14.05.2004 10:08 Uhr Seite 147 Die Institute 147_152_agv.qxd Abteilung Genvektoren Department of Gene Vectors München / Munich (Leiter / Head: Prof. Dr. Wolfgang Hammerschmidt ie Abteilung Genvektoren befasst sich mit der molekularbiologischen Untersuchung eines Herpesvirus des Menschen und dessen Interaktion mit menschlichen Zielzellen. Das Herpesvirus, Epstein-Barr Virus (EBV) genannt, ist ein Krankheitserreger, der als Modell für verschiedene Aspekte der herpesviralen Infektion des menschlichen Wirts betrachtet wird. Epstein-Barr Virus war das erste menschliche Tumorvirus, das entdeckt wurde; es gilt heute als karzinogenes Agens nach der internationalen Klassifikation der WHO. Das Virus ist assoziiert mit einer Reihe von Tumoren wie dem Nasopharyngealen Karzinom, dem Burkitt- und Hodgkinlymphom und anderen Lymphomen des Menschen, die vor allem bei immunsupprimierten Patienten auftreten. Eine besondere Eigenschaft des Epstein-Barr Virus macht die Forschung mit diesem viralen System besonders attraktiv: Das Virus infiziert sehr effizient ruhende, also nicht proliferierende, menschliche B-Zellen. Die Infektion ist latent, Nachkommenviren werden nicht gebildet, die genetische Information des Virus bleibt aber in der infizierten Zelle erhalten. Diese latent infizierten Zellen erwerben die Eigenschaft, unbegrenzt zu proliferieren und spiegeln damit einige (aber nicht alle) Aspekte der Tumorentstehung beim Menschen wider. Die Immortalisation von B-Zellen stellt also ein Modellsystem dar, das wir als Arbeitsplattform benutzen. Im Rahmen unserer molekularbiologischen Forschung verfolgen wir verschiedene Aspekte, die sich mit der Kontrolle der Zellproliferation, der viralen und zellulären DNA-Replikation und der Signalübertragung von Virus-kodierten D esearch in the Department of Gene Vectors is concerned with the molecular analysis of a human herpes virus, Epstein-Barr virus, and the interaction of the virus with its host cell. Epstein-Barr virus is a model pathogen in that it infects man and establishes a latent infection for a lifetime. Epstein-Barr virus was the first human tumour virus to be discovered and is now classified as a group 1 carcinogen by the WHO. This virus is strongly associated with a number of human tumours such as nasopharyngeal carcinoma, Burkitt’s lymphoma, immunosuppression-related lymphomas, Hodgkin’s disease, and others. One characteristic of the virus makes the viral system particularly attractive for research: EBV infects resting (nonproliferating) human B-lymphocytes and converts them into B-cell lines that can proliferate indefinitely in cell culture. This biological property provides a cell culture model for EBV related diseases and is reminiscent of some (but not all) aspects of tumour etiology in man. This cell culture model is used as a basis in our molecular research, which focuses on various aspects of the control of cell proliferation, DNA replication, and signalling of cellular and viral receptor molecules. The main emphasis from a technical and methodological point of view is on the tools that we have developed to dissect the virus’s genome genetically. These tools enable us both to manipulate the pathogenic characteristics of the virus, and to use the virus as a harmless gene vector that can deliver genes of therapeutic interest into normal or transformed human B-cells. In order to carry out research into these R GSF 147 147_152_agv.qxd 14.05.2004 10:08 Uhr Seite 148 und zellulären Rezeptoren befassen. Als methodischen Ausgangspunkt haben wir uns Techniken erarbeitet, die es erlauben, das virale Genom in jeder Hinsicht genetisch zu verändern. Diese molekulargenetischen Werkzeuge erlauben nicht nur die gezielte Manipulation der pathogenen Eigenschaften des Virus, sondern ermöglichen es auch, sichere Genvektoren herzustellen, die therapeutisch interessante Gene in normale oder transformierte menschliche B-Zellen einbringen können. Um diesen verschiedenen Aufgaben gerecht zu werden, arbeiten wir an drei teilweise überlappenden Themen, die die EBV-Genetik und virale Vektorentwicklung zum Inhalt haben oder Aspekte der DNAReplikation beziehungsweise der Signaltransduktion bearbeiten. Am Jahresende waren in der Abteilung 9 Wissenschaftler, 11 Doktoranden und 4 technische Mitarbeiter/Innen beschäftigt; insgesamt werden ca. 62 % der Personalstellen über Drittmittel und Strategiefondgelder finanziert. different but overlapping topics, the department is divided into three groups working on EBV genetics and viral vector development, DNA replication, and signalling. At the end of the year there were 9 scientists, 11 postgraduate students, and 4 technicians in the department, two-thirds supported by grant funds. EBNA1 ist essentiell für die Aufrechterhaltung des Genoms von EpsteinBarr Virus in infizierten B-Zellen Immuntherapie prinzipiell attraktiv erscheinen lassen. Es ist seit langem bekannt, dass oriP-Vektoren stabil und extrachromosomal in menschlichen Zellen replizieren und aufrechterhalten werden. Nur zwei virale Elemente sind für diesen Vorgang essentiell: das EBNA1-Genprodukt und ein plasmidaler Replikationsursprung, oriP. EBNA1 bindet als virales Protein an zwei Gruppen von spezifischen DNA-Sequenzmotiven innerhalb von oriP (Abb. 1). Wir konnten vor kurzem mit genetischen und biochemischen Experimenten zeigen, dass die beiden Gruppen von EBNA1-Bindestellen auch zwei verschiedene Funktionen umsetzen und damit unabhängige Elemente darstellen. Das DS-Element (i) dient zur Rekrutierung des zellulären „origin recognition complex“ (ORC) und damit letztendlich zur Initiation der DNA-Replikation. Das FR-Element (ii) garantiert dagegen die Aufrechterhaltung und Retention des oriP-Vektors im Zellkern. Beide Funktionen werden durch EBNA1 vermittelt, das an beide Elemente auf unterschiedliche Weise bindet. Das Binden des viralen EBNA1-Proteins an Für die Anwendung der Gen- und Immuntherapie am Patienten stehen immer noch keine Genvektoren zur Verfügung, die als beherrschbar und damit sicher angesehen werden können. Insbesondere die hohe Transduktionseffizienz von viralen Genvektoren geht mit unvorteilhaften Eigenschaften einher. Entweder werden die therapeutischen Gene nur kurzzeitig exprimiert, oder die Vektoren werden in das Wirtszellchromosom integriert, um eine langanhaltende Genexpression sicherzustellen. Die chromosomale Integration von Vektoren oder Teile ihrer Genome kann aber zur Insertionsmutagenese führen und stellt ein hohes Risiko für die Transformation der Zielzelle dar, wie mit retroviralen Vektoren vor kurzem leider deutlich wurde. Rekombinante, von Epstein-Barr Virus abgeleitete Plasmide, sogenannte oriPVektoren, haben dagegen vorteilhafte Eigenschaften, die ihren Einsatz in der Gen- und 148 GSF 14.05.2004 10:08 Uhr Seite 149 Die Institute 147_152_agv.qxd EBNA1 Chromatinassoziation DNA-Bindung oriP Plasmidretention Plasmidreplikation Abb. 1: Das EBNA1-Gen und der virale Replikationsursprung von Epstein-Barr Virus, oriP. In der oberen Hälfte der Abbildung ist der Aufbau des EBNA1-Gens mit den beiden Funktionsmodulen gezeigt, die für die Assoziation mit dem Chromatin der Zelle und der spezifischen Bindung des Proteins an DNA-Sequenzmotive verantwortlich sind. Die Zahlen geben die Aminosäurekoordinaten des Genprodukts an, die verschiedenen Domänen des Proteins sind in verschiedenen Farben dargestellt und mit den Fachausdrücken bezeichnet. Das EBNA1-Protein bindet innerhalb des viralen Replikationsursprungs oriP an DNA-Sequenzmotive, die in der unteren Hälfte der Abbildung in Form von schwarzen kleinen Kreisen angedeutet sind. Das FR-Element (FR steht für „family of repeats“) bildet eine Funktionseinheit, die für die Aufrechterhaltung und die Kernretention des oriP-Plasmids essentiell ist. Das DS-Element (DS steht für „dyad symmetry“) stellt den eigentlichen Replikationsursprung von oriP dar. An (oder in der Nähe des) DS-Elements bindet der „origin recognition complex“ ORC, der in Abbildung 2 dargestellt ist. Das mit Rep* bezeichnete Element könnte eine weitere Rolle bei der Aktivierung des Replikationsurspungs spielen. ORC M das DS-Element von oriP bewirkt wahrscheinlich die Rekrutierung des zellulären ORC-Komplexes, EBNA1 betätigt sich damit als „Ladehelfer“ und bindet die zelluläre DNA-Replikationsmaschine an den viralen Replikationsursprung (Abb. 2). Tatsächlich ist oriP ein authentischer Replikationsursprung der Zelle, da die sequentielle und zeitliche Bindung von zellulären Replikationskomponenten, die Aktivierung des Komplexes und die Initiation der DNAReplikation nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten erfolgt, wie bei der chromosomalen DNA der Zelle. Ganz im Gegensatz dazu steht die Funktion des FR-Elements, an die EBNA1 ebenfalls bindet. Hier scheint EBNA1 Funktionen zu vermitteln, die eine Rolle als „molekularer Klebstoff“ zwischen dem viralen Genom und den chromosomalen Strukturen im Zellkern vermuten lassen. Cdc6 Cdt1 Geminin Cdt1 ORC Cdc6 Mcm Cdt1 pre-RC Mcm Cdc6 Cdt1 G1 pre-IC Mcm ORC Mcm Cdc45 Mcm Mcm Mcm Cdc6 Mcm ORC Cdc45 Cdc45 Mcm Cdc7/ Dbf4 1 ORC Cdc45 S Mcm ORC Mcm Cdc45 1 Abb. 2: Schematische Darstellung des ‚origin recognition complex’ (ORC) und der verschiedenen Proteinkomponenten des zellulären Replikationskomplexes in den einzelnen Phasen des Zellzyklus, die mit M, G1 und S bezeichnet sind. GSF 149 147_152_agv.qxd 14.05.2004 10:08 Uhr Seite 150 A B C D Abbildung 3: Darstellung von chromosomal integrierten und extrachromosomalen Genomkopien des Epstein-Barr Virus. Zu sehen sind die Chromosomen einer Zelle, wie sie in der Metaphase des Zellzyklus während der Zellteilung kondensiert vorliegen. Der Nachweis der EBV-Genome erfolgte mit Hilfe der sogenannten 'fluorescence in situ hybridization’ (FISH), bei den grün-gelb markierten DNA-Sonden, die entweder chromosomal integrierte (A und B) oder extrachromosomale Genomkopien (C und D) detektieren. Charakteristisch für integrierte Kopien sind die Doppelpunkte (weiße Pfeilspitzen), die auf die Präsenz von jeweils einem Integrationsort auf den beiden noch nicht getrennten Schwesterchromatiden beruhen. Während die linke Zelle mit einem EBNA1-losen Epstein-Barr Virus infiziert wurde, stellt die rechte Zelle die Situation mit dem genetisch unveränderten EBV als Kontrolle dar. Tatsächlich bindet die erste Hälfte von EBNA1 relativ unspezifisch an bestimmte Strukturen der chromosomalen DNA, wie es auch zelluläre DNA-bindende Proteine zum Beispiel Histone und Mitglieder der HMGFamilie tun. Darüber hinaus könnte EBNA1 auch noch 150 GSF eine wichtige Rolle bei verschiedenen EBVassoziierten menschlichen Tumoren spielen, da es das einzige virale Protein ist, das in allen EBV-positiven Tumorzellen regelmäßig exprimiert ist. Wir haben uns deshalb die Frage gestellt, ob EBNA1 tatsächlich für die Infektion von primären, ruhenden B-Zellen 14.05.2004 10:08 Uhr Seite 151 und deren Immortalisation durch EBV nötig ist. Dazu haben wir mit Hilfe unserer genetischen Möglichkeiten ein EBV-Genom konstruiert, dem das EBNA1-Gen völlig fehlt. Solche genetisch veränderten Viren waren in der Lage, menschliche B-Zellen zu infizieren. Sehr zu unserer Überraschung gelang es auch, immortalisierte B-Zellen zu etablieren, die sich phänotypisch in nichts von sogenannten lymphoblastoiden Zelllinien unterschieden, wie sie durch eine Infektion mit genetisch unverändertem EBV entstehen. Allerdings war die Effizienz, mit der diese Zelllinien mit dem EBNA1-losen EBV erhalten wurden, um den Faktor 10.000 niedriger. Im Gegensatz zu lymphoblastoiden Zelllinien, die mit Wildtyp-EBV infiziert waren (Abb. 3) konnten wir tatsächlich in Abwesenheit von EBNA1 immer nur integ- rierte Kopien des EBV-Genoms in diesen Zelllinien feststellen. Diese Beobachtung bestätigt, dass EBNA1 essentiell für die extrachromosomale Replikation und die Aufrechterhaltung des EBV-Genoms ist. In Abwesenheit von EBNA1 integriert das EBVGenom in sehr seltenen Fällen in das Wirtszellchromosom. Dies scheint eine Voraussetzung dafür zu sein, dass auch ohne EBNA1 immortalisierte B-Zelllinien entstehen und könnte bedeuten, dass EBNA1 keine weitere Rolle bei der Transformation von menschlichen B-Zellen zukommt und so auch nicht zur Tumorentstehung direkt beiträgt. Da EBNA1 auch in oriP-Genvektoren eine Rolle spielt, ist dieser letzte Aspekt von großer Bedeutung, was die Sicherheit solcher Vektoren in der Gen- und Immuntherapie angeht. Die Institute 147_152_agv.qxd Zusammenarbeit Es bestehen vielfältige Kooperationen im Münchner Raum mit Instituten der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und Klinischen Kooperationsgruppen der LMU und der GSF. Auf nationaler Ebene bestehen Zusammenarbeiten mit dem Institut Virologie der Medizinischen Universität Hannover, dem Biochemie Zentrum der Universität Heidelberg, dem Heinrich-Pette-Institut in Hamburg, der III. Medizinischen Klinik der Universität Mainz, der Abt. Dermatologie der Universität ErlangenNürnberg. Internationale Zusammenarbeiten betreffen Kollegen aus dem CRC Institute for Cancer Studies, University of Birmingham, Birmingham, UK; Abteilung Medizinische Mikrobiologie der Universität Liverpool, UK; McArdle Laboratory for Cancer Research, University of Wisconsin, Madison, Wisconsin, USA; Baylor College of Medicine, Department of Molecular Virology and Microbiology, Houston, Texas, USA; National Institutes of Health, Bethesda, Maryland, USA; Cancer Research UK (Institutes in Oxford, London, Manchester); AlbertEinstein College of Medicine, Bronx, NY, USA; Dept. of Microbiology and Immunology, Northwestern University, Chicago, IL, USA und dem Laboratoire de Virologie Humaine, INSERM ENS, Lyon Cédex, France. Zwei Mitarbeiter der Abteilung sind am Lehrbetrieb der Münchner Universitäten beteiligt. Die Arbeiten der Abteilung werden mit Drittmitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Deutschen Krebshilfe, der Bayerischen Forschungsstiftung und der National Institutes of Health der USA mit dem Partner der Universität von Wisconsin, Madison, unterstützt. Weiter ist die Abteilung an regionalen und nationalen Projekten der Universität München und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) beteiligt. GSF 151 147_152_agv.qxd 14.05.2004 10:08 Uhr Seite 152 Ausgewählte Veröffentlichungen Humme, S., Reisbach, G., Feederle, R., Delecluse, H.J., Bousset, K., Hammerschmidt, W. and Schepers, A. (2003). The EBV nuclear antigen 1 (EBNA1) enhances B cell immortalization several thousandfold. Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 100, 10989-10994 Ritzi, M., Tillack, K., Gerhardt, J., Ott, E., Humme, S., Kremmer, E., Hammerschmidt, W. and Schepers, A. (2003). Complex protein-DNA dynamics at the latent origin of DNA replication of Epstein-Barr virus. J Cell Sci, 116, 3971-3984 152 GSF Schepers, A., Ritzi, M., Bousset, K., Kremmer, E., Yates, J.L., Harwood, J., Diffley, J.F. and Hammerschmidt, W. (2001). Human origin recognition complex binds to the region of the latent origin of DNA replication of EpsteinBarr virus. EMBO J., 20, 4588-4602