antioxidativ, antiproliferativ, antikanzerogen und neuroprotektiv. Weitere Wirkungen, die nachgewiesen werden konnten sind: • analgetisch • spasmolytisch • hepatoprotektiv • antiulzerogen • antihypertensiv • kardioprotektiv • hypoglykämisch • mutagen Flavonoide interagieren mit Biopolymeren wie der DNA oder Enzymen und beeinflussen dadurch Signaltransduktionswege, die über mitogenaktivierte Proteinkinasen (MAPK), den Transkriptionsfaktor Nuclear Factor κB (NF-κB) oder die Extracellular Signal Regulated Kinase (ERK) laufen.[105] Flavonoide inhibieren über 30 Enzyme und aktivieren Zellen des Immunsystems. Sie können aber auch teilweise die Freisetzung von Mediatoren aus den Zellen des Immunsystems hemmen und somit eine antiallergische und entzündungshemmende Wirkung entfalten. Die entzündungshemmende Wirkung wird durch die Inhibition von bestimmten Enzymsystemen gestärkt. Einige Enzyme, die durch Flavonoide gehemmt werden, spielen bei Zellaktivierungs- und Signaltransduktionsprozessen eine wichtige Rolle. Diese Wirkungen erklären die antiphlogistische Wirkung der Flavonoide, sind aber ebenfalls bedeutsam für ein mögliches Potenzial bei der Bekämpfung von Karzinomen. Für einen möglichen Einsatz in der Onkologie ist zudem die Wirkung von Flavonoiden auf den TumorNekrose-Faktor alpha von Bedeutung. In einer Studie konnten für die als Glykoside vorkommenden Flavonole Quercetin, Chrysin und Kaempferol ein zytotoxischer Effekt auf ER-positive und -negative Zelle nachgewiesen werden. [112] Außerdem besitzen Flavonoide Radikalfängereigenschaften und wirken ebenfalls als Proteasominhibitoren. [105] 67 3.2.3 Bioverfügbarkeit, Metabolismus, Pharmakokinetik Flavonoide sind in vielen Nahrungsmitteln vorhanden. Über diese werden sie täglich in größeren Mengen aufgenommen. Therapeutisch sind sie hauptsächlich als Glykoside in den Arzneidrogen vorhanden. Die Mechanismen der gastrointestinalen Absorption bei oraler Aufnahme sind zu einem großen Teil noch ungeklärt. Während Flavonoidglykone über die Magen-Darmwand resorbiert und aufgenommen werden können, ist dies für Glykoside auf Grund ihrer Hydrophilie nicht möglich. Untersuchungen mit Quercetin und Quercentinglykosiden zeigten, dass nach oraler Einnahme Phase-2-Metaboliten entstehen. Im Plasma konnten vier Glucuronide nachgewiesen werden (4'-, 3'-, 3- und 7-O- Glucoronide). Freies Quercetin hingegen konnte nicht im Plasma gefunden werden. Die Quercetinglykoside weisen außerdem eine unterschiedliche Bioverfügbarkeit auf (Quercetin-3O-rutinosid maximale Plasmakonzentration nach 7h, Quercetin-4'-Oglucosid nach 0.7 h). Zudem scheint der Dünndarm bei der Aufnahme von Flavonoiden (Aglykonen und Glucosiden) eine Rolle zu spielen.[105] Isoflavonoide wie Daidzein-7-O-glucosid, die eine niedrigere Hydrolyserate besitzen, stellen eine Ausnahme dar. Sie können als Glucoside resorbiert werden. Warum das in diesem Falle möglich ist, wird nach wie vor diskutiert. Es könnte an der Instabilität ihrer Aglykone oder aber auch an bislang noch nicht bekannten Mechanismen liegen. Wenn sie einmal aufgenommen sind konjugieren die Polyphenole und sind an Plasmaproteine gebunden über den Pfortaderkreislauf verfügbar. Sie werden in der Leber metabolisiert. In-vitro konnte eine Metabolisation über CYP1A1 und CYP1A2 nachgewiesen werden. Die Metaboliten werden schließlich renal ausgeschieden.[105] Zur Therapie werden flavonoidhaltige Arzneistoffe, aber auch einige Reinstoffe eingesetzt. Bislang dienen sie als Herz-Kreislauf-Mittel, Diuretika, Spasmolytika (bei Magen-Darm-Beschwerden), Antidementiva, Venenmittel und als Lebertherapeutika. Sie werden derzeit nicht in der Behandlung von Tumoren eingesetzt.[105] 68 3.2.4 Interaktionen mit anderen Medikamenten und unerwünschte Wirkungen der Flavonoide Durch die Hemmung von Enzymsystemen wie dem des Cytochrom (CYP) P450 und einzelner Isoformen wie zum Beispiel dem CYP3A4 kann es zu Interaktionen mit anderen Medikamenten kommen. Zum Beispiel ändern sie die Pharmakokinetik von Calciumantagonisten oder dem 17-β-Estradiol. Unterschiedliche Flavonoidglykone, besonders Quercetin und andere Flavonole, wiesen im Ames-Test (In-vitro-Kurzzeittest an Bakterien) eine mutagene Wirkung auf. In-vivo-Studien an Ratten und Mäusen lassen allerdings vermuten, dass kein kanzerogenes Risiko beim Menschen durch Einnahme dieser Substanzen vorliegt. Besonders wichtig zu beachten ist, dass manche Flavonoide (z.B. Quercetin) Bortezomib, ein beim multiplem Myelom zugelassener Proteasominhibitor, hemmen können. Somit wird die Hemmwirkung von Bortezomib auf das Proteasom aufgehoben.[105] 3.3 Mistel Die Misteltherapie wird wie bereits erwähnt in den Leitlinien zur Behandlung von Brustkrebs aufgeführt und sollte wie auch hier empfohlen nicht an Stelle einer konventionellen Therapie verabreicht werden.[11] Trotzdem scheint sie einen positiven Effekt auf das Immunsystem zu haben, das bei betroffenen Tumorpatientinnen häufig geschwächt ist und unter Chemotherapien etc. zusätzlich leiden kann. Wirkungen auf den Tumor an sich, also das rezidivfreie Überleben oder die Überlebenszeit, konnten bislang nicht nachgewiesen werden und werden kontrovers diskutiert.[104] Die Stammpflanze ist Viscum album L., Viscaceae oder Loranthaceae. Sie gehört zu den Halbschmarotzern und kommt in Europa und Asien vor. Sie wächst auf fast allen Laubbäumen, ausgenommen der Buche. Zwei ihrer Unterarten wachsen nur auf Nadelhölzern. Zudem wird sie aus der Türkei, Balkanländern und auch Russland importiert.[104] 3.3.1 Inhaltsstoffe Die Hauptinhaltsstoffe der Mistel sind Lektine. Dabei handelt es sich um Proteine, die Ribosomen inaktivieren und ein spezifisches Bindungsverhalten für bestimmte 69 Zucker und Zelloberflächen aufweisen. Lektine liegen in unterschiedlichen Formen vor, wobei insbesondere zu den Mistellektin I bis III viele Untersuchungen vorliegen. Sie setzen sich aus zwei Peptidketten zusammen (A und B, A= 29,5 kDalton und B= 27,5 kDalton). Die Peptidkette B bindet spezifisch an Galactose bzw. N-Acetyl-D-Galactosamin. Laubholzmisteln enthalten meistens Mistellektin I, während Tannen- und Kiefernmisteln häufiger Mistellektin III enthalten. Weitere Inhaltstoffe der Mistel sind die Viscotoxine. Dies sind Oligopeptide, die sich aus 46 Aminosäuren zusammensetzen. Flavonoide gehören ebenfalls zu den Bestandteilen der Mistel, wozu Glykoside des Isorhamnetins und und Rhamnazins bzw. Chalkonglykoside zählen. Phenylpropane und Lignane, Derivate der Kaffeesäure, biogene Amine, Cyclitole, basische Proteine, Alkaloide und Triterpene sind ebenfalls in Misteln enthalten.[104] 3.3.2 Wirkung und Wirksamkeit der Mistellektine Die bedeutendste Wirkung der Mistellektine besteht darin, dass sie eine TH1Immunantwort auslösen, indem sie die Freisetzung von Cytokine wie TNF- alpha und Interferon-γ aus den Zellen des Immunsystems induzieren. Dadurch wird das Netzwerk des zellulären Immunsystems aktiviert. Außerdem wurde beobachtet, dass sie zur Induktion der Apoptose führen, was wahrscheinlich durch einen basal erhöhten intrazellulärer Ca++ Anstieg bzw. der Steigerung einer von H1- und Komplement C5a-Rezeptor vermittelten Ca++ Erhöhung zu Stande kommt. Die Peptidkette B bindet an die Zelle an, wohingegen die Peptidkette A eingeschleust wird. Dadurch kommt es zur Störung des Stoffwechsels wie z.B. der Proteinbiosynthese. In Tierversuchen konnte gezeigt werden, dass Mistelextrakte eine hemmende Wirkung auf Karzinome und Metastasierungen z.B. in der Lunge und der Leber haben. Dies stimmt allerdings nicht mit der klinisch beobachteten Wirksamkeit überein.[104] Mistelpräparate scheinen stimmungsaufhellend und Lebensqualität verbessernd zu wirken. Bei Patientinnen, die eine Chemotherapie erhalten, scheinen sie die Anzahl von T-Helferzellen (Lymphozyten, CD4+), aktivierten T-Lymphozyten (CD 3+25+), das Verhältnis von CD4+/CD8+ (T-Suppressor-Lymphozyten) und die Ausschüttung von β-Endorphinen zu erhöhen. In Studien verbesserte sich die Lebensqualität, der Appetit (Zunahme des Körpergewichts), die Stimmungslage 70 und der Allgemeinzustand sowie die Leistungsfähigkeit. Weitere Studien stehen noch aus.[104] 3.3.3 Darreichungsform und Durchführung Die Misteltherapie ist nicht nur ein anthroposophisches Mittel, sondern kommt auch innerhalb der rationalen Phytotherapie zum Einsatz. Hierfür gibt es allopathische, phytotherapeutische Fertigarzneimittel, die sich über den Mistellektingehalt standardisieren lassen. Es sollten nur Mistelpräparate mit definiertem phytochemischen Spektrum verabreicht werden. In diesem Fall bestehen die standardisierten Präparate aus wässrigen Auszügen aus ViscumAlbum-Arten.[113] Zunächst sollte ein zellulärer Immunstatus bestimmt werden, nach dem sich die Präparatwahl richtet. Die Dosierung liegt optimalerweise bei 0.5-1.0 ng Mistellektin I pro Kilogramm Körpergewicht und sollte 2x pro Woche subcutan verabreicht werden. Bei zu hoher Dosierung können Nekrosen auftreten. Der Abstand zwischen den Applikationen sollte bei 72 Stunden liegen und die Therapie für 2 Monate verabreicht werden. Es sollten keine Injektionen tumornah oder in Bestrahlungsgebieten gesetzt werden. Nach 4-8 Wochen Pause sollte die Therapie wiederholt werden. Die Pause dient der Wiederherstellung der Reaktionsfähigkeit des gesamten Systems. Der Behandlungszeitraum liegt bei 5 Jahren.[113] Derzeit findet sie Anwendung in der Segmenttherapie bei degenerativ entzündlichen Gelenkerkrankungen, der Palliativtherapie (unspezifische Reiztherapie) bei malignen Tumoren (E-Monographie) und zur Unterstützung des Herz-Kreislaufsystems nach Paragraph 109 a in Kombination mit anderen Stoffen. Die Frischpflanze, Schnitt- oder Pulverdroge wird zur Herstellung von Injektionslösungen herangezogen.[104] 3.3.4 Nebenwirkungen und Kontraindikationen Als Nebenwirkungen können Schüttelfrost, Kopfschmerzen, orthostatische Kreislaufstörungen, hohes Fieber, pektanginöse Beschwerden sowie allergische Reaktionen auftreten. Bei Leukämien und Lymphomerkrankungen ist eine Misteltherapie kontraindiziert. Ihre immunmodulierende Wirkung kann diese Grunderkrankungen verschlechtern. Auch bei immunogenen Tumoren wie dem 71 Nierenzellkarzinom oder malignem Melanom sollte eine Misteltherapie vermieden werden. Gegenanzeigen sind eine Eiweiß-Überempfindlichkeit und chronisch progrediente Infektionen wie Tuberkulose. Es sind keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten bekannt.[104] 3.4 Weitere Phytopharmaka Im Rahmen dieses Kapitels soll eine Gruppe von Phytopharmaka dargestellt werden, die vor allem zur Behandlung von Nebenwirkungen bei einer Therapie des Mammakarzinoms eingesetzt wird. Sie sind jedoch in den Leitlinien bislang nicht erwähnt und es liegen wenig Aussagen zur Behandlung des Mammakarzinoms mit diesen Phytopharmaka vor. Aus diesen Gründen sollen sie nicht so ausführlich wie die weiter oben behandelten Drogen besprochen werden. 3.4.1 Lignane Im oben genannten Sinn sollen zunächst die Lignane (sekundärer Pflanzenstoff) erläutert werden. Chemisch betrachtet sind Lignane dimere C6-C3-Körper (Phenylpropanoide). Sie sind über das mittlere Kohlenstoffatom der C3Seitenkette verbunden. Die Konstellation der C3-Kette ist variabel. Da keine charakteristische Gruppenreaktion aller Lignane bekannt ist, ist keine schnelle Erkennung von diesem Pflanzenstoff möglich. Analytisch gesehen zeigen Lignane das Verhalten von Phenolen, Phenolethern oder Phenolglykosiden. Sie sind Inhaltstoffe in manchen Arzneidrogen wie der Taigawurzel oder auch Podopyhllin, die im Folgenden noch genauer dargestellt werden. Auch als Reinstoffe z.B. Podophyllintoxinderivate (Etoposid, Teniposid) haben sie eine Bedeutung.[105] Podophyllum peltatum (Podophyllin) und auch Podophyllum emodi (indisches Podophyllin) sind Berberitzengewächse. Das in dem getrockneten Wurzelstock (Podophylli rhizoma) enthaltene Harz hat zum einen eine laxierende Wirkung, kann aber auch äußerlich bei Condylomata acuminata aufgetragen werden. Podophyllintoxine haben eine antimitotische Wirkung und wurden sogar insbesondere beim Ovarialkarzinom als Zytostatika angewendet. Allerdings rief diese Anwendung als Nebenwirkungen häufig Haarausfall, Leukopenien, Erytheme, gastrointestinale und auch orthostatische Probleme hervor. Dies machte den Einsatz als Zytostatikum uninteressant. Heute ist es für diese 72 Anwendung nicht mehr indiziert. Auf Grund der toxischen Wirkung sind sie während einer Schwangerschaft kontraindiziert.[114] 3.4.2 Eleutherococci radix Die Taigawurzel (Eleutherococci radix) kommt in Nordostasien mit Schwerpunkt Ostsibirien vor. Sie enthält Lignane, monomere Phenylpropane und seine Derivate, Cumarine, Triterpensaponine sowie Polysaccharide und Zucker. Nach Monographie der Kommission E kann sie als Tonikum bei Müdigkeits- und Schwächegefühlen, verschlechterter Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit und während der Genesungszeit angewendet werden. Es konnte klinisch ein Anstieg der Lymphozyten bei Gesunden nachgewiesen werden. Als Gegenanzeigen wird hier Bluthochdurck angeführt, allerdings liegen keine Nachweise über Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen vor. Zusätzlich zum Tonikum liegt die Droge als Drogenpulver oder zerkleinert zur Teezubereitung vor. Nach § 9a kann sie allein oder auch in Kombination mit anderen Präparaten „Zur Besserung des Allgemeinbefindens“ eingesetzt werden.[104] 3.4.3 Ginseng radix Die Ginsengwurzel (Ginseng radix) kommt vor allem im mittleren Ostasien vor. Kultiviert wird die Pflanze außerdem in Korea, Nordostchina, Japan und im russischen Sibirien. Die Wurzel enthält Ginsenoside (bisdesmosidische Triterpensaponine), von denen mehr als 30 bekannt sind. Neben diesen sind Polyacetylene, Sesquiterpenkohlenwasserstoffe, freie Phenolcarbonsäuren, Peptidoglykane, Polysaccharide, ätherisches Öl und Stärke enthalten. Sie kann wie die Taigawurzel als Tonikum bei Fatigue, verschlechterter Leistungsund Konzentrationsfähigkeit und während der Genesungszeit verabreicht werden. Nach § 9a kann sie allein oder auch in Kombination mit anderen Präparaten „Zur Besserung des Allgemeinbefindens“ eingesetzt werden. Nebenwirkungen treten selten und erst bei hoher Dosierung auf. Es kann zu Schlaflosigkeit, Hypertonie, Durchfällen, Nervosität oder Blutungen in der Menopause kommen. Gegenanzeigen oder Wechselwirkungen sind keine aufgeführt. In In-vitro-, Exvivo- und In-vivo-Studien konnten Wirkungen auf die Zellproliferation, Steigerung (Stimulation) der DNA- und Proteinsynthese, sowie immunmodulatorische, antioxidative, adaptogene, antikomplementäre und mitogene Eigenschaften 73 nachgewiesen werden. Außerdem zeigte der Einsatz von Ginseng bei isolierten Herzen von Ratten eine kardio- und endothelprotektive Wirkung. Bei an AIDS Erkrankten konnte eine signifikante Erhöhung von immunkompetenten Zellen nachgewiesen werden. Außerdem verbesserten Ginseng-Extrakte in weiteren Studien die kognitiven Fähigkeiten.[104] 3.4.4 Hyperici herba Hyperici herba im Volksmund als Johanniskraut sehr gut bekannt, wird heutzutage kaum mehr aus dem Wildvorkommen verwertet, sondern in Deutschland, Osteuropa und Chile kultiviert. Es enthält Hypericine, Hyperforine, Flavonoide, Procyanidine, Xanthone, Phenolcarbonsäuren und ätherisches Öl. Es wird vor allem bei depressiven Verstimmungen eingesetzt. Seine antidepressive Wirkung konnte klinisch nachgewiesen werden. Nach Monographie der Kommission E kann es demnach bei depressiven Verstimmungen, psychovegetativen Störungen und auch Angst oder Nervosität eingesetzt werden. Als Nebenwirkung ist eine mögliche Photosensibilisierung zu beachten, außerdem können gastrointestinale Beschwerden, Müdigkeit oder auch allergische Reaktionen auftreten.[105] Hypericin als Inhaltsstoff von Johanniskraut zählt zu den Monoaminooxydasehemmern. Ölige Hypericumzubereitungen haben eine antiphlogistische Wirkung und können bei äußerlichen Verletzungen, Myalgien und auch leichten Verbrennungen aufgetragen werden. Extrakte dieser Droge erhöhen die Aktivität des Enzyms Cytochrom-P450 3A4 (CYP3A4) und des Transporterproteins P-Glykoprotein (P-gk). Als Folge führt es zu einem geringerem Plasmaspiegel und damit einer abgeschwächten Wirkung von Antikoagulantien des Cumarin-Typ, Ciprosporin, Tacrolimus, Digoxin, Indinavir und Proteasehemmstoffen bei der HIV-Therapie, Zytostatika, Amitriptylin, Nortriptylin, Theophyllin und Antikonzeptiva. Außerdem sind Wechselwirkungen mit Irinotecan und Midazolam nachgewiesen. Da zur Behandlung des Mammakarzinoms einige Pharmaka über das oben genannte Enzym verstoffwechselt werden, ist der Einsatz von Johanniskraut hier genau abzuwägen und die Patientin sollte über Wechselwirkungen informiert werden, da es eine bekannte Droge ist. Es kann als 74 geschnittene Droge, als Drogenpulver, als flüssige oder feste Zubereitung oral verabreicht werden.[105] 3.4.5 Uncariae radix Die Katzenkrallenwurzel (Uncariae radix) kann laut einer Studie zur Linderung von Chemotherapieassoziierten Nebenwirkungen, vor allem der Neutropenie, eingesetzt werden. Sie kommt hauptsächlich in den Regenwäldern von Mittel- und Südamerika vor und enthält vor allem Indolalkaloide, wobei insbesondere die Mitraphyllin und Pteropodin zu nennen sind. Zudem enthält sie pentazyklische Triterpene vom Ursantyp, Ursolsäure- und Chinovinsäurederivate. Nachgewiesen werden konnten eine immunstimulierende, antivirale, antientzündliche, antioxidative und vasodilatatorische Wirkung.[115] Zur adjuvanten Anwendung bei Tumorerkrankungen liegen keine klinischen Nachweise vor, auch wenn die Katzenkrallenwurzel hier zum Einsatz kommt. Es wurde eine hemmende Wirkung auf das Enzym CYP3A4 nachgewiesen. Deshalb sollte auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten geachtet werden, die über dieses Enzym verstoffwechselt werden. Normalerweise wird es als Teezubereitung verabreicht. In Österreich gibt es außerdem rezept- und apothekenpflichtige Kapseln, die allerdings als zusätzliche Behandlung zu einer antirheumatischen Therapie gedacht sind.[115] 3.4.6 Rheum rhaponticum Rheum rhaponticum ist ein Spezialextrakt aus sibirischem Rhabarber, das angereichertes Rhaponticosid enthält. Er zählt zu der Stoffklasse der Phytoöstrogene und wird hauptsächlich bei Wechseljahresbeschwerden verabreicht.[104] Allerdings gibt es auch Studien, die eine hemmende Wirkung auf Mammakarzinomzellinien zu zeigen scheinen. K.J. Nho et al konnten nachweisen, dass ein Rheum Palmatum Ethanol Extrakt eine anit-metastatische Eigenschaft besitzt, indem es Signaltransduktionswege beeinflusst.[116] 75 4 Material und Methoden Diese Arbeit basiert auf einer ausführlichen Literaturrecherche über die pharmakologische Betreuung des Mammakarzinoms unter Berücksichtigung der heute vorhandenen Phytopharmaka. Für die Recherche habe ich zum einen Fachbücher der Pharmakologie, Phytopharmakotherapie und Gynäkologie herangezogen. Mit Hilfe dieser sollte ein Überblick über das Mammakarzinom, die Tumorbiologie sowie die Pharmakologie der heute verwendeten Medikamente gegeben werden. Des Weiteren stützt sich meine Recherche auf die Leitlinien zur Therapie des Mammakarzinoms der „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.“ (AWMF) sowie des „National Comprehensive Cancer Network“ (NCCN). Diese Leitlinien werden in regelmäßigen Abständen den neuesten Studienergebnissen angepasst und sind somit wissenschaftlich fundierte Therapieempfehlungen. Mit Hilfe der regelmäßigen Überarbeitung und Anpassung an die neueste Studienlage werden strenge Therapieschemata verhindert. Diese wären auf Grund der Variabilität innerhalb der Patientinnenpopulation bezogen auf die Tumorbiologie, Komorbiditäten, Unverträglichkeiten etc. sowie der immer schneller voranschreitenden Forschung in der Praxis schwer umsetzbar. Mit Hilfe der Leitlinien können Patientinnen individuell und in Anlehnung an die neueste Wissenschaft bestmöglich behandelt werden. Anschließend habe ich eine ausführliche Onlinerecherche durchgeführt, die sich vor allem auf „UpToDate“ ein evidenzbasiertes Unterstützungssystem für klinische Entscheidungen und die medizinische Datenbank „PubMed“ bezog. Es sollten die neuesten Studienergebnisse mit Hilfe dieser ausführlich dargestellt werden. 76 5 Diskussion Die pharmakologische Betreuung des Mammakarzinoms ist sehr breit gefächert. Es gibt multiple Therapieoptionen, die sich nach Tumorbiologie, menopausalem Status, Tumorlast und Tumorfortschritt richten. Viele präklinische und klinische Studien zeigen gute Ergebnisse für eine große Anzahl an Wirkstoffen. Auch wenn eine große Auswahl an Wirkstoffen existiert, ist der Therapieansatz bislang häufig nicht kurativ. Eine Heilung kann in den meisten Fällen nur bei einem primären lokoregionalen Mammakarzinom ohne Metastasierung und in Verbindung mit einem operativen Eingriff erzielt werden. Zudem entstehen neue Herausforderungen wie die Resistenzentwicklung gegenüber endokrinen Therapieformen. Es gilt in der Zukunft Wirkstoffe zur Verhinderung oder Überbrückung dieser zu finden. Es gibt neuere Studien, die ein Hinzufügen des mTOR-Inhibitors Everolimus oder des HDAC-Inhibitors Etinostat zu den Standardtherapien als neues Erfolgsrezept darstellen. Allerdings sind hier weitere Studien nötig. Der CDK-4/6-Inhibitor Palbociclib ist bereits in Verbindung mit Letrozol als Therapie für das Mammakarzinom zugelassen. Es existieren ebenfalls vielversprechende Studienergebnisse für Palbociclib in Verbindung mit Fulvestrant. Diese Kombination könnte in Zukunft anerkannt und in die Leitlinien übernommen werden. Des Weiteren scheint CIP2A ein vielversprechender Ansatzpunkt für weitere Forschung, da durch dieses Onkogen der Zelltod verhindert wird. Bei Ausschaltung von CIP2A kann die Apoptose wieder ermöglicht und das unbegrenzte Wachstum der Tumore gestoppt werden. Dieser Ansatz wäre gegebenenfalls auch für das triple-negative Mammakarzinom von Interessen. In diesem Fall kann bislang nur auf eine Chemotherapie zurückgegriffen werden. Durch den bevorzugten Einsatz von Monosubstanzen können die Nebenwirkungen einer Chemotherapie zwar geringer gehalten werden, aber trotzdem sollten in diesem Bereich die Forschungsanstrengungen gesteigert werden, um auch diesen Patientinnen Alternativen anbieten zu können. Meine Arbeit hat sich neben synthetisch hergestellten Pharmaka ebenfalls mit Phytopharmaka auseinandergesetzt. Präklinisch zeigten Phytopharmaka einen positiven Effekt auf Mammakarzinomzellinien. Da bislang eine klinische Evidenz fehlt, könnten Stoffe aus dem Bereich der Phytopharmake zunächst in Verbindung 77 mit anderen Wirkstoffen geprüft werden, die als Standardtherapien gelten. Wie zum Beispiel eine Studie von A. Minaei et al. nachweisen konnte, kann bei Hinzufügen von Nano-Quercentin zu Doxorubicin dessen zytotoxische Wirkung gesteigert und damit die Behandlungserfolge verbessert werden.[117] Für Patientinnen die unter den Nebenwirkungen einer Chemotherapie leiden, könnte durch Hinzufügen dieser weniger aggressiven Substanzen eventuell die Dosis verringert werden. Außerdem versuchen viele Patientinnen einen stationären Krankenhausaufenthalt zu vermeiden. In dem Fall kann auf neuere oral verfügbare Substanzen zurückgegriffen werden, deren Einnahme ambulant kontrolliert werden kann. Es ist essentiell Patientinnen ausführlich über die Therapiemöglichkeiten und auch die gefürchteten Nebenwirkungen aufzuklären. Eine gute Arzt/ÄrztinPatienten/Patientinnen Beziehung ist ausschlaggebend für das Vertrauen in und den Erfolg einer Therapie. Zudem ist es wichtig eine angenehme Umgebung für die schwer kranken Patientinnen zu schaffen. Da einige eine adjuvante Therapie über Jahre hinweg erhalten sollten Tumorzentren mit Ambulanzen entstehen, die die Patientinnen in dieser Zeit mit dem entsprechenden Fachpersonal begleiten und betreuen können. Auch die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Fachdisziplinen ist von großer Bedeutung. So können z.B. Metastasen in den Knochen, der Leber oder der Lunge zu weiteren Symptomen führen, die nicht durch die Gynäkologie oder onkologische Gynäkologie abgedeckt werden können. Andere Disziplinen wie die Innere Medizin und Viszeralchirurgie müssen gegebenenfalls hinzugezogen werden. Auch der Allgemeinmediziner/die Allgemeinmedizinerin spielt für viele Patientinnen als Ansprechpartner/Ansprechpartnerin eine wichtige Rolle. In der Kommunikation ist es essentiell die Medikation abzustimmen, da es sonst zu Wechselwirkungen kommen kann. Interdisziplinäre Ambulanzen wären eine Möglichkeit die Kommunikation zu verbessern. Einige Patientinnen suchen zusätzlich Heilpraktiker/Heilpraktikerinnen auf, vor allem um die Symptomatik und die Nebenwirkungen von anderen Therapieformen zu verbessern. Phytopharmaka können komplementär sehr gut zur Linderung von Symptomen, unerwünschten Wirkungen und einer Verbesserung des Krankheitsverlaufs beitragen. Aber auch dabei ist eine Abstimmung mit weiteren Medikamenten wichtig. Nur durch ein 78 gutes Zusammenarbeiten der Pharmakologie, der unterschiedlichen Fachdisziplinen und Patientinnen ist die bestmögliche Therapie und eine weitere Entwicklung der Therapieoptionen möglich. 79 6 Literaturverzeichnis [1] Kiechle M, Harbeck N, Heinemann V. Mammakarzinom. In: Hiddemann W, Bartram C, editors. Die Onkologie. 2nd ed. Heidelberg: Springer Medizin Verlag: 2010; p. 952-989. [2] International Agency for Research on Cancer, World Health Organisation. 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