Paul-Ehrlich-Institut Bundesamt für Sera und Impfstoffe und

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Paul-Ehrlich-Institut
Bundesamt für Sera und Impfstoffe
und
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
Bekanntmachung
über die Zulassung und Registrierung
von Humanarzneimitteln
sowie über die Sicherheit
verkehrsfähiger Humanarzneimittel
(Vollblut, zelluläre Blutkomponenten
und Gefrorenes Frischplasma sowie Arzneimittel
aus humanen Geweben
und homöopathische Arzneimittel humanen Ursprungs)
- Abwehr von Arzneimittelrisiken, Stufe II ­
Vom 21. September 2001
Mit Bekanntmachung vom 10. Januar 2001 (BAnz. S. 1422) haben das Paul-EhrlichInstitut und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte diejenigen phar­
mazeutischen Unternehmer zu einer beabsichtigten Maßnahme der Risikovorsorge
angehört, die Humanarzneimittel in den Verkehr bringen, die unter Verwendung von
Blut, Gewebe, Körpersekret oder Körperflüssigkeit vom Menschen hergestellt wer­
den. Auf diese Anhörung ergeht wegen der Bedeutung der Maßnahme der folgende
Bescheid des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Me­
dizinprodukte zunächst lediglich an die pharmazeutischen Unternehmer, die zelluläre
Blutprodukte und gefrorenes Frischplasma sowie Arzneimittel aus humanen Gewe­
ben und homöopathische Arzneimittel humanen Ursprungs in den Verkehr bringen.
Angesichts von zum Teil noch vorläufigen tierexperimentellen Befunden besteht die
theoretische Möglichkeit einer Übertragung der Variante der Creutzfeldt-JakobKrankheits-Erreger (vCJK-Erreger) durch Blutkomponenten von Spendern, die sich
zuvor mit diesem Erreger infiziert haben. Nach der gegenwärtigen Erkenntnislage
kann auch bei Arzneimitteln, die aus anderen Materialien vom Menschen hergestellt
werden, eine solche Übertragungsmöglichkeit nicht ausgeschlossen werden.
Das mögliche Risiko einer Übertragung von vCJK-Erregern wird für Vollblut, zelluläre
Blutkomponenten und Gefrorenes Frischplasma höher eingeschätzt als z.B. für frak­
tionierte Plasmaprodukte. Untersuchungen weisen darauf hin, dass pathogene
Prionproteine durch Fraktionierungsschritte eliminiert werden können (Lee et al.
2000. Monitoring plasma processing steps with a sensitive Western blot assay for the
detection of the prion protein. J. Virol. Methods 84: 77-89; Foster et al. 2000. Studies
on the removal of abnormal prion protein by processes used in the manufacture of
human plasma products. Vox. Sang. 78: 86-95). Für diese Arzneimittel und ebenso
für die aus menschlichem Urin hergestellten Arzneimittel, die teilweise im konzertier­
ten Verfahren, im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung oder im zentralisierten
Verfahren zugelassen worden sind, ist eine entsprechende Änderung der Zulassung
in Abstimmung mit den zuständigen Behörden der Europäischen Union und der an­
deren Mitgliedsstaaten beabsichtigt.
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Bescheid
1) Es wird angeordnet, dass zur Herstellung von Vollblut, zellulären Blutkomponen­
ten und gefrorenem Frischplasma sowie von Arzneimitteln aus humanen Gewe­
ben und homöopathischen Arzneimitteln humanen Ursprungs kein Ausgangsma­
terial aus Spenden verwendet werden darf, die nach dem 1. November 2001 ge­
wonnen werden und deren Spender sich in der Zeit vom 1. Januar 1980 bis 31.
Dezember 1996 insgesamt länger als sechs Monate im Vereinigten Königreich
Großbritannien und Nordirland aufgehalten haben.
2) Kosten werden gesondert erhoben.
Die Auflage beruht auf den Bestimmungen des § 28 Abs. 3c Satz 1 Nr. 1 des Arz­
neimittelgesetzes (AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember
1998 (BGBl. I S. 3586), das zuletzt durch Artikel 2 § 10 des Gesetzes vom 20. Juli
2000 (BGBl. I S. 1045) geändert worden ist. Sie ist geboten, da neue wissenschaftli­
che Erkenntnisse über das Risiko einer Übertragung der Variante der CreutzfeldtJakob-Krankheit (vCJK) durch Blut und Blutprodukte vorliegen.
Bei der vCJK muss aufgrund der vorliegenden Daten von einer Übertragung der bo­
vinen spongiformen Enzephalopathie (BSE), wahrscheinlich über den Verzehr von
infektiösem Material von Rindern, auf den Menschen ausgegangen werden (Bruce
ME et al. 1997: Transmissions to mice indicate that new variant CJD is caused by the
BSE agent. Nature 389: 498-501, Scott MR et al. 1999: Compelling transgenetic evi­
dence for transmission of bovine spongiform encephalopathy prions to humans. Proc.
Natl. Acad. Sci. USA 96: 15137-15142). Die vCJK konnte wahrscheinlich vor allem
zwischen 1980 und 1996 durch den Verzehr von BSE-kontaminierten Nahrungsmit­
teln ausgelöst werden.
Frühere Untersuchungen in verschiedenen Tiermodellen weisen darauf hin, dass
geringe Mengen des Erregers im Blut vorkommen können. Eine wissenschaftliche
Bewertung der derzeit hierüber vorliegenden Daten findet sich in den Stellungnah­
men des Scientific Committee on Medicinal Products and Medical Devices
(SCMPMD) der Europäischen Kommission vom 16. Februar 2000 (Opinion on Up­
date of the Opinion on the Risk Quantification for CJD Transmission via Substances
of Human Origin adopted by the Scientific Committee on Medicinal Products and
http://europa.eu.int/comm/
Medical
Devices
on
16
February
2000:
food/fs/sc/scmp/outcome_en.html) und des Scientific Steering Committee der Euro­
päischen Kommission vom 26./27. Oktober 2000 (Opinion on the Implications of the
Houston et al. paper in The Lancet of 16 September 2000 on the Transmission of
BSE by blood transfusion in sheep. (The Lancet Vol. 356, pp 999-1000; 955-956;
1013) (http://europa.eu.int/comm/food/fs/sc/ssc/outcome_en.html).
Die Tatsache, dass bei Patienten mit neuropathologisch bestätigter vCJK pathologi­
sches Prionprotein innerhalb des lymphoretikulären Gewebes nachgewiesen wurde
(Hill AF et al., Lancet 1999; 353: 183-189: Investigation of variant Creutzfeldt-Jakob
disease and other human prion diseases with tonsil biopsy samples) ist ein Anhalts­
punkt für die potentielle Infektiosität der für die Herstellung der Arzneimittel verwen­
deten Gewebe. Jüngst wurden in der britischen Fachzeitschrift Lancet vorläufige Er­
gebnisse publiziert (Houston F et al. 2000: Transmission of BSE by blood transfusion
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in sheep. Lancet 356: 999-1000), die zu zeigen scheinen, dass in dem gewählten
Tiermodell eine Transfusion von Blut eines auf oralem Weg infizierten Tieres zur In­
fektion des Empfängertieres führte. Bei diesen Versuchen war Hirngewebe eines an
BSE erkrankten Rindes an Schafe verfüttert worden, denen danach Vollblut ent­
nommen und in gesunde Empfängerschafe transfundiert wurde. Bislang erkrankte
eines der 19 Empfängertiere an BSE-ähnlichen Symptomen (IABS Conference
Advances in Transfusion Safety – 2001, Paul-Ehrlich-Institut, Langen, 7.-9. Juni
2001). Die Interpretation der Autoren, dass es sich um eine Übertragung des BSE
Erregers handelte, bedarf noch der Bestätigung durch weitere Untersuchungen unter
Einbeziehung entsprechender Kontrollen. Es ist auch ungeklärt, inwieweit sich das
Tierexperiment auf die Verhältnisse beim Menschen übertragen lässt. Gleichwohl
sind diese Ergebnisse vorläufig als weiterer Hinweis auf die Möglichkeit einer Über­
tragbarkeit von vCJK durch Blut anzusehen.
Im Falle einer Übertragbarkeit von BSE-Erregern durch Blut besteht die Gefahr, dass
sich der Erreger auch über Bluttransfusionen, Plasmaprodukte, Produkte aus
menschlichen Geweben oder homöopathische Arzneimittel aus anderen Ausgangs­
materialien vom Menschen in der Bevölkerung ausbreiten könnte.
In Großbritannien sind seit 1996 über 100 Fälle von vCJK bekannt geworden (De­
partment of Health monthly Creutzfeldt-Jakob disease statistics, 2. Juli 2001
http://www.doh.gov.uk/cjd/stats/jul01.htm).
Die Erkrankung verursacht nach wahrscheinlich jahrelanger Inkubationszeit ausge­
prägte organische und funktionelle Schäden des Nervensystems. Nach dem gegen­
wärtigen Kenntnisstand führt sie ausnahmslos zum Tode. Bisher steht eine wirksame
Behandlungsmöglichkeit nicht zur Verfügung. Die Anzahl derjenigen Personen, die
sich gegenwärtig in der Inkubationsphase dieser Krankheit befinden, ist unbekannt.
Gegenwärtig steht weder ein auf den Erreger der vCJK spezifisch ausgerichteter
Test noch ein Surrogattest zur Verfügung, mit dem ein Screening auf vCJK unter
Routinebedingungen möglich wäre. Deshalb kann auch im Rahmen einer Spende
von Blut, Plasma, Gewebe oder anderer zur Herstellung homöopathischer Arznei­
mittel verwendeten Ausgangsmaterialien vom Menschen gegenwärtig nicht festge­
stellt werden, ob sich eine Person in der Inkubation dieser Krankheit befindet bzw. ob
eine Spende infektiös in Bezug auf vCJK ist.
Aufgrund der Anzahl der bisher in England aufgetretenen Erkrankungsfälle von vCJK
und der oben dargelegten neuesten Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass eine
Übertragung der Erkrankung durch Blut möglich sein kann, wird es zum jetzigen Zeit­
punkt als vorbeugende Maßnahme für notwendig erachtet, diejenigen Personen von
der Spende auszuschließen, die sich in der Zeit von 1980 bis 1996 insgesamt länger
als sechs Monate im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland aufge­
halten haben. Die Häufung der Fälle im Vereinigten Königreich wird durch den Ver­
zehr BSE-kontaminierter Nahrungsmittel durch die dortige Bevölkerung erklärt. Es ist
anzunehmen, dass auch Besucher bei vorübergehenden Aufenthalten im Vereinigten
Königreich Großbritannien und Nordirland solchen Nahrungsmitteln und somit einem
Infektions-Risiko ausgesetzt waren.
Der festgesetzte Zeitraum zwischen 1980 und 1996 begründet sich auf der Tatsache,
dass Ende der 80er Jahre in Großbritannien erstmals Rinder in großer Anzahl an
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BSE erkrankten. Aufgrund der langen Inkubationszeit der Erkrankung muss davon
ausgegangen werden, dass sich etwa ab 1980 infizierte Rindermaterialien auf dem
britischen Markt befanden. Dies wurde in einer epidemiologischen Analyse über die
Inzidenz der Infektion von BSE durch Anderson et al. errechnet (Anderson R.M.
1996. Transmission dynamics and epidemiology of BSE in British cattle. Nature 382:
779-788). Die epidemieartige Verbreitung von BSE wird auf das Füttern der Rinder
mit Tierkörpermehl zurückgeführt, das aus Schlachtabfällen und verendeten Tieren
hergestellt wird. Das Verbot der Fütterung von Rindern mit solchem Tierkörpermehl
hat zu einem deutlichen Rückgang der Erkrankungszahlen geführt. Darüber hinaus
wurde seit 1996 in England ein besonderes Schlachtverfahren angeordnet, in dem
das Risikomaterial wie z.B. Rückenmark so entnommen und ausgesondert wird, dass
keine Rückstände dieses möglicherweise infizierten Materials in die Nahrungskette
gelangen können (http://www.maff.gov.uk/animalh/BSE). Somit kann davon ausge­
gangen werden, dass im Vereinigten Königreich ab 1996 der Verzehr von Nah­
rungsmitteln, die vom Rind stammen, nicht mit einem Risiko behaftet ist.
Das in den Vereinigten Staaten angewandte Verfahren zur Berechnung des durch
das Reiseverhalten möglicherweise bedingten Übertragungsrisikos für vCJK durch
Blut und Blutprodukte geht von der Annahme aus, dass das Risiko, sich über Nah­
rungsmittel zu infizieren, mit der Länge des Aufenthaltes im Vereinigten Königreich
im o.g. Zeitraum korreliert. Diese Hilfskonstruktion wurde gewählt, da die tatsächlich
für eine Infektion erforderliche Dosis infektiöser Nahrung und die für deren Aufnahme
erforderliche Aufenthaltsdauer nicht bekannt sind. Die von den Befragten angegebe­
nen Aufenthaltszeiten wurden zu einer Gesamtaufenthaltsdauer addiert, die nach
obiger Hypothese als Maßzahl für das angenommene Gesamtrisiko verwendet wur­
de. Es wurde dann für verschieden lange Zeitintervalle (entsprechend den von den
einzelnen Spendern angegebenen kumulativen Aufenthaltszeiten) berechnet, in wel­
chem Ausmaß einerseits das rechnerische Risiko vermindert werden könnte und
welcher Anteil an Spendern dafür ausgeschlossen werden müsste. Aufgrund dieser
Berechnungen wurde auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme
von der Food and Drug Administration (FDA) ein Zeitraum von sechs Monaten ge­
wählt.
Das für die USA beschriebene Rechenmodell ist grundsätzlich auch auf die Situation
der Bundesrepublik anwendbar. Demnach bedeutet der Ausschluss von Spendern,
die sich im fraglichen Zeitraum insgesamt mehr als sechs Monate im Vereinigten Kö­
nigreich aufgehalten haben, eine Reduktion des theoretischen Risikos der Übertra­
gung von vCJK durch menschliches Blut. Orientierende Umfragen in Spendediensten
des DRK und von staatlichen und kommunalen Blutspendeeinrichtungen haben er­
geben, dass etwa 0,2 % der Spender von dem Ausschluss betroffen wären. Im Hin­
blick auf die Schwere der möglichen Erkrankung ist die Maßnahme daher auch ver­
hältnismäßig, zumal die Versorgung der Bevölkerung dadurch nicht gefährdet wird.
Auch bei Arzneimitteln aus menschlichen Geweben sowie homöopathischen Arznei­
mitteln menschlichen Ursprunges führt der Spenderausschluss nicht zu Engpässen
in der Versorgung der Bevölkerung mit diesen Arzneimitteln.
Die Maßnahme, Personen mit der kumulierten Aufenthaltsdauer von 6 Monaten und
darüber im Zeitraum zwischen 1980 und 1996 im Vereinigten Königreich zukünftig
von der Spende auszuschließen, wurde am 13. November 2000 ebenfalls durch den
Arbeitskreis Blut empfohlen. Der Arbeitskreis Blut ist ein Expertengremium nach § 24
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des Transfusionsgesetzes, das die Bundesregierung in Fragen der Sicherheit bei der
Gewinnung und Anwendung von Blut und Blutprodukten berät.
Diese Anordnung des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel
und Medizinprodukte ist gemäß § 28 Abs. 3c AMG sofort vollziehbar, so dass Wider­
spruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben.
Die Änderung der Spenderauswahlkriterien ist der jeweils zuständigen Bundesober­
behörde schriftlich bis spätestens 15. November 2001 anzuzeigen. Die betroffenen
Arzneimittel sind mit Arzneimittelbezeichnung, Zulassungs- bzw. Registriernummer
sowie Eingangs- und Ordnungsnummer aufzulisten.
Rechtsbehelfsbelehrung
Dieser Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach Erscheinen des Bundesanzeigers als
bekannt gegeben.
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach diesem Zeitpunkt Wider­
spruch erhoben werden. Der Widerspruch ist bei der zuständigen Bundesoberbehör­
de, dem Paul-Ehrlich-Institut, Bundesamt für Sera und Impfstoffe, Paul-EhrlichStraße 51-59, 63225 Langen, oder dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin­
produkte, Friedrich-Ebert-Allee 38, 53113 Bonn, schriftlich oder zur Niederschrift ein­
zulegen.
Hinweis:
Homöopathische Arzneimittel, die Zubereitungen aus Krankheitsprodukten, Krank­
heitserregern oder deren Stoffwechselprodukten vom Menschen enthalten, fallen
ebenfalls in den Anwendungsbereich dieser Bekanntmachung.
Die Anordnungen betreffen auch diejenigen homöopathischen Arzneimittel, die nach
§ 135 Abs. 3 AMG ohne Registrierung in den Verkehr gebracht werden. Für diese
Arzneimittel ist die Änderung der Spenderauswahl durch die betroffenen pharmazeu­
tischen Unternehmer dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mit­
zuteilen.
Langen, den 21. September 2001
Paul-Ehrlich-Institut
Bundesamt für Sera und Impfstoffe
Präsident
Prof. Dr. Johannes Löwer
Bonn, den 21. September 2001
Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte
Präsident
Prof. Dr. Harald G. Schweim
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