Erziehungsbedürftig oder krank?

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Erziehungsbedürftig oder krank?
Grenzfälle und Kooperationen zwischen stationärer Einrichtung der Jugendwohlfahrt und
der Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Steiermark.
Dissertation
zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie
an der Karl- Franzens- Universität Graz
eingereicht von Mag.a Sandra MÖSTL
am
Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Erstbegutachter/in: o.Univ.Prof. Dr. Josef SCHEIPL
Zweitbegutachter/in: Ao.Univ.Prof. Dr. Arno HEIMGARTNER
2009
Danksagung
Diese Seite ist all jenen Menschen gewidmet, ohne die diese Arbeit nie in dieser Form zustande
gekommen wäre.
Mein besonderer Dank gilt meinem „Doktorvater“ Herrn Univ.- Prof. Dr. Josef Scheipl, der mich
vor allem in der Wahl des Themas sehr bestärkte und durch seine ständige Unterstützung und
fachliche Betreuung die Realisierung dieser Arbeit ermöglichte.
Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Frau Primaria Dr. Anna- Katharina Purtscher, die mir
den Zugang zu den Daten für die Dokumentenanalyse ermöglichte und mich in der Absolvierung
des Doktoratsstudiums neben meiner Tätigkeit als Sozial- und Heilpädagogin an ihrer Abteilung
bestärkte.
Weiters gilt mein Dank meinen Kolleginnen und Kollegen des pädagogischen Teams, die immer
Rücksicht genommen haben.
Ebenfalls danken möchte ich allen InterviewpartnerInnen, die bereit waren, sich Zeit zu nehmen
und dadurch diese Arbeit qualitativ aufwerteten.
Danken möchte ich auch meiner Familie, insbesondere meinem Vater, Karoline, meinem Großvater
und Traude für die Unterstützung und Rücksichtnahme.
Besonderen Dank auch an meinen Lebenspartner Wolfgang, der mich zum Doktoratsstudium
motiviert und mich auch während der Verfassung dieser Arbeit immer aufgebaut, an mich geglaubt
und mich aktiv unterstützt hat.
Nicht zuletzt möchte ich auch all jenen Kindern und Jugendlichen danken, die im Mittelpunkt
dieser Arbeit stehen. Durch den täglichen Umgang mit ihnen und durch die kleinen
Erfolgserlebnisse wurde ich immer wieder bekräftigt, mein Vorhaben weiter zu verfolgen, um
letztlich vielleicht für sie einen kleinen Schritt gehen zu können.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung .....................................................................................................................................8
2
Begriffsklärung..........................................................................................................................11
3
2.1
Grenzfälle .............................................................................................................................11
2.2
Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) ..................................................................................13
2.3
Sozialpsychiatrie...................................................................................................................15
2.4
Salutogenese .........................................................................................................................16
2.5
Psychische Krankheit - Abweichendes Verhalten- erziehungsbedürftig oder krank?..........17
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich ...............................24
3.1
Entwicklung bis 1900............................................................................................................25
3.2
Die Zeit von 1900 bis 1933...................................................................................................29
3.3
Die Psychiatrie in der Zeit des Nationalsozialismus............................................................32
3.4
Die Zeit nach 1945................................................................................................................37
3.5
Die Gegenwart......................................................................................................................39
3.6
Das Verhältnis von Kinder- und Jugendpsychiatrie und Pädagogik ...................................39
4
Die Klientel der Kinder- und Jugendpsychiatrie ...................................................................43
5
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie..........................................46
5.1
Rahmenbedingungen für sozial- und heilpädagogisches Handeln.......................................46
5.1.1
Strukturelle Rahmenbedingungen..................................................................................46
5.1.1.1
Teilstationäre Behandlungsform: Tagesklinik ........................................................47
5.1.1.2
Ambulanz ................................................................................................................47
5.1.1.3
Stationärer Bereich ..................................................................................................47
5.1.1.3.1
Offene Unterbringung.........................................................................................48
5.1.1.3.2
Geschlossene Unterbringung ..............................................................................48
5.1.2
Personelle Rahmenbedingungen- das multiprofessionelle Team ..................................49
1
Inhaltsverzeichnis
5.1.3
Rechtliche Rahmenbedingungen....................................................................................52
5.1.3.1
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB).....................................................52
5.1.3.2
Steiermärkisches Krankenanstaltengesetz (StKALG 1999)....................................53
5.1.3.3
Steiermärkisches Jugendwohlfahrtsgesetz (StJWG 1991) ......................................55
5.1.3.3.1
Steiermärkisches Jugendwohlfahrtsgesetz- Durchführungsverordnung (StJWG-
DVO 2005) ...........................................................................................................................57
5.1.3.3.2
Steirischer Jugendwohlfahrtsplan (2005) ...........................................................59
5.1.3.4
Steiermärkisches Behindertengesetz (StBHG 2004)...............................................62
5.1.3.5
Unterbringungsgesetz (UBG 1991).........................................................................63
5.1.4
Grenzen durch Finanzierung und Rechtsgrundlagen .....................................................65
5.2
Das pädagogische Konzept der Kinder- und Jugendpsychiatrie- der LSF-Graz.................67
5.3
Leitperspektiven sozial- und heilpädagogischen Handelns in der Kinder- und
Jugendpsychiatrie ...........................................................................................................................68
5.3.1
Ressourcenorientierung..................................................................................................68
5.3.2
Lebensweltorientierung..................................................................................................68
5.3.3
Pädagogische Gruppenarbeit (Gruppenpädagogik) .......................................................70
5.3.4
Beziehungsarbeit- pädagogischer Bezug .......................................................................73
5.3.5
Sozialraumorientierung..................................................................................................75
5.4
6
Konkrete Umsetzung .............................................................................................................76
5.4.1
Alltagspädagogik ...........................................................................................................76
5.4.2
Freizeitpädagogik...........................................................................................................77
5.4.3
Pädagogisch therapeutische Arbeit ................................................................................78
5.4.4
Gruppenspezifische Angebote .......................................................................................81
5.4.5
Gruppenübergreifende Angebote...................................................................................82
5.4.6
Einzel- und Kleingruppenarbeit .....................................................................................82
5.4.7
Angehörigenarbeit..........................................................................................................83
5.5
Therapie und Pädagogik.......................................................................................................83
5.6
Sozial- und heilpädagogische Diagnostik ............................................................................87
5.7
Was kann Sozial- und Heilpädagogik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie leisten ..........90
Sozialpsychiatrische Versorgung für Kinder und Jugendliche in der Steiermark .............95
6.1
Kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung in der Steiermark .......................................95
6.2
Extramurale kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung................................................95
2
Inhaltsverzeichnis
7
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt .......................................................................................97
7.1
Stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt ...................................................................97
7.1.1
Kinder- und Jugendwohngruppe/ Sozialpädagogische Wohngemeinschaften für Kinder
und Jugendliche...........................................................................................................................99
8
7.1.2
Therapeutische Wohngemeinschaften ...........................................................................99
7.1.3
Geschlossene Unterbringung in Heimen......................................................................100
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW..............................................104
8.1
Interpersonelle Ebene.........................................................................................................115
8.2
Interinstitutionelle Ebene....................................................................................................115
8.3
Ebene der Gesamtversorgung.............................................................................................116
8.4
Aufgabe der Kinder- und Jugendpsychiatrie......................................................................117
8.5
Aufgabe der Jugendwohlfahrt.............................................................................................120
9
Empirisch Pädagogische Sozialforschung.............................................................................124
9.1
Quantitative Sozialforschung..............................................................................................124
9.1.1
9.2
10
Die Dokumentenanalyse ..............................................................................................125
Qualitativ- empirische Sozialforschung .............................................................................128
9.2.1
Arten qualitativer Sozialforschung ..............................................................................128
9.2.2
Das problemzentrierte Interview..................................................................................129
9.2.3
Die Inhaltsanalyse ........................................................................................................130
Forschungsdesign .................................................................................................................132
10.1
Problemstellung...............................................................................................................132
10.2
Hypothesen ......................................................................................................................133
10.3
Fragestellungen bzw. Ziele der Untersuchung................................................................134
10.4
Wahl der Forschungsmethode.........................................................................................136
10.4.1
Der Interviewleitfaden ..............................................................................................137
10.4.2
Der Erhebungsbogen ................................................................................................138
3
Inhaltsverzeichnis
11
Stichprobenbeschreibung....................................................................................................139
11.1
Dokumentenanalyse.........................................................................................................139
11.2
Problemzentriertes Interview ..........................................................................................139
12
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion..................................................................140
12.1
Ergebnisse der Dokumentenanalyse ...............................................................................140
12.1.1
Deskriptive Auswertung ...........................................................................................140
12.1.1.1
Geschlecht .............................................................................................................140
12.1.1.2
Alter ......................................................................................................................141
12.1.1.3
Zahl der psychiatrischen Interventionen ...............................................................146
12.1.1.4
Aufenthaltsdauer ...................................................................................................148
12.1.1.5
Wohnform vor der Intervention ............................................................................151
12.1.1.5.1
1. Intervention.................................................................................................152
12.1.1.5.2
2. Intervention.................................................................................................153
12.1.1.5.3
3. Intervention.................................................................................................155
12.1.1.5.4
4. Intervention.................................................................................................156
12.1.1.5.5
5. Intervention.................................................................................................156
12.1.1.6
Wohnform nach der Intervention..........................................................................157
12.1.1.6.1
1. Intervention.................................................................................................159
12.1.1.6.2
2. Intervention.................................................................................................160
12.1.1.6.3
3. Intervention.................................................................................................161
12.1.1.6.4
4. Intervention.................................................................................................162
12.1.1.6.5
5. Intervention.................................................................................................163
12.1.1.7
Wechsel der Wohnform ........................................................................................164
12.1.1.8
Interventionsform..................................................................................................166
12.1.1.8.1
1. Intervention.................................................................................................167
12.1.1.8.2
2. Intervention.................................................................................................167
12.1.1.8.3
3. Intervention.................................................................................................168
12.1.1.8.4
4. Intervention.................................................................................................168
12.1.1.8.5
5. Intervention.................................................................................................168
12.1.1.9
Aufnahmediagnose................................................................................................169
12.1.1.9.1
1. Intervention.................................................................................................169
12.1.1.9.2
2. Intervention.................................................................................................174
12.1.1.9.3
3. Intervention.................................................................................................177
4
Inhaltsverzeichnis
12.1.1.9.4
4. Intervention.................................................................................................179
12.1.1.9.5
5. Intervention.................................................................................................180
12.1.1.9.6
Resümee..........................................................................................................181
12.1.1.10
Entlassungsdiagnose ...........................................................................................182
12.1.1.10.1
1. Intervention...............................................................................................182
12.1.1.10.2
2. Intervention...............................................................................................184
12.1.1.10.3
3. Intervention...............................................................................................187
12.1.1.10.4
4.Intervention................................................................................................188
12.1.1.10.5
5.Intervention................................................................................................190
12.1.1.10.6
Resümee........................................................................................................191
12.1.1.11
Aufnahmegrund ..................................................................................................193
12.1.1.11.1
1. Intervention...............................................................................................193
12.1.1.11.2
2. Intervention...............................................................................................197
12.1.1.11.3
3. Intervention...............................................................................................199
12.1.1.11.4
4.Intervention................................................................................................201
12.1.1.11.5
5.Intervention................................................................................................202
12.1.1.11.6
Resümee........................................................................................................203
12.1.1.12
Aufnahme im geschützten Bereich .....................................................................203
12.1.1.12.1
1. Intervention...............................................................................................203
12.1.1.12.2
2. Intervention...............................................................................................206
12.1.1.12.3
3. Intervention...............................................................................................208
12.1.1.12.4
4.Intervention................................................................................................210
12.1.1.12.5
5.Intervention................................................................................................211
12.1.1.12.6
Resümee........................................................................................................211
12.1.1.13
Fallvignetten........................................................................................................212
12.1.1.13.1
1. Fall ............................................................................................................213
12.1.1.13.2
2.Fall .............................................................................................................215
12.1.1.13.3
3. Fall ............................................................................................................217
12.1.2
Analytische Auswertung...........................................................................................219
12.1.2.1
„Grenzfälle“ zwischen KJP und JW .....................................................................219
12.1.2.2
Alter ......................................................................................................................221
12.1.2.3
Geschlecht .............................................................................................................222
12.1.2.4
Zahl der Interventionen .........................................................................................223
12.1.2.5
Aufenthaltsdauer ...................................................................................................225
12.1.2.6
Interventionsform..................................................................................................229
5
Inhaltsverzeichnis
12.1.2.7
Aufnahme im geschützten Bereich .......................................................................233
12.1.2.8
Aufnahmediagnose................................................................................................238
12.1.2.9
Entlassungsdiagnose .............................................................................................245
12.1.2.10
Aufnahmegrund ..................................................................................................248
12.1.2.11
Zusammenfassung...............................................................................................253
12.2
Ergebnisse der Interviews ...............................................................................................259
12.2.1
Die InterviewpartnerInnen........................................................................................261
12.2.2
Vergleich der Interviews nach den Kategorien ........................................................262
12.2.2.1
Strukturelle Voraussetzungen ...............................................................................262
12.2.2.1.1
Team ...............................................................................................................264
12.2.2.1.2
Aufnahme .......................................................................................................264
12.2.2.1.3
Tagesstruktur ..................................................................................................276
12.2.2.1.4
Pädagogische Grundhaltung ...........................................................................279
12.2.2.2
Problemfälle ..........................................................................................................282
12.2.2.3
Grenzfälle..............................................................................................................287
12.2.2.3.1
Umgang mit psychiatrischen Diagnosen ........................................................291
12.2.2.3.2
Unterstützung..................................................................................................295
12.2.2.3.3
Gründe für die Überweisung ..........................................................................297
12.2.2.3.4
Umgang mit schwierigen Situationen.............................................................298
12.2.2.3.5
Pinball Effekt ..................................................................................................302
12.2.2.4
Geschlossene Unterbringung ................................................................................307
12.2.2.5
Ausbildung/ Weiterbildung...................................................................................312
12.2.2.6
Kooperation...........................................................................................................317
12.2.2.6.1
Interpersonelle Ebene .....................................................................................318
12.2.2.6.2
Interinstitutionelle Ebene................................................................................323
12.2.2.6.3
Ebene der Gesamtversorgung .........................................................................327
12.2.2.7
Spannungsfelder- Kritikpunkte .............................................................................337
12.2.2.8
Optimale Zusammenarbeit....................................................................................342
12.2.3
Resümee....................................................................................................................344
6
Inhaltsverzeichnis
13
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation .......................................................351
14
Zusammenfassung- Ausblick ..............................................................................................361
15
Literaturverzeichnis.............................................................................................................372
16
Anhang ..................................................................................................................................387
17
Verzeichnisse ........................................................................................................................412
17.1
Verzeichnis der Tabellen .................................................................................................412
17.2
Verzeichnis der Grafiken.................................................................................................415
7
Einleitung
1 Einleitung
Durch meine Tätigkeit als Sozial- und Heilpädagogin auf der kinder- und jugendpsychiatrischen
Abteilung der Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz seit Februar 2005 konnte ich bald
erkennen, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Kinder und Jugendlichen, die psychiatrisch
behandelt werden auch durch das System der Jugendwohlfahrt betreut werden. Mein
Forschungsinteresse richtete sich auf jene Gruppe Kinder und Jugendlicher, die einerseits in
stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt fremd untergebracht sind und zusätzliche
psychiatrische Hilfe benötigen, da ich beobachten konnte, dass sich in der Zusammenarbeit immer
wieder Schwierigkeiten ergeben und diese teilweise für alle Seiten nicht zufrieden stellend verläuft,
was vor allem die Kinder und Jugendlichen zu spüren bekommen.
Mein Bestreben war es daher von Anfang an, die Kinder und Jugendlichen in den Vordergrund zu
stellen, die in den Institutionen immer wieder an die Grenzen gehen und darum multiple
Hilfsangebote benötigen. Oftmals konnte ich beobachten, dass Kinder und Jugendliche, die in den
Institutionen Schwierigkeiten machen bzw. an die Grenzen gehen, in die Kinder- und
Jugendpsychiatrie (KJP) überwiesen werden. Dort wird das Kind oder der Jugendliche zwar
psychiatrisch abgeklärt und behandelt, dann aber wieder so schnell wie möglich in die „Herkunfts“Institution entlassen, um bei der nächsten Schwierigkeit wieder eingewiesen zu werden. So kommt
es dazu, dass Kinder und Jugendliche zwischen stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen und der
Kinder- und Jugendpsychiatrie hin und her geschoben werden. Besonders wichtig erschien es mir
daher, Gründe für diverse Probleme in der Kooperation zu erkunden, um eventuelle Vorschläge zur
Verbesserung machen zu können. Auch konnte ich beobachten, dass immer wieder Kinder und
Jugendliche länger in stationärer Behandlung sind als unbedingt notwendig, da keine geeignete
Jugendwohlfahrtseinrichtung für eine weitere Betreuung gefunden werden kann.
In der Literatur werden die diversen Kooperationsprobleme zwischen Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt und der Kinder- und Jugendpsychiatrie beschrieben, es existieren jedoch
diesbezüglich nur wenige empirische Studien. Die wenigen Studien wurden bereits in den 1990er
Jahren für einzelne Regionen Deutschlands durchgeführt. Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit ist es
daher, Daten für die Steiermark zu erheben, um empirisch abgestützte Aussagen darüber treffen zu
können, wie viele Kinder und Jugendliche von wechselseitigen Zuständigkeiten einerseits des
Gesundheitssystems und andererseits des Systems der Jugendwohlfahrt betroffen sind. Weiters
sollte die Gruppe dieser Kinder und Jugendlichen im Hinblick auf unterschiedliche Faktoren, wie
etwa Alter, Anzahl der Interventionen, Diagnosen, Aufnahmegründe etc. beschrieben werden um
8
Einleitung
Unterschiede zu jenen Kindern und Jugendlichen herauszuarbeiten, die keinen Kontakt zu
stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen hatten. Diesen Ausführungen soll ein wesentlicher Teil
dieser Arbeit gewidmet sein.
Um eine Parteilichkeit, die trotz aller Bemühungen um Objektivität eventuell durch meine Tätigkeit
in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gegeben ist zu minimieren, ist es meiner Meinung nach
notwendig, das Problem der Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
und der Kinder- und Jugendpsychiatrie auch von Seiten stationärer Einrichtungen zu beleuchten.
Aus diesem Grund wurden zusätzlich zur quantitativen Studie auch qualitative Interviews
durchgeführt, die die Erfahrungen und Ansichten der Experten, die in stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt tätig sind, in den Vordergrund stellen sollen.
Die Arbeit ist somit in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil der Arbeit wird die Fachliteratur
analysiert. Hier werden zunächst wesentliche Begriffe wie etwa der Begriff der Grenzfälle, der
Begriff der Kinder- und Jugendpsychiatrie selbst, sowie der Sozialpsychiatrie u.a. erklärt. Ein
Unterkapitel ist der Unterscheidung bzw. dem Verhältnis von psychischer Krankheit und
abweichendem Verhalten und der damit verbundenen Frage der Erziehungsbedürftigkeit oder
Krankheit gewidmet. Die Frage, ob ein Kind als erziehungsbedürftig oder krank definiert wird,
erscheint in dieser Arbeit als sehr zentral, da durch diese Begrifflichkeiten letztlich auch
Zuständigkeiten definiert werden.
In einem weiteren Kapitel soll auf historische Aspekte der Kinder- und Jugendpsychiatrie
eingegangen werden, um das Verhältnis von Pädagogik und Psychiatrie unter historischen
Gesichtspunkten zu beleuchten.
Obwohl die Verbindung von Pädagogik und Psychiatrie bereits Tradition hat, ist das Feld der
Sozial- und Heilpädagogik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein neues Feld. Daher wird das
Arbeitsfeld der Sozial- und Heilpädagogik an der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung der
Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz näher beschrieben. Dazu werden Rahmenbedingungen
für sozial- und heilpädagogisches Handeln wie etwa personelle, rechtliche und strukturelle
Rahmenbedingungen beschrieben erläutert. Außerdem wird das pädagogische Konzept der
Abteilung in Grundzügen dargestellt.
Ein weiterer Bereich beschäftigt sich mit sozialpsychiatrischer Versorgung in der Steiermark sowie
mit dem Angebot der Jugendwohlfahrt in der Steiermark.
Ein zentrales Kapitel arbeitet die Literatur in Bezug auf die Frage der Zusammenarbeit zwischen
Jugendwohlfahrt und Kinder- und Jugendpsychiatrie auf und versucht vor allem auch die Aufgaben
der beiden Systeme zu definieren.
9
Einleitung
Im zweiten Teil der Arbeit werden die Ergebnisse der Dokumentenanalyse mit Hilfe von Grafiken
und Tabellen dargestellt, bevor im dritten Teil der Arbeit dann die Analyse der Interviews erfolgt.
Am Ende dieser Arbeit befasst sich ein Kapitel mit Lösungsvorschlägen und Möglichkeiten der
Verbesserung der Kooperation. Hier sollen konkrete Vorschläge in den Mittelpunkt rücken, die,
wenn sie umgesetzt werden könnten, nicht wenigen Kindern und Jugendlichen eventuell eine
bessere Zukunft ermöglichen und einen Streit um Zuständigkeiten, der letztlich auf dem Rücken der
Kinder und Jugendlichen ausgetragen wird, vermeiden könnte.
Abschließend wird eine kurze Zusammenfassung mit einem Ausblick für die zukünftige Forschung
gegeben.
Das sozialpädagogische Interesse dieser Arbeit liegt darin, einen umfassenden Einblick in die
Thematik der Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und der
Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Steiermark zu gewähren, um so auf jene Kinder und
Jugendlichen hinzuweisen, die oftmals Anlass von Zuständigkeitsproblemen und –verschiebungen
sind, und die die Leidtragenden eines Mangels in der Gesamtversorgung der Jugendwohlfahrt wie
aber auch der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind. Das System der Jugendwohlfahrt, das ohne jeden
Zweifel in den Bereich der Sozialpädagogik fällt, sowie das Gesundheitssystem, dem sich die
Sozialpädagogik auch nicht verschließen sollte, müssen auf vielen Ebenen zusammen arbeiten, um
auch schwer betreubaren Kindern und Jugendlichen eine Zukunft bieten zu können. Gerade die
Sozialpädagogik sollte sich nicht mit der Tatsache abfinden, dass es nun einmal Jugendliche gibt,
denen nicht geholfen werden kann. Hier müssen Angebote geschaffen werden, die sich gerade an
diesen Kindern und Jugendlichen orientieren, ohne von ihnen zu verlangen, sich an die bestehenden
Angebote anpassen zu müssen. Wenn wir jetzt in diese Kinder und Jugendlichen investieren und
Angebote schaffen, statt diese immer mehr zu reduzieren, wird sich dies letztlich auch ökonomisch
rentieren und weitere Kosten einsparen.
10
Begriffsklärung
2 Begriffsklärung
Zunächst sollen einige zentrale Begriffe erklärt werden, damit ein einheitliches Verständnis für den
weiteren Verlauf der Arbeit gesichert ist. Dazu soll vor allem der Begriff der Grenzfälle, der schon
im Titel der Arbeit erwähnt wird, definiert werden. Weiters soll auf die Begriffe Kinder- und
Jugendpsychiatrie und Sozialpsychiatrie eingegangen werden, bevor die Begriffe psychische
Krankheit und abweichendes Verhalten bzw. Erziehungsbedürftigkeit und Krankheit zueinander in
Beziehung gesetzt werden.
2.1 Grenzfälle
Der Begriff der Grenzfälle soll hier der Einfachheit halber eingeführt werden und zu diesem Zweck
erklärt werden. Kinder und Jugendliche, die als Grenzfälle bezeichnet werden können, sollen in
dieser Arbeit in den Vordergrund rücken und daher an dieser Stelle genau definiert werden.
Es geht nach Kalter (2004: 449) um jene Kinder und Jugendlichen, die sowohl das System der
Jugendwohlfahrt (JW) als auch das der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) in Anspruch nehmen
und somit „einerseits zu Abgrenzungsproblemen, zu Schwierigkeiten in der Zuständigkeitsklärung
führen, sie aber andererseits zu fruchtbaren Ergänzungen und Kooperationen zwingen können.“
Der Terminus der Grenzfälle wird von Pankhofer (1997: 67f.) wie folgt definiert: „Grenzfälle sind
solche Jugendlichen, die in Heimen der Jugendhilfe leben, als besonders schwierig gelten und bei
denen neben pädagogischen Problemen psychische oder psychiatrische Ursachen für die
‚Schwierigkeit’ anzunehmen sind.“
Birgit Kalter (2004: 450ff.) versucht in einigen Punkten diese Kinder und Jugendlichen zu
charakterisieren:
-Es geht um junge Menschen, deren Verhalten fortgesetzt Hilflosigkeit und Ohnmacht auslöst.
-Es geht um junge Menschen, deren Verhalten fortgesetzt dazu führt, dass sie ausgegrenzt werden.
- Die Biographien der jungen Menschen weisen i. d. R. nicht nur problematische
Beziehungserfahrungen, sondern auch sozioökonomische Belastungen und/oder krisenhaft
zugespitzte Lebensverhältnisse auf, die sich gegenseitig häufig bedingen und verstärken.
- Das auf Ablehnung stoßende Verhalten wird den jungen Menschen immer mehr zum Selbstverständnis und setzt ihren Gesamtwerdegang zusätzlichen Bedrohungen aus.
- es geht um die jungen Menschen, die angewiesen sind auf alternative Erfahrungen, auf
grundlegende Orientierungen und basale Sicherheiten.
11
Begriffsklärung
- Es geht um jene jungen Menschen, deren Verhalten sowohl die Jugendhilfe als auch die
Jugendpsychiatrie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten führt und das die Zusammenarbeit
unterschiedlicher Hilfesysteme fordert.
Erst durch die Erklärung von Zuständigkeit und Nichtzuständigkeit können „Grenzfälle“ entstehen.
Dabei ist die Abgrenzung zueinander ein wichtiges Thema. Die Abgrenzung der einzelnen Systeme
zueinander kann aber schnell zu einer Ausgrenzung der Kinder und Jugendlichen werden, denen
bekundet wird, dass sie nicht in das eine oder das andere System passen (vgl. Schone 1995: 105).
Der DPWV- Landesverband Nordrhein- Westfalen (1988:41 zit. nach Schone, 1995: 105) schreibt
zum Thema „Grenzfälle“ zwischen Psychiatrie und Jugendwohlfahrt:
Wenn Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie kommen, so
wird häufig davon gesprochen, dass es sich dabei um ‚Grenzfälle’ zwischen Jugendhilfe und
Psychiatrie handelt. Die Rede über ‚Grenzfälle’ sagt jedoch weniger etwas über die Kinder und
Jugendlichen aus als darüber, dass bestimmte Heime bzw. die Mitarbeiter dieser Heime subjektiv
das Empfinden haben, in der Arbeit mit dem entsprechenden Kind an eine Grenze ihrer
Möglichkeiten gekommen zu sein. So wenig es möglich ist, bei Kindern und Jugendlichen genau
zwischen psychischer Krankheit und psychischer Gesundheit zu unterscheiden oder eine
Grenzlinie zwischen vermeintlich noch normaler und bereits pathologischer psychischer
Entwicklung zu ziehen so wenig lässt sich eine ‚Indikation’ für Kinder- und Jugendpsychiatrie
definieren. Die Grenzen sind fließend und die Einschaltung psychiatrischer Einrichtungen markiert
das Scheitern bisheriger Erziehungsbemühungen und eine gewisse Hilflosigkeit in Bezug auf das
weitere pädagogische Handeln. Insofern sind ‚Grenzfälle’ gemacht, sind als Zustandsbeschreibung
pädagogisch erfolgloser Interaktion anzusehen.
Es geht also um jene Kinder und Jugendlichen, die ständig an oder über die Grenzen gehen und
Institutionen an ihre Grenzen treiben. Diese Tatsache macht die Kooperation zwischen den
unterschiedlichen Institutionen notwendig, damit auch diese besonders schwierigen Kinder und
Jugendlichen betreut und gefördert werden können.
Ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang noch wichtig erscheint, ist, dass Grenzfälle erst dann
entstehen, wenn sie als solche definiert werden. Zudem spielt auch das Hilfesystem in dieser
Beziehung eine nicht unwesentliche Rolle. Sabine Ader und Christian Schrapper (2004c: 57)
meinen, dass zwei Faktoren ausschlaggebend sind, dass Kinder und Jugendliche zu sogenannten
„schwierigen Fällen“ werden:
•
„Materielle, psychische und/oder soziale Not und Isolierung, die […] dazu führt, dass ein
Familiensystem völlig „aus den Fugen gerät“,
•
Und ein Hilfesystem, das so in die Falldynamik verstrickt und mit eigenen (Kooperationsund Zuständigkeits-) Problemen beschäftigt ist, dass es den am jungen Menschen
orientierten Blick auf eine eskalierende familiäre Situation verliert (ebd.).“
Daher sollte der Kooperation zwischen jenen Systemen, die mit diesen Fällen zu tun haben ein
wichtiger Stellenwert eingeräumt werden.
12
Begriffsklärung
2.2 Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP)
Der Begriff der Kinder- und Jugendpsychiatrie kann im Hinblick auf mehrere Ebenen beschrieben
werden.
Einerseits ist die KJP ein eigenständiges Fachgebiet der Medizin, das laut deutscher
Bundesärztekammer wie folgt beschrieben wird:
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie umfasst die Erkennung, nichtoperative Behandlung, Prävention
und Rehabilitation bei psychischen, psychosomatischen, entwicklungsbedingten und
neurologischen Erkrankungen und Störungen sowie der psychischen und sozialen
Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen sowie Heranwachsenden und jungen
Volljährigen mit Entwicklungsverzögerung, denen eine psychische Erkrankung oder eine
Fehlentwicklung der Person zugrunde liegt, einschließlich der Psychotherapie als EinzelGruppen- und Familientherapie (Knölker et al, 2007: 18).
Diese Fachdisziplin der Medizin baut im Gegensatz zur Erwachsenenpsychiatrie auf einer größeren
Vielfalt von unterschiedlichen, historisch gewachsenen Quellen auf, von denen die moderne
Fachdisziplin der KJP beeinflusst wird. Tatzer, Fliedl und Krisch (2000: 195) formulieren diese
Einflüsse in Anlehnung an Remschmidt 1988 und Spiel& Spiel 1987:
-
pädagogische, insbesondere heilpädagogische Ansätze,
-
organmedizinisches Fachwissen, das einerseits aus der Erwachsenenpsychiatrie und
Neurologie sowie aus der Pädiatrie entstanden ist,
-
psychoanalytische bzw. psychodynamische und tiefenpsychologische Elemente,
-
Anregungen
aus
vielen
unterschiedlichen
Gebieten
der
Sozialforschung
und
Gruppendynamik sowie systemtheoretische Vorstellungen,
-
und
empirische,
epidemiologische
sowie
statistisch
objektivierbare
Untersuchungsergebnisse und Erkenntnisse.
Demzufolge versteht sich die KJP heute als „ein Amalgam aus Psychiatrie, Neurologie, Pädiatrie,
Entwicklungspsychologie, Tiefenpsychologie und Heilpädagogik“ (Spiel & Spiel 1987: 1 zit. nach
Tatzer/ Fliedl, 2000: 194).
Andererseits ist die KJP auch ein konkreter, sozialer Ort. In Österreich meist eine Abteilung an
einer psychiatrischen, oder allgemeinen Klinik.
Weiters kann Psychiatrie, hier im speziellen die KJP auch als soziale Institution begriffen werden,
die sich neben einer Zweckorientierung auch durch Norm- und Wertorientierung auszeichnet.
„Psychiatrie ist demnach ein gesellschaftliches Ordnungsmuster, das als Antwort auf soziale Fragen
entstanden und folglich ein Resultat des Zusammenspiels von gesellschaftlichem Bedarf und
Ressourcen ist“ (Dörr, 2005:13).
13
Begriffsklärung
Erving Goffman (1972: 11) geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet die Psychiatrie bzw.
Irrenhäuser als totale Institution, die sich als „Wohn- und Arbeitsstätte einer Vielzahl ähnlich
gestellter Individuen definieren“ lässt, „die für längere Zeit von der übrigen Gesellschaft
abgeschnitten sind und miteinander ein abgeschlossenes, formal reglementiertes Leben führen.“
Merkmale totaler Institutionen wären nach Goffman (ebd.: 17):
1.
„Alle Angelegenheiten des Lebens finden an ein und derselben Stelle, unter ein und derselben
Autorität statt.
2.
Die Mitglieder der Institution führen alle Phasen ihrer täglichen Arbeit in unmittelbarer Gesellschaft
einer großen Gruppe von Schicksalsgenossen aus […].
3.
Alle Phasen des Arbeitstages sind exakt geplant, […], und die ganze Folge der Tätigkeiten wird von
oben durch ein System expliziter formaler Regeln und durch einen Stab von Funktionären
vorgeschrieben.
4.
Die verschiedenen erzwungenen Tätigkeiten werden in einem einzigen rationalen Plan vereinigt, der
angeblich dazu dient, die offiziellen Ziele der Institution zu erreichen.“
Goffman bzeichnet jedoch nicht nur psychiatrische Anstalten als totale Institutionen, auch
Waisenhäuser, Armenasyle, Gefängnisse, Kasernen, Klöster etc. fallen darunter.
Durch Goffmans Modell „ließen sich Prozesse in Anstalten als systematische Folgen von
Organisationsentscheidungen verstehen, die zuvor als Ausdruck der Pathologie von Insassen
beschrieben worden waren“ (Freigang, 2004: 140).
An dieser Stelle ist zu betonen, dass dies zum Teil sicher auch noch heute zutrifft, dennoch vor
allem in der KJP der Lebensweltorientierung und dem Bezug nach Außen mittlerweile eine sehr
große Rolle zukommt.
Institutionen sind für die Gesellschaft und die Fortentwicklung des Menschen ein sehr wichtiger
Faktor. Sie können Entlastung bringen, indem Institutionalisierung eng verbunden ist mit der
Herausbildung von Gewohnheiten und Typisierungen, die das „Alltägliche ordnen, Routinen
ermöglichen und damit bestimmte (implizite) Wissenszusammenhänge zur Verfügung stellen und
andere wiederum ausblenden“ (Dörr, 2005: 13).
Die Psychiatrie als Institution kann somit als „gesellschaftliche Organisierung psychischen Leids“
beschrieben werden, die von der Gesellschaft hervorgebracht und auch von dieser in ihrer Form
erhalten bleibt.
14
Begriffsklärung
2.3 Sozialpsychiatrie
Unter Sozialpsychiatrie wird entweder eine Perspektive und Arbeitshaltung in der psychiatrischen
Versorgung oder aber auch eine Spezialdisziplin innerhalb der Psychiatrie verstanden (vgl. v.
Kardoff, 2001: 1438).
Wenn wir von Sozialpsychiatrie im Hinblick auf psychiatrische Versorgung sprechen, kann
festgestellt werden, dass diese Richtung im Grunde versucht, Menschen mit psychischen
Erkrankungen vermehrt in die Gesellschaft zurück zu holen und mit ihnen gemeinsam zu leben
(vgl. Dörr, 2005: 14). Oftmals wird Sozialpsychiatrie in dieser Hinsicht auch mit
Gemeindepsychiatrie im Sinne von Psychiatrie in der Gemeinde synonym verwendet.
Dafür können nach Ernst von Kardoff (2001: 1438) einige Prinzipien formuliert werden:
1.) Es geht darum, Strategien zu entwickeln, um Menschen mit psychischen Erkrankungen
gleiche Zugangsmöglichkeiten zu eröffnen, die die Würde und Rechtssicherheit dieser
Menschen wahren, Selbstbestimmung und gesellschaftliche Partizipation fördern, die
berufliche Wiedereingliederung unterstützen und die zu einer möglichst selbständigen
Lebensführung befähigen.
2.) Ambulante Versorgungsformen sollen gegenüber teilstationärer und stationärer Versorgung
vorrangig sein, um Hospitalisierungseffekte zu vermeiden und Alltagsnähe zu sichern.
3.) Eine gemeindenahe Infrastruktur mit möglichst wohnortnahen Angeboten soll geschaffen
werden, um eine Behandlungskontinuität und Synergieeffekte zu gewährleisten.
4.) Regionale Versorgungsverpflichtung, um eine nachfrageorientierte und koordinierte
Planung im Versorgungsgebiet zu fördern.
5.) Anregung und Begleitung von Selbsthilfe- und Angehörigengruppen im Sinne des
Empowerment.
6.) Medizinische, psychosoziale und berufliche Rehabilitation durch multiprofessionelle
Teamarbeit und interdisziplinäre Kooperation.
Besonders der Punkt der Rehabilitation durch interdisziplinäre Kooperation scheint für die KJP und
die Jugendwohlfahrt von besonderer Bedeutung zu sein. Hier geht es vor allem darum, dass diese
beiden Systeme so zusammenarbeiten, dass eine gute Eingliederung dieser Jugendlichen in die oben
dargestellten Bereiche gewährleistet werden kann.
Wenn wir von Sozialpsychiatrie im Sinne einer Spezialdisziplin der Psychiatrie ausgehen, kann der
Begriff als theoretische und empirische Wissenschaft beschrieben werden, „die sich mit Krankheit
bzw. psychischen Leiden als sozialem Prozess befasst und folglich soziale Ursachen, Folgen und
Behandlungsmöglichkeiten untersucht“ (Dörr, 2005: 14). Gunter Klosinski (2001: 1446) beschreibt
15
Begriffsklärung
Sozialpsychiatrie als eine Disziplin, „die die sozialen Interaktionen, die zwischenmenschlichen
Beziehungen des psychisch Kranken mit seinem Umfeld untersucht und ihre Bedeutung für
Krankheitsentstehung, Therapie und Rehabilitation zu bessern versucht.“
Battegay et. al. (1977: 11) beschreiben Sozialpsychiatrie als eine Richtung, deren Standort zwischen
den Sozialwissenschaften, der Sozialpsychologie und der Psychiatrie zu suchen ist und sich „mit der
Erforschung der Zusammenhänge zwischen psychischer Krankheit und sozioökonomischen wie
auch soziokulturellen Bedingungen im weitesten Sinne“ (ebd) befasst.
Somit versteht sich die Sozialpsychiatrie als eine Richtung die vermehrt versucht, soziale Aspekte
mit einzubeziehen und ihren Bezug zu psychischer Krankheit herzustellen. Vor allem in der KJP ist
dieser Ansatz sehr gängig und es wird stets versucht, die Kinder und Jugendlichen in ihrem sozialen
Umfeld zu sehen und dieses in die Behandlung mit einzubeziehen.
2.4 Salutogenese
Die Perspektive der Salutogenese von Aaron Antonovsky entwickelte sich aus der Frage, wie es
Menschen schaffen, trotz widriger Bedingungen und extremer Belastungen gesund zu bleiben. Die
Aufmerksamkeit wird hier auf gesundheitserhaltende Faktoren gerichtet, die Menschen dazu
verhelfen, so erfolgreich wie möglich mit den Bedrohungen und Krisen des Lebens umzugehen.
Ziel ist es nicht mehr, den Faktoren entgegenzuwirken, die Krankheiten verursachen, sondern
Bedingungen zur Herstellung und Sicherung von Gesundheit zu schaffen (vgl. Wilser, 2004: 247).
Um von gesunden Anteilen im Menschen sprechen zu können, soll an dieser Stelle der Begriff der
Gesundheit kurz definiert werden.
Gesundheit ist nicht alleine als Abwesenheit von Krankheit zu verstehen. Gesundheit ist ein
dynamischer Prozess, bei dem geistige, seelische, körperliche und soziale Faktoren den Zustand
eines Menschen bestimmen. Gesundheit ist kein ausschließlich medizinischer sondern vorwiegend
ein sozialer Prozess, der von vielen Faktoren beeinflusst wird. Gesundheit im Sinne des
allgemeinen Wohlbefindens ist dann gegeben, wenn der Einzelne sich möglichst gut mit seiner
physischen und sozialen Umwelt auseinandersetzt. Je mehr Ressourcen zur alltäglichen Lebensund Konfliktbewältigung zur Verfügung stehen und auch genutzt werden können, desto
unwahrscheinlicher wird Krankheit als Bewältigungsstrategie. Dieser Zustand ist aber nicht einfach
gegeben sondern muss in ständigen Lern- und Aushandlungsprozessen immer wieder hergestellt
und optimiert werden (vgl. Wilser, 2004: 248).
16
Begriffsklärung
Nach dem Konzept der Salutogenese von Aaron Antonovsky kann jeder Mensch auf einem
Kontinuum zwischen Gesundheit und Krankheit eingeordnet werden (vgl. Dörr, 2005: 25). Wo auf
diesem Kontinuum sich ein Mensch befindet, hängt immer von unterschiedlichen Stressoren und
deren Verarbeitung ab. Wie diese Stressoren verarbeitet werden hängt wiederum von den
Ressourcen ab, die individuell, subkulturell und gesellschaftlich verankert sind (vgl. Filsinger/
Homfeldt, 2001: 708).
Eine zentrale Kategorie im salutogenetischen Modell von Antonovsky ist das Kohärenzgefühl
(Sense of Coherence = SOC). Unter Kohärenzgefühl versteht Antonovsky das Ausmaß
in dem jemand ein durchgehendes, überdauerndes und dynamisches Gefühl der Zuversicht hat,
dass Ereignisse vorhersehbar und erklärbar sind, dass Ressourcen zur Anforderungsbewältigung
verfügbar sind und dass diese Anforderungen sinnvoll sind, es sich also lohnt, sich dafür
einzusetzen (Wilser, 2004: 249).
Ein Mensch hat also immer gesunde auch kranke Anteile in sich. Für die Sozial- und Heilpädagogik
im Kontext der KJP ist diese Sichtweise von besonderer Bedeutung, da in diesem Modell das
Augenmerk auf die Ressourcen und Stärken der Betroffenen gelegt wird und somit auch die
Möglichkeit diese zu fördern in den Vordergrund rückt. Es scheint besonders wichtig, dass
SozialpädagogInnen ihre Aufmerksamkeit besonders auf die gesunden Anteile im Menschen legen,
um einen Gegenpol und eine fruchtbare Ergänzung zur Defizitorientierung der Medizin
darzustellen.
2.5 Psychische Krankheit - Abweichendes Verhalten- erziehungsbedürftig oder
krank?
Vor allem wenn wir über abweichendes Verhalten bzw. psychische Krankheit in Bezug auf die
Kooperation zwischen Jugendwohlfahrt und der KJP sprechen, müssen wir uns ins Bewusstsein
rufen, dass wir es in beiden Systemen mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, die sich noch
entwickeln. Sehr häufig begegnen wir Kindern und Jugendlichen, die sich gerade in, vor oder nach
der Pubertät befinden, die per se häufig Schwierigkeiten mitbringt. Jugendliche in diesem
Entwicklungsabschnitt sind mit vielzähligen Entwicklungsaufgaben konfrontiert, die sie bewältigen
müssen. Dabei gilt es für uns PädagogInnen, wie in weiterer Folge auch für ÄrztInnen,
PsychologInnen oder TherapeutInnen immer abzuwägen, ob es sich bei einem bestimmten
Verhalten um eine Normvariante oder um abweichendes bzw. pathologisches Verhalten handelt.
Der Entwicklungsaspekt ist hier immer auch beinhaltet und fließt in die Definition von psychischer
Krankheit im Kindes- und Jugendalter ein. So schreibt Gunter Klosinski (2001:1447): „Hinzu
kommt, dass im Bereich der KJP der Entwicklungsaspekt in den Krankheitsbegriff mit eingeht: Ein
17
Begriffsklärung
zweijähriges Daumen lutschendes Kind wird niemand als psychisch krank ansehen, während ein
pubertierender Daumenlutscher als ‚nicht mehr normal’ eingeschätzt wird.“
Es gilt also ständig zu entscheiden, welches Verhalten sich noch im Bereich der Normalität bewegt,
und welches als abweichend bezeichnet werden muss, um schließlich die geeigneten Maßnahmen
treffen zu können. Wichtig zu bedenken ist allerdings, dass in diese Entscheidungen auch die
Einstellungen und Hintergründe der Professionellen mit einfließen.
Zuerst soll eine Definition abweichenden Verhaltens vorgenommen werden. Allgemein kann gesagt
werden, dass abweichendes Verhalten sich immer auf ein Verhalten bezieht, das nicht mit sozialen
Normen und Regeln übereinstimmt. Dabei kann zwischen abweichendem Verhalten, das
gesellschaftlich toleriert und jenem, das skandalisiert wird, unterschieden werden. Wichtig ist an
dieser Stelle anzumerken, dass die Skandalisierung des abweichenden Verhaltens genauso alt ist,
wie es Kulturen gibt. So ist schon in einem sumerischen Keilschrifttext ca. 2000 vor Christus zu
lesen: „Die Kinder gehorchen nicht mehr ihren Eltern- das Ende der Welt ist nahe“ (vgl. Scheipl,
2006).
August Aichhorn (1925,1951: 9) bezeichnet besonders schwierige Jugendliche als „verwahrloste
Jugendlichen“, unter denen er nicht nur „alle Typen von kriminellen und dissozialen Jugendlichen,
sondern auch schwer erziehbare und neurotische Kinder und Jugendliche verschiedener Art“
versteht. „Eine genaue Sondierung dieser Gruppen voneinander ist schwierig, die Übergänge
zwischen ihnen sind fließend“ (ebd.).
August Aichhorn (1925,1951: 10) beschreibt die Verwahrlosung in der psychoanalytischen
Tradition indem er meint, dass jedes Kind sein Leben als asoziales Wesen beginnen würde.
…es besteht auf der Erfüllung der direkten, primitiven Wünsche aus seinem Triebleben, ohne
dabei die Wünsche und Forderungen seiner Umwelt zu berücksichtigen. Dieses Verhalten, das für
das Kleinkind normal ist, gilt als asozial oder dissozial, wenn es sich über die frühen Kinderjahre
hinaus fortsetzt. Es ist die Aufgabe der Erziehung, das Kind aus dem Zustand der Asozialität in
den der sozialen Anpassung überzuführen, eine Aufgabe, die nur erfüllt werden kann, wenn die
Gefühlsentwicklung des Kindes normal verläuft.
Klaus Hartmann (1979: 101ff.) beschreibt die Verwahrlosung als eine Unterkategorie der
Dissozialität, die „mit oder ohne Kriminalität sowie mit oder ohne psychische Abnormität
einhergehen“
kann.
Nach
einer
Definition
der
Weltgesundheitsorganisation,
die
den
Krankheitsbegriff nicht auf körperliche Störungen beschränkt, kann Verwahrlosung unter
Umständen sogar als Krankheit gelten. Durch eine Untersuchung von S. und E. Glueck, in der 500
verwahrloste mit 500 nicht verwahrlosten Burschen verglichen wurden, konnten Merkmale
herausgearbeitet werden, die überzufällig häufiger bei verwahrlosten Minderjährigen auftraten.
18
Begriffsklärung
Nach dieser Vergleichsuntersuchung zeigt das Verhalten Verwahrloster u.a. Verhaltensstörungen
im Sinne von „Labilität“ (Bindungsschwäche, Belastungsschwäche, Depression), „Impulsivität“
(Schulschwänzen, Weglaufen, Bummeln), „Aggressivität“ (Aggressionen gegen Personen,
Aggressionen gegen Objekte) und „Kriminalität“ (häufig als Eigentumskriminalität,
Wiederholungskriminalität, Frühkriminalität). Außerdem fanden sich Schulschwierigkeiten
(Leistungs- und Verhaltensstörungen) sowie dissoziale Kontakte (Anschluss an dissoziale
Kameraden und dissoziale Gruppen […] (Hartmann, 1979: 104f.).
Hier wird abweichendes Verhalten vor allem im Hinblick auf eine der Hauptursachen, der
Verwahrlosung beschrieben.
Allgemein kann festgestellt werden, dass abweichendes Verhalten als nicht der sozialen Norm
entsprechend definiert werden kann. Diesbezüglich würde auch psychische Krankheit bzw. die
Verhaltensweisen, die damit einhergehen, unter abweichendem Verhalten subsumiert werden.
Als abweichendes Verhalten könnte also alles bezeichnet werden, das nicht mit gesellschaftlichen
Normen übereinstimmt, wie z.B.: Kriminalität, Suizid, Drogenabhängigkeit und -mißbrauch,
Alkoholismus, Krankheit, psychische Störungen, Behinderung, Randgruppenzugehörigkeit und je
nach Kultur und Religion auch Ehebruch oder Abtreibung. Trojan (1978: 176) zitiert J.L. Simmons
der zeigt, dass „eine weite Auslegung des Abweichungsbegriffes bis zum gewissen Grade
berechtigt ist, da tatsächlich fast alle Leute irgendein Verhaltensmerkmal haben, das von
irgendeiner anderen Person für abweichend gehalten wird.“ Generell löst der Begriff des
abweichenden Verhaltens ältere, stigmatisierende Begriffe wie etwa Verwahrlosung oder
Gefährdung ab.
Demzufolge könnte man eine Liste mit all jenen Verhaltensweisen erstellen, die in einer
bestimmten Gesellschaft, einem bestimmten Kulturkreis, als abweichend oder als nicht normal
gelten. Die Frage, die sich jedoch an dieser Stelle stellt, ist, was normal ist und durch wen oder was
dies definiert wird.
Diesbezüglich soll der Labeling Approach erwähnt werden. Er beinhaltet, dass es abweichendes
Verhalten bzw. psychische Krankheit an sich nicht gibt, sondern dieses erst durch eine Definition
entsteht. „Es ist also die informelle oder formelle soziale Kontrolle, die die Abweichung feststellt“
(Lamnek, 1994: 60).
„In dieser Hinsicht ist psychische Devianz ein soziales Phänomen, das in einem gesellschaftlichen
Definitionsprozess durch das Handeln von Institutionen (von Kontroll- Instanzen, wie der Labeling
Approach sie nennt) zur psychischen Krankheit wird“ (Cobus- Schwentner, 1990: 79).
In diesem Modell steht nicht nur derjenige im Mittelpunkt der Betrachtung, der abweichendes
Verhalten zeigt, sondern auch diejenigen, die auf die Abweichung reagieren, indem sie „etikettieren
(diagnostizieren) und Maßnahmen gegen die Krankheit ergreifen“ (Trojan, 1978: X).
19
Begriffsklärung
Eine psychiatrische Diagnose bezeichnet Trojan (1978: XII) als „formelle Etikettierung“. Die
Einweisung in eine psychiatrische Klinik bezeichnet er als schwerwiegendste Etikettierung.
Trojan ist der Meinung, dass diese formelle Etikettierung gängige Praxis in der Psychiatrie ist und
von den Praktikern auch als hilfreich für den Patienten verstanden werden. Von der soziologischen
Perspektive wird dies jedoch auch als Akt sozialer Kontrolle gesehen, die dazu dienen soll, das
soziale Problem psychischer Störungen in der Gesellschaft zu bewältigen. Von diesem Blickwinkel
aus werden auch die negativen Konsequenzen angesprochen, die eine solche Etikettierung für den
Einzelnen und den Verlauf der Krankheit haben kann. „Zu den möglichen negativen Folgen gehört
einmal die Veränderung des Selbstbildes, die durch die Etikettierung einer Person als psychisch
krank hervorgerufen wird. Der Etikettierte gewöhnt sich an die neue Definition seiner Person als
‚Kranker’, er übernimmt eine ihm von anderen zugeschriebenen ‚abweichende Rolle’, er entwickelt
eine ‚abweichende Identität’, […]“(ebd.: XII). Dies würde auch dazu führen, dass sich der
Betroffene auf die Hilfe anderer verlässt und eine passiv- resignative Haltung gegenüber seiner
Lebenssituation einnimmt. Gleichzeitig zur Veränderung für den Betroffenen selbst, ergeben sich
auch Änderungen im Umfeld des Betroffenen. Bezugspersonen treten demjenigen möglicherweise
anders gegenüber und nehmen ihn eventuell auch anders wahr. Dies bewirkt wiederum ein
verändertes Verhalten ihm gegenüber.
Dieser
Ansatz
ist
besonders
auch
für
die
Kooperation
zwischen
stationären
Fremdunterbringungseinrichtungen und der KJP von Bedeutung. Es mag sein, dass ein Kind oder
Jugendlicher aufgrund seiner momentanen Problemsituation von diesen beiden Systemen betreut
werden muss. Hier muss man sich jedoch immer ins Bewusstsein rufen, was eine Einweisung in
eine psychiatrische Klinik für ein Kind oder einen Jugendlichen bedeutet. Besonders wichtig ist an
dieser Stelle der professionelle Umgang mit psychiatrischen Diagnosen von Seiten der
Jugendwohlfahrtseinrichtungen.
Der
Umgang
mit
psychiatrischen
Diagnosen
in
den
Jugendwohlfahrtseinrichtungen soll daher mit Hilfe der Interviews im empirischen Teil noch einmal
zum Thema gemacht werden.
In diesem Zusammenhang beschreibt Nils Christie sehr ausdrucksvoll: „Das Verbrechen existiert
nicht. Nur Handlungen existieren, Handlungen, denen häufig in unterschiedlichen sozialen
Systemen unterschiedliche Bedeutungen beigemessen werden“ (Christie, 2005: 14).
Diese unterschiedliche Bedeutungszuschreibung könnte auch zu Schwierigkeiten in der
Kooperation zwischen dem System der Jugendwohlfahrt und der KJP führen. Nämlich immer dann,
wenn in einem System bestimmte Handlungen als normal definiert werden, während diesen
Handlungen im anderen System eine unterschiedliche Bedeutung zugeschrieben wird.
20
Begriffsklärung
Eine weitere Definition abweichenden Verhaltens gibt Hilde van den Boogart (In: Kreft/Mielenz:
2005: 31):
Abweichendes Verhalten und Normalität bleiben unzweifelhaft zwei zentrale Begriffe der Praxis
und der Theorie der Sozialarbeit/ Sozialpädagogik. Sowohl die Konturierung der Zusammenhänge
und Prozesse, in die man präventiv oder intervenierend sich einzumischen gedenkt
(Einmischungsstrategie), als auch die Bestimmung einer entsprechenden Zielperspektive
orientieren sich an Norm und Abweichung. Dies gilt auch dann, wenn sich im Kontext
sozialarbeiterischer und sozialpädagogischer Diskussion und Praxis die Vorstellung dessen, was
als normal zu gelten habe, verschoben hat. Es bleiben Vorstellungen vom „richtigen“ Leben, vom
„sinnvollen“ Dasein, die nach wie vor Normen bilden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die
Ausweisung bestimmter Gruppen als gefährdet oder gefährlich die Grundlage für finanzielle
Zuwendung bleibt.
Auch Bettmer (2001: 6) beschreibt die die Problematik der Abgrenzung von Normalität und
Abweichung als eine zentrale Fragestellung der Sozialen Arbeit:
Die Soziale Arbeit ist zutiefst in diese Problematik verstrickt. Sie orientiert sich auf die
Selbstkonstitution des Subjekts, ist aber gleichzeitig an das Ziel einer gesellschaftlichen
Integration ihrer Adressaten gebunden. Dieses Ziel wird unbestimmt, soweit die moralische
Unterscheidung von A/N ihre gesellschaftsintegrative Begründung verliert und infolgedessen auch
von der Sozialen Arbeit als Kriterium abgelehnt wird. Wenn die Soziale Arbeit ihre Hauptfunktion
nun in der Unterstützung der individuellen Prozesse subjektiver Selbstkonstitution sieht […] so
bleibt doch die Frage offen, von wo aus die Ergebnisse dieses Prozesses unter dem Aspekt der
Integration beurteilt werden können.
Auch die Anomietheorie von Merton, die im Rahmen der Sozialen Arbeit eine nicht unwesentliche
Rolle spielt, soll an hier kurz erwähnt werden. Der Begriff der Anomie, der von Durkheim am Ende
des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde bezeichnet eine gesellschaftliche Situation, die durch Regelund Normlosigkeit geprägt ist und als Folge wachsender Arbeitsteilung und Differenzierung
gesehen werden kann. Eine weitere wichtige Facette dieses Begriffs, auf die sich Merton vor allem
bezieht besteht in der Diskrepanz zwischen kulturell vorgegebenen Zielen und den Mitteln, die zur
Erreichung dieser Ziele zur Verfügung stehen und als legitim, bzw. institutionalisiert gelten. In der
Anomietheorie wird abweichendes Verhalten als „Anpassungsprozess an widersprüchliche
gesellschaftliche Anforderungen“ gesehen (Lamnek, 2007: 293). „Nach Coward und Ohlin sind
aber zusätzlich zur Dissoziation von kulturellen Zielen und institutionalisierten Mitteln die
(soziostrukturell)
unterschiedlich
verteilten
Zugangschancen
zu
illegitimen
Mitteln
zu
berücksichtigen, denn diese sind, ebenso wie die legitimen Mittel (z.B. Bildung, Einkommen)
ungleich verteilt […]“(Lamnek, 2007: 98). Durch dieses Verständnis von abweichendem Verhalten
lassen sich individuelle, persönliche Eigenschaften in die Entstehung desselben mit einbeziehen.
Ein weiterer Faktor ist, dass sich dadurch nicht nur die Entstehung von delinquentem Verhalten
sondern auch von psychischen Krankheiten wie z.B. Depressionen erklären lassen.
21
Begriffsklärung
An dieser Stelle soll noch einmal kurz auf den Begriff der Gesundheit nach der WHO eingegangen
werden. Die WHO definiert Gesundheit als einen „Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen
und sozialen Wohlbefindens und nicht allein als Fehlen von Krankheit und Gebrechen“ (zit. nach
Klosinski, 2001: 1447). „Psychiatrische Krankheiten sind Störungen im Erleben und in den
Verhaltensweisen eines Menschen“ (Klosinski, 2001: 1447). Diese sind mit einer Beeinträchtigung
in den Bereichen Liebes-, Arbeits-, und Genussfähigkeit, die von Freud definiert wurden,
verbunden. Eine Besonderheit psychischer Erkrankungen ist, dass nicht unbedingt jeder psychisch
Kranke auch unter einem Leidensdruck steht. So kann es z.B. sein, dass ein manisch- depressiver
Patient sich in seiner manischen Phase sehr wohl und energiegeladen fühlt, obwohl er akut krank
und gefährdet ist. Meist leidet hier dann die Umgebung bzw. das soziale Umfeld. Hier kommt auch
ein ethischer Aspekt hinzu, der beinhaltet, inwieweit wir als professionell Handelnde in solch einem
Fall eingreifen sollen oder müssen.
Dörner (1975: 47) spricht von einem gewissen Nutzen des Krankheitsbegriffes. Er meint dazu:
Nicht selten registrieren wir es sogar mit Erleichterung, wenn ‚besondere Lebensvorgänge’ oder
unverständliche, bedrohliche, oder auch nur abweichende Verhaltensweisen uns als Fall von
Krankheit erklärt werden. Das magische Etikett ‚Krankheit’ erzeugt Beruhigung. Das
Unverständliche wird verständlich, das Fremdartige wird neutralisiert, ja vertraut, das Besondere
wird ein Fall von…, das Abweichende ist kanalisiert, und das Bedrohliche mag zwar materiell
bedrohlich bleiben; aber es ist eingeordnet, in einem wissenschaftlichen System diagnostisch
untergebracht, entschuldigt, an die zuständigen sozialen und technisch-therapeutischen Instanzen
verwiesen (Dörner, 1975: 47).
Die Frage der psychischen Krankheit bzw. des abweichenden Verhaltens stellt sich immer in
Zusammenhang mit der Frage, ob Kinder oder Jugendliche erziehungsbedürftig oder krank sind.
Daraus sollte sich dann auch ergeben, in welchem System das Kind oder der Jugendliche Hilfe in
seiner aktuellen Krise bekommt. Generell klingt die Frage nach Erziehungsbedürftigkeit oder
Krankheit paradox, wenn wir uns doch auf Kinder und Jugendliche beziehen. Dennoch treffen wir
immer wieder auf die Gegenüberstellung von Erziehungsbedürftigkeit und Krankheit, vor allem
dann, wenn es um die Klärung von Zuständigkeiten geht.
Diese Begriffe beinhalten unterschiedliche Dimensionen, und werden häufig synonym verwendet,
ohne dass sie das gleiche meinen. Schon alleine für den Begriff der Erziehung gibt es im
wissenschaftlichen Sinn keine einheitliche Begriffsbestimmung. Meist bedeutet Erziehung jedoch,
auf andere Menschen Einfluss zu nehmen, sodass eine Entwicklung günstig verläuft. Dabei gehen
die Meinungen darüber, was als günstig oder ungünstig zu gelten hat weit auseinander. Daher hat
der Begriff unterschiedliche Bedeutungen, die von „disziplinierungsbedürftig, schutzbedürftig bis
hin zu beheimatungsbedürftig oder emanzipationsbedürftig“ reichen (vgl. Specht 1990: 66).
22
Begriffsklärung
Für die Zuständigkeit der Jugendwohlfahrt bzw. der KJP ist es von zentraler Bedeutung, ob ein
Kind oder Jugendlicher als erziehungsbedürftig angesehen wird und somit die Zuständigkeit der
Jugendwohlfahrt ausreicht, oder ob ihm eine Krankheit zugeschrieben wird und sich somit eine
Zuständigkeit der KJP ergibt.
Hierzu ist zu erwähnen, dass sich bereits in den 1920er Jahren die Versorgung besonders
schwieriger Kinder und Jugendlicher als ein großes Thema innerhalb der Sozialpädagogik heraus
kristallisierte. In dieser Zeit suchte man vor allem nach Gründen, diese schwierigen Kinder und
Jugendlichen auszugrenzen und in „Sonderanstalten für Psychopathen“ unterzubringen (vgl.
Niemeyer, 1998: 149). In die Diskussion um die Psychopathenfürsorge waren vor allem H. Nohl,
M. Isserlin, C. Bondy, S. Bernfeld, R. van der Leyen und andere beteiligt. So hielt Herman Nohl
zum Beispiel im Jahr 1924 kurz nach einer Tagung mit dem Thema Ausscheidung der
Unerziehbaren aus der Fürsorgeerziehung einen Vortrag mit dem Thema Die Pädagogik der
Verwahrlosten (vgl. Niemeyer, 1998: 150). Schon anhand dieses kurzen Diskurses zu bedeutenden
Vertretern der Pädagogik kann man sehen, dass das Thema der Erziehung besonders schwieriger
Kinder und Jugendlicher und ihrer Verortung in der Pädagogik bzw. in Nachbardisziplinen wie
etwa der Psychiatrie ein schon lange diskutiertes Thema ist, das in den letzten Jahren in der
Fachliteratur zwar am Rande diskutiert wird, jedoch vor allem in Österreich immer wieder in
Vergessenheit gerät.
Höchstwahrscheinlich ist dieser Streit um Zuständigkeiten für diese Kinder und Jugendlichen nicht
hilfreich. Vielleicht brauchen gerade Kinder und Jugendlichen, die sich in schwierigen Lagen
befinden, Erziehung, was sich schon alleine aus der Tatsache ergibt, dass es sich um Kinder und
Jugendliche handelt, und Therapie oder eventuell medizinische Behandlung. Schon Redls
bedeutsame Erkenntnis war es, dass die Störungen der Kinder, mit denen er zu tun hatte, Störungen
ihrer Ich- Funktionen waren, und dass diese eine therapeutische Unterstützung erfordern (vgl. Redl,
1971: 19).
Dazu schreibt Köttgen (1998: 69): „Bei sozialen Schwierigkeiten, die sowohl die VertreterInnen der
Jugendhilfe als auch der Jugendpsychiatrie hilflos machen, werden die Probleme der Jugendlichen
je nach Bedarf als ‚psychiatrische Krankheiten’ oder ‚erzieherische Probleme’ definiert und
wechselweise der einen oder anderen Institution überantwortet.“
23
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
3 Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in
Österreich
Die gegenwärtige Diskussion um die Psychiatrie ist eng mit der Zeitgeschichte der Psychiatrie
verbunden. Häufig wirken die historischen Wurzeln nach. Besonders das Thema von psychisch
kranken Menschen zur Zeit des Nationalsozialismus ist eines der dunkelsten Kapitel, mit dem sich
die Psychiatrie konfrontieren muss. Im Allgemeinen hat die Psychiatrie heute mit einer
Vergangenheit zu tun, in der der psychisch kranke Mensch nicht als krank gesehen wurde, sondern
als ein Sicherheitsrisiko für Staat und Gesellschaft eingestuft wurde (vgl. Blasius, 1980: 9).
In diesem Kapitel soll die Geschichte der Psychiatrie, im speziellen der KJP, skizziert werden, um
gegenwärtige Strukturen und Behandlungsformen besser verständlich zu machen.
In Bezug auf die Kinder und Jugendpsychiatrie liegt keine einheitliche Ideengeschichte vor, wie das
in anderen Gebieten der Fall ist.
„Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass die Beschäftigung mit dem seelisch
kranken/behinderten/verhaltensauffälligen Kind erst vor etwa 70 Jahren Teilbereich der Medizin
und überwiegend der Erwachsenenpsychiatrie wurde, die auch erst in der Mitte des 19.
Jahrhunderts entstanden war. Der direkte Vorläufer, die Heilpädagogik entwickelte sich ebenfalls
erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Hinzu kommt, dass gerade die Medizin zu Beginn dieser Zeit
den siegreichen Fortschritt bei der Bekämpfung der Krankheiten betonte, so dass Rückblicke nicht
üblich waren, zumal das Gebiet ja auch vorher anderen Disziplinen zugeordnet war“ (Engbarth,
2003: 18).
Die Geschichte der KJP muss auf jeden Fall im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen
Sichtweise von Krankheit gesehen werden.
In diesem Kapitel sollen daher die gesellschaftlichen Bedingungen dargestellt werden, die dazu
führten, dass die KJP in dieser Form heute existiert. So ist die Entwicklung der KJP eng verbunden
mit der Entwicklung der Fürsorge und der Einstellung zu Krankheit generell bzw. im engeren
Sinne, mit den späteren Erkenntnissen über psychische Krankheit.
24
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
3.1 Entwicklung bis 1900
Die KJP hat unterschiedliche Wurzeln. Einerseits wissenschaftliche Disziplinen wie die Medizin,
die Pädagogik und später auch die Psychologie und Heilpädagogik. Andererseits entwickelte sich
die KJP aber auch aus dem Fürsorge- Bestreben von Seiten der Kirche und des Staates heraus. In
der Entwicklung bis zur Aufklärung spielen Kinder eine noch sehr untergeordnete Rolle. Um die
KJP als spezielle Fürsorge für Kinder und Jugendliche zu verstehen, ist es notwendig
nachzuvollziehen, wie sich Fürsorge für Arme, Kranke und Kinder im Mittelalter und in der
Neuzeit gestaltet hat.
Die Armen wurden erste Objekte einer gezielten Fürsorge. Die Einstellung zur Armut war im
Mittelalter geprägt durch die Religion. Dem Glauben nach hing es von der göttlichen Gnade ab, ob
man mit Reichtum gesegnet oder zur Armut verurteilt war. Die Armut wurde dadurch aufgewertet,
dass sie den Reichen die Möglichkeit gab durch milde Taten ihr Seelenheil zu verdienen. Innerhalb
dieser Grundauffassung vollzogen sich seit dem 12. Jh. Allerdings einige Veränderungen.
Zunehmend wurden die Armen kritisiert und die Barmherzigkeit institutionalisiert und ritualisiert.
So wurde die Almosenvergabe immer mehr zu einem Schauspiel, das dazu diente, die eigene
Frömmigkeit darzustellen. Demgegenüber stand eine zunehmende Professionalisierung des
Bettelns. Die Bettler wurden somit strenger überwacht. Karl V. führte ein, dass die Kinder der
Bettler diesen weggenommen werden und in eine Handwerkslehre gegeben werden sollten. Ein
durchgehendes Thema dieser Zeit war das Lob und die Glorifizierung der Arbeit, die als
Umerziehungsinstrument der Armen gesehen wurde.
Im 16. und 17. Jh. Wurde immer wieder lautstark gefordert, vor allem die „unwürdigen Armen“
(Vagabunden etc.) in Arbeits- und Zuchthäuser zu inhaftieren. Tatsächlich wurden auch in
Gesamteuropa Arbeits- und Zuchthäuser gebaut. Das Vorhaben wurde jedoch in einem größeren
Ausmaß lediglich in Frankreich durchgeführt (vgl. Scheipl, 2008b: 60).
Auch im 18. Jh. Wurde Armut einerseits als notwendiges Übel, andererseits aber auch als Gefahr
für die öffentliche Ordnung gesehen (vgl. Engbarth, 2003: 33ff.).
Ein wichtiger Entwicklungsschritt in der Armenfürsorge in dieser Zeit war jedoch, dass man durch
strukturelle Hilfemaßnahmen versuchte, die Armut zu überwinden. Es wurden neue Produktionsund Arbeitsmöglichkeiten geschaffen sowie ein „Almosenfonds“ eingerichtet. Allerdings wurden
durch die Einrichtung dieser Fonds Gelder für Witwen, Waisen und Behinderte gekürzt, die
schließlich die Opfer dieser neuen Armenpolitik waren. Markant war jedoch, dass in dieser Zeit die
Armut nicht mehr so stark moralisiert sondern eher erforscht wurde. Im 19. Jahrhundert waren vor
25
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
allem Ideen und Programmschriften der „Frühen Sozialisten“ sowie das Kommunistische Manifest
von Marx und Engels für die Frage der Armenfürsorge maßgebend (Scheipl, 2008b: 62ff).
Neben der Armenfürsorge ist es auch wichtig, die Kinderfürsorge zu skizzieren. Sehr lange galt das
Kind als Besitz des Vaters, der über Leben und Tod entscheiden konnte. Eine spezielle Fürsorge für
arme Kinder gab es nicht. Sie wurden mit Beginn der Neuzeit gemeinsam mit ihren Eltern in
entsprechenden Einrichtungen untergebracht. Entgegen dieser Praxis gab es aber auch Stimmen, die
die Trennung der Kinder von ihren Eltern forderten und eine besondere Erziehung zur Arbeit und
das Erlernen eines Handwerks für erstrebenswert hielten.
Kranke Kinder wurden, solange die Tötung von Kindern nicht verboten war, getötet. Wenn ein
gesundes Kind erkrankte, gab es meist auch wenig Hilfe. Bis in das 19.Jh. hinein erreichte nicht
zuletzt aufgrund der Säuglingssterblichkeit nur jedes 2. Kind das 14. Lebensjahr. Die Ärzte
befassten sich zu dieser Zeit noch sehr wenig mit der Behandlung von Kindern.
Um den Kindermord zu verhindern wurden von der Kirche Findelhäuser errichtet. Das Kennzeichen
war die anonyme Abgabe der Kinder. Hinter dieser Maßnahme stand die christliche Auffassung,
dass ein Kind ein Geschenk Gottes sei und daher auch nicht das Eigentum der Eltern wäre. Das
erste Findelhaus wurde 787 in Mailand errichtet. Die Sterblichkeit in den Findelhäusern war sehr
hoch. Eine realistische Chance hatten nur diejenigen, die von einer Amme ernährt wurden.
Teilweise wurden bis zu 30% der Geburten ins Findelhaus gegeben. Hier vermutet man, dass diese
Einrichtungen auch von Eltern missbraucht wurden, die ihre Kinder hätten ernähren können. Es
konnte aber festgestellt werden, dass die Kindsmorde durch die Findelhäuser nicht zurückgegangen
sind. In Hamburg wurde zusätzlich zum Waisenhaus ein Zuchthaus gebaut. Hier bestanden auch
Pläne das Waisenhaus und das Zuchthaus zusammen zu legen, was aber durch den Vorsteher des
Waisenhauses Simon von Petkum verhindert werden konnte. Finanziert wurde das Waisenhaus zur
damaligen Zeit durch Spenden der Bürger und Zahlungen aus den Kirchspielen (vgl. Engbarth,
2003: 36 ff.).
Im Jahr 1784 wurde in Wien das Findelhaus vom Staat errichtet. Somit wurden uneheliche
Geburten zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem gemacht. Die Aufnahme erfolgte gegen
Bezahlung bzw. wenn die Mütter mittellos waren unentgeltlich. Die Kinder lebten nicht in der
Anstalt selbst, sondern bei Pflegeparteien (Pawlowsky, 2001: 38). Die Findelanstalt musste vor
allem dafür sorgen, dass genügend Pflegeplätze für die aufgenommenen Kinder vorhanden waren
und diese gewissen Qualitätskriterien entsprachen (vgl. ebd.: 152). Bis 1813 wurde die Wiener
Findelanstalt ihrem Anspruch Leben zu erhalten nicht gerecht. Konkret starben in etwa 97% der
aufgenommenen Kinder während der Betreuung durch die Wiener Findelanstalt. Von den Kindern,
26
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
die zwischen 1784 und 1910 aufgenommen wurden starben etwa 68% vor Ablauf der
Betreuungszeit (vgl. ebd.: 200). Eine Verbesserung brachte die Erhöhung des Kostgeldes im Jahr
1813 sowie im Jahr 1873, die auch eine Vermehrung der Zahl der Pflegefrauen zur Folge hatte (vgl.
ebd: 153).
In Bezug auf den Umgang mit psychisch Kranken ist zu erwähnen, dass diese bis ins 19.
Jahrhundert nicht als Kranke galten sondern eher gemeinsam mit Armen, Vagabunden, Kriminellen
u.a. auf der Strasse lebten. Die Wahnsinnigen wurden in die Verfolgung des Müßigganges
miteinbezogen und gemeinsam mit den Armen zu Arbeit gezwungen. Sie zeichneten sich jedoch
durch ihre Unfähigkeit zu Arbeiten oder den Strukturen zu folgen aus (vgl. Foucault, 1973: 91).
Man kann im 17. und 18. Jahrhundert zwar noch nicht von einem systematischen Umgang mit
psychisch Kranken sprechen, dennoch wurde zum Beispiel in Frankreich im Hôtel-Dieu
Geisteskranke behandelt, die man noch zu heilen hoffte. Dies passierte vor allem mit Mitteln wie
Aderlaß, Purganz und in bestimmten Fällen Zugpflastern und Bädern (vgl. Foucault, 1973: 101).
Auch in London war Bedlam für die reserviert, die man als „Mondsüchtig“ bezeichnete. Hier
wurden bereits am Beginn des 15. Jahrhunderts einige Geisteskranke mit Fesseln und Ketten
festgehalten. Dieses wurde weiter ausgebaut und bereits im 17. Jahrhundert konnte es zwischen 120
und 150 Wahnsinnige beherbergen und war auch für diese vorgesehen. Die Behandlung erfolgte
einmal im Jahr, meist im Frühling in Form des Aderlasses und der anschließenden Purganz (vgl.
Foucault, 1973: 102). So begann die Tradition der Internierung der Geisteskranken und
Wahnsinnigen in Internierungshäusern, die wie Gefängnisse waren. Ein Beispiel, an dem sich gut
sehen lässt, wie der Umgang mit psychisch Kranken war, ist das von Bentham entwickelte
Panopticon, ein gefängnisähnliches Gebäude, das in der Peripherie ein ringförmiges Gebäude mit
einem Turm in der Mitte war. Von diesem Turm aus war es möglich die Gefangenen (Kriminelle,
Irre, Kinder, Arbeiter etc.) in ihren kleinen Zellen lückenlos zu überwachen, ohne dass diese
erkennen konnten, dass sie beobachtet wurden. „Diese Anlage ist deswegen so bedeutend, weil sie
die Macht automatisiert und entindividualisiert“ (Foucault, 1976: 259).
Abgesehen davon, dass das Panopticon als königliche Menagerie, in der das Tier durch den
Menschen ersetzt ist“ (Foucault, 1976: 261) bezeichnet werden kann, wurde dieses einerseits zur
Beobachtung der Kranken und Irren (Krankenhäuser), zur Erziehung und zum Unterricht von
Kindern (Schulen) und zur Disziplinierung von Arbeitern (Fabriken) eingesetzt (vgl. ebd.).
Allgemein war das Panopticon die Institutionalisierung und Realisierung der Macht und der
allgemeinen Disziplinierung.
27
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
Einige klösterliche Einrichtungen z.B. die Alexianer boten Schutz und Versorgung und öffneten
eigene Institutionen für Geisteskranke. Doch in diesen herrschte auch die Devise „ora et labora“ mit
der Pflicht zu Gehorsam, Armut und Keuschheit. Nicht jeder psychisch Kranke wurde dort
aufgenommen. Vielmehr werden in den Stadtgeschichten
„Narrenschiffe“, die unerwünschte
Personen an Bord nahmen und in anderen Gegenden aussetzten, „Narrentürme“ und „Tollkästen“
erwähnt.
In Wien zum Beispiel wurde zurzeit Joseph II der Narrenturm eröffnet, der sich noch heute auf dem
Areal des Allgemeinen Krankenhauses befindet. Von 1784 bis in die 1860er Jahre diente dieser als
eine für unsere heutigen Verhältnisse unmenschlich erscheinende „Verwahranstalt für
Geisteskranke (…) in dem manche der ‚Patienten’ an die Wände ihrer Zellen gekettet waren“(Stohl,
2000: 7).
Viele psychisch Kranke dieser Zeit lebten jedoch in ihren Familien und Dorfgemeinschaften wo die
leicht geistig Behinderten eher toleriert wurden, als die psychisch Kranken. Besonders wichtig ist,
dass „verrückte“ Handlungen dadurch erklärt wurden, dass sie durch Dämonen verursacht wurden
(vgl. Clausen, J. et al, 1996: 22). Daher wurden psychisch Kranke meist mit Folter und
Scheiterhaufen traktiert (vgl. Dörr, 2005: 129).
Einen entscheidenden Wendepunkt im Umgang mit geistig Kranken stellt das Zeitalter der
Aufklärung dar, in dem scharf zwischen Vernunft und Unvernunft unterschieden wurde. In Bezug
auf die „Verrückten“ führte dies zu einer Befreiung der Geisteskranken aus den Anstalten.
Symbolisch dafür war die Befreiung von in Käfigen und an Ketten gefesselten „Verrückten“ durch
den Psychiater Pinel, aus dem Pariser hôpital gèneral. Er sah in ihnen in erster Linie Bürger und im
Wahnsinn eine behandelbare Krankheit.
Darauf folgte ein neues Zeitalter der „umfassenderen nun wissenschaftlich begründeten,
humanistisch legitimierten und administrativ nützlichen Einsperrung und Kontrolle“ (Kardoff,
2001: 1436).
Die Faszination, die der Wahnsinn im 18. und 19. Jahrhundert auf Wissenschaftler, Moralisten,
Philosophen ausübte hängt vor allem mit dem Wandel von der ländlich agrarischen Feudal- zur
städtisch- industriellen aufgeklärt- absolutistischen und später demokratischen Gesellschaft
zusammen. Damit zerbrechen herkömmliche Ordnungsmuster und Wertvorstellungen bzw.
Lebenswelten und es wird für jeden notwendig, seine individuelle Identität zu konstruieren. Dies
führt viele Menschen in Ambivalenzen zwischen der geforderten rationellen Lebensführung und die
eigene Selbstfindung und –verwirklichung.
28
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
In diesem Spannungsverhältnis entwickelt sich die Psychiatrie als eine eigenständige
wissenschaftliche Disziplin und Profession (vgl. ebd.).
Erving Goffman (1972: 365) schreibt zur Notwendigkeit psychiatrischer Anstalten:
Es gibt in unserer Gesellschaft nicht deshalb Heilanstalten, weil Aufseher, Psychiater und Pfleger
einen Arbeitsplatz brauchten; es gibt sie deshalb, weil eine Nachfrage nach ihnen besteht. Wenn
heute alle Heilanstalten eines bestimmten Gebiets geschlossen würden, dann würden morgen
Verwandte, Polizisten und Richter den Ruf nach neuen Anstalten anstimmen. Und sie, die in
Wahrheit die Klienten der Heilanstalt sind, würden nach einer Institution verlangen, die ihre
Bedürfnisse befriedigt.
Im Hinblick auf die Erziehung psychisch kranker Kinder und Jugendlichen in Österreich, gingen die
ersten Institutionen, die sich mit der Erziehung „schwachsinniger Kinder“ in Wien befassten auf
private Initiativen zurück. So wurde 1856 auf Anregung Ludwig Mauthners, dem Begründer des St.
Anna- Kinderspitals, die erste „Anstalt für schwachsinnige Kinder“ gegründet. Nachdem diese
keine öffentlichen Gelder bekam, bestand die Klientel eher aus Kindern aus besseren Kreisen. 1872
wurde die „Sektion der Heilpädagogen“ gegründet, die sich vor allem mit „den Ursachen sozialen
Elends
von
schwachsinnigen
und
verwahrlosten
Kindern
in
Österreich
beschäftigte“(Rudolph/Benetka, 2007: 28).
3.2 Die Zeit von 1900 bis 1933
In dieser Zeit entstand eine multiprofessionelle Fürsorge für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten
und psychischen Störungen, wobei das Zusammenwirken der unterschiedlichen Ursachen
berücksichtigt wird und auch in den Methoden der Behandlung zum Tragen kommt. Gleichzeitig
mit dieser Ausdifferenzierung scheint in dieser Zeit das Bedürfnis nach einfachen Lösungen zu
wachsen.
In dieser Zeit gewann der Disziplinierungscharakter der Psychiatrie immer mehr an Bedeutung. Die
Psychiatrie war der Ort für all jene, deren soziale Brauchbarkeit nicht wieder hergestellt werden
konnte und die im Gegensatz zu den Insassen der Arbeitshäuser auch nicht gebessert werden
konnten. Die Psychiatrie wurde zu einer staatsnahen Macht und auch zu einer staatsnahen
Wissenschaft (vgl. Engbarth, 2003: 205).
In der Zeit des Ersten Weltkrieges kam es in den Großkrankenhäusern zu einem Massensterben, das
auf die mangelnde Ernährung zurückzuführen ist. Ebenfalls in dieser Zeit wurde die Euthanasie
zum Thema. Einerseits entstand die Position, dass man „wertlos gewordenes“ Leben nicht länger
erhalten solle. Andererseits wurde diese Position aber auch sehr stark kritisiert. Vor allem von
psychiatrischer Seite hieß es, dass alles getan werden müsse, um das Leben jener Menschen zu
29
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
erhalten, die weder den Willen zu leben noch zu sterben hegen würden. Besonders wichtig war auch
die Forderung das Leben nicht nur erhalten zu müssen, sondern auch dem Leben der übrigen
Bevölkerung, vor allem in Hinblick auf die Ernährung, anzupassen (vgl. Engbarth, 2003: 206).
Einzelnen Reformern wie etwa Hermann Simon und Maximilian Thumm in Deutschland gelangen
allerdings beachtliche Fortschritte. Im Mittelpunkt ihrer „aktivierenden Krankenbehandlung“
standen das Herausholen der Pfleglinge aus ihrer „Krankenversunkenheit“ und die Arbeitstherapie.
In Erlangen entwickelte Gustav Kolb das Modell der „offenen Fürsorge“ das den Krankenanstalten
auch die Aufgabe einer intensiven Nachsorge empfiehlt. In diesem Zusammenhang kann erstmals
von psychiatrischer Sozialarbeit gesprochen werden, da sich das Pflegepersonal hier auch um das
materielle Wohl der Familien kümmerte und auch Arbeit und Wohnung vermittelte.(vgl. Clausen et
al., 1997: 27)
Unabhängig von politischen Entwicklungen gab es in dieser Zeit erhebliche wissenschaftliche
Fortschritte in der Psychiatrie. In diesem Zusammenhang sind vor allem KRAEPELIN und Eugen
BLEULER zu nennen. Diese betonten immer wider die Gegensätze zu pädagogischen Theorien, um
ihren wissenschaftlichen Rang zu demonstrieren. Die Psychiatrie übernahm weitgehend die
Praktiken der Arbeits- und Zuchthäuser und behielt damit eine ordnungspolitische Funktion (vgl.
Dörr 2005: 136f.).
Ebenfalls zur selben Zeit entwickelte Freud seine Psychoanalyse, die vorerst von Seiten der
Psychiatrie weitgehend ausgeblendet wurde.
1911 wurde in Österreich die erste Heilpädagogische Station unter Lazar gegründet. Diese gilt als
ein Vorläufer der heutigen KJP (vgl. Thun-Hohenstein, 2007: 22.).
Auch für das Fürsorgewesen war Lazar sehr bedeutend. Er insistierte darauf, dass sich gewisse
Umweltbedingungen, wie etwa die Verwahrlosung, schädlich auf die Entwicklung des Kindes
auswirken würden. So wies er schon 1909 in dem Artikel „Die Verwahrlosung und ihre schädliche
Einwirkung auf die psychische Entwicklung des Kindes“ darauf hin, dass sich Verwahrlosung bei
Kindern, die ins schulpflichtige Alter kommen, häufig in einer Verkümmerung der Sprache
auswirke. Auch propagierte er, dass bei misshandelten Kindern das Ausbleiben der Sprache
psychisch bedingt sei. Lazar unterschied zwei Hauptformen jugendlicher Verwahrlosung. Einerseits
die „Normalen“ und andererseits die „Abnormalen“. Bei den „Normalen“ würde keine Art
psychischer Krankheit vorliegen. Die Verwahrlosung sei durch den schädlichen Einfluss des
Milieus, dem die Kinder ausgesetzt waren bedingt.
30
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
Daher seien diese Kinder auch nicht als schwachsinnig anzusehen und seien therapierbar. Eine
große Bedeutung müsse jedoch in dieser Hinsicht dem Milieuwechsel zugesprochen werden (vgl.
Rudolph/Benetka, 2007b: 30).
Eingang in die Psychiatrie fanden aber auch rassenhygienische Gesichtspunkte. 1905 wurde z.B. in
Deutschland die „Gesellschaft für Rassenhygiene“ gegründet, die 1911 auf die wachsende Zahl der
in öffentlichen Anstalten verpflegten „Irren“ hinwies und ihre „Unfruchtbarmachung oder
Ausmerzung“ vorschlug. (vgl. Clausen et al, 1997: 28).
Während die Tötung von so genannten „Unheilbaren“ erst 1939 begann, lief zu dieser Zeit die
Sterilisationspraxis bereits an. Am 1. Mai 1939 trat das „Gesetz zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses“ in Kraft. Dies führte dazu, dass Menschen mit erblicher Blindheit, erblicher
Taubheit, schwerem Alkoholismus, erblichen körperlichen Missbildungen, Schizophrenien,
manisch- depressiven Erkrankungen, Veitstanz (Chorea Huntington) und geistigen Behinderungen
mit radikaler Konsequenz sterilisiert wurden. Während des Dritten Reiches wurden insgesamt etwa
360.000 Menschen nach diesem Gesetz zwangssterilisiert. Wohlfahrtspflegerinnen waren dafür
verantwortlich, dem Amtsarzt sämtliche Personen, die ihnen als „erbkrank“ erschienen anzuzeigen
(vgl. ebd. 31 f.).
Schon Julius Tandler (1869-1936), Leiter des Wohlfahrtsamtes der Stadt Wien, schlug 1924 als
Alternative zur Freigabe der Abtreibung die „Errichtung eines bevölkerungspolitisch orientierten
eugenischen Gerichtes“ vor, das schließlich unter absoluten Zwangsbestimmungen 15 Jahre später
auf der rechtlichen Basis des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ auch realisiert
wurde (vgl. Kapeller, 2000: 237).
Schon einige Jahre vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland hatten sich die
ethischen Bedenken gegen die Euthanasie im Denken weitgehend aufgelöst. Tandler übertrug die
menschenökonomische Kosten- Nutzen Rechnung auf die Soziale Arbeit. Er stützt sich vor allem
auf Rudolf Goldscheid, einen sozialdemokratischen Wiener Parteigenossen, der die Bevölkerung als
das „organische Kapital“ einer Volkswirtschaft betrachtete. Mit diesem müsse nach ökonomischen
Gesichtspunkten gewirtschaftet werden. Das heißt, „die ‚Kosten der Menschenproduktion’ müssten
in einem ökonomischen Verhältnis zu ihren ‚volkswirtschaftlichen Nutzen’ gesehen werden.
Goldscheid geht sogar noch weiter und „schlägt vor, die ‚Menschenproduktion’ nach ähnlichen
Methoden zu handhaben, wie sie in der wissenschaftlich angeleiteten Viehzucht in der
Landwirtschaft angewendet würden“ (Kapeller, 2000: 238.). Tandler formuliert sehr radikal, dass
z.B. die Anstaltspflege einiges an Kosten verursachen würde und keinesfalls produktiv wäre.
31
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
Er schreibt vor allem auch in Hinblick auf „Irrenanstalten“:
[…] Welchen Aufwand die Staaten für vollkommen lebensunwertes Leben leisten müssen
(Hervorh. M.K.), ist z.B. daraus zu ersehen, dass die 30 Tausend Vollidioten Deutschlands diesen
Staat 2 Millionen Friedensmark kosten. Bei der Kenntnis solcher Zahlen gewinnt das Problem der
Vernichtung lebensunwerten Lebens im Interesse der Erhaltung lebenswerten Lebens an Aktualität
und Bedeutung. (Hervorh. M.K.) Gewiß, es sind ethische, es sind humanitäre oder fälschlich
humanitäre Gründe, welche dagegen sprechen, aber schließlich und endlich wird auch die Idee,
dass man lebensunwertes Leben opfern müsse, um Lebenswertes zu erhalten, immer mehr ins
Volksbewußtsein dringen. Denn heute vernichten wir vielfach lebenswertes Leben, um
lebensunwertes zu erhalten. (Hervorh. M.K.) […] (Tandler, 1924 zit. nach Kapeller, 2000: 238).
Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 wurde die Philosophie der Eugenik noch weiter geführt. Im
Mai 1933 gab es erste Bücherverbrennungen, bei denen auch Schriften von Psychiatern und
Psychoanalytikern verbrannt wurden. Zahlreiche jüdische, bzw. politisch gefährdete Psychiater und
Psychoanalytiker verließen in den Jahren zwischen 1933 und 1939 Deutschland und Österreich.
Die Zusammenarbeit der Psychiatrie als Wissenschaft mit der Politik des „Dritten Reiches“ wurde
vor allem von Ernst Rüdin vorangetrieben, der 1934 Vorsitzender der „Gesellschaft deutscher
Soziologen und Psychiater“ übernahm und gleichzeitig empfahl, auch „soziale Minderwertigkeit“
als Sterilisationskriterium anzuerkennen.
Was mit der Sterilisation von psychisch Kranken begann mündete schließlich in der systematischen
Ermordung psychisch Kranker und Behinderter (vgl. ebd. 32).
3.3 Die Psychiatrie in der Zeit des Nationalsozialismus
Die Entdeckung der Erblichkeit führte dazu, dass biologische Modelle auch für psychische
Krankheiten verabsolutiert wurden. Die Erbgesundheitslehre (Eugenik) stieg zur „Leitwissenschaft
für bevölkerungs-, gesundheitspolitisches und fürsorgliches Handeln“ auf. Bereits 1920 wurde vom
Juristen Binding und dem Ordinarius für Psychiatrie in Freiburg, Hoche eine Schrift veröffentlicht,
in der die Euthanasie verschiedener Gruppen Geisteskranker befürwortet wurde. Die
Folgeerscheinungen einer eugenischen und einseitig körperorientierten- biologistischen Einstellung
der Psychiatrie wurden im unmenschlichen Vernichtungsfeldzug gegen die „Irren“ während des
Nationalsozialismus traurige Wirklichkeit. Die Psychiatrie hatte in der NS- Zeit ihre dunkelsten
Stunden. Geisteskranke wurden in dieser Zeit als „Erbfeinde unseres Volkes“ stigmatisiert und
umgebracht (vgl. Dörr, 2005: 137f).
Am 9. Oktober 1939 ergingen auf Veranlassung des Reichsministeriums Meldebögen an alle Heilund Pflegeanstalten. Diese sollten angeblich lediglich dazu dienen, die Arbeits- und
Wirtschaftsfähigkeit psychisch Kranker Menschen zu erheben. Am gleichen Tag wurde jedoch die
Zahl der zu Tötenden mit 70 000, „darunter auch 5000 Kinder im Rahmen der
‚Kindereuthanasie’“(Malina, 2007: 104). beziffert. Als Methode, um diese Menschen umzubringen,
32
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
wurde die Vergiftung durch Gas beschlossen. Aber auch Erschießungen fanden statt. Mit Sicherheit
sind einige auch durch zu hohe Medikamentendosen verstorben. So wurden im polnischen
Krankenhaus Chelm im Jänner 1940 alle Insassen an einem Tag von SS- Männern ermordet.
Im Jänner 1940 wurde der Gastod erstmals direkt an einer psychiatrischen Krankenanstalt des
Reiches (in Brandenburg) angewandt.
Meist wurden die Insassen in Zwischenanstalten verlegt, bevor sie in die Tötungsanstalten gebracht
wurden (vgl. Clausen, 1997: 33 f.). Im Rahmen dieser Aktion die als „T4“ bezeichnet wird, wurden
insgesamt 200 000 Menschen ermordet.
Auch in der Steiermark wurde dies praktiziert. Vom damaligen Großkrankenhaus „Am Feldhof“,
der heutigen Landesnervenklinik Sigmund Freud, in Graz wurden etwa 1200 psychisch Kranke
Menschen und Behinderte direkt mit der Bahn weggebracht, um schließlich vergast zu werden.
Unter diesen 1200 befanden sich auch etliche Kinder (Danzinger, 2006).
Auch die Kinder- Euthanasie wurde organisatorisch vorbereitet. So mussten alle Kinder, die
behindert oder auf irgendeine Art missgebildet waren den Gesundheitsämtern gemeldet werden. Die
Kinder wurden dann in so genannte Fachabteilungen zur Begutachtung geschickt. Dort bekamen sie
dann das Schlafmittel Luminal verabreicht, was schließlich zu einer tödlichen Lungenentzündung
(einem scheinbar natürlichen Tod) führte, oder sie wurden durch Verhungern- lassen getötet.
Für das österreichische Gebiet lassen sich zum heutigen Zeitpunkt zwei Kinderfachabteilungen
nachweisen, die zurzeit zwischen 1940 und 1945 bestanden haben. Dies war einerseits die
Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund“ in Wien und die Kinderfachabteilung „Am Feldhof“ in
Graz.
Als „Spiegelgrund“ wurde die Heil und Pflegeanstalt auf dem „Steinhof“ in Wien zu einem Begriff
für eine „bedrohliche, demütigende, in vielen Fällen auch tödliche ‚Heil’- Pädagogik in der NSZeit“ (Malina, 2007: 159). Wenn wir vom „Spiegelgrund“ sprechen, so sind eigentlich zwei
Institutionen gemeint. Einerseits das „Erziehungsheim“ und andererseits die „Nervenheilanstalt“,
die vor allem im Zusammenhang mit dem Namen Dr. Heinrich Gross in den letzten Jahren immer
wieder in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt ist. Obwohl sich in den letzten Jahren
immer mehr Zeitzeugen und Betroffene gemeldet haben, ist über das „Erziehungsheim“ immer
noch relativ wenig bekannt (vgl. ebd.). Durch die T4 Aktion, die in weiterer Folge noch beschrieben
wird, wurde am Gelände des „Steinhofes“ Platz gemacht, um 1940 als neu errichtete städtische
„Jugendfürsorgeanstalt Am Spiegelgrund“ mit einer Kapazität von 640 Betten den Betrieb
aufnehmen zu können. Die Anstalt stand unter ärztlicher und pädagogischer Leitung.
33
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
Diese Anstalt war Teil eines umfassenden Plans, alle Kinder und Jugendlichen im Raum Wien zu
erfassen, die nicht den nationalsozialistischen Idealen von Brauchbarkeit, Leistung und Gesundheit
entsprachen. Mit der Kinderfachabteilung war auch die Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“
in die Kindermordaktion eingebunden (vgl. ebd.: 161).
Ursprünglich war die Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ als „Durchzugsheim“ organisiert.
Es gab jedoch „drei ‚Dauergruppen’ für besonders schwierige Erziehungsfälle, die als noch nicht
hoffnungslos galten, ‚deren Führung in anderen Anstalten aus pädagogischen Gründen aber
untragbar ist’“(Malina, 2007: 162). In diesen Gruppen wurde versucht die Kinder und Jugendlichen
durch „Zucht, strenge Disziplin, lückenlose Beschäftigungstherapie und ganz besondere Pflege des
Gemeinschaftssinnes“ wieder in die Gruppengemeinschaft zu integrieren (ebd.)
Festzuhalten ist, dass der „Spiegelgrund“ zeit seines Bestehens mit seinen verschiedenen
Funktionsbereichen
(„Nervenklinik“,
„Kinderfachabteilung“,
„Erziehungsheim“)
als
das
entscheidende Selektionsinstrument der Wiener Jugendfürsorge diente. Die „Jugendfürsorgeanstalt“
vereinigte bis zum Jahr 1942 im Grunde zwei Institutionen. Ein Erziehungsheim, das der Korrektur
und Normalisierung jener Kinder und Jugendlichen dienen sollte, die als noch „brauchbar“ und
„normalisierbar“ erschienen; und eine Einrichtung zur Selektion und Behandlung von den Kindern,
die aufgrund ihrer Behinderung zu Tode „behandelt“ werden sollten. Somit war die
Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ eine komplexe Institution, die nicht nur auf die
Kindereuthanasie reduziert werden kann (vgl. Malina, 2007: 165ff.). Im Jahr 1942 wurden die
beiden Bereiche Erziehungsheim und Nervenklinik organisatorisch getrennt. Dennoch scheinen
diese beiden Bereiche nach wie vor eine enge Verbindung gehabt zu haben (vgl. ebd.).
Wichtig an dieser Stelle anzumerken ist, dass in dieser Zeit die KJP eine große Rolle in
Fürsorgeverfahren spielte. Somit muss die Kooperation zwischen KJP sich mit diesem Erbe
auseinander setzen, um einen neuen Anfang wagen zu können.
Zum heutigen Zeitpunkt ist es sehr schwierig nachzuvollziehen, wie viele Kinder wirklich der
Kinder- Euthanasie zum Opfer gefallen sind, da einerseits Krankengeschichten vernichtet wurden
und andererseits die Euthanasie ohnehin nicht in den Krankengeschichten erwähnt wurde. In einem
Interview meint Dr. Marianne T. (zit. nach Oelschläger, 2003: 1035) dazu: „In sehr vielen Fällen
war die unmittelbare Todesursache eine Lungenentzündung, die im Zuge der Schlafmittelvergiftung
aufgetreten ist. In den Krankengeschichten scheint natürlich die Lungenentzündung auf.“
Diese Aussage zeigt, dass eine Unterscheidung zwischen den Kindern, die an einem natürlichen
Tod und jenen, die der Kinder- Euthanasie zum Opfer gefallen sind, nicht möglich ist. Trotzdem
können Aussagen über die Entwicklung der Kinderfachabteilungen zwischen 1939 und 1945
getroffen werden.
34
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
Klar ist, dass der „Reichsausschuss“ keine Weisungsbefugnis über den Aufbau von
Kinderfachabteilungen gab. Entschied sich eine Anstalt für die Einrichtung einer solchen, war es ihr
überlassen, welche Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt wurden, und wie diese belegt wurden.
Bei der Erstellung von Befundberichten waren die Ärzte allerdings an klare Vorgaben von Seiten
der „Reichsausschussgutachter“ gebunden. Hier waren detaillierte Angaben zur Anamnese verlangt
und Untersuchungsergebnisse gefordert. Eine besondere Bedeutung in diesen Berichten kam der
Prognose der zukünftigen Entwicklung zu, im Besonderen der Bildungs- bzw. Arbeitsfähigkeit.
Gegebenenfalls mussten diese Berichte durch Ergebnisse medizinischer Verfahren wie z.B. eines
Enzephalogramms oder einer Lumbalpunktion ergänzt werden. Außer jene Kinder, die aufgrund
geistiger Behinderung oder schwerer körperlicher Schädigungen von vornherein nicht für
therapeutische Maßnahmen in Frage kamen, wurden bei den eingewiesenen Kindern in einem
unterschiedlichen Umfang Therapie-, Förderungs-, und Arbeitsversuche in der anstaltseigenen
Hilfsschule oder Landwirtschaft durchgeführt. Durchaus nicht unüblich war es, die Kinder und
Jugendlichen je nach Krankheitsbild an Krankenhäuser zu operativen Eingriffen zu überweisen. „In
den Kinderfachabteilungen verzahnten sich so die medizinische Diagnostik und Therapie der
Psychiatrie, der Pädiatrie und pädagogische Maßnahmen“ (Oelschläger, 2003: 1035). Trotzdem
sind
diesen
Maßnahmen
immer
Selektionskriterien
zugrunde
gelegen
und
in
den
Kinderfachabteilungen wurden trotzdem Tötungen durchgeführt, vor allem, wenn therapeutische
Maßnahmen keine Wirksamkeit zeigten (vgl. ebd.: 1035).
Die Tötungen, die am Spiegelgrund in Wien stattgefunden haben sind mittlerweile schon oft
beschrieben, daher soll an dieser Stelle besonders auf die Kinderfachabteilung der Steiermark
eingegangen werden. Die Kinderfachabteilung in Graz wurde an der „Gau-Heil und Pflegeanstalt
des Reichsgaues Steiermark Feldhof- Graz“ errichtet. Auf diesem Gelände befindet sich die heutige
Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz. Als Eröffnungszeitpunkt wird das Jahr 1941
angenommen. 1940 wurde das Pius- Institut in Bruck an der Mur aufgelöst und die Kinder in die bis
zu diesem Zeitpunkt relativ kleine Kinderabteilung des „Feldhofs“ gebracht. Im Zuge dessen wurde
in der Zweigstelle Kainbach und nach deren Auflösung im Schloss Pertlstein bei Feldbach der
Kindergarten bzw. die Schulabteilung für bildungsfähige Minderjährige des „Feldhof“ eingerichtet.
In der alten Kinderabteilung wurden vor allem Beobachtungsfälle sowie jene Kinder und
Jugendlichen, die als bildungsunfähig galten und meist schwer behindert waren. Nachdem in
diesem Bereich ein Reservelazarett der Deutschen Wehrmacht errichtet wurde, wurden die Kinder
und Jugendlichen auf die restlichen Stationen verteilt. Dazu kam noch eine Einrichtung in
Messendorf, die auf einer großen Landwirtschaft Arbeitstherapie für die Anstaltsinsassen des
„Feldhof“ betrieb. Viele Kinder wurden auf ihre Arbeitsfähigkeit getestet. Bestanden sie den Test
nicht, so verstarben sie meist innerhalb weniger Wochen (vgl. Oelschläger, 2003: 1039).
35
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
Die Kinderabteilung im „Feldhof“ hatte keine eigenen Räumlichkeiten. Die Kleinkinder bis zum 6.
Lebensjahr wurden auf der Frauenabteilung untergebracht. Ältere Kinder und Jugendliche wurden
auf die verschiedenen Frauen- und Männerabteilungen verteilt. Die dokumentierbaren Todesfälle
verteilen sich dementsprechend auf die gesamte Anstalt. Die bereits in der Anstalt tätigen Ärzte
übernahmen zunächst die Aufgaben der Kinderfachabteilung. Später wurden Ärzte aus anderen
Einrichtungen mit der Leitung der Kinderfachabteilung betraut. Keiner dieser Ärzte im „Feldhof“
besaß eine spezielle jugendpsychiatrische bzw. pädiatrische Ausbildung (vgl. Oelschläger, 2003:
1039 f.).
Insgesamt verstarben in Graz 267 Minderjährige (unter 21 Jahren). Beim Großteil der Fälle wurde
Schwachsinn (Idiotie) unterschiedlichen Grades diagnostiziert. Durch die Unterlagen kann
allerdings nicht nachvollzogen werden, wie viele Kinder und Jugendliche „Reichsausschuss“ Kinder waren. Über mögliche medizinische Forschungen an der Kinderfachabteilung in Graz gibt
es ebenfalls keine Belege (vgl. ebd.: 1040).
Die Kinder- Euthanasie wurde während der gesamten Zeitspanne des Krieges durchgeführt und
besonders auch auf mischlings- und jüdische Kinder ausgedehnt (vgl. Clausen, 1997: 34).
1941 ließ Hitler die Aktion „T4“ stoppen, die Tötungen gingen jedoch unter anderen Decknamen
weiter.
Peter Malina (2007: 103) schreibt dazu sehr markant:
Eine Pädagogik, die es nicht ertragen konnte, mit Schwachen, Kranken und angeblich nicht
‚Leistungsfähigen’ umzugehen, und eine Medizin, die sich dem Töten statt dem Heilen verschrieb,
waren die Voraussetzung dafür, dass nun auch ein gnadenloser ‚Krieg gegen die psychisch
Kranken’, gegen körperlich und geistig Behinderte eröffnet wurde, der auch und besonders Kinder
und Jugendliche betraf.
Auch Margret Dörr schreibt in Bezug auf die Psychiatrie in der NS- Zeit treffend: „Die Psychiatrie
hatte in der NS- Zeit eine ihrer dunkelsten Stunden. Als wissenschaftliche Disziplin und
professionelle Praxis hat sie wesentlich dazu beigetragen, dass in dieser Zeit die Geisteskranken in
Deutschland als ‚Erbfeinde unseres Volkes’ stigmatisiert und umgebracht wurden“ (Dörr, 2005:
138).
Trotz dieser traurigen Entwicklung in dieser Zeit, die ein schreckliches Erbe für die Psychiatrie
darstellt, kann die Zeit zwischen 1937 und 1945 als die Zeit der eigentlichen Konstituierung der
Kinder und Jugendpsychiatrie betrachtet werden. Der Zeitpunkt der Konstituierung ist mit dem 1.
Internationalen Kongress 1937 in Paris zu sehen, dessen Präsident der französische
Kinderpsychiater HEUYER den ersten Lehrstuhl dieses Faches innehatte (vgl. Berger, 2007a:10).
36
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
1940 fand der Gründungskongress der Deutschen Gesellschaft für KJP in Wien statt. Trotzdem war
die Aufgabe der KJP zu dieser Zeit die einer „Ordnungs-, Auslese- und Vernichtungspsychiatrie“,
was eine „nicht-tilgbare“ Hypothek für dieses Fach darstellt (vgl. ebd. 10ff.).
3.4 Die Zeit nach 1945
Einige Psychiater der NS- Zeit wirkten auch nach dem Krieg als angesehene Wissenschaftler
weiter. Die Ideologie blieb allerdings gleich verachtend gegenüber psychisch kranken Menschen.
Unter Juristen gab es die Diskussion, um eine Verbesserung der Persönlichkeitsrechte psychisch
Kranker. Von Seiten der Medizin wurde allerdings entgegnet, dass diesen weiterhin bestimmte
Rechte
vorenthalten
bleiben
sollten,
da
sie
weder
zur
Selbstbestimmung
noch
zur
Verantwortungsübernahme fähig wären.
Mit der Einführung der Psychopharmaka fand sich eine medizinische Behandlung, die trotz
Nebenwirkungen im Vergleich zu Schocktherapien etc. als schonend bezeichnet werden kann.
Außerdem wurden Behandlungsmöglichkeiten vielfältiger und somit die Zahl der als „unheilbar“
Geltenden geringer. Darum hielt man am naturwissenschaftlichen Ansatz fest und konzentrierte sich
auf die Medikation. Dies führte dazu, dass viele Menschen entweder dauerhospitalisiert blieben
oder zu so genannten „Drehtürpatienten“ wurden. Die Hospitalisierung ging mit Merkmalen wie
etwa dauerhafter sozialer Rückzug einher, was lange Zeit auch als Krankheitssymptom interpretiert
wurde. Tatsächlich wurden diese Symptome durch Bedingungen wie fehlendem Kontakt zur
Außenwelt, erzwungener Untätigkeit, dem autoritären Verhalten von Ärzten und dem
Pflegepersonal, Medikamenten, der Anstaltsatmosphäre etc. im Zusammenhang mit dem
Klinikaufenthalt verursacht.
Bis weit in die 60er Jahre konnte die Psychiatrie glaubhaft versichern, dass sie den Kranken Asyl
bot und sie vor den Ansprüchen der normalen Welt schützte. Diese Aufgabe wurde meist von
unzureichend ausgebildetem Pflegepersonal übernommen, das strukturell überfordert war und
alltäglich mit den Betroffenen zu tun hatte (vgl. Dörr 2005: 140 f.).
Alexander Mitscherlich (1908-1982) war nach 1945 einer der bekanntesten Symbolfiguren in der
psychiatrischen Neuorientierung. Er kritisierte die gängigen NS- Praktiken und veröffentlichte
Material zur Anklage dieser gnadenlosen Menschen. Auch Thure von Uexküll arbeitete das
Vergangene als Bestandteil der Psychiatrie-Geschichte auf, die bis dato noch erheblichen Einfluss
hatte. Diese Aufarbeitung wurde auch z.B. von Dörner in seiner Psychiatriekritik „Bürger und Irre“
(1969) gefordert. Er verlangte eine dringend notwendige Selbstaufklärung der Psychiatrie, die
Adorno und Horkheimer allgemein für die Naturwissenschaften forderten: „Was die Atombombe
37
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
von Hiroshima für die Physik, sind die Gaskammern von Hadamer für die Psychiatrie“ (Blasius
1986:9 zit. nach Dörr, 2005: 140)
Dennoch war das Töten mit 1945 nicht beendet, sondern ging noch bis 1950 weiter. In der
Nachkriegszeit ließ man die verbliebenen Patienten in den psychiatrischen Anstalten verhungern
und stahl ihr Essen (vgl. Berger, 2007a: 12).
Sehr lange (bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts) galten psychiatrische Krankenhäuser und
Anstalten als totale Institutionen, in denen ein Machtverhältnis ausgenutzt wurde. Es waren
etablierte Institutionen mit Zwangsstrukturen und hierarchischen Beziehungen. Psychisch Kranke
waren sehr lange Menschen, die brutal unterdrückt wurden (vgl. Pirella, 1973: 204ff.) und nahezu
keine Rechte hatten. Um dieses zu ändern waren die Italiener Franco Basaglia und seine Frau
richtungweisend, die geschlossene Abteilungen mit beachtlichen Heilungserfolgen geöffnet haben.
Der Neubeginn in der 2. Republik wurde aus mehreren Quellströmen gespeist. Einerseits aus dem
der Heilpädagogik, die in Österreich vor allem von Hans ASPERGER vertreten wurde; andererseits
aus der Mental Health – Bewegung und aus der Child guidance Bewegung. Auf diesem Hintergrund
entwickelte sich die klinische KJP neben der bereits bestehenden Heilpädagogik. In dieser Zeit
waren allerdings noch große Anstalten und Institutionen für die Versorgung von Kindern und
Jugendlichen zu finden, Kinderhäuser in Landes-Heil und Pflegeanstalten, geschlossene Heime in
der Jugendfürsorge sowie geschlossene Justizanstalten. Die KJP hat sich mit diesen Anstalten
auseinandergesetzt und diese problematisiert. Ab 1970 wurden dann schließlich Bemühungen
unternommen, um die alten Strukturen zu ändern. Walter SPIEL war in dieser Zeit einer der
Hauptinitiatoren dieser Reformen (vgl. ebd.: 13f.).
„In diesen Jahren wurden in der Kooperation von Kinderpsychiatrie und Jugendwohlfahrt- zum
gegenseitigen Nutzen- zahlreiche neue Betreuungsprojekte initiiert und erprobt“ (Berger,
2007a:14). Die Hauptentwicklung dieser Periode bis etwa zum Jahr 1975 bestand darin, dass
Anstaltsstrukturen überwunden wurden und langsam psychosoziale Netzwerke aufgebaut wurden
(vgl. ebd.).
Im Jahr 1975 erfolgten die Gründung der ersten, und bis heute einzigen, Universitätsklinik in Wien
sowie die Einrichtung des Additivfaches „Kinder- und Jugendneuropsychiatrie“. Damit etablierte
sich die KJP in unserem Land mit den Kernideen von Walter SPIEL. Diese Kernideen finden sich
in dem bio-psychosozialen sowie biografischen Modell, sowie in der Idee der Psychotherapie als
38
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
Handwerkszeug der KJP und in der Arbeit in sozialpsychiatrischen Netzwerken wieder (vgl.
Berger, 2007a:16ff.).
Noch in den 80er Jahren kam der KJP in der Steiermark im Gegensatz zu anderen Bundesländern
wenig bis gar keine Bedeutung zu. Helga Baumann schreibt 1988 dazu: „Nahezu alle
österreichischen Bundesländer sind jugendpsychiatrisch besser versorgt als die Steiermark“
(Baumann, 1988: 11). In Wien gab es zu diesem Zeitpunkt bereits eine eigene Klinik für Neurologie
und Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters während Salzburg und Tirol eine Abteilung hatten.
Baumann schreibt zur kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung im Jahr 1988: „Der Istzustand
in der Steiermark ist besonders für Mädchen äußerst ungünstig, die im Krisenfall auf die
Frauenstation des Landessonderkrankenhauses eingewiesen werden und dort über Wochen stationär
bleiben. Uns fehlt in der Steiermark sowohl das auf Kinder und Jugendliche spezialisierte
psychiatrische stationäre Angebot (in Salzburg 9 Betten!) als auch das ambulante Therapieangebot“
(Baumann, 1988:12).
3.5 Die Gegenwart
Die aktuelle Situation der KJP in Österreich ist geprägt durch ein unüberschaubares Angebot an
Einrichtungen, die teilweise auch am Namen nicht als kinder- und jugendpsychiatrische
Einrichtungen gekennzeichnet sind. Diese sind in unterschiedlichen Strukturen angesiedelt, und
werden von unterschiedlichen Trägern finanziert. Trotzdem sind diese „nicht in der Lage, eine
moderne Vollversorgung der Bevölkerung im Sinne der WHO zu gewährleisten“(ThunHohenstein, 2007: 21).
Zur Allgemeinsituation in Österreich schreibt Thun-Hohenstein (2007: 29):
Es stehen in Summe […] in der stationären Akutversorgung zur Zeit 252 kinderpsychiatrische und
29 neuropsychiatrische Betten zur Verfügung. Bei einer Gesamtbevölkerung von 8 Mio Menschen
würden nach den Berechnungen des ÖBIG in Österreich ca. 800 kinder+jugendpsychiatrische
Betten benötigt.
3.6 Das Verhältnis von Kinder- und Jugendpsychiatrie und Pädagogik
Um über die Bedeutung der (Sozial-) Pädagogik in der Psychiatrie zu sprechen, ist es notwendig,
darauf hinzuweisen, dass bereits die absolutistischen Zucht- und Arbeitshäuser von einem
pädagogischen Diskurs begleitet wurden, insbesondere bezog sich dieser Diskurs auf Methoden zur
Besserung der Insassen. Foucault meint, dass im Zuge der „Pädagogisierung aller Mittel“
ursprüngliche medizinische Mittel zu pädagogischen gemacht wurden. Engel hingegen zeigt auf,
dass das wesentliche Moment in der Psychiatrie in der Medizinalisierung von bisher gängigen
39
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
Besserungspraktiken, auch die einer „schwarzen Pädagogik“ liegt. Vormals pädagogische
Methoden wurden als medizinische Heilmethoden deklariert und umgekehrt: pädagogische
Praktiken wurden an den Rand gedrängt und als unwissenschaftlich verhöhnt. Durch eine bessere
Abschottung von anderen sollte vor allem eine eventuelle Ansteckung verhindert werden. Der Arzt
wurde somit der Beschützer der Bevölkerung, statt der Retter der Eingeschlossenen. Besonders
interessant ist, dass die Lage der psychisch Kranken zu diesem Zeitpunkt vor allem aus
medizinischen Veröffentlichungen hervorgeht. Der alltägliche Umgang wird weitgehend als
unwissenschaftlich deklariert und somit ausgeblendet (vgl. Dörr 2005: 129f.).
Die Entstehung der Psychiatrie kann, wie schon erwähnt,
nur im Zusammenhang mit einer
Sozialgeschichte der Armut und der Formen bürgerlicher Armenfürsorge gesehen werden.
Eine Wurzel, die bis heute das Verhältnis von Pädagogik und Psychiatrie prägt, ist die am Anfang
des 19. Jahrhunderts propagierte „neue Heilmethode“ der medizinischen Psychiatrie, die
„psychische Kurmethode“, die HERZOG (1984) als „irrenärztliches Pädagogentum“ darstellte. Das
Werk „Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen“
von Johann Christian REIL (1803) wird als Beginn einer deutschsprachigen Psychiatrie bezeichnet.
Die Entschlüsselung seiner Ausführungen macht das dialektische Verhältnis von Pädagogik und
Psychiatrie deutlich. Die pädagogischen Zucht- und Besserungsmittel, die er in seinem Entwurf
aufgenommen hatte, galten vordergründig für die Gruppe der „Unheilbaren“, die wiederum vom
Bereich der Psychiatrie ausgenommen wurden. Doch genau genommen hatten pädagogische Zuchtund Besserungsmittel für den gesamten Bereich der Psychiatrie eine fundamentale Bedeutung:
Die Anwendung der psychiatrischen Heilmittel setzte in jedem Fall den absoluten Gehorsam des
Kranken voraus. War dieser Gehorsam nicht freiwillig, sollte er mit den pädagogischen Mitteln
des Zucht- und Arbeitshauses erzwungen werden. Insofern lassen sich diese pädagogischen Mittel
als Basis der psychiatrischen Behandlung verstehen, obgleich sie von Reil manifest nur als
untergeordnete Elemente einer medizinischen Gesamttheorie – sie dienten der Vorbereitungsphase
der Behandlung- dargestellt wurden (Dörr, 2005: 132).
Im Grunde kann gesagt werden, dass die medizinische Psychiatrie von REIL auf pädagogische
Praktiken angewiesen blieb, obwohl sie ursprünglich versuchte, diese zu überwinden (vgl. ebd.:
132).
Bei grundsätzlicher Betrachtung vertreten Psychiatrie und Pädagogik, damals wie auch heute,
unterschiedliche Handlungsansätze. Die Medizin verfolgt ein Handlungsmodell, das von einem
Defizit oder von einer Störung ausgeht. Die Pädagogik auf der anderen Seite orientiert sich am
Modell der Förderung und will sich an den gesunden Anteilen im Menschen orientieren (vgl. du
Bois, 2004: 421). Diese beiden Ansätze nähern sich allerdings immer mehr an. So versucht auch die
Psychiatrie vor allem durch die Theorie der Salutogenese von ANTONOVSKY, ebenfalls von
40
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
diesem rein defizitorientierten Krankheitsmodell wegzugehen und auch die gesunden Anteile im
Menschen mit einzubeziehen.
Einige für die Entwicklung der KJP wichtige Therapeuten wie etwa Redl, Adler, Aichhorn oder
Bettelheim kamen aus der Heimpädagogik und der Sozialarbeit. Bei der Gründung
kinderpsychiatrischer Stationen, in Deutschland und der Schweiz, wie etwa beim „Neuhaus“ oder
der psychiatrischen Klinik „Waldau“ in Bern, standen heilpädagogische Heime im süddeutschen
Raum und in den Alpenländern Pate. Die pädagogisch- medizinische Interdisziplinarität war hier
von Anfang an sehr bedeutsam (vgl. du Bois, 2004: 423).
Auch in Österreich wurde von Beginn der KJP an der Pädagogik ein sehr hoher Stellenwert
eingeräumt. Schon LAZARs Publikationen geben Auskunft über die enge Verbindung von
Pädagogik, Psychiatrie und Psychologie vor und nach 1900. In einem Vortrag, den er 1907 über die
Hilfsschulbewegung hielt, versuchte er den Zusammenhang der Disziplinen deutlich zu machen.
Hier machte er vor allem auf die Chancen aufmerksam, die die Beobachtung des Hilfsschulkindes
beim Erlernen des Lesens, Schreibens und Rechnens biete, aufmerksam. Diese Beobachtungen
würden wichtige Anhaltspunkte geben, um das Wesen psychischer Störungen genauer zu erfassen
(vgl. Rudolph/Benetka, 2007b: 30).
ASPERGER und SPIEL, die als Begründer der KJP in Österreich gelten haben sich beide mit der
Pädagogik auseinander gesetzt. ASPERGER versuchte die diesbezüglich relevanten Gebiete der
Pädagogik als integratives Fachgebiet unter der Bezeichnung „Heilpädagogik“ zusammen zu
fassen. Auch SPIEL räumte dem Pädagogischen einen hohen Stellenwert ein. Durch die
Bezeichnung der Kinder- und Jugendneuropsychiatrie ordnete er diese eindeutig der Medizin zu, an
seiner Klinik gab es allerdings von Anfang an Heilstättenlehrer und –klassen, SozialpädagogInnen
und Kindergärtnerinnen (vgl. Leixnering, 2007: 91ff.). „Darüber hinaus schuf er gemeinsam mit
HEITGER ein interfakultäres Institut für Sonder- und Heilpädagogik der Universität Wien, mit dem
Anspruch, dem auch aus seiner Sicht enorm wichtigen ‚weiten Land’ spezialisierter Pädagogik für
Kinder/ Jugendliche mit Entwicklungsstörungen und psychischen Krankheiten auch eine
eigenständige akademische Begründung zu geben“ (ebd.: 93).
ASPERGER hat sich ebenfalls um die Aus- und Weiterbildung pädagogischer Berufe gekümmert.
Auch hat er wesentlich die Heilpädagogische Gesellschaft Österreich mitbegründet und –gestaltet.
Heute muss die KJP vor allem in der Wissensvermittlung für alle pädagogischen Berufe eine
Aufgabe
übernehmen.
Für
LehrerInnen,
41
HortnerInnen,
BehindertenpädagogInnen,
Historische Aspekte der Kinder und Jugendpsychiatrie in Österreich
SozialpädagogInnen,
FamilienpädagogInnen,
Pflegeeltern
etc.
wird
kinder-
und
jugendpsychiatrisches Wissen immer wichtiger, vor allem weil man davon ausgeht, dass in Europa
etwa 20% aller junger Menschen psychosoziale, psychische oder Verhaltensprobleme haben, von
denen 5% einen psychiatrischen Interventionsbedarf haben (vgl. Leixnering, 2007: 96).
Leixnering (2007: 103) fordert weiters für jene PädagogInnen mit akademischem Abschluss, die in
der KJP bzw. im klinischen Alltag tätig sind, eine eigene Bezeichnung der „Klinischen
HeilpädagogInnen“ und damit verbunden auch die Verankerung im Curriculum.
Generell ist anzumerken, dass in den letzten Jahren innerhalb der Psychiatrie wiederum ein
Umdenken stattgefunden hat, indem man weg von einem rein somatischen Modell von psychischer
Krankheit hin zu einem biopsychosozialen Krankheitsmodell geht, in dem nicht nur die
körperlichen Defizite miteinbezogen werden, sondern der Mensch in seiner Ganzheit mit all seinen
sozialen Bezügen gesehen wird (vgl. Dörr, 2005: 21ff.). Diese Entwicklung macht die
Zusammenarbeit von Pädagogik und Psychiatrie, vor allem im Bereich KJP notwendig.
In der Literatur wird mit dem Begriff der Pädagogik meist die Jugendwohlfahrt verbunden. Dabei
stellt sich nicht die Frage nach entweder Pädagogik oder Psychiatrie. Wir haben es mit Kindern und
Jugendlichen mit schwierigen Lebensläufen zu tun. Schon alleine aufgrund dieser Tatsache darf die
Pädagogik in der KJP nicht ausgeblendet werden. Sie muss ebenso wie die Medizin eine zentrale
Rolle spielen. In der Realität sind heute in der KJP auch Mitarbeiter aus nicht- medizinischen
Professionen beschäftigt. Diese prägen ebenfalls das therapeutische Milieu. Umgekehrt sind
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt häufig mit Kindern in Krisensituationen und mit psychischen
Krankheiten beschäftigt. Folglich sind diese oft mit den gleichen Fragestellungen befasst wie eine
kinder- und jugendpsychiatrische Klinik (vgl. du Bois, 2004: 422 f.).
De facto ist die KJP ohne pädagogisches Engagement nicht denkbar, da pädagogische
Handlungsfelder den Rahmen schaffen, innerhalb dessen sich Entwicklung und Fehlentwicklung
gestalten.
42
Die Klientel der Kinder- und Jugendpsychiatrie
4 Die Klientel der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Bevor wir daran gehen, über die unterschiedlichen Diagnosen zu sprechen, die in der KJP
vorzufinden sind, ist zu erwähnen, dass diese Kinder und Jugendliche oftmals ähnliche Erfahrungen
in ihren Lebensgeschichten zu verzeichnen haben. Wenn wir hier also von Diagnosen wie sozialen
Anpassungsstörungen, Depressionen u.ä. sprechen, müssen wir uns bewusst sein, dass es sich
hierbei im metaphorischen Sinn nur um die Blätter eines Laubbaumes handelt. Die Wurzeln dieser
Krankheiten sind jedoch meist sehr ähnlich.
Diese Kinder und Jugendlichen haben in ihren frühen Lebensjahren häufig massive
Vernachlässigungserfahrungen gemacht oder andere Traumatisierungen erfahren. Aufgrund der
damit verbundenen Bedrohungen der emotionalen, sozialen und realen Bedürfnisse entwickeln sie
oft spezifische Handlungsmuster und Überlebensstrategien, die in diesem Zusammenhang auch als
sinnvoll und sachlogisch erscheinen. Zu einem späteren Zeitpunkt, abhängig von situativen
Bedingungen, erscheinen dieselben Handlungsmuster dann als kontraproduktiv, weil sie im
Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen nicht mehr verstanden werden. Die Kinder werden
schließlich schnell als „sozial auffällig“ eingeordnet und gelten als „nicht normal“. Das soziale
Umfeld reagiert meist mit Ausgrenzung (vgl. Ader, 2004a: 443).
Klar ist also, dass die meisten der Kinder und Jugendlichen, die psychiatrisch auffällig oder als
besonders schwierig bezeichnet werden, auch ein Trauma erlebt haben, das entweder durch ein
traumatisches Einzelereignis (z.B. eine Naturkatastrophe, schwerer Unfälle, schwerwiegende
Verlusterlebnisse, einmalige Gewalttätigkeiten etc.) oder aber durch chronische/ wiederholte
Ereignisse
(z.B.
Vernachlässigung,
chronische
familiäre
oder
außerfamiliäre
Gewalt,
Kindesmisshandlung, sexueller Missbrauch, Krieg, Flucht oder Folter etc.) hervorgerufen wurde.
„Bei beiden Formen der Traumatisierung kann man davon ausgehen, dass es zu vielfältigen
Folgeerscheinungen und unterschiedlichen –erkrankungen kommen kann“ (Purtscher, 2007: 70). In
diesem Zusammenhang finden sich spezifische Traumafolgeerscheinungen, zu denen etwa akute
Belastungsreaktionen,
posttraumatische
Belastungsstörungen
oder
traumatische
Entwicklungsstörungen zählen, und unspezifische Traumafolgeerscheinungen, die sich in Form von
Depressionen,
Anpassungsstörungen,
Angststörungen,
Verhaltensstörungen,
Beschwerden oder psychogenen Schmerzsyndromen ausdrücken (vgl. ebd.: 71).
43
somatoformen
Die Klientel der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Nachdem in dieser Arbeit besonders jene Kinder und Jugendliche in den Blick genommen werden
sollen, die sowohl zum Klientel der KJP als auch zum Klientel der Jugendwohlfahrtseinrichtungen
gehören, ist es besonders wichtig, sich ins Bewusstsein zu rufen, dass es sich meist um
traumatisierte Kinder und Jugendliche handelt. Von besonderer Bedeutung ist es zu wissen ist, dass
bei diesen Kindern und Jugendlichen bestimmte Situationen bzw. Ereigniskonstellationen zu einer
Wiederholung des Traumas bzw. zu einer Retraumatisierung führen können. Im Alltag ist es daher
notwendig, „neuerliche Traumaexpositionen bzw. die Konfrontation mit Triggern zu vermeiden und
besonders auf stabilisierende und Sicherheit vermittelnde Interventionen zu achten“ (Purtscher,
2007: 78).
In der KJP werden Kinder und Jugendliche mit den unterschiedlichsten Diagnosen behandelt. An
dieser Stelle ist zu erwähnen, dass jedem Kind oder jedem Jugendlichen bei der Aufnahme eine
Diagnose nach dem ICD 10 zugeschrieben wird. Dies ist notwendig, um die Finanzierung des
Aufenthaltes von Seiten der Krankenkassen zu garantieren. Mit der internationalen Klassifikation
psychischer Störungen fand man in den 90er Jahren einen eher beschreibenden Ansatz, welcher die
verwirrende Vielfalt an unterschiedlichen Theorien und Behandlungsansätzen überwinden helfen
soll. Der Begriff der „Krankheit“ wurde durch „Störung“ ersetzt und das ICD 10 versucht der
Tatsache Rechnung zu tragen, dass es nicht eine Theorie für das Entstehen einer Störung gibt (vgl.
Köttgen, 1998: 87). Im Sinne des oben erwähnten Labeling- Ansatzes handelt es sich hier um eine
notwendige Etikettierung mit all ihren positiven wie auch negativen Konsequenzen.
Im speziellen werden Kinder und Jugendliche auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station der
Landesnervenklinik Sigmund Freud behandelt bei:
–
depressiven
Erkrankungen,
Angststörungen,
Psychosen,
Essstörungen,
Hyperaktivität und Verhaltensauffälligkeiten
–
akuten Krisen nach traumatischen Lebensereignissen
–
bei selbst verletzendem Verhalten, Suizidgefahr, nach Suizidversuchen
–
bei sozialen Eingliederungsschwierigkeiten und Schulproblemen
Die Klientel von stationären Fremdunterbringungsmöglichkeiten in der Jugendwohlfahrt wird auf
der anderen Seite von Klawe (1993: 20) folgendermaßen beschrieben:
In die Heimerziehung eingewiesen werden Jugendliche, die auffälliges oder abweichendes
Verhalten gezeigt haben, oder solche, bei denen eine drohende Verwahrlosung vermutet wird, oder
deren kontinuierliche Erziehung und Versorgung nicht sichergestellt ist, weil sie einen oder beide
Elternteile verloren haben, oder diese aus verschiedenen Gründen ihrer Erziehungsaufgabe nicht
nachkommen können. Das Spektrum der als auffällig definierten Verhaltensweisen reicht von
Widersetzlichkeit gegen Erwachsene, Fortlaufen und Umhertreiben, Schulschwänzen und
Arbeitsbummelei, sexuellen und aggressiven Auffälligkeiten hin bis zu Sachbeschädigung und
Eigentumsdelikten.
44
Die Klientel der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Angesichts der negativen Faktoren, mit denen viele der Kinder und Jugendlichen belastet sind, die
im Rahmen der Jugendwohlfahrt betreut werden, müssen wir uns laut Bruno Bettelheim (1988: 17)
klarmachen, „dass die ‚Substruktur’ der Persönlichkeit des Kindes immer schwach bleiben wird.
Die Grundlage für die Entwicklung seiner Persönlichkeit ist im Säuglingsalter und in der frühen
Kindheit gelegt worden. Wir können sie vielleicht hier und dort verstärken, gleichsam abstützen,
aber wir können dem Kind keine neue Substruktur geben. Wir müssen versuchen, dem Kind zu
helfen, auf dieser von Haus aus schwachen und nur zum Teil ‚umgebauten’ Grundlage genug IchStärke und Persönlichkeitsintegration zustande zu bringen, so dass seine beschränkten inneren
Kraftreserven es durchtragen, selbst wenn die äußeren Umstände es im Stich lassen.“
Wir haben es also in beiden Systemen- der KJP und der Jugendwohlfahrt- mit Kindern und
Jugendlichen zu tun, die nicht nur frühe Traumatisierungen erlebt haben, sondern durch
unterschiedliche Faktoren keine bzw. nur wenig Gelegenheit hatten, sich förderlich zu entwickeln.
Es ist natürlich unumstritten, dass es auch Kinder und Jugendliche gibt, die es trotz widriger
Umstände schaffen, eine starke Persönlichkeit zu entwickeln. Diese Kinder und Jugendlichen,
werden jedoch meist nicht zur Klientel der KJP oder der Jugendwohlfahrt.
Schon hier kann man deutlich erkennen, dass es in Bezug auf die Klientel der KJP und der
stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt Ähnlichkeiten und Überschneidungen gibt. Kinderund Jugendliche, die von diesen beiden Systemen betreut werden, sollen im Weiteren wie bereits
definiert als „Grenzfälle“ bezeichnet werden.
45
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5 Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und
Jugendpsychiatrie
Wie
bereits
festgestellt
wurde,
ist
pädagogisches
Handeln
auf
einer
kinder-
und
jugendpsychiatrischen Station von allen Berufsgruppen gefordert. In diesem Kapitel sollen die
Rahmenbedingungen für die Sozial- und Heilpädagogik auf der kinder- und jugendpsychiatrischen
Station der LSF Graz beschrieben und Grenzen, die durch diese Rahmenbedingungen gegeben sind
dargestellt werden. In weiterer Folge wird das pädagogische Konzept speziell für die Situation in
Graz beschrieben. Außerdem soll allgemein auf den Unterschied zwischen Therapie und Pädagogik
eingegangen werden, da dies speziell auf kinder- und jugendpsychiatrischen Stationen immer
wieder zum Thema gemacht wird.
In einem weiteren Kapitel soll auf sozial- und heilpädagogische Diagnostik eingegangen werden
und vor allem diese in Bezug auf die kinder- und jugendpsychiatrische Station in Graz beschrieben
werden. Weiters wird darauf eingegangen, was Sozial- und Heilpädagogik im Rahmen der KJP
leisten kann, da dieses Feld für die Sozial- und Heilpädagogik ein relativ junges ist. In einem letzten
Kapitel werden die Leitperspektiven sozial- und heilpädagogischen Handelns im Rahmen der KJP
dargestellt.
5.1 Rahmenbedingungen für sozial- und heilpädagogisches Handeln
In
diesem
Kapitel
sollen
vor
allem
die
strukturellen,
personellen
und
rechtlichen
Rahmenbedingungen beschrieben werden, die unumgänglich auch Auswirkungen auf das
pädagogische Handeln und vor allem die Erstellung des pädagogischen Konzeptes haben und
hatten.
5.1.1 Strukturelle Rahmenbedingungen
Die kinder- und jugendpsychiatrische Abteilung der Landesnervenklinik Sigmund Freud gliedert
sich in drei Gruppen. Einerseits wird hier unterschieden zwischen der Kindergruppe, der alle
schulpflichtigen Kinder (8-15 Jahre) zugeteilt werden, einer Jugendgruppe, in der Jugendliche
zwischen 15 und 18 Jahren behandelt werden, und einer Intensivgruppe, der Kinder- und
Jugendliche, die einen besonderen Betreuungsbedarf haben, zugeordnet werden. Jeder dieser
Gruppen ist ein multiprofessionelles Bezugsteam zugeteilt, das in der Folge noch beschrieben wird.
46
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5.1.1.1 Teilstationäre Behandlungsform: Tagesklinik
Die Tagesklinik ist eine Form der Behandlung, die einerseits dazu dienen soll, Kinder- und
Jugendliche nach einem stationären Aufenthalt schrittweise auf die Entlassung nach Hause oder in
eine Einrichtung vorzubereiten.
Andererseits
sind
im
Rahmen
der Tagesklinik
auch
Untersuchungen zur psychiatrischen Abklärung möglich. Weiters kann die Behandlung von
vornherein in einem tagklinischen Setting geplant werden.
Wenn ein Kind oder Jugendlicher tagklinisch behandelt wird bedeutet dies für die Situation in Graz,
dass er/sie morgens zwischen 8.00 und 8.30 auf die Station kommt, dort gemeinsam mit den
stationären PatientInnen den Tag im Rahmen der stationären Tagesstruktur verbringt und um 17.00
wieder nach Hause gehen kann. Die Besonderheit besteht hier darin, dass es keinen eigenständigen
tagklinischen Bereich mit eigenen Angeboten gibt, sondern dass diese PatientInnen in den
Stationsalltag mit eingebunden sind.
Diese Form der Behandlung ist vor allem als Übergang vom stationären Setting vor der endgültigen
Entlassung eine Möglichkeit, das Kind oder den Jugendlichen noch ein Stück weit zu begleiten.
Auch im Sinne der Lebensweltorientierung ist die Tagesklinik ein guter Ansatz, um Kinder- und
Jugendliche psychiatrisch zu behandeln und sie gleichzeitig in ihrem familiären Umfeld zu
belassen.
5.1.1.2 Ambulanz
Die kinder- und jugendpsychiatrische Ambulanz wird vorwiegend nach stationären Aufenthalten als
Kontrolltermin in Anspruch genommen. Hierzu ist zu sagen, dass fast nach jedem stationären
Aufenthalt zumindest ein, wenn notwendig auch mehrere ambulante Termine im Sinne der
Nachsorge durchgeführt werden.
Auch ambulante Gespräche zur Krisenintervention werden durchgeführt. Nicht jedes Kind bzw.
jeder Jugendliche, wird sofort stationär aufgenommen; bei einigen sind ein ambulantes entlastendes
Gespräch und ein weiterer Termin ausreichend. Dies wird dann von Fall zu Fall vom Arzt
entschieden. Hierzu ist zu erwähnen, dass es zum Zeitpunkt der Erhebung noch keinen eigenen
Ambulanzarzt gegeben hat. Mittlerweile ist ein Arzt alleinig für die Ambulanz zuständig, was zur
Folge hat, dass mehr Kinder und Jugendliche ambulant betreut werden können.
5.1.1.3 Stationärer Bereich
Der stationäre Bereich der kinder- und jugendpsychiatrischen Station der Landesnervenklinik
Sigmund Freud in Graz gliedert sich in einen offenen Bereich und einen geschützten
(geschlossenen) Bereich. Diese sollen im Folgenden genauer erklärt werden.
47
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5.1.1.3.1 Offene Unterbringung
Der offene Bereich der Abteilung beinhaltet einen Bereich für die Jugendgruppe, einen für die
Kinder- und an die geschützte Abteilung angrenzend einen eigenen Bereich für die Intensivgruppe.
5.1.1.3.2 Geschlossene Unterbringung
Die
geschlossene
Unterbringung
in
Intensivbehandlung. Sie wird notwendig,
der
KJP
ist
eine
Sonderform
der
stationären
wenn bei Kindern und Jugendlichen aufgrund ihrer
Problematik bzw. ihres Krankheitsbildes eine besondere Gefährdungssituation vorliegt und keine
andere Möglichkeit der Behandlung gegeben ist (vgl. Rüth, 2006: 3).
Grundsätzlich wird eine Klinikbehandlung dann als geschlossene Unterbringung angesehen, „wenn
sie gegen den ausdrücklichen Willen des Minderjährigen stattfindet und der Jugendliche sich aus
der Behandlung nur durch Überwindung einer ‚Absperreinrichtung’, wie zum Beispiel einer
geschlossenen Stationstür, entfernen kann“ (ebd.: 4).
Der geschlossene oder geschützte Bereich besteht meist aus mehreren Räumen, die von der
restlichen Station abgegrenzt sind und versperrt werden können. Auf kleineren Stationen kann es
allerdings durchaus der Fall sein, dass die geschlossene Unterbringung auf der an sich offenen
Station bei dann geschlossener Stationstüre stattfindet (vgl. ebd).
Für eine fachlich gute Behandlung sind im geschlossenen Bereich einer Station besondere
Sicherungsmöglichkeiten notwendig. Ein kleines Beispiel in dieser Hinsicht ist, dass Besteck nur
abgezählt auszugeben und wieder einzusammeln ist, oder dass Kinder und Jugendliche nach
begleiteten Ausgängen auf gefährliche Gegenstände untersucht werden (vgl. Rüth, 2006: 9). Die
Behandlung in einer geschlossenen Abteilung erfordert ein hohes Maß an Professionalität auf allen
Behandlungsebenen (vgl. ebd.:16).
In diesem Bereich können nur jene Kinder- und Jugendlichen behandelt werden, bei denen das
Unterbringungsgesetz (1990) Anwendung findet. Hier gibt es genaue Vorgaben und Richtlinien, die
im Kapitel Unterbringungsgesetz näher beschrieben werden.
Die geschlossene Unterbringung in der KJP wurde bis zum jetzigen Zeitpunkt nur eingeschränkt
zum Thema wissenschaftlicher Untersuchungen gemacht. Die meisten Veröffentlichungen befassen
sich mit qualitativen oder rechtlichen Aspekten. Quantitativ konnte Kowerk (1990) allerdings für
48
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Deutschland belegen, dass nach der Abschaffung geschlossener Heime in Hamburg eine
Verschiebung in die KJP stattfand (vgl. Rüth, 2006: 3).
Wichtig zu erwähnen ist, dass rein rechtlich die geschlossene Unterbringung in der KJP nur dann
indiziert ist, wenn eine akute Gefährdung psychiatrisch und nicht durch Sozialverhaltensstörung
oder Kriminalität bedingt ist (vgl. ebd.: 8).
5.1.2 Personelle Rahmenbedingungen- das multiprofessionelle Team
Die KJP ist eine Fachdisziplin, die wie fast keine andere einem multidisziplinären Ansatz
verpflichtet ist. Immer stärker setzt sich die Erkenntnis durch, dass eine Erfolg versprechende
Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Leiden nur dann möglich ist, wenn
Fachleute unterschiedlicher Disziplinen intensiv zusammenarbeiten. Neben Krankenschwestern und
–pflegern, ÄrztInnen und PsychologInnen sind PädagogInnen (sowohl Sozial- als auch
HeilpädagogInnen), SozialarbeiterInnen, PhysiotherapeutInnen, ErgotherapeutInnen sowie Kunstund MusiktherapeutInnen sind für die Mitarbeit in kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken
vorgesehen. Durch die Integration einer Schule für die kranken Kinder und Jugendlichen tragen
auch LehrerInnen zum multidisziplinären klinischen Behandlungsangebot bei (vgl. Schmeck, 2004:
251).
Zunächst ist die KJP ein medizinisches Gebiet, doch wenn man psychische Erkrankung als Zeichen
einer Beeinträchtigung menschlicher Erlebnis- und Handlungsmöglichkeiten sieht, dann scheint es
plausibel, dass „gerade bei Kindern und Jugendlichen eine strikte Trennung zwischen
Krankheitsbehandlung und Erziehungsbedürftigkeit nicht sinnvoll sein kann. Die KJP wird
zunehmend als eine Fachdisziplin verstanden, die Aspekte der Medizin, Neuropsychiatrie,
Heilpädagogik,
Psychologie,
Psychoanalyse,
Soziologie,
Krankenpflege,
Arbeits-
und
Beschäftigungstherapie sowie Pädagogik und Jugendhilfe integriert“ (Dörr, 2005: 37).
Die erforderliche Vernetzung der unterschiedlichen Professionen bedeutet für die einzelnen
Mitarbeiter eine verstärkte Notwendigkeit zur Kooperation mit anderen Berufsgruppen. Sie müssen
lernen, ihre berufsbezogenen Qualifikationen und Methoden mit den Augen der anderen zu sehen
und sie gegebenenfalls zu verteidigen, allerdings ohne sie absolut zu setzen, was die Herausbildung
einer eigenen Berufsidentität sehr erschwert (vgl. ebd.: 38).
Hier soll kurz dargestellt werden, welche Aufgabenbereiche die einzelnen Berufsgruppen in der
Praxis auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen Station haben.
49
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
So sind die Aufgaben der Ärzteschaft eindeutig definiert. Neben der Diagnostik und
Differentialdiagnostik psychischer Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters besteht ihre
Aufgabe in medizinischen Untersuchungen, der Pharmakotherapie, aber auch der Psychotherapie
sowie der Einbeziehung der erwachsenen Bezugspersonen. An vielen Kliniken sind Kinder- und
Jugendpsychiater auch in der Weiterbildung für andere Berufsgruppen wie z.B. Pädagogen,
Krankengymnasten, Musiktherapeuten usw. tätig. An Universitätskliniken kommt auch noch der
Aufgabenbereich der Forschung hinzu (vgl. Remschmidt, 2005: 481).
Zusätzlich zu den Ärzten gehören auch klinische PsychologInnen zum festen Mitarbeiterstab an
kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken. Ihr Aufgabenbereich hat breite Berührungspunkte mit
dem der Ärzte. Zu den Hauptaufgaben der klinischen PsychologInnen gehören vor allem die
Psychodiagnostik, die Durchführung von Therapien sowie ebenfalls die Mitarbeit in Forschung und
Lehre (vgl. ebd.).
Außerdem sind auch Psychotherapeuten auf kinder- und jugendpsychiatrischen Klinken tätig. Deren
vordergründige Aufgabe ist die Durchführung von Therapien und die Erstellung von
Behandlungsplänen im multiprofessionellen Team. Hierzu ist jedoch zu sagen, dass sehr viele
ÄrztInnen und PsychologInnen zusätzliche Therapieausbildungen haben.
Einen großen Teil des multiprofessionellen Teams bilden Schwestern und Pfleger, für die in der
KJP pädagogische und psychologische Aufgaben im Vordergrund stehen. Generell beschreibt
Remschmidt (2005: 482f.) sechs Aufgabenbereiche der Schwestern und Pfleger:
-
physische Pflege des Patienten: in der KJP steht dieser Bereich nicht im Vordergrund. Dafür
gewinnen allerdings die anderen Bereiche an Bedeutung- wie
-
emotionale Unterstützung
-
erzieherische Beeinflussung: diese Aufgabe teilen sich Schwestern und Pfleger mit dem
pädagogischen
Personal.
Letztlich
sind
alle
Mitarbeiter
einer
kinder-
und
jugendpsychiatrischen Station an diesem Prozess beteiligt. In erster Linie kommt es darauf
an, Kinder- und Jugendliche zu motivieren, das Therapieprogramm zu akzeptieren sowie
den adäquaten Umgang mit dem Personal zu fördern. In der Gleichaltrigengruppe sollen die
Kinder und Jugendlichen soziale Kompetenzen wie etwa Rücksichtnahme oder das
Eingehen auf den anderen erlernen. In dieser Hinsicht sind Kenntnisse im Bereich der
Heilpädagogik erforderlich, die am besten im Rahmen von innerbetrieblichen Fortbildungen
erarbeitet werden.
-
Vermittlung zwischen Patient, Arzt und anderen Mitarbeitern: Da das Pflegepersonal viel
mehr Patientenkontakt hat als Ärzte oder Psychologen, ist es besonders wichtig, dass
Schwestern und Pfleger ihre Beobachtungen mitteilen, damit diese in den diagnostischen
Prozess mit einfließen können. Auch fassen die jungen PatientInnen durch den engeren
50
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
persönlichen Kontakt oftmals schneller Vertrauen zu Mitgliedern des Pflegepersonals oder
des pädagogischen Personals. Daher fällt es ihnen manchmal leichter, mit diesen über ihre
Probleme zu sprechen. Es muss jedoch von Anfang an klar sein, dass diese Erzählungen
eventuell auch dem Arzt mitgeteilt werden, damit es nicht zu Vertrauensbrüchen oder
Loyalitätskonflikten kommt.
-
Mithilfe in der Diagnostik
-
Mitwirkung bei der Therapie
Auch pädagogische Berufsgruppen sind ein wichtiger Bestandteil des multiprofessionellen Teams
einer kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung. Hier sind an den meisten Kliniken Lehrer,
Erzieher, Sozialpädagogen und Heilpädagogen tätig. Vor allem die Aufgabenbereiche der Erzieher
und Sozialpädagogen ergeben breite Berührungspunkte mit denen des Pflegepersonals. Eine der
wichtigsten Aufgabenbereiche besteht in der Beobachtung und der daraus resultierenden
Zielformulierung und Beschreibung. Erzieher und Sozialpädagogen sehen die Kinder und
Jugendlichen in unterschiedlichen Situationen, was ihnen erlaubt, auch Unterschiede im Verhalten
festzustellen, die eventuell situationsbedingt sind. Dies ist sowohl ein wichtiger Bestandteil der
Diagnostik als auch der Therapie (vgl. Remschmidt, 2005: 486). Weiters gibt es auch noch
Heilpädagogen bzw. akademische Sozial- und HeilpädagogInnen. Deren vordergründige Aufgabe
liegt darin, Konzepte zu erstellen und das übrige multiprofessionelle Personal im Hinblick auf
pädagogische Fragen anzuleiten sowie eigenständige therapeutische Arbeit durchzuführen. „Ziel der
Heilpädagogik ist es, den Kindern und Jugendlichen zu helfen, die optimale Verwirklichung eines
den individuellen Möglichkeiten und den sozialen Anforderungen angepassten, sinnerfüllten und
glücklichen Lebens zu erreichen“ (ebd.). Genauer soll auf die Aufgabenbereiche der Sozial- und
Heilpädagogik in der KJP im Kapitel 5.7 Was kann Sozial- und Heilpädagogik in der Kinder- und
Jugendpsychiatrie leisten? eingegangen werden.
Es braucht hier einerseits die Sozialpädagogik, die das gesamte soziale Umfeld der jungen
PatientInnen im Blick hat, wie aber auch die Heilpädagogik, die sich genuin mit behinderten bzw.
verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen beschäftigt. Ein wichtiger Punkt beider Disziplinen
besteht darin, sich mit der Integration bzw. Inklusion der Kinder und Jugendlichen einerseits in die
Stationsgruppe, andererseits aber auch in das gesellschaftliche Leben zu beschäftigen.
An manchen kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilungen sind auch Berufsgruppen wie
Ergotherapeuten oder Krankengymnasten beschäftigt. Diese sind an der kinder- und
jugendpsychiatrischen
Abteilung
in
Graz
nicht
vertreten.
Allerdings
ist
hier
eine
Sportwissenschafterin angestellt, die Aufgaben der Bewegungsförderung übernimmt. Weiters
werden immer wieder Projekte über einige Monate im künstlerischen Bereich durchgeführt.
51
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5.1.3 Rechtliche Rahmenbedingungen
An dieser Stelle sollen einige rechtliche Rahmenbedingungen geklärt werden, die Einfluss auf den
Stationsalltag, bzw. auf jeden einzelnen Patienten haben. In diesem Zusammenhang sollen im
Anschluss auch Grenzen dargestellt werden, die sich durch rechtliche Rahmenbedingungen, wie
aber auch durch die Finanzierung ergeben.
5.1.3.1 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch ist für die Kooperation zwischen stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und der KJP insofern wichtig, als hier die Obsorge bzw. Pflege
und Erziehung von Kindern festgelegt ist. Dies ist vor allem dann von Bedeutung, wenn es um
Einverständniserklärungen für medizinische Behandlungen auf der KJP geht. Obwohl dies banal
klingt, kommt es hier immer wieder zu Schwierigkeiten, wenn nicht klar ist, wer mit der Obsorge
bzw. der Pflege und Erziehung betraut und somit zu einer Unterschrift berechtigt ist.
Im ersten Teil des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (2002) sind die Personenrechte
geregelt. Diese beinhalten im dritten Hauptstück (§§137-186a) die Rechte zwischen Eltern und
Kindern sowie im vierten Hauptstück (§§187-283) Vormundschaften und Kuratele.
Grundsätzlich haben nach § 137 (1) die Eltern für die Erziehung ihrer minderjährigen Kinder zu
sorgen und ihr Wohl zu fördern. Somit sind die Eltern dazu verpflichtet, „das minderjährige Kind
zu pflegen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie in allen Angelegenheiten zu
vertreten; […]“ (ABGB, §144).
Laut § 146 ABGB umfasst die Pflege des minderjährigen Kindes „die Wahrung des körperlichen
Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung, besonders die
Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen,
Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in
Schule und Beruf.“
Von besonderer Bedeutung für die Behandlung auf der KJP ist § 146c in dem die Einwilligung in
medizinische Behandlungen festgelegt ist. Hier heißt es in Absatz 1: „Einwilligungen
in
medizinische Behandlungen kann das einsichts- und urteilsfähige Kind nur selbst erteilen; im
Zweifel wird das Vorliegen dieser Einsichts- und Urteilsfähigkeit bei mündigen Minderjährigen
vermutet.“ Für die Behandlung auf kinder- und jugendpsychiatrischen Stationen bedeutet dies, dass
der Arzt die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Kindes feststellen muss. Ist diese gegeben, so kann
das Kind selbst der Behandlung zustimmen. Bei mündigen Jugendlichen, das heißt Jugendlichen,
zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr, wird Einsichts- und Urteilsfähigkeit angenommen. Falls
diese nicht gegeben ist, muss die Person zusätzlich zustimmen, die mit der Pflege und Erziehung
52
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
betraut ist. Wichtig in diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass bei Kindern und Jugendlichen,
die stationär fremd untergebracht sind, immer die jeweilige Einrichtung mit der Pflege und
Erziehung betraut ist. Das Einverständnis ist nur dann nicht notwendig, wenn ein Aufschub das
Leben des Kindes gefährden würde oder mit einer schweren gesundheitlichen Schädigung
verbunden wäre (Abs.3).
Wenn die Eltern nicht in der Lage sind, das Wohl des Kindes zu garantieren oder dieses sogar
gefährden, kann ihnen das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise entziehen (ABGB
§176) soweit dies zur Sicherung des Wohles des Kindes nötig ist. Dies ist vor allem dann relevant,
wenn Kinder und Jugendliche fremd untergebracht werden. Hier kann es sein, dass die Einrichtung
mit der Pflege und Erziehung betraut wird (Erziehungsberechtigung) und die Eltern dennoch die
gesetzlichen Vertreter bleiben, oder dass der Einrichtung die gesamte Obsorge übertragen wird.
Für die KJP ist es wie bereits erwähnt immer wichtig zu wissen, wer mit der Pflege und Erziehung
betraut ist, bzw. wer der gesetzliche Vertreter ist, um das Einverständnis für gewisse Behandlungen
von den zuständigen Personen einholen zu können. Wenn Unklarheit herrscht, kann es auch einmal
passieren, dass die falschen Personen, ohne jegliche böse Absicht, kontaktiert und informiert
werden, was dann wiederum zu Schwierigkeiten in der Kooperation und zu Vorwürfen führen kann.
5.1.3.2 Steiermärkisches Krankenanstaltengesetz (StKALG 1999)
Im Steiermärkischen Krankenanstaltengesetz (1999) ist vor allem geregelt, welche Bedingungen
erfüllt sein müssen, damit sich eine Anstalt „Krankenanstalt“ nennen darf.
Wichtig im Zusammenhang mit dieser Arbeit ist vor allem der §24 St-KALG 1999 (1). In ihm ist
geregelt, dass das Land die Versorgung von anstaltsbedürftigen Personen im eigenen Bundesland,
entweder durch die Errichtung und den Betrieb öffentlicher Krankenanstalten, oder aber durch
Vereinbarungen mit anderen Trägern sicher stellt. Hier soll der Landes- Krankenanstaltenplan
bedacht werden. Vor allem, wenn wir, wie im Kapitel kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung
beschrieben daran denken, dass in der Steiermark die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung
nicht ausreichend gewährleistet ist, stellt sich die Frage, inwieweit dieses Gesetz in diesem Bereich
zum Tragen kommt bzw. ob der Landes- Krankenanstaltenplan den Bedürfnissen entspricht.
In §24 St-KALG 1999 (2a) sind Richtlinien zur Erlassung des Landes- Krankenanstaltenplans
angeführt. In diesem Zusammenhang erscheint vor allem §24 St- KALG 1999 (2a), 3
von
besonderem Interesse, in der es heißt: „Die von der Planung umfassten Krankenanstalten sollen
durch Verlagerung von Leistungen in den ambulanten (spitalsambulanter und niedergelassener
Bereich sowie selbständige Ambulatorien) und rehabilitativen Bereich nachhaltig entlastet, die
53
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Krankenhaushäufigkeit und Belagsdauer auf das medizinisch notwendige Maß minimiert wird“
(St- KALG 1999, §24 (2a), 3) Für mich als juristischen Laien stellt sich hier erneut die Frage, in
welcher Weise dieser Grundsatz im Bereich der KJP, in dem in der Steiermark dringend mehr
ambulante Versorgungsstrukturen gebraucht würden, zum Tragen kommt.
Laut §29 St- KALG 1999 sind jene Personen in die Anstalt aufzunehmen, die anstaltsbedürftig sind,
und jene Personen, die sich einem operativen Eingriff unterziehen. Als anstaltsbedürftig werden
jene Menschen bezeichnet, deren „auf Grund ärztlicher Untersuchung festgestellter geistiger oder
körperlicher Zustand die Aufnahme in Krankenanstaltspflege erfordert, […]“ (St- KALG 1999, §29
(3)).
Weiters heißt es in §31 (St- KALG 1999): „In Anstaltspflege befindliche Personen sind zu
entlassen, wenn sie auf Grund des Ergebnisses einer anstaltsärztlichen Untersuchung der
Anstaltspflege nicht mehr bedürfen.“ Hier kommt es in der KJP zu Widersprüchen. In der KJP ist
das soziale Umfeld in einer Weise mit einzubeziehen, wie in sonst fast keiner anderen Disziplin.
Das heißt, es kann immer wieder vorkommen, dass Kinder- und Jugendliche vielleicht keiner
Anstaltspflege mehr bedürften, jedoch noch keine geeignete Unterbringung oder Wohnform
gefunden wurde, die die psychische Stabilität gewährleisten würde. Somit kommt es immer wieder
zu längeren Aufenthalten, da hier mit einbezogen werden muss, dass eine geeignete Betreuung nach
dem Aufenthalt gewährleistet sein muss, bevor das Kind oder der Jugendliche aus der
Anstaltspflege entlassen werden kann.
In §54 St- KALG 1999, (2) ist der Zweck der Aufnahme psychisch Kranker in Krankenanstalten
und Sonderkrankenanstalten geregelt. Hier heißt es:
Zweck der Aufnahme ist
1. die Feststellung des Gesundheitszustandes durch Untersuchung,
2. die Behandlung zur Heilung, Besserung oder Rehabilitation,
3. die Behandlung zur Hintanhaltung einer Verschlechterung oder
4. die erforderliche Betreuung und besondere Pflege, sofern diese nur in der Krankenanstalt
gewährleistet werden können.
Laut §54a sind die Abteilungen und Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie grundsätzlich offen zu
führen. Die Anhaltung von PatientInnen im geschlossenen Bereich ist im Unterbringungsgesetz, das
in dieser Arbeit in einem eigenen Kapitel (Kapitel 5.1.3.5 Unterbringungsgesetz) ausführlich
beschrieben wird, geregelt.
54
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5.1.3.3 Steiermärkisches Jugendwohlfahrtsgesetz (StJWG 1991)
Im Steiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetz (1991) sind neben allgemeinen Bestimmungen, die
Leistungen der Jugendwohlfahrt sowie die Kostenübernahme u.v.m. geregelt.
Als Aufgabe der öffentlichen Jugendwohlfahrt (Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge)
wird einerseits die Betreuung der Mütter, werdender Mütter sowie Säuglingen und deren Eltern
genannt. Andererseits aber auch die „Entwicklung Minderjähriger durch Anbot von Hilfen zur
Pflege und Erziehung zu fördern und durch Gewährung von Erziehungsmaßnahmen zu sichern
(Jugendfürsorge)“ (StJWG 1991: §1, (1), 2).
Die
öffentliche
Jugendwohlfahrt
ist
besonders
dann
zuständig,
wenn
durch
die
Erziehungsberechtigten das Wohl des Kindes nicht gewährleistet werden kann. Die öffentliche
Jugendwohlfahrt darf in familiäre Bereiche „nur insoweit eingreifen, als dies zum Wohl des Kindes
notwendig ist“ (StJWG 1991: §2, (2).
Um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten, ist die Landesregierung verpflichtet, einen
Jugendwohlfahrtsplan zu erstellen, und diesen alle fünf Jahre anzupassen (StJWG 1991: §9). Dieser
Jugendwohlfahrtsplan, auf den im Kapitel 5.1.3.3.2 Steirischer Jugendwohlfahrtsplan näher
eingegangen werden soll, hat folgende Punkte zu beinhalten und zu berücksichtigen: die
gesellschaftliche Entwicklung, die Bevölkerungsentwicklung, geschlechtsspezifische Bedürfnisse,
den zukünftig zu erwartenden Bedarf an Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, Kosten und Zeitpläne
sowie Ergebnisse der Forschung in einschlägigen Bereichen.
Ein wichtiger Teil des Jugendwohlfahrtsgesetzes beinhaltet die Leistungen der Jugendwohlfahrt.
Hier wird im ersten Abschnitt des 2. Hauptstücks auf Soziale Dienste eingegangen. Sie sollen vor
allem dann zum Tragen kommen, wenn diese für das Wohl des Kindes zweckmäßiger erscheinen,
als die Gewährung von Hilfen zur Erziehung. Besonders in Betracht gezogen werden sollen
Beratungsdienste und andere vorbeugende Hilfen, Betreuungsdienste und therapeutische Hilfen,
Unterbringungsmöglichkeiten und Erholungsaktionen (vgl. StJWG 1991: §16). Für jene Kinder und
Jugendlichen, die in dieser Arbeit angesprochen sind, sind im Bereich der Beratungsdienste jene
Beratungsdienste „für Jugendliche und Familien für psychische, pädagogische, sozialpädagogische,
soziale, juridische und medizinische Fragen, wobei Beratungszentren der Vorrang zu geben ist“,
von besonderer Bedeutung (StJWG 1991: §17, (2), 2).
Auch relevant ist §17, (2), 4 des StJWG 1991 in der die Betreuung Minderjähriger durch
niederschwellige Dienste wie z.B. Streetwork oder Notschlafstellen geregelt ist.
55
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Ebenfalls von Relevanz sind therapeutische Hilfen wie etwa Psychotherapie, die vor allem für viele
dieser traumatisierten Kinder und Jugendlichen von Bedeutung ist, mit denen wir in der
Jugendwohlfahrt und der KJP zu tun haben.
In § 19 (StJWG 1991) werden jene stationären Unterbringungsmöglichkeiten aufgezählt, die
vorgesehen
sind:
Mutter-Kind-Wohnmöglichkeiten,
Pflegefamilien,
Wohngemeinschaften,
Kinderdörfer, Jugendheime und heilpädagogische Stationen sowie betreutes Wohnen für
Jugendliche ab Beendigung der Schulpflicht zur kurzfristigen Überbrückung von Krisensituationen.
Diesbezüglich
neu
ist
die
Durchführungsverordnung
zum
Steiermärkischen
Jugendwohlfahrtsgesetz, die 2005 erlassen wurde und eine aktuelle Konkretisierung beinhaltet. Auf
diese
wird
in
Kapitel
5.1.3.3.1
Steiermärkisches
Jugendwohlfahrtsgesetz-
Durchführungsverordnung näher eingegangen.
In Abschnitt 5 (StJWG 1991) sind die Hilfen zur Erziehung, die die Unterstützung der Erziehung
und die volle Erziehung beinhalten, geregelt. Als Unterstützung zur Erziehung gelten vor allem
Beratungsangebote,
die
Gewährung
therapeutischer
Maßnahmen,
sozialpädagogische
Familienbetreuung usw. Unter voller Erziehung versteht man die stationäre Unterbringung wie
Pflegeeltern, familienähnliche Einrichtungen, Heime und sonstige pädagogische Betreuungsformen,
wenn der Jugendwohlfahrtsträger zur Gänze mit der Pflege und Erziehung betraut wurde. Wichtig
in diesem Zusammenhang erscheint auch §38 (2) (StJWG 1991). In ihm ist explizit geregelt, dass
Kinder ab dem vollendeten 10. Lebensjahr persönlich und in geeigneter Weise von der
Bezirksverwaltungsbehörde gehört werden müssen.
Besonders wichtig im Hinblick auf stationäre Fremdunterbringung ist der §40 (StJWG 1991), der
mit der Durchführung der Hilfen zur Erziehung befasst ist. Die Bezirksverwaltungsbehörde ist dafür
verantwortlich, Hilfen zur Erziehung zu gewähren. Um eine Maßnahme zur Unterstützung der
Erziehung oder der vollen Erziehung bewilligen zu können, muss ein Team von sachverständigen
Personen, das vorwiegend aus dem Jugendamtsleiter, zwei SozialarbeiterInnen und dem oder der
AmtspsychologIn besteht, einberufen werden. Sofern nicht unmittelbar Gefahr im Verzug ist, muss
dieses Team noch vor Setzung der Maßnahme beraten. In diesem Zusammenhang von besonderer
Relevanz erscheint Absatz (5) in dem es heißt:
Es ist jeweils die der Persönlichkeit des Minderjährigen und seinen Lebensverhältnissen
entsprechende Maßnahme einzuleiten. Bei der Durchführung sind die Anlagen, Fähigkeiten,
Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Minderjährigen zu berücksichtigen. Dabei ist auch
das Umfeld des Minderjährigen mit einzubeziehen. Wichtige, dem Wohl des Kindes dienende
Bindungen, die für die persönliche Entfaltung erforderlich sind, sind zu erhalten, zu stärken oder
neu zu schaffen (StJWG 1991, §40 (5)).
56
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
In der Praxis muss man jedoch sagen, dass die Möglichkeiten teilweise nur sehr begrenzt sind. Das
heißt, Kinder und Jugendliche können oftmals nicht in der für sie unbedingt besten Maßnahme
untergebracht
werden,
weil
die
Plätze
sehr
begrenzt
sind
und
so
müssen
die
Bezirksverwaltungsbehörden sich oftmals danach richten, wo freie Kapazitäten gegeben sind.
Die Kosten müssen je nach Maßnahme teilweise von den Minderjährigen und den nach
bürgerlichem
Recht
Unterhaltspflichtigen
getragen
werden,
sofern
sie
nach
ihren
Lebensverhältnissen dazu in der Lage sind (vgl. StJWG 1991, §41-47). Dazu ist anzumerken, dass
die meisten der Familien, die soziale Dienste (ausgenommen Beratungsdienste), die volle Erziehung
sowie die Unterbringung bei Pflegeeltern in Anspruch nehmen müssen, ohnehin nicht dazu in der
Lage sind, die Kosten selbst zu tragen.
5.1.3.3.1 Steiermärkisches Jugendwohlfahrtsgesetz- Durchführungsverordnung (StJWGDVO 2005)
Im Jahr 2005 wurde zum Steiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetz die Durchführungsverordnung
erlassen, in der vor allem Leistungen und Leistungsentgelte festgelegt sind. Durch diese
Durchführungsverordnung
sollte
die
Transparenz
der
Leistungen,
die
innerhalb
der
Jugendwohlfahrt erbracht werden, gewährleistet sowie Normkosten festgelegt werden.
Im ersten Abschnitt werden die „sachlichen, fachlichen und personellen Erfordernisse für die
Erbringung der Leistung sowie die Maßnahmen der Qualitätssicherung und des Controllings“
(StJWG-DVO 2005, §1) geregelt.
Einige zusätzliche Maßnahmen ermöglicht §2 der DVO 2005 in dem festgelegt ist, dass zusätzliche
Kosten übernommen werden können, wenn es das Wohl des Kindes erfordert. Auch hier ist
geregelt, dass das Land mit freien Trägern der Jugendwohlfahrt Verträge zur Erbringung von
Leistungen abschließen kann, die in der DVO nicht erfasst sind (StJWG- DVO, §2). Durch diese
Regelung werden viele Kosten von Leistungen, die zum Beispiel das Institut für Kind, Jugend und
Familie in Graz anbietet, übernommen und somit teilweise eine individuelle sozialpsychiatrische
Betreuung ermöglicht.
Auch in der DVO festgelegt sind Zuschüsse zur Psychotherapie und zu psychologischen
Behandlungen (StJWG-DVO, §19, 20).
Interessant ist, dass für viele Dienste wie z.B. für sozialpädagogische Wohngemeinschaften, die in
der Durchführungsverordnung geregelt sind, eine „im Vordergrund stehende Pflege- bzw.
57
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Betreuungsbedürftigkeit wegen körperlicher, geistiger oder psychischer Beeinträchtigung“ einen
Ausschließungsgrund
darstellt.
Ebenso
„akute
Alkohol-
und/oder
Drogen-
bzw.
Medikamentenproblematik, die eine nichtkontrollierbare Selbst- und/oder Fremdgefährdung
beinhaltet“, „schwere Verwahrlosungsfolgen, die eine Integration in eine Einrichtung unmöglich
macht“; „schweres delinquentes und gemeinschaftsgefährdendes Verhalten“ sowie „akute Selbstoder Fremdgefährdung“. An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie diese Punkte ausgelegt werden.
Diese Punkte sind so weit gefasst, dass gerade Aspekte dieser Punkte gerade auf besonders
schwierige Kinder und Jugendliche zutreffen.
In den Anlagen sind weiters die genauen Zahlen an Kostenzuschüssen vermerkt. Für eine
sozialpädagogische Wohngemeinschaft zum Beispiel liegt der Tagsatz im Moment bei 118,79 €.
Die WGs berichten durchwegs, dass dieser Tagsatz sehr knapp bemessen ist und keinen Spielraum
für eventuell erforderliche Maßnahmen lässt. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass in der Anlage 3
(StJWG- DVO 2005) festgelegt ist, dass die Wohngemeinschaften auch bei einem
Krankenhausaufenthalt des Kindes oder des Jugendlichen den Tagsatz verrechnen können. Dieser
wird zwar um 7% reduziert (vgl. Anlage 3- 2.2.7), aber dennoch werden die Wohngemeinschaften
bezahlt, wenn eine Aufenthaltsbestätigung vorgelegt wird. Im Kalenderjahr dürfen nicht mehr als
50 krankheitsbedingte Abwesenheitstage verrechnet werden (vgl. Anlage 3- 2.4.2; 2.4.3). Man
könnte an dieser Stelle kritisch hinterfragen, inwieweit Wohngemeinschaften vielleicht interessiert
sind, zu einer schnellen Entlassung schwieriger Jugendlicher aus dem kinder- und
jugendpsychiatrischen Setting zuzustimmen, wenn sie auch bezahlt werden, während der
Jugendliche auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung eine gute Betreuung und
Behandlung erfährt. Gerechtfertigt ist diese Bezahlung dann, wenn regelmäßige Besuche etc.
stattfinden. Auch für die Jugendwohlfahrtsbehörde ergibt sich daraus eine Ersparnis von 7% pro
Tag. Wenn allerdings der Aufenthalt über 50 Tage hinausgeht, bringt das für die JW- Behörde eine
vollkommene
Ersparnis,
da
der
Aufenthalt
durch
die
Krankenkassa
bezahlt
wird.
Gesamtgesellschaftlich betrachtet, verursacht ein Tag in der KJP mehr als das Doppelte an Kosten
(stationärer Aufenthalt / Tag 294,10; Tagesklinik/ Tag: 70,50 vgl. Krobath, 2009). Es stellt sich die
Frage, das Gesundheitsressort und das Jugendwohlfahrtsressort zu koordinieren um Maßnahmen
finden zu können, sodass diese Kosten durch diverse Maßnahmen und Kooperationen allgemein
minimiert werden können.
58
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5.1.3.3.2 Steirischer Jugendwohlfahrtsplan (2005)
Mit dem Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 verpflichtete der Gesetzgeber die Länder als
Jugendwohlfahrtsträger erstmals zu einer forschungsorientierten Jugendwohlfahrtsplanung. Dabei
schreiben die Steiermark und Salzburg die Erstellung und Fortschreibung eines Jugendwohlfahrtsberichtes bzw. –planes vor. Hierbei kann die Steiermark als vorbildlich beschrieben werden, da es
hier bereits den 3. Jugendwohlfahrtsplan gibt. Vor allem der 2. Jugendwohlfahrtsplan 1999 wurde
sehr
ausführlich
„auf
der
Grundlage
einer
öffentlich
ausgeschriebenen
umfassenden
sozialwissenschaftlich orientierten Bestands- und Bedarfserhebung erstellt“ (Scheipl, 2001b: 298).
Scheipl (2001b: 298) beschreibt diesen wie folgt:
Diese differenzierte Erhebung ermöglicht bezüglich der meisten angebotenen JW- Leistungen
relativ klare quantifizierbare Prognosen, die wiederum regional zuordenbar sind. Diese Prognosen
gelten nicht als umzusetzende Richtwerte, sondern als Grundlage für die sachpolitische
Diskussion. Die Analyse der Erhebungsergebnisse bezüglich Qualitätssicherung,
Personalentwicklung etc. bilden weitere wichtige Planungsunterlagen, die in diskursiven
Verfahren weiter zu entwickeln sein werden. Problemorientierte Beschreibungen von wichtigen
Projekten, die im Sinne einer Weiterführung des Planungsprozesses vorgeschlagen werden,
unterstreichen die Prozessorientierung des zweiten Steirischen JW- Plans.
Schon im Jugendwohlfahrtsplan von 1999 wurde das Problem der Kooperation zwischen KJP
erkannt und als Projekt vorgeschlagen.
Hier heißt es konkret:
Im Zusammenhang mit den Grundlagenstudien von Solve- Consulting wurde für den
Gesundheitsbereich auch die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung angesprochen. Es wird
empfohlen, Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit den Stellen, die psychiatrisch auffällige
Kinder und Jugendliche betreuen, zu prüfen, mit dem Ziel, die Qualität der Versorgung für
psychiatrisch auffällige Kinder und Jugendliche zu verbessern. Im Rahmen dieses Projektes wird
vorgeschlagen, ein Netz zwischen Jugendwohlfahrt und Kinder- und Jugendpsychiatrie zur
gegenseitigen Unterstützung aufzubauen, wobei für eine qualitativ hochstehende medizinische und
psychotherapeutische Betreuung eine enge und unbürokratische Zusammenarbeit mit dem
behandelnden Arzt bzw. der Krankenanstalt als notwendig erachtet wird (Amt der
Steiermärkischen Landesregierung, 1999: 115).
An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass obwohl im Jahr 1999 schon explizit darauf
hingewiesen wurde, in den letzten 10 Jahren keine Schritte dahingehend unternommen wurden.
Der Jugendwohlfahrtsplan 2005 stellt einen Überblick über alle Angebote im Rahmen der
Jugendwohlfahrt dar und gibt Hinweise darauf, welche Bereiche nicht ausreichend versorgt sind,
und wo noch Maßnahmen notwendig sind, um das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der
Steiermark zu garantieren.
Dabei wurde bereits im ersten Jugendwohlfahrtsplan (1991) der Grundsatz „mobil vor ambulant vor
stationär“ formuliert. Das heißt, in der Hilfeplanung besteht die Zielsetzung darin, mobile Angebote
vor ambulanten, teilstationären und erst in weiterer Folge stationären Hilfen zu gewähren und
einzusetzen. Im Sinne der Lebensweltorientierung erscheint dieser Ansatz als durchaus sinnvoll
(vgl. Jugendwohlfahrtsplan, 2005: 15).
59
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
In den vergangenen Jahren konnte eine Senkung der Zahl der Kinder und Jugendlichen, die in
stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt betreut wurden, erreicht werden. So war die Anzahl
der stationären Fremdunterbringungen im Jahr 2000 bei mehr als 900 und im Jahr 2004 bei 800.
(vgl. Jugendwohlfahrtsplan, 2005:25). Dies ist eventuell darauf zurückzuführen, dass ambulante
bzw. mobile Betreuungsformen ausgebaut wurden. Sehr interessant ist auch, dass etwa 30% der in
der Steiermark stationär untergebrachten Jugendlichen aus anderen Bundesländern stammen,
während in etwa 230 steirische Jugendliche in stationären Einrichtungen anderer Bundesländer
betreut werden (vgl. ebd.: 26).
In Kapitel 6.7 des Jugendwohlfahrtsplans wird der Wichtigkeit der öffentlichen Sozialarbeit
Rechnung getragen. Hier ist dargestellt, wie viele Kinder und Jugendliche auf eine behördliche
SozialarbeiterIn entfallen. Dies sind nach Bezirken aufgeschlüsselt zwischen 900 und 1900. An
dieser Stelle stellt sich für mich die Frage, ob im Hinblick auf diese hohe Anzahl eine optimale
Betreuung der Kinder und Jugendlichen gewährleistet werden kann. Angesichts dieser Zahlen ist es
auch kaum verwunderlich, dass behördliche SozialarbeiterInnen teilweise sehr schwer zu erreichen
sind und dies natürlich auch auf die Aufenthaltsdauer mancher Kinder und Jugendlichen auf der
kinder- und jugendpsychiatrischen Station der LSF Auswirkungen hat.
In
Bezug
auf
sozialpädagogische
Unterbringung
wird
im
Jugendwohlfahrtsplan
die
Angebotssituation 2005 als nicht ausreichend beschrieben. Hier besteht eine hohe Konzentration in
einigen Regionen (vgl. ebd.: 37). Auch in Bezug auf Krisenplätze ist hier eindeutig ein hoher
Bedarf in den meisten Bezirken beschrieben.
Als ein spezieller Problembereich werden „unbetreubare Jugendliche“ beschrieben. Dies sind laut
Jugendwohlfahrtsplan jene Kinder und Jugendlichen, die als nicht betreubar eingestuft werden. Hier
heißt es wörtlich: „Die Einrichtungen der Jugendwohlfahrt stoßen an den Rand ihrer Möglichkeiten,
für Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie reicht für eine längerfristige Betreuung die
Indikation nicht aus“ (ebd.: 39). An dieser Stelle ist zu hinterfragen, welche Einrichtungen der KJP
hier angesprochen sind, da, wie in einem der nächsten Kapitel beschrieben, die kinder- und
jugendpsychiatrische Versorgung sehr schlecht ist und es hier nur die heilpädagogische Station und
die kinder- und jugendpsychiatrische Abeilung der LSF gibt. Es fehlt im Jugendwohlfahrtsplan eine
genauere Darstellung der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Angebote in der Steiermark. Somit
werden das ungenügende Angebot und die ungenügende kinder- und jugendpsychiatrische
Versorgung in diesem Zusammenhang verschleiert.
60
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Als eine mögliche Lösung werden hier kurzzeitige und intensive Betreuungsformen genannt, die in
der Steiermark sicher gebraucht würden. Andererseits aber wäre eine weitere Möglichkeit die
Zusammenarbeit zwischen Jugendwohlfahrt und KJP und die Entwicklung gemeinsamer
Maßnahmen.
Im
Zuge
der
Bedarfserhebung
für
den
Jugendwohlfahrtsplan
2005
wurden
alle
Bezirkshauptmannschaften und der Magistrat Graz hinsichtlich des Bedarfs der unterschiedlichen
Maßnahmen und Dienstleistungen befragt.
Es ergibt sich ein hoher Bedarf an Möglichkeiten einer diagnostischen Abklärung. Diesbezüglich
heißt es im Jugendwohlfahrtsplan (2005: 86): „In den meisten Bezirken fehlt die Möglichkeit einer
stationären diagnostischen Abklärung. Teilweise könnte der Bedarf durch entsprechende ambulante
Angebote gedeckt werden. Notwendig ist neben Graz ein zweiter Standort unter Berücksichtigung
des weiteren Ausbaus der Kinder- und Jugendpsychiatrie […].“ Somit hier wurde hier die
Notwendigkeit des Ausbaus ambulanter kinder- und jugendpsychiatrischer Dienste erkannt und
gefordert.
Weitere hohe Priorität hätte laut Jugendwohlfahrtsplan auch der Ausbau des psychologischtherapeutischen Dienstes der öffentlichen Jugendwohlfahrt.
In Bezug auf sozialpädagogische Wohngemeinschaften bzw. Kinder- und Jugendwohngruppen
sollte eine bezirksübergreifende Versorgung priorisiert werden. Dieses Ergebnis ergibt sich nicht
nur aus den Rückmeldungen der Bezirkshauptmannschaften sondern auch aus der Anzahl der
Jugendlichen, die in anderen Bundesländern betreut werden und aus der geografischen Verteilung
der bestehenden Einrichtungen. Hier werden vor allem Einrichtungen in den Bezirken
Deutschlandsberg, Hartberg, Judenburg, Graz Umgebung und in weiterer Folge Bad Radkersburg
und Murau gefordert.
Aus den Befragungen der ExpertInnen der Bezirkshauptmannschaften ergab sich auch der Bedarf
neuer Dienstleistungen, die noch nicht in der Leistungs- und Entgeltverordnung inkludiert sind.
Hier ist vor allem eine sozialpädagogische Intensivbetreuung notwendig, die auch im Hinblick auf
die Betreuung der in dieser Arbeit angesprochenen Kinder und Jugendlichen als unentbehrlich
gesehen werden kann. Hierzu heißt es im Jugendwohlfahrtsplan (2005: 93): „Dieses Angebot kann
dazu dienen, derzeit unbetreubare Jugendliche zu betreuen, und in eine niederschwelligere Leistung
überzuführen. Ein weiteres Betätigungsfeld liegt bei Jugendlichen mit Multiproblemlagen. Hier gibt
es eine Schnittstelle zur extramuralen Kinder- und Jugendpsychiatrie.“ Hier wird explizit die
Schnittstelle zur extramuralen KJP angesprochen. An dieser Stelle ist jedoch zu erwähnen, dass es
im Rahmen der extramuralen KJP in der Steiermark sehr wenige bis gar keine Angebote gibt.
61
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Dennoch wird bereits im Jugendwohlfahrtsplan angesprochen, was durch die Ergebnisse dieser
Arbeit als unvermeidbar erscheint. Hier heißt es, dass vermehrt Planungskonferenzen in den
einzelnen Regionen stattfinden sollten. Dabei sollten „neben der öffentlichen Hand auch freie
Träger, Betroffene, Einzelpersonen, wie z.B. Psychotherapeuten, und Vertreter aus angrenzenden
Fachbereichen, wie z.B. Schulen, Psychiatrie und Sucht“ (Jugendwohlfahtsplan, 2005: 97)
anwesend sein.
5.1.3.4 Steiermärkisches Behindertengesetz (StBHG 2004)
An dieser Stelle ist es auch wichtig, das Behindertengesetz kurz zu skizzieren, da es in der
Steiermark manchmal vorkommt, dass Kinder und Jugendliche mit psychischen Krankheiten den
Status eines Behinderten beantragen müssen, um Leistungen, die aufgrund des Behindertengesetzes
finanziert werden, in Anspruch nehmen zu können und somit auf diese Weise eine Chance
bekommen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Man kann sich vielleicht vorstellen, was es
für manche dieser Kinder und Jugendlichen bedeuten muss, einen Antrag um Eingliederung in das
Behindertengesetz unterschreiben zu müssen. Dieses beinhaltet nämlich Einrichtungen, die im
Rahmen des Jugendwohlfahrtsgesetzes nicht vorgesehen sind bzw. nur ungenügend ausgebaut sind.
Ein Beispiel wäre die Möglichkeit der Ausbildung mit gleichzeitiger Berufsausbildung in einem
niederschwelligeren Rahmen, als dies zum Beispiel die Einrichtung „Aufwind“ bietet.
Nach §2 StBHG 2004 gelten jene Personen als Menschen mit Behinderung, die aufgrund einer
Beeinträchtigung nicht die Möglichkeit haben, „eine angemessene Erziehung, Schulbildung oder
Berufsausbildung zu erhalten, oder eine ihnen zumutbare Beschäftigung zu erlangen oder
beizubehalten“ und denen es nicht möglich ist, „eine angemessene Eingliederung in die
Gesellschaft zu erreichen.“ Als Beeinträchtigung gelten laut §2 StBHG 2004 Abs. 4 insbesondere
alle
physischen,
psychischen
und
intellektuellen
Beeinträchtigungen
sowie
somatische
Erkrankungen und deren Folgewirkungen.
Durch das Behindertengesetz sind unterschiedliche Arten von Hilfeleistungen geregelt. Für jene
Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die in dieser Arbeit angesprochen werden, kommen vor
allem folgende Leistungen in Frage: Erziehung und Schulbildung, berufliche Eingliederung,
unterstützte Beschäftigung, Beschäftigung in Tageseinrichtungen oder Betrieben, Wohnen in
Einrichtungen, Hilfen zum Wohnen, Entlastung der Familie und Gestaltung der Freizeit. In der
Steiermark ist die „Kompetenz GmbH“ eine sehr wichtige Einrichtung, mit der die kinder- und
jugendpsychiatrische Station sehr eng zusammen arbeitet. Dies ist eine Einrichtung, die einerseits
eine Wohnmöglichkeit und andererseits die Möglichkeit einer Berufsausbildung bietet. Da es im
Rahmen der Jugendwohlfahrt kaum solche Möglichkeiten gibt, sind SozialarbeiterInnen teilweise
62
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
gezwungen, Kinder und Jugendliche als behindert oder beeinträchtigt im Sinne des
Steiermärkischen Behindertengesetzes zu erklären, um ihnen die bestmöglichen Chancen
hinsichtlich Wohnversorgung und Berufsausbildung zu eröffnen.
5.1.3.5 Unterbringungsgesetz (UBG 1991)
1991 trat das Unterbringungsgesetz in Kraft. Es regelt die Aufnahme und den zwangsweisen
Aufenthalt in psychiatrischen Anstalten bzw. Abteilungen. Durch dieses Gesetz wurde der Schutz
der persönlichen Rechte von Betroffenen auf eine neue Grundlage gestellt.
Durch das Inkrafttreten des Unterbringungsgesetzes hat sich das Verhältnis zwischen Arzt und
Patienten an psychiatrischen Abteilungen stark verändert. Zusehends steht die Mitwirkung und
aktive Gestaltung des Patienten an seinem Aufenthalt im Mittelpunkt des Interesses. Durch die
Patientenanwaltschaft wird eine Vertretung von zwangsweise untergebrachten Patienten
sichergestellt (vgl. Schlaffer, 2004: 5).
Wenn ein Patient in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird und z.B. bestimmte Räume nicht
verlassen darf, so ist er im Sinne des Unterbringungsgesetzes „untergebracht“.
Um einen Patienten unterbringen zu können, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:
-
der Betroffene ist psychisch krank
-
der Patient gefährdet sich selbst oder andere
-
ausreichende andere Behandlungs- und Betreuungsmöglichkeiten sind nicht gegeben.
Gegen seinen Willen darf eine Person nur dann in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht
werden, wenn zuvor ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender oder ein Polizeiarzt diese
untersucht und in einer ärztlichen Bescheinigung feststellt, dass die Voraussetzungen für eine
Unterbringung vorliegen. Ausnahmsweise können Sicherheitsorgane (Polizei) Menschen, bei denen
die drei Voraussetzungen erfüllt sind, nur bei unmittelbarer Gefahr in Verzug gegen oder ohne ihren
Willen direkt in eine psychiatrische Abteilung bringen. Laut Gesetz haben der Arzt und die
Sicherheitsorgane den Betroffenen möglichst zu schonen.
Es spielt keine Rolle, ob ein Patient die Unterbringung verlangt, oder gegen seinen Willen in eine
Anstalt gebracht wird, es muss als erster wichtiger Schritt die Aufnahmeuntersuchung folgen. Der
Abteilungsleiter bzw. sein Vertreter und ein weiterer Facharzt überprüfen dabei unabhängig
voneinander, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung vorliegen.
Wenn jemand auf eigenes Verlangen untergebracht werden möchte, muss zusätzlich vor den Ärzten
eine eigenhändig geschriebene Willenserklärung abgegeben werden. Weiters muss überprüft
63
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
werden, ob der Betroffene einsichts- und urteilsfähig ist. Bei Minderjährigen müssen auch die
Erziehungsberechtigten zustimmen, bzw. bei mündigen Minderjährigen (über 14 Jahren) zusätzlich
sie selbst. Ist für eine Person ein Sachwalter bestellt, dessen Wirkungskreis auch diesen Bereich
umfasst, muss auch dieser zustimmen. Die Unterbringung auf Verlangen darf nicht länger als sechs
Wochen, auf erneutes Verlangen höchstens zehn Wochen dauern. Für diese Dauer ist das Gericht
nicht einbezogen, eine nochmalige Verlängerung ist allerdings nicht zulässig.
Wenn jemand ohne seinen Willen in eine Anstalt gebracht wird und zwei Fachärzte unabhängig
voneinander das Vorliegen der drei Voraussetzungen für die Unterbringung bestätigen, muss der
Abteilungsleiter oder sein Vertreter dem Betroffenen die Gründe für die Unterbringung erklären
und dann das zuständige Bezirksgericht und die Patientenanwaltschaft unverzüglich verständigen.
Der Betroffene kann auch einen Angehörigen und einen Rechtsbeistand (z.B. einen Rechtsanwalt
oder Notar) verständigen oder verständigen lassen.
Nicht alle Unterbringungen erfolgen unmittelbar bei der Aufnahme, manche werden auch erst
während des Aufenthalts notwendig.
Der zuständige Richter muss innerhalb von vier Tagen ab Kenntnisnahme den Betroffenen hören
und sich einen persönlichen Eindruck verschaffen. Er muss den Patienten über den Grund und die
Bedeutung des gerichtlichen Verfahrens aufklären. Bei diesem Termin sieht der Richter die
Krankengeschichte ein, und hört den Patientenanwalt, den Abteilungsleiter oder einen Vertreter
sowie einen allenfalls anwesenden Vertreter des Betroffenen. Außerdem hat der Richter die
Möglichkeit, einen Sachverständigen bei zuziehen.
Wenn der Richter bei diesem Termin zur Ansicht gelangt, dass die Voraussetzungen für die
Unterbringung nicht vorliegen, dann muss er diese sofort für unzulässig erklären. Ab diesem
Zeitpunkt darf der Betroffene nicht mehr in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Er
muss entweder entlassen oder mit seinem Einverständnis auf eine offene Abteilung verlegt werden.
Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Abteilungsleiter gegen die gerichtliche Entscheidung sofort
Rekurs erhebt und der Richter diesem Rekurs aufschiebende Wirkung zuerkennt.
Hält der Richter die Unterbringung für zulässig, dann wird eine mündliche Verhandlung innerhalb
von 14 Tagen anberaumt.
Bei dieser mündlichen Verhandlung muss der Richter zumindest einen Sachverständigen
hinzuziehen. Der Betroffene oder sein Patientenanwalt können einen weiteren Sachverständigen
verlangen. Die Sachverständigen müssen den Patienten untersuchen und ein schriftliches Gutachten
ausstellen. Die mündliche Verhandlung findet in der Anstalt statt.
64
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Hier muss der Richter dem Betroffenem, seinem Vertreter und dem Abteilungsleiter oder einem
Vertreter die Möglichkeit zur Stellungnahme geben. Am Ende dieser Verhandlung entscheidet der
Richter im Beisein des Betroffenen über die Zulässigkeit der Unterbringung. Der Beschluss muss
schriftlich ausgefolgt werden. Wird die Unterbringung für zulässig erklärt, hat der Richter eine Frist
festzulegen, die drei Monate ab Beginn der Unterbringung nicht übersteigen darf.
Wird die Unterbringung für unzulässig erklärt, dann darf der Patient in seiner Bewegungsfreiheit
nicht mehr eingeschränkt werden.
Wenn nach Ansicht des Abteilungsleiters über den vom Gericht festgelegten Termin hinaus weitere
Gründe für eine geschlossene Unterbringung vorliegen, hat er dies dem Gericht bis spätestens vier
Tage vor Ablauf der Frist mitzuteilen. Das Gericht muss dann eine weitere Anhörung und eine
mündliche Verhandlung über die weitere Zulässigkeit der Unterbringung durchführen.
Durch die Maßnahme der Unterbringung sind nur Einschränkungen auf bestimmte Räumlichkeiten
legitimiert. Werden weitere Maßnahmen, wie etwa die Fixierung an ein Bett, notwendig, dann
müssen diese vom behandelnden Arzt angeordnet, in der Krankengeschichte dokumentiert und dem
gesetzlichen Vertreter bzw. dem Patientenanwalt unmittelbar mitgeteilt werden.
Telefonische und schriftliche Kontakte sowie Besuche dürfen nur vom Arzt eingeschränkt werden,
wenn dies für das Wohl des Patienten unerlässlich ist (vgl. Schlaffer, 2004: 12ff.).
5.1.4 Grenzen durch Finanzierung und Rechtsgrundlagen
Der Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen in der KJP wird in der Regel durch die Krankenkasse
finanziert. Dies bedeutet, dass die KJP Teil des Gesundheitswesens ist und dementsprechend auch
handeln muss.
Konkret heißt das, dass der Aufenthalt den Krankenkassen gegenüber begründet werden muss.
Dazu gehört eine Nennung der Diagnose und der therapeutischen Maßnahmen.
Die Frage der Finanzierung ist in Bezug auf die KJP eine sehr zentrale. Durch die Klärung von
Finanzierungen, vor allem in Bezug auf die Finanzierung von weiterführenden Maßnahmen kann
nämlich die Dauer des Aufenthaltes sehr beeinflusst werden. Reinhart Lempp (1990: 21ff.)
beschreibt die Situation in Deutschland, die mit der in Österreich bzw. der Steiermark annähernd zu
vergleichen ist:
Tatsächlich benötigen wir, wenn ein Patient aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie in eine
Einrichtung der Jugendhilfe fremdplatziert werden soll, in der Regel zwei bis drei Monate, bis sich
dieser Übergang in die Jugendhilfeeinrichtung realisieren lässt. Dabei geht es nicht darum, dass
etwa kein Platz in der Einrichtung zur Verfügung stehe. Es geht ausschließlich darum, dass die
Zeit benötigt wird, um die Kostenzuständigkeit zu klären. Solange aber wartet der Jugendliche bei
uns in unruhiger Erwartung mit einer gewissen natürlichen Angst vor dem, was auf ihn zukommt
(ebd.: 24).
65
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Er meint weiters dazu, dass diese Kosten anstandslos von den „Krankenkassen zum teuren
Pflegesatz bezahlt“ werden, „obwohl das Ziel der stationären Behandlung längst erreicht ist und
eine Weiterbehandlung eigentlich nicht mehr stattfindet. Es wäre aber auch nicht möglich, für diese
Wartezeit die Kostenverpflichtung eines Jugendhilfe- oder Sozialhilfeträgers zu bekommen“
(Lempp, 1990: 25).
In Bezug auf Grenzen zur Finanzierung ist pointiert formuliert zu hinterfragen, inwieweit die
Jugendwohlfahrt noch ein Interesse daran haben könnte, spezifische Betreuungssettings zu
entwickeln bzw. zu finanzieren, wenn Kinder- und Jugendliche in besonders schwierigen
Situationen auf der KJP „untergebracht“ werden können und somit die Kosten von der
Krankenkasse, also vom Gesundheitssystem getragen werden. Somit ist für diese Kinder und
Jugendlichen eine hochqualifizierte Behandlung und Betreuung gewährleistet, ohne dass für die
Jugendwohlfahrt zusätzliche Kosten entstehen. Aufgrund dessen könnte man hinterfragen,
inwieweit lange Wartezeiten auf der KJP dem Jugendwohlfahrtssystem sogar entgegen kommen.
Von Seiten der KJP gibt es die Möglichkeit der Asylierung. Dies bedeutet, dass das Kind oder der
Jugendliche von Seiten der Klinik als psychiatrisch nicht behandlungsbedürftig definiert wird und
somit die Kosten für den stationären Aufenthalt nicht mehr von der Krankenkasse getragen werden.
Dies bedeutet nicht unbedingt, dass diejenigen Kinder und Jugendlichen nicht therapiefähig sind,
sondern wenn eine Entlassung nur aus dem Grund nicht erfolgen kann, weil noch keine geeignete
Unterbringung gefunden ist, kann man eine psychiatrische Behandlungsbedürftigkeit nur mehr sehr
schwer begründen. Im Fall einer Asylierung werden allerdings in manchen Fällen im Endeffekt die
Eltern zur Kasse gebeten. Wenn man bedenkt, dass die Klientel der KJP nicht aus vorwiegend gut
betuchten Menschen besteht scheint diese Maßnahme kontraproduktiv, da eine Kostenübernahme
von Seiten der Familie diese in noch weitere strukturelle Schwierigkeiten bringen würde, was
wiederum negative Auswirkungen auf das Kind bzw. den Jugendlichen haben könnte.
Grenzen sind auch dadurch gegeben, dass einerseits die Kinder- und jugendpsychiatrische
Versorgung in der Steiermark nicht ausreichend gegeben ist und andererseits auch Angebote im
Rahmen der Jugendwohlfahrt besonders für jene Kinder und Jugendlichen in besonders schwierigen
Situationen nicht hinreichend vorhanden sind.
Wie bereits im Kapitel 5.1.3 Rechtliche Rahmenbedingungen beschrieben besteht eine weitere
Grenze darin, dass im Rahmen des Steiermärkischen Behindertengesetz teilweise Maßnahmen
finanziert werden, die für diese Kinder und Jugendlichen als geeigneter erscheinen und die es im
Rahmen der Jugendwohlfahrt in dieser Art und Weise nicht gibt. Daher kommt es vor, dass Kinder
66
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
und Jugendliche in schwierigen Situationen als behindert anerkannt werden müssen, damit eine
Maßnahme finanziert wird, die für sie eine weitere optimale Entwicklung in Bezug auf die
Wohnversorgung und die Berufsausbildung garantiert.
Eine weitere Grenze in Bezug auf die Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt und der KJP ist durch die Durchführungsverordnung des Steiermärkischen
Jugendwohlfahrtsgesetzes gegeben. Hier ist genau festgelegt, welche Leistungen im Rahmen der
Jugendwohlfahrt finanziert werden, und welche Voraussetzungen diese erfüllen müssen. Zuschüsse
sind teilweise sehr knapp kalkuliert, so dass eventuelle intensivere Betreuungsmaßnahmen nicht
oder nur sehr schwer durchgeführt werden können.
5.2 Das pädagogische Konzept der Kinder- und Jugendpsychiatrie- der LSFGraz
Um eine optimale sozialpädagogische Behandlung von Kindern und Jugendlichen auf der kinderund jugendpsychiatrischen Abteilung der LSF zu gewährleisten, war es notwendig, ein
pädagogisches Konzept zu erstellen, das von der aktuellen Situation ausgeht und die pädagogische
Arbeit in den Stationsalltag integriert. Außerdem ist dies besonders wichtig, um zu wissen, welche
sozial- und heilpädagogischen Maßnahmen bei welchen Patienten getroffen werden, um die
Qualität der pädagogischen Arbeit zu sichern.
Hierzu wurde erarbeitet, dass die pädagogische Arbeit auf der KJP der Landesnervenklinik eine
lebensweltorientierte Sichtweise beinhaltet, die sich einerseits in der Alltagspädagogik, andererseits
in der Freizeitpädagogik und der pädagogisch- therapeutischen Arbeit widerspiegelt. Diese drei
großen Bereiche sind auch die Hauptaufgabenbereiche des pädagogischen Teams der Station.
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass eine eindeutige Abgrenzung dieser drei Bereiche nicht
erfolgen kann, da sie ineinander spielen und
z.B. Freizeitpädagogik oder pädagogisch
therapeutische Arbeit nicht ohne Alltagspädagogik passieren kann.
Im Folgenden sollen zunächst die Leitperspektiven sozial- und heilpädagogischen Handelns in der
KJP beschrieben werden, bevor deren konkrete Unsetzung in der pädagogisch- therapeutischen
Arbeit, der Alltags- und der Freizeitpädagogik sowie in konkreten Angeboten dargestellt wird.
67
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5.3 Leitperspektiven sozial- und heilpädagogischen Handelns in der Kinderund Jugendpsychiatrie
In diesem Kapitel sollen pädagogische Grundsätze dargestellt werden, die dem pädagogischen
Konzept und der pädagogischen Arbeit auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung der
LSF zugrunde liegen. Hier sind vor allem das Konzept der Ressourcenorientierung und der
Lebensweltorientierung im Vordergrund. Ebenso soll in diesem Kapitel auf die pädagogische
Gruppenarbeit und die Beziehungsarbeit als Leitperspektiven pädagogischen Handelns eingegangen
werden.
5.3.1 Ressourcenorientierung
Im folgenden Kapitel soll der Begriff der Ressourcenorientierung in Bezug auf ihre Bedeutung für
die Sozial- und Heilpädagogik im Kontext der KJP diskutiert werden.
Der Begriff der Ressourcen soll in diesem Zusammenhang ein Oberbegriff sein, für all das, was die
Klientel an „Lern- und Hilfsprozessen, an eigenen Kompetenzen, Stärken, sowie materiellen und
ideellen Beiträgen einbringt“ (Staub- Bernasconi, 2001: 1507). Vor allem die Stärken und
Kompetenzen des einzelnen Klienten sollen für die Sozial- und Heilpädagogik einen besonderen
Stellenwert haben.
Die Ressourcenorientierung stellt ein Pendant zur Defizitorientierung der Medizin dar. Da
angenommen wird, dass jeder Mensch Ressourcen wie auch Defizite hat, gilt es für die Sozial- und
Heilpädagogik in diesem Feld, immer wieder, die Ressourcen und Entwicklungspotentiale von
Kindern und Jugendlichen zu betonen. Auch wenn Kinder und Jugendliche auffällige
Verhaltensweisen zeigen, muss es dem Sozial- und Heilpädagogen gelingen, den Blick auf die
Stärken und Ressourcen des Kindes zu legen.
5.3.2 Lebensweltorientierung
Das Konzept der Lebenswelt- oder Alltagsorientierung, das meist synonym verwendet wird, kann
als eine zentrale Theorieströmung verstanden werden, die die Entwicklung der Sozialen Arbeit in
Theorie und Praxis seit den 70er Jahren erheblich beeinflusst hat.
Lebensweltorientierung bezeichnet sowohl ein Rahmenkonzept sozialpädagogischer
Theorieentwicklung als auch eine grundlegende Orientierung sozialpädagogischer Praxis, die sich
in sozialpolitischen und rechtlichen Rahmenbedingungen […], in institutionellen Programmen und
Modellentwicklungen […] sowie in Konzepten sozialpädagogischen Handelns konkretisieren
(Grunwald/ Thiersch, 2001: 1136).
Das Konzept der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit bezieht sich auf die Notwendigkeit, sich
konsequent an den AdressatInnen mit ihren unterschiedlichen Selbstdeutungen und individuellen
Handlungsmustern in gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen zu orientieren. „Soziale Arbeit
68
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
nutzt ihre rechtlichen, institutionellen und professionellen Ressourcen dazu, Menschen in ihrem
vergesellschafteten und individualisierten Alltag zu Selbständigkeit, Selbsthilfe und sozialer
Gerechtigkeit zu verhelfen“ (vgl. ebd. 1136).
Grunwald und Thiersch (2004: 5) erklären das Konzept der Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit
wie folgt:
Das Konzept Lebensweltorientierte Soziale Arbeit zielt darauf, Menschen, in ihren Verhältnissen,
in ihren Ressourcen, ihren vorenthaltenen Partizipationschancen und ihren Schwierigkeiten des
Alltags zu sehen. Lebensweltorientierte Soziale Arbeit sucht dementsprechend den Menschen im
Medium ihrer erlebten, erfahrenen Deutungs- und Handlungsmuster durch Unterstützung,
Provokation und Arbeit an Alternativen zu besseren Verhältnissen und tragfähigeren Kompetenzen
zu helfen.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass unterschiedliche Einrichtungen der Jugendwohlfahrt,
als aktuelle Lebenswelt des Kindes bzw. des Jugendlichen gelten. Wird dieser Jugendliche auf der
KJP stationär aufgenommen, dann gilt, teilweise für kürzere, in manchen Fällen auch für längere
Zeit, die Station als aktuelle Lebenswelt, obwohl der Aufenthalt nicht dazu dienen soll. Trotzdem
gibt es Kinder- und Jugendliche, die aufgrund ihrer Problematik länger auf der Station bleiben
müssen, und für die sich dann zwangsläufig die KJP als Lebenswelt konstituiert. Somit ist der
Jugendliche oder das Kind einerseits in seiner eigenen Lebenswelt, aus der er/sie kommt,
andererseits in der aktuellen Lebenswelt der Station zu sehen.
Lebensweltorientierte Hilfen setzen an in den lebensweltlichen Verhältnissen der AdressatInnen,
wobei diese Verhältnisse gleichzeitig in ihrer gesellschaftlichen Überformung kritisch zu
reflektieren sind. Darüber hinaus betonen sie die in der heutigen gesellschaftlichen Realität
gegebene Offenheit und Komplexität von Verhältnissen, um so Menschen in ihren Ansätzen der
Stärken zu stabilisieren, also in ihrer Fähigkeit, sich in offenen Verhältnissen zu arrangieren, in
Fähigkeiten des Empowerments und der souveränen Selbstzuständigkeit“ (Grunwald/ Thiersch,
2004: 189).
Im Sinne der lebensweltorientierten Sichtweise, müssten therapeutische Angebote hin zu
präventiven, ambulanten und offenen, vor allem aber zu niedrigschwelligen, auf die
Lebenswelterfahrungen der AdressatInnen bezogenen und in das Gemeinwesen hinein geöffneten
Angeboten, ausgebaut werden.
Es kann festgehalten werden, dass auf der KJP immer versucht wird, das Kind oder den
Jugendlichen in seinen Lebensverhältnissen zu sehen und auch die Hilfe in Form von ambulanten
und tagklinischen Angeboten so anzusetzen, sodass es möglich ist, in den Lebensverhältnissen zu
bleiben. Nun sind wir aber im Kontext der KJP immer wieder mit Kindern und Jugendlichen
konfrontiert, denen es nicht möglich ist, im familiären Umfeld zu bleiben, da gerade dieses zur
Problemkonstellation gehört. Nicht abzustreiten ist, dass auch die aktuellen Lebensverhältnisse in
den Jugendwohlfahrtseinrichtungen an sich ebenfalls problembeladen sind. An dieser Stelle wird
die Zusammenarbeit zwischen der KJP und den Einrichtungen der Jugendwohlfahrt besonders
69
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
wichtig. Auch wenn Kinder oder Jugendliche aus einer Einrichtung auf die KJP kommen, ist die
Zusammenarbeit im Hinblick auf den lebensweltorientierten Ansatz von besonderer Bedeutung.
5.3.3 Pädagogische Gruppenarbeit (Gruppenpädagogik)
Wie bereits erwähnt, ist im Stationsalltag pädagogische Gruppenarbeit von zentraler Bedeutung und
in Bezug auf soziales Lernen unverzichtbar. Unter pädagogischer Gruppenarbeit wird an dieser
Stelle einerseits die Arbeit im Alltag, in der Stationsgruppe verstanden, die geprägt ist von
gruppendynamischen Prozessen, die entweder zur Stabilisierung vorhandener Probleme beitragen,
oder aber auch neue Probleme für Kinder- und Jugendliche schaffen können. Dieser Gruppenalltag
kann dann zur Gruppenpädagogik werden, wenn er bewusst als soziales Lernfeld für alle Beteiligten
verstanden wird (vgl. Kruse, 2002: 100).
Andererseits ist die pädagogische Gruppenarbeit auch im Rahmen der Freizeitpädagogik und im
Rahmen pädagogischer Gruppenstunden, die 1- 2 Mal pro Woche stattfinden und in denen
gruppendynamische Prozesse angesprochen und bewusst gemacht werden bzw. Übungen zur
Interaktion und sozialen Kompetenzförderung durchgeführt werden, eine wesentliche Grundlage.
Ein wichtiges Ziel dieser speziellen Gruppenarbeit ist es auch, aus zufällig einander zugeordneten
Personen eine Gruppe mit einem Gefühl der Zusammengehörigkeit zu schaffen.
Pädagogische Gruppenarbeit in diesen beiden Bedeutungen ist nach Kruse (2002: 100)
gekennzeichnet durch drei wichtige Aspekte:
-
die Alltagsorientierung: dies bedeutet, dass Lernen und Veränderung im Alltag und in
alltäglichen Situationen stattfindet, wie dies bereits im Kapitel der Lebensweltorientierung
angesprochen wurde.
-
Die Ganzheitlichkeit: in Gruppen sind kognitive und soziale Lernerfahrungen möglich.
-
Die relative Offenheit: Lern- und Veränderungsprozesse sind nicht vollständig planbar.
Besonders ist auch, dass die Betreuenden selbst Teil des Gruppenprozesses und damit
ebenfalls Lernende sind.
An dieser Stelle ein kurzer Diskurs zur Bedeutung der Gruppe. Besonders in der Pubertät hat die
Gleichaltrigengruppe vor allem in der Ablösungsphase von den Eltern eine sehr wichtige Funktion.
Die Gruppe ermöglicht ein Gefühl der Zugehörigkeit und Identifikation mit Gleichaltrigen sowie
Anerkennung und Akzeptanz in ihrer Identität außerhalb der Familie. Eine tragfähige Gruppe wird
zu einem wichtigen Faktor als Vorbereitung auf spätere Lebensbewältigung. Sie kann als
Übungsfeld für Unterschiedlichkeiten und Angemessenheiten sozialer Verhaltensweisen angesehen
70
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
werden (vgl. Kruse, 2002 113f.). Auch kann die Gruppe eine stabilisierende Wirkung in Bezug auf
jugendliche Entwicklungsprozesse haben, indem sie Erfahrungen gleicher Lebenslagen und
Solidarität ermöglicht, Anerkennung verschafft und wichtige Orientierung bietet, sowie Ängste
abbaut (vgl. Klawe, 1993: 174).
Diese Gleichaltrigengruppe ist notwendig, kann allerdings auch, besonders wenn abweichende in
Richtung Devianz gehende Verhaltensweisen im Spiel sind, negative Auswirkungen haben. Dies
führt in Bezug auf stationäre KJP sowie auch für stationäre Fremdunterbringungsmöglichkeiten der
Jugendwohlfahrt zu einer Chance aber auch zu Herausforderungen. Das Problem, das sich
besonders im Bereich der KJP zeigt besteht darin, dass viele Jugendliche bereits abweichendes
Verhalten, besonders in Bezug auf Drogen, Alkohol, Delinquenz etc. zeigen und sich damit die
Gleichaltrigengruppe in stationären Einrichtungen teilweise als negativer Einfluss, besonders für
Kinder- und Jugendliche, die solche Erfahrungen noch nicht gemacht haben, darstellt. Die Chance
der Gleichaltrigengruppe in der stationären Behandlung besteht allerdings darin, dass Aktivitäten,
bzw. das Zusammenleben, in dem prosoziales Verhalten gefördert und gelebt wird, einen positiven
Einfluss auf die Entwicklung der Jugendlichen haben kann (vgl. Klosinski, 2003: 80).
Auf diesen Bereich gilt es, vor allem für die Pädagogik, besonderes Augenmerk zu legen und in
diese Richtung auch präventive Schritte zu unternehmen. Klosinski (2003: 80) schreibt dazu in
Bezug auf Familien:
Um das Risiko eines negativen Einflusses der jugendlichen Peer- Gruppe zu minimieren, bedarf es
einer „fördernden Umwelt“, die auf allen Entwicklungsstufen unserer Kinder und Jugendlichen
vorhanden sein sollte, damit Aggression in die „rechte Bahn“ gelenkt werden kann und damit eine
Entwicklung in Gang kommt, die hin zu einer gesunden Selbstbehauptung, Standfestigkeit und
Zivilcourage führt und ein gesundes Selbstbewusstsein ermöglicht.
Dies kann jedoch auch gleichbedeutend für die stationäre KJP gelten. Hier muss es vor allem in
Anbetracht der teilweise schwierigen Konstellation der Gruppe immer wieder zum Thema gemacht
werden, wie das Risiko des negativen Einflusses minimiert und eine „fördernde Umwelt“
geschaffen werden kann.
Für jedes einzelne Kind oder Jugendlichen birgt die Gruppe eine wertvolle Chance, da die anderen
Gruppenmitglieder mit ihm noch keine negativen Erfahrungen gemacht haben und umgekehrt. In
diesem Sinne kann diese neue Gruppe ein Feld eröffnen, in dem unterschiedliche Rollen erprobt
werden können. Durch diese Annahme ergibt sich eine wichtige Aufgabe für PädagogInnen und
Pflegepersonal. Die Gruppenleitung kann durch Hilfestellungen bzw. Gespräche, Reflexionen und
Bewusstmachungen unerwünschte Rollenübernahmen beeinflussen und thematisieren (vgl. Kruse,
2002: 113). Hierzu ein konkretes Beispiel: Ein etwas stärkerer 14 jähriger Bub wird wegen seines
Gewichts von anderen gehänselt und wird in Konfliktsituationen mit anderen Jugendlichen schnell
71
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
aggressiv. Die Mutter kann als sehr übergriffig beschrieben werden und es besteht eine schwierige
Beziehung zum Vater. Hier könnte man alle möglichen psychologischen Schlüsse ziehen. Im
Stationsalltag geht es allerdings darum, dass der Jugendliche gemeinsam mit der PädagogIn
Möglichkeiten findet, um mit unterschiedlichen Beschimpfungen und Ausgrenzung zurecht zu
kommen und Strategien entwickelt, um sich gegen Beschimpfungen und Hänseleien adäquat zu
wehren. Ein weiteres Ziel für die pädagogische Arbeit mit diesem Jugendlichen in der Gruppe wäre
es, dass er lernt, einen positiven Kontakt zu Mitpatienten aufzunehmen (vgl. ebd.: 113) und dass im
Rahmen der Gruppenpädagogik die Gruppe lernt, anders mit diesem Jugendlichen umzugehen, als
dieser es bisher gewohnt war.
Auch in Bezug auf die Alltagsorientierung spielt die Gruppe eine wesentliche Rolle. Im stationären
Setting verbringt und bewältigt eine Gruppe annähernd Gleichaltriger ihren Alltag. Daraus ergibt
sich auch das wichtigste Arbeitsfeld für Pflegepersonal und Sozial- bzw. HeilpädagogInnen. Kruse
(2002: 109) schreibt dazu: „Das wichtigste Arbeits- und Handlungsfeld des Pflege- und
Erziehungsdienstes ist die Stationsgruppe im Alltag: Hier wird gegessen, getrunken, gestritten,
getröstet, geliebt, gekämpft- Alltag kann Spaß machen vielfältige Lernmöglichkeiten bieten und
‚gelingen’, Alltag kann aber auch in drögen Routinen mit ‚Ämtchen’ (Diensten) und fragwürdigen
Regeln […] erstarren.“ In diesem Zitat wird deutlich, dass der Alltag genauso wie die Gruppe
Gefahren und Chancen bietet.
Für den/ die PädagogIn besteht die Herausforderung in der Arbeit mit Gruppen darin, einen guten
Mittelweg darin zu finden, Freiräume zu gewähren und andererseits wichtige Strukturen, Regeln
und somit auch Orientierung zu bieten (vgl. Klawe, 1993: 176f.).
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Stationsgruppe sowie gruppenbezogene
Maßnahmen ein wesentlicher Bestandteil der kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung sind.
Besonders in Bezug auf die pädagogische Arbeit leistet die Gruppenpädagogik einen wesentlichen
Beitrag, der es ermöglicht, personale und soziale Identität zu entwickeln. Soziales Lernen wird
somit zu einer Möglichkeit der Entwicklung von Ich-Identität.
Als eines der wichtigsten Grundlagen der pädagogischen Arbeit im Kontext der KJP kann die
bewusste Gestaltung der sozialen Interaktion im gemeinsamen Alltag verstanden werden (vgl.
Kruse, 2002: 115ff.).
Die Wichtigkeit der Gleichaltrigengruppe sollte von pädagogischem Personal immer wieder betont
werden und ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass diese wichtigen Funktionen „selbst von
den wohlmeinendsten pädagogischen Konzepten“ nicht ersetzt werden kann (Klawe, 1993: 175).
72
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5.3.4 Beziehungsarbeit- pädagogischer Bezug
Eine der wichtigsten Prämissen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, beziehungsweise
generell in der pädagogischen Arbeit ist die Beziehungsarbeit. Ohne Beziehung keine Erziehung.
Das heißt, wir müssen es zuerst schaffen eine Beziehung zum Kind oder zum Jugendlichen
herzustellen, sodass ein Umfeld geschaffen wird, in dem Lernen überhaupt möglich ist.
Vor allem Herman Nohl hat in den 1920 er Jahren das emotionale Verhältnis zwischen
Erwachsenen und Jugendlichen als einen zentralen Punkt in der pädagogischen Arbeit beschrieben.
Dieser wie er es nannte, pädagogische Bezug, macht die notwendige Entwicklung auf beiden Seiten
erst möglich. Dies ist auch notwendig, um Kindern und Jugendlichen wichtige Grenzen setzen zu
können, die diese auch akzeptieren können (vgl. Böhnisch, 2001a: 189f.). Vor allem im Kontext der
KJP spielt das Grenzen setzen und die Struktur eine wesentliche Rolle und trägt wesentlich zur
Behandlung bei.
Viele psychische Krankheiten werden auch als Ausdruck einer Störung der Beziehung zwischen
den einzelnen Menschen gesehen. Lempp (1991: 61) schreibt dazu:
„Wenn es sich aber bei der Psychose um eine Störung der Beziehung des betroffenen Menschen zu
seinen Mitmenschen handelt, dann muss doch diese Beziehung im Mittelpunkt unserer helfenden
und heilenden Aktivität stehen, und dass es hier mit Distanz, wie sie der überlegene Chirurg
gegenüber einer zu entfernenden Geschwulst zeigen kann oder der Orthopäde, der ein gebrochenes
Bein schient, nicht getan sein kann. Es liegt nahe, dass hier die Nähe, das von Liebe, das heißt von
Emotionalität getragene Beziehungsangebot der Pädagogik viel mehr am Platze ist.“
Wenn Patienten nicht mehr in die gemeinsame Realität zurückfinden, diese geradezu fürchten, dann
ist nach Lempp gerade das ständige Beziehungsangebot als vertrauensbildendes Vorbild und die
möglichst bedingungslose Akzeptanz entsprechend den frühinfantilen Bedürfnissen der gebotene
Weg (vgl. Lempp, 1990: 61).
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass in der Sozialen Arbeit immer auch eine emotionale
Komponente mitspielt. Wir werden von unseren AdressatInnen nicht nur als Professionelle, sondern
auch als Menschen erfahren (vgl. Böhnisch, 2001b: 311).
Auch Burkhart Müller (2008: 62) misst dieser Komponente eine zentrale Bedeutung bei und hat
durch seine empirischen Untersuchungen in Bezug auf die Jugendarbeit folgende These untersucht
und bestätigt:
Besondere Bildungsgelegenheiten der Jugendarbeit ergeben sich daraus, dass sich die
Mitarbeiterinnen immer in einer Doppelrolle befinden (gerade auch aus der Sicht der
Jugendlichen): (a) als „Erwachsene zum Anfassen“ und Partnerinnen in einer persönlichen
Auseinandersetzung und (b) als Repräsentantinnen und Dienstleister in einer Freizeiteinrichtung,
die Respekt für diese Aufgabe fordern müssen. Jugendliche profitieren, wenn sie beides erleben.
73
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Dadurch entwickelt sich ein
emotionales Spannungsfeld, das man auch durch noch so
professionelle Distanzierungs- und Kontrolltechniken nicht ausgleichen kann. Es muss uns vor
allem auch gelingen, unsere AdressatInnen auszuhalten um sie schließlich akzeptieren und
verstehen zu können. Ein wesentlicher Punkt in der Beziehungsarbeit ist auch die Trennung von
Verhalten und Person als einen der wichtigsten Grundpfeiler der pädagogischen Arbeit. Auch wenn
man mit einem bestimmten Verhalten nicht einverstanden ist, respektiert man das Kind oder den
Jugendlichen trotzdem und darf diesen nicht fallen lassen (vgl. Böhnisch, 2001b: 311). Wenn man
als Professionelle(r) weiterhin zu dem Kind oder Jugendlichen steht, impliziert das auch, dass man
ihm oder ihr zutraut auch anders zu können. Dies sind die wichtigsten Grundlagen, um eine positive
Beziehung, die schließlich Veränderung möglich macht, aufzubauen.
Auch Burkhart Müller (2008: 61) schreibt der Beziehungsarbeit vor allem im Hinblick auf die
Bildungsförderung und informelle Bildung in der Arbeit mit Jugendlichen einen zentralen
Stellenwert zu. Dabei definiert er die notwendige Art der Beziehung wie folgt:
Es handelt sich weder um den pädagogischen Bezug im Arbeitsbündnis zwischen Erzieher und
Zögling, Lehrer und Schüler, noch um eine therapeutische oder Beratungsbeziehung, noch um eine
private Beziehung zwischen Erwachsenen und Jugendlichen oder unter Freunden, noch um eine
Arbeitsbeziehung zwischen Dienstleister und Kunden, sondern um eine merkwürdige Mischung
von all diesem. Beziehungsarbeit heißt hier also zunächst, sich in dieser Mischung zurecht zu
finden, den Ton zu treffen, sie zu balancieren und auszuhalten, statt in eine jener Möglichkeiten zu
flüchten.
Im Rahmen der klinischen Sozial- und Heilpädagogik besteht hier die Besonderheit, dass die
Aufenthalte so kurz wie möglich sein sollen. Daher liegt es im Fingerspitzengefühl des Personals,
eine tragbare Beziehung aufzubauen, um Lernen zu ermöglichen, andererseits aber diese Beziehung
nicht in einer Weise einzugehen, die auf eine längerfristige Intervention abzielt. Das heißt, es geht
hier immer um eine Gratwanderung- einerseits ist Beziehung notwendig, andererseits darf diese
nicht zu eng werden, da in der Klinik kurze Interventionen vorgesehen sind. Natürlich kommt es in
Einzelfällen immer wieder dazu, dass vor allem bei Kindern und Jugendlichen, die im Endeffekt
eine sehr lange Zeitspanne stationär bleiben müssen, Beziehungen aufgebaut werden, die eigentlich
im Rahmen eines klinischen Aufenthaltes nicht zielführend wären, sich aber durch sehr lange
Aufenthaltsdauern (von bis zu einem Jahr oder länger) ergeben und nur schwer vermeiden lassen.
Hier muss eine professionelle Distanz gewahrt werden, um einen weiteren Beziehungsabbruch in
Lebensläufen, die ohnehin sehr häufig von vielen Beziehungsabbrüchen geprägt sind, besser
bewältigbar zu machen.
74
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5.3.5 Sozialraumorientierung
Als Bezeichnung für lebensweltnahe, räumliche Gebietseinheiten hat sich der Begriff des
Sozialraumes durchgesetzt. Mit dem Konzept des Sozialen Raumes wird die Aufmerksamkeit in der
Sozialen Arbeit verstärkt auf den Zusammenhang von „sozialen Bedingungen (sozialer Lebenslage)
und (nah)räumlicher Umwelt (Lebensraum) und auf die sich daraus ergebenden unterschiedlichen
Lebenswelten
(Lebenssituationen,
Entwicklungs-
und
Entfaltungsmöglichkeiten)
von
Menschen“(Lukas, 2005: 867) gelegt.
In städtischen Gebieten kann man den Sozialraum als eine Zwischenebene von der Mikroebene
(Familie, Freunde) und der Makroebene (Gesamtgesellschaft) begreifen (vgl. ebd.).
Ein grundlegendes Ziel der Sozialen Arbeit ist es, Lebensbedingungen so zu gestalten, „dass
Menschen dort entsprechend ihren Bedürfnissen zufrieden(er) leben können“ (Hinte, Treeß, 2007:
33).
Der Begriff des Sozialraumes darf vor allem im Hinblick auf Kinder und Jugendliche nicht nur auf
bestimmte Stadtteile bezogen werden, da gerade für Kinder und Jugendliche auch entfertere andere
Orte eine Rolle spielen, hier sind sogar virtuelle Räume miteinzubeziehen (vgl. Deinet/ Krisch,
2005: 146).
Dementsprechend versuchen sozialräumlich orientierte Lebensweltanalysen Deutungen,
Handlungsweisen und Interessen mit dem Blickwinkel bestimmter sozialräumlicher Bedingungen,
die auf die Kinder und Jugendlichen „wirken“ und die wechselseitig von ihnen in bestimmter
Form definiert werden, in den Vordergrund des Erkenntnisinteresses zu stellen. Es stehen demnach
nicht so sehr die „objektiven“ Strukturen, wie demografische Daten, die Dichte sozialer
Institutionen, die Anzahl der Sportplätze etc. im Vordergrund, sondern die lebensweltlichen
Interpretationen, Deutungen und Sichtweisen der Kinder und Jugendlichen bezüglich ihrer
Lebensräume (ebd.).
Für die Sozial- und Heilpädagogik in der KJP heißt das, gezielt darauf Wert zu legen, wie die
Räume gestaltet sind und eventuell bei der Planung neuer kinder- und jugendpsychiatrischer
Stationen aktiv mitzuwirken. Konkret beginnt dies schon bei Kleinigkeiten wie etwa
Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen, oder etwa auf robuste Möbel Wert zu legen. Vor allem auch
im Hinblick auf das therapeutische Milieu sollte der Raumgestaltung ein entsprechender Stellenwert
eingeräumt werden. „Paul Moor, der bekannte Heilpädagoge spricht in diesem Zusammenhang von
einem ‚Äußeren Halt’ und einem ‚Inneren Halt’. Gerade durch eine entsprechende Raumgestaltung
kann der beeinträchtigte ‚Innere Halt’ durch einen entsprechenden ‚Äußeren Halt’ unterstützt
werden“ (Eitle, 2003: 137).
Ein weiterer wichtiger Part der SozialpädagogInnen auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen
Station ist es, vor allem im Hinblick auf die Ressourcenorientierung, auch Ressourcen des
Sozialraumes mit ein zu beziehen. Auch in die sozial- und heilpädagogische Diagnostik sollten die
Deutungen und Sichtweisen der Kinder und Jugendlichen bezüglich ihrer Lebensräume
75
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
miteinbezogen werden. Dies spielt vor allem für Kinder und Jugendliche, die in stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt untergebracht sind eine nicht unwesentliche Rolle.
5.4 Konkrete Umsetzung
Im Folgenden soll dargestellt werden, wie die eben beschriebenen Leitperspektiven in der
praktischen Arbeit auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station der Landesnervenklinik
Sigmund Freud in Graz umgesetzt werden.
5.4.1 Alltagspädagogik
Das Konzept der Lebensweltorientierung realisiert sich auf der Ebene der Alltagspädagogik. In den
Bereich der Alltagspädagogik fällt im Rahmen der stationären KJP von der Einhaltung der
Tagesstruktur als ein wichtiger Schwerpunkt, alles was mit Einhaltung von Regeln zu tun hat bis
hin zu adäquater Tischkultur usw.
Vor allem auch die Regeln stellen einen großen Teil pädagogischer Arbeit dar. Diese ermöglichen
auch Bildungsprozesse, wie Burkhart Müller et. al. (2008: 76) in Bezug auf Jugendarbeit wie folgt
formuliert:
Regeln des Umgangs bei der Nutzung einer Einrichtung und ihrer Angebote sind zugleich
Gelegenheitsstrukturen für Bildungsprozesse: allerdings nicht als primär formale Vorschriften
oder Hausordnungen, sondern als Gelegenheiten zum Verhandeln, Grenzen zeigen, Kompromisse
schließen, eigene Rechte und Rechte anderer abwägen und Fehler wieder gut machen. Dabei
beeinflussen sich die von Pädagogen eingebrachten Regeln und informelle Regeln, die unter den
Jugendlichen gelten, gegenseitig auf förderliche oder auch weniger förderliche Weise.
Der Alltag gilt als besonders wichtig, da hier die Schwierigkeiten zum Tragen kommen, die diesen
auch beeinflussen. Thiersch (2003: 126f.) schreibt dazu:
Der Alltag in der verworrenen Fülle seiner „schmuddeligen“ Geschäfte und Schwierigkeiten ist
der Ort, an dem wir leben und unser Leben bewältigen müssen. Dieser Alltag braucht Struktur.
[…] Das Überleben im Alltag kann nicht in einen permanenten Diskussionsprozess aufgelöst
werden.
Die Alltagspädagogik wird als besonders wichtig erachtet, was auch durch das Leitprinzip der
Lebensweltorientierung zum Ausdruck kommt. Kruse (2002: 109) meint, dass der Alltag oftmals zu
einer „Restkategorie“ verkommt und verkürzt wird. An dieser Stelle zitiert Kruse den 8.
Jugendbericht der BRD aus dem Jahr 1990 in dem Alltag beschrieben wird: „Alltag ist bestimmt
durch die unmittelbar erfahrenen räumlichen, zeitlichen und sozialen Bezüge (…) und durch das
pragmatische Interesse der sich stellenden Aufgaben“ (S. 80 zit. nach Kruse, 2002: 109).
76
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Die Idee des „gelingenderen Alltags“ nach Thiersch sollte zu einer erzieherischen und pflegerischen
Praxis führen, in der der Alltag an sich einen besonderen Stellenwert als therapeutischer bzw.
heilender Faktor hat, ohne das Alltagsleben zu entwerten oder überzutherapeutisieren (vgl. ebd.:
110).
Da wir es in der KJP wie auch in der Jugendwohlfahrt teilweise mit sehr schwierigen Kindern und
Jugendlichen zu tun haben, ist es von besonderer Bedeutung, diesen Kindern und Jugendlichen im
Alltag ihre Grenzen aufzuzeigen und ihnen im Alltag ständig Feedback zu geben.
Wesentlich ist es, Lebensbedingungen so zu verändern, dass neues Verhalten ermöglicht wird, und
einen gelingenderen Alltag zu ermöglichen (vgl. Freigang, 2004: 141). Im Rahmen der stationären
KJP müssen wir als Sozial- und HeilpädagogInnen einerseits den Stationsalltag so gestalten, dass
ein verändertes Verhalten ermöglicht wird und andererseits auch Wert darauf legen, Veränderungen
im aktuellen Lebensumfeld zu initiieren.
Im Großen und Ganzen besteht das Ziel der sozial- und heilpädagogischen Behandlung darin,
Hilfestellungen zu geben, um den PatientInnen einen gelingenderen Alltag in ihrem aktuellen
Lebensumfeld zu ermöglichen. Dieses Ziel ist vor allem auch durch Gruppenarbeit und
Gruppenpädagogik zu erreichen.
5.4.2 Freizeitpädagogik
Der Bereich der Freizeitpädagogik umfasst vor allem die Nachmittage, an denen ein umfassendes
Programm angeboten wird, aus dem die Jugendlichen wählen können. Hier wird vor allem darauf
geachtet, dass immer ein aktivierender bzw. passiv regulierender Programmpunkt bzw. eine eher
laute und eher leise Aktivität angeboten wird. Die Aktivitäten dauern am Nachmittag drei Stunden
mit einer Pause von einer halben Stunde. In diesen drei Stunden müssen die Jugendlichen an der
Einheit teilnehmen, die sie sich in den meisten Fällen selbst aussuchen und sollten aktiv teilnehmen.
Dies bedeutet, wenn sie zum Beispiel Sport wählen, sollen sie auch aktiv etwas tun und nicht nur
zuschauen. Dies wird mit Hilfe eines Verstärkersystems dann beurteilt und den Kindern und
Jugendlichen rückgemeldet. Die Struktur der unterschiedlichen Aktivitäten gestaltet sich immer
gleich. Dies ist notwendig, um den Kindern und Jugendlichen Sicherheit zu geben. Am Beginn
jeder Einheit gibt es eine Anfangsrunde, in der in Form eines kurzen Blitzlichts gesagt werden soll,
wie es jedem einzelnen im Moment geht. Am Ende jeder Einheit wird immer eine Abschlussrunde
durchgeführt, in der jedes Kind und jeder Jugendliche sich selbst einschätzen soll und danach ein
Feedback vom Betreuer und der Gruppe bekommt.
77
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5.4.3 Pädagogisch therapeutische Arbeit
Die pädagogisch therapeutische Arbeit bezieht sich vor allem auf Angebote wie z.B. die
Geschmacks- oder Sinnesschule, unterschiedliche Themenworkshops, die Schreibwerkstatt und das
soziale Kompetenztraining, die im Laufe der Zeit für Gruppen entwickelt wurden und hier kurz
erläutert werden sollen.
Die Idee der Sinnesschule entstand ursprünglich aus der Notwendigkeit, Sinneswahrnehmungen vor
allem für Patienten mit einer gestörten Körperwahrnehmung, zu trainieren, sowie auch ein
Genusstraining anzubieten. In der Sinnesschule sollen alle Sinne bewußt trainiert werden. Die
Sinnesschule beinhaltet immer ein vorher festgelegtes Thema, das dann einen Nachmittag lang
behandelt wird. Themen können z.B. sein: Gewürzkräuter, Tee, Vitamine und Säfte, süß und salzig,
Milchprodukte, Marmelade, Gewürze, Schokolade usw.
Die Ziele dieser pädagogisch therapeutischen Aktivität sind aus alltagspädagogischer Sicht das
Kennen lernen und Üben einer Tisch- und Esskultur, Gesprächskultur, das Kennen lernen und Üben
von Küchenarbeiten, Küchenhygiene, Gerätekunde, Ernährungs- und Einkaufskunde, die Förderung
von Kompetenzen im Haushalt sowie interkulturelles Lernen etc. Aus pädagogisch therapeutischer
Sicht stehen vor allem wie bereits erwähnt das Genusstraining und die Sinneswahrnehmung im
Vordergrund sowie auch die Förderung der Fein- und Grobmotorik und kognitiver Fähigkeiten.
Einen wesentlichen Bestandteil stellt auch die Förderung eines Gesundheitsbewusstseins dar, das
bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen als besonders wichtig erachtet wird.
Eine weitere pädagogische- therapeutische Einheit ist die Schreibwerkstatt. Sie wird im Rahmen
des Wochenplanes an einem Nachmittag pro Woche angeboten. In ihrem Rahmen entsteht eine
Stationszeitung mit Beiträgen der Kinder- und Jugendlichen entsteht. In der Schreibwerkstatt wird
den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geboten, sich in einem angemessenen Rahmen
schriftlich und graphisch auszudrücken. Darüber hinaus gibt es die Option, dass diese Beiträge in
der Stationszeitung veröffentlicht werden. Folgende Ziele wurden vom pädagogischen Team im
pädagogischen Konzept der Station festgelegt. Ein besonders wichtiges Ziel aus pädagogisch
therapeutischer Sicht ist die Auseinandersetzung mit der Gefühlswelt, das Formulieren der eigenen
Gefühle sowie das Schreiben als Bewältigungsstrategie zu erkennen und anzuwenden. Ein weiteres
Ziel ist es im Sinne des ressourcenorientierten Ansatzes, Ressourcen zu erkennen und zu fördern
und in diesem Sinne den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten Selbstsicherheit zu
gewinnen. Auch sollen das Durchhaltevermögen gestärkt und die Kreativität gefördert werden.
Ebenso können aus alltagspädagogischer und freizeitpädagogischer Sicht einige Ziele der
Schreibwerkstatt formuliert werden. Diese sind vor allem die Computerkenntnisse zu vertiefen, die
Arbeit an einer Zeitung kennen zu lernen, das Gruppengefühl zu stärken und eine gewisse
78
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Berufsorientierung zu bieten. Auch Lesen bzw. Schreiben als Freizeitaktivität zu erkennen sowie
unterschiedliche Interessen zu wecken und zu festigen bzw. die Individualität des einzelnen Kindes
und Jugendlichen herauszuheben sind wesentliche Zwecke.
Etwas genauer soll hier das soziale Kompetenztraining erklärt werden, das ebenfalls einmal in der
Woche im Rahmen der sozial- und heilpädagogischen Einheiten am Nachmittag durchgeführt wird.
Zurzeit können sich Kinder- und Jugendliche freiwillig für diese Aktivität anmelden wodurch dann
eine heterogene, interessierte Gruppe entsteht, mit der gearbeitet werden kann. In Zukunft wäre
allerdings wünschenswert, dass das soziale Kompetenztraining mit den meisten Kindern- und
Jugendlichen im Rahmen der Therapie durchgeführt wird.
Wenn in diesem Zusammenhang ständig von sozialen Kompetenzen gesprochen wird, sollte der
Begriff der sozialen Kompetenz definiert werden. Eine viel verwendete Definition der sozialen
Kompetenz stammt von Döpfner, Rey & Schlüter (zit. nach Jugert et al., 2001: 5). „Demnach
versteht man unter sozialer Kompetenz die Verfügbarkeit und Anwendung kognitiver, emotionaler
und motorischer Fertigkeiten, die in bestimmten sozialen Situationen zu einem langfristig günstigen
Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen führen.“ Die Formulierung „in bestimmten
sozialen Situationen“ macht es notwendig, ein Bündel an Fähigkeiten und Fertigkeiten zu
formulieren, die in mehreren Bereichen, wie z.B. Schule, Elternhaus, Freundeskreis etc. notwendig
bzw. anwendbar sind. Fertigkeiten wie z.B. Durchsetzungsvermögen, Selbstsicherheit, Kontaktund Kooperationsfähigkeit, sollen den Kindern und Jugendlichen dazu dienen, einen Kompromiss
zwischen sozialer Anpassung und persönlichen Bedürfnissen zu finden.
Als eine wichtige Entwicklungsaufgabe wird der Erwerb von sozialen Kompetenzen gesehen, die
viele Kinder- und Jugendliche nicht befriedigend bewältigen können. Dies hat weit reichende
Folgen für ihr persönliches, berufliches und gesellschaftliches Leben. Viele Kinder und
Jugendliche, vor allem jene, die die Klientel der KJP darstellen, scheitern am Schulabschluss oder
bei der Lehrstellensuche, sie haben Schwierigkeiten mit dem Aufbau von adäquaten Beziehungen
und mit den Anforderungen, die unsere Gesellschaft an ihre Mitglieder stellt (vgl. Jugert G. et.al.:
2001: 1).
Auf diesem Hintergrund wurde von Jugert und anderen (2001) ein pädagogisches Training mit dem
Titel Fit for Life entwickelt, das die aktuelle und präventive Förderung von sozialen und
berufsbezogenen Fähigkeiten und Fertigkeiten benachteiligter Jugendlicher zum Ziel hat. Auf
diesen Modulen basiert auch das soziale Kompetenztraining für die Kinder und Jugendlichen,
79
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
SOKO- Gruppe genannt, das auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station der
Landesnervenklinik Sigmund Freud durchgeführt wird.
Der Begriff der sozialen Kompetenz wird seit vielen Jahren diskutiert. An dieser Stelle ist zu
erwähnen, dass Verhaltensweisen, die soziale Kompetenzen ausmachen, immer altersabhängig sind.
Durch Begriffe wie Durchsetzungsvermögen, Selbstsicherheit etc. kann das Konstrukt der Sozialen
Kompetenz sicher nur teilweise erfasst werden.
In der klinischen Psychologie werden die Begriffe soziale Fertigkeiten und soziale Kompetenz
meist synonym verwendet. Sachgemäß wäre es jedoch, den Begriff der sozialen Kompetenz als
Oberbegriff für soziale Fertigkeiten zu gebrauchen (vgl. ebd.). Die soziale Kompetenz
Selbstsicherheit wird durch unterschiedliche Fertigkeiten bestimmt wie z.B. im Kontakt mit anderen
angemessen Forderungen zu stellen, sich von anderen abzugrenzen (Nein-sagen-können), Gefühle
angemessen auszudrücken, Kritik angemessen zu formulieren sowie mit berechtigter oder
unberechtigter Kritik an der eigenen Person angemessen umzugehen etc.
Personen mit fehlenden sozialen Kompetenzen erscheinen vermeidend unsicher oder zudringlich
aggressiv, wenn die beiden Extreme benannt werden (vgl. Jugert et al, 2001: 6). Kinder mit
psychischen Problemen haben sicher teilweise fehlende soziale Kompetenzen, oder sie können die
anstehenden Entwicklungsaufgaben nicht angemessen bewältigen. Diese Kinder- und Jugendlichen
brauchen auf jeden Fall eine Hilfestellung bzw. ein Training. An dieser Stelle ist jedoch gesagt, dass
soziale Kompetenzen nicht nur durch gezielte pädagogische Trainings erworben werden können
sondern dass diese vor allem auch im Alltag trainiert und eingeübt werden müssen. Vor allem
müssen diese im alltäglichen Zusammenleben auf der Station bzw. im Alltag zu Hause erworben
werden.
Das soziale Kompetenztraining Fit for Life versucht durch unterschiedliche Übungen und
Rollenspiele soziale Kompetenzen wie z.B. Selbstsicherheit, Konfliktlösestrategien, berufliche
Fertigkeiten etc. zum Thema zu machen und mit den Jugendlichen gemeinsam zu besprechen bzw.
einzuüben. Dadurch können die Jugendlichen ihr eigenes Verhalten reflektieren und sich
gegebenenfalls in einem geschützten Rahmen ausprobieren. Ein wichtiger Grundsatz in den
sozialen Kompetenztrainingsgruppen ist, dass das Vertrauen unter den Gruppenmitgliedern gegeben
sein muss. Nur so kann gewährleistet werden, dass jede/r Einzelne sich auch auf die Übungen
einlässt und diese für sich nutzen kann. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der einzelnen Module ist
das Feedback, durch das auch der Alltagstransfer erleichtert werden soll.
80
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Ein solcher Alltagstransfer ist ein wesentlicher Punkt des sozialen Kompetenztrainings sowie auch
der anderer sozial- und heilpädagogischer Einheiten auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen
Station. Es hat wenig Sinn, pädagogische Trainings durchzuführen, die wenig Bezug zum Alltag der
Jugendlichen haben. Daher wird immer wieder versucht, Übungen und Rollenspiele möglichst an
der Lebenswelt der Jugendlichen anzulehnen sowie den Alltagstransfer ständig zu thematisieren.
Trotzdem muss der Alltagstransfer noch mehr in das pädagogische Konzept miteinbezogen werden,
um zu gewährleisten, dass das Kind oder der Jugendliche das Gelernte auch zu Hause anwenden
kann. Dies gilt für alle sozial- und heilpädagogischen Einheiten, die angeboten werden.
Die pädagogische Arbeit muss auch dokumentiert werden, um eine Evaluation zu ermöglichen. Hier
werden im Dokumentationssystem Medocs© einerseits Dekurse geschrieben, die vor allem
beinhalten, welche Beobachtungen während der Aktivitäten und im Stationsalltag gemacht wurden.
Andererseits werden auch sozial- und heilpädagogische Berichte verfasst, auf die im Kapitel 5.6
Sozial- und heilpädagogische Diagnostik noch einmal Bezug genommen werden soll.
5.4.4 Gruppenspezifische Angebote
Mindestens einmal pro Woche wird eine gruppenspezifische Aktivität durchgeführt. Dies bedeutet,
dass sich die Kinder und Jugendlichen in ihrer Gruppe (Jugendgruppe, Intensivgruppe,
Kindergruppe) auf eine Aktivität einigen, die dann gemeinsam durchgeführt wird. Die Hauptziele
von gruppenspezifischen Angeboten sind die Identifikation mit der Altersgruppe. Dies bedeutet z.B.
in der Kindergruppe, dass Möglichkeiten geschaffen werden, dass Kinder noch einmal Kind sein
dürfen; auch soll der Zusammenhalt in der Gruppe gestärkt werden und ein Gruppengefühl
gefördert werden. Besonders in der Jugendgruppe ist ein weiteres wichtiges Ziel der
gruppenspezifischen Angebote die Eigeninitiative zu stärken, für das einzutreten, was man wirklich
möchte, die Kompromissbereitschaft sowie ein selbst gestaltetes Freizeitverhalten zu fördern.
Darüber hinaus soll der Kontakt zwischen den BezugspädagogInnen und dem Bezugspflegeteam
gestärkt werden.
81
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
5.4.5 Gruppenübergreifende Angebote
Nahezu alle sozial- und heilpädagogische Einheiten werden gruppenübergreifend angeboten. Das
hat jene Vorteile, dass sich PatientInnen mit ähnlichen Interessen gruppieren können, dass ruhige
und laute Gruppen geschaffen werden können und dass durch inhomogene Gruppen Jüngere von
Älteren lernen können und umgekehrt etc.
Folgende Einheiten werden angeboten:
Täglich:
Sport
Kreativraum
Lern- und Hausaufgabenbetreuung
Alternierend:
Soziales Kompetenztraining
Sinnesschule
Schreibwerkstatt
Themenworkshops (z.B.: Wohlfühlen)
Erlebnisspiele
Theaterworkshop
Tanzworkshop bzw. Ausdruckstanz
div. Aussenaktivitäten (z.B. Museumsbesuch, Kegeln, Skaten etc.)
Schwimmen
Kochen
Div. Projekte (z.B. Filmprojekt, erlebnispäd. Projekt)
5.4.6 Einzel- und Kleingruppenarbeit
Zusätzlich
zu
gruppenübergreifenden
und
gruppenspezifischen
Angeboten
arbeitet
das
pädagogische Team auch in Einzelbetreuung. Ein Ziel dieser Arbeit ist die verstärkte Zuwendung
und Aufmerksamkeit, die entweder als Verstärker eingesetzt werden kann, oder weil PatientInnen
zu diesem Zeitpunkt nicht in die Gruppe integrierbar sind. Auch im Sinne der Alltagspädagogik ist
Einzelbetreuung sinnvoll z.B. beim Einkaufen gehen, um zu lernen, mit Geld umzugehen. Im Sinne
der pädagogisch therapeutischen Arbeit wäre das Einzelsetting teilweise zu bevorzugen. Dies ist
jedoch ressourcentechnisch zur Zeit nicht möglich.
„Für viele Kinder und Jugendliche ist zunächst einmal das Gemeinsame Tun in der
Zweierbeziehung die einzige Möglichkeit zur Kontaktaufnahme, bevor sie sich in größeren
Gruppierungen zurechtfinden können“ (Kruse, 2002: 117).
82
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Für manche Kinder und Jugendlichen ist es erforderlich, sich in einem kleinen Rahmen zu bewegen
und erst schrittweise in die Gruppe integriert zu werden. Dazu ist die Einzelarbeit von zentraler
Bedeutung.
5.4.7 Angehörigenarbeit
Ein weiterer wichtiger Bereich der pädagogischen Arbeit im Hinblick auf das Paradigma der
Lebensweltorientierung müsste vor allem die Angehörigen- bzw. Elternarbeit sein. Im Moment sind
die Ressourcen im pädagogischen Bereich jedoch so knapp, dass ein persönlicher Kontakt zwischen
den PädagogInnen und den Eltern bzw. Angehörigen nur sporadisch stattfindet.
Ein wesentliches Element jedoch ist die psychoedukative Elterngruppe, in der die Angehörigen und
Eltern der PatientInnen vor allem über unterschiedliche Krankheitsbilder, deren Entstehung und
Behandlung
informiert
werden.
Diese
Elterngruppe
beinhaltet
sieben
Module,
die
multiprofessionell gestaltet werden. Ein Modul wird von PädagogInnen geleitet. Hier wird vor
allem auf das Thema „Nachgeben oder sich durchsetzen“ eingegangen, da die meisten Eltern in
punkto Erziehung verunsichert sind und Unterstützung brauchen.
Die Verunsicherung drückt sich zum Teil in einem irritierten Rückzug von Müttern und Vätern
aus, in dem Bemühen, nur ja keine Fehler in der Erziehung zu machen und sich deswegen am
Besten ganz heraus zu halten. Das andere Extrem ist die Kurzschlussreaktion von Gewalt in der
Erziehung der Kinder. Aus völliger Überforderung, nervlicher Überbeanspruchung und absoluter
Ratlosigkeit werden Kinder geschlagen oder psychisch malträtiert. So groß wie heute war der
Unterstützungsbedarf von Eltern (und auch von Berufspädagoginnen und –pädagogen!) wohl noch
nie (Hurrelmann, 2003: 9).
Im Rahmen der Elterngruppe wird im Modul Pädagogik vor allem auf positive Verstärkung und
Verstärkerpläne eingegangen sowie auf die Notwendigkeit der Grenzensetzung.
5.5 Therapie und Pädagogik
Vor allem im Hinblick auf die Sozial- und Heilpädagogik im Kontext der KJP, stellt sich die Frage
nach der Abgrenzung zwischen Therapie und Pädagogik bzw. Therapie und Erziehung. Auf den
ersten Blick mag die Sache sehr einfach aussehen. Hier Therapie, dort Pädagogik und dazwischen
eine Grenze. Wenn man aber in die rund um die Begriffe liegende Alltagspraxis schaut, kann es
leicht passieren, dass das eine und das andere grenzenlos ineinander fließen und die Grenzen
verschwinden (vgl. Kreszmeier, 1999: 10).
Eine wichtige Unterscheidung zwischen Erziehung bzw. Pädagogik und behandlungsorientierten
Strategien, die in der Psychiatrie einen wichtigen Stellenwert haben, ist, dass vielen dieser
Strategien ein Modell von linearen Ursache- Wirkungszusammenhängen zugrunde liegt. Eine
spezifische Behandlungsform wie etwa z.B. die Verabreichung eines bestimmten Medikamentes
83
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
oder die Anwendung einer speziellen Therapiemethode soll eine spezielle Wirkung auslösen. Dies
kann von pädagogischer Intervention nicht behauptet werden, da für pädagogisches Handeln ein
Prinzip maßgeblich ist, das als „strukturelles Technologiedefizit“ bezeichnet wird und der
Individualität sowie der Eigenwilligkeit unserer AdressatInnen Rechnung trägt (vgl. Kapitel 5.6.
Sozial- und heilpädagogische Diagnostik). „Als pädagogisch sind nur solche Interventionen
legitimiert, die von einem gewollten Spielraum des Kindes ausgehen“ (Wolf, 1998: 52). Die
pädagogische Intervention ist vor allem darauf ausgerichtet, nicht nur eine mögliche Reaktion
zuzulassen, sondern Anreize für Entwicklungen zu schaffen. Dabei sind die Geschwindigkeit und
die Entwicklungsrichtung nicht vorbestimmt, sondern das Produkt der pädagogischen Interaktion,
die auf beide Beteiligten Einfluss hat und durch die sich beide Beteiligten verändern und lernen.
Pädagogische
Interventionen
sollten
vielschichtigere
Intentionen
haben,
als
Konditionierungsprogramme, die vor allem auf die Verstärkung oder Reduzierung unterschiedlicher
Reaktionen gerichtet sind (vgl. ebd.: 52). Das „strukturelle Technologiedefizit“ besagt auch, dass
die Wissenschaft nicht das bieten kann, was in der Praxis benötigt wird. Dies wird vor allem durch
die Individualität der Menschen bzw. KlientInnen begründet. So kann eine pädagogische
Intervention zwar einen Anreiz bieten, jedoch auch bei unterschiedlichen KlientInnen zu
unterschiedlichen Reaktionen führen.
Lempp (zit. nach Rotthaus, 1990: 189) macht eine sehr eng auf psychoanalytische Therapie
bezogene Unterscheidung indem er sagt, dass die Pädagogik die „Auseinandersetzung mit der
gemeinsamen Realität“ der „Alltagsorientierung“ sei, während Therapie die „Auseinandersetzung
mit der Nebenrealität oder der privaten Phantasie“, ein „Umweg zum Ziel“ wäre. An dieser Stelle
ist zu betonen, dass es im Grunde nicht möglich ist, Therapie und Pädagogik personell zu trennen,
da Therapie vor allem in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen immer etwas Pädagogisches
haben wird und Pädagogik immer einen therapeutischen Anteil. Lempp (zit. nach Rotthaus, 1990:
1991) meint dazu: „Das Pädagogische in jeder Therapie – und das gilt im Grunde genommen
letztlich gar nicht nur für die Psychotherapie, wenn auch für diese ganz besonders- ist ihre
zukunftsorientierte Konfrontation mit der gemeinsamen Realität. Das Therapeutische in der
Pädagogik ist die dabei gelebte Akzeptanz des Patienten und damit die Möglichkeit zur
Übertragung und Gegenübertragung, mit deren Hilfe emotional Versäumtes nachgeholt und
retrospektiv die Probleme überwunden werden können.“
Sowohl die Pädagogik als auch die Psychotherapie haben dieselbe Zielsetzung: Es geht beiden
darum, Kinder, Jugendliche und deren Eltern dahingehend zu unterstützen, problematische
Situationen zu analysieren, zu reflektieren und einen konstruktiven Umgang mit Problemsituationen
zu erleben. Beide Bereiche haben ebenfalls gemeinsam, dass wachstums- und ressourcenorientiert
84
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
gearbeitet wird. Sie sollen den KlientInnen helfen, eine andere Sichtweise auf ihre Situation zu
erlangen und den Mut zu schöpfen, Neues auszuprobieren (vgl. Gasser, 1999: 7).
In der Kinder und Jugendpsychiatrie Tätige werden also sowohl therapeutisch als auch erzieherisch
wirksam. In diesem Hinblick ist es allerdings besonders wichtig, ein Bewusstsein dafür zu
entwickeln, wann und warum das eine geschieht und wann und warum das andere. Es könnte sehr
verhängnisvoll sein, wenn dort wo Erziehung stattfinden sollte therapiert wird und umgekehrt.
Ludewig (zit. nach Rotthaus, 1990:192) hebt drei wichtige Unterschiede zwischen Therapie und
Erziehung hervor:
„1. Während Therapie die Lösung von Lebensproblemen zum Thema hat, ist das Thema von
Erziehung die gezielte Veränderung des anderen;
2. während Therapie konstitutiv zeitlich begrenzt sein muss, ist dies keine notwendige Bedingung
für Erziehung; und
3. während Therapie vom Therapeuten verwirklicht wird, wird Erziehung vom Erzogenen
vollzogen.“
Eine wichtige Unterscheidung ist, dass ein therapeutisches System dann zustande kommt, wenn der
Beteiligte ein Problem beschreibt und um Hilfe bittet. Die Zielbeschreibung erfolgt durch den
Klienten. Bei Erziehung ist das nicht so. Die Bitte um Erziehung ist im Gegensatz zur Bitte um
Therapie ein Widerspruch in sich (vgl. Rotthaus, 1990: 195).
Ein weiterer Unterschied bezieht sich auf das Setting. Während die Therapie in einem geschützten,
Rahmen und in regelmäßigen Abständen stattfindet, findet Pädagogik immer und überall und vor
allem im Alltag statt (vgl. Gasser, 1999: 7).
Therapie schließt die Lösung des Problems mit ein, während Erziehung ein umfassender Prozess ist.
An dieser Stelle könnte man einwenden, dass Kinder und Jugendliche häufig nicht die Initiative für
eine Therapie ergreifen. Wenn allerdings die Eltern die Aufnahme des Kindes in der KJP initiieren
und Probleme definieren, so sind zumindest auf dieser Ebene die Voraussetzungen erfüllt. Definiert
das Kind selbst kein Problem, so kommt es meist zu einer erzieherischen Intervention. Bei
Jugendlichen kommt es häufig zu einer therapeutischen Beziehung, wenn diese selbst Zielsetzungen
formulieren oder diese von ihren Eltern annehmen (vgl. Rotthaus, 1990: 195).
Herzka (zit. nach Lempp, 1991: 58) hat eine Gegenüberstellung von Therapie und Pädagogik
vorgenommen. Er meint: „Das psychoreaktiv erkrankte Kind braucht Psychotherapie, weil es krank
ist- und es braucht Pädagogik, weil es ein Kind ist.“ Er verknüpft Pädagogik mit den Begriffen
85
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
„Vorbild, Führung, Korrektur“, und Psychotherapie mit den Begriffen „Assoziation und
Interpretation“. Er sieht in der Pädagogik mehr Realität als Phantasie, mehr Nähe als Distanz.
In der Psychotherapie sieht er mehr Phantasie und Distanz. Eine wichtige Unterscheidung für ihn ist
die Beziehung, die er in der Erziehung als immer vorhanden sieht, während er die Beziehung in der
Psychotherapie nur als vorübergehend, während der Therapiestunde, ansieht.
Die Beziehungsarbeit ist sicher eines der wesentlichsten Elemente, wenn es um pädagogische
Arbeit in der KJP geht. An dieser Stelle ist aber betont, dass die Beziehungsarbeit auch zentral für
die Psychotherapie ist. Hier passiert dies aber vorwiegend in der Therapiestunde. Vor allem ist die
Beziehung, die ein Therapeut zu seinem Klienten aufbaut eine andere, als die Beziehung zwischen
Pädagogen und zu Erziehendem.
Für Tätige in der KJP ist es notwendig, ihre Rollen als Erzieher oder Therapeut klar zu machen,
denn nur in diesem Fall kann eine Unklarheit von Botschaften verhindert werden (vgl. ebd.: 58).
Auch wenn in der pädagogischen Arbeit therapeutische Momente auftauchen, so können diese nicht
als vom Pädagogen gemacht, sondern als vom Leben geschenkt angesehen werden. Der/ die
PädagogIn kann aktiv prüfen, ob sie dieses Geschenk annehmen will. „Manche Geschenke sind
eben so groß, dass man sie besser höflich zurückweist. Sagt sie[die Pädagogin] aber ja, so kann sie
diese Geschenke dankbar annehmen und sich als Beschenkte glücklich schätzen. Wenn sie das tut,
bleibt sie bei ihrer Aufgabe und ihrem Auftrag und dennoch lebendig“ (Kreszmeier, 1999: 16).
Obwohl eine Unterscheidung zwischen Pädagogik und Therapie durchaus sinnvoll und nützlich ist,
müssen wir vor allem auf kinder- und jugendpsychiatrischen Stationen davon ausgehen, dass sich
diese Bereiche nur sehr schwer trennen lassen. Eine zentrale Aufgabe des pädagogischen Personals
zum Beispiel besteht in der Gestaltung des therapeutischen Milieus an dem es ebenfalls teilhat. Auf
das therapeutische Milieu wird im Kapitel 5.7 Was kann Sozial- und Heilpädagogik in der Kinderund Jugendpsychiatrie leisten? näher eingegangen.
In vielen Richtungen der Psychotherapie wird eine Distanz zum Klienten oder Patienten gefordert.
Dem gegenüber nimmt die Pädagogik eine Position von Nähe ein. Weiters versucht sie sich ganz
auf das anvertraute Kind einzulassen und dem Kind ein Vorbild zu sein, das ihm möglichst nahe ist
(vgl. Lempp, 1991: 60). Hier wird wieder deutlich, dass sich die Pädagogik eher einer längeren
Zeitspanne verschreibt, was in der Praxis der KJP nicht in dieser Weise möglich ist. Hier spielt der
Beziehungsaspekt auf jeden Fall eine große Rolle, jedoch muss sowohl auf der Seite der Kinderund Jugendlichen als auch der Betreuungspersonen, immer wieder ins Bewusstsein gerufen werden,
86
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
dass es sich in diesem Kontext nur um eine Beziehung mit begrenzter Dauer handeln kann. Dies
macht die pädagogische Arbeit in der KJP auf jeden Fall sehr schwierig.
An dieser Stelle soll angemerkt werden, dass auch wenn Lempp hier die Pädagogik in dieser Weise
hervorhebt, die Psychotherapie, die medizinisch- psychologische, die therapeutische und vor allem
auch die pflegerische Seite einen hohen Stellenwert haben. Diese unterschiedlichen Disziplinen
enthalten durchwegs auch pädagogische Elemente.
5.6 Sozial- und heilpädagogische Diagnostik
In der Pädagogik hat sich die Diagnostik sehr lange Zeit auf Leistungs- und Schuldiagnostik
bezogen. Erst in den letzten Jahren, versucht man auch die zentrale Funktion einer
sozialpädagogischen Diagnostik immer wieder zu betonen. Besonders für die Kooperation mit
Nachbarprofessionen ist die sozialpädagogische Diagnostik unverzichtbar. Dieses Thema wurde
von Seiten der sozialpädagogischen Wissenschaft auch immer wieder aufgegriffen, es bleibt aber
eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem, was in der Praxis gebraucht wird, und den Methoden
und Instrumenten, die die Wissenschaft zur Verfügung stellen kann (vgl. Schrapper, 2006: 40).
Eine Erklärung für dieses Defizit bietet ein in der Pädagogik bekanntes Grundprinzip, das von
Luhmann und Schorr (1982) als „strukturelles Technologiedefizit“ der Sozialen Arbeit bezeichnet
wurde. Dieses besagt, dass ein Subjekt in ein System eingebettet ist und sich die Adressaten sozialer
Arbeit nicht so einfach beeinflussen lassen, sondern auch eigenwillig sind und sich gegebenenfalls
sogar dem Angebot entziehen (vgl. Böhnisch, 2001b: 319). Als ersten Schritt gilt es, dieses Subjekt
zu beschreiben und zu verstehen. Aufgrund dessen kann eine Intervention erfolgen, die in einem
zweiten Schritt vom Subjekt individuell verarbeitet wird und dieses daraufhin entsprechend reagiert.
Diese Reaktion muss durch den Professionellen wiederum beschrieben und interpretiert werden, um
möglicherweise eine erneute Intervention zu setzen u.s.w. Wichtig hierbei ist jedoch, dass hier
keine Kausalität gegeben ist. Das heißt, eine Intervention kann sich im Extremfall bei einer Person
als sehr wirksam und bei einer anderen als kontraproduktiv herausstellen.
Dennoch ist die sozialpädagogische Diagnostik besonders für eine gelingende Kooperation
zwischen der Jugendwohlfahrt und Nachbardisziplinen wie der Justiz und der KJP eine
unverzichtbare Grundlage (vgl. Schrapper, 2004: 5). Vor allem dann, wenn man den Nutzen der
Diagnostik primär in der Verständigung untereinander sieht.
87
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Diesbezüglich muss man sich aber ins Bewusstsein rufen, dass in der Sozialpädagogik eine
„Methode“ wie etwa zur sozialpädagogischen Diagnostik keine bloße Theorieanwendung meint,
sondern stets auf einen „selbstreflexiven ‚kasuistischen’ Diskurs verweist […] durch welchen
sozialpädagogisch Handelnde instand gesetzt werden, selbst das fallspezifisch notwendige Wissen
zu generieren und überprüfbar zu machen“ (Müller, 2006: 15).
Im Prozess der sozialpädagogischen Diagnostik ist immer zu bedenken, dass man es hier mit Eltern
und Kindern zu tun hat, die nicht einfach Konsumenten von Dienstleistungen sind, sondern aktive
Mitgestalter der für sie erbrachten Leistungen. Daher nehmen die Verständigung und der Dialog mit
den Betroffenen in der sozialpädagogischen Diagnostik einen sehr hohen Stellenwert ein. Christian
Schrapper (2004b: 11) schreibt dazu:
Professionelle Einschätzungen in den Feldern der Sozialen Arbeit, soviel wird deutlich, sind auf
beides angewiesen, auf Durchblick ebenso wie auf Verständigung, auf Diagnosen
(=durchblickende Unterscheidungen) ebenso wie auf Dialoge (= um Verstehen und Verständigung
bemühtes Sprechen und Zuhören). Auch hier ist zu fragen, welche Arbeitsweisen und Instrumente
den Fachkräften nützlich sein können, diese doppelte Aufgabe zu bewältigen.
Obwohl die Wichtigkeit sozialpädagogischer Diagnostik auf keinen Fall bestritten werden kann,
wird diese auch in der Praxis der Jugendwohlfahrt nicht standardisiert eingesetzt. Dies bestätigt
auch die Untersuchung von Scheipl 2008 (vgl. Scheipl, 2008a: 393ff.). Auch wurden durch diese
Untersuchung die unterschiedlichen Positionen der Fachkräfte hinsichtlich sozialpädagogischer
Diagnostik bekannt. Einerseits werden Vorteile gesehen in Bezug auf den „Aufbau einer
Fachsprache sowie damit verbunden in einer differenzierteren und spezifischen Beschreibung von
Wirklichkeitsannahmen unter Bezugnahme auf die Lebenssysteme der KlientInnen, in einer
intensiveren Theorieanbindung der Praxis und somit der Professionalität“ (Scheipl, 2008a: 403).
Andererseits werden aber auch immer wieder Vorbehalte deutlich, die sich vor allem auf die
vermutete Defizitorientierung von Diagnosekonzepten beziehen. Hier ist allerdings festzuhalten,
dass Diagnosekonzepte der Sozialen Arbeit kaum bekannt sind (vgl. ebd.).
Wie bereits erwähnt, scheint die sozial- und heilpädagogische Diagnostik besonders im Hinblick
auf die Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und ihren
Nachbardisziplinen
von
Bedeutung.
In
diesem
Zusammenhang
erscheint
das
„Kölner
Modellprojekt“ besonders interessant. Im Rahmen des „Kölner Forschungs- und Modellprojektes“
wurde das Instrument des „kollegialen Fallverstehens“ entwickelt. Dabei handelt es sich um ein
„gruppenorientiertes Verfahren zur Fallanalyse und Entscheidungsfindung, das darauf zielt, einen
Fall zu verstehen und nächste Handlungsschritte in der Beziehungsgestaltung zu einer Familie bzw.
ein Hilfeangebot daraus abzuleiten“ (Ader, 2004b: 318).
88
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Dabei werden folgende Aspekte für das Fallverstehen als notwendig erachtet:
-
die Familien- und Beziehungsdynamik im Klientensystem,
-
die Rolle und die Interventionen der HelferInnen,
-
die Binnendynamik des Hilfesystems,
-
und die Interaktionsdynamik zwischen Familie und Hilfesystem.
Die Besonderheit dieses Modells ist die sytemtheoretisch begründete These, dass auch das System
der Jugendwohlfahrt und seine KooperationspartnerInnen Einfluss auf die Entwicklung von
(kritischen) Lebenssituationen haben. Diese tragen auch dazu bei, dass ein Fall schwierig wird.
Daher ist der Gegenstand der Analyse einerseits das Klienten- wie aber auch das Hilfesystem.
Dieses
Instrument ermöglicht eine „fachlich und methodisch
zuverlässige Form des
‚Zusammenwirkens mehrerer Fachkräfte’“ (Ader, 2004b: 319).
Wichtig in der Durchführung dieser Methode ist, dass die notwendigen Rahmenbedingungen
geschaffen werden (vgl. ebd.).
Auch im psychiatrischen Kontext nimmt die sozial- und heilpädagogische Diagnostik an Bedeutung
zu.
In der Praxis der KJP in Graz hat sich trotz großen Bemühens keine einheitliche Methode zur
sozialpädagogischen Diagnostik durchgesetzt. Obwohl die sozialpädagogische Diagnostik nach
Mollenhauer und Uhlendorff interessante Aspekte und Anhaltspunkte beinhaltet, wäre dieses
Verfahren im klinischen Alltag für 30-40 PatientInnen mit einer sehr hohen Fluktuation sehr
aufwendig. Daher wird hier eine sozialpädagogische Beschreibung im Hinblick auf unterschiedliche
Kategorien (Interaktion mit Gleichaltrigen, Geschlechtsidentität, Sprache und Kommunikation,
Selbstwahrnehmung, Körperwahrnehmung, Problemlösekompetenzen, Stärken und Ressourcen)
durchgeführt und anschließend Zielsetzungen für die pädagogische Arbeit festgelegt. Die
Beschreibung basiert vor allem auf der Verhaltensbeobachtung, die durch das multiprofessionelle
Team durchgeführt und einmal in der Woche für jeden Patienten in der multiprofessionellen Visite
(ohne PatientInnen) besprochen wird. Ein Vorteil dieser Art der pädagogischen Beschreibung ist,
dass hier auf die Individualität jedes einzelnen eingegangen werden kann. Jedoch erschwert die
individuelle Beschreibung des Beobachteten eine Standardisierung. Trotzdem ist es auch ein Weg,
der zur besseren Verständigung einerseits unter den Berufsgruppen, wenn man es schafft, eine
verständliche Sprache zu finden, und andererseits auch der Sozial- und Heilpädagogen
untereinander, in unterschiedlichen Hilfekontexten, beitragen kann.
Vor allem aber wird durch eine Beschreibung des Beobachteten eine Stigmatisierung und
Etikettierung weitgehend vermieden. Andererseits schafft eine Diagnose wie es sie etwa im
psychiatrischen Bereich gibt, auch in einer gewissen Weise Ordnung durch das Einordnen,
89
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Klassifizieren und Systematisieren. Weiters kann durch eine Diagnose z.B. im medizinischen
Bereich auch eine gewisse Prognose für die Therapie und den Verlauf abgegeben werden (vgl.
Dörner, 1975: 139). Die Standardisierung der psychiatrischen Diagnosemodelle lässt sich jedoch
auch weitgehend hinterfragen. Es ist zwar unumstritten, dass diese die Kommunikation
untereinander erleichtern und sich jeder in diesem Feld Tätige unter einer gewissen Krankheit auch
etwas Vergleichbares vorstellen kann. Obwohl man sich sehr um eine Vereinheitlichung bemüht, ist
immer auch die Person desjenigen, der diagnostiziert mit einzubeziehen. Dieser Aspekt betrifft
natürlich gleichermaßen die sozial- und heilpädagogische Beschreibung. Es kann als großer
Kritikpunkt angesehen werden, dass in die Beschreibung immer auch individuelle und persönliche
Aspekte mit einfließen, die immer mit reflektiert werden müssten. Hier sieht Burkhart Müller
(2008: 227) auch eine wesentliche professionelle Kompetenz von PädagogInnen:
Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit sollten sowohl genauer beobachten können, was
Jugendliche in ihren Einrichtungen tun. Zugleich sollten sie aber auch ihre eigene Praxis im
Umgang damit beobachten können. Diese Fremd- und Selbstbeobachtungen sollten insbesondere
dort stattfinden, wo die Situation schwierig ist: Dann, wenn es um irritierende Erfahrungen geht,
die nicht mehr in Erklärungsmuster des Alltagsverstehens eingeordnet werden können.
Gerade in schwierigen Situationen muss es den Fachkräften gelingen, einen Schritt zurück zu treten
und die Situation wahrzunehmen als würden sie einen Film ansehen, „in dem sie selber mitspielen,
ohne ihn in Gänze verstehen zu können“ (Müller et.al, 2008: 228). Vor allem dies Notwendigkeit
der Selbst -beobachtung und –reflexion stellt nicht nur eine geforderte Kompetenz sondern auch
eine Aufgabe der Sozial- und Heilpädagogik in der KJP dar.
5.7 Was kann Sozial- und Heilpädagogik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
leisten
Wenn man von KJP spricht und sich bewusst ist, um was es in diesem Fachbereich geht, wird
schnell klar, dass es quasi unmöglich ist, psychosoziale Probleme und Erziehungsbedürftigkeit von
seelischer Erkrankung zu trennen. Darum muss die Sozial- und Heilpädagogik eine notwendige
Relevanzdisziplin der KJP sein.
Eine klare Abgrenzung zwischen den Aufgaben der Kinder- und Jugendpsychiater und der
Psychologen auf der einen und der Sozial- und Heilpädagogen auf der anderen Seite ist schon
alleine deshalb schwierig, weil wir es mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Gerade bei
dieser Klientel ist es schwierig, Therapie und Pädagogik oder Heilen und Erziehen zu trennen.
Pädagogische Konzepte müssen in kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen und Kliniken
einen ergänzenden Bestandteil bilden. Vor allem bei jüngeren Kindern mit externalisierenden
Verhaltensstörungen ist die therapeutische Behandlung ohne einen pädagogischen Rahmen mit
90
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
klaren Regeln und Grenzen nicht denkbar. Diese klaren äußeren Strukturen sind vor allem für jene
Kinder wichtig, die wenig innere Strukturen ausgebildet haben. Wesentlich ist, dass das
pädagogische Handeln in ein therapeutisches Grundkonzept miteingebunden ist und sich alle
beteiligten Berufsgruppen einem gemeinsamen Behandlungsziel verpflichtet fühlen (vgl. Schmeck,
2004: 255).
Klaus Schmeck (ebd.) schreibt über die Bedeutung der Pädagogik in der KJP:
Neben der Sozialpädagogik kommt in kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlungssettings der
Sonder- und Heilpädagogik der größte Stellenwert zu. Gerade bei den in ihrer Entwicklung
behinderten Kindern liefert die an Stärken und Ressourcen orientierte Sichtweise dieser
Disziplinen eine sinnvolle und hilfreiche Ergänzung zu der eher defizitorientierten medizinischen
Sichtweise […].
Klaus Schmeck sieht also die Pädagogik in der KJP als Ergänzung zu einer medizinischen
Behandlungsplanung.
Erziehung spielt innerhalb der KJP eine wesentliche Rolle. Kinder und Jugendliche haben ein Recht
auf Erziehung. Umgekehrt haben die Erziehungsberechtigten auch die Pflicht, ihre Kinder zu
erziehen. Nicht zuletzt durch die Erziehungsbedürftigkeit der Kinder und Jugendlichen ist auch der
hohe Personalbedarf einer kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtung zu begründen. Zunächst
einmal wird der KJP von den Eltern oder einer Einrichtung der Jugendwohlfahrt die
Erziehungsaufgabe delegiert, die nur durch die personale Präsenz von Mitarbeitern erfüllt werden
kann. Erst als zweites kann die Aufgabe der Therapie erfüllt werden (vgl. Rotthaus, 1990: 189).
Thea Schönfelder (1975 zit. nach Lempp, 1991: 62) meint bei der Darstellung der Familientherapie
in der KJP, dass „der Therapeut sich nur bereithalten könne für eine Form des MiteinanderUmgehens, die allen Beteiligten möglich sei. Das ‚Miteinander-Umgehen’ zu erlernen ist eine
typisch pädagogische Aufgabe.“
Einen weiteren Faktor stellen die sozialen Interaktionen in der Gruppe sowie mit den
MitarbeiterInnen und Bezugspersonen dar. Dem sozialen Miteinander kommt eine wesentliche
Bedeutung zu. Die Therapiemotivation hängt im Wesentlichen auch davon ab, inwieweit sich ein/e
PatientIn angenommen und akzeptiert fühlt (vgl. Reinl et al., 2004: 188f.). Eine wesentliche
Aufgabe des pädagogischen Zuganges auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung ist es,
ein Klima zu schaffen, in dem es den PatientInnen möglich ist, sich akzeptiert und angenommen zu
fühlen. Diese Aufgabe stößt allerdings wegen der Gruppendynamik oft an ihre Grenzen. Häufig
passiert es durch die unterschiedlichen Persönlichkeiten und Krankheitsbilder, dass einige
PatientInnen zu AußenseiterInnen werden. Hier sehe ich aber trotzdem die Aufgabe der
PädagogInnen oder des Pflegepersonales bzw. jedes Mitarbeiters der Station, dies so gut wie
91
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
möglich zu verhindern bzw. zu minimieren. Auch wenn man als Gegenargument sagen könnte, dass
Kinder- und Jugendliche auch in der realen Lebenswelt mit diesen Dingen konfrontiert sein werden,
soll doch die kinder- und jugendpsychiatrische Station einen geschützten Ort darstellen, an dem
Kinder- und Jugendliche in besonderen Krisensituationen Unterstützung finden können. Als eine
zentrale Aufgabe der Pädagogik in der KJP ist daher auch die pädagogische Gruppenarbeit zu
sehen. Gemeinsames Tun und Handeln im Stationsalltag und pädagogische Gruppenangebote sind
notwendige Elemente im Behandlungsprozess und für eine Stabilisierung unverzichtbar. Auf diesen
Punkt wird auch in einem der folgenden Kapitel näher eingegangen.
Die soziale Gruppenarbeit kann also als ein sehr wichtiger Schwerpunkt der Sozial- und
Heilpädagogik im kinder- und jugendpsychiatrischen Kontext, die zum Teil auch mit der
Freizeitpädagogik verbunden ist, gesehen werden. Ziel dieser Gruppenarbeit ist vordergründig die
Förderung der sozialen Kompetenzen (vgl. Kap. 5.4.3. Pädagogisch therapeutische Arbeit). Das
Kind oder der Jugendliche soll Gelegenheit erhalten, sich seiner Stärken und Schwächen, auch im
Vergleich zu anderen, bewusst zu werden. Das Kind oder der Jugendliche soll seine individuelle
Besonderheit und Einzigartigkeit erfahren, gleichzeitig aber auch lernen, andere anzuerkennen.
Kinder und Jugendliche, bei denen eine stationäre Aufnahme notwendig ist, haben meist über einen
längeren
Zeitraum wichtige Entwicklungserfahrungen nicht machen können. Eine der
Besonderheiten im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich gegenüber der Arbeit mit
Erwachsenen, ist dass die Zeit des Kindes- und Jugendalters die Zeit einer sehr dynamischen
Entwicklung ist. Die Auswirkungen eines mehrjährigen Entwicklungsstillstandes sind daher bei
Kindern und Jugendlichen viel schwerwiegender als bei Erwachsenen. Kinder und Jugendliche
können nicht auf Fertigkeiten und Fähigkeiten zurückgreifen, da sie diese oft ja noch nicht
erworben haben. Es liegen häufig erhebliche Entwicklungsdefizite vor, die vor allem die Fähigkeit
zur Freizeitgestaltung, soziale Kompetenzen oder kognitive Wahrnehmungsfertigkeiten betreffen.
Eine wesentliche Chance für Kinder und Jugendliche besteht darin, während eines stationären
Aufenthaltes versäumte Entwicklungserfahrungen in gedrängter Form nachvollziehen zu können
(vgl. Rotthaus, 1990: 205).
Eine Hauptaufgabe der Pädagogik soll es daher sein, eine Umgebung zu schaffen, in der es dem
Kind oder Jugendlichen ermöglicht wird, Lernerfahrungen zu machen.
Ein wichtiger Bereich besteht in diesem Zusammenhang in der Freizeitpädagogik (vgl. Kap. 5.4.2.
Freizeitpädagogik). Das bemerkenswerte bei vielen Kindern und Jugendlichen ist, dass sie zu einer
selbständigen Planung und Gestaltung ihrer Freizeit nicht oder nur wenig in der Lage sind. Daher
92
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
kommt es häufig auch im Rahmen des stationären Settings zu Gruppenbildungen mit Schnüffeln,
Alkoholkonsum u.ä. (vgl. ebd.: 206).
Auch die pädagogische Einzelarbeit soll einen wichtigen Bestandteil in der pädagogischen Arbeit in
der KJP der Landesnervenklinik Sigmund Freud sein. Diese ist vor allem dann erforderlich, wenn
ein Kind oder Jugendlicher kaum über Gruppenfähigkeit verfügt. Hier ist eine intensive Zuwendung
möglich
sowie
eine
gewisse
Kontinuität
gewährleistet,
d.h.
ein
sehr
regelmäßiges
Beziehungsangebot zu immer demselben Mitarbeiter.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine der wichtigsten Aufgaben der Sozial- und
Heilpädagogik auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen Station die Gestaltung des Alltages und
des therapeutischen Milieus besteht. Schon Fritz Redl (1971: 72 ff.) hebt die Bedeutung des
therapeutischen Milieus hervor. Redl (1971: 76) beschreibt die unterschiedlichen Bedeutungen des
therapeutischen Milieus wie folgt:
-
„therapeutisch“ im Sinne von: sie zumindest nicht vergiften: jeder, der ein therapeutisches
Milieu konzipiert, soll dazu angehalten werden, dass er oder die den PatientInnen keinen
Schade zufügt und versucht, möglichst alles schädlichen Faktoren von ihnen fern zu halten.
-
„therapeutisch“ im Sinne von: sie müssen aber auch zu essen haben: therapeutisch“ im
Sinne von: sie müssen aber auch zu essen haben: Kinder und Jugendliche, die in kinder- und
jugendpsychiatrischen
Kliniken
behandelt
werden,
bringen
je
nach
ihrem
Entwicklungsstand, ihrem kulturellen Hintergrund etc. Grundbedürfnisse mit, die
unabhängig vom jeweiligen Krankheitsbild gesehen werden müssen. Diesen Bedürfnissen
müssen wir uns annehmen, um dem Kind oder Jugendlichen unabhängig von der Therapie,
in einem anderen Bereich zu schaden. Dies kann als eine wichtige Aufgabe der Sozial- und
Heilpädagogik im Bereich der KJP gesehen werden. Fritz Redl illustriert diesen Aspekt mit
einem sehr treffendem Beispiel:
Selbst dort, wo für jedes Kind wöchentlich sechs Stunden Individualtherapie garantiert sind, wird
niemand von einem therapeutischen Milieu sprechen, wenn den Kindern zugemutet wird, ruhig auf
einer Bank sitzend, ihrer Therapiestunde zu harren; wenn das Personal nicht dazu ausgebildet ist,
schädliche Einflüsse der Patienten untereinander zu erkennen und zu verhüten […].
-
„therapeutisch“ im Sinne von: der Entwicklungsphase und dem soziokulturellen
Hintergrund angemessen:
-
„therapeutisch“ im Sinne von klinischer Elastizität: Es besteht die Erfordernis, dass sich der
klinische Betrieb in einer Weise flexibel zeigt und den therapeutischen Erfordernissen
anpassen kann, ohne dass die Gesamtstruktur völlig verloren geht.
-
„therapeutisch“ im Sinne von: Einbeziehung sekundärer Behandlungsziele
93
Sozial- und Heilpädagogik und Kinder- und Jugendpsychiatrie
-
„therapeutisch“ im Sinne von: das Milieu und ich: Die Individualtherapie muss von einem
Ansatz begleitet werden, der den gesamten Lebenszusammenhang mit einbezieht. Neben der
Hilfe des Therapeuten müssen wir den Kindern einen „Lebensraum bereitstellen, in dem es
sich leisten kann, krankhafte Abwehrhaltungen aufzugeben und die notwendigen
emotionalen Bindungen zu entwickeln, die der primären Wertidentifikation vorausgehen
müssen“ (ebd: 82).
-
„therapeutisch“ im Sinne von: Vorbereitung auf das Leben: das therapeutische Milieu muss
dem wirklichen Leben auch ähnlich sein. Es muss den Patienten dazu anregen, „aus seiner
Krankheit, aus der Umgebung, in dem man ihn zu heilen versucht, hinauszuwachsen. […]
Dem Patienten soll nicht von der Krankenhausatmosphäre der Geschmack am ‚normalen
Leben’ verdorben werden. In diesem Punkt sehe ich persönlich eine der größten
Schwierigkeiten des therapeutischen Milieus auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen
Station. Hier erfahren die Kinder und Jugendlichen oft erstmals Anerkennung und
Akzeptanz, einerseits von Erwachsenen, andererseits aber auch von der GleichaltrigenGruppe, da den Gleichaltrigen oft ähnliche Dinge widerfahren sind, und hier mehr
Verständnis herrscht. Schon alleine diese Tatsache führt oft dazu, dass Kinder und
Jugendliche sich auf der Station wohler fühlen, als im „wirklichen Leben“. Hier einen
Mittelweg zu finden, den Kindern und Jugendlichen die bestmögliche Behandlung zu bieten,
andererseits aber auch Aspekte des wirklichen Lebens mit einzubeziehen, sehe ich als eine
der schwierigsten Aufgaben der Sozial- und Heilpädagogik in diesem Bereich.
94
Sozialpsychiatrische Versorgung für Kinder und Jugendliche in der Steiermark
6 Sozialpsychiatrische Versorgung für Kinder und
Jugendliche in der Steiermark
In diesem Kapitel soll einerseits die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung für Kinder und
Jugendliche vor allem im Hinblick auf Größenverhältnisse in der Steiermark kurz dargestellt
werden. Andererseits soll aber auch die extramurale sozialpsychiatrische Versorgung für Kinder
und Jugendliche in der Steiermark beschrieben werden.
6.1 Kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung in der Steiermark
Im Psychiatriebericht 2006 (Steiermärkische Landesregierung 2006: 13) heißt es wörtlich:
Die Kinder- und Jugendpsychiatrische Versorgung in der Steiermark war im
Berichtszeitraum weder im stationären noch im extramuralen Bereich ausreichend
gewährleistet: Im stationären Bereich steht die Kinder- und Jugendpsychiatrische Abteilung
der Landesnervenklinik Sigmund Freud zur Verfügung. Für die Abteilung sind in der KAGes
–Planung 30 Betten vorgesehen. Diese Planung rechnet allerdings mit einer ergänzenden
universitären Einrichtung.
Das vorhandene Angebotsdefizit führt dazu, dass de facto viele Kinder und Jugendliche auf
der psychosomatisch- psychotherapeutischen Station und Ambulanz der UniversitätsKinderklinik betreut werden.
Im Bereich der Ambulanzen gibt es eine intramurale Ambulanz, die der kinder- und
jugendpsychiatrischen Abteilung der LSF zugehörig ist und eine extramurale Ambulanz der
Heilpädagogischen Station.
In Bezug auf tagklinische Versorgung gibt es ebenfalls an der kinder- und jugendpsychiatrischen
Abteilung der Landesnervenklinik Sigmund Freud die Möglichkeit mit 6 Plätzen, und extramural
eine Tagesklinik an der Heilpädagogischen Station mit ebenfalls 6 Plätzen.
Insgesamt gibt es zurzeit 5 niedergelassene Ärzte mit dem Zusatzfach Kinder- und
Jugendneuropsychiatrie, von denen 3 dies Vollzeit- beschäftigt ausüben (vgl. Thun- Hohenstein,
2007: 25ff.).
6.2 Extramurale kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung
Wie bereits im vorigen Kapitel beschrieben gibt es hier ein ambulantes und tagklinisches bzw.
stationäres Angebot im Rahmen der heilpädagogischen Station in Graz. Hier werden jedoch
vorwiegend Kinder und Jugendliche bis zum 14. Lebensjahr behandelt.
In den Beratungszentren Hartberg, Leibnitz, Voitsberg sowie Feldbach mit einer Außenstelle in
Fürstenfeld sowie in Bad Radkersburg kann mit geringer Kapazität spezifisch für Kinder- und
95
Sozialpsychiatrische Versorgung für Kinder und Jugendliche in der Steiermark
Jugendliche sozialpsychiatrische Betreuung angeboten werden. Nachdem jedoch der Bedarf stetig
steigt, kann dies längst nicht als eine an den Bedarf angemessene Situation bezeichnet werden (vgl.
Amt der Steiermärkischen Landesregierung 2006: 214).
In Graz existieren zwei private Einrichtungen bzw. Institute (Institut für Kind, Jugend und Familie;
Institut für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Gesundheitsförderung des Kindes- und
Jugendalters), welche speziell für psychische Probleme junger Menschen zur Verfügung stehen
(vgl. ebd.).
Am Rande ist zu bemerken, dass laut Psychiatriebericht im Berichtszeitraum 2006 insgesamt 1046
Jugendliche in den verschiedenen Betreuungsbereichen der extramuralen sozialpsychiatrischen
Einrichtungen betreut wurden. Dies entspricht knapp 7,6% des Gesamtklientels.
Ein weiteres Angebot stellen die Kinderschutzzentren dar, die sich zwar in erster Linie an Kinderund Jugendliche mit Gewalterfahrungen richten, allerdings ergänzend auch bei Problemen wie etwa
Überforderung in Erziehungsaufgaben zur Verfügung stehen (vgl. ebd.).
96
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
7 Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
Im Rahmen der Jugendwohlfahrt werden unterschiedliche Hilfen zur Erziehung angeboten. Eine
Form dieser Hilfen sind stationäre Einrichtungen, die die volle Erziehung zur Aufgabe haben.
In dieser Arbeit soll vor allem diesen stationären Einrichtungen Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Diesen Punkt betreffend ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass wenn über die Kooperation zwischen
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und der KJP gesprochen wird, auch ambulante Erziehungshilfen
nicht auszuklammern sind. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang scheint jedoch auch die
Zusammenarbeit zwischen der KJP und behördlichen Vertretern der JW (behördlichen
SozialarbeiterInnen). Dieser Punkt kann allerdings im Rahmen dieser Arbeit nur am Rande
berücksichtigt werden.
7.1 Stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
In dieser Arbeit soll vor allem die Zusammenarbeit zwischen der KJP und stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt untersucht werden. In diesem Zusammenhang gelten als
stationäre
Einrichtungen
Wohngemeinschaften
und
Heime,
heilpädagogische
Wohngemeinschaftsähnliche
Stationen,
Formen
wie
SOS-Kinderdörfer,
etwa
(Familien-)
Wohngruppen, Krisenstellen, Notschlafstellen und (mobil) betreutes Wohnen. Nicht berücksichtigt
werden Pflegefamilien. Auch sollen hier nur Einrichtungen in der Steiermark beschrieben werden,
obwohl Jugendwohlfahrtsabteilungen auch Angebote aus anderen Bundesländern annehmen (vgl.
Scheipl, 2001a: 106).
Laut Gesetz ist in Österreich die stationäre Betreuung in der Jugendwohlfahrt bis zum 18.
Lebensjahr möglich. Bei Bedarf kann dies allerdings bis zum 21. Lebensjahr verlängert werden
(vgl. ebd.).
In der Steiermark werden 70% des Platzangebotes der stationären sozialpädagogischen Betreuung
von privaten Trägern gestellt. Hier scheint das Platzangebot auf einige wenige Träger konzentriert
zu sein. Im Jahr 2000 hat es in der Steiermark nach einer Untersuchung von Scheipl (2001: 107f.)
583 stationäre Betreuungsplätze gegeben.
Diese verteilen sich folgendermaßen auf die unterschiedlichen Betreuungsformen:
97
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
Betreuungsformen
Prozent
Heime
43%
SOS- Kinderdörfer
10%
Wohngemeinschaften
29%
Betreutes Wohnen
17%
Krisenplätze
1%
Gesamt
100%
Tabelle 1: stationäre Betreuungsformen (vgl. Scheipl, 2000: 107f.)
Dem letzten Jugendwohlfahrtsplan 2005 ist zu entnehmen, dass in den letzten Jahren eine leichte
Abnahme der stationären Unterbringungen zugunsten des mobil betreuten Wohnens passiert ist. So
waren im Jahr 2004 etwa 800 Kinder und Jugendliche fremd untergebracht (Amt der
Steiermärkischen Landesregierung, 2005: 25).
Im Dienstleistungskatalog 2005 (StJWG- DVO 2005) sind folgende Leistungen im Rahmen der
stationären Jugendwohlfahrt enthalten:
•
Kinder- und Jugendwohngruppe
•
Sozialpädagogische Wohngemeinschaft für Kinder und Jugendliche
•
Wohngemeinschaft für Mutter mit Kind
•
Familienähnliche Wohngemeinschaft
•
Kriseninterventionsstelle/ Krisenunterbringung
•
Wohn- Lebens- und Arbeitstrainingsmaßnahmen im Rahmen der Jugendwohlfahrt
•
Mobil betreutes Wohnen (betreutes Wohnen, Betreute Wohngruppe, betreutes Wohnen in
Krisensituationen, Wohnbetreuung von jugendlichen Paaren mit Kindern)
Im Folgenden sollen sozialpädagogische Wohngemeinschaften näher beschrieben werden, bevor
auf therapeutische Wohngemeinschaften, die in der Steiermark zwar notwendig wären, aber laut
DVO nicht existieren eingegangen wird und anschließend die geschlossene Unterbringung im
Kontext der Jugendwohlfahrt zum Thema gemacht wird.
98
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
7.1.1 Kinder- und Jugendwohngruppe/ Sozialpädagogische
Wohngemeinschaften für Kinder und Jugendliche
In der Kinder- und Jugendwohngruppe werden Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 15 Jahren
betreut. Die Zielgruppe sozialpädagogischer Wohngemeinschaften in der Steiermark sind Kinder
und Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren.
Beide Angebote haben das Erlernen von Selbstbestimmung und Alltagskompetenz zum Ziel, bzw.
wollen den Kindern und Jugendlichen einen Lebensraum bieten, der ihren Bedürfnissen entspricht.
Als Zuweisungskriterien gelten für beide Maßnahmen gleichermaßen die Gefährdung des
Kindeswohls,
Entwicklungsverzögerungen
und
Förderungsdefizite,
schwere
emotionale
Vernachlässigung sowie das Verwahrlosungssyndrom. Für die Kinder- und Jugendwohngruppe
werden
als
Zuweisungskriterium
auch
Verhaltensauffälligkeiten
genannt,
während
für
sozialpädagogische Wohngemeinschaften noch zusätzlich zu den bereits erwähnten Punkten auch
Folgeprobleme aus Beziehungsabbrüchen angegeben werden.
Im Rahmen der Zuweisungskriterien werden hier meiner Meinung nach Begriffe verwendet, die
einerseits sehr weitläufig sind und andererseits auch unterschiedlich ausgelegt werden könnten.
Ebenso
die
Ausschließungskriterien,
die
bereits
im
Kapitel
Steiermärkisches
Jugendwohlfahrtsgesetz- Durchführungsverordnung (StJWG-DVO) angesprochen wurden.
7.1.2 Therapeutische Wohngemeinschaften
Der Terminus der therapeutischen Wohngemeinschaft ist nicht genau definiert. In der DVO des
Jugendwohlfahrtsgesetzes Steiermark existieren auch keine therapeutischen Wohngemeinschaften
mehr. Es gibt also keine klaren Kriterien, die eine therapeutische Wohngemeinschaft ausmachen.
Dennoch verspricht dieser Terminus mehr Kompetenzen. Auch von MitarbeiterInnen von
sozialpädagogischen Wohngemeinschaften ist ein häufiges Argument, wenn man mit einem Kind
oder Jugendlichen nicht zurecht zu kommen scheint, oder es mit seiner Problematik nicht
aufnehmen will, dass man ja keine therapeutische Wohngemeinschaft sei (vgl. Sommer, 1999: 22).
Es stellt sich die Frage, was eine therapeutische Einrichtung bieten kann. Es wird nicht lediglich mit
einem
Angebot
der
Psychotherapie
getan
sein,
was
auch
in
sozialpädagogischen
Wohngemeinschaften üblich ist.
Sommer (1999: 24f.) stellt einige Kriterien auf, die eine therapeutische Wohngemeinschaft
ausmachen müsste: In erster Linie ist es wichtig, jenen Jugendlichen, die durch diverse Umstände in
ihren seelischen Kräften beeinträchtigt sind, Zeit zu geben, um wieder zu ihren eigenen Kräften und
Fähigkeiten zurück zu finden. Aber Zeit alleine wird nicht zu einer Heilung führen. Von besonderer
99
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
Bedeutung ist es, diese Zeit zu nutzen, um zugefügte Schmerzen aufzuarbeiten und vorhandene
Ressourcen zu erkennen. Dafür ist einerseits Psychotherapie erforderlich, andererseits aber auch
durch Tagesstruktur und Aktivitäten gefordert zu werden, ohne überfordert zu sein. Eine
therapeutische Einrichtung muss also in Hinblick auf finanzielle, infrastrukturelle und personelle
Mittel verfügen, um auf jedes einzelne Kind individuell einzugehen und ein sinnvolles Maß an
Aktivität, Reflektion und Erholung in einer Gemeinschaft anzubieten. Um ein konstantes
Beziehungsangebot zu gewähren muss der Personal- Klientenschlüssel so hoch liegen, dass
Kindern und Jugendlichen auch die Möglichkeit der Einzelbetreuung geboten werden kann.
Letztlich kann Beziehung heilend wirken. Auch die räumlichen Bedingungen müssen so gestaltet
sein, dass den Kindern und Jugendlichen genügend Rückzugsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Außerdem müssen Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten sowohl innerhalb des geschützten
Rahmens der Einrichtung wie auch außerhalb zur Verfügung stehen.
Diese eben erwähnten Punkte sieht Sommer (1999: 24ff.) als Kriterien, an denen eine
therapeutische Wohngemeinschaft gemessen werden könnte. Trotzdem ist, auch wenn dies alles
gewährleistet ist, nicht sicher, dass solche Einrichtungen in der Lage sind, alle Schwierigkeiten
alleine zu meistern. Es gibt Erkrankungen wie z.B. Psychosen, die unbedingt auch medizinische
Hilfe erforderlich machen.
Es stellt sich die Frage, ob therapeutische Wohngemeinschaften als Unterbringungsform die
Arbeitsbereiche KJP, Heilpädagogik und Sozialpädagogik umfassen müssen. In dieser Beziehung
muss eine klare Begriffsbestimmung vorgenommen werden. Auf der anderen Seite ist zu überlegen,
ob es vielleicht sinnvoller ist, sozialpädagogische Wohn- und Betreuungsformen flexibler und
kompetenter zu gestalten, um schwierigen Kindern auch dort eine Chance zu geben und die
Stigmatisierung, die dadurch gegeben ist, in einer therapeutischen Wohngemeinschaft zu wohnen,
zu vermeiden (vgl. ebd.: 27).
7.1.3 Geschlossene Unterbringung in Heimen
Das Thema der geschlossenen Unterbringung in Heimen wird schon viele Jahre immer wieder
diskutiert. In Österreich gibt es keine geschlossenen Heime, aber dennoch wird dieses Thema
immer wieder aufgerollt und neu besprochen. Debatten über dieses Thema spalten die Gemüter der
Fachleute und treffen regelmäßig einen empfindlichen Nerv.
Für die einen bedeutet die geschlossene Unterbringung in Heimen bzw. stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen, einen Rückschritt im Hinblick auf die emanzipatorische
Sozialpädagogik, für andere gilt die geschlossene Unterbringung als notwendig, um Jugendliche zu
100
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
betreuen, die sonst in die kriminelle Szene, in Drogenkreise, Prostitution oder fortschreitende
Verwahrlosung abrutschen würden. Oftmals wird offene Unterbringung mit „guter“ Pädagogik und
geschlossene Unterbringung mit „schlechter Pädagogik“ gleichgesetzt, ohne dabei zu beachten, dass
es auch durchaus möglich ist, dass offene Unterbringung zwar baulich nicht abgegrenzt ist, sich
allerdings voll und ganz in die Tradition der ‚schwarzen Pädagogik’ stellt- oder umgekehrtJugendliche zwar am Verlassen der Gruppe gehindert werden, jedoch ein offenes, verständnisvolles,
pädagogisches Klima herrscht (vgl. Wolffersdorf/ Sprau-Kuhlen, 1990: 9f.).
Ernst Tatzer (2000: 142) schreibt dazu: „Wer Kinder unreflektiert laufen lässt macht sich
mitschuldig, wenn sie in ihr Unglück rennen. Es geht nicht ums Einsperren, sondern darum, ein
Setting zu schaffen, in dem beziehungsgestörte und nahezu bindungsunfähige Kinder neue
Beziehungen aufbauen können.“
Gerade im Zusammenhang mit der Kooperation zwischen Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und
der KJP ist die geschlossene Unterbringung in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt ein Punkt, der
diskutiert werden muss, auch wenn dies ein leidiges Thema ist. Klar ist, dass es Jugendliche gibt,
die eine intensivere Betreuung benötigen, damit sie nicht immer ausreißen, vor Drogenkreisen und
Kriminalität beschützt werden etc. Auch ist mit Sicherheit festzustellen, dass diese Jugendlichen in
normalen Erziehungsgruppen nur sehr schwer bis gar nicht betreut werden können.
Besonders für diese eben erwähnten Jugendlichen ist es notwendig, geeignete Betreuungsformen zu
finden. Viele Stimmen meinen, dass die geschlossene Unterbringung in Heimen aus
Strukturmängeln der Jugendwohlfahrt resultiert (vgl. Wolffersdorf/ Sprau-Kuhlen, 1990: 20).
Interessant ist daher, inwieweit, Einrichtungen der Jugendwohlfahrt selbst einen Bedarf an
geschlossenen Unterbringungen sehen. Dieser Frage soll im empirischen Teil weiter nachgegangen
werden.
Oftmals ist eine Fremdunterbringung die letzte Möglichkeit für Kinder- und Jugendliche, nachdem
schon viele andere Instanzen in Anspruch genommen worden sind. Was aber passiert mit den
Kindern- und Jugendlichen, bei denen auch im Rahmen der Fremdplatzierung solche
Schwierigkeiten auftreten, dass Einrichtungen nicht mehr weiter wissen? Fest steht, dass für diese
Jugendlichen spezielle Betreuungsformen gefunden werden müssen, ungeachtet dessen, ob dies
geschlossene Unterbringungsformen sein müssen. Außerdem muss die Frage geklärt werden, ob für
diese Jugendlichen ein stationärer Aufenthalt auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen Station
das Richtige sein kann.
101
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
In diesem Zusammenhang hat es für den Raum Brandenburg in Deutschland ein Gutachten von
Paetzold und Lachmann (zit. nach von Wolffersdorff, 2003: 53f.) gegeben, das zu dem Ergebnis
gekommen ist, dass obwohl die Zahl der Fälle mit expliziten psychiatrischen Störungen in der
Untersuchungsgruppe relativ gering war, von 33 registrierten Fällen nur einer in einem
geschlossenen Heim der Jugendhilfe, jedoch zehn in psychiatrischen Einrichtungen des Landes
Brandenburg und sogar 22 in psychiatrischen Einrichtungen außerhalb des Landes geschlossen
untergebracht worden sind.
Auch eine Studie des Deutschen Jugendinstituts zum Thema „Freiheitsentziehende Maßnahmen im
Rahmen von Kinder- und Jugendhilfe, Psychiatrie und Justiz“ (Hoops, 2006: 63f.) zeigte, dass jene
deutschen Bundesländer, die keine Plätze mit Freiheitsentzug in der Jugendhilfe zur Verfügung
haben, immer wieder in anderen Bundesländern anfragen, jedoch häufig Absagen erhalten. Durch
Interviews wurde deutlich, dass dann notgedrungen auf geschlossene Unterbringungen auf
Erwachsenenstationen
zurückgegriffen
wird,
bzw.
sogar
forensische
Betten
in
Bezirkskrankenhäusern mit Jugendlichen belegt werden. Hoops (2006: 66) schreibt dazu:
Vergegenwärtigt man sich, dass in manchen Bundesländern schwierige Jugendliche eher z.T. nur
vermeintlich auf Freiwilligkeit basierende offene Auslandsmaßnahmen bekommen, andernorts
wiederum primär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder gar- wenngleich nicht in großem
Umfang- auf Stationen der Erwachsenenpsychiatrie oder der Forensik untergebracht werden bzw.
auf das Erreichen der Strafmündigkeitsgrenze mit 14 Jahren und damit auf die Zuständigkeit der
Justiz gewartet wird, wird deutlich, dass es notwendig ist, das gesamt Spektrum von
freiheitsentziehenden Maßnahmen und so genannten „Alternativmaßnahmen“ in den Blick zu
nehmen. Zentrale Schnittstellen zwischen den einzelnen Disziplinen, an denen
Kooperationsbeziehungen zusammen treffen, müssen verstärkt in den Blick genommen werden
unter der Perspektive, ob hier von einem fachlichen Miteinander im Sinne des Klienten
auszugehen ist bzw. ob diese Schnittstellen nicht deutliche und alarmierende Hinweise auf ein
Verschieben von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten geben.
Auch Reinhard Wiesner steht der ablehnenden Haltung der Jugend -hilfe bzw. –wohlfahrt kritisch
gegenüber und meint, diese mache es sich zu einfach, wenn sie diesbezüglich ihre Hände in
Unschuld wäscht jedoch „’nicht erreichbare Jugendliche’ […] sehenden Auges der Justiz oder den
KJPn überlässt, die dann ihrerseits freiheitsentziehende Maßnahmen durchführen“ (Wiesner, 2003
zit. nach Hoops, 2006: 67).
Es stellt sich natürlich die Frage, für wen freiheitsentziehende Maßnahmen eine Indikation
darstellen könnten. Hierzu zeigte sich in der Studie des Deutschen Jugendinstituts, dass neben
„Trebegang und/oder ständigem Entweichen“ oder „Fehlen oder Verweigern anderer Maßnahmen“
immer mehrere Kriterien für freiheitsentziehende Maßnamen genannt wurden. Dabei geht es häufig
um
„Delinquenz“
sowie
um
erhebliche
„Familien-
oder
Schulprobleme“.
Auch
geschlechtsspezifische Unterschiede in der Begründung freiheitsentziehender Maßnahmen konnten
102
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
gefunden werden. So konnte die Feststellung bestätigt werden, dass „bei Mädchen häufiger die
Notwendigkeit von freiheitsentziehenden Maßnahmen mit unspezifischen Hinweisen auf (Selbst-)
Gefährdung begründet wird, bei Jungen dagegen eher mit Fakten“ (Hoops, 2006: 69). Weiters
zeigte sich durch die Studie, dass die meisten der Kinder und Jugendlichen in freiheitsentziehenden
Maßnahmen bereits institutionelle Vorkontakte hatten. Das heißt, freiheitsentziehende Maßnahmen
stellen nur sehr selten die erste Maßnahme dar.
Über 25% der untergebrachten Jugendlichen hatten vor Beginn der freiheitsentziehenden
Maßnahme mindestens viermal Kontakte zur Kinder- und Jugendpsychiatrie, sei es im Rahmen
von diagnostischen Abklärungen, zur Krisenintervention oder langfristigen Therapie. Nur 10%
hatten keine Erfahrungen mit ambulanter oder stationärer Kinder- und Jugendpsychiatrie im
Vorfeld der freiheitsentziehenden Maßnahme. Auch die sogenannten „Drehtüreffekte“ und
regelrechte „Pendelkarrieren“ zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und offenen
Heimeinrichtungen kamen mehrfach vor (Hoops, 2006: 71).
Besonders wichtig im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen ist, es einerseits
Kriterien zu haben, wann eine Aufnahme indiziert ist, bzw. ständig zu überprüfen, ob diese
Maßnahme noch zulässig ist, bzw. ob trotz des Freiheitsentzuges die Rechte des Kindes auch
gewährleistet sind.
Aufgrund der Problematik der Verschiebung in angrenzende Bereiche, soll die geschlossene
Unterbringung im Rahmen der Jugendwohlfahrt im empirischen Teil noch einmal zum Thema
gemacht werden.
Für Österreich gibt es keine Studien oder Zahlen, es ist jedoch anzunehmen, dass hier eine ähnliche
Situation wie in Deutschland vorliegt.
103
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
8 Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Öffentliche Erziehung Heim- bzw. WG- erziehung und jugendpsychiatrische Kliniken sind zwei
Bereiche, die sich die Aufgabe gestellt haben, zur Überwindung und Bewältigung von Lebenskrisen
beizutragen und Kinder und Jugendliche bei der Schaffung von befriedigenden Lebensperspektiven
zu unterstützen (vgl. Schone, 1995: 99).
Im empirischen Teil dieser Arbeit sollen vor allem jene Kinder und Jugendliche in den Blick
geraten, die sowohl das System der Jugendwohlfahrt als auch das System der KJP in Anspruch
nehmen. Dadurch kommt es in beiden Systemen zu Abgrenzungsproblemen und zu Schwierigkeiten
in der Zuständigkeit. Andererseits können gerade diese Fälle beide Systeme zu fruchtbaren
Ergänzungen und Kooperation zwingen (vgl. Kalter, 2004: 449).
Dennoch handelt es sich um zwei verschiedene Systeme für die es oftmals schwierig ist, einen
Dialog
miteinander
zu
führen.
Auch
die
Grenzlinie
zwischen
Jugendwohlfahrt
und
Jugendpsychiatrie erweist sich nicht als eindeutig und zum Teil sehr problematisch (vgl. Pankhofer
1997: 99).
Obwohl die beiden Systeme zwar gemeinsame historische Wurzeln in der Heilpädagogik haben,
sind sie dennoch sehr unterschiedlich. Trotzdem sind die Überschneidungen und Berührungspunkte
in Teilbereichen sehr ausgeprägt. Der Bereich der Überschneidungen liegt nach Gintzel (1989: 10)
vor allem dort, wo
- die Krisen der Minderjährigen am ausgeprägtesten,
- die Erfolgschancen der Interventionen am fraglichsten,
- die Hilflosigkeit der Helfer am größten ist.
Klaus Münstermann (1990: 127 f.) sieht als ein besonders gravierendes Problem das Problem der
psychologischen Distanz an. Er meint, bei gleicher räumlicher Entfernung sei der Weg von der KJP
zur Jugendwohlfahrt weiter als der von der Jugendwohlfahrt zur KJP.
In der Praxis wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Jugendämter kinder- und
jugendpsychiatrische Kliniken zur Klärung von Verhaltensphänomenen bei notwendig werdenden
Erziehungshilfen verstärkt einschalten. Umgekehrt wird aber auch immer wieder die Vermutung
geäußert, dass Einrichtungen der Jugendwohlfahrt in zunehmendem Umfang schwierige Kinder und
Jugendliche zur Entlastung in kinder- und jugendpsychiatrische Kliniken überweisen (vgl. Schone,
1995: 99).
104
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Die abgebende Institution formuliert, teilweise gemeinsam mit dem jungen Menschen,
Zielvorstellungen, die den Handlungsspielraum dieser Institution sprengen und somit eine
Überweisung in eine andere Institution notwendig erscheinen lassen. Die um Aufnahme gebetene
Institution muss im Vergleich zur abgebenden eine zugeschriebene, behauptete oder tatsächlich
erweiterte Kompetenz haben. Dies gilt sowohl für die Überweisung von einer Einrichtung der
Jugendwohlfahrt als auch im umgekehrten Fall. Allgemein gesehen können die erweiterten
Kompetenzen der Klinik in spezieller jugendpsychiatrischer Diagnostik und Therapie sowie der
Krisenintervention gesehen werden, während die erweiterte Kompetenz der Einrichtung der
Jugendwohlfahrt in der Gewährleistung eines alternativen Lebensortes und in der Gestaltung eines
längerfristigen Erziehungsprozesses liegen. Im ersten Fall führt meist eine Überforderung der
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt zu einer Überweisung, während im zweiten Fall nach
Lebensorten für die jungen Menschen gesucht wird, um einen gelingenden Alltag zu gewährleisten
(vgl. ebd.: 104f.)
Jochen Rössler (1990: 135f. zit. nach Schone, 1995: 105) beschreibt die Funktion der Überweisung
von Einrichtungen der Jugendwohlfahrt in die Psychiatrie:
Mitarbeiter der Jugendhilfe haben es immer wieder mit jungen Menschen zu tun, die sie an ihre
Grenzen bringen und die die Grenzen der Einrichtung deutlich machen. Was kann man tun, wenn
man erkennt, dass bestimmte Ereignisse dazu führen werden, das System sozialen Handelns
innerhalb der vorhandenen Grenzen einer Institution zu zerstören? Die nächstliegende
Problemlösung besteht in der Regel darin, den ‚Grenzfall’ einer anderen Institution zu übergeben,
der man größere Leistungsfähigkeit zutraut. Das ist häufig die Strategie des Umgangs der
Jugendhilfe mit der Psychiatrie. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie wird angefragt, weil man
unterstellt, die Psychiatrie werde dem Fall besser gerecht. Interessanterweise wird dieses
Verfahren umso überzeugter angewandt, je weniger über die wirklichen Hilfemöglichkeiten der
Kinder- und Jugendpsychiatrie bekannt ist. Das macht deutlich, es geht nicht nur um die
bestmögliche Hilfe für einen Einzelfall, es geht dabei auch um die Stabilisierung des sozialen
Systems, das einen ‚Grenzfall’ abgibt. Die weit verbreitete Strategie der Ausgrenzung von
Problemen führt dazu, das vorhandene System eingespielter Handlungsmuster zu stabilisieren und
die Grenzen von Institutionen deutlicher zu markieren.
An dieser Stelle ist zu klären, als was sich die Einrichtungen der Jugendwohlfahrt verstehen und
was die primäre Aufgabe der KJP aus ihrer Sicht sein soll. Diese Frage soll in weiterer Folge im
empirischen Teil der Arbeit weiter bearbeitet werden. Wolfgang Schmidt (1990: 175f.), damaliger
Leiter eines Jugendhilfezentrums in Deutschland spricht seine Erfahrungen in Bezug auf die
Einweisung von Jugendlichen in die Psychiatrie an. Er meint, dass trotz sorgfältiger Vorbereitung
und Absprachen bei einer Aufnahme es immer wieder vorkommt, dass „MitarbeiterInnen wegen
subjektiver Überlastungserfahrung Einweisungen aus der Jugendhilfeeinrichtung in eine
psychiatrische Klinik initiieren. Als Indikatoren werden genannt: Selbst und Fremdgefährdung,
Suchtproblematik, diagnostische Abklärung und psychogen bedingte Anfälle. Nicht immer stimmen
die betroffenen Jugendlichen dieser PädagogInnenplanung zu. In solchen Fällen wird
Zwangseinweisung durch richterlichen Beschluss erwirkt“ (ebd.: 175).
105
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Auch wenn man häufig vordergründig von einer gelungenen Kooperation spricht, weil
MitarbeiterInnen von Jugendwohlfahrtseinrichtungen in einzelnen Fällen regelmäßig Gespräche mit
den Ärzten geführt haben etc., darf man nicht aus den Augen verlieren, dass die Einweisung in die
KJP für das einzelne Kind oder den einzelnen Jugendlichen meist mit einem Milieuwechsel,
eventuell mit geschlossener Unterbringung etc. verbunden ist. Daher muss misstrauisch gefragt
werden, ob für Fälle, bei denen sich das Personal der Jugendwohlfahrtsinstitution überfordert fühlt,
eine hochqualifizierte Institution wie die Psychiatrie benötigt wird (vgl. ebd.: 176).
Dieser Punkt ist vor allem unter dem Aspekt zu betrachten, dass der Hauptteil der Arbeitsstunden
für das Personal auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen Station nicht für die Behandlung
anfällt, sondern tatsächlich für Betreuung, Tagesstruktur und für Ausbildung (Schule). Daraus folgt,
dass Kinder und Jugendliche, die in ein stationäres Setting aufgenommen werden, eher einen hohen
Betreuungs- als Therapiebedarf haben (vgl. Fliedl/ Krisch, 2000: 150). An dieser Stelle und unter
diesem Gesichtspunkt ist zu überlegen, inwieweit auch Einrichtungen der Jugendwohlfahrt diesen
hohen Betreuungsaufwand bieten könnten und welche Angebote im Rahmen der Jugendwohlfahrt
geschaffen werden können, um dem Bedarf an Betreuung und Tagesstruktur gerecht zu werden.
Es darf nicht vergessen werden, dass sich durch einen Psychiatrieaufenthalt immer auch Wirkungen
ergeben, die nicht gewollt sind. Einerseits muss hier der Verlust wichtiger Bezugspersonen bei der
Einweisung, aber auch wieder bei der Entlassung betont werden, andererseits kommen durch einen
Aufenthalt auch immer Stigmatisierungseffekte und Normalitätszweifel zum Tragen (vgl. Wolf,
1998: 53f.).
Zum Verlust wichtiger Bezugspersonen schreibt Charlotte Köttgen (1998: 62):
Erfolgt eine Einweisung in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie bei einem jungen Menschen, der
keine Unterstützung in seinem sozialen Umfeld gefunden hat, und entwickelt dieser vielleicht
erstmals in seinem Leben Vertrauen zu jemandem, hier also zu dem (therapeutischen) Personal, so
wird er versuchen, diesen Ort zu seinem Lebensort zu machen und die therapeutische
Bezugsperson mit allen verfügbaren Mitteln zu behalten.
Durch eine Entlassung müssen sich Kinder- und Jugendliche erneut damit abfinden, sich von
Bezugspersonen zu trennen. Besonders für Jugendliche mit schwierigen Bindungserfahrungen
bedeutet dies, dass sie erneut verletzt werden. Eine wichtige Aufgabe der KJP ist es, Augenmerk
auf Bezugspersonen außerhalb der Klinik zu legen. Dazu meint Charlotte Köttgen (1998: 62): „Der
Auftrag an Fachleute, Störungen zu bessern- sei es durch Therapie oder Strafe- muss scheitern,
wenn Kinder und Jugendliche im Entwicklungsalter keine sicheren Beziehungen außerhalb der
Institution haben.“
106
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Dennoch darf nicht bestritten werden, dass sich bei besonders ausgeprägten Lebenskrisen beide
Systeme zuständig fühlen müssen. Hier geht es um eine Addition unterschiedlicher
Unterstützungsleistungen (vgl. Schone, 1995: 102). Trotzdem müssen wir uns bewusst sein, dass
die beiden Systeme sehr unterschiedlich sind. So kann es zum Beispiel sein, dass eine Aufnahme in
einer psychiatrischen Klinik eine neue Definition desselben Verhaltens beinhaltet (vgl. Kalter,
2004: 450).
Die gleichzeitige oder aufeinander folgende Konfrontation mit den unterschiedlichen
Hilfesystemen, mit den hier vorfindbaren unterschiedlichen Sprachen, systemeigenen
Deutungsmustern, Erwartungshaltungen und Herangehensweisen können für den Betroffenen
Irritationen aufwerfen und in einer ohnehin krisenhaft zugespitzten Situation zu zusätzlichen
Belastungen führen (ebd.: 450).
In unterschiedlichen Studien in Deutschland ergab sich, dass ein erheblicher Teil von Kindern und
Jugendlichen, die vom Jugendamt in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt vermittelt wurden, zuvor
bereits Kontakt zum System der KJP hatten. 18% der Kinder und Jugendlichen wurden zuvor
bereits einem Kinder- und Jugendpsychiater vorgestellt, 14% hatten bereits einen stationären
Aufenthalt hinter sich. Auch auf der Seite der KJP ergibt sich ein ähnliches Bild. 13% der Kinder
und Jugendlichen haben bereits Vorerfahrungen in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt (vgl.
Schone, 1995: 104).
Im Hinblick auf die Kooperation zwischen Jugendwohlfahrt und KJP gibt es einerseits die
Möglichkeit, dass
1.) ein Kind oder ein Jugendlicher von einer Familie oder Pflegefamilie in die Klinik kommt. Bei
der einsetzenden diagnostischen Klärung und Behandlung ergibt sich die Notwendigkeit einer
außerfamiliären Unterbringung. In diesen Fällen wird dann von Seiten der Klinik eine
Fremdunterbringung vorgeschlagen. Auf diese Anregung hin, sucht der oder die zuständige
SozialarbeiterIn eine Möglichkeit zur Fremdunterbringung. Dabei liegt die Entscheidung letztlich
immer bei der Behörde. Die KJP kann lediglich Vorschläge unterbreiten.
Hier ist es besonders wichtig, eine Einrichtung zu finden, die die Symptomatik des Jugendlichen
aushält.
2.) Eine andere Möglichkeit ergibt sich daraus, dass die Fachkräfte der Jugendwohlfahrt
Unterstützung von Seiten der KJP suchen.
In diesem Zusammenhang ist es besonders im Hinblick auf den Verlust von wichtigen
Bezugspersonen wichtig, dass vor der Überweisung bereits eine Garantie gegeben wird, dass das
Kind oder der Jugendliche in diese Einrichtung zurückkehren kann, wenn es das will (vgl. Wolf,
107
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
1998: 57f.). Dies ist in der Praxis jedoch häufig schwierig. Eine Garantie kann nicht immer gegeben
werden. Häufig wird auch schon im Vorfeld angekündigt, dass eine Rückkehr nicht möglich ist.
Egon Machetanz (1989: 62 ) schreibt dazu:
Aber nicht um alle Kinder und Jugendlichen wollen sich alle kümmern. Mitunter erlebt man
Umgekehrtes- die andere Institution ist kompetent und zuständig- nur die eigene nicht mehr. Ich
meine die besonders schwierigen, dissozialen Kinder und Jugendlichen, die hin und her
geschoben, letztlich- so erleben wir das jedenfalls, mit einem psychiatrischen Etikett versehen, in
eine psychiatrische Einrichtung abgegeben werden- womöglich mit dem Hinweis, dass
Rücknahme in die entsendende Einrichtung leider nicht möglich ist.
Nach einer Studie von Gintzel und Schone (1990: 29 ff.) sind die Gründe für die Überweisungen
von Einrichtungen der Jugendwohlfahrt in kinder- und jugendpsychiatrische Kliniken
unterschiedlich. Hier lässt sich der Studie nach zwischen drei Mustern unterscheiden:
1.) Das Muster permanenter Ratlosigkeit- die geplante Suche nach Ausschöpfung der eigenen
Ressourcen: Durch das Agieren des Kindes oder Jugendlichen sind die Fachkräfte der
Jugendwohlfahrtseinrichtung beständig ratlos. Bei Aufnahme des Kindes oder Jugendlichen
bestehen in der Regel klar definierte Zielvorstellungen, zu deren Erreichung die Einrichtung
aufgrund seines pädagogisch- konzeptionellen Ansatzes grundsätzlich in der Lage sieht. Im
Verlauf des Aufenthaltes wird allerdings die Erfahrung gemacht, dass erzieherische
Bemühungen wenig fruchten und sich die erwarteten Veränderungen nicht oder nicht in
gewünschter Weise einstellen. Es wird erkannt, dass die Problematik des Kindes oder
Jugendlichen bei der Aufnahme unterschätzt bzw. die Kompetenzen der Einrichtung
überschätzt wurden. Dies führt zu der Entscheidung, eine jugendpsychiatrische Abklärung
bzw. Behandlung herbeizuführen. Als ein Merkmal dieses Musters sehen Gintzel und
Schone eine längerfristige Planung der Überweisung (vgl. ebd.: 38).
2.) Das Muster plötzlich auftretender Hilflosigkeit- die Überweisung nach situativer
Überforderung: Merkmal dieses Musters ist es, dass es sich hier um Kinder und Jugendliche
handelt, die in der Regel unauffällig in der Gruppe leben. Plötzlich treten allerdings
unerwartete Ereignisse ein, die Hilflosigkeit erzeugen. Beispiele dieser Ereignisse könnten
plötzliche Zusammenbrüche ohne organische Ursachen oder Suizidversuche sein. Ein
Merkmal dieses Musters ist es, dass die Entscheidung zur Klinikeinweisung kurzfristig
getroffen wird und auch getroffen werden muss.
3.) Das Muster langfristiger Eskalation: Bei dieser Art der Überweisung handelt es sich meist
um Jugendliche, die schon lange, oft seit der Aufnahme, schwierig sind. Die Versuche von
Seiten des Heimes bleiben längerfristig erfolglos. Es kommt zu Kriseneskalationen auf
einem sich stetig steigernden Niveau. Es kommt zur Erschöpfung aller therapeutischen und
pädagogischen
Möglichkeiten.
Oftmals
steigt
der
Innendruck
(andere
Kinder/
MitarbeiterInnen fordern den Rausschmiss) oder der Aussendruck und es kommt ausgelöst
108
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
durch eine weitere Krise, zur Überweisung in die Klinik. Ein Merkmal dieses
Überweisungsprozesses ist nach der Studie von Gintzel und Schone, dass bestehende
Planungen, jugendpsychiatrische Kompetenzen in Anspruch zu nehmen oft durch aktuelle
Ereignisse forciert werden (vgl. ebd.: 38f.).
Auch für die Überweisung von einer kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik in Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt, lassen sich nach der Studie von Gintzel und Schone (1990: 40f.) verschiedene
dominierende Muster erkennen.
1.) Das Muster der Überweisung nach Clearing: ein Kind oder Jugendlicher kommt aufgrund
von unerklärlichen Verhaltensphänomenen aus der Familie oder aus einer Pflegefamilie in
eine kinder- und jugendpsychiatrische Klinik. Dabei geht es einerseits um die Diagnostik,
auch um organische Ursachen ausschließen zu können. Andererseits wird von der Klinik
erwartet, Vorschläge für das weitere Vorgehen, bzw. weitere Erziehungsmaßnahmen oder
Hilfen abzugeben. Dies geschieht zum Teil auch auf Anregung des Jugendamtes hin. Wenn
sich in der Klinik herausstellt, dass soziale und familiäre Faktoren Einfluss auf die
Verhaltensauffälligkeiten haben, und eine Veränderung deren nicht möglich erscheint, wird
von Seiten der Klinik der Vorschlag zu einer Fremdunterbringung gemacht.
2.) Das Muster der ins Diagnose- und Behandlungskonzept eingebundenen Maßnahme: Ein
Kind oder Jugendlicher kommt aufgrund von Verhaltensproblemen oder plötzlich
auftretenden Krisensituationen in eine psychiatrische Klinik. Eine (Rück-) Überweisung ins
Heim erfolgt, wenn das Problem des jungen Menschen gelöst ist, bzw. von Seiten der
Fachkräfte in der Klinik für gelöst erscheint. Weit häufiger ist der Fall, dass die
vordergründigen Probleme, die zur Überweisung in die Klinik geführt haben überwunden
sind und eine weitere Bearbeitung der Probleme in einem primär pädagogischen Rahmen,
gegebenenfalls unter jugendpsychiatrischer Beteiligung, für sinnvoll erachtet wird. Ein
Merkmal dieses Musters ist die prinzipielle Zuständigkeit von Jugendwohlfahrt und
Jugendpsychiatrie.
3.) Das Muster der Überweisung nach (fortgesetztem) Nichtfruchten von Therapieversuchen:
Ein Kind oder Jugendlicher befindet sich seit einiger Zeit in jugendpsychiatrischer
Behandlung. Die Möglichkeiten sind allerdings ausgereizt, ohne dass sich eine wesentliche
Veränderung ergeben hätte. Dies führt meist zu einer geplanten Überleitung an eine
Einrichtung der Jugendwohlfahrt oder in seltensten Fällen zu einer abrupten Beendigung der
Therapie. Häufiges Merkmal dieses Überweisungsprozesses ist es, dass die oft langwierige
Suche nach einer Einrichtung, die sich dem Jugendlichen gewachsen sieht, den oft ohnehin
langen Klinikaufenthalt noch verlängert.
109
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
4.) Das Muster der Überweisung nach Erklärung von Nichtzuständigkeit: Dieses Muster ist
nach Gintzel und Schone nur in den seltensten Fällen vorzufinden. Es soll aber trotzdem, der
Vollständigkeit halber kurz beschrieben werden. Nach erfolgter Diagnostik oder
Krisenintervention erklärt die Klinik, dass sie aufgrund ihrer Möglichkeiten nicht zuständig
sei. Es kommt zu einer Überweisung in eine entsprechende Einrichtung der
Jugendwohlfahrt.
Es gibt noch zusätzlich zu diesen unterschiedlichen Kooperationsmustern eine kleine Gruppe von
Kindern und Jugendlichen, deren Lebensgeschichte durch eine Vielzahl von Überweisungen und
damit verbundenen Ausgrenzungen und Lebensortwechsel gekennzeichnet ist. Es kommt zum so
genannten Pinball- Effekt, d.h. dass das Kind oder der Jugendliche ständig zwischen dem Heim und
der jugendpsychiatrischen Klinik wechselt. Von Seiten der Einrichtung der Jugendwohlfahrt kommt
es meist zu einer Überweisung in die Klinik aufgrund von dortigen Eskalationen. Auf Seiten der
Jugendpsychiatrie kommt es meist zu kurzen Interventionen, zur Beseitigung der Krisenspitzen und
danach zur Rücküberweisung in die gleiche oder in eine andere Einrichtung (vgl. Gintzel/Schone,
1990: 44).
Zu Kindern, die zwischen den Systemen stehen und zur Kooperation zwischen diesen schreibt
Franken
(1998:114):
„’Kinder
zwischen
Jugendhilfe
und
Jugendpsychiatrie’
sind
mit
Scheidungskindern gut zu vergleichen. Es herrscht eine vergleichbare Sprachlosigkeit und
Konkurrenz zwischen den Einrichtungen der Jugendhilfe und der Jugendpsychiatrie, es gibt
überhöhte Erwartungen an die andere Einrichtung und meist negativ gefärbte Phantasien über die
andere Profession.“
Vor allem bei Fällen, die zwischen den Einrichtungen hin und her pendeln stellt sich die Frage nach
der Kooperation der beteiligten Fachkräfte. Gintzel und Schone (1990: 44) haben diesbezüglich
Fachkräfteinterviews durchgeführt und auf Grund dessen zwischen vier unterschiedlichen Formen
fallbezogener Kooperation zwischen Fachkräften der Heime und der Klinik unterschieden:
-
Kooperation als Verständigungsprozess: In mehreren gemeinsamen Gesprächen vor,
während und nach der Einweisung schaffen die Fachkräfte beider Seiten die Basis für die
Überweisungsentscheidung. In diesen Gesprächen werden gemeinsame Überlegungen
angestellt und geplant inwieweit eine gegenseitige Einbeziehung in den weiteren Verlauf der
Betreuung als sinnvoll erscheint. Diese Kooperationsform basiert oft auf schon längerer
Zusammenarbeit
zwischen
der
Einrichtung
und
der
Klinik
durch
regelmäßige
fallübergreifende Kontakte, durch gegenseitige Einbeziehung bei Vorüberlegungen oder
durch Beratung oder konsiliarische Betreuung des Heimes durch eine jugendpsychiatrische
Fachkraft (vgl. ebd.: 44f.). Letzteres ist allerdings in der Steiermark noch nicht eingerichtet,
110
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
wäre aber sicher eine Möglichkeit die Kooperation zu verbessern bzw. den Pinball-Effekt
bei einzelnen Fällen zu mindern.
-
Kooperation als einmaliger Austausch: Diese Kooperationsform wird durch die Weitergabe
von Information und den persönlichen Austausch von Erfahrungen und Einschätzungen
bestimmt. In der Regel findet ein, manchmal auch zwei, Gespräche statt in denen vor allem
die Fachkräfte der abgebenden Institution ihre Einschätzungen weitergeben und erläutern.
Eine gegenseitige Einbeziehung in den Prozess ist nicht vorgesehen. Bei der Überweisung
von der Klinik in eine Einrichtung der Jugendwohlfahrt erklären sich die Klinikfachkräfte
bereit die Einrichtung bei einer neuerlich auftretenden Kriseneskalation zu unterstützen.(vgl.
ebd.: 45)
-
Kooperation durch Weitergabe von Informationen: Bei dieser Form der Kooperation geht es
vor allem um die Weitergabe der wichtigsten Informationen. Nur bei einem Teil erfolgt dies
persönlich bei der Übergabe des Kindes oder des Jugendlichen. Im Wesentlichen ist der
Kontakt zwischen den Institutionen aber auf die Übermittlung von Berichten und Gutachten
beschränkt. Diese Form der minimalen Zusammenarbeit lässt sich vor allem dort finden, wo
eine Rückkehr in die Einrichtung der Jugendwohlfahrt von vornherein ausgeschlossen ist. In
weiterer Folge auch dort, wo die Klinik nach einer Phase des Clearings der Meinung ist,
dass keine jugendpsychiatrische Auffälligkeit vorliegt und daher ein einfacher Bericht reicht
oder dort wo der Erfolg der jugendpsychiatrischen Behandlung als eher negativ eingeschätzt
wird und der Verständigungsprozess mit den Fachkräften der Einrichtung nicht gesucht oder
gefunden wurde. Durch einzelne Beispiele wird gezeigt, dass diese minimale
Zusammenarbeit vor allem dann auftritt, wenn zwischen der abgebenden Institution und
anderen beteiligten Entscheidungsträgern wie etwa den Fachkräften der Behörde die
Entscheidung konflikthaft war.
-
Nichtkooperation: Diese Form kommt vor allem dann vor, wenn die Überweisung nicht
unmittelbar und sofort stattfindet. Dies bedeutet, wenn die Kinder oder Jugendlichen sich
zwischenzeitlich außerhalb der Einrichtung aufgehalten haben.
Schone et al. (1997: 202) beschreiben allgemein einige Voraussetzungen von gelungener
Kooperation. Einerseits ist das persönliche Kennenlernen von VertreterInnen der jeweils anderen
Disziplin wichtig, um den gegenseitigen Austausch zu ermöglichen. Ein zweiter Punkt ist die
wechselseitige Kommunikation- d.h. einen wechselseitigen Austausch über Erfahrungen, Ziele,
fachliche Positionen etc. zu organisieren und zu institutionalisieren. Der wechselseitige Austausch
über Arbeitsziele und Arbeitsformen sowie organisatorische und fachliche Möglichkeiten erlaubt
ein zielgerichtetes Zusammenarbeiten im Einzelfall und eine höhere Wirksamkeit. Eine weitere
111
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
wichtige Voraussetzung ist die Kontinuität. Um ein Mindestmaß an Zuverlässigkeit zu
gewährleisten, sind häufige Umbrüche (Personalwechsel, konzeptionelle Neuorientierungen,
organisatorische Umstellungen etc.) eher zu vermeiden. All diese Punkte werden nicht ohne
Widersprüche funktionieren. Daher ist sowohl Empathie als auch die Fähigkeit, Konflikte produktiv
auszutragen, erforderlich. Diese Punkte können erst dann umgesetzt werden, wenn von einer
kleinräumlichen Struktur ausgegangen werden kann.
Auch die Perspektive der Kinder- und Jugendlichen darf bei der Diskussion um die Kooperation
zwischen KJP und Jugendwohlfahrt nicht aus den Augen gelassen werden. Vor allem ist es wichtig,
sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Kinder- und Jugendliche diese beiden Systeme erleben und
welche Erwartungen sie an diese richten. Auf jeden Fall gilt, je besser Kinder- und Jugendliche in
die Hilfeplanung miteinbezogen werden, desto eher sind sie auch bereit, Hilfen anzunehmen (vgl.
Pies, 2004: 429 ff.).
Falls es sich während eines Klinikaufenthaltes herausstellt, dass ein Kind oder Jugendlicher fremd
untergebracht werden muss oder nicht mehr zurück in die Einrichtung kann, von der er gekommen
ist,
ergeben
sich
einige
Kritikpunkte.
An
erster
Stelle
ist
hier
die
Dauer
des
Unterbringungsverfahrens anzusprechen. Hier vergehen meist einige Wochen bis ein Platz
gefunden ist und alle bürokratischen Dinge erledigt sind. Ein weiterer Punkt wurde bereits
angesprochen und bezieht sich darauf, dass die Klinik nicht auf eigene Kooperationen
zurückgreifen kann, da die Entscheidung letztlich beim Amt liegt (vgl. Schone, 1995: 120).
Glauninger-Holler (2006: 103) hat im Rahmen ihrer Diplomarbeit eine Studie zum Thema
Fremdunterbringungsmöglichkeiten
durchgeführt,
in
der
mittels
Fragebogen
behördliche
DiplomsozialarbeiterInnen in der Steiermark befragt wurden. In dieser Studie zeigte sich ein
besonders interessantes Ergebnis. Sie schreibt dazu:
Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen, was in der Praxis schon seit langem zu beobachten
ist. Immer mehr Jugendliche, aber im besonderen Mädchen, müssen aufgrund der massiven
psychischen Auffälligkeiten in die Landesnervenklinik Sigmund Freud (LSF) eingewiesen werden.
[…] (Glauninger-Holler, 2006: 103).
Insgesamt mussten nach der Studie von Glauninger-Holler, 118 Kinder und Jugendliche mit
psychischen Problemen im Zeitraum von 01.01. 2002 bis 31.12.2004 in Heimen, WGs bzw. mobil
betreutem Wohnen untergebracht werden. Diese sind potentielle Patienten der KJP. Dazu kommen
noch 122 Kinder- und Jugendliche, die aufgrund von aggressivem Verhalten, 36 aufgrund eines
Suizidversuchs und 49 aufgrund von Missbrauch von Suchtmitteln in einer der drei Wohnformen
untergebracht werden mussten.
112
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Vor der Fremdunterbringung waren 14% der Mädchen und 8% der Burschen in der
Landesnervenklinik Sigmund Freud in stationärer Behandlung.
Im Rahmen dieser Studie wurde auch erhoben, wie viele Kinder, in diesem Zeitraum die
Einrichtung wechseln mussten. Dies waren insgesamt im erwähnten Zeitraum 151 Kinder und
Jugendliche. Der häufigste Grund für einen Wechsel war das „negative Verhalten“ der Jugendlichen
(36%). In 12% der Fälle wollte der oder die Minderjährige in eine andere Einrichtung. An dieser
Stelle ist davon auszugehen, dass einige dieser Kinder und Jugendlichen, die von einer in eine
andere WG wechseln, sozusagen als „Zwischenstation“ auf der KJP behandelt wurden.
Im Zusammenhang mit dem Wechsel von Einrichtungen schreibt Glauninger-Holler (2006:110):
„Es zeigt sich aber auch in der Praxis, dass Einrichtungen immer öfter dazu neigen, bei
Schwierigkeiten mit dem Jugendlichen, diesen immer schneller aus der Einrichtung zu
entlassen.[…]“
In derselben Umfrage wurden die behördlichen SozialarbeiterInnen befragt, welche Einrichtungen
sie
sich
noch
wünschen
würden.
Hier
waren
27%
der
Meinung
eine
„stationäre
Krisenunterbringung“ wäre notwendig. Besonders wichtig im Zusammenhang mit der Frage der
Kooperation zwischen KJP und den Einrichtungen ist, dass 22% der DiplomsozialarbeiterInnen der
Meinung sind, dass psychiatrische Einrichtungen ausgebaut werden sollten. Immerhin mehr als die
Hälfte der SozialarbeiterInnen ist der Meinung, dass zusätzliche Wohngemeinschaften vorhanden
sein müssten (vgl. ebd.: 114).
Ein weiterer Punkt, der auf jeden Fall in Betracht gezogen werden muss ist, wie von Seiten der
Einrichtungen mit Schwierigkeiten umgegangen wird. Wolf (1998: 47ff.) meint dazu, dass
MitarbeiterInnen in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt Misserfolge häufig auf „dispositionale
Faktoren ihrer Klienten zurückführen“. Betroffene Kinder und Jugendliche sehen die Ursachen
meist außerhalb ihrer Person, was von ErzieherInnen häufig als typisches Ablenkungsmanöver
interpretiert wird. In dieser Suche nach spezifischen Ursachen kann der Verdacht einer psychischen
Erkrankung eine sehr wichtige Rolle spielen. Wolf (ebd.48) schreibt in diesem Zusammenhang:
„Wer erfolgreich unter den Verdacht gestellt wird, psychisch krank zu sein, hat erheblich
schlechtere Chancen, die Probleme auf andere Faktoren zurückzuführen.“
Hiermit ergibt sich allerdings ein nicht zu verachtendes Problem. Wenn MitarbeiterInnen von
Institutionen Schwierigkeiten primär Faktoren zuschreiben, die sie nicht beeinflussen können,
reduzieren sie ihre Handlungsfähigkeit. „Wer ausschließlich die gesellschaftlichen Verhältnisse,
irreversible pathologische Prozesse oder eine psychiatrische Erkrankung als Ursache annimmt, hat
sich aus der Erziehungsarbeit verabschiedet“ (Wolf, 1998: 49).
113
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Eine Methode zur Rückgewinnung dieser Handlungsfähigkeit wird in der Selbstreflexion gesehen.
„Sich zu fragen, wie der eigene Umgang mit dem Kind geändert werden kann, wie die
Lebensbedingungen durch Organisationsveränderungen verbessert werden können oder wie man
mit den Reaktionen, die das Kind bei einem selbst auslöst, konstruktiver umgehen kann, dies lenkt
den Blick auf die eigene Person und verschafft damit Handlungschancen“ (ebd. 49). Dabei wird
eine eventuelle psychiatrische Erkrankung nicht ausgeblendet, aber das Augenmerk muss auf
beeinflussbare Faktoren gerichtet werden. Wenn dies in der Praxis umgesetzt werden kann, kann
eine hohe Leistungsfähigkeit hergestellt werden.
Obwohl wirksame Angebote besonders im Umgang mit sozialen Auffälligkeiten eher in
„lebensweltbezogenen“ Ansätzen zu finden sind, ist immer wieder die Rede davon,
Krankenhausbetten auszubauen und die Anzahl an Kinder- und Jugendpsychiatern zu vermehren.
Obwohl eine Vermehrung von Kinder- und Jugendpsychiatern sicher notwendig ist, ist an dieser
Stelle zu hinterfragen, inwieweit ein Ausbau von Krankenhausbetten vonnöten ist und ob es
vielleicht nicht sinnvoller wäre, im Bereich der Jugendwohlfahrt in den Zukauf von kinder- und
jugendpsychiatrischen Kompetenzen zu investieren und Einrichtungen zu konzipieren, in denen vor
allem in Bezug auf die Lebensweltorientierung, kinder- und jugendpsychiatrische Hilfe, in diese
Lebenszusammenhänge eingebaut werden kann (vgl. Köttgen, 998: 70).
Die
unterschiedlichen Versorgungssysteme der Jugendwohlfahrt und der KJP schaffen
unterschiedliche Hilfsangebote und Lebensbedingungen. Beide Systeme fordern von den
Jugendlichen, sich an institutionelle Regeln zu halten, die die Fachleute wechselweise nicht kennen
lernen. Bessere Kenntnisse der Mitarbeiter in beiden Systemen „könnten zu besserer Kooperation
und zum Abbau von Missverständnissen beitragen“ (Köttgen, 1998: 70).
Eine Möglichkeit der Hilfestellung von Seiten der KJP, die es den Kindern und Jugendlichen
ermöglicht, in ihren Lebenszusammenhängen zu bleiben, bietet die ambulante Betreuung.
Hierzu wurde in Hamburg ein ambulantes Therapieprojekt durchgeführt, das sich vor allem auf
schizophrene Patienten bezogen hat. In dieses Projekt wurden junge, ersterkrankte, rückfallbedrohte
Patienten aufgenommen, die durch ambulante Gruppen für Betroffene und Angehörige betreut
wurden. Ein interessantes Ergebnis dieses Projektes, das nach vier Jahren nachuntersucht wurde,
war, dass Patienten aus den Therapiegruppen signifikant weniger Rückfälle hatten, als Patienten,
die nicht an diesen Gruppen teilnahmen. Der Effekt wurde allerdings erst nach einer Zeitspanne von
zwei bis vier Jahren sichtbar. Danach zeigte keiner der Patienten aus der Therapiegruppe Rückfälle.
Auch durch stationäre Aufenthalte wurden die Gruppentherapien nicht unterbrochen.
114
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Es zeigten sich deutlich kürzere Hospitalisierungszeiten und deutlich kürzere stationäre
Aufenthalte- besonders auf längere Sicht. Ein weiteres wichtiges Ergebnis des Projektes war, dass
Gruppenteilnehmer häufiger die Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse aufrechterhalten konnten und
ein wesentlich größeres Durchhaltevermögen bewiesen. Auch erhielten die Teilnehmer des
Projektes weniger Medikamente; einige konnten im weiteren Verlauf sogar ganz auf Medikamente
verzichten (vgl. Köttgen, 1998: 89ff.)
Bei Überweisungen von einer Einrichtung in eine andere wird meist eine eindeutige Grenzlinie der
Zuständigkeit gezogen. Im Folgenden soll die Frage der Zuständigkeiten der beiden Fachdisziplinen
für die Bearbeitung von Lebenskrisen von Kindern und Jugendlichen deutlicher gemacht werden.
Ernst Tatzer (2007: 107ff.) unterscheidet in Bezug auf die Kooperation zwischen Jugendwohlfahrt
und KJP drei Ebenen die im Folgenden näher beschrieben werden sollen.
8.1 Interpersonelle Ebene
Jede Form der Kooperation verwirklicht sich auf dieser Ebene. Es haben immer Personen
miteinander zu tun, die letztlich auch mit ihren individuellen Persönlichkeiten zusammen arbeiten
müssen. Je besser sich die Personen kennen und je positivere Erfahrungen sie miteinander gemacht
haben, umso besser kann Kooperation gelingen (vgl. Tatzer, 2007: 111).
Trotzdem ist es nicht ratsam, sich auf diese Ebene der Kooperation zu verlassen, da diese sehr
willkürlich und eine strukturierte Kooperation auf der interinstitutionellen Ebene nicht ersetzen
kann (vgl. ebd.: 112).
Besonders wichtig auf dieser Ebene erscheint die gegenseitige Achtung und Anerkennung, bzw. das
Vertrauen in den anderen bzw. auch in die andere Profession.
8.2 Interinstitutionelle Ebene
Interinstitutionelle Kooperation ist nach Tatzer (2007: 112) “ein wichtiges Qualitätskriterium
professioneller Arbeit.” Besonders wichtig ist es in diesem Zusammenhang, Kooperationen zu
entwickeln, die sich unabhängig vom Einzelfall realisieren. Dabei können sich Arbeitskreise, in
denen die Kooperation thematisiert und im Hinblick auf gemeinsame Kooperationsstrukturen
diskutiert wird, sowie die Analyse von konkreten Fällen hilfreich sein.
Am Beginn dieses Prozesses muss die bewusste Entscheidung zur Kooperation stehen, die mit der
Abklärung der gegenseitigen Erwartungen, Möglichkeiten und Ziele einhergeht. Es muss allen
Beteiligten bewusst sein, dass Kooperation zusätzliche Energien und Ressourcen erfordert.
115
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Dabei erweist es sich als günstig, eventuell schriftliche Kooperationsvereinbarungen anzufertigen,
in denen zumindest mittelfristig für beide Seiten ein Nutzen zu erkennen ist. Motivation, fachliche
Autonomie und Zuverlässigkeit sind die wichtigsten Faktoren für eine gelingende Kooperation (vgl.
Tatzer, 2007: 113). „Wie alle Beziehungen müssen auch Kooperationen gepflegt werden. Es ist
daher wichtig, immer wieder auf einer Metaebene das eigene Tun und den Kooperationsprozess zu
reflektieren“ (ebd.: 113).
Ein weiterer Punkt sowie eine Notwendigkeit der Kooperation zwischen Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt und der KJP ergibt sich aus der Tatsache, dass es sich in diesem Bereich häufig
um traumatisierte Kinder und Jugendliche handelt wie dies bereits in Kapitel 4 beschrieben wurde.
Eine Aufgabe der KJP ist es in diesem Zusammenhang, Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
dahingehend zu beraten, dass es ihnen möglich wird, für diese Kinder und Jugendlichen ein Umfeld
zu schaffen, das eine Retraumatisierung vermeidet. MitarbeiterInnen in Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt müssen weiters ein Wissen erwerben, das es ermöglicht „Ausdrucksformen von
Traumatisierungen im täglichen Alltag in Ansätzen erkennen und verstehen zu können“ (Purtscher,
2007: 78). Hier ist besonders die KJP gefragt, neue Wege zu gehen und den Spitalskontext zu
verlassen, um als Berater tätig zu werden (vgl. ebd.: 78).
8.3 Ebene der Gesamtversorgung
Man kann sehr schwer von Kooperation sprechen, ohne die Ebene der Gesamtversorgung mit ein zu
beziehen. Noch so gut gemeinte Kooperationsbemühungen auf den beiden anderen Ebenen werden
scheitern, wenn die Rahmenbedingungen für die Kooperation nicht stimmen. Dazu schreibt Tatzer
(2007: 114):
Gerade auf dem Gebiet der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit komplexen
Problemstellungen fehlt es häufig an konkreten personellen und institutionellen Ressourcen. Dies
bedingt, dass sich die einzelnen Einrichtungen verstärkt auf ihre Kernaufgabe zurückziehen und
damit eher ein Klima der Konkurrenz (um die beschränkten Mittel) als der Kooperation entsteht.
Oftmals haben beide Seiten das Gefühl ständig über ihre Kräfte gefordert zu sein. Gescheiterte
Fallverläufe belasten dann zusätzlich das Klima, weil sowohl Selbstvorwürfe oder aber
gegenseitige Schuldzuschreibungen diesem nicht förderlich sind.
Hier wären beide Systeme gefragt, auf dieser Ebene zusammen zu wirken und die Planung und die
Umsetzung von Maßnahmen gemeinsam in die Hand zu nehmen. Durch die unterschiedliche
Zugehörigkeit der KJP zum Gesundheitswesen und der Jugendwohlfahrt als eigenständiger Bereich
und den damit einhergehenden politischen Verantwortungsbereichen sowie der Anfertigung
unterschiedlicher Entwicklungspläne (Jugendwohlfahrtsplan vs. Psychiatrieplan) ergeben sich
Schwierigkeiten im Zusammenwirken (vgl. ebd.: 114).
116
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Es braucht daher auch auf Landesebene ein gemeinsames Planungsgremium. Tatzer (2007: 115)
meint dazu: „Optimal erscheint mir die Bildung eines multidisziplinär besetzten Gremiums zur
Erstellung und Umsetzung eines ganzheitlichen Versorgungsplans für Kinder und Jugendliche, der
über die gemeinsamen Anliegen von KJP und JWF hinausreicht, wie es z.B. die ‚Children’s
Taskforce’ im englischen Gesundheitswesen darstellt.“
Das Children’s Taskforce ist eines von 10 Taskforces, die zur Implementierung des Nationalen
Gesundheitsplans eingeführt wurden. Dieses besteht aus einem multiprofessionellen 36 köpfigen
Team, deren Aufgabe es ist, das Wohlbefinden der Kinder bis ins Erwachsenenalter sicher zu
stellen und darüber zu wachen, dass der nationale Gesundheitsplan den Kindern, Adoleszenten und
ihren Familien wirkliche Verbesserung bringt. Dies wäre auch auf österreichische Verhältnisse zu
übertragen. Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit vielschichtigen Problemen wäre
dabei in einem Teilprojekt zum Thema zu machen (vgl. Tatzer, 2007: 115f.).
8.4 Aufgabe der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Es ist sehr schwierig, die Aufgaben der KJP und die der Einrichtungen der Jugendwohlfahrt zu
differenzieren, wie Fliedl und Krisch (2000: 148) meinen:
Kinder- und Jugendhilfe bzw. Jugendwohlfahrt, Kinder- und Jugendneuropsychiatrie sind relativ
junge Disziplinen, die um ihren Einflussbereich rivalisieren. Es gibt große Überschneidungen, was
ihre Zuständigkeit bzw. die von ihnen zu betreuenden Klientel betrifft, es gibt daher- bösartig
formuliert- sehr starke berufs- und standespolitische Interessen, aber es gibt keine klaren
Indikationen. So gleichen sich […] die Kriterien, die zur Heimunterbringung einerseits und zur
Aufnahme in einer kinderpsychiatrischen Institution andererseits genannt werden, enorm.
Kinder und Jugendliche in Krisen benötigen meist ganzheitliche und differenzierte Hilfen. Einen
Teil dieses Spektrums an Hilfsangeboten kann die KJP bieten, die sich in Österreich erst ab 2007
als eigenständige Fachdisziplin der Medizin entwickeln hat.
Helmut Remschmidt (1979: VIII) beschreibt in seinem Vorwort zu seiner Einführung in die KJP
wie folgt:
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist zuständig für Diagnostik, Therapie, Rehabilitation und
Prävention psychischer und neuropsychiatrischer Störungen und Erkrankungen bei Kindern und
Jugendlichen von der Geburt bis zur Volljährigkeit.
Rainhald Heipertz (1990: 116 f.) beschreibt die Rolle der KJP aus seiner Sicht in einigen Punkten.
-
Einerseits meint er, die KJP sei ein medizinisches Fachgebiet. Seiner Meinung nach sei nur
ein geringer Teil auffälliger, abnormer und verhaltensgestörter Kinder und Jugendlicher
seelisch krank. Für die Diagnosestellung sei der Arzt unumgänglich, da nur er aufgrund
seiner Ausbildung und Erfahrung Krankheiten erkennen und behandeln kann. Eltern,
117
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
HeimbetreuerInnen, LehrerInnen können einen Verdacht hegen, Vermutungen äußern,
Beobachtungen machen und um Abklärung bitten.
-
Als einen zweiten Punkt spricht Heipertz deutlich an, dass schwieriges Verhalten und die
Ablehnung von Autoritäten und Regeln bzw. ein Mangel an sozialer Angepasstheit auf
keinen Fall den Ruf nach psychiatrischer Intervention rechtfertigen würden. Er meint dazu:
„Die Psychiatrie, besonders in ihren geschlossenen stationären Anteilen, darf es nicht
zulassen, zum Instrument des staatlich verordneten Zwangs zu werden. Die Praxis des Hinund Herschiebens sogenannter Problemkinder und die Verschickung von der Stadt auf das
Land ist deshalb inhuman, weil sie gewachsene Sozialbezüge zerstören“ (ebd.).
-
Der dritte Punkt den Heipertz anspricht bezieht sich auf gestörtes Sozialverhalten und
Verwahrlosung. Diese haben viele Ursachen. Als Beispiel lassen sich ein Mangel an
Erziehung, unangemessene Erziehung etc. nennen. Ein gestörtes Sozialverhalten kann aber
auch eine Begleiterscheinung von seelischen Erkrankungen wie Psychosen, Neurosen, Sucht
usw. sein. Daraus lässt sich seiner Meinung nach ableiten inwieweit die Verwahrlosung
auch ein Thema der KJP sein kann.
-
Im vierten Punkt spricht Heipertz die Normalität von aggressivem Verhalten an. Er schreibt
dazu: „Autoaggressivität und übermäßige Aggressivität stellen Reaktionen dar, die nach
Beseitigung der Auslöserbedingungen auch wieder verschwinden können“ (ebd.: 117).
Eine Aufgabe der KJP sieht Heipertz darin, Hilfestellungen bei der Klärung von Zusammenhängen,
wie auffälliges Verhalten entsteht zu geben. Interventionen sind seiner Meinung nach aber nur im
Lebensumfeld erfolgsversprechend. Aggressivität und Autoaggressivität können durch eine
geeignete Behandlung abgebaut werden, sodass Betroffene dann im Rahmen der Jugendwohlfahrt
weiter betreut werden können (vgl. ebd.).
Heipertz hat in engem Kontakt mit den Jugendheimen immer wieder die Frage gestellt, was die KJP
in den Augen von Betreuern ausmacht. Als Antworten hat er immer wieder zu hören bekommen,
dass dies eine bessere Personalausstattung wäre, die eine intensivere Beaufsichtigung ermöglichen
würde. Weiters der unmittelbare Zwang in Form der geschlossenen Unterbringung und die
multimodalen Behandlungsangebote (vgl. Heipertz, 1990: 118). In diesem Zusammenhang ist zu
erwähnen, dass es sehr interessant ist, dass die geschlossene Unterbringung von Außenstehenden als
unmittelbarer Zwang gesehen wird, obwohl vom Gesetz genau vorgegeben ist, wann geschlossene
Unterbringung erfolgen darf. Indirekt spielt hier vielleicht auch die Diskussion um die geschlossene
Unterbringung in Heimen eine Rolle.
118
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Eine Aufgabe der KJP ist auf jeden Fall die Hilfe und der Schutz in akuten Krisen. Viele
psychiatrisch auffällige Jugendliche brauchen zuerst einen geschützten Rahmen um wieder zu sich
zu kommen. Diesen kann die KJP für einen kurzen Zeitraum sehr gut bieten. Für längerfristigere
Interventionen muss aber mit anderen Institutionen zusammen gearbeitet werden.
In diesem Sinne betont die klassische psychiatrische Sichtweise die kurzfristig entlastende und
Eskalationen unterbrechende Wirkung, die ein Aufenthalt zielgerichtet erzeugen kann (vgl. Wolf,
1998: 53). Dieses Argument erweist sich vor allem dann als sinnvoll, „wenn man etwa erlebt, wie
eine Jugendliche, der innere Stimmen befehlen, sich auf eine spezifische Weise zu töten und die
dadurch sichtbar gequält und unglaublich beunruhigt wird, zur Ruhe kommt, wenn sie
entsprechende Medikamente bekommt“ (ebd.: 53).
Häufig übernimmt die KJP die Aufgabe der clearing- Funktion. Bei diesen Kindern ist die Ursache
für den Klinikaufenthalt oftmals nicht nachvollziehbar und die KJP wird zu einer Art
„Übergangswohnheim“ bis eine geeignete Wohnform gefunden ist. Hier wäre zu überlegen, ob
diese Klinkaufenthalte, die immer auch mit einer Stigmatisierung verbunden sind, zu vermeiden
wären, indem entsprechende Institutionen geschaffen werden (vgl. Schone, 1990: 125).
So übernimmt die heutige KJP teilweise die Aufgabe, die am Beginn des 20. Jahrhunderts
Kinderübernahmestellen, wie es sie z.B. in Wien gab, erfüllt haben. Natürlich ist dies nicht 1:1 zu
vergleichen, dennoch war die Kinderübernahmestelle damals eine Einrichtung, die dirigierte,
welche Maßnahme bzw. Unterbringung erfolgen sollte und in der die Kinder so lange verweilten,
„bis über ihre anderwärtige Unterbringung eine Verfügung getroffen werden kann, also bis sie in
Kostenpflege gegeben, heimbefördert, in ein Waisenhaus oder in eine andere Erziehungsanstalt
aufgenommen werden können und dergleichen“ (Rudolph/ Benetka, 2007b: 57).
Ein besonderes Augenmerk sollte aber immer wieder auf die kurze Aufenthaltsdauer gelegt werden,
da eine Gefahr darin besteht, dass im Kontext der KJP zu enge Bindungen an das therapeutische
Team entstehen, die rasch zu einer Fixierung auf Therapeuten und Krankheitssymptome führen
können.
Nach
der Entlassung kann
es
daher dazu
kommen,
dass
PatientInnen
in
Erwachsenenpsychiatrien vergeblich nach derselben Nähe und Geborgenheit suchen und damit
wichtige Entwicklungserfahrungen außerhalb der Psychiatrie nicht machen können (vgl. Köttgen,
1998: 96). Daher sollte der Fokus vor allem auch auf ambulante Hilfestellungen gerichtet werden,
die sich an der Lebenswelt des Kindes oder des Jugendlichen orientieren und auch
Entwicklungserfahrungen außerhalb des klinischen Settings ermöglichen.
Dennoch lässt das bestehende Versorgungssystem ambulante Begleitung nach der Klinik nur in
einem begrenzten Rahmen zu. Außerklinische Therapiegruppen, wie auch die Unterstützung der
119
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Angehörigen gehören nur selten zum Hilfsangebot nach Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken.
„So müssen Patienten, wenn sie ‚draußen’ nicht zurecht kommen, Symptome aufrechterhalten,
wenn sie in den Schonraum der Klinik oder zu den Therapeuten ihres Vertrauens zurückkehren
wollen“ (Köttgen, 1998: 96).
Eine Beziehungskontinuität ist allerdings auch im ambulanten Versorgungssystem nicht
vorgesehen. An dieser Stelle ist allerdings auf die Hamburger Studie zu verweisen, die im Kapitel
Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und Jugendwohlfahrt beschrieben wurde.
Danach wäre es vor allem für Jugendliche wünschenswert, die mit seelischen Verletzungen oder
Störungen im Rahmen der Jugendwohlfahrt leben, möglichst früh außerhalb der Klinik ambulante
Hilfen zu suchen, die Raum für eigene Entwicklungen schaffen. „Auch die Einrichtungen von
Patienten- und Angehörigengruppen wäre möglich. Hierbei könnten Kinder- und Jugendpsychiater
mit ihren Erfahrungen quasi als spezialisierte Dienstleister unterstützen“ (Köttgen, 1998:97).
8.5 Aufgabe der Jugendwohlfahrt
Die Leistungen der Jugendwohlfahrt umfassen zwei große Bereiche. Einerseits den Bereich der
„sozialen Dienste“ und den Bereich der „Hilfen zur Erziehung“ welche die „Unterstützung der
Erziehung“ und die „volle Erziehung“ umfassen. Die Maßnahmen, die diese Punkte beinhalten sind
im Kapitel Steiermärkisches Jugendwohlfahrtsgesetz erläutert. Im Mittelpunkt all dieser
Maßnahmen steht die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen und deren Familien.
Die grundsätzliche Aufgabe der Jugendwohlfahrt ist die Betreuung von Kindern und Jugendlichen
in psychosozialen Problemlagen. Die Jugendwohlfahrt springt mit vielfältigen Erziehungshilfen für
Familien zur Förderung, Bildung, Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, ein (vgl.
Cobus-Schwertner, 1990: 78).
Heitkamp (1984: 12 zit. nach Klawe, 1993) beschreibt die Aufgabe der Heimerziehung wie folgt:
„Aufgabe der Heimerziehung ist, eine begonnene und durch den vorübergehenden oder dauernden
Ausfall der Primärerzieher unterbrochene bzw. gestörte Sozialisation fortzuführen […]
Heimerziehung hat vor diesem Hintergrund stets die Aufgabe, den Sozialisationsprozess so zu
gestalten, dass dem betroffenen jungen Menschen eine seinen Anlagen und Fähigkeiten
entsprechende Entwicklung zur selbständigen, entscheidungsfähigen, gesellschaftlich integrierten
Persönlichkeit ermöglicht wird.“
Von Seiten der KJP wird nach einem stationären Aufenthalt als oberste Aufgabe der Einrichtungen
der Jugendwohlfahrt die weitere Stabilisierung gesehen. Die Betreuung in der Jugendwohlfahrt ist
allerdings nicht ausschließlich darauf ausgerichtet, die weitere Genesung zu verfolgen, sondern zu
120
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
akzeptieren, „dass alle Kinder unterschiedliche Probleme, Defizite, Behinderungen haben, mit
denen sie leben lernen oder die sie doch als eine problematische Phase in ihrem Leben begreifen
lernen sollen“ (Franken, 1998: 112).
Die Zuständigkeit und die Verantwortung für Kinder und Jugendliche mit problematischen
Sozialisationsverläufen liegt im Bereich der Jugendwohlfahrt, „Wenn fachliche Hilfen aus anderen
Bereichen in Anspruch genommen werden, darf die Definitionsmacht nicht dem medizinischtherapeutischen Bereich überlassen werden“ (ebd.: 87). In der Kooperation muss die
Jugendwohlfahrt auf jeden Fall die Zuständigkeit für die Erziehung behalten.
Klaus Münstermann meint, die Einrichtungen der Jugendwohlfahrt haben sich klar entschieden,
„Lebensorte sein zu wollen, in denen sich erwachsene Menschen von einer ganzheitlichen Idee
ausgehend auf den benachteiligten jungen Menschen einlassen“ (Münstermann, 1990: 87).
Heimerziehung ist für ihn als professionell erbrachte Erziehungshilfeleistung zu betrachten. Zu
diesem Verständnis gehört, dass sich Heime nicht mehr länger als Eingriffsinstrumente sehen, deren
Aufgabe es ist, abweichendes oder fehlgeleitetes Verhalten zu korrigieren, sondern das
Selbstverständnis konzentriert sich vielmehr um die Frage, wie man Kinder und Jugendliche, darin
unterstützen kann, einen Weg für sich zu finden, der es möglich macht, Selbstbewusstsein und
Identität zu haben und zu halten.
Eine besonders wichtige Aufgabe der Heimerziehung liegt im großen und ganzen darin,
konstruktive Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche zu schaffen, bei denen intendierte
Erziehung in das Zusammenleben von Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen eingebettet ist.
Dabei hat man es stets mit hochkomplexen Situationen und vielerlei Einflussfaktoren zu tun, in
denen der Erzieher ein Faktor unter sehr vielen ist. Dabei unterliegt auch der Erwachsene dem
Einfluss des Kindes oder Jugendlichen, was auch notwendig ist, um interaktionsfähig zu bleiben
(vgl. Wolf, 1998: 52f.).
Es muss darum gehen, Kindern und Jugendlichen im betreuten Zusammenleben auf dem
Hintergrund ihrer meist schwierigen Biographien „neue Lebenserkenntnisse bzw. Lebensinhalte zu
vermitteln und damit schließlich eine Lebensperspektive aufzuzeigen“ (Franken, 1998: 110).
Die Betreuung in der Jugendwohlfahrt soll einen mittelfristigen Lebensort bieten, in dem es dem
Kind oder Jugendlichen möglich gemacht wird, neue Erfahrungen zu sammeln und alte
Erkenntnisse zu überprüfen und zu überdenken, vielleicht sogar aufzugeben. Zu diesen neuen
Erfahrungen gehören recht banale und für die meisten von uns selbstverständliche Dinge wie etwa,
dass Erwachsene dem Kind oder Jugendlichen zuhören und sich neugierig am Erleben des Kindes
121
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
oder Jugendlichen beteiligen; oder dass das Kind oder der Jugendliche ein Mitspracherecht bei der
Gestaltung des Zimmers, seiner Bekleidung oder in Bezug auf das Essen hat. Jedes Kind oder
Jugendlicher wird als wichtiger Teil wertgeschätzt; Interessen, Neigungen und Hobbies sollen
gefördert werden. Alltägliche Probleme wie etwa in der Schule werden wahrgenommen und durch
regelmäßige Unterstützung auch überwindbar (vgl. Franken, 1998: 110f.).
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sollen in die Gesellschaft integrieren, und zwar insbesondere
jene Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die integrationsfähig aber noch nicht willig sind (vgl.
Münstermann, 1990: 130).
Die Zuweisung von Kindern in die Heimerziehung geschieht dann, wenn andere Formen
erzieherischer Hilfen für die Bewältigung der aktuellen Lebenskrise nicht mehr als ausreichend
angesehen werden. „Heime haben dabei entweder die Aufgabe, die Lebensmöglichkeiten der
Jugendlichen soweit zu fördern und sie zu stabilisieren, dass sie nach einer begrenzten Zeit der
außerfamiliären Unterbringung in ihre Familie zurückkehren können-[…], oder längerfristig einen
Lebensort zu gewähren und den Übergang des jungen Menschen in die Selbständigkeit zu planen,
vorzubereiten und zu begleiten“ (Gintzel/ Schone, 1990: 29).
Von Seiten der KJP wird immer wieder kritisiert, dass es an passenden Einrichtungen mit einem
engen Betreuungsrahmen, der besonders wichtig für psychiatrisch auffällige Kinder und
Jugendliche ist, fehlt. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass in vielen Einrichtungen zu wenig
strukturiert gearbeitet würde. Aufgrund der finanziellen Situation vieler Einrichtungen würden auch
Betreuungsdefizite entstehen. Nachdem in den Einrichtungen der Jugendwohlfahrt nicht die
Möglichkeit der geschlossenen Unterbringung besteht, liegt ein Kritikpunkt darin, ob von Seiten der
Einrichtungen genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, um mit solchen Jugendlichen zu
arbeiten. Die KJP kann in diesen Fällen zwar ein kurzfristiger Kooperationspartner sein, jedoch
keine längerfristigen Lösungen anbieten.
An dieser Stelle soll kurz das Thema Fremdunterbringung und Psychotherapie angesprochen
werden. Hier soll vor allem auf eine Studie von Freilinger und Peneder (1999: 28ff.) eingegangen
werden. Sie erhoben, dass in Österreich etwa 26% der stationär fremd untergebrachten Kinder und
Jugendlichen in psychotherapeutischer Behandlung waren. Hier bestehen allerdings gravierende
Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. So sind es in Tirol 16,3% und in der
Steiermark 43,7% der stationär fremd untergebrachten Kinder und Jugendlichen, die sich in
Therapie befinden. Gründe für diese Unterschiede liegen sicher nicht daran, dass Kinder und
122
Zusammenarbeit zwischen KJP und Einrichtungen der JW
Jugendliche in der Steiermark kränker sind oder Unterbringungsmöglichkeiten in Tirol besser
wären weil sie mit weniger Therapie auskommen würden. Freilinger und Peneder führen diese
Unterschiede darauf zurück, dass nicht immer TherapeutInnen zu finden sind, die bereit sind mit
einer solch schwierigen Klientel zu arbeiten. In ländlichen Regionen würden noch zusätzliche
Kosten für die Fahrt zur Therapie dazu kommen würden. Das bedeutet, dass es nicht überall dort,
wo man psychotherapeutische Unterstützung brauchen würde, möglich ist diese auch zu
bekommen. Auch die Kostenübernahme stellt immer wieder ein Problem dar.
In dieser Studie wurde auch auf die konzeptionelle Verankerung der Psychotherapie in den
einzelnen Einrichtungen Bezug genommen. Hier wäre es nach Freilinger und Peneder (1999: 35)
auffällig, dass diese nicht in sehr vielen Einrichtungen gegeben zu sein scheint.
123
Empirisch Pädagogische Sozialforschung
9 Empirisch Pädagogische Sozialforschung
Im empirischen Teil dieser Arbeit sollen aufgrund der theoretischen Ausführungen einerseits eine
quantitative, wie aber auch eine qualitative Untersuchung erfolgen. Im Rahmen der quantitativen
Untersuchung wurde eine Dokumentenanalyse durchgeführt, die die Daten von allen in einem Jahr
aufgenommenen Kindern und Jugendlichen beinhaltet. Aufgrund dieser Daten solle jene Gruppe der
Kinder und Jugendlichen beschrieben werden, die sowohl Kontakt zum System der KJP als aber
auch zum System der Jugendwohlfahrt haben bzw. hatten. Diese Gruppe soll dann im Hinblick auf
unterschiedliche Kategorien mit den Kindern und Jugendlichen verglichen werden, die keinen
Kontakt zu stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten.
Zusätzlich sollen in der qualitativen Untersuchung Interviews mit ExpertInnen aus stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt in der Steiermark durchgeführt werden. Hier sollen vor allem
die Erfahrrungen und Sichtweisen in Bezug auf die Kooperation mit der KJP erhoben werden.
9.1 Quantitative Sozialforschung
Im Unterschied zur qualitativen Analyse wird immer dann von quantitativer Sozialforschung oder
Analyse gesprochen, wenn „Zahlbegriffe und deren In- Beziehung- Setzen durch mathematische
Operationen bei der Erhebung oder Auswertung verwendet werden“ (Mayring, 2008: 16).
Schon unsere Sprache beinhaltet einerseits qualitative Begriffe, wie etwa „Mensch“, „Haus“, „rot“
oder „kalt“, und andererseits auch quantitative Begriffe oder Größenbegriffe, die numerische
Funktionen beinhalten.
Bei
wissenschaftlichen
Untersuchungen
bzw.
Messungen,
unterscheidet
man
zwischen
unterschiedlichen Skalenniveaus- Nominal-, Ordinal-, Intervall- sowie Ratio- Skalen, wobei jene
Messungen und Analysen, die auf Nominalskalen (Kriterium ist Gleichheit, Verschiedenheit- z.B.
männlich- weiblich) basieren, auch als qualitative Analysen gelten. Nachdem die vorliegende
Dokumentenanalyse sowohl auf Nominal wie aber auch auf Ordinal- und Ratio- Skalen basiert,
kann diese als Mischung zwischen quantitativer und qualitativer Untersuchung bezeichnet werden.
Bei der Analyse wird in diesem Teil jedoch vorwiegend darauf geachtet, Zahlenbegriffe
mathematisch auszuwerten und in Beziehung zu setzen.
124
Empirisch Pädagogische Sozialforschung
9.1.1 Die Dokumentenanalyse
Die Dokumentenanalyse ist eine Erhebungstechnik, die sich auf Daten bezieht, die als Dokumente
vorliegen. Bei der Dokumentenanalyse werden schriftliche Informationsquellen herangezogen und
im Hinblik auf unterschiedliche Kategorien analysiert. Die Dokumente können alle Arten von
Unterlagen sein z.B. Berichte in Zeitungen, Zeitschriften, Untersuchungsberichte, Akten,
Projektdokumentationen u.v.m. Häufig steht eine Dokumentenanalyse am Beginn einer
Untersuchung, um sich in ein Themenfeld einzuarbeiten. Sie kann z.B. auch der Vorbereitung einer
Befragung dienen. Vorteile der Dokumentenanalyse liegen einerseits in der raschen Verfügbarkeit
der zu erhebenden Daten und andererseits in der Vergleichbarkeit der Daten. Zudem ist eine
selbständige Analyse der Daten möglich. Nachteile liegen darin, dass man sich auf jene
Informationen beschränken muss, die vorliegen. So kann es z.B. sein, dass die Aktualität der Daten
und deren Vollständigkeit nicht unbedingt gegeben ist (vgl. FH Münster- Institut für Berufliche
Lehrerbildung, http://www.fh-muenster.de).
In den Sozialwissenschaften können auch andere Formen von Dokumenten der Analyse dienen.
Hier wird der Begriff des Dokumentes teilweise sehr weit gefasst. So sind für den
Sozialwissenschafter Dokumente „sämtliche gegenständliche Zeugnisse, die als Erklärung
menschlichen Verhaltens dienen können“ (Atteslander, 1971: 53). Neben schriftlichem Material
spielen in den Sozialwissenwschaften auch das gesprochene Wort (Tonbänder, Rundfunk, Film und
Fernsehen) eine nicht unwesenliche Rolle. Daneben besitzen aber auch Bilder und alle anderen
„vom Menschen geschaffenen kulturellen Objekte dokumentarischen Wert“ (z.B. Werkzeuge,
Waffen, Schmuck, Bekleidung, Bauten oder Kunstgegenstände) (ebd.).
Nachdem sehr viele unterschiedliche Dokumente der Dokumentenanalyse zugrunde liegen können,
ist eine mögliche Klassifikation die Unterscheidung zwischen akzidentalen und systematischen
Dokumenten. Als akzidental werden jene Dokumente verstanden, die nicht primär für
Forschungszwecke erstellt werden
während als systematische Dokumente jene Dokumente
bezeichnet werden, die entweder „eindeutig wissenschaftlichen Charakter haben oder in Bezug auf
die wissenschaftliche Zielsetzung nicht zufällig entstehen“(vgl. ebd.: 55ff.)
In diesen Kategorien gesprochen können die in der vorliegenden Untersuchung verwendeten
Arztbriefe und Dekurse als akzidentale Dokumente bezeichnet werden, da diese Dokumente primär
der Dokumentation sowie der Weitergabe von Informationen dienen und nicht vordergründig in
Bezug auf wissenschaftliche Ziele angefertigt werden.
Im Hinblick auf unterschiedliche Dokumente muss immer wieder geprüft werden, inwieweit diese
durch unterschiedliche Faktoren eventuell verfälscht sein könnten. In dieser Hinsicht ist im
Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung festzuhalten, dass es sich hier meist um
Dokumente handelt, die auf der Basis einer ausführlichen Eigen- bzw. Fremdanamnese angefertigt
125
Empirisch Pädagogische Sozialforschung
werden. Selbstverständlich muss man sich hier ins Bewusstsein rufen, dass diese Informationen
vom Informator abhängen. Um diese Verfälschung so gering wie möglich zu halten, wurden an
dieser Stelle ausschließlich objektiv überprüfbare Aspekte und Fakten mit einbezogen.
Bei der Analyse der Dokumente kann man nach Duverger (zit. nach Atteslander, 1971: 67) zwei
Ebenen unterscheiden: die interne und die externe Ebene. Die interne Ebene, die auch im Rahmen
dieser Arbeit zum Tragen kommt, „befasst sich ausschließlich mit dem Dokument: mit dessen
Verstehen, mit der Kontrolle der überprüfbaren Daten und mit seiner Interpretation, wobei der
impressionistische Spielraum je nach Forscher größer oder kleiner sein kann“ (ebd.).
Bei der externen Analyse hingegen geht es um die Erfassung des weiteren Zusammenhanges in den
das Dokument eingebettet ist. Hier geht es zum Beispiel um Fragen rund um den Autor oder die
Zeit bzw. gesellschaftlichen Strukturen, in denen das Dokument entstanden ist (vgl. ebd.).
Von besonderer Bedeutung im Zusammenhang mit der Dokumentenanalyse zur Erfassung
quantitativer Daten, wie sie in der vorliegenden Arbeit durchgeführt wurde, ist einerseits die
Objektivität. Das heißt, die Kategorien, die zur Erfassung der Daten dienen, müssen genau
umschrieben sein, sodass verschiedene Forscher, die den gleichen Inhalt analysieren, auch zu dem
gleichen Ergebnis kommen. Ein weiterer Punkt ist ein systematisches Vorgehen was sich darauf
bezieht, dass der gesamte Inhalt eines Dokumentes analysiert werden muss und vom Forscher keine
willkürliche
Auswahl
getroffen
werden
darf.
Ebenfalls
bedeutungsvoll
erscheint
die
Qunatifizierung, die die quantitative Erfassung des Inhaltes bezeichnet. Auch werden in dieser
Untersuchung vordergründig offenbare oder manifeste Inhalte miteinbezogen. An dieser Stelle ist
zu erwähnen, dass diese Art der Dokumentanenalyse fallweise auch als systematische
Inhaltsanalyse bezeichnet wird (vgl. Atteslander, 1971: 69).
Vorausgreifend sollen noch einige Aspekte beschrieben werden, die sich rückblickend auf diese
Methode als besonders wichtig herausgestellt haben.
Besonders bei der Methode der Dokumentenanalyse ist es wichtig, die Zielsetzung der
Untersuchung genau zu definieren und zu beschreiben, um eine geeignete Auswahl von zu
erhebenden Kategorien treffen zu können. Ebenfalls sollten Hypothesen und Fragestellungen schon
soweit formuliert werden, dass die entsprechenden Kategorien erhoben werden können. Von Vorteil
ist auch, die Kategorien und die Unterkategorien immer im Hinblick auf die Auswertung
auszuwählen. Der Forscher sollte also bei dieser Methode schon die Auswertung mit
berücksichtigen, damit Kategorien erhoben werden, die dann auch statistisch brauchbar sind. Sonst
kann es zum Beispiel passieren, dass sehr wichtige Informationen nicht erhoben werden, und somit
126
Empirisch Pädagogische Sozialforschung
die Qualität der Untersuchung gemindert wird, oder dass zu viele Informationen erhoben werden,
was in diesem Zusammenhang noch das kleinere Übel darstellt, da diese Informationen
weggelassen werden können. Trotzdem muss man hier auch den Zeitaufwand sehen, der durch das
zuviel an erhobener Information, die dann nicht verwertet werden kann, entsteht.
Peter Atteslander (1971: 72) wirft in diesem Zusammenhang einen weiteren Aspekt auf. Er schreibt
dazu: „Dem Forscher stellt sich dabei ein oft recht heikles Problem: einerseits müssen die
Kategorien vor Beginn der eigentlichen Analyse aufgestellt werden; andrerseits läuft man dadurch
Gefahr, künstliche Kategorien zu erhalten, von denen sich im Laufe der Untersuchung herausstellt,
dass wesentliche Aspekte des Inhalts mit ihnen nicht erfasst werden können.“
Eine wichtige Lösung dieses Dilemmas besteht darin, dass zwar die Hauptkategorien starr
festgelegt werden, die Unterkategorien jedoch relativ flexibel gehalten werden. Dies ermöglicht es
dem Forscher eventuell neue Aspekte, die sich während der Datenerhebung ergeben, trotzdem noch
miteinfließen zu lassen.
Zusammenfassend können 3 wesentliche Punkte beschrieben werden, die auch aufgrund der
Erfahrung durch die vorliegende Untersuchung als unvermeidbar angesehen werden.
•
Wie bei vielen anderen Methoden ist der Ausgangspunkt der Forschung die Formulierung
der Zielsetzung, bzw. Hypothesen und Fragestellungen. Hier muss sich der Forscher jedoch
auch der Grenzen der Dokumentenanalyse bewusst sein. Man muss sich hier auf die
vorliegenden Informationen beschränken und diese Grenzen auch in die Formulierung der
Fragestellungen miteinbeziehen, damit keine Hypothesen und Fragestellungen formuliert
werden, die aufgrund der enthaltenen Information nicht beantwortet werden können.
•
Um Fragestellungen zu beantworten und Hypothesen zu überprüfen, müssen diese in
Kategorien „übersetzt“ werden. Hier müssen vor der Analyse Hauptkategorien aufgsetellt
werden, die relativ starr sind. In einem weiteren Schritt werden Unterkatgorien gesucht,
wobei hier zu empfehlen ist, diese so flexibel wie möglich zu halten, um eventuelle durch
die Analyse der Daten aufkommende neue Aspekte miteinfließen lassen zu können, und im
Laufe der Arbeit Änderungen im Kategoriengebäude vornehmen zu können. Dieser Schritt
muss besonders gut überlegt sein, da die Kategorien den Grundstein für die Auswertung der
Daten und somit auch der wissenscahftlichen Aussagen bilden.
•
In einem dritten Schritt muss überprüft werden, ob die Kategorien auch wirklich nach
wissenschaftlichen Gesichtspunkten einwandfrei sind. Das heißt, es muss besonders darauf
geachtet werden, ob durch die verwendeten Kategorien gleiche Dinge immer gleich
gemessen werden (Gültigkeit), und ob diese Kategorien unabhängig von der Person des
Forschers sind (Verlässlichkeit).
(vgl. Atteslander, 1971: 73ff.)
127
Empirisch Pädagogische Sozialforschung
Um den dritten Punkt zu gewährleisten wurde in der vorliegenden Untersuchung auf objektiv
nachvollziehbare Daten zurück gegriffen, die im Kapitel 10.4.2 Der Erhebungsbogen näher
dargesetllt werden.
9.2 Qualitativ- empirische Sozialforschung
Die qualitativ- empirische Sozialforschung beinhaltet viele unterschiedliche Ansätze mit ihren
unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Begründungen. Jedoch kann man weniger von einer
einheitlichen Konzeption sprechen, als vielmehr davon, dass sich diese Ansätze von der quantitativstatistischen Vorgehensweise unterscheiden und davon abheben (vgl. Garz/ Kraimer, 1991: 1).
Lamnek (2005: 3) beschreibt die qualitative Sozialforschung wie folgt: „Qualitative Methoden
werden auf die Messung von Qualitäten, d.h. nonmetrischen Eigenschaften von Personen,
Produkten und Diensten reduziert und als ‚qualitative Forschung werden jene Methoden
charakterisiert, bei denen wenig Auskunftspersonen, keine Stichprobenverfahren und keine
statistischen Analysen eingesetzt werden (Vogel/ Verhallen, 1983: 146).’“
Als Ausgangspunkt qualitativer Sozialforschung sind verschiedene Formen der hermeneutischen
bzw. textinterpretativen Ansätze zu sehen.
In dieser Arbeit soll ebenfalls eine qualitative Erhebung miteinbezogen werden, die in Form eines
strukturierten, problemzentrierten Interviews mit anschließender Inhaltsanalyse durchgeführt wird.
9.2.1 Arten qualitativer Sozialforschung
Es gibt unterschiedliche Arten der qualitativen Sozialforschung. Die weit verbreitete und am
häufigsten verwendete Methode ist das qualitative Interview, das sich mittlerweile in der
empirischen Sozialforschung als Forschungsmethode sehr etabliert hat. Eine Art des qualitativen
Interviews, das problemzentrierte Interview, soll im Rahmen dieser Arbeit angewandt werden, da
bereits theoretische Ideen bestehen, die durch das Interview eventuell ergänzt oder bestätigt werden
sollen. Weiters ermöglicht diese Art des Interviews leitfadengestützt vorzugehen, was eine
Vergleichbarkeit und Strukturierung ermöglicht.
Andere Arten der qualitativen Sozialforschung wären die Einzelfallstudie, Gruppendiskussionen,
Inhaltsanalyse sowie die teilnehmende Beobachtung, das qualitative Experiment oder biographische
Methoden (vgl. Lamnek, 2005).
128
Empirisch Pädagogische Sozialforschung
9.2.2 Das problemzentrierte Interview
Im Unterschied zum narrativen Interview, bei dem der Forschende ohne theoretisch ausgearbeiteten
Entwurf in die Datenerhebung geht, steht im problemzentrierten Interview die Konzeptgenerierung
trotzdem noch im Vordergrund, jedoch wird ein bestehendes wissenschaftliches Konzept durch die
Äußerungen des Befragten gegebenenfalls modifiziert und ergänzt. Man kann hier also nicht von
einer rein induktiven Vorgehensweise sprechen, sondern eher von einer Kombination aus
Deduktion und Induktion (vgl. Lamnek, 2005: 364).
Dieses Konzept wird dem Aspekt gerecht, dass der Forscher immer, wenn auch oft nur implizit, mit
theoretischen Ideen in die Datenerhebung geht.
Der Forscher teilt jedoch seine Annahmen nicht mit, da diese nicht suggestiv wirken sollen. Die
theoretischen Konzepte des Forschers werden ständig modifiziert. Für diese Art des Interviews
kann ein Leitfaden erstellt werden, um alle relevanten Themenbereiche abzudecken und fehlende
nachfragen zu können (vgl. Lamnek, 2005: 368).
Ein Leitfaden erleichtert einerseits die Vergleichbarkeit der einzelnen Interviews, entlastet
andererseits aber auch den Interviewer. Auch wenn ein Leitfaden vorhanden ist heißt das nicht, dass
strikt nach dieser Reihenfolge vorgegangen werden muss. Der Leitfaden soll lediglich als Gerüst
dienen (Friebertshäuser, 1997: 376).
Im Zusammenhang mit dem problemzentrierten Interview sind einige Grundprinzipien wichtig, von
denen einige hier beschrieben werden sollen. Ein wichtiges Prinzip z.B. besteht in der
Zurückhaltung durch den Forscher. Es wird zwar versucht, ein Alltagsgespräch zu realisieren,
dennoch soll der Befragte zu Wort kommen und er derjenige sein, der das Gespräch quantitativ und
qualitativ bestimmt. Prinzipiell muss der Interviewende auch für neue Informationen und Aspekte
offen sein. Das heißt, es gilt das Prinzip der Offenheit. Auch muss der Forscher flexibel auf die
Befragten reagieren und eingehen und darf das Interview nicht prädeterminieren (vgl. Lamnek,
1989: 64).
Die Datenerfassung kann im Wesentlichen mit Hilfe von 4 Techniken erfolgen, die im
problemzentrierten Interview dieser Arbeit alle Anwendung finden sollen. Einerseits sollen mit
Hilfe eines Kurzfragebogens
Daten erfasst werden, die für die weitere Interpretation einen
zusätzlichen sozialen Hintergrund enthalten sollen. Der schon erwähnte Leitfaden ist vor allem als
Gedächtnisstütze und Orientierungshilfe zu sehen. Als weiteres Hilfsmittel und Datenträger wird
beim Interview ein Tonband benutzt, um das gesamte Interview aufzuzeichnen und später zu
transkribieren. Zusätzlich sollte der Interviewer ein Postskript anfertigen, das Angaben über den
Inhalt der Gespräche, die vor und nach dem Einschalten des Tonbandgerätes geführt worden sind
129
Empirisch Pädagogische Sozialforschung
und eventuelle Rahmenbedingungen sowie Auffälligkeiten in der Körpersprache des Befragten,
enthalten.
Das durch die Interviews erworbene Datenmaterial wird mit Hilfe des Computerprogramms
MAXQDA qualitativ analysiert und einer Inhaltsanalyse unterzogen werden.
9.2.3 Die Inhaltsanalyse
Die Inhaltsanalyse ist eine Systematisierung von alltäglichen Vorgehensweisen. Jeder Autofahrer
z.B. analysiert den Inhalt von Verkehrsschildern. Diese alltägliche „Inhaltsanalyse“ geschieht
allerdings eher intuitiv, nicht nach fest vorgegebenen, intersubjektiv nachvollziehbaren, Regeln der
Informationsverarbeitung (Kromrey, 1998: 298).
Die Inhaltsanalyse ist nach einer sehr weit gefassten, aber gängigen Definition eine
„Forschungstechnik, mit der man aus jeder Art von Bedeutungsträgern durch systematische und
objektive Identifizierung ihrer Elemente Schlüsse ziehen kann, die über das einzelne analysierte
Dokument hinaus verallgemeinerbar sein sollen“ (ebd.: 298).
Im Allgemeinen handelt es sich bei der Inhaltsanalyse um die Analyse sprachlicher Mitteilungen,
meist schriftlicher Texte, obwohl das Instrument der Inhaltsanalyse nicht auf sprachliche
Mitteilungen beschränkt ist. Sie kann z.B. auch Gemälde etc. zum Gegenstand haben. Diese
Definition der Inhaltsanalyse beinhaltet auch, dass herausgelesene Informationen genutzt werden,
um „Aussagen über die soziale Realität außerhalb der Texte (Dokumente) zu gewinnen“ (ebd.:
299). Die Texte sind nicht wie z.B. in der Literaturwissenschaft selbst Gegenstand des Interesses,
sondern sie dienen als Informationsträger. Die Aussagen sind Indikatoren für bestimmte
Sachverhalte, die z.B. beschriebene oder dargestellte Ereignisse oder Situationen etc. sein können.
Die Sachverhalte, die für den Forschungsprozess interessant sind, können entweder manifest im
Text dokumentiert sein, als Aussage über ein bestimmtes Thema, oder sie sind indirekt aus dem
Text zu erschließen.
Beispiele für den Einsatz von Inhaltsanalyse sind: die Auswertung von Gruppendiskussionen, oder
von Leitfaden-Gesprächen, in denen der gesamte Gesprächsverlauf auf Tonträger (Tonband,
Kassettenrekorder) aufgezeichnet wurde, Auswertung von schriftlichen Gesprächsprotokollen,
Auswertung von Zeitungsartikeln usw. (vgl. ebd.: 299f.).
130
Empirisch Pädagogische Sozialforschung
Abzugrenzen ist die Methode der Inhaltsanalyse von Textinterpretationen für die die Regeln der
Hermeneutik gelten. Auch die Hermeneutik hat die Auswertung, besonders von Texten, zum Ziel.
Ein großer Unterschied zur empirischen Inhaltsanalyse ist allerdings, dass es ihr nicht um die
„systematische Identifizierung von Aussage-Elementen und deren Zuordnung zu vorher festgelegten
Kategorien“(ebd.: 300) geht. Die Zuordnung von Aussageinhalten zu vorher festgelegten
Kategorien soll bei der Inhaltsanalyse unabhängig von der Person sein, die die Zuordnung
vornimmt und somit in diesem Sinne „objektiv“ sein. Dafür müssen die Zuordnungskriterien
einheitlich und konsistent angewendet werden.
Mayring (2008: 12f.) fasst die Spezifika der Inhaltsanalyse und ihre Unterscheidung von anderen
Methoden in sechs Punkten zusammen:
1.) Der Gegenstand der Inhaltsanalyse ist Kommunikation, dabei ist nicht notgedrungen alleine
die Sprache gemeint, sondern auch Bilder, Musik, Symbole etc.
2.) Der Gegenstand der Inhaltsanalyse- die Kommunikation- liegt in irgendeiner Form
protokolliert vor.
3.) Inhaltsanalyse soll systematisch erfolgen. Dabei unterscheidet sie sich wesentlich von
hermeneutischen Verfahren.
4.) Die
Inhaltsanalyse
Nachvollziehbarkeit
soll
nach
gewährleistet.
expliziten
Erst
Regeln
durch
die
erfolgen.
Dadurch
Regelgeleitetheit
wird
die
genügt
die
Inhaltsanalyse den „sozialwissenschaftlichen Methodenstandards“.
5.) Die Inhaltsanalyse untersucht das Material anhand von theoretisch ausgewiesenen
Fragestellungen. Die Ergebnisse werden vom jeweiligen Theoriehintergrund aus
interpretiert.
6.) Inhaltsanalyse hat zum Ziel, Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation bzw.
Aussagen über den Sender (z.B. dessen Absichten und Einstellungen) ableiten.
Die Inhaltsanalyse ist ein deskriptives Verfahren, deren Ziel es ist, Aussageformen und
Argumentationsmuster zu kristallisieren. Es wird in der Analyse nicht quantitativ gewichtet, d.h. es
wird nicht ausgewertet, wie viele Personen was gesagt haben, sondern was wie gesagt worden ist.
Die Beschreibung des Inhalts steht also im Vordergrund. Die quantitative Auswertung kann
allerdings eine Ergänzung zur qualitativ orientierten Auswertung darstellen (vgl. Herwartz- Emden,
1991: 260f.).
An dieser Stelle soll auch die Inhaltsanalyse mit Hilfe des Computerprogramms MAXQDA
durchgeführt werden.
131
Forschungsdesign
10 Forschungsdesign
In dieser Arbeit sollen wie bereits erwähnt eine quantitative sowie eine qualitative Untersuchung
erfolgen. Zu diesem Zweck wird eine Dokumentenanalyse zur Erhebung quantitativer und eine
Reihen von ExpertInneninterviews zur Ergänzung qualitativer Daten durchgeführt werden. In
diesem Kapitel sollen die Problemstellungen und Ziele der Untersuchungen, sowie die
Forschungsmethoden und –instrumente dargestellt und beschrieben werden.
10.1 Problemstellung
Es gibt eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen, deren Probleme zu einer wechselseitigen
Zuständigkeit von Jugendwohlfahrt und KJP führen. Diese Grenzfälle sollen Gegenstand dieser
Untersuchung sein.
Aus den 1990er Jahren existieren unterschiedliche Studien und Untersuchungen, die sich mit der
Kooperation der Jugendwohlfahrt und der Jugendpsychiatrie in Deutschland beschäftigen. Aus
diesen Untersuchungen hat sich ergeben, dass jeder siebte bis achte junge Mensch sowohl das
System der Klinik als auch das der Jugendwohlfahrt kennt. Diese Zahlen sind für Deutschland
bekannt. Für Österreich gibt es allerdings nahezu keine Untersuchungen. Daher sollen in dieser
Arbeit Zahlen für die Steiermark erhoben werden. Damit soll vor allem deutlich werden, wie viele
der Kinder und Jugendlichen, die auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station behandelt oder
abgeklärt werden, auch Kontakt zu stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt haben oder
hatten. Diese Zahlen werden im Rahmen einer Dokumentenanalyse erhoben, die im
Computersystem MEDOCS® erfolgt.
Zusätzlich wird eine Untersuchung bezüglich der Erwartungen an die KJP sowie hinsichtlich
diesbezüglicher Erfahrungen von Seiten der stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
gemacht, um eventuelle Probleme festzustellen und Vorschläge zu entwickeln, auf welche Weise
die Kooperation verbessert werden könnte. In diesem Zusammenhang wird vor allem die
Sichtweise der Professionellen aus dem System der Jugendwohlfahrt in den Blick genommen. Dazu
werden ExpertInnen aus stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen der Steiermark mit Hilfe eines
problemzentrierten Interviews befragt.
Aus dieser Problemstellung ergeben sich unterschiedliche Hypothesen und in weiterer Folge
Fragestellungen und Ziele für die vorliegende Untersuchung. Diese sollen in den folgenden
Kapiteln näher beschrieben werden.
132
Forschungsdesign
10.2 Hypothesen
1. Ein wesentlicher Teil der Kinder und Jugendlichen, die auf der kinder- und
jugendpsychiatrischen Abteilung der LSF Graz behandelt werden, sind auch in stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt fremd untergebracht.
2. Die Kinder und Jugendlichen, für die eine neue Form der Unterbringung während des
Aufenthaltes gesucht werden muss, sind im Durchschnitt länger in stationärer psychiatrischer
Behandlung. Dies ergibt sich aufgrund der Dauer der Suche und des Aufnahmeverfahrens.
Erschwert
und
verlängert
wird
die
Suche
durch
den
Mangel
an
Fremdunterbringungsmöglichkeiten in der Steiermark.
3. Die Kinder und Jugendlichen, die in Einrichtungen der stationären Jugendwohlfahrt fremd
untergebracht sind, brauchen im Durchschnitt mehr psychiatrische Interventionen, als die
kinder- und jugendpsychiatrischen PatientInnen, bei denen kein Kontakt zu stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen bekannt ist.
4. Kinder und Jugendliche aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt werden eher
aufgrund von Gewalttätigkeiten zur Aufnahme gebracht als Kinder und Jugendliche, die nicht
in stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt untergebracht sind. Für Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt, ist die KJP in diesem Zusammenhang niederschwelliger und wird schneller
konsultiert als Familien dies bei den gleichen Problemstellungen tun.
5. Es hängt immer von der Einstellung der Professionellen und der Institutionen der
Jugendwohlfahrt ab, wie lange Kinder- und Jugendliche gehalten werden bzw. wann der Punkt
erreicht ist, dass eine Institution wie die KJP konsultiert wird.
6. Kinder und Jugendliche aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt unterscheiden sich
in Bezug auf psychiatrische Diagnosen dahingehend von anderen, dass sie eher an expansiven
Verhaltensstörungen leiden.
7. Besonders schwierige Kinder und Jugendliche verursachen in beiden Helfersystemen
Hilflosigkeit bzw. bringen die Institutionen an ihre Grenzen. Dies führt zu wiederholenden
Überweisungen zwischen den Einrichtungen (Pinball Effekt).
133
Forschungsdesign
8. Für stationäre Fremdunterbringungsmöglichkeiten der Jugendwohlfahrt hat die Hilfestellung
durch die KJP eine entlastende Wirkung.
9. Durch die Schaffung von möglichst gemeindenahen ambulanten Diensten wird die KJP
entlastet.
10. Durch einen besseren Austausch zwischen Sozialpädagogen der KJP und den Betreuern in
stationären Fremdunterbringungsmöglichkeiten der Jugendwohlfahrt kann die Kooperation
erleichtert werden.
11. Wenn stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt die Möglichkeit haben, Kinder und
Jugendliche kurzfristig in geschlossene Einheiten zu übernehmen, entfällt die Notwendigkeit
einer Überstellung in die KJP.
12. BetreuerInnen aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt wurden während ihrer
Ausbildung nicht oder nur wenig auf den Umgang mit besonders schwierigen Kindern und
Jugendlichen vorbereitet. Im Umgang mit diesen Fällen scheint die eigene Einstellung und
Haltung von besonderer Bedeutung, was auch die Selbsterfahrung bzw. –reflexion in der
Ausbildung notwendig macht.
13. Es besteht in der Steiermark ein Bedarf an mehr und an differenzierteren Angeboten der
stationären Fremdunterbringung. Besonders fehlen Einrichtungen, die von Professionellen
sowohl aus dem Bereich der KJP wie auch aus dem Bereich der Jugendwohlfahrt betreut
werden. Hier besteht die Notwendigkeit der Kooperation auf politischer Ebene zwischen dem
Gesundheitssystem und dem System der Jugendwohlfahrt.
10.3 Fragestellungen bzw. Ziele der Untersuchung
Die Fragestellungen, die sich für die quantitative Datenerhebung, die Dokumentenanalyse ergeben
beziehen sich vor allem auf Unterschiede zwischen den Kindern und Jugendlichen, die Kontakt zu
stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt haben oder hatten, und denen, bei denen kein
Kontakt zu stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen bekannt ist. Folgende Fragestellungen
zeigen sich hier von besonderer Relevanz:
1. Gibt es einen Unterschied in Bezug auf das Alter zwischen den Kindern und
Jugendlichen, die Kontakt zu stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt haben, und
denen bei denen kein Kontakt bekannt ist?
134
Forschungsdesign
2. Gibt es einen Unterschied in Bezug auf das Geschlecht?
3. Gibt es einen Unterschied im Hinblick auf die Zahl der notwendigen psychiatrischen
Interventionen?
4. Gibt es einen Unterschied im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer zwischen den Kindern
und Jugendlichen, die aus Einrichtungen der Jugendwohlfahrt kommen und denen, die
vor dem Aufenthalt nicht fremd untergebracht waren?
5. Unterscheiden sich die Kinder und Jugendlichen in Bezug auf die Aufenthaltsdauer für
die während der psychiatrischen Intervention eine neue Unterbringung gesucht werden
muss, von denen, die in die gleiche Wohnform zurückkehren können?
6. Gibt es einen Unterschied in den Aufnahme- bzw. Entlassungsdiagnosen?
7. Unterscheiden sich die Aufnahmegründe in den beiden Gruppen?
8. Gibt es einen Unterschied im Hinblick auf die Häufigkeit der Aufnahme im geschützten
Bereich?
9. Gibt es einen Unterschied in der Interventionsform (ambulant, tagklinisch, stationär)?
Da für die Steiermark bzw. für Österreich sehr wenige empirische Daten vorhanden sind, ist es von
besonderem Interesse, die Gruppe jener Kinder und Jugendlichen, die auf der kinder- und
jugendpsychiatrischen Station behandelt werden, generell im Hinblick auf unterschiedliche
Parameter zu beschreiben. Daher besteht ein weiteres Ziel darin, diese deskriptiven Daten
darzustellen. Von besonderer Relevanz im Zusammenhang mit dieser Arbeit erscheint heraus zu
finden, wie viele Kinder und Jugendliche de facto von beiden Systemen betreut werden.
Im qualitativen Teil der Untersuchung sollen vor allem die Sichtweisen der Professionellen aus
stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen heraus gearbeitet werden.
Folgende Fragestellungen sind für die problemzentrierte Befragung von besonderer Bedeutung:
1. Wo liegen die Unterschiede zwischen den Einrichtungen der JW, mit denen es eine
häufige Kooperation zur KJP gibt und denen, mit denen nur wenig bis gar keine
Kooperation vorhanden ist?
2. Wie wird die Zusammenarbeit zwischen der KJP und stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt von Seiten der Einrichtungen der JW erlebt?
3. Wie sind die bisherigen Erfahrungen?
4. Wann bzw. bei welchen Kindern und Jugendlichen ergibt sich der Bedarf der
Zusammenarbeit?
5. Was erwarten sich Einrichtungen der JW von der KJP?
6. Welche Kriterien müssen Kinder und Jugendliche erfüllen, damit sie in Einrichtungen
der JW aufgenommen werden?
135
Forschungsdesign
7. Welche Rolle spielt eine psychiatrische Diagnose bzw. ein oder mehrere Aufenthalte in
der KJP bei der Aufnahme?
8. Welche
Kriterien
führen
zu
einem
Ausschluss
aus
stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen?
9. Wie wird mit Kindern und Jugendlichen umgegangen, die die Grenzen der Einrichtung
sprengen?
10. Wie wird der Bedarf an JW- Einrichtungen in der Steiermark eingeschätzt?
11. Wie stellen sich Mitarbeiter in Einrichtungen der JW eine optimale Zusammenarbeit
zwischen ihrer Einrichtung und der KJP vor?
12. Welchen Einfluss hat die Möglichkeit der geschlossenen Unterbringung im Rahmen der
KJP auf Einweisungen in die KJP?
13. Wie wird der Bedarf an geschlossenen Unterbringungsmöglichkeiten im Rahmen der
Jugendwohlfahrt eingeschätzt?
14. Fühlen sich MitarbeiterInnen der Einrichtungen im Umgang mit „besonders
schwierigen“ Kindern und Jugendlichen ausreichend geschult?
15. Welche Konsequenzen ziehen Fachkräfte aus jugendpsychiatrischen Diagnosen für ihre
weitere Arbeit?
Ein wesentliches Ziel der Interviews besteht darin heraus zu arbeiten, was die Fachkräfte in den
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, diese dazu veranlassen, kinder- und jugendpsychiatrische
Kompetenzen in Anspruch zu nehmen.
10.4 Wahl der Forschungsmethode
Um die bereits erwähnten Fragestellungen beantworten zu können, wurde wie in den
vorangegangenen Kapiteln beschrieben, die Dokumentenanalyse und das problemzentrierte
Interview zur Datenerhebung ausgewählt. Die Dokumentenanalyse erscheint vor allem im Hinblick
auf die Generierung quantitativer Daten als geeignetes Instrument, da hier alle Personen, die
innerhalb eines gewissen Zeitraumes auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station der LSF
Graz behandelt wurden, miteinbezogen werden können.
Zusätzlich werden qualitative Daten durch problemzentrierte Interviews gewonnen. Dies scheint
vor allem deshalb die geeignete Methode, da hier Hypothesen überprüft bzw. ergänzt werden sollen,
auf jeden Fall aber schon mit einem gewissen theoretischen Vorverständnis in das Feld gegangen
wird. Außerdem erscheint es hier als besonders geeignet, einen Leitfaden für das Interview
verwenden zu können.
136
Forschungsdesign
10.4.1
Der Interviewleitfaden
Der Interviewleitfaden wurde mit genau formulierten Fragestellungen erstellt. Diese sollen bei der
Befragung als Gerüst dienen. Der Vorteil von Fragenvorgaben liegt darin, dass die Interviews in
einer gewissen Weise „standardisiert“ sind und die Vergleichbarkeit der einzelnen Interviews
erleichtert wird. Trotzdem kann der Situation entsprechend individuell reagiert werden, was einen
wesentlichen Vorteil qualitativer Forschung bietet. Themenkomplexe, die im Zusammenhang mit
der Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und der KJP durch die
Interviews abgedeckt werden sollten, ergeben sich aufgrund der bereits in Kapitel 10.3
beschriebenen Fragestellungen:
-
Informationen zur Institution und zum Team: Hier ist es besonders wichtig bestimmte
Eckdaten zu erheben um eventuelle Unterschiede zwischen den Einrichtungen der JW, die
viel Kontakt zur Kinder und Jugendpsychiatrie hatten und denen, bei denen dies nicht der
Fall war, erheben zu können.
-
Aufnahmeverfahren: In Bezug auf das Aufnahmeverfahren zeigt sich von Interesse, was
Aufnahme bzw. Ausschlusskriterien sind, wer über die Aufnahme entscheidet, und wie
lange dieses Verfahren dauert.
-
Problemfälle/ Hilfestellungen: Wichtig in diesem Zusammenhang scheint, welche Kinder
und Jugendliche von den Fachkräften als besonders schwierig eingeschätzt werden, wie mit
schwierigen Situationen umgegangen wird, und welche Hilfestellungen es von außen für die
Professionellen bzw. die gesamte Institution gibt.
-
Zusammenarbeit: Es zeigt sich von Interesse wie die bisherige Zusammenarbeit erlebt
wurde.
-
Erwartungen: Damit Kooperation funktionieren kann ist es von besonderer Bedeutung,
Erwartungen abzuklären. Diesbezüglich soll erfragt werden, welche Erwatungen stationäre
Jugendwohlfahrtseinrichtungen an die KJP haben und welche Vorstellungen dahingehend
bestehen, wie die umgekehrten Erwartungen aussehen.
-
Geschlossene Unterbringung: Hier soll einerseits die persönliche Einstellung der
Professionellen zur geschlossenen Unterbringung in Jugendwohlfahrtseinrichtungen
ermittelt und geklärt werden, ob die geschlossene Unterbringung in der KJP eventuell eine
Rolle bei der Überweisung von stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen in die KJP spielt.
-
Ausbildung: Besonders im Umgang mit schwierigen Situationen ist von Interesse,
inwieweit Professionelle in ihrer Ausbildung darauf vorbereitet wurden, bzw. inwieweit sie
bereits in der Ausbildung mit psychiatrischen Krankheitsbildern konfrontiert wurden.
137
Forschungsdesign
-
Ebene der Gesamtversorgung: Auch die Einschätzung der Fachkräfte im Hinblick auf die
Gesamtversorgung der Jugendwohlfahrt in der Steiermark soll in den Interviews erhoben
werden.
-
Abschließende, zusammenfassende Fragen
Der Interviewleitfaden wurde während der ersten Interviews immer wieder überarbeitet und neu
generiert. Vor allem die abschließenden Fragen beinhalteten oftmals eine Wiederholung. Da jedoch
manchmal gerade hier auch neue Aspekte angesprochen wurden, wurde meist auch auf diese Fragen
nicht verzichtet.
Der gesamte Interviewleitfaden ist dem Anhang zu entnehmen.
10.4.2
Im
Der Erhebungsbogen
Rahmen
einer
Dokumentenanalyse
im
Dokumentationssystem
MEDOCS®
der
Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft, über das alle Krankengeschichten und Daten bzw.
Dokumente zu einem Patienten zugänglich sind, soll vor allem festgestellt werden, in wie vielen
Fällen eine Zusammenarbeit zwischen der KJP und stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
notwendig wurde. Außerdem soll diese Gruppe hinsichtlich einiger Aspekte beschrieben werden.
Dazu wurden folgende Kategorien ausgearbeitet und erhoben.
•
Wohnform vor der psychiatrischen Intervention
•
Wohnform nach der psychiatrischen Intervention
•
Zahl der Aufenthalte bisher
•
Aufnahme im geschützten Bereich ja/nein
•
Art der Intervention: ambulant, tagklinisch, stationär
•
Dauer der Interventionen
•
Erstaufnahme (Datum)
•
Einweisungsdiagnose
•
Entlassungsdiagnose
•
Aufnahmegrund
•
Geschlecht
•
Geburtsjahr
Die Kategorien, die sich verändern wie z.B. die Wohnform vor und nach der Intervention oder etwa
die Dauer oder Art der Intervention wurden auch für alle Interventionen erhoben, die bereits zuvor
stattgefunden haben.
Durch die gewonnenen Daten konnten Kategorien wie etwa der Kontakt zu stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt oder aber der Wechsel der Wohnform ebenfalls quantitativ
erfasst werden.
138
Stichprobenbeschreibung
11 Stichprobenbeschreibung
In diesem Kapitel soll beschrieben werden, wie die Stichprobe für die Dokumentenanalyse, bzw. für
die Interviews gewonnen wurde.
11.1 Dokumentenanalyse
In der Dokumentenanalyse wurden die Dekurse und Arztbriefe von 380 PatientInnen im Hinblick
auf die im Kapitel 10.4.2 Der Erhebungsbogen beschriebenen Kategorien untersucht. Dies waren
jene Jugendlichen, die im Zeitraum von 01.01.2006 bis 31.12.2006, also innerhalb eines Jahres, auf
der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung der Landesnervenklinik Sigmund Freud entweder
ambulant, tagklinisch oder stationär aufgenommen wurden.
Von diesen Kindern und Jugendlichen wurden tagklinische, ambulante oder stationäre
Voraufenthalte erhoben. Diese tagklinischen, ambulanten oder stationären Aufnahmen werden in
der Folge als Interventionen bezeichnet.
An dieser Stelle ist zu erklären, dass es sich bei der Zahl 380 wirklich um Personen handelt, im
Unterschied zu internen Statistiken, in denen meist Fälle verzeichnet sind. Hier kann es zum
Beispiel sein, dass ein Kind oder Jugendlicher über das Wochenende beurlaubt wird und nach der
Beurlaubung aus verwaltungstechnischen Gründen wieder ein neuer Fall angelegt werden muss,
obwohl es sich um ein und dieselbe Person handelt. De facto handelt es sich hier um 1143 Fälle
bzw. Datensätze, die 380 Personen betreffen.
11.2 Problemzentriertes Interview
Im Rahmen des problemzentrierten Interviews wurden 14 Personen aus sieben verschiedenen JWEinrichtungen befragt. Die Auswahl der Einrichtungen erfolgte aufgrund der Dokumentenanalyse.
Es wurden drei Einrichtungen befragt, die am häufigsten Kontakt zur KJP hatten; drei
Einrichtungen wurden befragt, die im erhobenen Zeitraum sehr wenig Kontakt zur KJP hatten.
Zusätzlich wurde eine JW-Einrichtung ausgewählt, die im Jahr 2006 keinen Kontakt zur KJP hatte.
In diesen Einrichtungen wurden jeweils der oder die LeiterIn befragt sowie ein(e) weitere(r)
MitarbeiterIn, der/die jeweils von der Leitung bestimmt wurde.
139
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12 Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
In diesem Kapitel werden einerseits die Ergebnisse der Dokumentenanalyse sowie der Interviews
dargestellt und diskutiert werden. Zunächst sollen die Ergebnisse der Dokumentenanalyse im
Hinblick auf deskriptive Aspekte beleuchtet werden (Kap.12.1.1). Im Anschluss wird die Gruppe
der Kinder und Jugendlichen, die als gemeinsame Fälle von KJP und stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt gelten, genauer analysiert und im Hinblick auf die erhobenen Kategorien mit den
anderen Kindern und Jugendlichen verglichen, bzw. Zusammenhänge ermittelt (Kap. 12.1.2).
12.1 Ergebnisse der Dokumentenanalyse
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Dokumentenanalyse dargestellt. Sie wurden mit Hilfe
des Computerprogramms SPSS 13.0 gewonnen. Zu diesem Zweck wird zuerst die gesamte
Stichprobe (N=380) beschrieben. Anschließend soll jene Gruppe der Kinder und Jugendlichen
näher bestimmt werden, die vor oder nach einem Aufenthalt in stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt fremd untergebracht waren (n=111).
12.1.1
Deskriptive Auswertung
In diesem Abschnitt werden jene Zahlen dargestellt, die durch die Dokumentenanalyse gewonnen
wurden. Dies betrifft jene Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die im Jahr 2006 auf der kinderund jugendpsychiatrischen Station der LSF aufgenommen wurden (N=380). Im Fokus sind jene
Kinder und Jugendlichen, die zusätzlich das System der Jugendwohlfahrt in Anspruch nehmen
mussten (n=111).
Nachdem von den Kindern und Jugendlichen, die im Jahr 2006 aufgenommen wurden auch
vorherige Interventionen erhoben wurden, sind die Kapitel teilweise in Interventionen (1 bis 5)
unterteilt. Hier sollen die Zahlen vor allem bis zur fünften Intervention dargestellt werden, da die
Fallzahl derer, die mehr als fünf Aufenthalte benötigten nur mehr bei sechs liegt und eine
differenzierte Darstellung nicht aussagekräftig wäre. Zudem sollen drei dieser Fälle im Einzelnen
gesondert beschrieben werden.
12.1.1.1
Geschlecht
Von den 380 PatientInnen, die im Jahr 2006 auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station
aufgenommen wurden, war die Geschlechterverteilung nahezu gleich. Das heißt es wurden
annähernd gleich viele Burschen und Mädchen behandelt. Im Genauen bedeutet dies, dass 184
140
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
(=48,42%) der PatientInnen weiblich waren und 196 (=51,58%) männlich. Diese Verteilung ist der
untenstehenden Grafik 1:Geschlecht und Tabelle 2: Geschlecht noch einmal zu entnehmen.
Geschlecht
weiblich
männlich
48,42%
51,58%
Grafik 1:Geschlecht
Valid
Frequency
184
Percent
48,4
Valid Percent
48,4
Cumulative
Percent
48,4
männlich
196
51,6
51,6
100,0
Total
380
100,0
100,0
weiblich
N
Valid
Missing
380
0
Tabelle 2: Geschlecht
12.1.1.2
Alter
Das jüngste Kind, das im Jahr 2006 auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station der LSF
aufgenommen wurde, war 6 Jahre alt. Zwei PatientInnen waren über 21 Jahre alt. Diese kamen
jedoch ausschließlich aus Behinderteneinrichtungen zur tagklinischen Abklärung. Diese 2 Fälle
wurden von der Berechnung des Mittelwertes des Alters ausgenommen, da es sich hier nur um
Einzelfälle handelt, die den Mittelwert verfälschen könnten.
Das durchschnittliche Alter der im Jahr 2006 aufgenommenen PatientInnen (N= 378) lag demnach
bei ~15 Jahren (14,88) mit einer Standardabweichung von 2,467.
Knapp 5% (4,8%) der Kinder und Jugendlichen waren unter 10 Jahre alt. Zirka 2% (1,8%) waren
bei der Aufnahme über 18 Jahre alt, wobei wie bereits erwähnt 0,9% (alle Fälle über 21 Jahre) der
Fälle von der Berechnung des Alters ausgenommen wurden. Die genaue Verteilung des Alters ist
der Grafik 2: Alter und der Tabelle 3: Alter zu entnehmen.
141
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Alter
25
Prozent [%]
20
15
10
5
0
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
Alter
Grafik 2: Alter
Tabelle 3: Alter
Alter
Valid
Statistics
Frequency
1
Percent
,3
Valid
Percent
,3
Cumulative
Percent
,3
7,00
3
,8
,8
1,1
8,00
7
1,9
1,9
6,00
9,00
10,00
11,00
7
4
16
1,9
1,1
4,2
Missing
2,9
Median
15,0000
4,8
Std. Deviation
2,46747
5,8
Variance
6,088
10,1
Range
15,00
6,00
21,00
12,00
19
5,0
5,0
15,1
Minimum
13,00
29
7,7
7,7
22,8
Maximum
14,00
49
13,0
13,0
35,7
15,00
67
17,7
17,7
53,4
16,00
63
16,7
16,7
70,1
17,00
78
20,6
20,6
90,7
18,00
32
8,5
8,5
99,2
19,00
1
,3
,3
99,5
20,00
1
,3
,3
99,7
100,0
1
,3
,3
Total
378
100,0
100,0
378
2
14,8889
1,1
21,00
Valid
Mean
1,9
4,2
N
142
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Zusätzlich soll hier die Verteilung des Alters in Bezug auf das Geschlecht dargestellt, und berechnet
werden, ob diesbezüglich ein signifikanter Unterschied besteht. In den Tabellen lässt sich allerdings
erkennen, dass 60,5 % der Burschen jünger als 16 Jahre alt waren, während nur 45,9% der Mädchen
jünger als 16 Jahre alt waren. Dies lässt bereits einen Unterschied vermuten, der im Hinblick auf
seine Signifikanz geprüft wird.
Tabelle 4: Alter Mädchen
Alter- Mädchen
Valid
Statistics- Alter Mädchen
7,00
Frequency
1
Percent
,5
Valid
Percent
,5
8,00
2
1,1
1,1
10,00
2
1,1
1,1
12,00
6
3,3
13,00
14
14,00
Cumulative
Percent
,5
N
Valid
Missing
183
Mean
0
15,4809
1,6
Median
16,0000
2,7
Std. Deviation
1,98301
3,3
6,0
Variance
3,932
7,7
7,7
13,7
Range
13,00
21
11,5
11,5
25,1
Minimum
15,00
7,00
38
20,8
20,8
45,9
Maximum
16,00
20,00
34
18,6
18,6
64,5
17,00
44
24,0
24,0
88,5
18,00
20
10,9
10,9
99,5
20,00
1
,5
,5
100,0
Total
183
100,0
100,0
Alter- Mädchen
25
Prozent [%]
20
15
10
5
0
7
8
10
12
13
14
Alter
Grafik 3: Alter Mädchen
143
15
16
17
18
20
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Bei den Mädchen zeigt sich, dass diese mit einer Standardabweichung von 1,98 Jahren im
Durchschnitt 15,48 Jahre alt waren. Das jüngste Mädchen war 7 Jahre alt und das älteste war 20
Jahre alt.
Tabelle 5: Alter Burschen
Alter- Burschen
Valid
Statistics- Burschen
6,00
Frequency
1
Percent
,5
Valid
Percent
,5
7,00
2
1,0
1,0
8,00
5
2,6
9,00
7
10,00
Cumulative
Percent
,5
N
Valid
195
Missing
0
Mean
1,5
14,3333
Median
2,6
4,1
15,0000
Std. Deviation
3,6
3,6
7,7
2,73893
Variance
2
1,0
1,0
8,7
7,502
11,00
Range
16
8,2
8,2
16,9
15,00
12,00
Minimum
13
6,7
6,7
23,6
6,00
Maximum
13,00
21,00
15
7,7
7,7
31,3
14,00
28
14,4
14,4
45,6
15,00
29
14,9
14,9
60,5
16,00
29
14,9
14,9
75,4
17,00
34
17,4
17,4
92,8
18,00
12
6,2
6,2
99,0
19,00
1
,5
,5
99,5
21,00
1
,5
,5
100,0
Total
195
100,0
100,0
Bei den Burschen war der Jüngste 6 und der älteste 21 Jahre alt. Das Durchschnittsalter bei den
Burschen beträgt mit einer Standardabweichung von 2,739- 14,33 Jahre.
144
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Alter- Burschen
20
Prozent [%]
15
10
5
0
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
21
Alter
Grafik 4: Alter Burschen
Somit zeigt sich schon beim Vergleich der Mittelwerte, dass hier ein Unterschied von einem Jahr
vorliegt. An dieser Stelle soll geprüft werden, ob dieser Unterschied auch statistisch signifikant ist.
Nachdem das Alter nicht normal verteilt ist (Kolmogorov Smirnov z= 3,127; p= 0,000) wurde der
Mann- Whitney U Test angewandt, der mit z= -4,146 und p= 0,000 ein sehr signifikantes Ergebnis
zeigt. Das heißt, jene Burschen, die im Jahr 2006 auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station
der LSF aufgenommen wurden, waren sehr signifikant jünger als die aufgenommenen Mädchen.
Dies ist wahrscheinlich vor allem darauf zurück zu führen, dass mehr junge Burschen behandelt
wurden, als Mädchen. So waren z.B. nur 2,7% der Mädchen jünger als bzw. genau 10 Jahre alt,
während 8,7% der Burschen jünger bzw. 10 Jahre alt waren. 25,1% der Mädchen waren jünger als
15 Jahre alt während 45,6% der Burschen jünger als 15 Jahre alt waren. Somit kann festgestellt
werden, dass in etwa ein Viertel der Mädchen jünger als 15 Jahre alt waren, während fast die Hälfte
der Burschen jünger als 15 Jahre alt war.
145
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 6: Mann- Whitney U Test: Alter/ Geschlecht
Ranks
Geschlecht
Alter
Weiblich
N
Mean Rank
213,28
183
Männlich
195
Total
378
Test Statistics(a)
167,18
Sum of
Ranks
39030,00
Mann-Whitney U
Alter
13491,000
Wilcoxon W
32601,000
Z
32601,00
-4,146
Asymp. Sig. (2-tailed)
,000
a Grouping Variable: Geschlecht
12.1.1.3
Zahl der psychiatrischen Interventionen
Bei etwa einem Drittel der Kinder und Jugendlichen, die im Jahr 2006 aufgenommen wurden,
mussten eine zweite oder mehrere psychiatrische Interventionen erfolgen. Insgesamt wurden in die
Berechnung 379 Kinder und Jugendliche aufgenommen. Von einer Person liegen diesbezüglich
keine genauen Daten vor. Von diesen 379 Personen war bei etwa zwei Drittel, insgesamt 257
Personen (68,3%) bis zum 31.12.2006 nur eine psychiatrische Intervention von Nöten. Der größte
Teil derer, die mehrmals auf der Station vorstellig wurden, wurde 2-mal behandelt. Dies waren 18%
(68 Personen) der insgesamt behandelten PatientInnen. 35 Kinder und Jugendliche wurden drei Mal
vorstellig. Insgesamt 17 Kinder und Jugendliche (= 4,5%) wurden mit Stichtag 31.12.2006 mehr
als 3-mal psychiatrisch behandelt. Diese Zahlen sind der nachstehenden Tabelle 7: Zahl der
psychiatrischen Interventionen zu entnehmen, und in den untenstehenden Kreisdiagrammen (Grafik
5: Zahl der psychiatrischen Interventionen grafisch dargestellt.
Tabelle 7: Zahl der psychiatrischen Interventionen
Valid
1
2
3
4
5
6
mehr als 6
Total
Missing
Total
System
Frequency
259
Percent
68,2
Valid
Percent
68,3
Cumulative
Percent
68,3
68
17,9
17,9
86,3
35
9,2
9,2
95,5
5
1,3
1,3
96,8
6
1,6
1,6
98,4
1
,3
,3
98,7
5
1,3
1,3
100,0
379
99,7
100,0
1
,3
380
100,0
146
N
Valid
Missing
379
1
Mean
1,5594
Median
1,0000
Std. Deviation
Variance
1,07326
1,152
Range
6,00
Minimum
1,00
Maximum
7,00
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Zahl der Aufenthalte
1
mehr als 1
31,66%
68,34%
5,00%
4,17%
0,83%
4,17%
2
3
4
5
6
mehr als 6
29,17%
56,67%
Grafik 5: Zahl der psychiatrischen Interventionen
Im oberen der beiden Kreisdiagramme sind die Prozentsätze der PatientInnen dargestellt, die eine
und mehr als eine psychiatrische Intervention benötigten. Im zweiten Kreisdiagramm wurden die
120 Kinder und Jugendlichen, die mehr als 1 Intervention benötigten als 100% angenommen und
noch einmal dargestellt.
Bezüglich des Geschlechtsunterschieds wurde der Chi- Quadrat Test zur Berechnung herangezogen.
Hier wurden jene Fälle, die mehr als 4 Interventionen benötigten in einer Kategorie
zusammengefasst, damit der Chi- Quadrat Test angewandt werden konnte. Es ergeben sich mit
einem χ2 von 0,224 keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf das Geschlecht. Das heißt,
Mädchen und Burschen benötigten ungefähr gleich viele psychiatrische Interventionen. Die
genauen Zahlen sind der untenstehenden Kreuztabelle (Tabelle 8) zu entnehmen.
147
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 8: Chi- Quadrat Test- Zahl der Aufenthalte/ Geschlecht
Zahl der Aufenthalte zusammengefasst * Geschlecht Crosstabulation
Chi-Square Tests
Count
Geschlecht
Zahl der
Aufenthalte
zusammengefasst
Total
weiblich
115
männlich
142
257
2
36
32
68
3
21
14
35
4
3
2
5
8
4
12
183
194
377
1
mehr als 4
Total
12.1.1.4
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
5,689(a)
5,726
df
4
4
Asymp.
Sig. (2sided)
,224
,221
5,429
1
,020
377
a 2 cells (20,0%) have expected count less than 5.
The minimum expected count is 2,43.
Aufenthaltsdauer
In Bezug auf die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Kinder, und Jugendlichen kann festgestellt
werden, dass dieser Mittelwert eine sehr hohe Streuung aufweist. Dies bedeutet, dass die Verteilung
der Aufenthaltsdauer sehr unterschiedlich ist.
An dieser Stelle wurde die durchschnittliche Aufenthaltsdauer pro Aufenthalt ermittelt. Hier ist
darauf hingewiesen, dass durch die Dokumentenanalyse jene Daten der Kinder und Jugendlichen
ermittelt wurden, die im Jahr 2006 aufgenommen wurden, und daher auch nur von diesen
Voraufenthalte erhoben wurden. Daraus folgt, dass die Stichprobengröße pro Intervention immer
kleiner wird.
Zur Erhebung der Aufenthaltsdauer muss noch hinzugefügt werden, dass im Rahmen der
Dokumentenanalyse versucht wurde zwischenzeitliche Beurlaubungen zu berücksichtigen, und
diese nicht zur Aufenthaltsdauer zu addieren. Hier wurde somit nur erhoben, wie viele Tage der/die
PatientIn auch wirklich anwesend war. Im Vergleich zu Statistiken, die von der Verwaltung für die
unterschiedlichsten Zwecke immer wieder angefertigt werden, können hier in Bezug auf die
Aufenthaltsdauer Unterschiede auftreten, da im Rahmen dieser Arbeit- wie erwähnt- versucht
wurde,
die
Aufenthaltsdauer
pro
PatientIn
ohne
Beurlaubungen
zu
ermitteln.
Für
Verwaltungstätigkeiten wird nach Beurlaubungen, die länger als eine Nacht andauern, wieder ein
neuer Fall angelegt. Dadurch lassen sich eventuelle Unterschiede erklären (vgl. Kap. 11.1).
Anzumerken ist, dass in der Dokumentenanalyse nicht die genaue Zahl der Tage des Aufenthaltes
erhoben wurde, sondern diese in Kategorien (Wochen) eingeteilt wurden. Richtigerweise müsste
man also sagen, dass die gesamte durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei 15- 21 Tagen, also
ungefähr bei 3 Wochen liegt. Noch einmal soll hier allerdings auf die durchwegs hohe
Standardabweichung hingewiesen werden.
148
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 9: Aufenthaltsdauer (in Wochen) pro Aufenthalt (Intervention)
Valid
N
1.Int.
370
2.Int.
116
3.Int.
49
4.Int.
17
5.Int.
10
10
264
331
363
3,7541
4,1983
4,2653
3,41232
3,63610
11,644
13,221
Missing
Mean
Std.
Deviation
Variance
6.Int.
5
7.Int.
4
370
375
3,1176
1,8000
3,71806
3,44388
13,824
11,860
8.Int
9.Int.
10.Int.
3
1
1
376
377
379
379
5,4000
1,0000
2,6667
1,0000
2,0000
1,03280
5,17687
,00000
2,88675
1,067
26,800
,000
8,333
Durchschnittliche Aufenthaltsdauer pro Aufenthalt (Intervention) der im Jahr 2006 aufgenommenen
Kinder und Jugendlichen
6
Aufenthaltsdauer in Wochen
5
4
3
2,9
2
1
0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Zahl der Aufenthalte (Interventionen)
Grafik 6: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer pro Aufenthalt (Intervention)
In Grafik 6 ist der Verlauf der Aufenthaltsdauer für die einzelnen Aufenthalte zu sehen. Hier kann
man erkennen, dass beim 5. Aufenthalt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer deutlich geringer
wird, anschließend gibt es wieder einen Anstieg, der über die durchschnittlichen Aufenthaltsdauern
der ersten Aufenthalte hinausgeht. Bei weiteren Aufenthalten sinkt die durchschnittliche
Aufenthaltsdauer wiederum. Allerdings soll hier noch einmal betont werden, dass an dieser Stelle
nicht die durchschnittliche Aufenthaltsdauer aller Kinder und Jugendlichen, die mehrere
Interventionen benötigten erhoben wurde, sondern lediglich Voraufenthalte bzw. Interventionen der
Kinder und Jugendlichen erhoben wurden, die im Jahr 2006 aufgenommen wurden. Daher ist die
Repräsentativität des Verlaufes für alle in der KJP stationär untergebrachten Kinder und
Jugendlichen nicht unbedingt gegeben. Dennoch soll hier der Verlauf für die erhobene Stichprobe
angezeigt werden.
149
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Der Gesamtmittelwert liegt hier bei 2,9 Wochen mit einer durchwegs hohen Standardabweichung.
Gründe dafür, dass die Aufenthaltsdauer bei der dritten und der vierten Intervention kürzer wird,
könnten sein, dass bereits eine ausreichende Abklärung erfolgt ist und es hier nur mehr zu kürzeren
Kriseninterventionen gekommen ist. Warum es dann zu einem Anstieg der Aufenthaltsdauer kam,
könnte dadurch zu erklären sein, dass bei der sechsten Intervention eventuell mehr Patienten die
Wohnform wechseln mussten. Wirft man jedoch einen Blick auf die Daten, kann man sehen, dass
nur ein Kind oder Jugendlicher von 5 bzw.6, die 6 oder mehr Interventionen benötigten, bei der 6.
Intervention die Wohnform wechselte. In diesem Fall war die Aufenthaltsdauer jedoch auch mehr
als 10 Wochen. In einem weiteren Fall betrug die Aufenthaltsdauer bei dieser Intervention ebenfalls
mehr als 10 Wochen, wobei in diesem Fall die Wohnform vor der Intervention gleich der
Wohnform nach der Intervention war. Die anderen 3 Fälle, von denen die Daten zur 6. Intervention
bekannt waren, benötigten Aufenthaltsdauern von 1-3 Wochen. Erneut ist hier darauf hinzuweisen,
dass hier nur mehr die Daten von 5 Fällen zur Verfügung stehen und daher die Repräsentativität
nicht gegeben ist. Um Gründe für die unterschiedlichen Aufenthaltsdauern zu ermitteln, müsste man
jeden Fall individuell untersuchen und beurteilen.
Martina Steger (2005: 73) bezieht sich in ihrer Studie auf deutsche Statistiken zur
Behandlungsdauer und schreibt: „Bezüglich der Nutzung des Angebots zeigen die Statistiken, dass
die Behandlungsdauern in den KJPP- Kliniken allgemein in den letzten neun Jahren allgemein
drastisch abgenommen, die Patientenzahlen dagegen stark zugenommen haben“(ebd.). Dieses
Ergebnis könnte in zukünftigen Studien auch für die Steiermark beleuchtet werden.
Auch hier soll überprüft werden, ob geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf die
Aufenthaltsdauer bestehen.
Um diese Frage beantworten zu können, wurde zunächst der Kolmogorov Smirnov Test
durchgeführt um herauszufinden, ob eine Normalverteilung vorliegt. Hier war das Ergebnis für die
erste Intervention mit z= 4,245 und p= 0,000 sehr signifikant. Dies bedeutet, dass die Daten nicht
normal verteilt sind. Aus diesem Grund wurde der nonparametrische Mann- Whitney U- Test,
angewandt. Hier zeigen sich mit z= -1,627 und p= 0,104 keine signifikanten Unterschiede in Bezug
auf die Mittelwerte der Aufenthaltsdauer des ersten Aufenthaltes und dem Geschlecht. Das heißt bei
der ersten Intervention wurden Burschen annähernd gleich lange behandelt wie Mädchen. Dies gilt
auch für die 2. Intervention (z= -0,632; p= 0,528). Auch für die dritte Intervention zeigen sich keine
signifikanten Unterschiede (z= - 0,73; p= 0,941).
150
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.5
Wohnform vor der Intervention
Durch die Dokumentenanalyse sollte vor allem ermittelt werden, wie viele Kinder und Jugendliche
aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt zusätzlich auf der KJP der LSF Hilfe benötigten,
und wie viele Kinder und Jugendliche nach einer psychiatrischen Intervention in Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt fremd untergebracht werden mussten.
Diese Ergebnisse sollen im Rahmen dieses Kapitels dargestellt werden. Dazu werden die
Häufigkeiten zuerst allgemein, in Bezug auf Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, beschrieben.
Anschließend wird genauer auf die Wohnform vor jeder einzelnen Intervention eingegangen.
Die Ergebnisse sind an dieser Stelle bis zur fünften Intervention dargestellt, da von mehr als fünf
Interventionen nur mehr sechs Kinder und Jugendliche betroffen waren (vgl. Kap. 12.1.1). Hierzu
ist zu erklären, dass als nkor. die Zahl der Kinder und Jugendlichen angegeben wird, von denen die
Wohnform vor der Intervention bekannt ist
Tabelle 10: Wohnform vor der Intervention- JW- Einrichtungen
Intervention
1.Int.
2.Int.
3.Int.
4.Int.
5.Int.
nkor.
369
118
51
17
10
Pat. aus
Einrichtungen der
JW- STMK
Anzahl Prozent
von
nkor.
17,1%
63
28,8%
34
39,2%
20
52,9%
9
60%
6
Pat. aus
Einrichtungen der
JW- Rest Ö,D
Anzahl
8
6
6
3
1
Prozent
von
nkor.
2,2%
5,1%
11,8%
17,6%
10%
Gesamt
Anzahl
71
40
26
12
7
Prozent
von
nkor
19,3%
33,9%
51%
70,5%
70%
Anhand dieser Ergebnisse lässt sich deutlich sehen, dass der Prozentsatz der Kinder und
Jugendlichen, die aus Einrichtungen der Jugendwohlfahrt kommen, mit der Zahl der Aufenthalte
zunimmt. Dies könnte bedeuten, dass mit der Zahl der Aufenthalte auch die Wahrscheinlichkeit
zunimmt, dass Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen der Jugendwohlfahrt kommen. Von allen,
in diese Untersuchung einbezogenen Kindern und Jugendlichen, wurden beim ersten Aufenthalt
19,3 % das heißt etwa ein Fünftel aus Einrichtungen der Jugendwohlfahrt behandelt.
Von den Kindern und Jugendlichen bei denen mindestens zwei Interventionen notwendig wurden,
war der Prozentsatz bei 33,9 %. Das bedeutet, etwa ein Drittel der Kinder und Jugendlichen, bei
denen mindestens zwei Interventionen notwendig wurden, waren vor der 2. Intervention in einer
stationären Einrichtung der Jugendwohlfahrt fremd untergebracht. Bei weiteren Interventionen
steigt der Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen, die vor der psychiatrischen Intervention fremd
untergebracht waren. An dieser Stelle ist jedoch erneut zu erwähnen, dass die Zahl der Kinder und
151
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Jugendlichen, die in die Dokumentenanalyse aufgenommen wurden mit der Zahl der Interventionen
abnimmt, da lediglich von den Kindern und Jugendlichen, die im Jahr 2006 aufgenommen wurden,
die Voraufenthalte erhoben wurden.
Trotzdem lässt sich ein Trend erkennen. Dieser Trend ist in der folgenden Darstellung noch einmal
grafisch veranschaulicht. Hier sind vor allem die ersten fünf Interventionen von Bedeutung, da
diese in Bezug auf die Fallzahl als repräsentativ betrachtet werden können.
Kinder u. Jugendliche aus JW Einrichtungen
100,00%
360
340
90,00%
320
300
80,00%
280
260
70,00%
240
60,00%
50,00%
220
Prozent von nkor.
200
nkor.
180
160
40,00%
Linear (Prozent von
nkor. )
140
120
30,00%
100
80
20,00%
60
40
10,00%
20
0,00%
0
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Zahl der Intervention
Grafik 7: Wohnform vor der Int.- JW Einrichtungen
In den folgenden Kapiteln soll die Wohnform vor der psychiatrischen Intervention für jede einzelne
Intervention noch einmal gesondert beschrieben und dargestellt werden.
12.1.1.5.1
1. Intervention
Von den 380 Kindern und Jugendlichen, die im Jahr 2006 aufgenommen wurden, ist von 369
(=nkor.) Kindern und Jugendlichen bekannt, wo sie vor dieser Intervention untergebracht waren. 282
Kinder und Jugendliche (=76,4%) waren entweder bei den Eltern, bei einem Elternteil oder bei
Pflege- oder Großeltern wohnhaft. Dies entspricht in etwa dreiviertel der Kinder und Jugendlichen.
63
Kinder
und
Jugendliche
(=17,1%)
waren
vor
der
Intervention
in
einer
Jugendwohlfahrtseinrichtung in der Steiermark fremd untergebracht. 8 Kinder und Jugendliche
(=2,2%) kamen von einer stationären Fremdunterbringung aus einem anderen Bundesland zur
Aufnahme. Hier sind vorwiegend die Bundesländer Kärnten, Burgenland sowie Niederösterreich
152
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
angesprochen. 9 Kinder und Jugendliche (=2,4%) waren vor der 1. psychiatrischen Intervention in
einer Einrichtung untergebracht, die durch das Behindertengesetz finanziert wird. Hierunter würden
Einrichtungen wie z.B. das Pflegezentrum Kainbach, das ABZ Andritz, Alpha Nova sowie
Trainingswohnungen von Jugend am Werk oder der Lebenshilfe etc. fallen.
7 Kinder und Jugendliche (=1,9%) waren in Wohnformen lebend, die unter dem Begriff Sonstiges
zusammengefasst wurden. Hier sind vor allem Einrichtungen für Flüchtlinge wie z.B. das
Franziskushaus, andere psychiatrische oder psychosomatische Abteilungen, sowie vereinzelt auch
eigene Wohnungen ohne Betreuung der Jugendwohlfahrt gemeint.
Wohnform vor der 1. psych.Intervention
90,0
80,0
76,4
70,0
Prozent [%]
60,0
50,0
40,0
30,0
20,0
17,1
10,0
2,2
2,4
1,9
Behinderteneinrichtungen
Sonstige
0,0
Eltern/KM/KV Großeltern bzw. Jugendwohlfahrtseinrichtungen Jugendwohlfahrtseinrichtungen
Pflegefamilie
STMK
Rest Ö, D
Wohnform
Grafik 8: Wohnform vor der 1. Intervention
12.1.1.5.2
2. Intervention
Von den 118 Kindern und Jugendlichen, bei denen die Wohnform vor der 2. Intervention bekannt
ist, waren 72 Kinder und Jugendliche (=61%) bei den Eltern, einem Elternteil, den Groß- oder
Pflegeeltern lebend. 34 Kinder und Jugendliche waren vor der 2. Intervention in einer stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtung der Steiermark fremd untergebracht. Dies entspricht 28,8% also etwas
mehr als einem Viertel der Kinder und Jugendlichen, bei denen eine 2. psychiatrische Intervention
bekannt ist. 6 Kinder und Jugendliche (= 5,1%) kamen von einer Jugendwohlfahrtseinrichtung eines
anderen Bundeslandes zur Aufnahme. Hier waren vor allem die Bundesländer Kärnten, Burgenland
und Niederösterreich betroffen. Es kann also festgestellt werden, dass von den Kindern und
153
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Jugendlichen, von denen die 2. psychiatrische Intervention bekannt ist, wiederum ein Drittel vor der
2. Aufnahme in einer Jugendwohlfahrtseinrichtung fremd untergebracht war.
3 Kinder und Jugendliche (=2,5%) waren in einer Behinderteneinrichtung untergebracht. In diesem
Fall sind dies Einrichtungen wie Alpha Nova, Pflegezentrum Kainbach sowie das ABZ Andritz.
Ein(e) Jugendliche(r) (= 0,8%) kam von einer Einrichtung für Suchtkranke, die ebenfalls zum Teil
durch das Behindertengesetz finanziert werden, jedoch an dieser Stelle gesondert ausgewiesen
werden, zur Aufnahme. In diesem Fall handelte es sich um die Drogenstation Walkabout in
Kainbach.
1 Kind oder Jugendlicher kam vom Franziskushaus, einer Einrichtung für Flüchtlinge, sowie ein(e)
weitere(r) von der heilpädagogischen Station zur Aufnahme. Diese sind unter Sonstige
zusammengefasst. Hierzu ist zu erklären, dass die Heilpädagogische Station des Landes Steiermark
ebenfalls unter Sonstige subsumiert ist, weil- obwohl sie eine Einrichtung der Jugendwohlfahrt istdiese als sozialpsychiatrische Einrichtung für Kinder doch einen eigenen Stellenwert einnimmt.
Wohnform vor der 2. Intervention
70,0
61,0
60,0
Prozent [%]
50,0
40,0
30,0
28,8
20,0
10,0
5,1
2,5
1,7
0,8
0,0
Eltern/KM/KV/Großeltern bzw. Jugendwohlfahrtseinrichtungen Jugendwohlfahrtseinrichtungen
Pflegefamilie
STMK
(Rest Ö, D)
Behinderteneinrichtungen
Wohnform
Grafik 9: Wohnform vor der 2. Intervention
154
Sonstige
Einrichtungen für Suchtkranke
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.5.3
3. Intervention
Von den 51 Kindern und Jugendlichen, von denen die Daten der 3. Intervention bekannt sind, waren
21 (= 41,2%) bei den Eltern, einem Elternteil oder den Groß- bzw. Pflegeeltern wohnhaft. 20
Kinder
und
Jugendliche
(=39,2%)
waren
vor
der
3.
Intervention
in
einer
Jugendwohlfahrtseinrichtung der Steiermark fremd untergebracht. 6 Kinder und Jugendliche
(=11,8%) kamen aus einer stationären Fremdunterbringungseinrichtung der Jugendwohlfahrt eines
anderen Bundeslandes zur Aufnahme. Man sieht hier deutlich, dass etwa die Hälfte der Kinder und
Jugendlichen, von denen die Daten der 3. Intervention bekannt sind, aus einer stationären
Einrichtung der Jugendwohlfahrt zur Aufnahme kamen.
2 Kinder und Jugendliche (=3,9%) waren vor der 3. psychiatrischen Intervention in einer
Behinderteneinrichtung wohnhaft. An dieser Stelle sind die Einrichtungen Alpha Nova sowie die
Kompetenz GmbH angesprochen. Ein(e) Jugendlich(e) kam von einer Einrichtung für Suchtkranke,
in diesem Fall der Drogenstation Walkabout in Kainbach, zur Aufnahme.
Ein(e) Jugendlich(e) hatte zum Zeitpunkt der Aufnahme der 3. Intervention eine eigene Wohnung
ohne spezielle Betreuung. Dies ist in der nachstehenden Grafik unter Sonstige summiert.
Wohnform vor der 3. Intervention
45,0
41,2
40,0
39,2
35,0
Prozent [%]
30,0
25,0
20,0
15,0
11,8
10,0
3,9
5,0
2,0
2,0
Einrichtungen für Suchtkranke
Sonstige
0,0
Eltern/KM/KV/Großeltern bzw. Jugendwohlfahrtseinrichtungen Jugendwohlfahrtseinrichtungen
Pflegefamilie
STMK
(Rest Ö,D)
Behinderteneinrichtungen
Wohnform
Grafik 10: Wohnform vor der 3. Intervention
155
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.5.4
4. Intervention
Von den 17 Kindern und Jugendlichen, der Stichprobe, bei denen auch eine 4. psychiatrische
Intervention notwendig wurde, waren 9 (=52,9%), also mehr als die Hälfte in einer Einrichtung der
Jugendwohlfahrt in der Steiermark fremd untergebracht. 3 Kinder und Jugendliche (=17,6%) waren
vor der 4. Intervention in einer Jugendwohlfahrtseinrichtung des Burgenlandes, Niederösterreichs
bzw. Kärntens wohnhaft. Insgesamt kamen also 12 Kinder und Jugendliche (= 70,5%), das sind fast
drei Viertel der Kinder und Jugendlichen, bei denen mindestens 4 psychiatrische Interventionen
notwendig waren, von einer Einrichtung der Jugendwohlfahrt zur Aufnahme.
1 Kind bzw. Jugendliche(r) (=5,9%) lebte in einer Behinderteneinrichtung, in diesem Fall Alpha
Nova. Bei den Eltern bzw. einem Elternteil lebten ebenfalls 3 Kinder bzw. Jugendliche, bei denen
eine 4. Intervention notwendig war.
Wohnform vor der 4.Intervention
60,0
52,9
50,0
Prozent [%]
40,0
30,0
20,0
17,6
17,6
10,0
5,9
5,9
Sonstige
Behinderteneinrichtungen
0,0
Jugendwohlfahrtseinrichtungen Jugendwohlfahrtseinrichtungen Eltern/KM/KV/ Großeltern bzw.
STMK
(Rest Ö, D)
Pflegefamilie
Wohnform
Grafik 11: Wohnform vor der 4. Intervention
12.1.1.5.5
5. Intervention
Von der Stichprobe, wurden 10 Kinder und Jugendliche mindestens 5 Mal psychiatrisch behandelt.
Davon waren 6 (60%) in stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen der Steiermark und 1 Kind
oder Jugendliche(r) (=10%) in einer stationären Jugendwohlfahrtseinrichtung des Burgenlandes
fremd untergebracht. 1 Kind bzw. Jugendlicher kam von einer Behinderteneinrichtung nämlich
Alpha Nova zur Aufnahme. Bei den Eltern bzw. der Mutter lebten 2 Kinder oder Jugendliche
(=20%) vor der 5. psychiatrischen Intervention.
156
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Wohnform vor der 5. Intervention
70,0
60,0
60,0
Prozent
50,0
40,0
30,0
20,0
20,0
10,0
10,0
10,0
0,0
Jugendwohlfahrtseinrichtungen
STMK
Jugendwohlfahrtseinrichtungen
(Rest Ö,D)
Eltern/KM/KV/Großeltern bzw.
Pflegefamilie
Behinderteneinrichtungen
Wohnform
Grafik 12: Wohnform vor der 5. Intervention
12.1.1.6
Wohnform nach der Intervention
Mittels der Dokumentenanalyse sollten Aussagen darüber getroffen werden, wie viele Kinder und
Jugendliche
nach
einer
psychiatrischen
Intervention
in
stationäre
Einrichtungen
der
Jugendwohlfahrt entlassen wurden. Hierzu konnten die nachstehenden Ergebnisse gefunden
werden. Als nkor wird hier jene Anzahl der Kinder und Jugendlichen bezeichnet, von denen die
Wohnform nach der Intervention bekannt ist.
Nach der ersten Intervention wurden von 360 Kindern und Jugendlichen 67 (=18,6%) in stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt in der Steiermark untergebracht. 14 Kinder und Jugendliche
(=3,9%) wurden in stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt außerhalb der Steiermark
entlassen.
Von 115 Kindern und Jugendlichen ist die Wohnform nach der zweiten Intervention bekannt. Hier
wurden insgesamt 46 (=40%) Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
untergebracht, wobei dieser Prozentsatz sowohl Einrichtungen in der Steiermark als auch anderer
Bundesländer beinhaltet.
Der Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen, die nach der Intervention fremd untergebracht
wurden, steigt, ähnlich wie bei der Wohnform vor der Intervention, mit der Anzahl der
Interventionen. Die Ergebnisse sind bis zur 5. Intervention in der nachfolgenden Tabelle
zusammengefasst.
157
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 11: Wohnform nach der Int.- JW Einrichtungen
Intervention
nkor.
Pat. in Einrichtungen
der JW- STMK
Anzahl
1.Int.
2.Int.
3.Int.
4.Int.
5.Int.
67
38
16
9
6
360
115
49
17
10
Prozent
von nkor.
18,6%
33,0%
32,7%
52,9%
60%
Pat. in
Einrichtungen der
JW- Rest Ö,D
Anzahl
14
8
8
2
1
Gesamt
Prozent
von nkor.
3,9%
7,0%
16,3%
11,8%
10%
Prozent
von nkor.
22,5%
40%
49%
64,7%
70%
Anzahl
81
46
24
11
7
JW Einrichtung nach der Intervention
100,00%
360
340
90,00%
320
300
80,00%
280
260
70,00%
240
220
60,00%
200
50,00%
180
160
40,00%
140
120
30,00%
100
80
20,00%
60
40
10,00%
20
0,00%
0
0
1
2
3
4
5
6
Zahl der Intervention
Grafik 13: Wohnform nach der Intervention- JW Einrichtungen
158
7
8
9
Prozent
nkor.
Linear (Prozent)
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.6.1
1. Intervention
Von den 380 Kindern und Jugendlichen der Stichprobe, ist von 360 bekannt, in welche Wohnform
sie nach der ersten Intervention entlassen werden konnten. Hier zeigt sich, dass 261 Kinder und
Jugendliche, also etwa drei Viertel (=72,5%) nach der psychiatrischen Intervention wieder zu den
Eltern, einem Elternteil bzw. Groß- oder Pflegeeltern entlassen werden konnten. Insgesamt 81
(=22,5%), also knapp ein viertel der Kinder und Jugendlichen wurde nach der ersten Intervention in
eine stationäre Jugendwohlfahrtseinrichtung entlassen. Davon waren 67 (=18,6%) in einer
Einrichtung in der Steiermark, und 14 (=3,9%) in anderen Bundesländern, vor allem Burgenland,
Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und Kärnten, fremd untergebracht. Ein Jugendlicher
(=0,3%)
hatte
die
Möglichkeit,
nach
dem
psychiatrischen
Aufenthalt
an
einem
erlebnispädagogischen Projekt teilzunehmen.
Insgesamt 8 Kinder und Jugendliche (=2,2%) wurden nach der psychiatrischen Intervention in eine
Einrichtung nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz, entlassen. In diesem Fall waren dies
vor allem Einrichtungen wie Alpha Nova, das Pflegezentrum Kainbach, das ABZ Andritz oder
diverse Trainingswohnheime. Ein(e) weitere(r) Jugendliche (=0,3%) wurde nach dem Aufenthalt in
der KJP in der Drogentherapiestation Walkabout weiter betreut.
Unter sonstige sind hier Einrichtungen für Flüchtlinge, andere psychiatrische Abteilungen, die
heilpädagogische Station des Landes Steiermark sowie die Untersuchungshaft oder aber auch
eigene Wohnungen ohne Betreuung zusammengefasst. Hiervon waren 8 Kinder und Jugendliche
(=2,2%) betroffen.
Diese Ergebnisse sind in der untenstehenden Abbildung noch einmal grafisch dargestellt.
159
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Wohnform nach der 1. Intervention
80,0
72,5
70,0
60,0
Prozent [%]
50,0
40,0
30,0
18,6
20,0
10,0
3,9
2,2
2,2
0,3
0,3
0,0
Elt
er
n/K
M/
KV
/G
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Ju
Be
So
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ric
htu
ng
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f
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ke
Wohnform
Grafik 14: Wohnform nach der 1. Intervention
12.1.1.6.2
2. Intervention
Von 115 Kindern und Jugendlichen, von denen die Wohnform nach der 2. psychiatrischen
Intervention bekannt ist, wurde in etwa die Hälfte (=53%), dies sind 61 Kinder und Jugendliche zu
den Eltern, einem Elternteil, den Groß- oder Pflegeeltern entlassen.
Von 45 Kindern und
Jugendlichen (=40%), also zwei Fünftel der Kinder und Jugendlichen, die 2 und mehr
Interventionen benötigten, war die Wohnform nach der 2. Intervention eine stationäre Einrichtung
der Jugendwohlfahrt. Davon waren 38 Kinder und Jugendliche (=33%) in der Steiermark, und 8
Kinder und Jugendliche (7%) außerhalb der Steiermark, vor allem in Niederösterreich, Burgenland
und Kärnten, untergebracht. Ein Jugendlicher (=0,9%) wurde gleich im Anschluss an den
Aufenthalt in ein erlebnispädagogisches Projekt aufgenommen.
3 Jugendliche (=2,6%) wurden in Behinderteneinrichtungen, in diesem Fall Alpha Nova, die
Kompetenz GmbH und das ABZ Andritz, entlassen.
2 Jugendliche (=1,7%) wurden nach dem psychiatrischen Aufenthalt in der Drogenstation
Walkabout weiter betreut.
Unter Sonstige sind an dieser Stelle eine Einrichtung für Flüchtlinge und die Untersuchungshaft,
von denen jeweils eine Person betroffen war, zusammengefasst.
Diese Zahlen werden in der nachstehenden Grafik veranschaulicht werden.
160
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Wohnform nach der 2. Intervention
60,0
53,0
50,0
Prozent [%]
40,0
33,0
30,0
20,0
10,0
7,0
2,6
1,7
1,7
0,9
0,0
Elt
ern
/KM
/KV
/G
Ju
g
roß
elt
en
ern
b
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oje
kte
ke
)
Wohnform
Grafik 15: Wohnform nach der 2. Intervention
12.1.1.6.3
3. Intervention
Von 49 Kindern und Jugendlichen konnte erhoben werden, wohin sie nach der dritten
psychiatrischen Intervention entlassen wurden. Davon konnten 20 Kinder und Jugendliche
(=40,8%) nach Hause, zu den Eltern, einem Elternteil bzw. den Groß- oder Pflegeeltern entlassen
werden. 24 Kinder und Jugendliche (=49%) jedoch, wurden nach der psychiatrischen Intervention
in einer stationären Einrichtung der Jugendwohlfahrt betreut. Davon waren 16 Kinder und
Jugendliche (=32,7%) in der Steiermark und 8 (=16,3%) außerhalb der Steiermark in Burgenland,
Niederösterreich, Kärnten bzw. sogar in Deutschland, untergebracht. Wieder ein(e) Jugendliche(r)
(=2%) konnte in einem erlebnispädagogischen Projekt weiter versorgt werden
2 Jugendliche (=4,1%) wurden nach dem Aufenthalt in Drogeneinrichtungen weiter rehabilitiert.
Ein(e) Jugendliche(r) (2%) wurde nach der Intervention auf der KJP in eine Behinderteneinrichtung
entlassen.
Ein(e) weitere(r) Jugendliche(r) konnte nach dem Aufenthalt selbständig in einer eigenen Wohnung
leben. Dies ist unter Sonstiges beschrieben.
Diese Ergebnisse werden in der folgenden Grafik veranschaulicht.
161
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Wohnform nach der 3. Intervention
45,0
40,8
40,0
35,0
32,7
Prozent [%]
30,0
25,0
20,0
16,3
15,0
10,0
4,1
5,0
2,0
2,0
2,0
0,0
Elt
ern
/KM
/KV
/G
Ju
g
roß
elt
en
ern
b
dw
o
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tun
eb
nis
pä
ge
n
d.
Pr
oje
kte
)
Wohnform
Grafik 16: Wohnform nach der 3. Intervention
12.1.1.6.4
4. Intervention
Von den 17 Kindern und Jugendlichen, die im Jahr 2006 aufgenommen wurden und bis zu dem
Zeitpunkt mindestens vier Interventionen benötigten, wurden 11 Kinder und Jugendliche (=64,7%)
nach dem vierten Aufenthalt in stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen betreut. Davon waren 9
Kinder und Jugendliche (=52,9%) in einer Einrichtung in der Steiermark, und zwei Kinder oder
Jugendliche (=11,8%) in einer Jugendwohlfahrtseinrichtung in Niederösterreich bzw. dem
Burgenland, untergebracht.
Vier Kinder bzw. Jugendliche (=23,5%) wurden zu den Eltern, einem Elternteil bzw. den Großoder Pflegeeltern entlassen.
Ein Kind oder Jugendlicher (=5,9%) wurde in einer Behinderteneinrichtung und ein(e) weitere(r)
(=5,9%) in einer psychiatrischen Abteilung eines anderen Bundeslandes weiter betreut. Diese ist in
der nachstehenden Grafik als Sonstige bezeichnet.
162
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Wohnform nach der 4. Intervention
60,0
52,9
50,0
Prozent [%]
40,0
30,0
23,5
20,0
11,8
10,0
5,9
5,9
Sonstige
Behinderteneinrichtungen
0,0
Jugendwohlfahrtseinrichtungen Jugendwohlfahrtseinrichtungen Eltern/KM/KV/Großeltern bzw.
STMK
(Rest Ö, D)
Pflegefamilie
Wohnform
Grafik 17: Wohnform nach der 4. Intervention
12.1.1.6.5
5. Intervention
Von den 10 Kindern und Jugendlichen, von denen die Wohnform nach der 5. Intervention bekannt
ist, wurden insgesamt 7 (=70%) im Anschluss an die psychiatrische Intervention in stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen betreut. Davon waren 6 (=60%) in einer Einrichtung in
der
Steiermark und eine(r) (=10%) in einer Wohngemeinschaft im Burgenland untergebracht.
2 Kinder bzw. Jugendliche (=20%) wurden zu den Eltern, einem Elternteil bzw. Groß- oder
Pflegeeltern entlassen. Ein(e) Jugendliche(r) (=10%) war nach der 5. psychiatrischen Intervention in
einer Behinderteneinrichtung wohnhaft.
Diese Ergebnisse sollen in der nachstehenden Grafik veranschaulicht werden.
163
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Wohnform nach der 5. Intervention
70,0
60,0
60,0
Prozent
50,0
40,0
30,0
20,0
20,0
10,0
10,0
10,0
0,0
Jugendwohlfahrtseinrichtungen
STMK
Jugendwohlfahrtseinrichtungen
(Rest Ö, D)
Eltern/KM/KV/Großeltern bzw.
Pflegefamilie
Behinderteneinrichtungen
Wohnform
Grafik 18: Wohnform nach der 5. Intervention
12.1.1.7
Wechsel der Wohnform
Nachdem dargestellt wurde, wie viele Kinder und Jugendliche, die im Jahr 2006 psychiatrisch
behandelt wurden, vor der psychiatrischen Intervention in stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt untergebracht waren, und wie viele in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
entlassen wurden, sollen diese Zahlen noch einmal zum
Vergleich in der folgenden Grafik
dargestellt werden.
Man sieht hier vor allem für die erste Intervention deutlich, dass 71 Kinder und Jugendliche vor der
psychiatrischen Intervention in stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt untergebracht waren.
Nach der ersten Intervention wurden jedoch 81 Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt untergebracht. Das heißt, für 10 Kinder und Jugendliche musste zusätzlich
während der ersten psychiatrischen Intervention eine Fremdunterbringung gesucht werden, bevor
diese entlassen werden konnten.
Bei der 2. Intervention zeigt sich, dass 40 vor der Intervention und 46 Kinder und Jugendliche nach
der 2. psychiatrischen Intervention fremd untergebracht waren. Hier sieht man, dass für 6 Kinder
und Jugendliche eine Fremdunterbringung gesucht werden musste.
Bei der dritten Intervention sieht man, dass vor dieser Intervention 26 Kinder und Jugendliche in
stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen fremd untergebracht waren. Nach der Intervention
wurden jedoch nur 24 in Jugendwohlfahrtseinrichtungen entlassen. Das heißt, dass 2 Kinder oder
164
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Jugendliche während des Aufenthaltes entweder wieder zurück in die Familie geführt werden
konnten, oder aber nach der Intervention z.B. in Behinderteneinrichtungen weiter betreut wurden.
Auch für die 4. Intervention zeigt sich ein Unterschied von einer Person. Für die 5. Intervention
zeigen sich keine Unterschiede mehr.
Trotzdem kann man anhand dieses Beispiels sehr gut den Drehtüreffekt, mit dem die KJP oftmals in
Verbindung
gebracht
wird,
sehen.
Obwohl
hier
nur
die
Zahlen
für
stationäre
Jugendwohlfahrtseinrichtungen dargestellt wurden. Man sieht hier, dass bei den ersten beiden
Interventionen weniger Kinder aus Einrichtungen der Jugendwohlfahrt kamen, als in Einrichtungen
entlassen wurden. Das heißt z.B. für die erste Intervention, dass für 10 Kinder und Jugendliche
zusätzlich eine Einrichtung gesucht werden musste. Auffällig ist hier, dass bei der dritten bis zur
fünften Intervention weniger Kinder und Jugendliche in eine Einrichtung entlassen wurden, als von
einer Einrichtung kamen. Hier läßt sich jedoch keine Signifikanz feststellen.
JW Einrichtungen
90
85
81
80
75
71
70
65
60
Häufigkeiten
55
50
46
45
vor der Int.
nach der Int.
40
40
35
30
26
24
25
20
15
12
11
10
7
7
5
0
1
2
3
4
5
Zahl der Intervention
Grafik 19: Häufigkeiten JW Einrichtungen vor und nach der Int.
Hier ist noch beschrieben, für wie viele Kinder insgesamt während des Aufenthaltes eine neue
Wohnform gefunden werden musste. Es zeigt sich, dass bei der ersten Intervention für 47 Kinder
und Jugendliche (=13,1%), bei der zweiten für 22 (=19,1%), bei der dritten Intervention für 13
(=26,5%), bei der vierten für 4 (=23,5%) und bei der 5. Intervention für 1 Kind oder Jugendlichen
(=10%) während des psychiatrischen Aufenthaltes eine neue Wohnform gesucht werden musste.
165
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.8
Interventionsform
Um zu erheben, welche Interventionsformen vordergründig sind, wurden an dieser Stelle die
Kategorien ambulant, tagklinisch, stationär sowie stationär und tagklinisch gewählt. Anzumerken
ist, dass nahezu alle PatientInnen nach einem stationären Aufenthalt ambulante Kontrolltermine
haben, die im Rahmen dieser Arbeit nicht erhoben und auch nicht als eigene Intervention deklariert
wurden.
Es wurden bis zu 10 Interventionen bei einem Kind oder Jugendlichen erhoben. Da es sich bei der
9. und der 10. Intervention nur mehr um einen Fall handelt, und die Zahlen für mehr als 5
Interventionen nur mehr als wenig repräsentativ erscheinen, werden hier die Ergebnisse nur bis zur
5. Intervention dargestellt. Der größte Teil der PatientInnen wurde im stationären Setting behandelt.
Im Vergleich der unterschiedlichen Interventionen zeigt sich, dass je öfter die Kinder und
Jugendlichen auf der KJP aufgenommen wurden, desto geringer ist die Zahl derer, die tagklinisch
behandelt wurden. Um genau zu sein, der Prozentsatz der tagklinisch behandelten Kinder und
Jugendlichen sinkt von 21,6% bei der ersten Intervention über 5,1% bei der zweiten bis zu zwei
Prozent bei der dritten Intervention. Bei mehr als vier Interventionen wurde kein Kind bzw.
Jugendlicher ausschließlich tagklinisch behandelt. Man kann daraus schließen, dass für jene Kinder
und Jugendlichen, die mehrere Interventionen benötigen, die tagklinische Variante entweder
aufgrund des Krankheitsbildes bzw. aus organisatorischen Gründen nicht mehr in Frage kommt.
Wie bereits in Kapitel 12.1.1.8.1 erwähnt wurde, ist die geringe Fallzahl ambulanter PatientInnen
bei der ersten Intervention aufgrund der genannten Gründe nicht glaubwürdig und kann daher nicht
als repräsentativ erachtet werden.
In Bezug auf stationäre und anschließend tagklinische Behandlung kann festgehalten werden, dass
vor allem bei der vierten Intervention der Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen, denen eine
kombinierte stationäre und tagklinische Behandlung zuteil gekommen ist, fast ein Viertel (=23,5%)
der Interventionen ausmacht. Bei der ersten Intervention wurden 16%, bei der zweiten 17% und bei
der dritten Intervention 10% stationär und anschließend tagklinisch behandelt. Bei der 5.
Intervention sinkt der Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen, die sowohl tagklinisch als auch
stationär behandelt wurden wieder auf 10%. Es lässt sich aufgrund der vorliegenden Daten jedoch
nur schwer eine Begründung für diese Entwicklung finden.
166
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.8.1
1. Intervention
Die erste Intervention erfolgte bei etwa 61% der im Jahr 2006 aufgenommenen PatientInnen
stationär (vgl. Tabelle 12: Form der 1.Intervention). Ungefähr 22% der PatientInnen wurden
ausschließlich im tagklinischen Setting behandelt, während bei etwa 16% der Fälle eine stationäre
und anschließend eine tagklinische Behandlung erfolgten. Nur 1,8% der aufgenommenen Fälle
wurden ambulant betreut. Diese Zahl scheint sehr gering, was eventuell darauf zurückzuführen ist,
dass die Kinder und Jugendlichen, die zur Testung und Abklärung auch nur für einen Tag
aufgenommen werden, im Computer meist als tagklinische PatientInnen erfasst sind. Weiters
könnte sich diese geringe Zahl durch Eingabefehler erklären lassen.
Tabelle 12: Form der 1.Intervention
Valid
ambulant
Frequency
7
Percent
1,8
Valid Percent
1,8
Cumulative
Percent
1,8
82
21,6
21,6
23,4
231
60,8
60,8
84,2
60
15,8
15,8
100,0
380
100,0
100,0
tagklinisch
stationär
stationär+tagklinisch
Total
12.1.1.8.2
Valid
N
Missing
380
0
2. Intervention
Bei 118 Kindern und Jugendlichen, die im Jahr 2006 behandelt wurden, war eine 2. psychiatrische
Intervention notwendig. Diese erfolgte beim überwiegenden Teil, nämlich in 78% der Fälle,
stationär. In ~17% der Fälle wurde eine stationäre Behandlung mit einer anschließenden
tagklinischen Behandlung durchgeführt und rund 5% der Interventionen bei den Kindern und
Jugendlichen, die ein zweites Mal behandelt wurden, war ausschließlich tagklinisch.
Tabelle 13: Form der 2. Intervention
Cumulative
Percent
Valid
tagklinisch
stationär
stationär+tagklinisch
Missing
Total
Frequency
6
Percent
1,6
Valid Percent
5,1
5,1
92
24,2
78,0
83,1
100,0
20
5,3
16,9
Total
118
31,1
100,0
System
262
68,9
380
100,0
167
N
Valid
118
Missing
262
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.8.3
3. Intervention
Von den 51(=13,4%) Kindern und Jugendlichen, die ein drittes Mal aufgenommen werden mussten,
wurden 88,2% im stationären Setting, ungefähr 10% im stationären und tagklinischen, und 2%
ausschließlich im tagklinischen Setting psychiatrisch behandelt.
Tabelle 14: Form der 3. Intervention
tagklinisch
Valid
Frequency
1
Percent
,3
Valid Percent
2,0
Cumulative
Percent
2,0
45
11,8
88,2
90,2
5
1,3
9,8
100,0
100,0
stationär
stationär+tagklinisch
Total
System
Missing
Total
12.1.1.8.4
51
13,4
329
86,6
380
100,0
N
Valid
Missing
51
329
4. Intervention
Bei 17 Kindern und Jugendlichen, das entspricht einem Prozentsatz von 4,5%, wurde eine 4.
psychiatrische Intervention notwendig. Von diesen erfolgte die Behandlung bei 76,5% (=13
PatientInnen) stationär, 23,5% (= 4 PatientInnen) wurden stationär und tagklinisch behandelt. Bei
keinem der Fälle, die eine 4. psychiatrische Intervention benötigten, war eine ausschließlich
tagklinische Behandlung indiziert.
Tabelle 15: Form der 4.Intervention
Valid
stationär
stationär+tagklinisch
Total
Missing
System
Total
12.1.1.8.5
Frequency
13
Percent
3,4
Valid Percent
76,5
Cumulative
Percent
76,5
4
1,1
23,5
100,0
100,0
17
4,5
363
95,5
380
100,0
N
Valid
Missing
17
363
5. Intervention
Bei 10 Kindern und Jugendlichen (=2,6% der insgesamt untersuchten Fälle) wurde eine 5.
psychiatrische Intervention notwendig. Bei 9 von diesen 10 Kindern und Jugendlichen (=90%) war
die Behandlung stationär, ein Kind oder Jugendlicher wurde stationär und anschließend tagklinisch
behandelt. Bei der 5. Intervention wurde in keinem Fall ausschließlich ambulant oder tagklinisch
interveniert.
168
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 16: Form der 5. Intervention
stationär
Valid
Frequency
9
Percent
2,4
Valid Percent
90,0
Cumulative
Percent
90,0
1
,3
10,0
100,0
10
2,6
100,0
stationär+tagklinisch
Total
System
Missing
Total
12.1.1.9
370
97,4
380
100,0
N
Valid
Missing
10
370
Aufnahmediagnose
Im Rahmen der Dokumentenanalyse wurden auch die Aufnahmediagnosen sowie die
Entlassungsdiagnosen erhoben. Hierzu muss allerdings angemerkt werden, dass bei fast allen
Kindern und Jugendlichen nicht ausschließlich eine Diagnose zutrifft. Im Rahmen dieser Studie
wurde nur die Hauptdiagnose erfasst. Diese kann sich während des Aufenthaltes immer wieder
verändern. Daher wurde auch die Entlassungsdiagnose erhoben, die im folgenden Kapitel
dargestellt wird. An dieser Stelle soll für jede Intervention gesondert die Verteilung der
Aufnahmediagnosen dargestellt werden.
Die Diagnosen wurden lt. ICD10 auch in Bezug auf die Untergruppen sehr genau erfasst. Das hat
zur Folge, dass die Ergebnisse sehr differenziert sind. An dieser Stelle sollen die Diagnosen jedoch
in Hauptgruppen nach ICD10 zusammengefasst werden, um eine bessere Übersicht zu
gewährleisten.
12.1.1.9.1
1. Intervention
Die Hauptdiagnose bei der ersten Aufnahme wurde von insgesamt 378 Kindern erfasst. Bei 2
Kindern und Jugendlichen konnte im Nachhinein von der ersten Intervention keine
Aufnahmediagnose mehr ermittelt werden. Ein Grund dafür könnte sein, dass die erste Intervention
möglicherweise schon länger zurück lag und diese daher nicht im Computer erfasst ist.
In der folgenden Grafik ist die Verteilung der Aufnahmediagnosen bei der ersten Intervention zur
besseren Übersicht dargestellt, bevor im Detail auf die Verteilung innerhalb der Hauptgruppen
eingegangen wird.
169
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Aufnahmediagnose lt.ICD 10 (1.Int.)
45
40
39,4
35
30
Prozent [%]
26,5
25
20
16,7
15
10
5,3
5
2,9
2,9
2,1
1,9
1,3
0,8
0,3
F8
F5
F0
0
F3
F4
F9
F1
F2
Sonstige
F6
F7
Diagnose
Grafik 20: Aufnahmediagnose (1. Intervention)
Für die erste Intervention hat sich ergeben, dass insgesamt 149 Kinder und Jugendliche (=39,4%)
von „affektiven Störungen“ (F3) betroffen waren. Davon litten die meisten Kinder und Jugendliche
(139 = 36,8%) an einer depressiven Episode. Somit kann festegestellt werden, dass bei über 90%
(93,3%) der Kinder und Jugendlichen, die von affektiven Störungen betroffen waren, eine
depressive Episode diagnostiziert wurde.
In der untenstehenden Tabelle sind die Zahlen für die Diagnosegruppe der „affektiven Störungen“
aufgeschlüsselt.
Tabelle 17: Aufnahmediagnose (1.Int.)- F3
Diagnose
Manische Episode (F30)
Bipolare affektive Störung (F31)
Depressive Episode (F32)
Rezidivierende depressive Störung (F33)
Total
Frequency
3
1
139
6
149
Percent
0,8
0,3
36,6
1,6
39,2
Valid
Cumulative
Percent
Percent
0,8
0,8
0,3
1,1
36,8
37,8
1,6
39,4
39,4
Die zweithäufigste Diagnose bei der ersten Intervention waren „Neurotische-, Belastungs- und
somatoforme Störungen“(F4). Hiervon waren 100 Kinder und Jugendliche betroffen. Dies
entspricht einem Prozentsatz von 26,3% der aufgenommenen PatientInnen. Der größte Teil (80)
dieser Kinder und Jugendlichen wurde mit der Diagnose „Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen“ (F43) aufgenommen.
170
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 18: Aufnahmediagnose (1.Int.)- F4
Diagnose
Phobische Störung (F40)
Andere Angststörungen (F41)
Zwangsstörungen (F42)
Reaktionen auf schwere
Belastungen
Und Anpassungsstörungen (F43)
Total
Frequency
3
12
5
Percent
0,8
3,2
1,3
80
100
21,1
26,3
Valid
Cumulative
Percent
Percent
0,8
0,8
3,2
4,0
1,3
5,3
21,2
26,5
26,5
63 Kinder und Jugendliche (=16,7%) wurden mit einer Diagnose der Gruppe „Verhaltens- und
emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“(F9) aufgenommen. Hier wurden 25
Kinder und Jugendliche (=6,6%) mit „hyperkinetischer Störung“ (F90) und ebenso viele Kinder mit
einer „Störung des Sozialverhaltens“ (F91) aufgenommen. Dies entspricht jeweils 39,7% der
Kinder und Jugendlichen, die mit einer „Verhaltens- und emotionalen Störung mit Beginn in der
Kindheit und Jugend“ (F9) aufgenommen wurden.
Tabelle 19: Aufnahmediagnose (1.Int.)- F9
Diagnose
Hyperkinetische Störungen (F90)
Störung des Sozialverhaltens (F91)
Kombinierte Störungen des Sozialverhaltens
und der Emotionen (F92)
Emotionale Störungen des Kindesalters (F93)
Ticstörungen (F95)
Sonstige Verhaltens- und emotionale
Störungen
mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F98)
Total
Valid
Cumulative
Percent
Percent
6,6
6,6
6,6
13,2
Frequency
25
25
Percent
6,6
6,6
6
3
2
1,6
0,8
0,5
1,6
0,8
0,5
14,8
15,6
16,1
2
63
0,5
16,6
0,5
16,7
16,7
20 Kinder und Jugendliche bekamen bei der Aufnahme die Diagnose „Psychische und
Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ (F1). Fast bei der Hälfte dieser Kinder und
Jugendlichen, nämlich in 9 Fällen (=2,4%) handelte es sich um eine „Störung durch Alkohol“
(F10). Die andere gleich stark vertretene Gruppe mit ebenfalls 9 Personen (2,4%) wies die Diagnose
„Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen“
(F19) auf.
171
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 20: Aufnahmediagnose (1.Int)- F1
Diagnose
Störungen durch Alkohol (F10)
Störungen durch Opioide (F11)
Störungen durch Sedativa oder Hypnotika (F13)
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch
und Konsum anderer psychotroper Substanzen (F19)
Total
Frequency Percent
9
2,4
0,3
1
0,3
1
9
20
2,4
5,3
Valid
Cumulative
Percent
Percent
2,4
2,4
0,3
2,7
0,3
2,9
2,4
5,3
5,3
Bei 11 Kindern und Jugendlichen (=2,9%) lautete die Diagnose bei der Aufnahme der ersten
Intervention „Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen“ (F2). In 7 von diesen 11 Fällen
(=1,9%) handelte es sich um eine „akute vorübergehende psychotische Störung“ (F23). Dies
entspricht mehr als 60% (63,6%) der Kinder und Jugendlichen, die eine Diagnose aus der Gruppe
der „Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen“ (F2) aufwiesen.
Tabelle 21: Aufnahmediagnose (1.Int.)- F2
Diagnose
Schizophrenie (F20)
Anhaltende wahnhafte Störungen (F22)
Akute vorübergehende psychotische Störungen
(F23)
Nicht näher bezeichnete nichtorganische
Psychose (F29)
Total
An
dieser
Stelle
ist
von
Interesse,
ob
Valid
Cumulative
Percent
Percent
0,5
0,5
0,3
0,8
Frequency
2
1
Percent
0,5
0,3
7
1,8
1,9
2,6
1
11
0,3
2,9
0,3
2,9
2,9
es
in
Bezug
auf
die
Aufnahmediagnosen
geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Um dies zu berechnen, wurde der Chi-Quadrat Test
angewandt. Um das Chi- Quadrat berechnen zu können, wurden die Kategorien „Organische,
einschließlich
symptomatischer
psychischer
Störungen“
(F0);
„Persönlichkeits-
und
Verhaltensstörungen“ (F6); „Entwicklungsstörungen“ (F8), sowie „Intelligenzminderung“ (F7) aus
der Berechnung genommen, da hier zu geringe Fallzahlen vorlagen. Das heißt, insgesamt wurden
15 Fälle aus der Berechnung genommen.
Es zeigten sich sehr signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede (χ2= 0,000). Vor allem im
Bereich der „affektiven Störungen“ (F3) zeigte sich, dass signifikant mehr Mädchen von dieser
Diagnose betroffen waren. Im Bereich der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in
der Kindheit und Jugend“ (F9) ist festzustellen, dass hier signifikant mehr Burschen als Mädchen
betroffen waren. Dies sind Ergebnisse, die auch in anderen Studien zur Prävalenz bereits
beschrieben wurden. Es zeigt sich erneut, dass Burschen eher zu externalisierenden und Mädchen
eher zu internalisierenden Störungen neigen.
172
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Aufnahmediagnose lt. ICD10 (1.Int.)
100
91
90
80
70
Anzahl
60
56
50
46
46
40
40
30
20
10
11
9
6
7
5
7
1
0
F1
F2
F3
F4
Diagnose
Grafik 21: Aufnahmediagnose (1.Int.)- Geschlecht
Die Tabelle ist dem Anhang zu entnehmen.
173
F6
F9
weiblich
männlich
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.9.2
2. Intervention
Von den untersuchten Fällen, ist von insgesamt 118 Kindern und Jugendlichen die
Aufnahmediagnose bei der zweiten Intervention bekannt. Dies entspricht einem Prozentsatz von
31,1% (vgl. Tabelle 85: Aufnahmediagnose (1.Intervention); nach Häufigkeiten geordnet).
In der folgenden Grafik sind die wichtigsten Hauptdiagnosen bei der Aufnahme der zweiten
Intervention dargestellt, bevor im Anschluss auf die Verteilung innerhalb der Hauptgruppen
genauer eingegangen wird.
Aufnahmediagnose lt. ICD10 (2.Int.)
40
36,4
35
30
28,8
Prozent [%]
25
21,2
20
15
10
5,1
5
3,4
2,5
1,7
0,8
0
F3
F4
F9
F1
F2
F7
F6
F8
Diagnose
Grafik 22: Aufnahmediagnose (2. Intervention)
Bei über einem Drittel dieser Kinder und Jugendlichen war die Aufnahmediagnose eine Form der
„affektiven Störungen“ (F3). Um genau zu sein, wurde bei 43 Kindern (=36,4%) bei der zweiten
Aufnahme eine Form von affektiven Störungen diagnostiziert. Der größte Teil dieser Kinder und
Jugendlichen (32,2%) wurde wieder mit der Diagnose „Depressive Episode“ (F32) aufgenommen.
Dies entspricht einem Prozentsatz von 88,4% aller Kinder und Jugendlichen, die mit einer Diagnose
aus der Hauptgruppe der „affektiven Störungen“ (F3) aufgenommen wurden.
174
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 22: Aufnahmediagnose (2.Int.)- F3
Diagnose
Bipolare affektive Störung (F31)
Depressive Episode (F32)
Rezidivierende depressive Störung
(F33)
Total
Valid
Cumulative
Frequency Percent
Percent
Percent
3
0,8
2,5
2,5
38
10,0
32,2
34,7
2
43
0,5
11,3
1,7
36,4
36,4
Bei knapp 30% (28,8%) der Kinder und Jugendlichen, bei denen eine 2. psychiatrische Intervention
notwendig wurde, war die Diagnose bei der Aufnahme eine Form von „Neurotischer-, Belastungsund somatoformer Störung“ (F4). 27 Kinder und Jugendliche (=22,9%) wurden mit einer Diagnose
der Gruppe „Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“ (F43) aufgenommen.
Dies entspricht einem Prozentsatz von 79,4% aller mit einer Diagnose aus der Gruppe der
„neurotischen-, Belastungs- und somatoformen Störung“ (F4) aufgenommenen Kinder und
Jugendlichen.
Tabelle 23: Aufnahmediagnose (2.Int.)- F4
Valid
Cumulative
Percent
Percent
Frequency Percent
1
0,3
0,8
0,8
3
0,8
2,5
3,4
0,5
1,7
5,1
2
Diagnose
Phobische Störung (F40)
Andere Angststörungen (F41)
Zwangsstörung (F42)
Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (F43)
Somatoforme Störungen (F45)
Total
27
1
34
7,1
0,3
8,9
22,9
0,8
28,8
28,0
28,8
Die dritthäufigsten Aufnahmediagnosen bei der 2. Intervention sind der Kategorie „Verhaltens- und
emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) zuzuordnen. Diese wurde bei
etwa einem Fünftel (genau 21,2%) der Kinder und Jugendlichen, die zum zweiten Mal
aufgenommen wurden, diagnostiziert. Etwa die Hälfte dieser Kinder und Jugendlichen wurden mit
der Diagnose „kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen“ (F92) aufgenommen.
Tabelle 24: Aufnahmediagnose (2.Int.)- F9
Diagnose
Hyperkinetische Störungen (F90)
Störung des Sozialverhaltens (F91)
Kombinierte Störungen des Sozialverhaltens und
der Emotionen (F92)
Total
175
Frequency
8
5
Percent
2,1
1,3
12
25
3,2
6,6
Valid
Cumulative
Percent
Percent
6,8
6,8
4,2
11,0
10,2
21,2
21,2
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Auch an dieser Stelle soll noch einmal berechnet werden, inwieweit ein geschlechtsspezifischer
Unterschied in Bezug auf die Aufnahmediagnosen der zweiten Intervention vorliegt. Hier konnten
in die Berechnung nur die Diagnosegruppen „affektive Störungen“ (F3); „Neurotische-, Belastungsund somatoforme Störungen“(F4) sowie „Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der
Kindheit und Jugend“ (F9) einbezogen werden, da die Fallzahlen der anderen Diagnosegruppen zu
gering waren und somit die Bedingungen um einen Chi- Quadrat Test errechnen zu können nicht
erfüllt waren. Aufgrund dieser 3 Diagnosegruppen lässt sich allerdings wieder mit einem χ2 von
0,000 ein sehr signifikanter Unterschied beweisen. Erneut zeigt sich, dass mehr Mädchen von
„affektiven Störungen“(F3) und mehr Burschen von „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit
Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) betroffen waren, während von „Neurotischen-,
Belastungs- und somatoformen Störungen“(F4) annähernd gleich viele Burschen wie Mädchen
betroffen waren. Dieses Ergebnis ist der nachfolgenden Grafik (Grafik 23: Aufnahmediagnose (2.
Int.) –Geschlecht) genauer zu entnehmen.
Aufnahmediagnose lt. ICD10 (2.Int)
35
32
30
25
20
Anzahl
18
18
15
13
10
10
4
5
0
F3
F4
Diagnose
Grafik 23: Aufnahmediagnose (2. Int.) –Geschlecht
176
F9
weiblich
männlich
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.9.3
3. Intervention
Die zwei wichtigsten Diagnosen bei den 51 Kindern und Jugendlichen (=13,4% vom Gesamten),
von denen die Aufnahmediagnose der dritten Intervention bekannt ist, sind ähnlich wie bei der
zweiten Intervention, wiederum „Affektive Störungen“ (F3) und „Neurotische Belastungs- und
somatoforme Störungen“ (F4).
Zur besseren Übersicht soll die Verteilung der Diagnosen in Bezug auf die Hauptgruppen in der
folgenden Grafik veranschaulicht werden, bevor wiederum die Verteilung innerhalb der
Hauptgruppen beschrieben wird.
Aufnahmediagnose lt. ICD 10 (3.Int.)
35
33,3
29,4
30
Prozent [%]
25
20
17,6
15
9,8
10
5
3,9
3,90
2
0
F3
F4
F2
F9
F1
F6
F7
Diagnose
Grafik 24: Aufnahmediagnose (3. Intervention)
Von diesen 51 Kindern und Jugendlichen wurde ein Drittel, nämlich 17 Kinder und Jugendliche
(=33,3%), mit einer Hauptdiagnose aufgenommen, die laut ICD10 der Kategorie der „affektiven
Störungen“ zuzuordnen ist. Hier überwiegt wieder- wie bei der ersten und zweiten Intervention- die
Diagnose der „Depressiven Episode“ (F32), von der 15 Kinder und Jugendliche (=29,4%) betroffen
waren. Dies entspricht einem Prozentsatz von 88,2% von den Kindern und Jugendlichen, die von
„affektiven Störungen“ (F3) betroffen waren.
177
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 25: Aufnahmediagnose (3.Int.)- F3
Diagnose
Bipolare affektive Störungen (F31)
Depressive Episode (F32)
Rezidivierende depressive Störungen
(F33)
Total
Frequency
1
15
Percent
0,3
3,9
1
17
0,3
4,5
Valid
Cumulative
Percent
Percent
2,0
2,0
29,4
31,4
2,0
33,3
33,3
Weitere 15 Kinder und Jugendliche (=29,4%) wurden bei der 3. Intervention mit einer F4Diagnose, das bedeutet, einer der Hauptgruppe „neurotische-, Belastungs- und somatoforme
Störungen“ zuzuordnenden Diagnose, aufgenommen. 14 Kinder und Jugendliche (=27,5%) wurden
bei der 3. Aufnahme mit der Diagnose „Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen“ beschrieben. Dies entspricht einem Prozentsatz von 93,3% innerhalb der
Gruppe der„neurotischen-, Belastungs- und somatoformen Störungen“.
Tabelle 26: Aufnahmediagnose (3. Intervention)- F4
Diagnose
Zwangsstörung (F42)
Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (F43)
Total
Frequency
1
Percent
0,3
14
15
3,7
3,9
Valid
Cumulative
Percent
Percent
2,0
2,0
27,5
29,4
29,4
Die drittwichtigsten Hauptdiagnosen bei der 3. Aufnahme sind anders als bei der 2. Intervention,
der Kategorie „Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen“ (F2) zuzuordnen. Davon
waren 9 Kinder und Jugendliche (=18%) betroffen. 6 Kinder und Jugendliche (=11,8%) wurden mit
der Diagnose „Akute vorübergehende psychotische Störungen“ aufgenommen. Somit kann
festgestellt werden, dass zwei Drittel (66,7%) der Kinder und Jugendlichen, die mit einer Diagnose
aus der Gruppe der „Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen“ (F2) unter einer „akuten
vorübergehenden psychotischen Störungen“ (F23) litten.
Tabelle 27: Aufnahmediagnose (3. Int.)- F2
Diagnose
Schizophrenie (F20)
Akute vorübergehende psychotische Störungen
(F23)
Schizoaffektive Störungen (F25)
Total
178
Frequency
1
Percent
0,3
6
2
9
1,6
0,5
2,4
Valid
Percent
Cumulative
Percent
2
2
11,8
3,9
18
14
18
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.9.4
4. Intervention
Die vier häufigsten Diagnosen bei der vierten Aufnahme fallen nach ICD10 unter die Kategorien,
„Neurotische-, Belastungs- und somatoforme Störungen“ (F4); „Verhaltens- und emotionale
Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9); „Psychische und Verhaltensstörungen
durch psychotrope Substanzen“ (F1) und „Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen“
(F2). Die Verteilung ist der untenstehenden Grafik 25: Aufnahmediagnose (4. Intervention) zu
entnehmen.
Aufnahmediagnose lt. ICD10 (4.Int.)
35
30
29,4
Prozent [%]
25
23,5
20
17,6
15
11,8
10
5,9
5,9
5,9
F3
F7
sonstige
5
0
F4
F9
F1
F2
Diagnose
Grafik 25: Aufnahmediagnose (4. Intervention)
Von „Neurotischen-, Belastungs- und somatoformen Störungen“ (F4) waren von 17 Kindern und
Jugendlichen, bei denen eine 4. Intervention notwendig wurde, 4 Kinder und Jugendliche (=29,4%)
betroffen. Diese wurden alle mit der Diagnose „Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen“ (F43) aufgenommen.
Tabelle 28: Aufnahmediagnose (4.Int.)- F4
Diagnose
Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (F43)
Total
Valid
Percent
Frequency Percent
5
5
1,3
1,3
29,4
29,4
Cumulative
Percent
29,4
Die zweithäufigste Diagnose, „Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit
und Jugend“ (F9), betraf 4 Kinder und Jugendliche (=23,5%).
179
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 29: Aufnahmediagnose (4.Int.)- F9
Diagnose
Hyperkinetische Störungen (F90)
Störung des Sozialverhaltens (F91)
Kombinierte Störungen des Sozialverhaltens und
der Emotionen (F92)
Total
3
Kinder
und
Jugendliche
(=17,6%)
Frequency
2
1
Percent
0,5
0,3
1
4
0,3
1,1
wurden
mit
der
Valid
Cumulative
Percent
Percent
11,8
11,8
5,9
17,6
Diagnose
5,9
23,5
„Psychische
23,5
und
Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ (F1), aufgenommen.
Tabelle 30: Aufnahmediagnose (4.Int.)- F1
Diagnose
Störungen durch Alkohol (F10)
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen (F19)
Total
Frequency
2
Percent
0,5
1
3
0,3
0,8
Valid
Cumulative
Percent
Percent
11,8
11,8
5,9
17,6
17,6
2 Kinder und Jugendliche (=11,8%) wurden mit einer der Kategorie „Schizophrenie, schizotype und
wahnhafte Störungen“ (F2) zuzuordnenden Diagnose aufgenommen. Ein Kind oder Jugendlicher
war dabei von „Anhaltenden wahnhaften Störungen“ (F22) betroffen, während im zweiten Fall eine
„akute vorübergehende psychotische Störung“ (F23) diagnostiziert wurde.
12.1.1.9.5
5. Intervention
Insgesamt ist von 10 Kindern und Jugendlichen (=2,6% der Gesamtstichprobe) bekannt, dass eine
5. Intervention notwendig wurde. In diesen Fällen waren 4 Hauptdiagnosegruppen laut ICD10
vorherrschend. Bei jeweils drei Kindern und Jugendlichen (=30%) wurde eine den Kategorien
„Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen“ (F2) oder „Verhaltens- und emotionale
Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“(F9) zuzuordnende Störung diagnostiziert. In
jeweils 2 Fällen (=20%) ist die Diagnose den Kategorien „Neurotische-, Belastungs- und
somatoforme Störungen“(F4) und „Intelligenzminderung“ (F7) zuzuordnen.
Diese Ergebnisse seien in der untenstehenden Grafik (Grafik 26: Aufnahmediagnose (5.
Intervention) noch einmal verdeutlicht.
180
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Aufnahmediagnose lt. ICD10 (5.Int.)
35
30
30
30
Prozent [%]
25
20
20
20
F4
F7
15
10
5
0
F2
F9
Diagnose
Grafik 26: Aufnahmediagnose (5. Intervention)
12.1.1.9.6
Resümee
Im Verlauf der Interventionen zeigt sich, dass während der ersten drei Interventionen die
Hauptgruppe der „affektiven Störungen“ (F3) am stärksten vertreten war. Bei der 4. Intervention
waren jedoch nur mehr 5,9% der Kinder und Jugendlichen von einer Diagnose aus dieser
Hauptgruppe betroffen. Bei der 5. Intervention verflüchtigt sich diese Diagnosegruppe komplett.
Das heißt, bei der fünften Intervention wurde kein Kind bzw. Jugendlicher mit einer Diagnose aus
der Gruppe der „affektiven Störungen“ (F3) aufgenommen.
Die Hauptgruppe der „Neurotischen-, Belastungs- und somatoformen Störungen“(F4) macht bei
jeder einzelnen Intervention einen konstanten Teil aus, ebenso wie die Hauptgruppe der
„Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“(F9). Dies könnte
bedeuten, dass vor allem Kinder und Jugendliche mit Störungen aus diesen Gruppen häufigere
Interventionen benötigen.
Vor allem auch der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die laut Dokumentenanalyse mit einer
Störung aus dem Bereich der „Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit
und Jugend“(F9) macht über die Interventionen hinweg laut Dokumentenanalyse einen Anteil von
durchschnittlich 20%, also einem Fünftel aus. In der Literatur wird der Anteil als noch größer
beschrieben. So schreibt Remschmidt (2005: 307f.) über die dissoziale Störungen: „In den letzten
Jahren hat die Prävalenz dissozialer Störungen erheblich zugenommen. Sie machen 30% bis 50%
181
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
aller kinder- und jugendpsychiatrischen Zuweisungen aus.“ Nachdem hier jedoch keine Studie
zitiert ist, scheint es sich hier eher um eine Schätzung zu handeln.
Auch die Gruppe der „Schizophrenie, schizotype und wahnhaften Störungen“ (F2) nimmt im
Verlauf der Interventionen an Bedeutung zu. Bei der ersten Intervention litten 2,9% der Kinder und
Jugendlichen an einer Störung aus dem Bereich der „Schizophrenie, schizotype und wahnhafte
Störungen“ (F2) während der Prozentsatz steigt und bei der 5. Intervention schon 30% ausmacht.
Von den 10 Kindern, die mindestens fünf Interventionen benötigten, wurden drei mit einer
Diagnose aus diesem Bereich aufgenommen. Dies kann ein deutlicher Hinweis darauf sein, dass
Kinder und Jugendliche mit einer Diagnose aufgrund der Schwere dieses Störungsbildes häufigere
Interventionen benötigen. Im gesamten kann man jedoch aufgrund der Dokumentenanalyse
feststellen, dass 2-3% der Gesamtstischprobe an einer der Gruppe der „Schizophrenie, schizotypen
und wahnhaften Störungen“ (F2) zuzuordnenden Störung litten. Dies ist ein ähnliches Ergebnis, wie
es auch in der Literatur beschrieben wird. So heißt es z.B. bei Remschmidt (2005: 205): „Im
Krankengut kinder- und jugendpsychiatrischer Kliniken liegt die Quote schizophrener
Erkrankungen bei Kindern etwa bei 1-2%, bei Jugendlichen bei 2-3%.“
12.1.1.10 Entlassungsdiagnose
In diesem Kapitel werden in Anlehnung an das Kapitel Aufnahmediagnose, die Ergebnisse in Bezug
auf die Entlassungsdiagnosen für die jeweilige Intervention beschrieben. Dazu wurden die
differenzierten Diagnosen wieder in Übergruppen nach ICD 10 zusammengefasst.
12.1.1.10.1 1. Intervention
Die häufigsten Entlassungsdiagnosen sind
bei der ersten Intervention den Gruppen der
„neurotischen Belastungs- und somatoformen Störungen“(F4) sowie der „affektiven Störungen“
(F3) zuzuordnen. Mit Diagnosen aus diesen beiden Bereichen wurden etwa zwei Drittel der Kinder
und Jugendlichen entlassen. Insgesamt wurden 118 Kinder und Jugendliche (=32,2%) mit einer
Diagnose aus der Kategorie der „neurotischen Belastungs- und somatoformen Störungen“ (F4)
beschrieben. Der überwiegende Teil der Diagnosen aus dieser Diagnosegruppe sind der Kategorie
der „Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“ (F43) zuzuordnen. Insgesamt
wurde etwa ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen (92) bei der ersten Intervention mit einer
Diagnose aus dieser Kategorie entlassen.
In der untenstehenden Grafik 27 sind die Häufigkeiten der einzelnen Entlassungsdiagnosen in den
Diagnosegruppen zusammengefasst und dargestellt. Hier ist erneut deutlich zu sehen, dass die
Diagnosen aus den Gruppen F4, F3 und F9 am häufigsten vorkommen. Unter Sonstige wurden jene
Diagnosen subsumiert, die keine F- Diagnosen nach ICD10 sind.
182
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Entlassungsdiagnose lt. ICD 10 (1.Int.)
35
32,2
30,5
30
Prozent [%]
25
20
16,1
15
10
5,2
5
4,6
3,3
3,3
2,5
1,4
1,1
F8
F5
0
F4
F3
F9
Sonstige
F1
F2
F7
F6
Diagnose
Grafik 27: Entlassungsdiagnose (1. Intervention)
112 Kindern und Jugendlichen (=30,5%) wurde am Ende der ersten Intervention eine Diagnose aus
dem Bereich der „affektiven Störungen“(F3) zugeschrieben. Hier waren Diagnosen aus der
Untergruppe der „depressiven Episode“(F32) vorherrschend. Nach der ersten Intervention wurden
insgesamt 108 Kinder und Jugendliche (=29,4%) mit einer Form der „depressiven Episode“(F32)
entlassen. Diagnosen aus dem Bereich der „bipolaren affektiven Störung“ (F31) sowie aus dem
Bereich der „rezidivierenden depressiven Störungen“ (F33) spielten bei der ersten Intervention nur
am Rande eine Rolle. Den nachfolgenden Tabellen (Tabelle 31: Entlassungsdiagnose (1.Int.)- F4;
Tabelle 32: Entlassungsdiagnose (1.Int.)- F3) sind die groben Unterteilungen der Diagnose F4 und
F3 zu entnehmen. Eine Auflistung der genauen Diagnosen und deren Häufigkeiten sind im Anhang
zu finden.
Tabelle 31: Entlassungsdiagnose (1.Int.)- F4
Diagnose
Frequency
phobische Störungen (F40)
andere Angststörungen (F41)
Zwangsstörungen (F42)
Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (F43)
somatoforme Störungen (F45)
Total
183
Percent
Valid
Percent
Cumulative
Percent
1
0,3
0,3
0,3
19
5
5
1,3
5,2
1,4
5,5
6,8
92
24,2
25,1
31,9
32,2
1
0,3
0,3
118
31,1
32,2
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 32: Entlassungsdiagnose (1.Int.)- F3
Diagnose
Frequency
Bipolare affektive Störung (F31)
Depressive Episode (F32)
Rezidivierende depressive Störungen (F33)
Total
2
108
2
112
Percent
0,5
28,4
0,5
29,5
Valid
Percent
0,5
29,4
0,5
30,5
Cumulative
Percent
0,5
30,0
30,5
Einen weiteren wichtigen Bereich stellen Diagnosen aus der Kategorie der „Verhaltens- und
emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) dar. Mit einer Diagnose aus
dieser Gruppe wurden am Ende der ersten Intervention 59 Kinder und Jugendliche (=16,1%)
beschrieben. Hierbei stellten die „hyperkinetische Störung“ (F90) sowie die „Störungen des
Sozialverhaltens“ die häufigsten Diagnosen dar.
„Ticstörungen“ (F95) sowie die Diagnose der „psychischen Störung ohne nähere Angaben“ (F99)
wurden am Ende der ersten Intervention lediglich einmal gestellt. Eine Übersicht ist wiederum in
der nachstehenden Tabelle 33 gegeben.
Tabelle 33: Entlassungsdiagnose (1.Int.)- F9
Diagnose
Frequency
hyperkinetische Störung (F90)
Störungen des Sozialverhaltens (F91)
kombinierte Störungen des Sozialverhaltens und der
Emotionen (F92)
emotionale Störungen des Kindesalters (F93)
Ticstörungen (F95)
psychische Störung ohne nähere Angaben (F99)
Total
Percent
Valid
Percent
Cumulative
Percent
26
20
6,8
5,3
7,1
5,4
7,1
12,5
7
1,8
1,9
14,4
4
1
1
1,1
0,3
0,3
1,1
0,3
0,3
15,5
15,8
16,1
59
15,6
16,1
12.1.1.10.2 2. Intervention
Die vorherrschenden Diagnosegruppen bei der zweiten Entlassung sind, ähnlich wie nach der ersten
Intervention, die Gruppe der „affektiven Störungen“ (F3), die Gruppe der „neurotischen,
Belastungs- und somatoformen Störungen“ (F4) sowie die Gruppe der „Verhaltens- und
emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“(F9), allerdings in anders
ausgeprägten Häufigkeiten. Die häufigste Diagnosegruppe nach der zweiten Intervention war die
der „affektiven Störungen“ (F3) mit 34,2 % während die häufigsten Entlassungsdiagnosen nach der
ersten Intervention mit 32,2% aus der Gruppe der „neurotischen, Belastungs- und somatoformen
Störungen“ (F4) stammten. So wurden nach der ersten Intervention 30,5% der Kinder und
Jugendlichen mit einer Diagnose aus der Gruppe der „affektiven Störungen“(F3) entlassen, während
184
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
nach der zweiten Intervention 34,2% von dieser Diagnose betroffen waren. Nach der ersten
Intervention wurden 32,2% der behandelten Kinder und Jugendlichen mit einer Diagnose aus der
Gruppe der „neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen“ (F4)“ beschrieben, während
nach der zweiten Intervention 26,3% mit einer Diagnose aus dieser Gruppe entlassen wurden. Auch
in der Gruppe der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“
(F9) verhält es sich ähnlich. Hier wurde nach der ersten Intervention bei 16,1% der Kinder und
Jugendlichen und nach der zweiten Intervention bei 14,9% eine Störung aus dieser Gruppe
diagnostiziert. Es lässt sich an dieser Stelle also festhalten, dass einerseits die „affektiven
Störungen“ (F3) und die neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen“ (F4)“ den ersten
Platz wechseln, sowie die Häufigkeiten in den einzelnen Diagnosegruppen weniger ausgeprägt sind.
In der folgenden Grafik ist die Verteilung der Diagnosen am Ende der zweiten Intervention noch
einmal in Diagnosegruppen zusammengefasst graphisch dargestellt.
Entlassungsdiagnose lt. ICD 10 (2.Int.)
40
35
34,2
30
26,3
Prozent [%]
25
20
14,9
15
10,5
10
5,3
5
3,5
3,5
0,9
0,9
F6
F8
0
F3
F4
F9
F1
F2
F7
sonstige
Diagnose
Grafik 28: Entlassungsdiagnose (2. Intervention)
Die häufigsten Diagnosen am Ende der zweiten Intervention sind, wie bereits erwähnt, dem Bereich
der „affektiven Störungen“ (F3) zuzuordnen. Von einer Diagnose aus dieser Gruppe waren 39
Kinder und Jugendliche betroffen. Dies entspricht einem Prozentsatz von 34,2% von den Kindern
und Jugendlichen, bei denen eine zweite oder mehr Interventionen notwendig waren. Davon wurde
bei 32 Kindern und Jugendlichen (=28,1%) eine Form der „depressiven Episode“ (F32)
diagnostiziert.
185
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 34: Entlassungsdiagnose (2.Int.)- F3
Diagnose
Frequency
3
32
4
39
Bipolare affektive Störung (F31)
Depressive Episode (F32)
Rezidivierende depressive Störungen (F33)
Total
Percent
0,8
8,4
1,1
10,3
Valid
Cumulative
Percent
Percent
2,6
2,6
28,1
30,7
3,5
34,2
34,2
30 Kinder und Jugendliche (=26,3%) wurden bei der Entlassung mit einer Diagnose aus der
Gruppe der „neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen“ (F4) beschrieben. In dieser
Gruppe stellte der Bereich der „Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“
(F43) den größten Teil dar.
Tabelle 35: Entlassungsdiagnose (2.Int.)- F4
Diagnose
Andere Angststörungen (F41)
Zwangsstörung (F42)
Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (F43)
Total
Frequency
2
2
Percent
0,5
0,5
26
30
6,8
7,9
Valid
Cumulative
Percent
Percent
1,8
1,8
1,8
3,5
22,8
26,3
26,3
17 Kinder und Jugendliche wurden bei der 2. Intervention mit einer Diagnose aus der Gruppe der
„Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) entlassen.
Dies entspricht dem Prozentsatz von 14,9% von allen Kindern und Jugendlichen, bei denen eine
zweite psychiatrische Intervention notwendig wurde. In dieser Gruppe beinhalten die Kategorien
der „hyperkinetischen Störungen“ (F90) und der „kombinierten Störungen des Sozialverhaltens und
der Emotionen“(F92) die häufigsten Diagnosen in diesem Bereich.
Tabelle 36: Entlassungsdiagnose (2. Int.)- F9
Diagnose
Hyperkinetische Störungen (F90)
Störungen des Sozialverhaltens (F91)
Kombinierte Störungen des Sozialverhaltens und der
Emotionen (F92)
Sonstige Verhaltens- und emotionale Störungen mit
Beginn in der Kindheit und Jugend (F98)
Total
Valid
Cumulative
Percent
Percent
5,3
5,3
2,6
7,9
Frequency
6
3
Percent
1,6
0,8
7
1,8
6,1
14,0
1
17
0,3
4,5
0,9
14,9
14,9
186
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.10.3 3. Intervention
Auch bei der dritten Intervention gestaltet sich die Verteilung der Entlassungsdiagnosen ähnlich wie
bei den vorhergehenden Interventionen. Die wichtigsten Diagnosegruppen sind erneut: „neurotische
Belastungs- und somatoforme Störungen“ (F4), „affektive Störungen“ (F3) und „Verhaltens- und
emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9). Allerdings ist hier die
Diagnosegruppe der „affektiven Störungen“ (F3) wieder an erster Stelle, während die „neurotische
Belastungs- und somatoforme Störungen“ (F4) bei dieser Intervention an die zweite Stelle rücken.
Die Diagnosegruppe der „Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und
Jugend“ (F9) bleibt wie bei den vorhergehenden Interventionen an dritter Stelle. Dies soll durch die
untenstehende Grafik 29 verdeutlicht werden.
Entlassungsdiagnose lt. ICD 10 (3.Int.)
35
30,6
30
26,5
Prozent [%]
25
20
18,4
15
12,2
10
4,1
5
4,1
2
2
F0
F7
0
F4
F3
F9
F2
F1
F6
Diagnose
Grafik 29: Entlassungsdiagnose (3. Intervention)
Etwa ein Drittel der Kinder und Jugendlichen (30,6%), die eine 3. Intervention benötigten, wurde
mit einer Diagnose aus der Gruppe der „neurotischen Belastungs- und somatoformen Störungen“
(F4) entlassen.
Tabelle 37: Entlassungsdiagnose (3.Int.)- F4
Diagnose
Zwangsstörungen (F42)
Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (F43)
Total
Frequency
2
Percent
0,5
13
15
3,4
3,9
187
Valid
Cumulative
Percent
Percent
4,1
4,1
26,5
30,6
30,6
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen (26,5%) wurde mit einer Diagnose aus dem Bereich
der „affektiven Störungen“ (F3) entlassen. Hier stellen die Diagnosen, die dem Bereich der
„depressiven Episode“ zuzuordnen sind, wieder den größten Teil dar.
Tabelle 38: Entlassungsdiagnose (3. Int.)- F3
Diagnose
Frequency
3
10
13
Bipolare affektive Störung (F31)
Depressive Episode (F32)
Total
Percent
0,8
2,6
3,4
Valid
Cumulative
Percent
Percent
6,1
6,1
20,4
26,5
26,5
9 Kinder und Jugendliche (=18,4%), von denen bekannt ist, dass eine dritte Intervention notwendig
wurde, wurden mit einer Diagnose aus der Gruppe der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit
Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) entlassen.
Tabelle 39: Entlassungsdiagnose (3.Int.)- F9
Diagnose
Hyperkinetische Störungen (F90)
Störungen des Sozialverhaltens (F91)
Kombinierte Störungen des Sozialverhaltens und der
Emotionen (F92)
Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der
Kindheit und Jugend (F94)
Ticstörungen (F95)
Total
Valid
Cumulative
Percent
Percent
6,1
6,1
2,0
8,2
Frequency
3
1
Percent
0,8
0,3
3
0,8
6,1
14,3
1
1
9
0,3
0,3
2,4
2,0
2,0
18,4
16,3
18,4
12.1.1.10.4 4.Intervention
Bei der 4. Intervention stellen die Diagnosen der „neurotischen, Belastungs- und somatoformen
Störungen“ (F4); der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und
Jugend“ (F9) sowie der „psychischen Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ (F1) die
Haupt- Entlassungsdiagnosen dar.
Hier kann festgestellt werden, dass die Gruppe der „neurotischen, Belastungs- und somatoformen
Störungen“ (F4) an erster Stelle bleibt, während die „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit
Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) an die zweite Stelle rücken. Die affektiven Störungen
verlieren bei der vierten Intervention an Bedeutung und rücken mit nur mehr 5,9% nach hinten.
In der folgenden Grafik 30 ist die Verteilung der Entlassungsdiagnosen bei der 4. Intervention
dargestellt. In der Tabelle 95 im Anhang können die Häufigkeiten in Bezug auf die genauen
Diagnosen entnommen werden.
188
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Entlassungsdiagnose lt. ICD 10 (4.Int.)
45
41,2
40
35
Prozent [%]
30
25
23,5
20
17,6
15
11,8
10
5,9
5
0
F4
F9
F1
F7
F3
Diagnose
Grafik 30: Entlassungsdiagnose (4. Intervention)
Der größte Teil der Kinder und Jugendlichen- nämlich 7 Kinder und Jugendliche (=41,2%) wurden
bei der 4. Intervention mit der Diagnose „Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen“ (F43) entlassen.
Tabelle 40: Entlassungsdiagnose (4.Int.)-F4
Diagnose
Reaktionen auf schwere Belastungen und
Anpassungsstörungen (F43)
Total
Frequency
7
7
Percent
1,8
1,8
Valid
Percent
Cumulative
Percent
41,2
41,2
41,2
4 Kinder und Jugendliche wurden bei der 4. Entlassung mit einer Diagnose aus der Gruppe der
„Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) beschrieben.
Hier stellen die Bereiche der „Hyperkinetischen Störungen“ (F90) und der „Störungen des
Sozialverhaltens“ (F91) jene zwei Bereiche dar, die bei der 4. Entlassung am häufisten waren.
Tabelle 41: Entlassungsdiagnose (4. Int.)- F9
Diagnose
Hyperkinetische Störungen (F90)
Störungen des Sozialverhaltens (F91)
Total
Frequency
2
2
4
189
Percent
0,5
0,5
1,1
Valid
Cumulative
Percent
Percent
11,8
11,8
11,8
23,5
23,5
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Die drittwichtigste Diagnose bei der Entlassung der Kinder und Jugendlichen, von denen bekannt
ist, dass mind. 4 Interventionen notwendig waren, stellt die Diagnosegruppe der „psychischen und
Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ (F1) dar. Mit einer Diagnose aus dieser
Gruppe wurden 3 Kinder und Jugendliche entlassen. Dies entspricht 17,6% der Kinder und
Jugendlichen, bei denen mind. 4 Interventionen notwendig waren.
Tabelle 42: Entlassungsdiagnose (4. Int.)- F1
Diagnose
Frequency
Störungen durch Alkohol (F10)
Störungen durch Cannabinoide (F12)
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen (F19)
Total
Percent
Valid
Percent
Cumulative
Percent
1
1
0,3
0,3
5,9
5,9
5,9
11,8
1
0,3
5,9
17,6
3
0,8
17,6
Von einer Diagnose aus dem Bereich der „Intelligenzminderung“ (F7) waren am Ende der 4.
Intervention 2 Kinder und Jugendliche (=11,8%); von einer Diagnose aus dem Bereich der
„affektiven Störungen“ (F3) war ein Kind oder Jugendlicher (=5,9%) betroffen.
12.1.1.10.5 5.Intervention
Von den 10 Kindern und Jugendlichen, bei denen mindestens 5 Interventionen notwendig waren,
wurden 3 Kinder und Jugendliche (=30%) mit einer Diagnose aus der Gruppe der „Neurotischen,
Belastungs- und somatoformen Störungen“ (F4) und 2 Kinder und Jugendliche (=20%) mit einer
Diagnose aus der Gruppe der „Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen“ (F2)
entlassen. Ebenfalls 2 Kinder und Jugendliche (=20%) wurden mit einer Diagnose aus dem Bereich
der „affektiven Störungen“ (F3) beschrieben. Weitere 2 Kinder und Jugendliche (=20%) wurden
mit einer Diagnose aus der Gruppe der „Intelligenzminderung“ (F7) entlassen und 1 Kind oder
Jugendlicher wurde mit einer Diagnose aus der Gruppe der „Psychischen und Verhaltensstörungen
durch psychotrope Substanzen“ (F1) beschrieben.
Hier bleibt die Diagnosegruppe der „Neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen“ (F4)
an erster Stelle. Auffallend ist, dass die Gruppe der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit
Beginn in der Kindheit und Jugend“ als Entlassungsdiagnose nach der fünften Intervention nicht
mehr vorkommt. Dafür gewinnt die Diagnosegruppe der „Schizophrenie, schizotypen und
wahnhaften Störungen“ (F2) an Bedeutung und macht an dieser Stelle ein Viertel der PatientInnen
aus, die mindestens fünf Interventionen benötigten. Ein Grund dafür könnte sein, dass man
eventuell mit dieser Diagnose eher vorsichtig ist, da eine diagnostizierte Schizophrenie eine
einschneidende Diagnose ist, die schon einen gewissen Verlauf impliziert. Nach der fünften
190
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Intervention lässt sich allerdings vielleicht schon mit einer höheren Gewissheit diese Diagnose
stellen.
Diese Verteilung ist der untenstehenden Grafik 31 zu entnehmen.
Entlassungsdiagnose lt. ICD 10 (5.Int.)
35
30
30
Prozent [%]
25
20
20
20
20
15
10
10
5
0
F4
F2
F3
F7
F1
Diagnose
Grafik 31: Entlassungsdiagnose (5. Intervention)
12.1.1.10.6 Resümee
Im Verlauf der Interventionen zeigt sich, dass anders als bei den Aufnahmediagnosen die Gruppe
der „Neurotischen-, Belastungs- und somatoformen Störungen“(F4) im Vordergrund steht. Bei der
zweiten Intervention wird diese jedoch von den „affektiven Störungen“ (F3) an der ersten Stelle
abgelöst, während die „Neurotischen-, Belastungs- und somatoformen Störungen“(F4) bei den
weiteren Interventionen wieder an der Spitze stehen. Ein Grund für diesen Unterschied zwischen
Aufnahme- und Entlassungsdiagnosen könnte darin liegen, dass gewisse Symptome vielleicht
vorerst einem Störungsbild der „affektiven Störungen“ (F3) wie z.B. einer „depressiven Episode“
zugeordnet werden, sich jedoch im Verlauf der Behandlung herausstellt, dass hinter diesen
Symptomen
ein
Trauma
steht,
weshalb
dann
die
Diagnose
der
„Posttraumatischen
Belastungsstörung“ gewählt wird. Vor allem bei der vierten Intervention zeigt sich ein deutlicher
Wandel. Hier rücken die „affektiven Störungen“ plötzlich in den Hintergrund, zugunsten der
„Neurotischen-, Belastungs- und somatoformen Störungen“(F4), die 41, 2% ausmachen.
Die Diagnosegruppe der „Psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“
gewinnt vor allem bei der vierten Intervention an Bedeutung. Hier wurden 17,6% der Kinder und
191
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Jugendlichen mit einer Diagnose aus diesem Bereich entlassen. Dies korreliert sehr stark mit den
Aufnahmediagnosen, da ebenfalls 17,6% der Kinder und Jugendlichen mit dieser Diagnose
aufgenommen wurden. Man kann annehmen, dass diese Diagnose von der Aufnahme bis zur
Entlassung beibehalten wurde und sich hier keine Änderungen ergeben haben.
Die Gruppe der „Intelligenzminderung“ (F7) nimmt ebenfalls stetig über die Interventionen hinweg
zu. So steigt der Prozentsatz von den ersten beiden Interventionen mit 3,5% über einem Knick von
2% bei der dritten Intervention bis hin zu 11,8% bei der vierten und schließlich 20% bei der fünften
Intervention. Hier zeigt sich auch bei den Aufnahmediagnosen ein ähnliches Bild.
Bei der Diagnosegruppe der „Schizophrenie, schizotypen und wahnhaften Störungen“ (F2) zeigt
sich ein sehr interessantes Ergebnis. Diese Gruppe verschwindet bei der vierten Intervention in
Bezug auf die Entlassungsdiagnosen komplett. Das heißt bei der vierten Intervention wurde kein
Kind oder Jugendlicher mit dieser Diagnose entlassen, obwohl 11,8% der Kinder und Jugendlichen
mit dieser Diagnose aufgenommen wurde. Schließlich wurden bei der fünften Intervention wieder
30% mit dieser Diagnose aufgenommen und 20% mit einer Diagnose aus dieser Gruppe entlassen.
Obwohl es sich hier um die gleichen Kinder und Jugendlichen handelt, die mehrmals behandelt
wurden, gibt es hier gravierende Unterschiede in den Diagnosen. Dies könnte vor allem damit
zusammen hängen, dass mit dieser Diagnose eher vorsichtig umgegangen wird, da eine
diagnostizierte Schizophrenie einen erheblichen Einschnitt darstellt.
Die Diagnosegruppe der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und
Jugend“ (F9) stellt während der ersten Interventionen einen wichtigen Teil dar und hält sich meist
an dritter Stelle. Bei der fünften Intervention jedoch stammt keine Entlassungsdiagnose aus dieser
Gruppe, obwohl 30% der Kinder und Jugendlichen mit einer Diagnose aus diesem Bereich
aufgenommen
wurden.
Diese
dreißig
Prozent
verteilen
sich
auf
„Psychische
und
Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ (F1); „affektive Störungen“ (F3) sowie
„Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen“ (F4). Hier zeigt sich sehr deutlich, dass vor
allem die Hauptdiagnosen immer wieder variieren und modifiziert werden. Es kann hier natürlich
sein, dass die Diagnose aus dem Bereich der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn
in der Kindheit und Jugend“ (F9) weiterhin als Differentialdiagnose beibehalten wurde, aber die
Hauptdiagnose verändert wurde.
192
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.11 Aufnahmegrund
Im Zuge der Dokumentenanalyse wurde versucht aus den Dekursen bzw. den Arztbriefen
herauszufiltern, aus welchem Grund Kinder und Jugendliche aufgenommen wurden bzw. was der
aktuelle Anlass der Aufnahme war. Neben der Aufnahmediagnose ist es besonders wichtig, auch
den aktuellen Grund zu erheben, da aufgrund der Diagnose zwar schon einiges erfahren werden
kann, Gründe für die Aufnahme daraus jedoch nicht klar werden. Während der Erhebung haben sich
23 Kategorien herauskristallisiert, unter denen alle Fälle zusammengefasst werden konnten. Zu
betonen ist, dass diese Gründe sich im Zuge der Dokumentenanalyse ergeben haben und nicht
aufgrund von theoretischen Annahmen durch das ICD 10 begründet sind.
Als häufigste Gründe, die zu einer ambulanten, tagklinischen oder stationären Aufnahme führten,
können
Gewalttätigkeiten/
aggressive
Durchbrüche,
Suizidäußerungen,
Suizidversuche,
selbstverletzendes Verhalten und depressive Verstimmungen genannt werden.
12.1.1.11.1 1. Intervention
Der häufigste Grund zur Aufnahme war bei der ersten Intervention die Bitte um Abklärung. Dies
betraf im Jahr 2006 83 Kinder und Jugendliche was einem Prozentsatz von 22% entspricht. Der
zweithäufigste Aufnahmegrund (19,3%) waren Aggressivität bzw. Gewalttätigkeiten und aggressive
Durchbrüche. Fast genauso viele Kinder und Jugendliche (71) wurden aufgrund von
Suizidäußerungen aufgenommen (18,8%). 12,2% der Kinder und Jugendlichen (=46) wurden nach
einem Suizidversuch aufgenommen. Dies würde bedeuten, dass im Monat etwa 4 Kinder und
Jugendliche nach einem Suizidversuch bzw. einer suizidalen Geste aufgenommen wurden.
Bei 27 Kindern und Jugendlichen (=7, 1%) war der Aufnahmegrund selbstverletzendes Verhalten.
4,8% der Kinder und Jugendlichen (=18) kamen aufgrund von depressiver Verstimmungen zur
Aufnahme. Weitere Gründe für eine Aufnahme waren Alkoholintoxikation bzw. Alkohol- und
Drogenkonsum, das Hören von Stimmen- also akustische Halluzinationen, Ängste, ständige
Konflikte mit den Eltern etc. Dies und die genauen Zahlen sind der untenstehenden Tabelle 43 und
der nachfolgenden Grafik 32 zu entnehmen.
193
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 43: Aufnahmegrund (1.Intervention)
Valid
Missing
Total
Frequency
83
Percent
21,8
Valid
Percent
22,0
Cumulative
Percent
22,0
73
19,2
19,3
41,3
Suizidäußerungen
Suizidversuch
selbstverletzendes Verhalten
depressive Stimmung
Alkoholintoxikation/Alkoholkonsum
Stimmen
Schulangst
Angst und Panikattacken
Drogenkonsum
ständige Konflikte mit den Eltern
Einweisung vom Hausarzt
manische Zustände
unmittelbar vorausgegangenes
traum. Erlebnis
71
46
27
18
9
8
7
6
6
5
3
3
18,7
12,1
7,1
4,7
2,4
2,1
1,8
1,6
1,6
1,3
0,8
0,8
18,8
12,2
7,1
4,8
2,4
2,1
1,9
1,6
1,6
1,3
0,8
0,8
60,1
72,2
79,4
84,1
86,5
88,6
90,5
92,1
93,7
95,0
95,8
96,6
3
0,8
0,8
97,4
Essstörung
Zwangshandlungen/Zwangsgedanken
Medikamenteneinstellung
ständiges Entweichen
psychosomatische Beschwerden
Risikoverhalten
Total
System
3
2
2
1
1
1
378
2
0,8
0,5
0,5
0,3
0,3
0,3
99,5
0,5
0,8
0,5
0,5
0,3
0,3
0,3
100,0
98,1
98,7
99,2
99,5
99,7
100,0
380
100,0
Abklärung
Gewalttätigkeiten/aggressive
Durchbrüche
N
Valid
378
Missing
2
194
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
1.Intervention
Abklärung
Gewalttätigkeiten/aggressive Durchbrüche
Suizidäußerung
Suizidversuch
selbstverletzendes Verhalten
Aufnahmegrund
depressive Stimmung
Alkoholintoxikation/Alkoholkonsum
Stimmen
Schulangst
Angst und Panikattacken
Drogenkonsum
ständige Konflikte mit den Eltern
manische Zustände
unmittelbar vorausgegangenes traum. Erlebnis
Sonstiges
Essstörung
Zwangshandlungen/Zwangsgedanken
Medikamenteneinstellung
Risikoverhalten
ständiges Entweichen
psychosomatische Beschwerden
0
5
10
15
20
25
Percent
Grafik 32: Aufnahmegrund (1.Intervention)
Zusätzlich soll an dieser Stelle noch ermittelt werden, wie die Aufnahmegründe in Bezug auf das
Geschlecht verteilt sind. Damit die Bedingungen für den Chi- Quadrat Test erfüllt sind, wurden nur
die häufigsten Gründe (Abklärung, Suizidversuch, Selbstverletzendes Verhalten, Suizidäußerungen,
Gewalttätigkeiten und depressive Stimmung) in die Berechnung miteinbezogen. Daher wurden
insgesamt 316 Kinder und Jugendliche in die Berechnung genommen. Es zeigte sich, wie in der
nachstehenden Tabelle 44 zu sehen ist, ein sehr signifikanter Unterschied (χ2= 0,000) in Bezug auf
das Geschlecht und die Aufnahmegründe. Um genau zu sein, zeigt sich hier, dass im Jahr 2006
signifikant mehr Burschen mit der Bitte um Abklärung bzw. aufgrund von Gewalttätigkeiten
aufgenommen wurden. Signifikant mehr Mädchen sind nach Suizidversuchen und aufgrund von
selbstverletzendem Verhalten zur Aufnahme gekommen. Dies deckt sich auch mit den
Unterschieden, die in den Diagnosen liegen, dass Mädchen eher zu internalisierenden und Burschen
eher zu externalisierenden Störungen neigen.
195
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 44: Chi- Quadrat- Geschlecht/ Aufnahmegrund (1.Int.)
Aufnahmegrund * Geschlecht Crosstabulation
Total
Geschlecht
Aufnahmegrund
Abklärung
Count
weiblich
24
männlich
57
-2,2
2,0
Std. Residual
Suizidversuch
Count
35
11
Std. Residual
3,0
-2,8
selbstverletzendes
Verhalten
Count
23
4
3,0
-2,8
Suizidäußerung
Count
41
30
Std. Residual
1,4
-1,3
Gewalttätigkeiten/aggressive
Durchbrüche
Count
14
59
-3,4
3,1
depressive Stimmung
Count
9
9
Std. Residual
Std. Residual
Std. Residual
Total
Count
,2
-,2
146
170
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
67,346(a)
71,506
5
5
Asymp. Sig.
(2-sided)
,000
,000
,954
1
,329
df
316
a 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 8,32.
196
81
46
27
71
73
18
316
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.11.2 2. Intervention
Im Gegensatz zur ersten Intervention, bei der die Abklärung einen großen Teil der Aufnahmegründe
darstellt, dominieren bei den Kindern und Jugendlichen bei denen es zu einer zweiten Intervention
gekommen ist, Gewalttätigkeiten bzw. aggressive Durchbrüche als wichtigster Aufnahmegrund. Bei
etwa einem Drittel (=34,7%) der Kinder und Jugendlichen, bei denen eine zweite psychiatrische
Intervention notwendig wurde, war Aggressivität der ausschlaggebende Grund der Aufnahme. In
etwa ein Viertel (24,6%) der Kinder und Jugendlichen kamen aufgrund von Suizidäußerungen zu
einer zweiten Aufnahme. Weitere Gründe, die dazu führten, dass eine zweite Intervention
notwendig wurde, waren depressive Verstimmungen (9,3%); selbstverletzendes Verhalten (7,6%),
Drogenkonsum (5,1%); ständiges Entweichen (3,4%) usw. Dies ist der untenstehenden Tabelle 45
und der anschließenden Grafik 33 genau zu entnehmen. Interessant ist, dass zum Beispiel bei der
ersten Intervention nur ein Kind oder Jugendlicher aufgrund von ständigem Entweichen zur
Aufnahme kam. Von den Kindern und Jugendlichen, bei denen eine zweite psychiatrische
Intervention notwendig wurde, wurden jedoch schon 4 Kinder und Jugendliche aufgrund von
ständigem Entweichen aufgenommen. An dieser Stelle wird deutlich sichtbar, dass sich
Aufnahmegründe auch von Aufenthalt zu Aufenthalt ändern können.
Tabelle 45: Aufnahmegrund (2.Intervention)
Frequency
Valid
Missing
Total
Gewalttätigkeiten/aggressive
Durchbrüche
Suizidäußerungen
depressive Stimmung
selbstverletzendes Verhalten
Drogenkonsum
ständiges Entweichen
Suizidversuch
Medikamenteneinstellung
Angst und Panikattacken
Alkoholintoxikation/Alkoholkonsum
Zwangshandlungen/Zwangsgedanken
Schulangst
Abklärung
manische Zustände
ständige Konflikte mit den Eltern
Stimmen
Total
System
N
197
Percent
Valid
Percent
Cumulative
Percent
41
10,8
34,7
34,7
29
11
9
6
4
3
3
2
2
2
2
1
1
1
1
118
262
7,6
2,9
2,4
1,6
1,1
0,8
0,8
0,5
0,5
0,5
0,5
0,3
0,3
0,3
0,3
31,1
68,9
24,6
9,3
7,6
5,1
3,4
2,5
2,5
1,7
1,7
1,7
1,7
0,8
0,8
0,8
0,8
100,0
59,3
68,6
76,3
81,4
84,7
87,3
89,8
91,5
93,2
94,9
96,6
97,5
98,3
99,2
100,0
380
100,0
Valid
118
Missing
262
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
2.Intervention
Gewalttätigkeiten/aggressive...
Suizidäußerung
depressive Stimmung
selbstverletzendes Verhalten
Aufnahmegrund
Drogenkonsum
ständiges Entweichen
Suizidversuch
Medikamenteneinstellung
Angst und Panikattacken
Alkoholintoxikation/Alkoholkonsum
Schulangst
Zwangshandlungen/Zwangsgedanken
Abklärung
ständige Konflikte mit den Eltern
Stimmen
manische Zustände
0
10
20
30
40
Percent
Grafik 33: Aufnahmegrund (2.Intervention)
Auch für die 2. Intervention soll untersucht werden, ob Unterschiede zwischen den
Aufnahmegründen in Bezug auf das Geschlecht bestehen. Zu diesem Zweck wurde erneut der ChiQuadrat- Test zur Berechnung der Unterschiede verwendet. Da die Fallzahlen in den einzelnen
Kategorien sehr gering waren und somit die Bedingungen für den Chi- Quadrat Test nicht erfüllt
wurden, wurden lediglich die häufigsten Aufnahmegründe der 2. Intervention (Suizidäußerungen,
Gewalttätigkeiten, depressive Stimmung) in die Berechnung genommen. Somit wurden von
insgesamt 118 Kindern und Jugendlichen, von denen die Daten der 2. Intervention bekannt sind,
nur 81 in die Berechnung des Chi- Quadrat Tests mit einbezogen. Dennoch zeigte sich auch hier
wieder ein sehr signifikantes Ergebnis (χ2= 0,000). Es zeigt sich hier erneut, dass bei der 2.
Intervention signifikant mehr Mädchen aufgrund von Suizidäußerungen und signifikant mehr
Burschen aufgrund von Gewalttätigkeiten bzw. aggressiven Durchbrüchen aufgenommen wurden
(vgl. auch Tabelle 46).
198
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 46: Chi- Quadrat Test- Aufnahmegrund/ Geschlecht (2.Int.)
Aufnahmegrund * Geschlecht Crosstabulation
Total
Geschlecht
Aufnahmegrund
Suizidäußerung
Count
weiblich
22
männlich
7
2,0
-2,0
9
32
-2,5
2,5
Std. Residual
Gewalttätigkeiten/
aggressive
Durchbrüche
Count
depressive Stimmung
Count
Total
29
41
Std. Residual
9
2
Std. Residual
1,5
-1,5
Count
40
41
11
81
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
25,107(a)
26,636
,016
2
2
Asymp. Sig.
(2-sided)
,000
,000
1
,899
df
81
a 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 5,43.
12.1.1.11.3 3. Intervention
Auch bei der 3. Intervention zeigen sich als häufigste Aufnahmegründe Gewalttätigkeiten bzw.
aggressive Durchbrüche (=26,5%), Suizidäußerungen (=26,5%), und selbstverletzendes Verhalten
(12,2%).
3 Kinder und Jugendliche (=6,1%) wurden aufgrund von ständigem Entweichen zur Aufnahme
gebracht. Bei einem Kind oder Jugendlichen war der ausschlaggebende Grund der 3. Aufnahme,
dass er/sie auf der Strasse lebte bzw. die Wohnsituation ungeklärt war.
Auf die Berechnung der Geschlechtsunterschiede in Bezug auf die Aufnahmegründe wurde an
dieser Stelle verzichtet, da für die dritte Intervention die Fallzahlen in den einzelnen Kategorien zu
gering waren und somit die Bedingungen für die Berechnung des Chi- Quadrat Tests nicht erfüllt
sind, bzw. dieser keine Aussagekraft hat. Die Unterschiede in Bezug auf das Geschlecht konnten
jedoch schon im Hinblick auf die ersten beiden Interventionen ausreichend nachgewiesen werden.
Die deskriptiven Ergebnisse sind in der untenstehenden Tabelle 47 sowie der anschließenden Grafik
34 genauer zu finden.
199
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 47: Aufnahmegrund- 3.Intervention
N
Valid
49
Missing
Valid
Suizidäußerung
Gewalttätigkeiten/aggressive
Durchbrüche
331
Frequency
13
Percent
3,4
Valid
Percent
26,5
Cumulative
Percent
26,5
13
3,4
26,5
53,1
6
5
3
2
2
1
1
1
1
1,6
1,3
0,8
0,5
0,5
0,3
0,3
0,3
0,3
12,2
10,2
6,1
4,1
4,1
2,0
2,0
2,0
2,0
65,3
75,5
81,6
85,7
89,8
91,8
93,9
95,9
98,0
1
0,3
2,0
100,0
49
12,9
100,0
selbstverletzendes Verhalten
depressive Stimmung
ständiges Entweichen
Medikamenteneinstellung
Stimmen
Suizidversuch
Zwangshandlungen/Zwangsgedanken
Drogenkonsum
psychosomatische Beschwerden
Wohnsituation nicht geklärt/auf der
Straße lebend
Missing
Total
Total
System
331
87,1
380
100,0
3.Intervention
Gewalttätigkeiten/aggressive
Durchbrüche
Suizidäußerungen
selbstverletzendes Verhalten
Aufnahmegrund
depressive Stimmung
ständiges Entweichen
Medikamenteneinstellung
Stimmen
Suizidversuch
Wohnsituation nicht geklärt/auf der
Straße lebend
psychosomatische Beschwerden
Zwangshandlungen/Zwangsgedanken
Drogenkonsum
0
5
10
15
Percent
Grafik 34: Aufnahmegrund (3.Intervention)
200
20
25
30
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.11.4 4.Intervention
17 Kinder und Jugendliche mussten mindestens 4 Mal auf der kinder- und jugendpsychiatrischen
Station aufgenommen werden. Davon kam bei der 4. Intervention wieder mehr als ein Drittel
(35,3%) aufgrund von Gewalttätigkeiten bzw. aggressiven Durchbrüchen zur Aufnahme. Häufige
Gründe der Aufnahme bei der 4. Intervention waren auch Suizidäußerungen (17,6%) und ständiges
Entweichen (11,8%) bzw. akustische Halluzinationen (Stimmen hören) (11,8%). Dies ist der
untenstehenden Tabelle 48 und der anschließenden Grafik 35 genauer zu entnehmen.
Tabelle 48: Aufnahmegrund (4.Intervention)
Frequency
Gewalttätigkeiten/aggressive
Durchbrüche
Valid
Suizidäußerungen
ständiges Entweichen
Stimmen
selbstverletzendes Verhalten
Alkoholintoxikation/Alkoholkonsum
Drogenkonsum
geplantes Time out
Total
System
Missing
Total
Valid
Percent
Cumulative
Percent
6
1,6
35,3
35,3
3
2
2
1
1
1
1
17
363
0,8
0,5
0,5
0,3
0,3
0,3
0,3
4,5
95,5
17,6
11,8
11,8
5,9
5,9
5,9
5,9
100,0
52,9
64,7
76,5
82,4
88,2
94,1
100,0
380
100,0
Valid
N
Percent
Missing
17
363
4.Intervention
Gewalttätigkeiten/aggressive
Durchbrüche
Aufnahmegrund
Suizidäußerungen
akustische Halluzinationen (Stimmen)
ständiges Entweichen
selbstverletzendes Verhalten
geplantes Time out
Drogenkonsum
Alkoholintoxikation/Alkoholkonsum
0
10
20
Percent
Grafik 35: Aufnahmegrund (4. Intervention)
201
30
40
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.11.5 5.Intervention
Insgesamt wurden 10 Kinder und Jugendliche zu einer fünften psychiatrischen Intervention
gebracht. Der häufigste Aufnahmegrund bei diesen Kindern und Jugendlichen waren erneut
aggressive Durchbrüche bzw. Gewalttätigkeiten (30%). Weitere Aufnahmegründe waren
Suizidversuche (20%); Suizidäußerungen (20%); sowie ständiges Entweichen (20%) und
selbstverletzendes Verhalten (10%).
Tabelle 49: Aufnahmegrund (5. Intervention)
Frequency
Gewalttätigkeiten/aggressive
Durchbrüche
Valid
Missing
Total
Cumulative
Percent
3
0,8
30,0
30,0
2
2
2
0,5
0,5
0,5
20,0
20,0
20,0
50,0
70,0
90,0
1
0,3
10,0
100,0
10
370
2,6
97,4
100,0
380
100,0
Valid
10
Suizidversuch
Suizidäußerungen
ständiges Entweichen
selbstverletzendes
Verhalten
Total
System
N
Valid
Percent
Percent
Missing
370
5.Intervention
Aufnahmegrund
Gewalttätigkeiten/aggressive
Durchbrüche
Suizidversuch
ständiges Entweichen
Suizidäußerungen
selbstverletzendes Verhalten
0
5
10
15
Percent
Grafik 36: Aufnahmegrund (5.Intervention)
202
20
25
30
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.11.6 Resümee
Über die unterschiedlichen Interventionen zeigt sich, dass während bei der ersten Intervention die
Abklärung den wichtigsten Aufnahmegrund darstellt und an zweiter Stelle Gewalttätigkeiten bzw.
aggressive Durchbrüche stehen, diese während der weiteren Interventionen der häufigste
Aufnahmegrund ist. Durchgehend ist ebenfalls zu beobachten, dass Suizidäußerungen bzw. –
versuche den zweitwichtigsten Aufnahmegrund ausmachen. Während der ersten drei Interventionen
stellen
depressive
Stimmungen
bzw.
selbstverletzendes
Verhalten
weitere
wichtige
Aufnahmegründe dar. Bei der vierten Intervention stehen akustische Halluzinationen sowie
ständiges Entweichen an dritter Stelle während bei der fünften Intervention Suizidversuche bzw. –
äußerungen sowie Ständiges Entweichen als wichtige Aufnahmegründe neben Gewalttätigkeiten zu
verzeichnen sind. Auffällig an dieser Stelle ist, dass ständiges Entweichen als Aufnahmegrund bei
der vierten und fünften Intervention an Bedeutung zunimmt.
12.1.1.12 Aufnahme im geschützten Bereich
Durch die Dokumentenanalyse sollte auch erhoben werden, wie viele PatientInnen im geschützten
Bereich der Station aufgenommen werden mussten, um Rückschlüsse darauf zu ziehen, ob Kinder
und Jugendliche aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt häufiger im geschützten
Bereich aufgenommen wurden. Dieser Fragestellung soll im Kapitel 12.1.2 Analytische Auswertung
näher auf den Grund gegangen werden. An dieser Stelle soll in Bezug auf die Gesamtstichprobe
beschrieben werden, wie viele Kinder und Jugendlichen im geschützten Bereich der Abteilung für
KJP der LSF aufgenommen wurden und ob diesbezüglich Geschlechtsunterschiede bestehen.
12.1.1.12.1 1. Intervention
Bei der ersten Intervention wurden etwa gleich viele PatientInnen im geschützten (46,7%) wie im
offenen Bereich (44,6%) bzw. tagklinisch oder ambulant aufgenommen. In etwa 10% der Fälle
wurden in den Dokumenten keine Angaben zur Aufnahme im geschützten Bereich gefunden. Es ist
jedoch anzunehmen, dass diese ebenfalls im offenen Bereich aufgenommen wurden, da sonst eine
Aufnahmemeldung nach dem Unterbringungsgesetz vorliegen müsste. Trotzdem wurden diese
PatientInnen nicht in die Berechnung mit einbezogen. Anzumerken ist jedoch, dass auch während
eines Aufenthaltes eine geschützte Unterbringung notwendig werden kann, was bei der Aufnahme
vielleicht noch nicht erkennbar ist. Diese Fälle wurden hier ebenfalls nicht berücksichtigt. In der
Dokumentenanalyse wurde lediglich erhoben, ob eine Aufnahme in den geschützten Bereich erfolgt
ist. Die exakten Zahlen sind der nachstehenden Tabelle 50 und Grafik 37 zu entnehmen.
203
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 50: Aufnahme im geschützten Bereich (1.Intervention)
Valid
Ja
Frequency
176
Percent
46,3
Valid Percent
46,7
Cumulative
Percent
46,7
168
44,2
44,6
91,2
33
8,7
8,8
100,0
377
99,2
100,0
3
,8
380
100,0
nein
keine Angaben
Total
Missing
System
Total
Valid
N
Missing
377
3
ja
nein
keine Angaben
9,55%
46,68%
44,56%
Grafik 37: Aufnahme im geschützten Bereich (1.Intervention)
An dieser Stelle soll noch überprüft werden, ob geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf
die Aufnahme im geschützten Bereich bei der ersten Intervention bestehen. Um dies zu beleuchten,
wurde der Chi- Quadrat Test angewandt, der ein sehr signifikantes Ergebnis (Pearson χ2= 0,006)
zeigt. Das heißt, es wurden signifikant mehr Mädchen im geschützten Bereich aufgenommen als
Burschen. Gründe für diese Unterschiede könnten in den unterschiedlichen Aufnahmegründen bzw.
Diagnosen liegen. Die genauen Zahlen sind der anschließenden Tabelle genauer zu entnehmen.
204
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 51: Chi- Quadrat Test- Aufnahme im geschützten Bereich/ Geschlecht (1.Int.)
Aufnahme im geschützten Bereich * Geschlecht Crosstabulation
Total
Geschlecht
Aufnahme im
geschützten Bereich
ja
weiblich
96
männlich
80
Std. Residual
1,4
-1,3
Count
66
100
Count
nein
Total
Std. Residual
-1,4
1,4
Count
162
180
176
166
342
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Continuity
Correction(a)
Likelihood Ratio
1
Asymp. Sig.
(2-sided)
,006
6,910
1
,009
7,522
1
,006
Value
7,492(b)
df
Fisher's Exact Test
Exact Sig.
(2-sided)
,007
Linear-by-Linear
Association
7,470
N of Valid Cases
342
1
,006
a Computed only for a 2x2 table
b 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 78,63.
205
Exact Sig.
(1-sided)
,004
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.12.2 2. Intervention
Von den 118 Kindern und Jugendlichen, bei denen bekannt ist, dass eine 2. Intervention notwendig
wurde, wurde fast die Hälfte im geschützten Bereich aufgenommen. In knapp 41% der Fälle
erfolgte eine Aufnahme im offenen Bereich. Von 12 Fällen (3,2%) liegen keine Angaben
diesbezüglich vor.
Diese Ergebnisse sind in der untenstehenden Tabelle genau zu sehen und in der anschließenden
Grafik noch einmal dargestellt.
Tabelle 52: Aufnahme im geschützten Bereich (2.Intervention)
Valid
Missing
Frequency
58
Percent
15,3
Valid Percent
49,2
Cumulative
Percent
49,2
nein
48
12,6
40,7
89,8
keine Angaben
12
3,2
10,2
100,0
Total
118
31,1
100,0
System
262
68,9
380
100,0
ja
Total
N
Valid
118
Missing
262
Tabelle 53: Aufnahme im geschützten Bereich (2. Intervention)
ja
nein
keine Angaben
10,17%
49,15%
40,68%
Auch hier soll eine Überprüfung geschlechtsspezifischer Unterschiede mit Hilfe des Chi- Quadrat
Tests für die zweite Intervention erfolgen. Dazu wurden all jene Fälle, von denen keine genauen
Informationen vorliegen, aus der Berechnung genommen und somit 106 Fälle mit einbezogen.
Interessanterweise zeigen sich hier keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede
(Pearson χ2= 0,446) in Bezug auf die Aufnahme in den geschützten Bereich, obwohl sich auch für
die zweite Intervetion signifikante Unterschiede in Hinsicht auf Aufnahmediagnose und
Aufnahmegründe ergeben haben. Dieses Ergebnis ist der nachstehenden Tabelle 54 zu entnehmen.
206
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 54: Chi- Quadrat Test- Aufnahme im geschützten Bereich/ Geschlecht (2.Int.)
Aufnahme im geschützten Bereich * Geschlecht Crosstabulation
Total
Geschlecht
Aufnahme im
geschützten Bereich
ja
weiblich
32
männlich
26
Std. Residual
-,3
,4
Count
Count
nein
Total
30
18
Std. Residual
,4
-,4
Count
62
44
58
48
106
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
1
Asymp. Sig.
(2-sided)
,446
,318
1
,573
,582
1
,445
Value
,581(b)
Continuity
Correction(a)
Likelihood Ratio
df
Fisher's Exact Test
Linear-by-Linear
Association
,575
N of Valid Cases
106
1
Exact Sig.
(2-sided)
Exact Sig.
(1-sided)
,553
,287
,448
a Computed only for a 2x2 table
b 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 19,92.
207
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.12.3 3. Intervention
Von den 51 Jugendlichen, bei denen auch eine dritte psychiatrische Intervention notwendig wurde,
wurde, wie in der Tabelle 55 und der anschließenden Grafik 38 dargestellt, über die Hälfte (56,9%)
in den geschützten Bereich aufgenommen, etwa ein Viertel (27,5%) der Kinder und Jugendlichen
wurden im offenen Bereich der Station aufgenommen. Von 8 Fällen (15,7%) sind dazu keine
Angaben bekannt.
Tabelle 55: Aufnahme im geschützten Bereich (3.Intervention)
Valid
ja
Frequency
29
Percent
7,6
Valid Percent
56,9
Cumulative
Percent
56,9
14
3,7
27,5
84,3
8
2,1
15,7
100,0
100,0
nein
keine Angaben
Total
Missing
System
Total
51
13,4
329
86,6
380
100,0
Valid
N
Missing
51
329
ja
nein
keine Angaben
15,69%
27,45%
56,86%
Grafik 38: Aufnahme im geschützten Bereich (3.Intervention)
Im Hinblick auf die Überprüfung geschlechtsspezifischer Unterschiede wurde hier wieder ähnlich
vorgegangen wie bei den ersten Interventionen. Auch hier zeigen sich, ähnlich wie bei der 2.
Intervention, im Chi- Quadrat Test keine signifikanten Zusammenhänge (Pearson χ2= 0,903)
zwischen dem Geschlecht und der Aufnahme im geschützten Bereich bei der 3. Intervention.
208
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 56: Chi- Quadrat Test- Aufnahme im geschützten Bereich/ Geschlecht (3. Intervention)
Aufnahme im geschützten Bereich * Geschlecht Crosstabulation
Total
Geschlecht
Aufnahme im
geschützten Bereich
ja
weiblich
16
männlich
13
Std. Residual
,0
,1
Count
Count
nein
Total
8
6
Std. Residual
,1
-,1
Count
24
19
29
14
43
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
1
Asymp. Sig.
(2-sided)
,903
,000
1
1,000
,015
1
,903
Value
,015(b)
Continuity
Correction(a)
Likelihood Ratio
df
Fisher's Exact Test
Exact Sig.
(2-sided)
Exact Sig.
(1-sided)
1,000
Linear-by-Linear
Association
,015
N of Valid Cases
43
1
,904
a Computed only for a 2x2 table
b 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 6,19.
209
,583
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.12.4 4.Intervention
Von den 17 Kindern und Jugendlichen, die eine 4. psychiatrische Intervention benötigten, wurden
10 (58,8%) im geschützten Bereich aufgenommen. Von 2 Fällen (11,8%) sind keine Angaben
diesbezüglich bekannt.
Tabelle 57: Aufnahme im geschützten Bereich (4.Intervention)
Valid
Frequency
10
Percent
2,6
Valid Percent
58,8
Cumulative
Percent
58,8
nein
5
1,3
29,4
88,2
keine Angaben
2
,5
11,8
100,0
100,0
ja
Total
Missing
System
Total
17
4,5
363
95,5
380
100,0
N
Valid
Missing
17
363
ja
nein
keine Angaben
11,76%
29,41%
58,82%
Grafik 39: Aufnahme im geschützten Bereich (4.Intervention)
210
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.12.5 5.Intervention
Bei 10 Kindern und Jugendlichen wurden mindestens 5 Interventionen benötigt. Von diesen wurden
8 (80%) bei der 5. Intervention im geschützten Bereich aufgenommen. Von einem Fall (10%) sind
keine Angaben diesbezüglich zu erheben gewesen.
Tabelle 58: Aufnahme im geschützten Bereich (5. Intervention)
Valid
ja
Frequency
8
Percent
2,1
Valid Percent
80,0
Cumulative
Percent
80,0
1
,3
10,0
90,0
100,0
nein
keine Angaben
Total
Missing
System
Total
1
,3
10,0
10
2,6
100,0
370
97,4
380
100,0
N
Valid
Missing
10
370
ja
nein
keine Angaben
10,0%
10,0%
80,0%
Grafik 40: Aufnahme im geschützten Bereich (5.Intervention)
12.1.1.12.6 Resümee
In Bezug auf den Verlauf über die einzelnen Interventionen kann festgestellt werden, dass der
Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen, die in den geschützten Bereich der Abteilung
aufgenommen wurden mit der Zahl der Aufenthalte steigt, während die Zahl der Kinder und
Jugendlichen, die im offenen Bereich aufgenommen wurden sinkt. So wurden bei der ersten
Intervention 46, 7%, bei der zweiten 49,2%, bei der dritten 56,9%, bei der vierten 58,82% und bei
der fünften Intervention sogar 80% der Kinder und Jugendlichen in den geschützten Bereich der
Abteilung aufgenommen. Gründe dafür könnten darin liegen, dass es sich hier wirklich um Kinder
und Jugendliche handelt mit einerseits schwerwiegenderen psychiatrischen Diagnosen bzw. um
Kinder und Jugendliche, die als besonders schwierig gelten, die dann aufgrund von Eskalationen
211
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
oder Suizidäußerungen im geschützten Bereich der Abteilung aufgenommen werden. Die Zahl der
Fälle in denen keine Angaben gefunden wurden, liegt immer in etwa bei 10%.
12.1.1.13 Fallvignetten
Nachdem im vorhergehenden Kapitel die Zahlen nur bis zur 5. Intervention dargestellt wurden, da
ab der 6. Intervention die Fallzahlen gering sind, sollen in diesem Kapitel exemplarisch drei von 5
Fällen, bei denen mehr als 6 Interventionen notwendig waren,genauer in Bezug auf die erhobenen
Kategorien dargestellt werden. Dabei soll lediglich eine Beschreibung im Hinblick auf die
Kategorien erfolgen, ohne diese zu interpretieren oder zu werten, da aufgrund der Daten zu wenig
Information über die Umstände vorliegt, um die Situation der gewählten Fallbeispiele genau zu
begründen und zu analysieren.
Es ist anzumerken, dass 4 von diesen 5 Jugendlichen, bei denen mehr als 6 psychiatrische
Interventionen notwendig waren, auch von Einrichtungen der Jugendwohlfahrt betreut wurden.
Anhand dieser drei Fallbeispiele sollte dargestellt werden, wie die Wege mancher Kinder und
Jugendlicher zwischen KJP und Einrichtungen der Jugendwohlfahrt verlaufen. Natürlich handelt es
sich hier um Einzelfälle, die aber dennoch nicht als solche abgetan werden sollten. Dies sind
einzelne Schicksale für die auch geeignete Angebote und Wohnformen geschaffen werden müssen.
Durch diese Beispiele soll nicht nur der Pinball- Effekt verdeutlicht werden, sondern auch im
Hinblick auf die analytische Auswertung in Kapitel 12.1.2 Beispiele beschrieben werden, durch die
die Fragestellungen vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Diagnosen bzw.
Aufnahmegründe noch immanenter werden. So zeigt sich durch die Fallvignetten z.B. dass diese
vor allem aufgrund von Suizidäußerungen bzw. Gewalttätigkeiten zur stationären Aufnahme
gekommen sind. Daraus könnte man ableiten, dass jene Kinder und Jugendliche, die Kontakt zu
stationären Einrichtungen der JW haben, auch häufiger aufgrund von Gewalttätigkeiten oder
Suizidäußerungen zur Aufnahme kommen. Dies soll in weiterer Folge überprüft werden. Nachdem
diese Kinder und Jugendlichen, die als Fallbeispiele gewählt wurden und mehr als 5 psychiatrische
Interventionen benötigten, alle Kontakt zu stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen hatten,
könnte man auch annehmen, dass jene Kinder und Jugendliche, die als Grenzfälle zwischen
Jugendwohlfahrt und KJP gelten, mehr psychiatrische Interventionen benötigen, als andere. Dies
soll ebenfalls im folgenden Kapitel weiter überprüft werden. Nachdem hier 2 von drei Fällen
weiblich waren, führt dies in Bezug auf Grenzfälle jedenfalls zu der Fragestellung, ob Mädchen
häufiger Hilfen sowohl von der KJP als auch von der JW benötigen.So führen diese Fallbeispiele,
zu Themen, die in der analytischen Auswertung weiter überprüft werden.
212
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.13.1 1. Fall
Beim ersten Fall handelt es sich um ein Mädchen, das 1988 geboren wurde und das erste Mal im
ersten Quartal des Jahres 2002 von einer Wohngemeinschaft im Burgenland zur stationären
Aufnahme auf die KJP der LSF kam. Der damalige Grund für die Intervention war die depressive
Grundstimmung des Mädchens. Der Aufenthalt dauerte etwa eine Woche. Danach wurde das
Mädchen wieder zurück in die gleiche WG entlassen.
Zur zweiten Aufnahme kam das Mädchen aufgrund einer Suizidäußerung, wieder von dieser WG;
es wurde nach drei Wochen auch wieder dorthin entlassen.
Eine dritte Intervention wurde erneut aufgrund einer Suizidäußerung notwendig. Dieser stationäre
Aufenthalt dauerte wieder etwa 3 Wochen. Das Mädchen wurde anschließend zur Mutter entlassen.
Zur 4. Intervention kam das Mädchen von einer mobil betreuten Wohnung wiederum aufgrund
einer Suizidäußerung. Nach etwa einer Woche wurde das Mädchen erneut dorthin entlassen.
Vor der 5. Intervention war das Mädchen wieder in einer betreuten Wohnung und wurde mit einem
Suizidversuch bzw. einer suizidalen Geste eingewiesen. Bei dieser Intervention wurde das Mädchen
4 Wochen lang stationär und anschließend tagklinisch behandelt, bevor es in ein Mutter- Kind Heim
entlassen wurde.
Zur 6. Aufnahme kam es wieder aufgrund eines Suizidversuchs bzw. einer suizidalen Geste. Vor
dieser Aufnahme war das Mädchen allerdings schon in einer eigenen Wohnung wohnhaft, wohin es
nach einer Woche auch wieder entlassen werden konnte.
Auch vor der 7. Intervention wohnte das Mädchen in einer eigenen Wohnung. Zur Aufnahme kam
es aufgrund von Gewalttätigkeiten. Das Mädchen wurde allerdings wiederum nach einer Woche
zurück in ihre eigene Wohnung entlassen.
Die 8. Intervention erfolgte stationär für eine Woche aufgrund von Suizidäußerungen. Vor und nach
dieser Intervention war das Mädchen in einer eigenen Wohnung untergebracht.
Wie man aus dieser Lebensgeschichte erkennen kann, liegen bei diesem Mädchen innerhalb von 4
Jahren 8 stationäre Aufnahmen auf der KJP vor. Dementsprechend musste das Mädchen auch
mehrmals die Wohnform wechseln. Durch die wechselnden Wohnformen ist ebenfalls anzunehmen,
dass damit mehrere Beziehungsabbrüche verbunden waren. Klar ist, dass durch Suizidandrohungen
für die stationären Fremdunterbringungseinrichtungen Situationen entstehen, für die diese nicht
ausgerichtet sind. gewährleisten. Aufgrund der rechtlichen Situation in Österreich ist es auch für
Jugendwohlfahrtseinrichtungen nicht möglich suizidale Kinder und Jugendliche, bzw. auch Kinder
und Jugendliche, die Suizid androhen zu schützen. Aufgrund dessen muss es gelingen,
Kooperationsformen mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu finden, die den Schutz
gewährleisten, die dann aber nach Abklingen der Suizidalität auch eine Rückkehr in die Einrichtung
213
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
ermöglichen. Hier wird deutlich, dass stationäre Jugendwohlfahrtseinrichtungen in dieser Hinsicht
Unterstützung benötigen.
Im Folgenden ist der Weg dieser Jugendlichen noch einmal in einer Grafik dargestellt.
g
un g
n
er
g
ss eru un
s
äu
id äus timm
iz
d
rs
Su uizi
Ve
t.
I n t . S iv e
3.
In
ss
2 . pre
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D
t.
In
1.
Su
ng
ru
e
en
ss
ei t
k
u
ti g
dä
ch
izi alttä
su
r
u
ve
.S
ew
izi
Int t. G
u
.
S
8 . In
7
nt .
6.I
Grafik 41: Falldarstellung 1
214
izid 4. In
äu t.
ss
eru
ng
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.13.2 2.Fall
Beim zweiten Fall, der an dieser Stelle kurz dargestellt werden soll, handelt es sich um einen
Burschen, der 1989 geboren wurde und im 3. Quartal 2004 zum ersten Mal zur stationären
Aufnahme auf die KJP der LSF kam. Der Bursch wohnte zur damaligen Zeit bei seiner Mutter und
kam aufgrund von Gewalttätigkeiten zur Aufnahme. Nach etwa 6 Wochen wurde er auch wieder
zur Mutter entlassen.
Zur 2. Aufnahme kam der Bursch von einer Einrichtung der Jugendwohlfahrt, die zur
vorübergehenden Unterbringung von Jugendlichen in Krisensituationen ausgelegt ist. Der Grund
dieser 2. Aufnahme lag wieder in Gewalttätigkeiten. Nach mehr als 10 Wochen wurde der Bursch
in ein Ausbildungszentrum (Behindertengesetz) entlassen.
Von dieser Einrichtung kam er dann zur 3. Intervention aufgrund von Suizidäußerungen. Nach 9
Wochen wurde dieser Bursch dann wieder in die Krisenunterbringung entlassen.
Vor der 4. Intervention war der Bursch wieder bei seiner Mutter untergebracht und kam erneut
aufgrund von Gewalttätigkeiten zur stationären Aufnahme. Nach einer Woche konnte der
Jugendliche dann ins Landesjugendheim entlassen werden.
Zur 5. Intervention kam der Jugendliche wieder vom Landesjugendheim aufgrund von aggressiven
Durchbrüchen bzw. Gewalttätigkeiten und wurde nach 2 Wochen wieder dorthin entlassen.
Die 6. Aufnahme war ein geplantes Time Out vom Landesjugendheim und der Jugendliche wurde
auch nach einer Woche wieder dorthin entlassen.
Zur 7. Aufnahme kam der Bursch dann von einer Notschlafstelle für Jugendliche und wurde nach
einer Woche wieder ins Landesjugendheim entlassen. Grund dieser Aufnahme war eine
Alkoholintoxikation.
Die 8. Aufnahme erfolgte, weil die Wohnsituation des Jugendlichen zu diesem Zeitpunkt ungeklärt
war. Aus diesem Grund kam der Jugendliche wieder von der Notschlafstelle zur Aufnahme und
wurde 6 Wochen lang stationär bzw. tagklinisch behandelt, bevor er in ein mobil betreutes Wohnen
in der Obersteiermark entlassen werden konnte.
Die Hauptdiagnosen waren immer abwechselnd F43.1 bzw. F91.1 also „posttraumatische
Belastungsstörung“ bzw. die „Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen“.
Erneut soll der Weg dieses Jugendlichen in der folgenden Grafik veranschaulicht werden.
215
ten
gke
i
lttä
ti
n
ite
ke
tig
ttä
al
ew
a
ew
6.In
t.gep
lan
5.In
te s
t.Tim
G
t.G
In
4.
eo
ut
2.
In
t.
G
ew
al
ttä
tig
ke
ite
n
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Grafik 42: Falldarstellung 2
216
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.1.13.3 3. Fall
Beim 3. Fall, der hier skizziert werden soll, handelt es sich um ein Mädchen, das 1991 geboren
wurde und im 3. Quartal 2005 das erste Mal zu einer psychiatrischen Intervention auf die kinderund jugendpsychiatrische Station der LSF Graz von einer Wohngemeinschaft in Kärnten, aufgrund
von Suizidäußerungen zur Aufnahme kam. Diese erste Intervention dauerte in etwa 5 Wochen, nach
denen das Mädchen in eine andere Wohngemeinschaft, ebenfalls in Kärnten entlassen wurde.
Diagnostiziert wurde damals eine „nicht näher bezeichnete akute vorübergehende psychotische
Störung“ (F 23.9). Zur 2. und zur 3. Intervention kam es ebenfalls aufgrund von Suizidäußerungen
wobei das Mädchen jedes Mal wieder in dieselbe Wohngemeinschaft entlassen wurde. Die
Aufnahme und Entlassungsdiagnose bei der 2. Intervention war eine „mittelgradige depressive
Episode“ (F32.1) und der Aufenthalt dauerte eine Woche. Die Aufnahmediagnose bei der 3.
Intervention war eine „akute vorübergehende psychotische Störung“ (F23) und das Mädchen wurde
nach 7 Wochen mit der Diagnose „posttraumatische Belastungsstörung“ (F43.1) wieder entlassen.
Zur 4. Intervention kam das Mädchen von derselben Wohngemeinschaft in Kärnten aufgrund von
Gewalttätigkeiten. Die Aufnahmediagnose lautete erneut „posttraumatische Belastungsstörung“
(F43.1). Nach mehr als 10 Wochen wurde das Mädchen in eine Wohngemeinschaft in Graz mit der
Diagnose „nicht näher bezeichnete depressive Episode“ (F32.9) entlassen.
Von dieser Wohngemeinschaft kam das Mädchen zu mehreren Kriseninterventionen aus
unterschiedlichen
Gründen,
die
von
ständigem
Entweichen
über
Suizidäußerungen,
selbstverletzendem Verhalten oder Drogenkonsum reichen. Die Diagnosen variieren und beinhalten
die bereits beschriebenen. Zu erwähnen ist, dass die Entlassungsdiagnose des letzten erhobenen
Aufenthalts „emotional instabile Persönlichkeitsstörung“ (F60.3) lautet.
Anhand dieses Beispiels lässt sich sehr gut der Pinball- Effekt verdeutlichen. Dieser lässt sich
wahrscheinlich aufgrund der aktuellen Situation der Jugendwohlfahrt in der Steiermark bzw. auch
in Anbetracht der komplexen Problemstellungen der Jugendlichen häufig nicht vermeiden. Durch
geeignete Kooperationsvereinbarung bzw. Maßnahmen innerhalb der Jugendwohlfahrt lässt sich der
Pinball- Effekt jedoch mit Sicherheit minimieren.
Auch der Weg dieser Jugendlichen soll in einer Abbildung grafisch dargestellt werden.
217
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
WG2
(Kärnten)
WG1
(Kärnten)
1.
Int
.-
Su
izi
dä
us
s
g
un
er
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s
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I
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3.
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Int
4.
eru
ng
KJP/ LSF
S
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n
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alte
Ge
5. I
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6. I
Sui
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tze
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7. I
ons
erle
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k
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bst
gen
erha
Sel
Dro
es V
nt.
nt.
end
8. I
9. I
l et z
tver
el bs
10.
WG (Graz)
Grafik 43: Falldarstellung 3
Durch diese Falldarstellungen werden einige Fragestellungen, die bereits in Kapitel 10.3
Fragestellungen bzw. Ziele der Untersuchung angeführt wurden, noch offensichtlicher und
immanenter. Im folgenden Kapitel sollen vor allem Besonderheiten zwischen jenen Kindern und
Jugendlichen, die sowohl von stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, als auch von der KJP
betreut wurden, herausgefiltert werden. Diese beziehen sich vor allem auf die durch die
Dokumentenanalyse erhobenen Kategorien, vor allem aber auf das Alter, die Diagnosen, das
Geschlecht, die Zahl der Interventionen sowie die Aufnahmegründe.
218
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.2
Analytische Auswertung
In diesem Kapitel soll die Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die im Jahr 2006 auf der kinderund jugendpsychiatrischen Station der LSF aufgenommen wurden und unmittelbar vor oder nach
einem Aufenthalt von einer stationären Einrichtung der Jugendwohlfahrt betreut wurden
(Grenzfälle), und die Gruppe der Kinder und Jugendlichen, bei denen dies nicht der Fall war (die
also bei einem Elternteil, bei beiden Eltern, den Großeltern, in einer Behinderteneinrichtung oder
sonstigem wohnhaft waren), in Bezug auf die erhobenen Kategorien verglichen werden.
12.1.2.1
„Grenzfälle“ zwischen KJP und JW
Im vorigen Kapitel wurde bereits detailliert für jede einzelne Intervention die Wohnform vor und
nach der Intervention dargestellt. Aufgrund der erhobenen Daten wurde berechnet, wie viele
Kinder und Jugendliche insgesamt vor oder nach einer Intervention Kontakt zu stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten und somit, im Hinblick auf Definition von Grenzfällen
(Kapitel 2.1) auch als Grenzfälle bezeichnet werden können.
Hier zeigt sich, dass von insgesamt 359 Kindern und Jugendlichen, von denen die Daten in diesem
Zusammenhang erhoben werden konnten, 111 unmittelbar vor oder nach einer Intervention in einer
stationären Einrichtung der Jugendwohlfahrt fremd untergebracht waren. Das heißt, in etwa ein
Drittel der Kinder und Jugendlichen (30,9%), die im Jahr 2006 auf der kinder- und
jugendpsychiatrischen Station der LSF behandelt wurden, hatte auch Kontakt zu stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt. Diese Zahlen sind in der untenstehenden Tabelle 59 und Grafik
44 dargestellt.
Somit ist in Bezug auf die 1. Hypothese (vgl. S. 133) anzumerken, dass die Ergebnisse einen
Hinweis darauf geben, dass diese Hypothese verifiziert wird. Ein nicht unwesentlicher Teil (nahezu
ein Drittel) der Kinder und Jugendlichen, die auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station der
LSF behandelt wurden, war unmittelbar vor oder nach einer Intervention in einer stationären
Einrichtung der Jugendwohlfahrt fremd untergebracht.
Durch dieses Ergebnis wird deutlich, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen dem
Gesundheitssystem und dem System der Jugendwohlfahrt ist. Immerhin gelten im Jahr 111 Kinder
und Jugendliche als gemeinsame Fälle von Kinder und Jugendpsychiatrie und stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt. Das sind etwa 10 gemeinsame Fälle im Monat.
Dazu ist zu erwähnen, dass dies nur diejenigen Kinder und Jugendlichen sind, die unmittelbar aus
einer stationären Jugendwohlfahrtseinrichtung aufgenommen oder in eine solche entlassen wurden.
219
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Weiters wurde an dieser Stelle nur der Kontakt der Kinder und Jugendlichen zu stationären
Einrichtungen
erhoben.
Diejenigen
Kinder
und
Jugendlichen,
die
andere
Hilfen
der
Jugendwohlfahrt (z.B. Erziehungshilfe) erhalten haben, sind in diesen Zahlen nicht berücksichtigt.
Tabelle 59: Grenzfälle
Kontakt zu JW Einrichtung vor oder nach einer Int.
Valid
Missing
Kontakt zu JW Einrichtung
Frequency
111
Percent
29,4
Valid Percent
30,9
Cumulative
Percent
30,9
kein bekannter Kontakt zu
JW Einrichtung
248
65,6
69,1
100,0
Total
359
95,0
100,0
19
5,0
378
100,0
System
Total
Kontakt zu JW
Einrichtung
kein bekannter Kontakt
zu JW Einrichtung
30,92%
69,08%
Grafik 44: Grenzfälle
220
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.2.2
Alter
Um über die Kinder- und Jugendlichen, die zu gemeinsamen Fällen von KJP und Jugendwohlfahrt
werden, Aussagen treffen zu können ist es auch wichtig zu wissen, ob diese sich in Bezug auf das
Alter von den anderen Jugendlichen unterscheiden, und welche Altersgruppe am ehesten betroffen
ist. Hier wurden wiederum, in Ahnlehnung an die deskriptive Auswertung, jene 2 PatientInnen aus
der Berechnung genommen, die über 21 Jahre alt waren (vgl. Kapitel 12.1.1.2).
Folgende Fragestellung, die bereits in Kapitel 10.3 (vgl. S. 134 ff.) beschrieben wurde, kann an
dieser Stelle eindeutig beantwortet werden:
Gibt es einen Unterschied in Bezug auf das Alter zwischen den Kindern und Jugendlichen, die
Kontakt zu stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt haben, und jenen bei denen kein Kontakt
bekannt ist?
In Bezug auf das Alter zeigt sich ein eindeutiger Unterschied zwischen den Kindern und
Jugendlichen, die vor oder nach einer psychiatrischen Intervention in einer stationären JWEinrichtung untergebracht waren zu denen, bei denen keine Fremdunterbringung in einer
Jugendwohlfahrtseinrichtung bekannt ist.
Tabelle 60: Statistik Alter- kein Kontakt zu JW/ Kontakt zu JW
Statistics- kein Kontakt zu JW
N
Valid
Missing
Mean
Median
Std. Deviation
Variance
Range
Minimum
Maximum
Statistics- Kontakt zu JW
N
248
Valid
Missing
0
111
0
15,0323
Mean
14,7748
16,0000
Median
15,0000
2,64326
Std. Deviation
1,90542
6,987
Variance
15,00
Range
9,00
6,00
Minimum
9,00
21,00
Maximum
18,00
3,631
An dieser Stelle soll überprüft werden, ob dieser Unterschied auch statistisch signifikant ist. Dazu
wurde zuerst ermittelt, ob das Alter normal verteilt ist. Der Kolmogorov Smirnov Test ergibt keine
Normalverteilung (z= 3,127 p= 0,000- sehr signifikant- siehe Tabelle im Anhang). Daher wurde ein
nonparametrischer Test, der Mann- Whitney U Test zur Überprüfung der Zusammenhänge
verwendet. Dieser zeigt einen signifikanten Unterschied (z= -0,232; p= 0,026- siehe Tabelle im
Anhang) in Bezug auf das mittlere Alter der Jugendlichen, die vor oder nach einer psychiatrischen
Intervention in JW- Einrichtungen fremd untergebracht waren, und jenen bei denen kein Kontakt zu
stationären Einrichtungen der JW bekannt ist. Jene Kinder und Jugendlichen, die auch von
221
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt betreut wurden, waren signifikant jünger als andere
kinder- und jugendpsychiatrische PatientInnen.
Nachdem sich ergeben hat, dass jene Burschen, die im Jahr 2006 auf der kinder- und
jugendpsychiatrischen Station aufgenommen wurden sehr signifikant jünger waren, als die
Mädchen (vgl. Kapitel 12.1.1.2), stellt sich die Frage, ob die Burschen, die Kontakt zu
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten, also als Grenzfälle beschrieben werden können, auch
jünger waren, als die Mädchen, die ebenfalls von der Jugendwohlfahrt betreut wurden. Hier soll vor
allem die Fragestellung 2 (vgl. Kapitel 10.3) untersucht werden, jedoch innerhalb der Gruppe der
Kinder und Jugendlichen, die in stationären Einrichtungen der JW untergebracht waren. Es wird
ermittelt, ob innerhalb dieser Gruppe ein geschlechtsspezifischer Unterschied in Bezug auf das
Alter besteht.
Dazu wurde nur jene Gruppe der Kinder und Jugendlichen untersucht, die unmittelbar vor oder
nach einem Aufenthalt Kontakt zu Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten. Der Kolmogorov
Smirnov Test ergab für diese Gruppe keine Normalverteilung bezüglich des Alters (z=1,587 und
p= 0,013 -siehe Tabelle im Anhang). Der U- Test nach Mann und Whitney zeigt keinen
signifikanten (z=-1,478; p= 0,139- siehe Tabelle im Anhang) Unterschied zwischen den Burschen
und Mädchen, die
jeweils Kontakt zu stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten.
Obwohl in Anbetracht der Mittelwerte (Mädchen: 15,07/ Burschen: 14,49) ein statistisch relevanter
Unterschied zu erwarten gewesen wäre. Das heißt, obwohl sich innerhalb der Gesamtstichprobe
zeigt, dass männliche kinder- und jugendpsychiatrische PatientInnen signifikant jünger waren, als
weibliche, lässt sich dieses in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die Kontakt zu stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten nicht beweisen. Es zeigt sich, dass bei den Burschen und
Mädchen, die als „Grenzfälle“ zwischen KJP und JW bezeichnet werden können, das Alter gleich
verteilt ist.
12.1.2.3
Geschlecht
In Bezug auf das Geschlecht soll überprüft werden, ob eher Burschen oder eher Mädchen sowohl
das System der Jugendwohlfahrt als auch das der KJP beanspruchen.
Um diese Frage zu beantworten wurde der Chi- Quadrat Test durchgeführt. Hier zeigt sich, dass
unter den 111 Kindern und Jugendlichen, die Kontakt zu Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten,
annähernd gleich viele Burschen (57) wie Mädchen (54) waren. Auch beim Chi- Quadrat Test
ergibt sich kein signifikantes Ergebnis (Pearson χ2= 0,813).
Somit kann Fragestellung 2 des Kapitels 10.3 ebenfalls eindeutig beantwortet werden. In Bezug auf
das Geschlecht gibt es keine signifikanten Unterschiede. Das heißt, jene Kinder und Jugendliche,
die als Grenzfälle zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und der KJP bezeichnet
222
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
werden können, sind zu gleichen Teilen Burschen wie Mädchen. Es lässt sich statistisch nicht
nachweisen, dass ein Geschlecht häufiger betroffen ist.
Tabelle 61: Chi- Quadrat Test- Geschlecht/ Kontakt zu JW
Case Processing Summary
Cases
Valid
N
Geschlecht * Kontakt
Missing
Percent
95,0%
361
N
19
Total
Percent
5,0%
N
380
Percent
100,0%
Geschlecht * Kontakt Crosstabulation
Count
Geschlecht
weiblich
Kontakt
kein bekannter
Kontakt zu JW
Kontakt zu JW
Einrichtung
Einrichtung
54
125
männlich
Total
Total
179
57
125
182
111
250
361
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Continuity
Correction(a)
Likelihood Ratio
1
Asymp. Sig.
(2-sided)
,813
,015
1
,902
,056
1
,813
Value
,056(b)
df
Exact Sig.
(2-sided)
Fisher's Exact Test
Linear-by-Linear
Association
Exact Sig.
(1-sided)
,821
,056
1
,451
,813
N of Valid Cases
361
a Computed only for a 2x2 table
b 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 55,04.
12.1.2.4
Zahl der Interventionen
Weiters stellt sich die Frage, ob die Kinder und Jugendlichen, die vor oder nach einer der
Interventionen Kontakt zu Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten, mehr psychiatrische
Interventionen benötigten als jene Kinder und Jugendlichen, die bei den Familien bzw. in
Behinderteneinrichtungen oder sonstigen Wohnformen wohnhaft waren.
Der Kolmogorov Smirnov Test zeigt mit z=7,442; p=0,000 (sehr signifikant) keine
Normalverteilung.
Der Mann- Whitney U-Test zeigt ein sehr signifikantes Ergebnis (z= -7,445; p= 0,000- siehe
Tabelle im Anhang). Dies bedeutet, dass diejenigen Kinder und Jugendlichen, die vor oder nach
einer der Interventionen Kontakt zu stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten, sehr
223
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
signifikant mehr psychiatrische Interventionen benötigten, als jene Kinder und Jugendlichen, die
keinen Kontakt zu stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten.
Jene Kinder und Jugendlichen, die Kontakt zu Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten,
benötigten im Durchschnitt 1,3 Interventionen, während jene, die unmittelbar vor oder nach einer
Intervention fremd untergebracht waren, im Durchschnitt 2,2 Interventionen benötigten. Dies ist
auch der untenstehenden Tabelle 62 zu entnehmen.
Tabelle 62: Mittelwerte- Zahl der Aufenthalt
Statistics- kein bekannter Kontakt
Statistics- Kontakt zu JW Einrichtungen
Zahl der Aufenthalte
Zahl der Aufenthalte
N
Valid
250
Missing
0
Mean
1,3160
Std. Deviation
,74993
Variance
,562
N
Valid
111
Missing
0
Mean
2,1712
Std. Deviation
1,45148
Variance
2,107
Somit lässt sich Fragestellung 3 des Kapitels 10.3 eindeutig beantworten. Es gibt einen statistisch
relevanten Unterschied in Bezug auf die Zahl der Interventionen zwischen den Kindern und
Jugendlichen, die vor oder nach einer Intervention Kontakt zu stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt hatten, und denen bei denen dies nicht der Fall war.
Auch die Hypothese 3 (vgl. Kapitel 10.2) lässt sich durch dieses Ergebnis untermauern.
Jene Kinder und Jugendlichen, die in stationären Einrichtungen der JW untergebracht waren,
benötigten sehr signifikant mehr psychiatrische Aufenthalte, als jene Kinder und Jugendlichen, bei
denen kein Kontakt zu stationären JW- Einrichtungen bekannt war.
Was könnten Gründe für dieses Ergebnis sein? Einerseits könnte hier ein Unterschied in den
Diagnosen bestehen. Das heißt, wenn die Kinder- und Jugendlichen, die Kontakt zu Einrichtungen
der Jugendwohlfahrt hatten, andere psychiatrische Störungsbilder aufweisen als andere Kinder und
Jugendliche,
wäre
dies
ein
plausibler
Erklärungsgrund.
Wie
den
Kapiteln
12.1.2.8
Aufnahmediagnose und dem Kapitel 12.1.2.9 Entlassungsdiagnose zu entnehmen, kann man hier
durchaus von einer Tendenz zur Signifikanz sprechen. Und zwar in die Richtung, dass Kinder und
Jugendliche
mit
expansiven
Verhaltensstörungen
eher
auch
Kontakt
zu
stationären
Fremdunterbringungsmöglichkeiten hatten.
Ein anderer Grund könnte darin liegen, dass es für Einrichtungen leichter ist, bei Problemen die
KJP zu konsultieren und diese auch als eine Hilfemöglichkeit in schwierigen Fällen in Anspruch zu
nehmen. Für Familien besteht hier wahrscheinlich eine höhere Hemmschwelle und es wird
224
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
versucht, Probleme ohne die KJP zu lösen, die ohnehin in der Bevölkerung mit einem schwierigen
Ruf zu kämpfen hat.
Eine andere Überlegung wäre, dass Kinder- und Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten, die
in ein familiäres Umfeld eingebettet sind, weniger psychiatrische Hilfe benötigen, weil sie einen
psychosozialen Rückhalt haben.
12.1.2.5
Aufenthaltsdauer
Wenn wir über die Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der JW und der KJP sprechen,
stellt sich in Bezug auf die Aufenthaltsauer die Frage, ob Kinder oder Jugendliche, die unmittelbar
vor oder nach einer psychiatrischen Intervention in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt fremd
untergebracht waren gleich lange behandelt wurden wie Kinder und Jugendliche, die bei den Eltern,
in Behinderteneinrichtungen oder sonstigen Unterbringungsformen wohnhaft waren.
Um diesbezüglich Aussagen treffen zu können, wurde nach dem Kolmogorov Smirnov Test (z=
4,245 und p= 0,000 sehr signifikant) ein Mittelwertsvergleich mittels Mann- Whitney U Test
durchgeführt. Dieser ist mit z= -4,677 und p= 0,000- sehr signifikant (vgl. Tabelle 63).
Tabelle 63: Mann Whitney U-Test: Aufenthaltsdauer/ Kontakt (1.Int.)
Test Statistics(a)
Mann-Whitney U
Wilcoxon W
Z
Asymp. Sig. (2tailed)
Ranks
Aufenthaltsdauer
Aufenthaltsdauer
8225,000
44271,000
-4,677
JW1
kein Kontakt zu JW
Einrichtungen
Kontakt zu JW
Einrichtung vor oder
nach der Intervention
,000
Total
N
Mean
Rank
Sum of
Ranks
268
165,19
44271,00
90
222,11
19990,00
358
a Grouping Variable: JW1
Es bestehen also deutliche Unterschiede in Bezug auf die Aufenthaltsdauer zwischen den Kindern
und Jugendlichen, die unmittelbar vor oder nach der ersten psychiatrischen Intervention in einer
stationären Einrichtung der Jugendwohlfahrt untergebracht waren und solchen, die unmittelbar vor
oder nach der Intervention keinen Kontakt zu einer JW- Einrichtung hatten, bestehen.
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass in die Berechnung, ob Kontakt zu einer JW- Einrichtung
bestand oder nicht, alle JW- Einrichtungen miteinbezogen wurden, da der Prozentsatz der Kinder
und Jugendlichen, die in JW- Einrichtungen außerhalb der Steiermark untergebracht waren relativ
gering ist. Außerdem ist die Bundesländerzuordnung an dieser Stelle nicht von Relevanz, da wir
jene Gruppe von Kindern und Jugendlichen beschreiben möchten, die einerseits von der JW und
andererseits von der KJP betreut wurden.
225
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Ferner ist von Bedeutung, dass diese Signifikanz eventuell dadurch zustande kommt, weil in die
Berechnung die Kinder und Jugendlichen miteinbezogen wurden, die vor oder nach der
Intervention Kontakt zu Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten. Daher sind auch die Fälle
miteinbezogen, die die Wohnform während des Aufenthaltes wechseln mussten. Also z.B. vorher
bei den Eltern wohnhaft waren und nach dem Aufenthalt in einer Einrichtung der Jugendwohlfahrt
fremd untergebracht wurden. Daher ist noch extra zu untersuchen, ob die Kinder und Jugendlichen,
die die Wohnform wechseln mussten längere Aufenthaltsdauern in der KJP in Kauf nehmen
mussten. Außerdem ist an dieser Stelle zusätzlich zu untersuchen, ob die Kinder und Jugendlichen,
die vor der Intervention in einer Einrichtung der Jugendwohlfahrt untergebracht waren, längere
Aufenthaltsdauern hatten, um feststellen zu können, ob bei Kindern und Jugendlichen, die aus
stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt aufgenommen werden, die Aufenthalte generell
länger dauern.
Bei der Berechnung der Unterschiede in Bezug auf die Aufenthaltsdauer zwischen den Kindern und
Jugendlichen, die aus einer Einrichtung der Jugendwohlfahrt kamen und denen, bei denen dies nicht
der Fall war, zeigt sich kein signifikanter Zusammenhang (z= -1,821; p= 0,069). Das heißt, die
Kinder- und Jugendlichen, denen es ermöglicht wurde, nach der ersten psychiatrischen Intervention
in die gleiche stationäre Einrichtung zurück zu kehren, konnten genauso schnell wieder entlassen
werden, wie jene Kinder und Jugendlichen, die wieder in die Familie, zu einem Elternteil, Großbzw. Pflegeeltern, Behinderteneinrichtungen oder sonstigen Wohnformen zurückkehren konnten.
Somit lässt sich in Bezug auf die Fragestellung 4 des Kapitels 10.3 (Gibt es einen Unterschied im
Hinblick auf die Aufenthaltsdauer zwischen den Kindern und Jugendlichen, die aus Einrichtungen
der Jugendwohlfahrt kommen und denen, die vor dem Aufenthalt nicht fremd untergebracht
waren?) eindeutig feststellen, dass hier aufgrund der Dokumentenanalyse kein signifikanter
Unterschied besteht.
Tabelle 64: Mann- Whitney U- Test: Alter/ Jugendwohlfahrtseinrichtung vor der 1. Int.
Ranks
Wohnform vor 1.Int= JW Einrichtung
Aufenthaltsdauer
nicht aus
Einrichtung der JW
aus Einrichtung
der JW
Total
Test Statistics(a)
N
Mean
Rank
Sum of
Ranks
288
174,30
50197,50
69
198,63
13705,50
Mann-Whitney U
Wilcoxon W
Z
Asymp. Sig. (2-tailed)
357
Aufenthaltsdauer
8581,500
50197,500
-1,821
,069
a Grouping Variable: Wohnform vor 1.Int= JW Einrichtung
226
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Das weist darauf hin, dass die Unterschiede in Bezug auf die Aufenthaltsdauer der Kinder und
Jugendlichen durch den „Drehtür- Effekt“ der KJP zustande kommen müssen. Das heißt, die
durchschnittliche Aufenthaltsdauer wird wahrscheinlich dadurch beeinflusst, dass manche Kinder
und Jugendlichen nicht mehr in ihre bisherige Wohnform zurück kehren können, wodurch
Wartezeiten entstehen, bis eine neue geeignete Unterbringung gefunden war. Diesbezüglich soll im
Anschluss auch die Signifikanz überprüft werden.
Bei der 2. Intervention zeigt sich beim Vergleich der Aufenthaltsdauer der Kinder und
Jugendlichen, die vor oder nach der 2. Intervention in einer Einrichtung der Jugendwohlfahrt
untergebracht waren, und denen, die in der Familie in Behinderteneinrichtungen oder sonstigem
wohnhaft waren, dass zwar die Daten der Aufenthaltsdauer ebenfalls nicht normal verteilt sind
(Kolmogorov Smirnov z= 2,598; p= 0,000- sehr signifikant) jedoch die Mittelwerte der
Aufenthaltsdauer keine signifikanten Unterschiede aufweisen, wie in der nachstehenden Tabelle 65
dargestellt ist (Mann Whitney U- z= -0,801; p= 0,423- nicht signifikant). Das heißt die zweite
psychiatrische Intervention dauerte bei den Kindern und Jugendlichen, die als Grenzfälle
beschrieben werden können, durchschnittlich genauso lange, wie bei den anderen Kindern und
Jugendlichen.
Tabelle 65: Mann- Whitney U- Test: Aufenthaltsdauer/ Kontakt (2.Int.)
Test Statistics(a)
Ranks
JW2
Aufenthaltsdauer kein Kontakt zu JW
Einrichtungen
Aufenthaltsdauer
1478,000
Mann-Whitney U
Wilcoxon W
Kontakt zu JW
Einrichtung vor oder
nach der Intervention
3689,000
Z
-,801
Asymp. Sig. (2-tailed)
,423
Total
N
Mean
Rank
Sum of
Ranks
66
55,89
3689,00
49
60,84
2981,00
115
a Grouping Variable: JW2
Auch bei der dritten Intervention zeigt sich, dass kein signifikanter Unterschied (z= -0,512; p=
0,608- siehe nachstehende Tabelle) in Bezug auf die Aufenthaltsdauer zwischen den Kindern und
Jugendlichen
besteht,
die
vor
oder
nach
der
Intervention
in
einer
stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtung untergebracht waren, und denen, die keinen Kontakt zu Einrichtungen
der Jugendwohlfahrt hatten.
227
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 66: Mann Whitney U- Test: Aufenthaltsdauer/ Kontakt (3.Int.)
Test Statistics(a)
Ranks
JW3
Mann-Whitney U
Aufenthaltsdauer
274,000
Wilcoxon W
Z
Asymp. Sig. (2-tailed)
Aufenthaltsdauer
550,000
-,512
,608
a Grouping Variable: JW3
kein Kontakt zu JW
Einrichtungen
Kontakt zu JW
Einrichtung vor oder
nach der Intervention
Total
N
Mean
Rank
Sum of
Ranks
23
23,91
550,00
26
25,96
675,00
49
Für die weiteren Interventionen wurden keine Zusammenhänge in Bezug auf die Aufenthaltsdauer
errechnet, da die Gesamtstichprobe (4.Int- n=17) zu klein ist, um die beiden Gruppen vergleichen
zu können.
Für die ersten drei Interventionen wurde überdies ermittelt, ob ein signifikanter Unterschied in
Bezug auf die Aufenthaltsdauer zwischen den Kindern und Jugendlichen besteht, für die während
des Aufenthaltes eine andere Wohnform gesucht werden musste, und denen, die in die gleiche
Wohnform zurück kehren konnten. Hier ergab sich für alle drei Interventionen ein signifikanter
Unterschied.
Dies konnte erneut durch den Mann Whitney U- Test- bei der ersten Intervention mit z= -7,847 und
p= 0,000 (= sehr signifikant), bei der zweiten Intervention mit z= -4,94; p= 0,000 (sehr signifikant)
und bei der dritten Intervention mit z= -3,011; p= 0,003 (sehr signifikant) bewiesen werden. Die
Tabellen sind dem Anhang zu entnehmen.
Das bedeutet, dass sich die Aufenthaltsdauer dieser beiden Gruppen höchst signifikant
unterscheidet. Kinder und Jugendliche, die nach dem Aufenthalt nicht in die gleiche Wohnform
zurückkehren konnten, waren im Durchschnitt sehr signifikant länger in psychiatrischer
Behandlung als jene, die in die gleiche Wohnform zurückkehren konnten. Hierbei ist zu erwähnen,
dass die Kinder und Jugendlichen, die nach dem Aufenthalt in die gleiche Wohnform zurück kehren
konnten im Durchschnitt bei allen 3 Interventionen zwischen drei und vier Wochen in
psychiatrischer Behandlung waren, während die Kinder und Jugendlichen, für die eine neue
Wohnform gefunden werden musste zwischen 7 und 8 Wochen stationär betreut wurden. Die
Mittelwerte sind dem Anhang zu entnehmen.
228
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Somit kann Fragestellung 5 des Kapitels 10.3 eindeutig mit ja beantwortet werden. Die Kinder und
Jugendlichen für die während der psychiatrischen Intervention eine neue Unterbringung gesucht
werden musste, unterscheiden sich in Bezug auf die Aufenthaltsdauer von denen, die in die gleiche
Wohnform zurückkehren konnten.
Gründe für diese Unterschiede könnten einerseits darin bestehen, dass dadurch, dass wenn eine
Alternative zur bisherigen Wohnform gesucht werden muss, mehr Zeit gebraucht wird, und für die
Kinder und Jugendlichen eine Wartezeit entsteht. Hier muss zunächst die Zeit in Rechnung gestellt
werden, bis eine andere Wohnform gefunden wird, überdies muss hier auch die Zeit berücksichtigt
werden, die das Aufnahmeverfahren benötigt, bis das Kind oder der Jugendliche dann wirklich in
die neue Wohnform entlassen werden kann.
Ein weiterer Grund könnte aber auch darin liegen, dass jene Kinder und Jugendlichen welche die
Wohnform wechseln mussten, andere Krankheitsbilder aufwiesen, als jene, die in der Wohnform
bleiben konnten. Dies gilt es im Weiteren näher zu untersuchen (vgl. Kapitel 12.1.2.8 und 12.1.2.9).
12.1.2.6
Interventionsform
Es stellt sich die Frage, ob die Kinder- und Jugendlichen, die in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
fremd untergebracht waren und zusätzliche psychiatrische Hilfe benötigten, andere psychiatrische
Interventionsformen in Anspruch genommen haben, als die Kinder und Jugendlichen, die
unmittelbar vor der Intervention keinen Kontakt zu stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
hatten.
Um hier Unterschiede feststellen zu können, wurde ein Chi- Quadrat Test durchgeführt. Dazu
wurden ambulante und tagklinische Fälle zusammengefasst. Dies scheint auch aufgrund der
Tatsache sinnvoll, dass nur wenige Fälle als rein ambulante Interventionen identifiziert werden
konnten. Der überwiegende Teil der Kinder- und Jugendlichen, die auch nur einen Tag zur Testung
bzw. Abklärung aufgenommen wurden, waren im Computer als tagklinische PatientInnen
verzeichnet.
An dieser Stelle ergeben sich für die erste Intervention signifikante Unterschiede (Pearson χ2=
0,050- siehe nachstehende Tabelle). Das heißt, die Kinder und Jugendlichen, die vor der ersten
Intervention in stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt fremd untergebracht waren, wurden
weniger häufig ambulant bzw. tagklinisch und häufiger stationär aufgenommen als die Kinder und
Jugendlichen, die vor der ersten Intervention bei den Eltern, einem Elternteil, Groß- oder
Pflegeeltern, Behinderteneinrichtungen oder sonstigen Wohnformen untergebracht waren.
genauen Zahlen sind in der untenstehenden Kreuztabelle (Tabelle 67) noch einmal aufgelistet.
229
Die
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 67: Chi- Quadrat- Form der Intervention/ JW Einrichtungen vor der 1.Int.
Case Processing Summary
Cases
Valid
N
Form der Intervention *
Wohnform vor 1.Int=
JW Einrichtung
Missing
Percent
363
N
97,3%
Total
Percent
10
N
2,7%
Percent
373
100,0%
Form der Intervention 1 zusammengefasst * Wohnform vor 1.Int= JW Einrichtung Crosstabulation
Form der
Intervention 1
zusammengefasst
ambulant/tagklinisch
Wohnform vor 1.Int=
JW Einrichtung
nicht aus
aus
Einrichtung Einrichtung
der JW
der JW
68
8
Count
Expected Count
Std. Residual
stationär
Count
Expected Count
Std. Residual
stationär+tagklinisch
Count
Expected Count
Std. Residual
Total
Count
Expected Count
61,3
14,7
Total
76
76,0
,9
-1,7
178
53
231
186,3
44,7
231,0
-,6
1,2
50
10
60
48,4
11,6
60,0
,2
-,5
296
71
367
296,0
71,0
367,0
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
5,981(a)
6,496
1,226
2
2
Asymp. Sig.
(2-sided)
,050
,039
1
,268
df
367
a 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 11,61.
Somit lässt sich in Bezug auf die Fragestellung 9 (Kapitel 10.3) ableiten, dass sich durch die
Dokumentenanalyse Unterschiede in Bezug auf die Interventionsform feststellen lassen.
Gründe für diese Unterschiede könnten einerseits darin liegen, dass viele stationäre
Fremdunterbringungseinrichtungen außerhalb von Graz liegen und dadurch die Erreichbarkeit nicht
gegeben ist. Hier ist zu überprüfen, ob die Kinder und Jugendlichen, die aus Einrichtungen
kommen, die nicht in Graz und Graz Umgebung liegen, weniger häufig tagklinisch behandelt
wurden.
Hierzu wurden zuerst die Jugendwohlfahrtseinrichtungen den steirischen Regionen zugeordnet. Die
Kreuztabelle ist dem Anhang zu entnehmen. Nachdem hier jedoch in 55,6% der Zellen die
erwartete Häufigkeit kleiner als 5 war, mussten die Regionen zusammengefasst werden, um die
230
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Bedingungen für den Chi- Quadrat Test zu erfüllen. Aus diesem Grund wurden nur mehr 2
Kategorien gewählt. Jene Kinder und Jugendlichen, die aus Jugendwohlfahrtseinrichtungen aus
Graz bzw. Graz Umgebung kamen, bilden eine Gruppe, eine weitere Gruppe bilden die Fälle, die
aus Einrichtungen der Jugendwohlfahrt der restlichen Steiermark bzw. außerhalb der Steiermark
kamen. Hier ist anzunehmen, dass für jene Kinder und Jugendlichen, die nicht aus Einrichtungen in
und um Graz kommen, die Erreichbarkeit der kinder- und jugendpsychiatrischen Station erschwert
ist.
Hier ergibt sich allerdings im Chi- Quadrat Test, dass es keine signifikanten Unterschiede (Pearson
χ2= 0,186) zwischen der Interventionsform der ersten psychiatrischen Intervention und der Region
in der die JW- Einrichtung liegt, gibt. Das heißt die Kinder und Jugendlichen, die aus stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt außerhalb von Graz und Graz Umgebung kamen, wurden im
wesentlichen gleich häufig tagklinisch behandelt wie die Kinder und Jugendlichen, die aus
Jugendwohlfahrtseinrichtungen in Graz bzw. Graz Umgebung kamen. Diese Zahlen sind in der
nachstehenden Kreuztabelle (Tabelle 68) dargestellt.
Es stellt sich erneut die Frage, warum Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt generell weniger häufig tagklinisch behandelt werden, als andere Kinder und
Jugendliche. Obwohl anzunehmen ist, dass für die Kinder und Jugendlichen, die aus Einrichtungen
der Jugendwohlfahrt außerhalb von Graz und Graz Umgebung kommen, die Erreichbarkeit der
kinder- und jugendpsychiatrischen Station der LSF in Graz erschwerter ist, wurden diese gleich
häufig bzw. gleich wenig häufig tagklinisch behandelt wie Kinder und Jugendliche aus
Einrichtungen direkt in Graz oder Graz Umgebung. Ein möglicher Grund könnte sein, dass hier
eventuell Unterschiede in den Krankheitsbildern bestehen, die es den Kindern und Jugendlichen aus
Einrichtungen in Graz und Graz Umgebung erschweren, täglich zwischen der Einrichtung und dem
Krankenhaus zu „pendeln“. Dies wird im Kapitel 12.1.2.8 Aufnahmediagnose überprüft. Es zeigt
sich, dass für die erste Intervention keine signifikanten Unterschiede in den Aufnahmediagnosen
bestehen. Dennoch bestehen Unterschiede in den Aufnahmegründen, was stationäre Aufnahmen
begründen lässt.
Eine weitere Überlegung könnte sein, dass es eventuell von den Einrichtungen gewünscht wird,
dass eine stationäre Aufnahme erfolgt. Dies lässt sich allerdings anhand der Dokumentenenanalyse
nicht klären und wäre eventuell in den Interviews zu erheben.
231
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 68: Chi- Quadrat- JW- Einrichtungen nach Regionen/ Interventionsform
Case Processing Summary
Cases
Valid
N
JW vor Int. Graz/Rest
Steiermark/nicht Stmk. *
Form der Intervention 1
zusammengefasst
Missing
Percent
367
N
97,1%
Total
Percent
11
N
2,9%
Percent
378
100,0%
JW vor Int. Graz/Rest Steiermark/nicht Stmk. * Form der Intervention 1 zusammengefasst Crosstabulation
Form der Intervention 1
zusammengefasst
JW vor Int.
Graz/Rest
Steiermark/nicht
Stmk.
nicht JW
Count
ambulant/
tagklinisch
68
Expected Count
296
61,3
186,3
48,4
296,0
,9
-,6
,2
Count
Expected Count
Std. Residual
JW Graz/ Graz
Umgebung
3
25
5
33
6,8
20,8
5,4
33,0
-1,5
,9
-,2
5
28
5
38
7,9
23,9
6,2
38,0
-1,0
,8
-,5
76
231
60
367
76,0
231,0
60,0
367,0
Count
Expected Count
Std. Residual
Total
stationär
178
Std. Residual
JW nicht STMK/ Rest
Steiermark
Count
Expected Count
Total
stationär+
tagklinisch
50
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
6,177(a)
6,819
,808
4
4
Asymp. Sig.
(2-sided)
,186
,146
1
,369
df
367
a 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 5,40.
Für die weiteren Interventionen lässt sich aufgrund der geringen Fallzahlen kein Chi- Quadrat Test
durchführen.
232
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.2.7
Aufnahme im geschützten Bereich
Es soll in Bezug auf Fragestellung 8 (Kapitel 10.3) überprüft werden, ob die Kinder und
Jugendlichen, die in stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt untergebracht waren, häufiger
nach dem Unterbringungsgesetz, im geschützten Bereich der Abteilung für KJP untergebracht
werden. Dies ist vor allem auch im Hinblick auf die Hypothese 11 (vgl. Kapitel 10.2) von
Bedeutung. Durch ein signifikantes Ergebnis würde sich zeigen, dass die Möglichkeit der
geschlossenen Unterbringung für stationäre Jugendwohlfahrtseinrichtungen bei der Einweisung in
die KJP eine Rolle spielt. Durch die Möglichkeit der geschlossenen Unterbringung in stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen könnte diese Form der Krisenintervention auch in der Einrichtung
geschehen.
Es zeigt sich für die erste Intervention, dass ein signifikanter Zusammenhang (Pearson χ2= 0,021)
zwischen der Fremdunterbringung in einer Jugendwohlfahrtseinrichtung vor der Intervention und
der Aufnahme im geschützten Bereich besteht. Hier kann man allerdings aufgrund der
standardisierten Residuen sehen, dass der Zusammenhang am ehesten darin zu bestehen scheint,
dass von den Kindern und Jugendlichen, die vor der ersten Intervention in einer Einrichtung der
Jugendwohlfahrt untergebracht waren, keine Angaben in den Arztbriefen bzw. Dekursen gefunden
werden konnten, ob diese im geschützten Bereich aufgenommen wurden.
233
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 69: Chi- Quadrat: Aufnahme im geschützten Bereich/ Fremdunterbringung vor der 1.Int.
Aufnahme im geschützten Bereich * Wohnform vor 1.Int= JW Einrichtung Crosstabulation
Aufnahme im
geschützten
Bereich
ja
Wohnform vor 1.Int= JW
Einrichtung
nicht aus
aus
Einrichtung
Einrichtung
der JW
der JW
138
38
Count
Expected Count
142,0
Std. Residual
nein
Count
Expected Count
,7
22
158
127,4
30,6
158,0
,8
-1,5
22
11
33
26,6
6,4
33,0
Std. Residual
Total
Count
Expected Count
176
176,0
-,3
Count
Expected Count
34,0
136
Std. Residual
keine Angaben
Total
-,9
1,8
296
71
367
296,0
71,0
367,0
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
7,683(a)
7,368
,018
2
2
Asymp. Sig.
(2-sided)
,021
,025
1
,892
df
367
a 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 6,38.
Da dies jedoch nicht sehr viel aussagt, wurden jene 33 Fälle ausgeschlossen, bei denen
diesbezüglich keine Angaben bestehen, und der Chi- Quadrat Test erneut durchgeführt.
Es zeigt sich hier, dass kein signifikanter Zusammenhang (Pearson χ2= 0,068/ exakter Test nach
Fischer= 0,086) zwischen der Fremdunterbringung in einer stationären Einrichtung der
Jugendwohlfahrt vor der ersten Intervention und der Aufnahme im geschützten Bereich besteht.
234
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 70: Chi- Quadrat- Aufnahme im geschützten Bereich/ Fremdunterbringung vor 1.Int.
Case Processing Summary
Cases
Valid
N
Aufnahme im geschützten
Bereich * Wohnform vor
1.Int= JW Einrichtung
Missing
Percent
334
N
97,1%
Total
Percent
10
N
2,9%
Percent
344
100,0%
Aufnahme im geschützten Bereich * Wohnform vor 1.Int= JW Einrichtung Crosstabulation
Aufnahme im
geschützten
Bereich
ja
Wohnform vor 1.Int= JW
Einrichtung
nicht aus
aus
Einrichtung Einrichtung
der JW
der JW
138
38
Count
Expected Count
Std. Residual
nein
Count
Expected Count
Std. Residual
Total
Count
Expected Count
144,4
31,6
-,5
1,1
Total
176
176,0
136
22
158
129,6
28,4
158,0
,6
-1,2
274
60
334
274,0
60,0
334,0
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Continuity
Correction(a)
Likelihood Ratio
1
Asymp. Sig.
(2-sided)
,068
2,821
1
,093
3,363
1
,067
Value
3,321(b)
df
Fisher's Exact Test
Linear-by-Linear
Association
Exact Sig.
(2-sided)
,086
3,311
1
N of Valid Cases
Exact Sig.
(1-sided)
,046
,069
334
a Computed only for a 2x2 table
b 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 28,38.
235
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Wenn kein Unterschied in der Häufigkeit der Aufnahme im geschützten Bereich zwischen den
Kindern und Jugendlichen, die aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt kommen, und
den anderen Kindern und Jugendlichen besteht, kann man auch analog dazu annehmen, dass Selbstund Fremdgefährdung nicht ausschließlich die Gründe der Aufnahme aus stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen sein können, wie in den Interviews von vielen ExpertInnen betont
wurde. Oder aber die Selbst- oder Fremdgefährdung wurde von den Fachkräften der
Jugendwohlfahrtseinrichtungen anders beurteilt als von den Kinder- und JugendpsychiaterInnen. In
Bezug auf die Aufnahmediagnosen (vgl. Kapitel 12.1.2.8) wird bei der zweiten Intervention
deutlich, dass Kinder und Jugendliche aus stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen sehr häufig
aufgrund einer Störung aus dem Bereich der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in
der Kindheit und Jugend“ (F9) aufgenommen wurden. Dazu zählen vor allem die großen Bereiche
der hyperkinetischen Störungen und die Störungen des Sozialverhaltens. Diese sind vor allem durch
ein wiederholendes Muster von „dissozialen, aggressiven oder aufsässigen“ Verhaltensweisen
charakterisiert (vgl. Dilling et. al, 2005: 297). Es kann also durchaus der Fall sein, dass aggressive
Verhaltensweisen zu einer Einweisung führen, jedoch der Jugendliche sich bei der Aufnahme
bereits beruhigt hat und daher eine Aufnahme im geschützten Bereich der Abteilung nicht mehr
notwendig ist. Daher lässt sich in Bezug auf die Hypothese 11 (vgl. Kapitel 10.2) feststellen, dass
durch eine eventuelle kurzzeitige geschlossene Intervention bzw. die Möglichkeit eines
Auszeitzimmers, das natürlich rechtlich sehr gut abgesichert sein muss, in den stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen, der Weg zur Kinder- und Jugendpsychiatrie entfallen könnte.
Bei der zweiten Intervention zeigen sich ebenfalls keine signifikanten Zusammenhänge (Pearson
χ2= 0,692) zwischen der Fremdunterbringung in einer stationären Jugendwohlfahrtseinrichtung vor
der Intervention und der Aufnahme im geschützten Bereich der kinder- und jugendpsychiatrischen
Abteilung der LSF. Das heißt, es wurden genauso viele Kinder und Jugendliche, die nicht aus
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt kamen nach dem Unterbringungsgesetz aufgenommen, wie
Kinder und Jugendliche aus stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen.
236
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 71: Chi- Quadrat Test: Aufnahme im geschützten Bereich/ Fremdunterbringung vor der 2. Int.
Case Processing Summary
Cases
Valid
N
JWvor2 * Aufnahme im
geschützten Bereich
Missing
Percent
118
N
31,1%
Total
Percent
262
N
68,9%
Percent
380
100,0%
JWvor2 * Aufnahme im geschützten Bereich Crosstabulation
Count
Aufnahme im geschützten Bereich
keine
ja
nein
Angaben
JWvor2
Total
nicht aus Einrichtung der
JW
39
30
9
78
Aus Einrichtung der JW
19
18
3
40
58
48
12
118
Total
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
,736(a)
,754
2
2
Asymp. Sig.
(2-sided)
,692
,686
1
,906
Df
,014
118
a 1 cells (16,7%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 4,07.
Nachdem bei der Berechnung des Chi- Quadrat Tests der 3. Intervention, bei 2 Zellen die erwartete
Häufigkeit kleiner als 5 war, und somit die Bedingungen nicht erfüllt wären, wurden hier erneut
jene Fälle ausgeschlossen, bei denen keine Angaben in Bezug auf die Aufnahme im geschützten
Bereich vorhanden waren. Das Ergebnis zeigt auch bei der 3. Intervention keinen signifikanten
Zusammenhang (χ2= 0,903) zwischen der Fremdunterbringung vor dieser Intervention und der
Aufnahme in den geschützten Bereich, wie der anschließenden Tabelle (Tabelle 72) zu entnehmen
ist.
Tabelle 72: Chi- Quadrat Test: Aufnahme im geschützten Bereich/ Fremdunterbringung vor der 3.Int.
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Continuity
Correction(a)
Likelihood Ratio
1
Asymp. Sig.
(2-sided)
,903
,000
1
1,000
,015
1
,903
Value
,015(b)
df
Fisher's Exact Test
Linear-by-Linear
Association
Exact Sig.
(2-sided)
Exact Sig.
(1-sided)
1,000
,015
1
N of Valid Cases
,904
43
a Computed only for a 2x2 table
b 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 6,19.
237
,583
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Somit kann in Bezug auf die Fragestellung, ob Unterschiede zwischen den Kindern und
Jugendlichen, die vor der Intervention in einer stationären Einrichtung der JW fremd untergebracht
waren, und denen, bei denen dies nicht der Fall war, in Bezug auf die Aufnahme im geschützten
Bereich der Abteilung besteht, eine eindeutige Antwort gegeben werden. Statistisch lässt sich hier
in Bezug auf die Aufnahme im geschützten Bereich kein Unterschied feststellen.
12.1.2.8
Aufnahmediagnose
An dieser Stelle soll die Fragestellung 6 des Kapitels 10.3 überprüft werden. Es ist von Interesse, ob
ein Zusammenhang zwischen der Aufnahmediagnose und der Fremdunterbringung vor der
Intervention bzw. vor oder nach der Intervention besteht. Dies ist besonders deshalb interessant,
weil dadurch Unterschiede in Bezug auf die Interventionsdauer und die Form der Intervention zu
erklären wären.
Um diese Frage zu beantworten, wurde ein Chi- Quadrat Test durchgeführt. Aufgrund der genauen
Spezifizierung der erhobenen Diagnosen zeigte sich, dass 91% der Zellen eine erwartete Häufigkeit
kleiner als fünf hatten. Dadurch sind die Bedingungen für den Chi- Quadrat Test nicht erfüllt. Um
dennoch eine entsprechende Aussage treffen zu können, wurden die Diagnosen in Diagnosegruppen
laut ICD10 zusammengefasst. Jedoch zeigte sich auch hier, dass 50% der Zellen eine erwartete
Häufigkeit kleiner als fünf aufwiesen. Daher wurden jene Diagnosegruppen, bei denen beide
Gruppen erwartete Häufigkeiten von kleiner als fünf aufwiesen aus der Berechnung genommen und
der Chi- Quadrat Test erneut durchgeführt.
Es zeigt sich für die erste Intervention, dass kein signifikanter Zusammenhang (χ2= 0,657- siehe
nachstehende Tabelle 73) zwischen der Fremdunterbringung in einer Jugendwohlfahrtseinrichtung
vor der Intervention und der Aufnahmediagnose bestand. Das heißt, die Verteilung der
Aufnahmediagnosen ist in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen aus stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen annähernd gleich und unterscheidet sich nicht von den Kindern und
Jugendlichen, die nicht aus stationären JW- Einrichtungen kommen. Dies ist in der folgenden
Tabelle (Tabelle 73) und der anschließenden Grafik (Grafik 45: Aufnahmediagnose 1.Int- aus JWEinrichtung/ nicht aus JW- Einrichtung) noch einmal zu entnehmen.
238
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 73: Chi- Quadrat Test- Aufnahmediagnose/ Wohnform vor der 1.Int. = JW Einrichtung
Case Processing Summary
Cases
Valid
N
Aufnahmediagnose
1.Int. zusammengefasst
* Wohnform vor 1.Int=
JW Einrichtung
Missing
Percent
346
N
Total
Percent
97,5%
9
N
2,5%
Percent
355
100,0%
Aufnahmediagnose 1.Int. zusammengefasst * Wohnform vor 1.Int= JW Einrichtung Crosstabulation
Aufnahmediagnose 1.Int.
zusammengefasst
F1
Wohnform vor 1.Int= JW
Einrichtung
nicht aus
Einrichtung der aus Einrichtung
JW
der JW
17
3
Count
Expected
Count
Std. Residual
F2
Count
Expected
Count
Std. Residual
F3
Count
Expected
Count
Std. Residual
F4
Count
Expected
Count
Std. Residual
F9
Count
Expected
Count
Std. Residual
Sonstige
Count
Expected
Count
Std. Residual
Total
Count
Expected
Count
3,8
,2
-,4
9
2
11
8,9
2,1
11,0
,0
,0
121
24
145
117,8
27,2
145,0
,3
-,6
68
20
88
71,5
16,5
88,0
-,4
,9
38
12
50
40,6
9,4
50,0
-,4
,9
28
4
32
26,0
6,0
32,0
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
,108
,4
-,8
65
346
281,0
65,0
346,0
5
5
1
,742
346
a 2 cells (16,7%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 2,07.
239
20,0
281
Asymp. Sig.
(2-sided)
,657
,655
df
20
16,2
Chi-Square Tests
Value
3,281(a)
3,295
Total
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Vergleich Aufnahmediagnose 1.Int.
50
45
40
35
Prozent [%]
30
nicht aus JW-Einrichtung
aus JW- Einrichtung
25
20
15
10
5
0
F1
F2
F3
F4
F9
sonstige
Diagnose lt. ICD 10
Grafik 45: Aufnahmediagnose 1.Int- aus JW-Einrichtung/ nicht aus JW- Einrichtung
In gleicher Weise soll erhoben werden, ob sich die Jugendlichen, die vor oder nach der ersten
Intervention in einer Jugendwohlfahrtseinrichtung fremd untergebracht waren, in Bezug auf die
Aufnahmediagnose von den anderen unterscheiden. Hier wird bei der Berechnung ähnlich
vorgegangen wie bereits beschrieben. Es zeigt sich auch hier kein signifikanter Zusammenhang (χ2=
0,903).
Tabelle 74: Chi- Quadrat- Test: Aufnahmediagnose/ Kontakt zu JW Einrichtung vor oder nach der
1.Intervention
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
1,581(a)
1,580
,085
5
5
Asymp. Sig.
(2-sided)
,903
,904
1
,771
df
328
a 2 cells (16,7%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 1,77.
240
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Um etwaige Zusammenhänge bei der zweiten Intervention zu ermitteln, wurde gleich vorgegangen.
Zuerst wurde der Zusammenhang zwischen der Fremdunterbringung vor der Intervention und der
Aufnahmediagnose ermittelt. Hier zeigt sich durch die Berechnung des Pearson χ2= 0,049 zwar ein
signifikanter Zusammenhang, der Likelikood- Quotient χ2= 0,051 zeigt jedoch keinen signifikanten
Zusammenhang. Dies könnte darin begründet liegen, dass sich die Signifikanz durch die
standardisierten Residuen nicht begründen lässt. Es lässt sich allerdings jener Trend erkennen, dass
die Kinder und Jugendlichen, die mit der Diagnose lt. ICD10 „Verhaltens- und emotionale
Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) aufgenommen wurden, eher aus
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt kamen. Dieses Ergebnis ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, da
das Ergebnis sehr knapp ist und einige Diagnosegruppen aus der Berechnung genommen werden
mussten. Daher sollte in diesem Fall eher von einer Tendenz zur Signifikanz gesprochen werden.
Tabelle 75: Chi- Quadrat Test: Aufnahmediagnose/ Fremdunterbringung vor der 2. Int.
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
6,028(a)
5,956
df
2
2
Asymp. Sig.
(2-sided)
,049
,051
5,590
1
,018
95
A 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 7,64.
Auch hier stellt sich wiederum die Frage, ob die Kinder und Jugendlichen, die vor oder nach der 2.
Intervention
in
JW
Einrichtungen
fremd
untergebracht
waren,
sich
in
Bezug
auf
Aufnahmediagnosen von den anderen Kindern und Jugendlichen unterscheiden.
Die Berechnung wurde wieder analog durchgeführt. Hier ergeben sich jedoch klarere signifikante
Zusammenhänge als bei den Kindern und Jugendlichen, die vor der zweiten Intervention in
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt fremd untergebracht waren. Beide Werte, das Pearson χ2= 0,020
wie auch der Likelihood Quotient χ2= 0,019 ergeben signifikante Zusammenhänge. Diese könnten
darin begründet liegen, dass mehr PatientInnen, die mit der Diagnose „Verhaltens- und emotionale
Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) aufgenommen wurden, Kontakt zu
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten. Von den Kindern und Jugendlichen, die mit einer
Diagnose aus dem Bereich der „affektiven Störungen“ (F3) aufgenommen wurden, hatten weniger
Kontakt zu JW Einrichtungen.
Die Unterschiede werden in der untenstehenden Grafik 46 noch einmal verdeutlicht.
241
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Aufnahmediagnose- 2.Int
45,00
40,00
35,00
Prozent [%]
30,00
25,00
kein Kontakt
Kontakt
20,00
15,00
10,00
5,00
0,00
F1
F2
F3
F4
F6
Diagnose lt. ICD 10
Grafik 46: Aufnahmediagnose 2. Int. Kontakt/kein Kontakt
242
F7
F9
sonstige
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 76: Chi- Quadrat Test: Aufnahmediagnose/ Fremdunterbringung vor oder nach der 2. Int.
Case Processing Summary
Cases
Valid
N
Aufnahmediagnose 2.
Int. zusammengefasst *
JW Einrichtung vor oder
nach 2.Int.
Missing
Percent
94
N
98,9%
Total
Percent
1
N
1,1%
Percent
95
100,0%
Aufnahmediagnose 2. Int. zusammengefasst * JW Einrichtung vor oder nach 2.Int. Crosstabulation
Aufnahmediagnose 2. Int.
zusammengefasst
F3
JW Einrichtung vor oder nach
2.Int.
Kontakt zu JW
kein Kontakt zu Einrichtung vor
JW
oder nach der
Einrichtungen
Intervention
28
13
Count
Expected Count
F4
18,8
Std. Residual
1,2
-1,3
Count
16
15
31
16,8
14,2
31,0
-,2
,2
Std. Residual
Total
41
22,2
Expected Count
F9
Total
Count
41,0
7
15
22
Expected Count
11,9
10,1
22,0
Std. Residual
-1,4
1,6
51
43
94
51,0
43,0
94,0
Count
Expected Count
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
7,805(a)
7,945
6,834
2
2
Asymp. Sig.
(2-sided)
,020
,019
1
,009
df
94
a 0 cells (,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 10,06.
Für die dritte Intervention lässt sich aufgrund der geringen Stichprobengröße kein Chi- Quadrat
Test mehr durchführen.
Zusammenfassend kann in Bezug auf die Fragstellung 6 des Kapitels 10.3 (Gibt es einen
Unterschied in den Aufnahme- bzw. Entlassungsdiagnosen?) festgestellt werden, dass sich bei der
ersten Intervention keine statistisch gesicherten Zusammenhänge zwischen der Fremdunterbringung
vor bzw. vor oder nach der Intervention und der Aufnahmediagnose feststellen lassen. Die
Diagnosen sind demnach in beiden Gruppen annähernd gleich verteilt. Bei der zweiten Intervention
243
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
lässt sich eine Tendenz zur Signifikanz erkennen. Hier lässt sich jener Trend feststellen, dass mehr
Kinder und Jugendliche, die mit einer Diagnose aus der Gruppe der „Verhaltens- und emotionalen
Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9), aufgenommen wurden, aus Einrichtungen
der JW kamen bzw. vor oder nach dem Aufenthalt fremd untergebracht waren. Mehr Kinder und
Jugendliche, die mit einer Diagnose aus der Gruppe der „affektiven Störungen“ aufgenommen
wurden, hatten keinen Kontakt zu Jugendwohlfahrtseinrichtungen vor bzw. vor oder nach der
Intervention.
Das heißt, die Kinder- und Jugendlichen, die zwei oder mehr psychiatrische Interventionen
benötigten und Kontakt zu stationären Jugendwohlfahrteinrichtungen hatten, wurden eher mit einer
Diagnose aus dem Bereich der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit
und Jugend“ aufgenommen als andere Kinder und Jugendliche, bei denen ebenfalls 2 oder mehr
psychiatrische Interventionen notwendig waren.
Da im Kapitel 12.1.2.5 ermittelt wurde, dass die Kinder und Jugendlichen, die die Wohnform
während des Aufenthaltes wechseln mussten, im Durchschnitt länger in psychiatrischer Behandlung
waren, soll an dieser Stelle überprüft werden, ob ein Unterschied in der Verteilung der
Aufnahmediagnosen in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen für die während des Aufenthaltes
eine neue Unterbringung gesucht wurde, im Vergleich zu jenen besteht, die in die gleiche
Wohnform zurück kehren konnten. Aus rechnerischen Gründen mussten einige Diagnosegruppen
von der Berechnung ausgespart werden. Es wurden nur die Diagnosegruppen „Psychische und
Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“ (F1); „Affektive Störungen“ (F3);
„Neurotische Belastungs- und somatoforme Störungen“ (F4) und „Verhaltens- und emotionale
Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) in die Berechnung mit einbezogen.
Insgesamt wurden 29 Kinder und Jugendliche (von 356) aus der Berechnung genommen.
Es zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang (χ2= 0,932- siehe Tabelle im Anhang) zwischen
der Aufnahmediagnose der ersten Intervention und dem Wechsel der Wohnform. Das heißt, es
wurde hier bestätigt, dass ein Wechsel der Wohnform nicht an bestimmten Diagnosen festzumachen
ist, sondern an der psychosozialen Situation (Lebensumstände, familiäres und soziales Umfeld etc.)
liegen muss.
Auch für die zweite Intervention wurde für die Hauptdiagnosegruppen „Affektive Störungen“ (F3);
„Neurotische Belastungs- und somatoforme Störungen“ (F4) und „Verhaltens- und emotionale
Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9) das Chi-Quadrat ermittelt. Von 115
Kindern und Jugendlichen wurden 22 aus der Berechnung genommen, um die Bedingungen für den
Chi- Quadrat Test erfüllen zu können. Auch hier zeigte sich eindeutig kein signifikanter
244
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Zusammenhang (χ2= 0,643- siehe Tabelle im Anhang) zwischen der Aufnahmediagnose der
zweiten Intervention und dem Wechsel der Wohnform während dieses Aufenthaltes.
12.1.2.9
Entlassungsdiagnose
Nachdem sich ergeben hat, dass bei der ersten Intervention kein Unterschied in der Verteilung der
Aufnahmediagnosen bestand, jedoch aber bei weiteren Interventionen eine Tendenz zur Signifikanz
zu erkennen war, stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob die Kinder und Jugendlichen, die in
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt entlassen werden, gewisse Diagnosen häufiger bekommen, als
andere Kinder und Jugendliche.
In Kapitel 12.1.1.10 wurde bereits die Verteilung der Entlassungsdiagnosen über die gesamte
Stichprobe dargestellt. Hier soll untersucht werden, inwieweit ein Unterschied zwischen den
Kindern und Jugendlichen, die in stationären Einrichtungen der JW untergebracht waren, und denen
die keinen Kontakt zu stationären JW- Einrichtungen hatten besteht. Bei der Datenerhebung wurde
die Entlassungsdiagnose sehr spezifiziert erhoben. Daraus folgt, dass bei der Berechnung des ChiQuadrat Tests 90,7% der Zellen eine erwartete Häufigkeit kleiner als 5 haben. Daher wurden wie in
Kapitel 12.1.1.10 die Diagnosen in Diagnosegruppen zusammengefasst was bewirkte, dass nur
mehr 45% der Zellen eine erwartete Häufigkeit kleiner als 5 hatten. Um die Bedingungen für die
Durchführung des Chi- Quadrat Tests schlussendlich zu erfüllen, wurden auch jene Fälle mit
Diagnosen ausgeschlossen, bei denen beide Gruppen eine erwartete Häufigkeit kleiner als 5 hatten.
Zusätzlich wurden noch jene Fälle mit der Diagnose F7 ausgeschlossen, da es sich hier um nur 10
Personen handelte.
Das Ergebnis zeigt mit einem Pearson χ2 von 0,139 (siehe Tabelle 77) keine Signifikanz. Das heißt,
bei der ersten Intervention gibt es, analog zu den Aufnahmediagnosen, keinen signifikanten
Zusammenhang
zwischen
der
Entlassungsdiagnose
und
der
Entlassung
in
Jugendwohlfahrtseinrichtung.
Tabelle 77: Chi- Quadrat Test: Entlassungsdiagnose/ Fremdunterbringung nach der 1. Intervention
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
8,336(a)
8,435
,971
5
5
Asymp. Sig.
(2-sided)
,139
,134
1
,324
Df
332
a 2 cells (16,7%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 2,60.
245
eine
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Bei der zweiten Intervention zeigen sich ebenfalls keine signifikanten Zusammenhänge zwischen
der Entlassung in eine stationäre Jugendwohlfahrtseinrichtung und der Entlassungsdiagnose
(Pearson χ2= 0,173- siehe Tabelle).
Tabelle 78: Chi- Quadrat Test: Entlassungsdiagnose/ Fremdunterbringung nach der 2. Int.
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
6,378(a)
6,626
df
4
4
Asymp. Sig.
(2-sided)
,173
,157
,563
1
,453
102
a 2 cells (20,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 4,53.
Für die 3. Intervention lässt sich aufgrund der geringen Stichprobengröße kein Chi- Quadrat Test
berechnen.
Es bestehen also bei der ersten und der zweiten Intervention keine signifikanten Zusammenhänge
zwischen den Entlassungsdiagnosen und der Fremdunterbringung nach der Intervention. Das heißt,
die Entlassungsdiagnosen sind in der Gruppe, der Kinder und Jugendlichen, die nach der
Intervention fremd untergebracht wurden gleich verteilt, wie bei den Kindern und Jugendlichen, die
in Behinderteneinrichtungen, zu den Eltern, zu einem Elternteil, Groß- oder Pflegeeltern oder in
sonstige Wohnformen entlassen wurden.
In
Bezug
auf
die
Entlassungsdiagnose
und
den
Kontakt
zu
stationären
Fremdunterbringungsmöglichkeiten vor oder nach einer Intervention ist zu erwarten, dass sich ein
ähnliches Bild zeigt wie bei den Aufnahmediagnosen. Daher soll dies nur kurz umrissen werden.
Bei der ersten Intervention mussten die Kategorien „Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen
Störungen
und
Faktoren“
(F5),
„Persönlichkeits-
und
Verhaltensstörungen“(F6)
und
„Entwicklungsstörungen“ (F8) aus der Berechnung genommen werden, da hier zu wenige
Fallzahlen vorhanden waren. Insgesamt wurden also 12 Jugendliche (von 351 bei denen die
Entlassungsdiagnose bekannt war) aus der Berechnung genommen. Es zeigt sich für die erste
Intervention kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Entlassungsdiagnose und dem Kontakt
zu einer stationären Einrichtung der JW vor oder nach dieser Intervention (Pearson χ2= 0,359).
246
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Auch für die Berechnung des Chi- Quadrats im Rahmen der 2. Intervention mussten die Kategorien
F6, F7 und F8 ausgeschlossen werden. Also fielen hier ebenfalls 12 Fälle (von 113 bei denen die
Entlassungsdiagnose der 2. Intervention bekannt war) aus der Berechnung. Hier zeigte sich jedoch
mit einem Pearson χ2= 0,001 ein sehr signifikanter Unterschied. Das heißt jene Kinder und
Jugendlichen, die vor oder nach der 2. Intervention Kontakt zu stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt hatten, weisen andere Entlassungsdiagnosen auf, als jene, die keinen Kontakt zu
stationären Einrichtungen hatten. Jene Kinder und Jugendlichen, die Kontakt zu stationären
Einrichtungen hatten, wurden häufiger mit einer Diagnose aus der Kategorie „Verhaltens- und
emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9), sowie „Neurotischen
Belastungs- und somatoformen Störungen“ (F4) entlassen. Dementsprechend wurden die Kinder
und Jugendlichen, die keinen Kontakt zu stationären Einrichtungen hatten, häufiger mit einer
Diagnose aus dem Bereich der affektiven Störungen entlassen. Dieses Ergebnis ist in Analogie zu
den Aufnahmediagnosen zu sehen, bei denen sich ebenfalls schon eine Tendenz zur Signifikanz in
diese Richtung ergeben hat. Das heißt, stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sind eher mit
dem Krankheitsbild der „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und
Jugend“(F9) konfrontiert, bzw. dieses Krankheitsbild kommt in der Gruppe der Kinder und
Jugendlichen, die Kontakt zu stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen hatten, signifikant
häufiger vor. In Anbetracht dieses Ergebnisses könnte man Maßnahmen dahingehend ergreifen,
Jugendwohlfahrtseinrichtungen Unterstützung anzubieten bzw. die Kooperation zur KJP durch z.B.
einen Liaisondienst auszubauen, um für diese oftmals im Verhalten schwierigen Kinder und
Jugendlichen eine optimale Versorgung zu gewährleisten, ohne dass Verantwortungen hin und her
geschoben werden. Weiters lässt sich durch dieses Ergebnis erkennen, dass gerade für Kinder und
Jugendliche mit „Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und
Jugend“(F9) unter die z.B. die „hyperkinetische Störung“ (F90) oder aber auch die „Störung des
Sozialverhaltens“ (F91) einzuordnen ist, Möglichkeiten zur stationären Fremdunterbringung
geschaffen werden müssen, da dies allem Anschein nach die Kinder und Jugendlichen sind, die zu
Hause nicht gehalten werden können.
247
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.1.2.10 Aufnahmegrund
Nachdem sich die Aufnahmediagnosen in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die aus
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt aufgenommen wurden, von denen, die vor der Intervention
keinen Kontakt zu JW- Einrichtungen hatten bei der ersten Intervention nicht signifikant
voneinander unterscheiden, stellt sich die Frage, ob es in Bezug auf Aufnahmegründe Unterschiede
gibt.
Um dies zu berechnen, wurde ein Chi- Quadrat Test durchgeführt, bei dem sich allerdings zeigte,
dass 66,7% der Zellen eine erwartete Häufigkeit kleiner als 5 hatten und somit die Bedingungen
nicht erfüllt waren. Daher wurden Fälle mit den Aufnahmegründen, bei denen beide Gruppen eine
erwartete Häufigkeit kleiner als fünf hatten, von der Berechnung ausgenommen und der ChiQuadrat Test erneut für die häufigsten Aufnahmegründe durchgeführt. Insgesamt wurden 316 Fälle
in die Berechnung miteinbezogen- siehe Tabelle im Anhang.
Hier zeigt sich für die erste Intervention ein sehr signifikanter Zusammenhang (χ2= 0,000- siehe
untenstehende Tabelle 79). Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, kamen
signifikant weniger häufig zur psychiatrischen Abklärung. Auch zeigt sich signifikant, dass jene
Kinder und Jugendlichen aus Einrichtungen häufiger aufgrund von aggressiven Durchbrüchen und
Gewalttätigkeiten zur ersten Aufnahme kamen, obwohl sich, wie bereits beschrieben, bei der ersten
Intervention kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Aufnahmediagnose und der Tatsache
bestand, ob Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen der Jugendwohlfahrt zur Aufnahme kamen.
In Bezug auf das Ergebnis in Kapitel 12.1.1.3 kann hier angemerkt werden, dass Einrichtungen
weniger häufig zur psychiatrischen Abklärung kommen als Familien. Die Interpretation, dass hier
eventuell eine höhere Hemmschwelle vorhanden ist, lässt sich hier also nicht unbedingt bestätigen.
Hier muss meist schon ein Vorfall sein, damit es von einer stationären Einrichtung der JW zu einer
Einweisung in die KJP kommt. Dies könnte einerseits daran liegen, dass die Störungsbilder
unterschiedlich sind, andererseits vielleicht auch darin, dass die Toleranzgrenze in Einrichtungen
nicht so hoch sein kann, wie z.B. in Familien. In Familien wird häufig sehr viel „ausgehalten“, bis
eine Einweisung veranlasst wird. In stationären JW- Einrichtungen muss aufgrund der anderen
Jugendlichen viel schneller gehandelt werden. Dennoch ist es erstaunlich, dass Kinder und
Jugendliche, die nicht in stationären Einrichtungen der JW untergebracht waren weniger häufig zur
psychiatrischen Abklärung kamen. Dies könnte eventuell darin begründet sein, dass die
Einrichtungen keinen großen Wert auf psychiatrische Diagnosen legen und die Kinder- und
Jugendpsychiatrie erst dann konsultiert wird, wenn sich für die Einrichtungen unlösbare Probleme
ergeben. Inwieweit eine psychiatrische Diagnose Einfluss auf das pädagogische Handeln in
stationären JW- Einrichtungen hat, stellt einen Punkt in den Interviews dar.
248
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 79: Chi- Quadrat Test: Aufnahmegrund/ Fremdunterbringung vor der 1.Int.
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
36,314(a)
34,645
12,132
6
6
Asymp. Sig.
(2-sided)
,000
,000
1
,000
df
316
a 2 cells (14,3%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 1,85.
In der folgenden Grafik 47 sollen diese Unterschiede in Bezug auf die Aufnahmegründe der ersten
Intervention noch einmal veranschaulicht werden. Hierzu wurden die Prozentränge zum Vergleich
herangezogen. Anzumerken ist allerdings, dass die Stichprobengröße der beiden Gruppen sehr
unterschiedlich ist. Die Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die vor der ersten Intervention keinen
Kontakt zu einer stationären Einrichtung der Jugendwohlfahrt hatten besteht aus 294 PatientInnen,
während 71 PatientInnen vor der ersten Intervention in Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
untergebracht waren. Aus diesem Grund werden in der untenstehenden Grafik 47 die Prozentränge
zum Vergleich herangezogen.
In Bezug auf die Fragestellung 7
(Unterscheiden sich die Aufnahmegründe in den beiden
Gruppen?) des Kapitels 10.3 ergibt sich hier eine eindeutige Antwort. Es zeigen sich eindeutige
Unterschiede zwischen den Kindern und Jugendlichen in Bezug auf die Aufnahmegründe, die vor
der Intervention Kontakt zu stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten, und denen, bei
denen dies nicht der Fall war.
Deutlich zu sehen ist dabei noch einmal, dass bei jenen Kindern und Jugendlichen aus
Einrichtungen weniger häufig die Abklärung ein Grund für die Einweisung ist. Auffallend ist auch,
dass Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen viel häufiger aufgrund von aggressiven
Durchbrüchen oder Gewalttätigkeiten zur Aufnahme gekommen sind.
249
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Aufnahmegrund
50
45
nicht aus stat. JW-Einrichtungen
aus stat. JW-Einrichtungen
40
Prozent [%]
35
30
25
20
15
10
5
m
en
ro
ge
nk
on
su
m
R
isi
ko
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Du
rc
hb
rü
c
he
0
Aufnahmegrund
Grafik 47: Aufnahmegrund (1.Int.)
Nachdem die Stichprobengröße der beiden Gruppen so unterschiedlich ist, wurden von den 294
Kindern und Jugendlichen, die vor der 1. Intervention nicht in stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt untergebracht waren, zwei Zufallsstichprobe von ebenfalls 71 Fällen gezogen,
damit überprüft werden kann, ob hier eine ähnliche Verteilung vorliegt. Um eine verlässlichere
Aussage treffen zu können, wurde auf zwei Zufallsstichproben zurückgegriffen. Hier zeigte sich ein
ähnliches Bild. In der folgenden Grafik ist die Verteilung der Aufnahmegründe in den 2
Zufallsstichproben sowie zum Vergleich erneut die Aufnahmegründe in der Gruppe der Kinder und
Jugendlichen, die aus stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen zur Aufnahme gekommen sind,
dargestellt.
250
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Aufnahmegrund 1. Int.- Probe
50
45
Zufallsstichprobe1 von Kindern und Jugendlichen
nicht aus stat. JW-Einrichtung
Zufallsstichprobe 2 von Kindern und Jugendlichen
nicht aus stat.JW-Einrichtungen
Kinder und Jugendliche aus stat. JW- Einrichtung
40
Prozent [%]
35
30
25
20
15
10
5
en
og
en
ko
ns
um
Ri
sik
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st
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En
tw
ei
ch
en
0
Aufnahmegrund
Grafik 48: Aufnahmegrund- Probe durch zwei Zufallsstichproben
Für die zweite Intervention gestaltet sich ein ähnliches Bild. Der Bereich der Abklärung spielt
allerdings keine Rolle mehr, da es sich hier um die zweite Intervention handelt und in der Regel
bereits während der ersten Intervention eine ausreichende psychiatrische und psychologische
Diagnostik durchgeführt wurde. Die Verteilung soll in der nachfolgenden Grafik dargestellt werden.
251
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
70
nicht aus stat. Einrichtung der JW
aus stat. Einrichtung der JW
60
Prozent [%]
50
40
30
20
10
ko
ns
um
D
ro
ge
n
re
ue
rIn
ne
n
de
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Su
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en
de
s
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ä
us
se
Ve
rh
a
l te
n
0
Aufnahmegrund
Grafik 49: Aufnahmegrund (2.Int.)
Es stellt sich die Frage, warum Kinder und Jugendliche aus stationären JW- Einrichtungen häufiger
aufgrund von Gewalttätigkeiten zur Aufnahme kamen, als jene Kinder und Jugendlichen, die aus
den Familien bzw. anderen Betreuungseinrichtungen kamen.
Ein Grund für dieses Ergebnis könnte darin liegen, dass bei den Kindern und Jugendlichen, die
mehr
als
eine
psychiatrische
Intervention
benötigten
und
Kontakt
zu
stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen hatten, Unterschiede in Bezug auf die Diagnosen festgestellt
werden konnten. Das heißt, z.B. aggressive Durchbrüche sind ein Symptom der „Verhaltens- und
emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9), die in dieser Gruppe häufiger
diagnostiziert wurde.
Warum sich jedoch bei der ersten Intervention keine Unterschiede in Bezug auf die Diagnosen
zeigten und dennoch Unterschiede in den Aufnahmegründen bestehen, kann hier nicht plausibel
erklärt werden.
Ein anderer Grund für das signifikante Ergebnis könnte auch darin liegen, dass in den
Einrichtungen bei Vorfällen die Hemmschwelle, die zur Einweisung führt eventuell geringer ist, als
in Familien und dass von den Einrichtungen schneller kinder- und jugendpsychiatrische Hilfe
angefordert wird, als dies in den Familien der Fall ist. Eine weitere wichtige Rolle spielt sicher auch
der persönliche Umgang der Professionellen in den stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
mit Gewalt. An dieser Stelle soll jedoch noch einmal darauf hingewiesen werden, dass Kinder und
Jugendliche aus stationären Einrichtungen der JW bei der ersten Intervention weniger häufig
aufgrund einer psychiatrischen Abklärung zur Aufnahme gekommen sind, was sich vielleicht
252
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
dadurch erklären lässt, dass Professionelle psychiatrischen Diagnosen keine große Bedeutung
zuschreiben sondern erst bei Vorfällen Hilfe von der Kinder- und Jugendpsychiatrie erwarten.
Für die Interviews ergibt sich daher die Frage, in welchen Situationen BetreuerInnen von
stationären Einrichtungen der Jungendwohlfahrt aus ihrer Sicht eine Einweisung in die KJP
veranlassen.
12.1.2.11 Zusammenfassung
Um noch einmal herauszufiltern, welche Variablen zusammenhängen und wie sich die Gruppe der
Kinder und Jugendlichen, die als gemeinsame KlientInnen von Jugendwohlfahrt und KJP gelten,
beschreiben lässt, wurde eine Two-Step Clusteranalyse durchgeführt. „Mit der Clusteranalyse
werden die untersuchten Objekte so gruppiert, dass die Unterschiede zwischen den Objekten einer
Gruppe bzw. eines Clusters möglichst gering und die Unterschiede zwischen den Clustern
möglichst groß sind“ (Bortz, 2005: 567).
Hierbei wurde auf die Variablen Alter, Geschlecht, Zahl der Aufenthalte und Kontakt zur
Jugendwohlfahrt Augenmerk gelegt.
Es ergaben sich zwei Cluster, einmal mit 245 Personen und einmal mit 109 Personen. 24 Fälle
wurden von der Berechnung ausgenommen.
Die Kinder und Jugendlichen, die in das erste Cluster fallen, hatten vor oder nach einer
psychiatrischen Intervention keinen Kontakt zur Jugendwohlfahrt, benötigten in etwa einen
Aufenthalt und waren durchschnittlich 15 Jahre alt. Die Dauer der ersten Intervention betrug 3,2
Wochen. Die Kinder und Jugendlichen, die in dieses Cluster fallen, waren fast zu gleichen Teilen
männlich und weiblich.
Die Kinder und Jugendlichen, die in das zweite Cluster fallen hatten bis auf einen alle Kontakt zu
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt. Dieser eine Fall kann als Ausreißer bezeichnet und somit
vernachlässigt werden. Diese Kinder und Jugendlichen benötigten durchschnittlich 2,25 Aufenthalte
und waren
durchschnittlich 14,83 Jahre alt. Die Dauer der ersten Intervention betrug
durchschnittlich 5,2 Wochen. In dieses Cluster fallen wieder ungefähr gleich viele Burschen wie
Mädchen.
253
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Tabelle 80: Two- Step Clusteranalyse
Cluster2
Cluster1
1,298
2,248
15,016
14,826
3,241
5,220
0
108
Kein Kontakt zu JW
245
1
weibl.
121
53
männl.
124
56
Gesamt
245
109
Zahl der Aufenthalte
Alter
Aufenthaltsdauer (1.Int.)
Kontakt zu JW
TwoStep Cluster
Number
1
2
109
245
Grafik 50: Clustergröße
254
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Kontakt zu JW Einrichtung vor oder nach einer Int. (% innerhalb des Clusters)
Kontakt zu JW
Einrichtung vor oder
nach einer Int.
Kontakt zu JW
Einrichtung
1
Cluster
kein bekannter Kontakt
zu JW Einrichtung
2
Overall
0
20
40
60
80
Percent within Cluster
Grafik 51: Kontakt zu JW- Einrichtungen/ Prozent innerhalb des Clusters
255
100
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Geschlecht (% innerhalb des Clusters)
Geschlecht
weiblich
männlich
Cluster
1
2
Overall
0
10
20
30
40
50
60
Percent within Cluster
Grafik 52: Geschlecht/ Prozent innerhalb des Clusters
Simultaneous 95% Confidence Intervals for Means
2,6
Zahl der Aufenthalte
2,4
2,2
2,0
1,8
1,6
1,4
1,2
1
2
Cluster
Grafik 53: Zahl der Aufenthalte – Mittelwerte pro Cluster
256
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Simultaneous 95% Confidence Intervals for Means
15,4
15,2
Alter
15,0
14,8
14,6
14,4
1
2
Cluster
Grafik 54: Alter- Mittelwerte pro Cluster
Simultaneous 95% Confidence Intervals for Means
Aufenthaltsdauer
6
5
4
3
1
2
Cluster
Grafik 55: Aufenthaltsdauer (1.Int.)- Mittelwerte pro Cluster
257
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Bisher wurde die Gruppe der Kinder und Jugendlichen, von denen bekannt ist, dass sie zusätzlich
zu psychiatrischen Interventionen auch in stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen betreut
wurden, im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Zahl der Aufenthalte und der Aufenthaltsdauer der
ersten Intervention charakterisiert. Es konnten deutliche Unterschiede festgestellt werden.
Weiters konnte herausgefunden werden, dass die Kinder und Jugendlichen, die aus stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt zur ersten Aufnahme auf die kinder- und jugendpsychiatrische
Station der LSF kamen, signifikant weniger häufig tagklinisch behandelt wurden. Ein Grund könnte
darin liegen, obwohl es bei der ersten Intervention keinen Zusammenhang zwischen der
Aufnahmediagnose und der Fremdunterbringung vor der Intervention gab.
In Bezug auf die Kategorie „Aufnahme im geschützten Bereich“ konnte festgestellt werden, dass
Kinder und Jugendliche aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt genauso häufig nach
dem Unterbringungsgesetz aufgenommen wurden, wie andere Kinder und Jugendliche. Das heißt,
dass die kinder- und jugendpsychiatrische Hilfe von der JW nicht nur wegen der Möglichkeit der
geschlossenen Unterbringung in Anspruch genommen wird, bzw. das Vorliegen einer Selbst- oder
Fremdgefährdung von den Fachkräften der unterschiedlichen Professionen, eventuell anders
eingeschätzt wird.
Es ergeben sich jedoch geschlechtsspezifische Unterschiede. Diese liegen darin, dass Mädchen
signifikant häufiger im geschützten Bereich der Abteilung aufgenommen wurden. Dies liegt
höchstwahrscheinlich in den unterschiedlichen Diagnosen bzw. Aufnahmegründen begründet.
Es zeigte sich weiters, dass bei der ersten Intervention die Aufnahme- bzw. Entlassungsdiagnosen
in den beiden Gruppen gleich verteilt sind. Für weitere Interventionen offenbarte sich allerdings
eine Tendenz zur Signifikanz. Das heißt, die Kinder und Jugendlichen, die mehr als eine
psychiatrische Intervention benötigten und Kontakt zur Jugendwohlfahrt hatten, wurden häufiger
mit einer Diagnose aus der Kategorie „Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der
Kindheit und Jugend“ (F9) aufgenommen. Bei den Kindern und Jugendlichen, bei denen vor oder
nach der zweiten Intervention kein Kontakt bekannt war, dominieren Diagnosen aus dem Bereich
der „affektiven Störungen“ (F3). Außerdem ergeben sich geschlechtsspezifische Unterschiede in
Bezug auf die Diagnosen, die wie in vielen Studien zur Prävalenz bereits ausreichend beschrieben,
darin liegen, dass traumatisierte Mädchen eher zu internalisierenden und traumatisierte Burschen
eher zu externalisierenden Störungen neigen. Hierzu wurden z.B. geschlechtsspezifische Folgen
von Missbrauch untersucht. Putnam 1997 fand zum Beispiel bei Mädchen eher Depression,
Suizidalität, Selbstverletzungen, Dissoziation und Somatisierung, während Giaconia et. al 1995 bei
258
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Burschen die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Depression, Angststörungm Alkohol,
Drogen sowie Dissozialität und Gewalt fanden (vgl. Streeck- Fischer, 2006: 98).
Das Verhältnis von Burschen und Mädchen bei den Störungen des Sozialverhaltens liegt bei 3 bis
4:1 (vgl. Knölker et. al, 2007: 375). Auch bei ADHS sind Burschen „deutlich häufiger betroffen
(Verhältnis 3- 9:1)“(ebd.).
Für die Aufnahmegründe ergab sich ebenfalls ein sehr eindeutiges Bild und Ergebnis. Es zeigte
sich, dass Kinder und Jugendliche aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt signifikant
häufiger aufgrund von aggressiven Durchbrüchen zur Aufnahme kamen. Gründe hierfür könnten
einerseits darin liegen, dass die KJP von den Einrichtungen der JW niederschwelliger
wahrgenommen wird und es somit für sie leichter ist, kinder- und jugendpsychiatrische Hilfe in
dieser Form in Anspruch zu nehmen. Ein weiterer wichtiger Punkt an dieser Stelle kann auch im
Umgang der Professionellen in stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen mit Gewalttätigkeiten
gesehen werden. Hier sollte betont werden, dass die persönliche Einstellung eine große Rolle spielt,
inwieweit man aggressives Verhalten noch akzeptiert, wo man eine Grenze zieht und ab wann
entsprechende Schritte eingeleitet werden.
Für die Interviews ergeben sich daraus abgeleitet Fragestellungen, die den Umgang mit schwierigen
Situationen wie etwa Gewalttätigkeiten und selbstverletzendem Verhalten betreffen, aber auch
welche Hilfestellungen es für stationäre Jugendwohlfahrtseinrichtungen außer der KJP gibt. Ferner
zeigt sich von Interesse, inwieweit die Professionellen in ihrer Ausbildung speziell auf Situationen,
in denen man mit Gewalt konfrontiert ist, oder auf den Umgang mit schwierigen Kindern und
Jugendlichen überhaupt, vorbereitet wurden.
12.2 Ergebnisse der Interviews
Wie bereits im Kapitel 11 Stichprobenbeschreibung erwähnt, wurden mit 14 Personen aus 7
stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen problemzentrierte Interviews geführt. Im Zentrum dieser
steht vor allem die Fragestellung, wie die Zusammenarbeit mit der KJP bisher erlebt wurde.
Ebenfalls vorrangig ist die Frage, warum einige Jugendwohlfahrtseinrichtung nur wenige
gemeinsame Fälle mit der KJP haben, andere hingegen mehr. Aus diesem Grund wurden für die
Interviews einerseits Einrichtungen ausgewählt, bei denen aufgrund der Dokumentenanalyse ein
häufiger Kontakt festgestellt werden konnte, und andererseits Einrichtungen,
die in der
Dokumentenanalyse sehr selten bis gar nicht aufgeschienen sind. Um eventuell Unterschiede zu
erkennen, wurden auch Fragen zur Struktur, zum Team so wie zu handlungsleitenden Grundsätzen
oder Konzepten gestellt.
259
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Für den Interviewleitfaden ergeben sich aufgrund der Dokumentenanalyse einige Fragestellungen,
die geklärt werden sollen. Einerseits sollen Unterschiede in Bezug auf die Struktur herausgefunden
werden, zwischen den Einrichtungen, die häufigeren und denen, die wenig bis gar keinen Kontakt
zur KJP hatten. Dazu soll erhoben werden, wie das Team zusammengesetzt ist, wie viele Kinder
und Jugendliche betreut werden, welche Ausbildungen die Teammitglieder haben, wie hoch die
Fluktuation ist u.a. An dieser Stelle soll erwähnt sein, dass um dieses zu erheben, eventuell ein
kurzer Fragebogen von Vorteil gewesen wäre, da die Erhebung der Eckdaten in den Interviews
doch einige Zeit in Anspruch genommen hat. Außerdem hätte ein kurzer Fragebogen auch die
Auswertung erleichtert.
Ein weiterer Punkt, der in den Interviews erhoben werden soll, ist das Aufnahmeverfahren. Hier ist
besonders wichtig zu erfahren, wie lange das Aufnahmeverfahren dauert, da dadurch längere
Wartezeiten erklärt werden können und welche Rolle eine psychiatrische Diagnose bei der
Aufnahme spielt.
Der Aspekt der Problemfälle soll ebenfalls beleuchtet werden. Vor allem soll herausgefunden
werden, welche Kinder und Jugendlichen von den Professionellen als Problemfälle bezeichnet
werden, um eine Beschreibung dieser Fälle vornehmen zu können, die dann eventuell mit den
Ergebnissen der Dokumentenanalyse verglichen werden kann. Auch soll in diesem Zusammenhang
erhoben werden, wie die Zusammenarbeit mit der KJP von den Fachleuten der stationären JWEinrichtungen erlebt wird. Hier wurden Unterkategorien gewählt, die sich aufgrund des
Literaturteils ergeben haben.
Im Zusammenhang mit Kooperation ist es von besonderer Bedeutung Erwartungen zu klären. Aus
diesem Grund soll erhoben werden, welche Erwartungen die Professionellen an die KJP haben.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die geschlossene Unterbringung. Hier wurde aufgrund der
Dokumentenanalyse herausgefunden, dass die Kinder und Jugendlichen aus Einrichtungen nicht
häufiger im geschlossenen Bereich der Abteilung aufgenommen wurden. In den Interviews soll
geklärt werden, inwiefern die Möglichkeit der geschlossenen Unterbringung in der KJP doch eine
Rolle bei der Überlegung einer Einweisung spielt und ob die Befragten einen Bedarf an
geschlossenen Einrichtungen im JW Bereich sehen.
Durch die Dokumentenanalyse konnte nachgewiesen werden, dass die Kinder und Jugendlichen, die
häufigere Hilfe von der KJP benötigen, doch bestimmte Störungsbilder aufweisen. Vor allem
expansive Verhaltensstörungen sind hier vorherrschend. Aus diesem Grund wird in den Interviews
explizit danach gefragt, inwieweit die Professionellen in ihren unterschiedlichen Ausbildungen auf
den Umgang mit besonders schwierigen Kindern und Jugendlichen vorbereitet wurden.
Um die Hypothese zu beleuchten, dass die Steiermark mehr und differenziertere Angebote der JW
(in Kooperation mit der KJP) benötigt, um besonders schwierige Kinder und Jugendliche betreuen
260
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
zu können, wurden die Fachleute nach ihrer Meinung in Bezug auf die Gesamtversorgung der JW in
der Steiermark befragt.
Die Interviews wurden mit Tonband aufgenommen und dann am Computer transkribiert. Diese
Protokolle haben einen Umfang von mehr als 140 Seiten und wurden mit inhaltsanalytischen
Verfahren computerunterstützt mit Hilfe des Programms MAXQDA ausgewertet.
Im folgenden Kapitel soll zuerst das Ausgangsmaterial beschrieben werden um anschließend die
Ergebnisse anhand der unterschiedlichen Kategorien darzustellen und zu vergleichen.
12.2.1
Die InterviewpartnerInnen
Für die Interviews wurden, wie bereits beschrieben, 7 stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
in der Steiermark ausgewählt. Es wurde jeweils die Leitung der Einrichtung telefonisch kontaktiert
und angefragt, ob Interesse bzw. Bereitschaft für ein Interview besteht. Alle LeiterInnen erklärten
sich sofort bereit dafür zur Verfügung zu stehen und bezeugten großes Interesse an der Thematik.
Von den LeiterInnen wurden jeweils Teammitglieder gefragt, ob sie ebenfalls bereit wären ein
Interview zu führen.
So wurden insgesamt 14 Personen befragt. Von den interviewten Personen waren 7 Männer und 7
Frauen mit unterschiedlichen Ausbildungen und Berufserfahrungen. Die durchschnittliche
Berufserfahrung der befragten Personen liegt bei 11,4 Jahren. Dazu ist jedoch zu bemerken, dass
der Range zwischen einem und 30 Jahren liegt. Auf die unterschiedlichen Ausbildungen der
befragten Personen wird in weiterer Folge im Kapitel Ausbildung/ Weiterbildung näher
eingegangen.
Von den befragten Einrichtungen mit wenig bzw. gar keinem Kontakt zur KJP waren 3 in Graz und
eine in einem steirischen Bezirk. Von den 3 befragten Einrichtungen, die mehr gemeinsame Fälle
mit der Kinder und Jugendpsychiatrie hatten, waren 2 in Graz und eine außerhalb in einem
steirischen Bezirk.
Nach der telefonischen Anfrage wurden Termine für die Interviews vereinbart, die jeweils in der
Einrichtung stattfanden. Einleitend wurde die Thematik erklärt, aber auch erwähnt, dass ich als
Interviewerin auch beruflich auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung tätig bin. Es
wurde jedoch explizit darauf hingewiesen, dass ich in dieser Situation als Forscherin auftreten
möchte und die berufliche Tätigkeit unabhängig davon zu sehen ist und vor allem auch Kritik
geäußert werden kann.
Generell waren die InterviewpartnerInnen sehr offen und meist auch
261
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
interessiert an der Tätigkeit von Sozial- und HeilpädagogInnen auf einer kinder- und
jugendpsychiatrischen Abteilung.
Die Interviews wurden auf Tonband aufgenommen und anschließend in Anlehnung an Mayring
(2008: 49) transkribiert.
12.2.2
Vergleich der Interviews nach den Kategorien
In diesem Kapitel sollen die Interviews anhand der unterschiedlichen Kategorien verglichen
werden. Diesbezüglich soll vor allem auf strukturelle Voraussetzungen, Problemfälle, Grenzfälle,
die geschlossene Unterbringung, die Aus- und Weiterbildung sowie die Kooperation eingegangen
werden.
12.2.2.1
Strukturelle Voraussetzungen
In Bezug auf strukturelle Voraussetzungen soll vor allem analysiert werden, ob sich in Bezug auf
die Zahl der betreuten Kinder und Jugendlichen bzw. die Teamzusammensetzung oder Fluktuation
Unterschiede zwischen den Einrichtungen ergeben, die im Erhebungszeitraum mehr Kontakt zur
KJP hatten, und denen, die wenig bis gar keinen Kontakt hatten.
Weiters soll beschrieben werden, welche Unterschiede in Bezug auf die Tagesstruktur bzw. das
Aufnahmeverfahren zwischen den einzelnen Institutionen bestehen.
Insgesamt wurden 3 Einrichtungen befragt, die aufgrund der Dokumentenanalyse mit wenig
Kontakt eingestuft wurden. Zusätzlich wurde eine Einrichtung ausgewählt, die in der
Dokumentenanalyse nicht vorgekommen ist, in der also keiner der in der Dokumentenanalyse
untersuchten Fälle vor oder nach der psychiatrischen Intervention fremd untergebracht war.
In der folgenden Tabelle sollen jene Einrichtungen, mit denen im Jahr 2006 wenig Kontakt bestand
in Bezug auf einige Eckdaten in einer Tabelle dargestellt werden.
Tabelle 81: Einrichtungen mit wenig Kontakt
Einrichtungen
mit wenig
Kontakt
I
II
III
IV
Institution bestehend seit
18 Jahren
25 Jahren
8 Jahren
20 Jahren
Kapazität
8
8
12
12
262
Alter der Kinder und
Jugendlichen
13-18
12-18
9-17
10-16
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Im Vergleich dazu sollen in einer weiteren Tabelle die Eckdaten jener Einrichtungen dargestellt
werden, mit denen sich mehr gemeinsame Fälle mit der KJP ergaben.
Tabelle 82: Einrichtungen mit häufigem Kontakt
Einrichtungen
mit häufigem
Kontakt
I
II
III
Institution bestehend seit
Kapazität
Alter der Kinder und
Jugendlichen
4 Jahren
2 Jahren
4 Jahren
40
15
10
11-14
13-18
10-18
Interessanterweise zeigt sich hier, dass jene befragten Institutionen, die weniger Kontakt zur KJP
hatten auch älter waren, als jene, die mehr gemeinsame Fälle mit der KJP hatten. Aufgrund der
geringen Stichprobe kann man hier allerdings nicht von einem repräsentativen Ergebnis sprechen.
Dennoch könnte sich aufgrund dieser Daten die Hypothese ableiten lassen, dass jüngere
Einrichtungen häufigere Hilfestellungen durch die KJP in Anspruch nehmen. Dies müsste jedoch
durch weitere Untersuchungen, die an dieser Stelle den Rahmen sprengen würden, überprüft
werden.
In Bezug auf die Kapazität der Institutionen lässt hier auch feststellen, dass jene Institutionen mit
häufigerem Kontakt insgesamt mehr Jugendliche betreuen. Diese sind zwar teilweise aufgeteilt auf
kleinere Einheiten, dennoch sind insgesamt mehr Kinder und Jugendliche untergebracht. Auch hier
kann man dieses nicht verallgemeinern. Als Grund könnte man einerseits annehmen, dass sich bei
mehr Kindern und Jugendlichen auch mehr Möglichkeiten der Kooperation anbieten. Eine andere
Hypothese könnte aber auch sein, dass durch die höhere Zahl der Kinder und Jugendlichen mehr
Konfliktpotential besteht. Auch diese Hypothese wäre in weiteren Untersuchungen zu überprüfen.
Dafür sprechen würde die Forderung vieler Fachleute, gerade für besonders schwierige Kinder und
Jugendliche Betreuungsmöglichkeiten in einem kleinen Rahmen zu schaffen.
In Bezug auf das Alter der betreuten Kinder und Jugendlichen können keine gravierenden
Unterschiede festgestellt werden.
In weiterer Folge soll dargestellt werden inwieweit sich durch die Interviews Unterschiede in Bezug
auf das Team, die Aufnahme, die Tagesstruktur sowie die pädagogische Grundhaltung erkennen
lassen.
263
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.2.2.1.1
Team
Die Teamzusammensetzung ist in den einzelnen Einrichtungen sehr unterschiedlich. Bezüglich des
Frauen und Männer- Anteils wird aber durchwegs betont, dass eine Ausgewogenheit im Team
angestrebt wird, wie durch die folgende Textpassage deutlich gemacht werden soll.
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
22 - 23
Code: Einrichtung\Team\Frauen- Männeranteil
„Es wird immer darauf geschaut, dass es so halb, halb ist. Also auch bei der Selektion, bei der
Auswahl der Mitarbeiter.“
Die Ausbildungen der Teammitglieder im pädagogischen Bereich sind sehr unterschiedlich und
reichen von einjährigen pädagogischen Ausbildungen zum Jugendarbeiter (z.B. in Graz Verein
Activity) bis hin zum Pädagogikstudium. Auch die Quellenberufe der KindergärtnerIn und der
LehrerIn sind vorherrschend. Auf diesen Aspekt wird im Folgenden im Kapitel 12.2.2.5
Ausbildung/ Weiterbildung näher eingegangen.
12.2.2.1.2
Aufnahme
In diesem Abschnitt soll analysiert werden, inwieweit sich die Prozedere der Aufnahmeverfahren
der einzelnen stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen voneinander unterscheiden. Ein weiterer
Punkt ist die Dauer des Aufnahmeverfahrens, da dadurch häufig auch die Dauer eines stationären
Aufenthaltes in der KJP bestimmt wird. Ebenso wurde in Bezug auf die Aufnahme nach Aufnahmeund Ausschlusskriterien gefragt, die ebenfalls an dieser Stelle verglichen werden sollen.
Das Aufnahmeverfahren läuft nahezu in allen Einrichtungen, bis auf kleinere Unterschiede, sehr
ähnlich ab. Als ersten Schritt gibt es eine Anfrage durch die Sozialarbeiterin. Danach wird es in
einigen Einrichtungen so gehandhabt, dass es zu einem Informationsgespräch kommt. Dadurch soll
der Jugendliche die Möglichkeit bekommen, sich einen Eindruck von der Einrichtung zu machen.
In diesen Einrichtungen muss sich der oder die Jugendliche dann selbst telefonisch melden, um das
Interesse zu bekunden, also um zu bestätigen, dass er/sie auch in diese Einrichtung möchte. Erst
danach kommt es zu Aufnahmegesprächen bei denen fast in allen Einrichtungen mehrere Mitglieder
des Teams anwesend sind, oder zu einer Schnupperzeit. Danach wird schließlich im Team nach
unterschiedlichen Kriterien, auf die in weiterer Folge noch eingegangen wird, entschieden, ob das
Kind oder der Jugendliche aufgenommen wird.
264
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
45 - 46
Code: Einrichtung\Aufnahmeverfahren
“Wir bieten Erstvorstellungen an, also das ist ein Angebot das wir so als Außenwerbung auch
sehen. Und da- also die Leiterin und der Aufnahmemanager machen das praktisch. Und da stellen
wir die Einrichtung vor und stellen ganz wenige Fragen- also fast gar keine. Dann muss sich die
Familie und der Jugendliche entscheiden ob sie sich das geben oder nicht und der Jugendliche
muss selber anrufen und sagen „Ja ich will". Dann teilen das Aufnahmemanagement ein, in
welcher Gruppe ein Platz frei ist. Da wir jetzt schon seit zwei Jahren schon fast immer voll sind,
planen wir jetzt Aufnahmen für Sommer- also Schulschluss [das Interview fand Anfang April statt].
Also jetzt haben wir wirklich Zeit, um ein gutes Aufnahmemanagement zu machen und wir nehmen
auch keine Krisen- also das haben wir auch nicht- nach der DVO die Bewilligung. Dann gibt es die
Zweitvorstellung da macht der Jugendliche und der Prozessverantwortliche- das ist die Person, die
den Jugendlichen durch den ganzen Aufenthalt begleiten wird und so die Hauptbezugsperson für
ihn ist- (…)- also die machen ein Interview. Dann gibt's für jede Gruppe gibt's einen
Prozessbegleiter, der ist aus diesen begleitenden Diensten, also entweder Psychologin,
Psychotherapeutin, Sozialarbeiter macht ein Interview mit der Familie und der Sozialarbeiterin und
da ist noch eine zweite Person dabei die ist oft ein Sozialpädagoge, manchmal ein Psychologe, also
variiert. Dass die Information, die schon im Team ist, schon dorthin lauft, wo sie hingehört nämlich
in die Wohngruppe. Ja, dann haben wir eine sehr lange Schnupperzeit. Also die Jugendlichen
werden aufgenommen meistens am Sonntag und bleiben dann fast zwei Wochen bis Freitag. Am
Freitag oder am Donnerstag gibt es ein Schnupperabschlussgespräch da treffen sich wieder alle
und da sagen wir, wir können das Kind mit den und den Ressourcen gut begleiten, so sehen wir das
oder wir können es nicht begleiten und dann gibt es auch die Möglichkeit auch, dass der
Jugendliche sagt, ich bleib sicher nicht da, weil das tue ich mir nicht an. Dann kommt praktisch die
Aufnahme oder der Abschied. (…)“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
39 - 39
Code: Einrichtung\Aufnahmeverfahren
„Ja, wir machen zuerst, also laufen tut es meistens über die SozialarbeiterInnen über die
zuständigen. Ganz….nein eigentlich nie SelbstmelderInnen, viel über die Tartaruga, aber das ist eh
klar, über welche Schienen. Wir machen zuerst sozusagen eine Info- ein Informationsgespräch, wo
wir nicht so viel wissen wollen. Wenn die Jugendlichen interessiert sind, dann gibt es ein erstes
Aufnahmegespräch mit den Jugendlichen und Sozialarbeiterin oder Eltern. Also es müssen auf alle
Fälle vor der Aufnahme die Jugendlichen zweimal da gewesen sein, also zu zwei
Aufnahmegesprächen, die Sozialarbeiterin, der Sozialarbeiter, ein Teil der Eltern, wer auch immer
zuständig ist und sonstige beteiligte Personen oder Bezugspersonen, die wichtig sind,
Erziehungshelferin oder so. Wir haben jedes Mal, also nach dem ersten Aufnahmegespräch eine
Teamsitzung, wo wir schauen, ob es grundsätzlich passt von der Gruppensituation her und dann
müssen die Jugendlichen selbst anrufen. Solange sie das nicht tun, steht der Prozess. Wenn sie dann
anrufen und sagen, ja ich würde gerne, dann geht es weiter. Dann kommt es zum zweiten
Aufnahmegespräch, dann wieder das gleiche, dann Teamentscheidung und dann wieder vom
Jugendlichen. Das ist ganz ein wichtiger Punkt auch die Freiwilligkeit. Freiwilligkeit ist immer
sehr, sehr relativ in dem Bereich, weil natürlich keiner da wohnen möchte. Aber das ist zumindest
für uns ganz, also wichtig, dass sie zumindest so von sich aus anrufen. Es reicht auch nicht, wenn
die Sozialarbeiterin anruft, also das muss wirklich ein aktiver Akt sein.“
265
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Wie in nahezu allen Interviews deutlich wird, wird in diesen Einrichtungen sehr viel Wert auf die
Freiwilligkeit gelegt. An dieser Stelle ist zu hinterfragen, inwieweit eine Fremdunterbringung von
Seiten der Jugendlichen freiwillig sein kann und dies nicht eher ein pro- forma Akt ist.
Zur Probezeit ist zu erwähnen, dass diese in nahezu fast allen Einrichtungen zwischen 2 und 3
Monate beträgt. In der Fachliteratur wird allerdings immer wieder beschrieben, dass gerade nach
einer Zeit von 2-3 Monaten, nach der ersten Eingewöhnung, erste Schwierigkeiten, bzw. das
Problemverhalten auftreten. Vor allem bei traumatisierten Kindern und Jugendlichen ist dies zu
beachten. Streeck- Fischer (2006: 194f.) schreibt dazu: „Kinder und Jugendliche stellen
Beziehungsmuster wieder her, denen sie ausgesetzt waren.“ Sie beschreibt weiter am Beispiel des
Niedersächsischen LKHs Tiefenbrunn, wie diese Destruktivität, die auch ein Angriff gegen
Beziehungen, das Umfeld, die therapeutischen Angebote, die Arbeit im therapeutischen Team und
die Mitarbeiter ist, zum Scheitern und zur Verurteilung hilfreicher Beziehungen führen kann.
Kinder und Jugebdliche, die aufgrund früher und anhaltender Traumatisierung kein sicheres oder
primäres Selbst entwickeln konnten, entwickeln „charakteristische Interaktionen, die dem
Wiederholungszwang unterliegen“ (Streeck- Fischer, 2006: 196).
„Diese Interaktionen führen zu einem Prozess, der mit einem Honeymoon beginnt, und in einen
deadly dance mündet, wenn es nicht gelingt, diese Entwicklung aufzuhalten“ (ebd.). Als
honeymoon wird die häufig harmonische Anfangszeit beschrieben, während als deadly dance „die
Verstrickungen zweier Staaten, die einem Krieg vorausgehen“ bezeichnet. Das Wissen um die
Schritte, die zwischen dem honeymoon und dem deadly dance liegen, ist in der therapeutischen, wie
aber auch in der pädagogischen Arbeit von zentraler Bedeutung. Aus diesem Grund sollen diese
Schritte an dieser Stelle als kurzer Diskurs beschrieben werden. Besonders für die Kinder und
Jugendlichen, die Institutionen an ihre Grenzen bringen, ist das Wissen um diese theoretischen
Grundlagen von immenser Wichtigkeit.
1. Phase: Honeymoon- die oft harmonische Anfangszeit, in der die pädagogischen, wie
aber auch therapeutischen Mitarbeiter von Größen- und Rettungsphantasien verführt
werden. Es existiert die Vorstellung, bessere und kompetentere Menschen zu sein, als
die, denen das Kind oder der Jugendliche bisher begegnet ist..
2. Phase: Grenzüberschreitendes Agieren- Missachtung der „privacy of the self“
(Eindringen in Bereiche anderer), Übergriffe, Einmischungen, Gewaltanwendungen,
Zerstörungen infolge von Selbsterweiterung oder mangelnden Grenzziehungen
zwischen sich und anderen. Missachtung von Regeln und Hausordnung. U.a.
266
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
3. Phase: Entstehen von Feindbildern und Reaktivierung von Täter- Opfererfahrungenmassive Projektionen und Spaltungen in Freund- Feind- Bilder und kollektive
Verschmelzungen gehen einerseits durch die Gruppe der Mitarbeiter, wie aber auch
durch die Gruppe der anderen Jugendlichen. Dem Team fällt es immer schwerer an
diesem Jugendlichen positive Seiten festzustellen, und er wird immer mehr
aufgegeben. Schließlich wird er auch zum Übeltäter und Sündenbock innerhalb der
Gruppe.
4. Phase: Ausgrenzung- zunehmende Achtlosigkeit und Gleichgültigkeit als Folge des
emotionalen Fallenlassens und Aufgebens („Dem ist nicht zu helfen.“), Krankwerden,
eventuell auch Kündigungsdrohungen von Seiten einzelner Teammitglieder.
5. Phase.
Endgültige
Ausstoßung-
unter
Umständen
Gewalteskalationen,
Therapieabbruch bzw. Rausschmiss.
(vgl. Streeck- Fischer, 2006: 195ff.).
In dieser Zeit ist es allerdings für die Einrichtungen auch noch leichter, sich von den Kindern und
Jugendlichen auch wieder zu verabschieden. In Bezug auf die Erkenntnisse aufgrund von
empirischen Untersuchungen wäre hier vielleicht die Dauer bzw. die Sinnhaftigkeit der Probezeit
zu überdenken. Auch ist zu erwägen, was es für ein Kind oder einen Jugendlichen bedeutet, wenn
ein Versuch gestartet wird und nach 2- 3 Monaten dann festgestellt werden muss, es mit diesem
Jugendlichen doch nicht zu schaffen, was dann mit einem neuerlichen Gefühl des Versagens und
neuerlichen Beziehungsabbrüchen verbunden ist. Dennoch scheinen manche Einrichtungen die
Einstellung zu haben, wir probieren es und im Notfall können wir uns innerhalb der Probezeit von
dem Kind oder dem Jugendlichen verabschieden, wie durch das folgende Zitat zum Ausdruck
kommt. An dieser Stelle ist jedoch noch einmal auf die Phasen vom Honeymoon zum Deadly dance
nach Streeck- Fischer hingewiesen werden.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
23 - 23
Code: Einrichtung\Ausschließungsgründe
“So richtige Ausschlusskriterien, also man probiert es meistens und oft, also es gibt, Fälle hat es
gegeben, dass man es probiert hat und es hat dann nicht funktioniert, aber es ist auch nicht wirklich
so ein Ausschlusskriterium für das, dass man es nicht versucht hätte, denke ich, das ist meistens. Ich
meine es ist eh meistens dann eine Probezeit am Anfang einmal drei Monate und wenn wirklich
gravierende Sachen sind, dann müssen wir uns eh mit dem Sozialarbeiter zusammensetzen und
sagen, dass es dann nicht funktioniert. Dann ist es halt so. In der Probezeit in den drei Monaten
stellt sich dann eh meistens viel heraus.”
267
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Andere Einrichtungen überspringen den Schritt des freiwilligen Anrufens und entscheiden aufgrund
der Fakten und Informationen, die einerseits von der SozialarbeiterIn gegeben werden und
andererseits aufgrund des Aufnahmegesprächs.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
17 - 17
Code: Einrichtung\Aufnahmeverfahren
„Es ist an und für sich so, dass Jugendämter einmal nachfragen, ob ein Platz frei ist und es dann
die Möglichkeit gibt, wenn bei uns ein Platz frei ist, dann wird meistens der Jugendliche einmal
eingeladen zu uns, sich das einmal anzuschauen mit der SozialarbeiterIn, dann hat er einmal einen
ersten Eindruck, das macht dann meistens die Leitung, dass sich die das einmal anschauen. Dann
wird das meistens im Team eingebracht, da gibt es von der SozialarbeiterIn so eine kurze
Beschreibung, wie, warum, Stationen vorher. Eine kurze Beschreibung von dem Kind- dann wird
das im Team diskutiert. Wie er hinein passen wird, weil es ist ja, vom Geschlechtlichen her, soll es
ein bisschen aufgeteilt sein zwischen Mädchen und Buben. (…) Das ist so das nahe liegendste,
wenn sie hinein passen. Dann gibt's meistens Schnuppertage noch aber an und für sich ist, wenn es
im Team beschlossen ist, dann kann das Kind dann kommen. (…)“
Wie hier deutlich wird, scheinen die Einrichtungen sehr gründlich darauf zu achten, welche Kinder
und Jugendlichen aufgenommen werden und welche nicht. Anscheinend ist es teilweise auch
wirklich möglich, dass die Einrichtungen sich die Jugendlichen aussuchen, wie das folgende
Statement deutlich macht:
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
55
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Ja, es ist derzeit eben ein Platz frei…sieben Anfragen.(…)“
An dieser Stelle ist anzumerken, dass sich unter diesen Umständen die Einrichtungen sicher für jene
Jugendlichen entscheiden werden, die am besten in das Konzept passen. Unter diesen Umständen
könnten denjenigen Kindern und Jugendlichen mit einer schwierigen Vorgeschichte- die durch die
vorliegenden Fakten als besonders schwierig eingeschätzt werden- die Chance von vornherein
genommen werden, sich in einer Einrichtung zu bewähren.
Das Aufnahmeverfahren einer Einrichtung unterscheidet sich jedoch grundlegend von den anderen.
Diese Einrichtung entscheidet über eine Aufnahme ohne das Kind jemals vorher gesehen zu haben.
Als vordergründiges Kriterium erscheint die Bereitschaft der SozialarbeiterIn aktiv mit der
Einrichtung zusammen zu arbeiten.
268
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Der Leiter dieser Einrichtung beschreibt das Aufnahmeverfahren folgendermaßen:
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
29 - 29
Code: Einrichtung\Aufnahmeverfahren
„Am. es kommt die Anfrage, dann stelle ich der Sozialarbeiterin unseren Zugang vor, schicke ihr
das Konzept zu und treffe mich mit ihr für ein Vorgespräch, wo es gar nicht so um den Jugendlichen
oder um die Familie geht, sondern wo ich versuche unseren, ah, unser Kooperationsmodell
vorzustellen und wenn die Sozialarbeiterin sagt, das passt ihr, dann machen wir ein Vorgespräch,
bei dem ist dann dabei die Sozialarbeiterin, die Bezugsbetreuerin, die Therapeutin und das machen
wir unter Supervision und da versuchen wir, positive Zugangshypothesen zu finden für die
Aufnahme, da ist aber die Entscheidung für die Aufnahme schon gefallen, die treffen wir vorher,
ohne dass wir das Kind je gesehen hätten oder die Familie. Und das Vorgespräch dient dazu, das
Aufnahmegespräch vorzubereiten und zum Aufnahmegespräch kommt dann auch die Familie und es
ist dann auch an der Sozialarbeiterin zu sagen, was sind die Gründe für die Fremdunterbringung,
hat es schon eine Hilfe gegeben, was war hilfreich, was weniger, was sind die Ziele der
Sozialarbeiterin und der Familie und welche Aufträge gibt's, einerseits für die Familie und
andererseits fürs Kind. Und wir können uns dann auf die Seite der Familie stellen und versuchen
die Aufträge der Jugendwohlfahrt zu erfüllen.“
Dieses Aufnahmeverfahren wird auch als ein grundlegendes Unterscheidungsmerkmal dieser
Einrichtung zu anderen gesehen:
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
39 - 39
Code: Einrichtung\Aufnahmeverfahren
„Ich denke mir das ist vielleicht ein gravierender Unterschied unserer Einrichtung zu anderen.
Weil die anderen das ist schon immer so Castingartig, und das ist wirklich demütigend. Wir haben
jetzt ein Mädchen aufgenommen. Die hätte sich zwei Wochen eingelebt gehabt in einer Einrichtung
und nach zwei Wochen wird ihr dann mitgeteilt du darfst leider nicht, such dir etwas Neues. Das
sind natürlich für die dann schwierig so ein….”
Interessanterweise ist dies jene Einrichtung, die im Erhebungszeitraum keine gemeinsamen Fälle
mit der KJP hatte. Daraus ließe sich ableiten, dass sich auch durch eine gründliche Auswahl der
Kinder und Jugendlichen durch diverse Aufnahmegespräche, Schnuppertage etc. Krisensituationen,
in denen die KJP zu Rate gezogen werden muss, nicht vermeiden lassen. Anders formuliert, durch
Unterschiede im Aufnahmeverfahren lassen sich die Unterschiede in der Häufigkeit der
gemeinsamen Fälle zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und der KJP nicht
erklären. Die Einrichtung, die die Kinder vor der Aufnahme gar nicht zu Gesicht bekommt, ist
gerade auch die Einrichtung, die im Berechnungszeitraum nie die KJP konsultieren musste. Da sich
diese Einrichtung jedoch auch vom Konzept her von allen anderen unterscheidet lässt sich vielleicht
an der Seltenheit der Kontakte zur KJP der Erfolg dieses Konzeptes messen.
An dieser Stelle ist zu überprüfen, welche Kriterien bei der Aufnahme in einer stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtung berücksichtigt werden. Hier wird vordergründig immer betont, dass
auf die Gruppenkonstellation und die Ausgewogenheit des Geschlechts bzw. auch das Alter
geschaut wird.
269
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
27 - 27
Code: Einrichtung\Aufnahmekriterien
“Das heißt jetzt zum Beispiel, wir haben schon 5 Mädchen und 3 Burschen, sagen wir im Haus und
es…oder 2 Burschen, und es würde jetzt ein Mädchen zur Aufnahme anstehen, dann würden wir uns
das sehr gut überlegen, ob das nicht die Grenze überschreitet, weil unser Ziel eigentlich ist
bestmöglich…also 4/ 4 Mädchen/ Burschen im Haus zu haben, oder ob es jetzt wirklich
irgendwelche massiven Geschichten sind, die im Moment, sage jetzt nicht prinzipiell, aber sagen
wir, wir haben jetzt gerade eine Gruppe von Jugendlichen, wo wir gerade große Problematik
haben, irgendwie, sagen wir, was nehmen wir als Beispiel...ah… Alkohol oder Drogen, nicht, dass
das gerade in der Gruppe schon sehr massiv ist, wo man arbeitet und es kommt dann…es ist gerade
ein Jugendlicher zur Aufnahme, wo das das Hauptproblemsfeld ist, dass er jetzt sagen wir gerade
vom Entzug kommt und, und, und. Wo wir dann uns anschauen, ob das wirklich im Moment,
wirklich im Moment für die Gruppe passt.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
23 - 23
Code: Einrichtung\Aufnahmekriterien
„Sonst an und für sich, kommt es immer auf den Jugendlichen an, wir schauen wirklich wie passt er
hinein, vom Alter her, vom Geschlecht her, wie passt er in die Gruppe.“
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
31 - 31
Code: Einrichtung\Aufnahmekriterien
„(…) weil die Gruppendynamik in einer Einrichtung mit 9 auffälligen Jugendlichen sehr interessant
ist, muss man immer schauen, ob es passt und dann wird er aufgenommen.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
35 - 36
Code: Einrichtung\Aufnahmekriterien
[…] Das heißt wir schauen eigentlich immer, dass es von der Gruppe her passt…sonst eben Schüler
ganz wichtig, dass er halt Schule geht, oder einer Tätigkeit nachgeht, oder sich motivieren lasst in
eine Richtung. Also komplett Verweigerer werden selten bis gar nicht aufgenommen.”
Wie bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit beschrieben, sind in der Dienstleistungsverordnung
genaue Kriterien festgelegt, welche Kinder und Jugendlichen in den einzelnen Einrichtungen
aufgenommen werden können. Diese wurden auch in einem Interview erwähnt.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
42 - 43
Code: Einrichtung\Aufnahmekriterien
„Naja, an und für sich gibt es Dienstverordnungskriterien wo drinnen steht, wer bei uns hier
aufgenommen werden kann, an die haben wir uns zu halten. […]“
Ein weiteres Kriterium besteht laut Aussagen der Professionellen auch immer wieder darin, wie
dringend die Aufnahme gebraucht wird.
270
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
48 - 49
Code: Einrichtung\Aufnahmekriterien
„[…] In der Entscheidung dann wird auch einmal Augenmerk drauf gelegt, wer braucht jetzt
dringend, ah, den WG Platz, sei es, weil er noch in einer Gefahrensituation ist, also da gibt es dann
eine Vorrangigkeit. […].“
Nachdem
sich
auch
die
Aufnahmekriterien
in
den
meisten
stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen nicht wesentlich voneinander unterscheiden, stellt sich die Frage,
welche Rolle eine psychiatrische Diagnose bei der Aufnahme spielt. Also ob Unterschiede in der
Häufigkeit der Kooperation vielleicht dadurch erklärbar sind, dass manche Einrichtungen Kinder
und Jugendliche mit psychiatrischen Diagnosen und eventuellen Voraufenthalten in der KJP gar
nicht erst aufnehmen.
Tatsächlich wird diese Annahme auch durch eine Aussage bestätigt, in der explizit ausgedrückt
wird, dass wenn die Wahl besteht, eher ein Kind oder Jugendlicher genommen wird, der (noch)
keine psychiatrische Diagnose hat.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
25 - 25
Code: Einrichtung\Aufnahmekriterien
„Es kommt immer darauf an sage ich, es ist meistens gibt es mehrere Gründe, man sucht sich das
Kind allgemein im Team aus, wo man dann sagt, dass es am besten herein passt. Natürlich wenn
schwerwiegende Diagnosen sind, die niedergeschrieben sind, und wo im Vergleich dazu ein
anderes Kind, wo man merkt, das würde besser herein passen und weniger Unruhe in die Gruppe
bringen, dann wird man sich natürlich für das entscheiden. Ah, an und für sich aber wenn ein Platz
frei ist und nur eine Anfrage kommt, denke ich mir, wieso probieren wir es nicht. Es ist eine
Zuschreibung und wenn Fremdgefährdung oder Eigengefährdung ist, das ist das häufigste, aber
sonst haben wir eigentlich von den Diagnosen her, viele mit Depression und viele Sachen die man
nicht wirklich im Vorhinein…das heißt man probiert einmal.(…)“
Eine andere Einrichtung schließt eine Aufnahme von Kindern und Jugendlichen mit „akuten
psychiatrischen Diagnosen“ aus. An dieser Stelle stellt sich immer die Frage, was als akut
psychiatrisch definiert wird.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
51 - 53
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
„Also wir können sicher keine akuten psychiatrischen Diagnosen begleiten, dafür haben wir nicht
die Ausstattung. Aber, also Unterbringungen in der Psychiatrie sind für mich kein
Ausschließungsgrund. Da habe ich schon gute Erfahrungen gemacht und das ist auch kein
Kriterium.“
271
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
46 - 47
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
„Ich würde sagen schon eine große Rolle. Es ist eben schon in der Dienstverordnung, da dürfen wir
ja keine Jugendlichen aufnehmen, die unter Anführungszeichen als zu psychiatrisch gelten. Dann
haben wir ja schon immer wieder Diskussionen ob das so ist oder nicht ist. Andererseits ist es so,
dass fast alle glaub ich, bis auf zwei glaub ich, alle Jugendlichen da im Haus in der Psychiatrie
waren und dass das ja bei den Jugendlichen immer wieder sein kann. Und da haben wir es jetzt
einmal so vereinbart, dass wir sozusagen, wenn der Jugendliche im Laufe des Prozesses in die
Psychiatrie kommt, begleiten wir ihn natürlich weiter. Zurzeit weiß ich nicht, ob wir direkt von der
Psychiatrie welche nehmen könnten. Kann ich nicht sagen. Wegen dieser Dienstverordnung, ob sie
dann nicht als zu psychiatrisch sozusagen gelten.“
Die meisten der interviewten PädagogInnen, beteuern jedoch, dass eine psychiatrische Diagnose
bzw. Voraufenthalte in der KJP keinerlei Rolle bei der Aufnahme spielen würden.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
45 - 46
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
„Nein überhaupt nicht. Wir haben auch schon sehr viel Erfolg mit Jugendlichen die mit Diagnosen
hergekommen sind wo man sich gedacht hat, da kommt jetzt wirklich der kleine PsychopathMichael Maiers - mäßig und in Wahrheit hat es sich dann herausgestellt, waren es einfach die
wirklich um Hilfe geschrieen haben. Auf Extrem. Also da hab ich schon auch Diagnosen erlebt, die
einfach leicht überzogen waren, bis zu einem gewissen Grad. Andere muss ich auch sagen haben
wieder ziemlich zugetroffen. Da ist dann halt die Lösung dessen, ist einfach ein Umfeld zu schaffen
wo einfach so viel Vertrauen da ist, dass die Kinder damit umgehen lernen. Also mit ihren
Problemen mit ihren Impulskontrollstörungen.”
An dieser Stelle ist jedoch zu hinterfragen, inwieweit hier nicht eine Antwort gegeben wird, die als
sozial erwünscht gilt. Vielleicht ist es manchen Teams gar nicht bewusst, dass dies indirekt doch
eine Rolle spielt. Diese Annahme beruht vor allem auf der Tatsache, dass in einer Einrichtung mit
wenig Kontakt zur KJP von der Leitung beteuert wurde, dass einer Diagnose keine Aufmerksamkeit
gewidmet wird, jedoch von der(m) BetreuerIn eindeutig gesagt wird, dass diagnostizierte
psychische Erkrankungen eine Kontraindikation bei der Aufnahme darstellen.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
45 - 46
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
„Also, gar keine, nein, also gerade im Jugendalter sage ich, sind psychiatrische Diagnosen für
mich ein bisschen, also ich sage einmal mit Vorsicht, um es nett auszudrücken, weil ich denke, dass
es da einfach massive Entwicklungspotenziale gibt, die gibt es auch im Erwachsenenalter, nur da
gibt es selten ausgefeilte Methoden.(…)“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
29 - 30
Code: Einrichtung\Aufnahmekriterien
„(…)und wenn jetzt, was weiß ich, schwierige, oder psychische Erkrankungen wirklich
diagnostiziert sind, dann ist das eine Kontraindikation.“
272
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Ein Grund für diese Abweichungen könnte einerseits darin liegen, dass es einfach unterschiedliche
Meinungen im Team zur Aufnahme Kinder und Jugendlicher mit psychiatrischen Diagnosen gibt.
Nachdem über eine Aufnahme ohnehin im Team abgestimmt wird, wird es letztlich darum gehen,
ob der Großteil des Teams eine psychiatrische Diagnose als relevant ansieht. In dieser
Untersuchung wurden ja nur 2 VertreterInnen des Teams befragt. Hier kann es natürlich sein, dass
unterschiedliche Meinungen bestehen.
Allgemein kann festgestellt werden, dass die Entscheidung ob ein Kind oder Jugendlicher in einer
der befragten Einrichtungen aufgenommen wird, im Team gefällt wird.
Für manche sind psychiatrische Diagnosen oder Aufenthalte in der Psychiatrie sogar eine
Hilfestellung, mit der weiter gearbeitet werden kann.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
52 - 53
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
I: Welche Rolle spielt eine psychiatrische Diagnose beziehungsweise irgendwelche Aufenthalte im
LSF bei der Aufnahme?
„Für mich persönlich eine sehr hilfreiche, jetzt nicht im Sinne von Zuschreibung. Im Sinne von was
haben Fachleute festgestellt. Ah, Im Grunde genommen ist es wirklich eine Hilfestellung, ja o.k. es
war ein Jugendlicher im LSF oder beim Psychiater oder sonst wo und da ist schon etwas gearbeitet
worden und da muss man nicht noch einmal anfangen.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
37 - 38
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
„Ja, prinzipiell eine große, weil wir gut vernetzt sind mit dem LSF, wenn er unten war, dann
schauen wir, wie er rein passt, also das ist kein Kriterium, dass wir ihn nicht aufnehmen, (…)“
Aufgrund der Interviews lässt sich hier nicht eindeutig feststellen, ob jene Einrichtungen, die
weniger Zusammenarbeit mit der KJP hatten auch schon diesbezüglich bei der Aufnahme
entscheiden. Ein Professioneller einer Einrichtung mit weniger Kontakt gab zwar zu, dass wenn die
Wahl besteht eher ein Kind oder ein Jugendlicher ohne Diagnose genommen wird. Andererseits
wurde auch in einer Einrichtung mit häufigerem Kontakt eine Aufnahme „akuter psychiatrischer
Diagnosen“ ausgeschlossen.
Von den meisten Interviewten wurde beteuert, dass eine psychiatrische Diagnose keine Rolle
spielen sollte, eher noch eine hilfreiche Wirkung hat. Mit Sicherheit kann festgestellt werden, dass
diesbezüglich unterschiedliche Meinungen auch innerhalb der unterschiedlichen Teams vorliegen,
was durch die unterschiedlichen Aussagen zweier befragter Personen einer Einrichtung deutlich
wurde.
273
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Als Ausschlusskriterien werden vor allem akute Drogensucht, körperliche Behinderung sowie
Selbst- und Fremdgefährdung genannt. Der Begriff der Selbst- und Fremdgefährdung ist in den
Interviews vor allem im Zusammenhang mit der KJP sehr häufig gefallen. An dieser Stelle muss
jedoch erwähnt werden, dass dieser Begriff eigentlich ein weit gefasster ist, das heißt, sehr viele
Verhaltensweisen lassen sich unter dem Begriff der Selbst- und Fremdgefährdung zusammenfassen.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
23 - 23
Code: Einrichtung\Ausschließungsgründe
„Ausschlusskriterien bei der Aufnahme, was wir gehabt haben, eben die Selbst- und
Fremdgefährdung, wenn es irgendwie aufscheint, ist ein Ausschlusskriterium.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
84 - 84
Code: Einrichtung\Ausschließungsgründe
„Ausschließungsgründe, ah, massive körperliche Gewalt gegenüber anderen, sexualisierte Gewalt,
ah, wo es wirklich eben um Vergewaltigung geht, gegenüber Mädchen. Dann schwere psychische,
psychiatrische Erkrankungen oder, die werden eh im LSF sein, also sprich überall wo Eigen- und
Fremdgefährdung vorliegt, so muss man das eigentlich sagen…ah, psychiatrische Erkrankungen
mit Eigen- und Fremdgefährdung, aber dann sind sie im LSF. Und stark Drogenabhängige, wobei
konsumierende Jugendliche kein Ausschließungsgrund sind.”
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
45 - 45
Code: Einrichtung\Ausschließungsgründe
„das heißt zum Beispiel massive gewalttätige Übergriffe auf Betreuer, oder aber auch auf andere
Jugendliche, Gefährdung von anderen Jugendlichen, ah, das ist, das kann dann zu einer schnellen
und direkten Verabschiedung führen.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
44 - 44
Code: Einrichtung\Ausschließungsgründe
„Im Grunde, sonst, es gibt ein paar, paar, also körperlich behinderte können wir nicht nehmen,
also die jetzt irgendwie einen Rollstuhl bräuchten, oder…da haben wir einfach nicht die
baulichen… Also es gibt ein paar Ausschlussfaktoren, also massiv Drogenabhängige können wir
auch nicht nehmen. Das funktioniert in der Gruppe nicht,(…).“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
42 - 43
Code: Einrichtung\Ausschließungsgründe
„(…)Aber, vor allem ist es eben Behinderung, psychiatrische Erkrankung, ja, und Drogen, also
Suchtproblematik.“
Die Ausschlusskriterien wurden von nahezu allen Einrichtungen ähnlich formuliert. Hier gab es
auch keine Uneinigkeiten zwischen den Mitgliedern der unterschiedlichen Teams. Auch in Bezug
auf die Häufigkeit des Kontakts zur KJP konnten keine Unterschiede gefunden werden.
274
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Eine Antwort sticht hier jedoch deutlich hervor. Die befragte Person meint, man solle Kinder und
Jugendliche nicht aufgrund ihrer Problematik, die sie ja bereits mitbringen ausschließen. Der
einzige Ausschließungsgrund wäre hier, wenn erkannt wird, dass die Einrichtung nicht mehr
hilfreich oder überfordert ist.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
34 - 35
Code: Einrichtung\Ausschließungsgründe
I: Was sind Ausschlusskriterien?
„Da sind wir sehr vorsichtig, weil ich mir denke, wir sind für schwierige Kinder da und wir wollen
sie nicht deshalb, warum wir sie aufnehmen dann auch entlassen, aber grundsätzlich wäre einfach,
wenn wir erkennen, dass wir nicht mehr hilfreich sein können, auch vielleicht überfordert sind.“
Die Art dieser Antwort unterscheidet sich sehr von den anderen. Hier wird explizit darauf
hingewiesen, dass es in Einzelfällen auch sein kann, dass die Einrichtung überfordert ist. Vielleicht
führt diese Überforderung aber häufiger als in den Interviews erwähnt zu einem Ausschluss. Hier
wird die Überforderung und nicht das problematische Verhalten in den Vordergrund gerückt. Es
könnte sein, dass manche Einrichtungen sich zum Beispiel mit aggressivem Verhalten oder
selbstverletzendem Verhalten überfordert fühlen. Dieses wird dann vielleicht als Selbst- oder
Fremdgefährdung beschrieben und führt letztlich zum Ausschluss. Unbestritten ist hier, dass es sich
in diesen Fällen um sehr schwierige Situationen handelt, bei denen eine Überforderung auch legitim
ist. Im Endeffekt geht es aber wahrscheinlich auch darum, eine Überforderung einzugestehen und
sich in der Kooperation mit unterschiedlichen anderen Einrichtungen Hilfe zu holen. Für die
Kooperation mit der KJP bedeutet dies, dass hier auch darauf Rücksicht genommen werden muss,
dass in manchen Fällen auch Einrichtungen an ihre Grenzen gelangen. Diese wollen die Kinder und
Jugendlichen nicht abschieben, sondern suchen eventuell mit einer Einweisung oder der Bitte um
Abklärung Hilfe. Die KJP darf in diesen Fällen nicht vorwurfsvoll reagieren sondern sollte konkrete
Hilfestellungen geben, wie mit schwierigem Verhalten in Zukunft auch innerhalb der
Wohngemeinschaft umgegangen werden kann, damit eine zukünftige Einweisung vermieden
werden kann. Am Ende geht es wahrscheinlich wirklich darum, dass Überforderung erkannt und
eingestanden wird.
Zur Dauer der Aufnahmeverfahren kann festgestellt werden, dass diese in den meisten
Einrichtungen durchschnittlich 2-3 Wochen dauern. In Einzelfällen kann eine Aufnahme auch
innerhalb von 2-3 Tagen erfolgen, in manchen Fällen auch einige Monate dauern. In diesem
Zusammenhang klingen 2-3 Wochen nicht sonderlich lange. Wenn man sich aber vorstellt, dass ein
Kind oder ein Jugendlicher stationär auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung ist, und
275
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
auf einen geeigneten Unterbringungsplatz wartet, können diese 2-3 Wochen schon sehr lange sein.
Vor allem, wenn es nach 3 Wochen dann heißt, dass das Kind oder der Jugendliche, aus welchen
Gründen auch immer, nicht aufgenommen werden kann und die Suche und das gesamte
Aufnahmeprozedere erneut starten muss. Dadurch lässt es sich durchaus erklären, dass jene Kinder
und Jugendlichen, für die eine neue Unterbringungsform gesucht werden muss auch signifikant
länger in stationärer kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung sind. Hier muss vor allem
darauf geachtet werden, dass wenn eine Institution ein Kind oder einen Jugendlichen aus diversen
Gründen nicht mehr zurück nimmt, dass eventuell die Wartezeit bis etwas Neues gefunden ist doch
noch dort verbracht werden kann bzw. neue Lösungen wie etwa eine Übergangswohnmöglichkeit
geschaffen wird. Es kann nicht sein, dass Kinder und Jugendliche in einer hoch spezialisierten
Einrichtung wie der Kinder und Jugendpsychiatrie, die nahezu einen doppelt so hohen Tagsatz
verrechnet, wie jede Jugendwohlfahrtseinrichtung, auf einen geeigneten Platz warten müssen, weil
es für sie sonst keine geeignete Möglichkeit gibt.
12.2.2.1.3
Tagesstruktur
Die Frage der Tagesstruktur stellt sich aus dem Hintergrund, dass angenommen wird, dass gerade
Kinder und Jugendliche in schwierigen Situationen besonders viel Struktur und Regeln benötigen.
Hier sollte aufgrund der Interviews herausgefunden werden, ob die Einrichtungen, die eher
lockerere Strukturen im Tagesablauf aufweisen auch zu denen gehören, die mehr Kontakt zur
Kinder und Jugendpsychiatrie benötigen.
Hier konnte aufgrund der Interviews keine eindeutige Antwort gefunden werden. Unter den 3
Einrichtungen mit häufigerem Kontakt zur KJP war eine mit einer relativ straffen Struktur, wenig
Ausgängen und sehr vielen Freizeitangeboten für die Kinder und Jugendlichen.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
34 – 41
Code: Tagesstruktur/ Tagesablauf
„(…) Es ist so, jeden Tag ist irgendwie so ein Schwerpunkt. Am Montag haben wir Ausgang- weil
wir gemein sind, da sind sie noch sehr- ah- sehr müde vom Wochenende. Wir sind eine sehr
behütende Institution- ah unsere Jugendlichen haben wenig Ausgang- also so die Lehrlinge zwei
Mal in der Woche und die Schüler nur einmal und das auch relativ kurz.
(…) Am Mittwoch haben wir um 16 Uhr Freizeitangebote- das heißt ah- jedes viertel Jahr von
Schulbeginn bis Weihnachten, von Weihnachten bis Ostern, von Ostern bis Schulschluss bieten wir
sechs Aktivitäten an und die Jugendlichen müssen sich eintragen und sollten dann dabei bleibendas ist die größte Arbeit. Da wird dann angeboten Klettern, Schwimmen, Minigolf oder Billard,
Bowling, Basteln, Singen, Theater spielen, Hip Hop Dancing und was weiß ich.(…)“
276
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Die beiden anderen Einrichtungen haben zwar auch eine gewisse Struktur mit Lernstunden,
gemeinsamem Essen etc., gewähren den Kindern und Jugendlichen jedoch wesentlich mehr „freie
Zeit“, die auch mit Ausgängen verbracht werden kann.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
25 - 26
Code: Tagesstruktur/ Tagesablauf
„Ausgänge prinzipiell in der Freizeit immer, sie müssen sich abmelden bei uns, damit wir wissen,
wo sie sind, also ob sie im Haus sind, oder nicht, (…)“
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
27 - 27
Code: Tagesstruktur/ Tagesablauf
„O.K. Unter der Woche ganz normal um 7 Uhr
aufstehen, Frühstücken, zu Recht machen, Duschen
gehen, Zähne putzen. Dann in die Schule, 13:00 von der Schule zurück, dann gibt es eine Jause für
die Jugendlichen, dann gibt's ahm, gemeinsame Freizeitbetreuung, dann um 16:00 gibt es eine
Lernstunde, 18:00 ist gemeinsames Abendessen, was die Jugendlichen selbst Kochen, dann können
sie noch auf Ausgang gehen, Fernsehen und um, ah, halb elf wenn sie das Alter dann haben, gehen
sie ins Bett.“
In einer Einrichtung mit weniger Kontakt zur KJP wird auch ganz bewusst auf eine enge
Tagesstruktur und ein reichhaltiges Angebot an Freizeitaktivitäten verzichtet.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
33 - 33
Code: Tagesstruktur/ Tagesablauf
„(…)Wir haben grundsätzlich sehr… versuchen sehr familienähnlich zu sein… sprich es gibt kein
Animationsprogramm. Sie leben und sie wohnen da, über Jahre. Und in einer Familie müssen sie
auch… ja mit Freunden, also es kommen Freunde zu Besuch, sie gehen weg.
(…) Ja, eben von dem her haben wir da wenig Struktur…wenig Tagesstruktur im Grunde. Wir
haben auch wenig Angebote, ganz bewusst, also so Freizeitangebote. (…) Ja, einfach so, da
schauen wir halt, dass das wirklich so das normale ist und auch nicht übertrieben irgendwelche
Sonderangebote, die sie sich dann nie leisten würden können in ihrem normalen Leben. Da sind wir
sehr, sage ich jetzt einmal erpicht darauf.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
19 - 19
Code: Tagesstruktur/ Tagesablauf
“Ja, der Tagesablauf…kommt darauf an, was er macht, also wenn er Schüler ist, dann wird er in
der Früh geweckt, dann gibt's Frühstück, dann geht er in die Schule, dann kommt er retour. Dann
ist Essen, dann ist Hausübung machen, Lernen, also verpflichtend eine Stunde nach der Schule
muss er was machen. Dann kann er sich Ausgang nehmen. Ja.”
Hier kann man anhand der Aussagen der beiden Befragten erkennen, dass es sich um eine
Einrichtung handelt, die sehr familienähnlich strukturiert ist und den Jugendlichen relativ viel
Freizeit und Ausgang gewährt. Trotzdem scheint es in dieser Einrichtung mit den Kindern und
Jugendlichen so gut zu funktionieren, dass die KJP relativ selten zu Rate gezogen muss. Nachdem
277
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
auch in dieser Einrichtung Kinder- und Jugendliche mit psychiatrischen Problemen untergebracht
sind, wie im Kapitel Grenzfälle näher beschrieben wird, ist hier anzunehmen, dass es ähnliche
Probleme gibt, wie in anderen Einrichtungen. Diese Einrichtung hat anscheinend jedoch Strategien
gefunden, mit den Problemen anders zu Recht zu kommen und braucht daher seltener die
Unterstützung der KJP.
In anderen Einrichtungen, die weniger Kontakt zur KJP hatten, ist die Struktur eigentlich sehr
ähnlich wie in den Einrichtungen mit häufigerem Kontakt. Für die Kinder und Jugendlichen, die
nicht in die Schule gehen gibt es ein bestimmtes Programm in der Einrichtung. Am Nachmittag gibt
es dann ebenfalls Lernstunden, teilweise gemeinsame Aktivitäten, bzw. bestimmte Dienste zu
erledigen.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
24 - 25
Code: Tagesstruktur/ Tagesablauf
„Es kommt drauf an, also es gibt Jugendliche, die Schüler sind, Jugendliche, die Schulverweigerer
sind, Jugendliche, die arbeitssuchend sind, und Jugendliche, die arbeiten. Dementsprechend ist der
Tagesablauf unterschiedlich strukturiert. Es ist schon so, dass am Vormittag, die die arbeiten
arbeiten gehen, die die Schule gehen, Schule gehen. Die die aber in der Einrichtung sind, weil sie
arbeitssuchend sind oder Schulverweigerer sind, müssen dementsprechend ein Programm
absolvieren. Also die arbeitssuchenden werden unterstützt, dass sie Bewerbungsunterlagen
erstellen und motiviert, dass sie eben sich um eine Lehrstelle kümmern. Und die Schulverweigerer
müssen am Vormittag auch Schularbeiten erledigen und Hausübungen erledigen. Da gibt es so ein
spezielles Programm, das meistens entweder mit Schule oder mit Sozialarbeiter abgesprochen ist.
Danach gibt es ein Mittagessen. Am Nachmittag ist meistens Freizeit, außer die Schüler, die zurück
kommen von der Schule, haben eine Pflichtstunde, wo sie Hausübungen machen oder lernen
müssen auch. Am Abend ist dann so, dass zwischen 19 und 20 Uhr ein Abendessen ist, dann gibt es
Küchendienst, Sanitärdienst und eben Körperhygiene und ab 22 Uhr sind die Jugendlichen im
Zimmer und dann ist zumindest Ruhe im Haus und es wird auch geschaut, dass sie dann langsam
schlafen gehen.“
In Bezug auf die Tagesstruktur in den einzelnen Einrichtungen können zwar schon individuelle
Unterschiede gefunden werden. Jedoch kann aufgrund der Interviews die Annahme nicht bestätigt
werden, dass jene Einrichtungen mit weniger Strukturen mehr Kontakt zur KJP haben. Die
Einrichtung mit der straffsten Tagesstruktur und den meisten Freizeitangeboten hat sogar sehr
häufigen Kontakt zur KJP. Das könnte natürlich auch bedeuten, dass hier eventuell mehr Kinder
und Jugendliche mit psychischen Problemen untergebracht sind, weil sie aufgrund der Strukturen
vielleicht von den SozialarbeiterInnen, für diese Kinder und Jugendlichen als geeignete Einrichtung
angesehen wird. Dies kann hier jedoch nur als These aufgestellt werden und in diesem Rahmen
nicht weiter überprüft werden. Eine andere Einrichtung hingegen, die nur sehr wenig Tagesstruktur
bietet, hat auch nur sehr wenige gemeinsame Fälle mit der KJP. An dieser Stelle ist jedoch betont,
dass dieses Konzept schon ein gewisses Maß an Selbständigkeit voraussetzt, worauf auch bei der
278
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Aufnahme sicher schon Wert gelegt wird. Trotzdem bleibt unbestritten, dass Struktur sicher auch
ein heilender Faktor für diese Kinder und Jugendlichen ist, wie in einem Interview klar gesagt
wurde.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
93 - 93
Code: Tagesstruktur/ Tagesablauf
„Ganz wichtig für diese Kinder und Jugendlichen ist die Konformität, die Struktur und die Regeln.“
12.2.2.1.4
Pädagogische Grundhaltung
In Bezug auf die pädagogische Grundhaltung besteht das Interesse vor allem darin, ob ein
einheitliches Konzept vorhanden ist, oder ob jede(r) Professionelle seine individuellen Ansichten
vertritt und inwieweit hier Unterschiede bestehen.
Diesbezüglich liegt in einigen Einrichtungen ein klares pädagogisches Konzept vor, nach dem
gearbeitet wird. Dies betrifft vor allem eine Einrichtung mit häufigerem und eine mit weniger
häufigem Kontakt zur KJP. Die Einrichtung mit keinem Kontakt zur KJP arbeitet nach einem
systemischen Ansatz und versucht mit Hilfe von Familientherapie das Herkunftssystem sehr stark
mit einzubinden.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
33 - 33
Code: Einrichtung\pädagogische Grundhaltung
„Also wir arbeiten nach, nach systemischen Grundsätzen die sind auch Aufnahmevoraussetzungen
und wer die nicht mitbringt wird nicht zugewiesen. Ziel ist es, dass wir einen einheitlichen
Wissensstand haben, was systemisches Arbeiten betrifft.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
43 - 43
Code: Einrichtung\pädagogische Grundhaltung
„ Ja, also wir haben so ein Leitbild entwickelt. Das heißt also das Grundprinzip- der Leitsatz ist so
„LebensWerte LebenLernen".
In einer weiteren Einrichtung, mit eher weniger Kontakt zur KJP, wird als pädagogischer Grundsatz
klar definiert, dass die Wohngemeinschaft für die Kinder und Jugendlichen ein Auffangnetz sein
soll, wo sie respektiert werden und bei Schwierigkeiten nicht sofort hinaus geworfen werden. Dies
wird auch als eine Besonderheit dieser Wohngemeinschaft beschrieben.
279
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
22 - 23
Code: Einrichtung\pädagogische Grundhaltung
„(…) und was uns wichtig ist, dass wir so wie ein Hafen sind, also so Sicherheit und Geborgenheit
bieten. Wo sie nicht gleich raus geschmissen werden, nur weil sie nicht sich angemessen
verhalten…und wo sie auch bleiben können. Genau.”
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
115 - 115
Code: Einrichtung\pädagogische Grundhaltung
„(…) Wir haben einmal von einer Sozialarbeiterin die Rückmeldung gekriegt, dass sie das ganz toll
findet, wie wir tun, nämlich genau deswegen, dass wir irrsinnig viel aushalten…und ja…und viel
selber entscheiden. Ich glaube wir sind auch…also so von meinen Erfahrungen her sind wir auch
gut gefahren in den letzten Jahren.“
Diese Wohngemeinschaft ist auch eine, die weniger Kontakt zur KJP hat. Es scheint hier also schon
von der Einstellung der einzelnen MitarbeiterInnen bzw. vom Konzept abzuhängen, inwieweit
Probleme oder Schwierigkeiten innerhalb der Einrichtung ausgehalten und bewältigt werden, und
wann die KJP konsultiert wird.
Auch in einer anderen Einrichtung, die eher weniger Kontakt zur KJP hat, wird der Rauswurf bei
unangemessenem Verhalten thematisiert und abgelehnt, da dadurch der Handlungsspielraum
verkleinert wird.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
45 - 45
Code: Einrichtung\pädagogische Grundhaltung
(…)Ah, wir versuchen Grenzen zu setzen, natürlich, ah, wie sehr sie eingehalten werden, das
entscheiden dann eher die Kinder und Jugendlichen. Aber wir versuchen einfach sehr konsequent
zu sein, wir versuchen die Eltern mit ein zubringen. Wir versuchen aber auch, irgendwie
Möglichkeiten aufzumachen und nicht irgendwelche Einbahnstrassen zu gehen, indem wir
Ultimaten setzen, das tun wir nicht. Indem wir sagen, wenn du das noch einmal machst, fliegst du
raus, damit nehmen wir uns jeden Handlungsspielraum. Wir versuchen uns einfach, ah, mehrere
Möglichkeiten offen zu lassen, auch dem Jugendlichen, um den Druck irgendwie nicht in das
Extreme zu führen.
Es scheint also vor allem in den Einrichtungen, die weniger Kontakt zur KJP haben, auch ein Stück
weit zum Konzept zu gehören, die Jugendlichen nicht so schnell aufzugeben.
In den anderen Einrichtungen werden eher allgemeine pädagogische Grundsätze wie etwa
Ressourcenorientierung, Respekt, Hinführen zur Selbständigkeit, oder Integration genannt. Obwohl
die pädagogischen Grundsätze nicht völlig konträr sind, scheinen diese doch eher individuell zu
sein. Das heißt, es werden teilweise auch unterschiedliche Schwerpunkte von den einzelnen
Mitgliedern der Teams genannt.
280
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
27 - 27
Code: Einrichtung\pädagogische Grundhaltung
„Wir versuchen einen möglichst klaren Rahmen für alle zu haben und Struktur für alle, aber
innerhalb dessen ganz viel Individualität.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
25 - 25
Code: Einrichtung\pädagogische Grundhaltung
„(…) So ein großes…großes Ziel ist natürlich jetzt so das über allem schwebt, ist natürlich so die
Verselbständigung, also dass die Jugendlichen selbständig werden (…)
(…) Selbstständigkeit…wenn der Jugendliche oft von da zum Auszug kommt, dass sie soweit
selbständig sind, dass sie eine Arbeit haben, dass sie lebensfähig sind, dass sie mit Geld umgehen
können, und und diese ganzen Geschichten (…)“
Wie unterschiedlich die pädagogische Grundhaltung von den einzelnen Befragten eines Teams
beschrieben werden, wird durch die folgenden Beispiele deutlich. Hier bestehen zwar nicht völlig
konträre Ansichten. Beide Befragten äußern, dass ein wichtiger Grundsatz darin bestehe, dort
anzusetzen, wo das Kind gerade steht, während jedoch die eine Beschreibung die
Ressourcenorientierung sehr betont, wird durch die Aussage des 2. Teammitglieds indirekt eine
eher defizitorientierte Haltung klar, indem gesagt wird, man versucht Defizite mit unterschiedlichen
Maßnahmen auszugleichen. Anhand dieser Aussage könnte man spitz hinterfragen, inwieweit
Ressourcenorientierung in dieser Einrichtung nicht eher ein Schlagwort ist, und inwieweit dieser
Grundsatz auch umgesetzt wird.
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
29 - 29
Code: Einrichtung\pädagogische Grundhaltung
„pädagogische Grundsätze, ah, es gibt nicht einen, es gibt viele, eindeutig, also aus vielen
Bereichen heraus. Unser Ansatz ist der, wir nehmen die Jugendlichen wo sie gerade stehen, und
versuchen einfach die Defizite, die sie haben auszugleichen. Also sei es jetzt verbal aggressiv,
körperlich aggressiv, Misshandlungen oder dergleichen, da schauen wir, da setzen wir an mit
verschiedenen Maßnahmen.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
46 - 47
Code: Einrichtung\pädagogische Grundhaltung
„Ahm, das ist schwierig das irgendwie jetzt auf einen Punkt zu bringen. Pädagogische
Grundsätze…….also ich denke, denke ich mir einmal so Schlagwörter, die sicher für alle gelten.
Das ist einfach Respekt, das ist Wertschätzung, das ist den Jugendlichen ernst zu nehmen in dem
was er mitbringt, in dem was er hat. Grundsätzlich ein ressourcenorientiertes Arbeiten mit dem
Jugendlichen, ahm, ja, auch in irgendeiner Form ein zu Hause zu bieten, das heißt einen Raum
aufzubauen mit dem Jugendlichen, für den Jugendlichen, wo er sich wohl fühlen kann, ahm, ja
Krisen ernst zu nehmen und einfach auch, vor allem diesen Übergang von zu Hause zu uns, was
sehr schwierig ist auch ernst zu nehmen, den Jugendlichen ankommen zu lassen und im Endeffekt
dort abholen, wo er steht.“
281
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Zusammenfassend kann in Bezug auf die pädagogische Grundhaltung bzw. pädagogische Konzepte
in den einzelnen Einrichtungen festgestellt werden, dass in einigen Einrichtungen ein
niedergeschriebenes Konzept vorhanden ist, das auch eine gewisse Einheitlichkeit im Team
garantiert. Andere Einrichtungen scheinen kein eindeutig klares Konzept, das für alle
Teammitglieder gültig ist zu haben, was dadurch zu erkennen ist, dass pädagogische
Grundhaltungen unterschiedlich und individuell beschrieben werden. In den Interviews von
VertreterInnen der Einrichtungen, die eher weniger Kontakt zur KJP haben, wurde jedoch auch zum
Ausdruck gebracht, dass es wichtig ist, gerade besonders schwierige Kinder und Jugendlichen zu
halten und nicht aus dem Grund aus der Wohngemeinschaft auch wieder auszuschließen, aus dem
sie auch gekommen sind.
12.2.2.2
Problemfälle
Die Definition von Problemfällen bzw. besonders schwierigen Kindern und Jugendlichen erscheint
für jede(n) Professionelle(n) individuell zu sein. Aus diesem Grund soll anhand der erhobenen
Interviews analysiert werden, welche Kinder und Jugendlichen den Professionellen besondere
Schwierigkeiten bereiten, um eventuell Hilfsmaßnahmen diesbezüglich gestalten zu können.
Die Beschreibungen der Professionellen von Problemfällen fallen unterschiedlich und individuell
aus.
Die Bandbreite der Beschreibungen ist hier sehr groß und konträr. Während manche keine
Jugendlichen als Problemfälle oder als besonders schwierig beschreiben, würden andere alle
Jugendlichen auf ihre Weise als schwierig bezeichnen.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
56 - 57
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
I: Welche Jugendliche würdest du deiner Erfahrung nach als besonders schwierig, oder als
Problemfälle bezeichnen?
„Gar keine.”
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
38 - 41
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
„Ich denke, alle auf ihre Weise, aber wir versuchen einfach, nach dem Sinn der Symptome zu
suchen, mit den Kindern und den Familien zusammen und versuchen nicht so sehr, die Symptome zu
bekämpfen.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
49 - 50
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
„Alle (lacht), nein die Jugendlichen sind ja da, weil sie Probleme haben.(…)“
282
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Während von einigen Professionellen die Umstände beschrieben werden, die Problemfälle
kennzeichnen, machen andere ihre Beschreibung an psychiatrischen Diagnosen wie z.B. der
Borderline- Persönlichkeitsentwicklungsstörung fest, wie folgende Beispiele verdeutlichen sollen.
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
42 - 43
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
I: Welche Jugendlichen würden sie ihrer Erfahrung nach als besonders schwierig bezeichnen?
„Ahm, weiblich und Borderline.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
53 - 55
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
I: Welche Kinder und Jugendlichen würden sie ihrer Erfahrung nach als besonders schwierig oder
als Problemfälle bezeichnen?
„Ich würde sicher keine hoch aggressiven Kinder aufnehmen, ich würde sicher keine Borderline
Persönlichkeiten aufnehmen, die viel mehr Betreuung brauchen, ah- hoch süchtige würde ich nicht
aufnehmen und die Kombination behindert und psychiatrisch- also das würde ich sicher nicht
nehmen.“
An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Einrichtungen, die in den Interviews schwierige Kinder
und Jugendliche in Bezug auf psychiatrische Diagnosen beschreiben, auch die Einrichtungen sind,
die im Erhebungszeitraum häufigen Kontakt zur KJP hatten. Hier scheint der Fokus schon eher in
Richtung Krankheitsbegriff zu gehen. Dies würde auch erklären, warum einige Einrichtungen die
KJP häufiger kontaktieren. Es scheint einen engen Zusammenhang dahingehend zu geben, dass von
manchen Wohngemeinschaften schwieriges Verhalten in Richtung Krankheit interpretiert wird, was
eine Zuständigkeit der KJP begründen lässt. Hier zeigt sich die Frage der Erziehungsbedürftigkeit
oder Krankheit sehr deutlich. Problematisch ist, dass schwieriges Verhalten als krank angesehen
wird und somit Hilfe in der KJP gesucht wird, bzw. auch die Verantwortlichkeit verschoben und
abgegeben wird.
Ein weiteres Feld, das Professionelle als besonders schwierig empfinden ist die Sucht- Thematik.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
26 - 29
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
„ (…) Nur wenn es ein Fall ist von Sucht, dann ist es immer ein bisschen ein Problem wenn man die
Aufsicht nicht gewähren kann und wenn das Kind ständig abhaut und unterwegs ist und man weiß
nicht, was es macht und es ist auch viel Alkoholkonsum und ein paar Sachen ich will nicht mehr
leben oder so, das sind dann Punkte, wo schon viel passieren kann.
283
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
47 - 53
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
I: Ich habe in diesem Zusammenhang diese Kinder und Jugendlichen als besonders schwierig
bezeichnet. Welche Kinder und Jugendlichen würden Sie als besonders schwierig oder als
Problemfälle bezeichnen?
„Persönlich?“
I: Ja.
„Drogenabhängige.”
Dazu ist zu sagen, dass Sucht laut Durchführungsverordnung des Jugendwohlfahrtsgesetzes
ohnehin
ein
Ausschlussgrund
bzw.
ein
Grund
der
Nicht-
Aufnahme
in
stationäre
Jugendwohlfahrtseinrichtungen ist. Hier scheint sich die Jugendwohlfahrt sehr vor dieser
Problematik zu verschließen. Es gibt keine Einrichtungen für Jugendliche Drogenabhängige. Das
heißt, in den Drogenentwöhnungseinrichtungen werden Jugendliche ab 16 gemeinsam mit
Erwachsenen betreut. Für Jugendliche Süchtige unter 16 Jahren gibt es in der Steiermark keine
eigene Einrichtung.
Andere Professionelle beschreiben, wie bereits erwähnt, besonders schwierige Jugendliche
unabhängig von Diagnosen, in Bezug auf die Umstände, die diese begleiten. Für einige sind
schwierige Kinder und Jugendlichen vor allem in Bezug auf das Elternhaus zu beschreiben, vor
allem, wenn dieses unkooperativ, zu überbehütend und ängstlich ist oder aber auch den Kindern
keine Grenzen gesetzt hat.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
55 - 57
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
„Ja ich persönlich empfinde die als besonders schwierig, wo das
Elternhaus überhaupt nicht zu
Kooperationen bereit ist. Weil ich finde, dass die Schwierigkeit nicht von der Diagnose des
Jugendlichen abhängt sondern von der Mitarbeit der Eltern, ob es da überhaupt jemanden gibt, in
welchem Zustand die sind, ob die gegen die Einrichtung arbeiten oder mit uns gehen. Ich würde das
überhaupt nicht von einer Diagnose abhängig machen.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
49 - 49
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
„Welche Jugendlichen, ahm, das ist jetzt schwierig, die kann man nicht in einen Topf werfen, aber
ich hätte einmal gesagt, ahm, Jugendliche die aus sehr schwierigen Verhältnissen kommen von zu
Hause und die niemals gelernt haben, Struktur und einen Rhythmus einzuhalten, die keine Grenzen
erfahren haben und keine Klarheit erfahren haben. Also das ist jetzt meiner persönliche Meinung
nach, das was sicher langfristig am schwierigsten ist.“
284
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Andere beschreiben die Schwierigkeiten im Hinblick auf die Beziehungsebene und meinen, dass
besonders schwierige Kinder und Jugendliche, jene sind, die nicht zu motivieren sind und zu denen
sich kein persönlicher Zugang auf der Beziehungsebene finden lässt.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
39 - 39
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
„Ich denke mir, Jugendliche, die schwer motivierbar sind. Also, die selber absolut nicht wollen, in
eine Einrichtung zu kommen, die von vornherein verweigern und mehr oder weniger aufgrund eines
Helferteams oder weil sich Erwachsene das gut vorstellen können da sind, und keine Mitarbeit
zeigen, dann ist das ganz schwierig in irgendeine Richtung zu gehen.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
37 - 39
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
I: Welche Kinder und Jugendlichen würdest du aus deiner Erfahrung als besonders schwierig
bezeichnen?
„Jugendliche, zu denen ich keinen Zugang bekomme, bzw. die sich verwehren (Störung), also da tue
ich mir persönlich mir am schwierigsten, ah, wenn man keine Beziehung aufbauen kann, und nicht
in Kontakt treten kann, also die sich entweder, entweder ganz verschließen, zurückziehen, oder
eben, wo ein, ein…die einzige Antwort, die man kriegt vielleicht ein Geplärre mit „Angeschissener
lass mich in Ruhe oder so" (lacht) ist. Also das ist, wenn einfach, wenn nichts da ist, oder so. Das
ist sehr problematisch für mich.”
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
40 - 40
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
„Ja die einfach verweigern. Wo…also wo es schwierig ist, überhaupt Kontakt aufzunehmen,
dann…dass man sie überhaupt erreicht, weil sie einfach nur verweigern.“
In einem Interview wurden jene Kinder und Jugendlichen als besonders schwierig beschrieben, die
die Schule verweigern. Dies scheint zum Zeitpunkt des Interviews gerade ein aktuelles Thema in
dieser Wohngemeinschaft gewesen zu sein.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
47 - 48
Code: Grenzfälle\Definition-besonders schwierige Kinder und Jugendliche
I: O.K. Welche Jugendlichen, würden Sie Ihrer Erfahrung nach als besonders schwierig, oder als
Problemfälle bezeichnen?
„Ja, wir in der WG haben jetzt das Probleme eben mit der Schule und den Schulschwänzern. Also
das ist ganz schwierig, dem gegen zu lenken, weil es gibt keine Konsequenz, die wirklich den
Schüler in die Schule bewegen kann. (…)
Bei den Lehrstellensuchenden haben wir nicht so das Problem….also die sind dann schon alt
genug, die sind reflektierter, mit denen kann man auch verbal gut arbeiten und da braucht es auch
nicht sehr viel Konsequenzen, weil man ihnen verdeutlichen kann, dass sie, ahm, dass es ihr…ihre
Karriere ist. Und beim Schüler ist es schwer zu sagen, ja wenn du die Schule nicht schaffst, dann
hast du weniger Chancen am Arbeitsmarkt, weil bei dem ist das viel weiter weg, eigentlich.“
285
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Fachkräfte Problemfälle oder besonders
schwierige Kinder und Jugendliche sehr individuell und im Hinblick auf unterschiedliche Aspekte
beschreiben. Auffallend ist jedoch, dass von den LeiterInnen von 2 Einrichtungen mit häufigem
Kontakt zur KJP, Problemfälle auch im Hinblick auf psychiatrische Diagnosen beschrieben wurden.
Dies könnte darauf hinweisen, dass in diesen Einrichtungen schwieriges Verhalten auch eher als
krankhaft interpretiert wird.
Die Dokumentenanalyse hat ergeben, dass ein häufiger Einweisungsgrund von Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt in die KJP Gewalttätigkeiten sind. Auffallenderweise wurden besonders
schwierige Kinder und Jugendliche jedoch nur selten auch dahingehend beschrieben. Sehr oft steht
bei den Beschreibungen die Beziehungsproblematik und der Zugang, bzw. die Motivation und
Kooperation im Vordergrund.
286
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.2.2.3
Grenzfälle
Hier erscheint es von besonderer Bedeutung, wie viele der betreuten Kinder und Jugendlichen in
den befragten 7 Einrichtungen psychiatrische Diagnosen aufweisen und ob hier ein Unterschied zu
den Einrichtungen besteht, die im Jahr 2006 mehr Kontakt zur kinder- und jugendpsychiatrischen
Abteilung der Landesnervenklinik Sigmund Freud hatten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist jener der Unterstützungsleistungen. Besonders bei Kindern und
Jugendlichen, die ständig an oder über die Grenzen gehen ist es wichtig, dass die
Jugendwohlfahrtseinrichtungen Unterstützungsmöglichkeiten finden, um auch diese schwierigen
Fälle halten zu können.
Ein Merkmal von Grenzfällen ist es, dass diese auch ständig an oder über die Grenzen gehen und
die Fachkräfte an ihre Grenzen bringen. In diesem Zusammenhang erwies sich in den Interviews
besonders interessant, wie mit diesen Grenzüberschreitungen in den einzelnen Einrichtungen
umgegangen wird, und welche Einstellungen die Fachkräfte diesbezüglich haben.
Hier gibt es zwei klare Positionen, die einen, die sagen, es sei normal, dass diese Kinder und
Jugendlichen ständig an die Grenzen gehen und dass dies auch Teil einer normalen Entwicklung
sei. Von besonderer Bedeutung wäre es allerdings, an den Grenzen festzuhalten. Besonders diese
schwierigen Kinder und Jugendlichen würden viel Struktur und Kontinuität benötigen und würden
es auch brauchen, an Grenzen zu stoßen. Diese Ansicht wird durch die folgenden Zitate deutlich.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
63 - 63
Code: Grenzfälle
„Also ich würde sagen, da im B. gehen die Jugendlichen ständig an die Grenzen. Für mich hat das
aber auch sehr viel mit ihrer Entwicklung zu tun, also immer, wenn sie sich da ein bisschen sicherer
fühlen, probieren sie wieder aus, wo die nächste Grenze ist oder ob die Grenze wohl hält wie es
gerade ist. Ich glaube dass das anstrengende ist, wahrscheinlich auch in der Arbeit da ist, dieses
ständige, dieses oftmalige Grenzen fordern und an die Grenzen rennen eigentlich. Das ist immer
eigentlich- ganz oft. Und wie wir mit ihnen umgegangen, ganz viele Konsequenzen werden gesetzt
und es wird sehr viel reguliert dadurch. Also wir schauen immer, dass wir das regulieren. Wir
haben einen der hat gerade viel Wut, wie kann man die Wut regulieren, oder will ich einfach einmal
spüren es gibt jemanden für mich, soll man dem mehr Zuwendung geben- da machen wir uns ganz
viele Gedanken und das wir dann auch besprochen.“
287
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
51 - 52
Code: Grenzfälle
I: Wie gehen Sie so mit Jugendlichen um, die immer an die Grenzen gehen, beziehungsweise die
Grenzen zu sprengen scheinen?
„Ja, die Grenzen einfach weiter festhalten. Also nicht aufweichen lassen durch Aktionen vom
Jugendlichen, einfach ganz strikt sein…eben Aufrechterhalten der Regeln, weil das braucht ein…er
soll drüber gehen teilweise, das ist seine Aufgabe als Jugendlicher, aber die, die Grenzen dürfen
einfach nicht wackeln. Das heißt man muss sie immer wieder darauf hinweisen und sagen, okay, da
ist die Grenze mit unterschiedlichen Methoden und…und dass er einfach merkt, er ist da jetzt an
einer Grenze, er will auch drüber, aber dass die ja nicht einbricht. Es ist ganz wichtig,
ja….Konsequenz zu zeigen. Ist oft schwierig eben bei Turnusdiensten eben wie wir haben, dass man
das dann auch übergibt. Weil der eine hat doch einen anderen Stil, als der andere und dass man
halt das wirklich lückenlos übergibt…der war dort und da und hier ist er abzuholen und das muss
man halt dann sehr klar kommunizieren auch den Kollegen gegenüber, dass das wirklich eine
Kontinuität hat.“
Ein anderer Standpunkt ist ebenfalls sehr deutlich. Einige Fachkräfte sind der Meinung, dass es
einen vorgegebenen Rahmen gibt, innerhalb dessen man auch in einer gewissen Weise flexibel sein
kann, wenn sich jemand allerdings ständig außerhalb dieses Rahmens bewegt, ist er für diese
Einrichtung nicht mehr tragbar. Diese Position soll durch die folgenden Statements deutlich werden.
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
46 - 47
Code: Grenzfälle
I: Wie wird mit Jugendlichen umgegangen, die ständig an oder über die Grenzen gehen?
„Ahm, kommt auf die Häufigkeit drauf an. Wir haben einen klaren Rahmen, der Rahmen da kann
man herumspringen ist ganz klar, aber wenn jemand immer über die Grenzen geht ist er einfach
nicht tragbar in der WG. Ja.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
42 - 43
Code: Grenzfälle
I: Wie wird mit Kindern- und Jugendlichen umgegangen, die so an die Grenzen gehen, oder den
Rahmen zu sprengen scheinen?
“Es wird im Vorfeld mit den Jugendlichen einmal gesprochen und das aufgezeigt auch, danach
gibt es meistens eh schon ein Helferteam auch. Dort wird versucht kreative Lösungen zu finden.
Und meistens auch schon vertraglich mit dem Jugendlichen ein Plan erstellt und probiert dann das
gut einzuhalten. Und auch zu schauen, wo kann man Hilfestellungen geben, wo gibt es allerdings
auch Grenzen für den Jugendlichen und probiert, mit dem irgendwie die abzufangen und
umzugehen, allerdings auch, wenn alles durchprobiert ist, auch dem die Grenze zu setzen, es geht
nicht.“
Es wird also versucht die Grenzen zu wahren, jedoch auch in einer gewissen Weise flexibel zu sein.
Besonders
wichtig
ist
es
an
dieser
Stelle
anzumerken,
dass
viele
stationäre
Jugendwohlfahrtseinrichtungen auch von ihrem Recht Gebrauch machen, sich von Kindern und
288
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Jugendlichen wieder zu verabschieden. Hier scheint die Grenze, wann es zu einer Verabschiedung
kommt sehr unterschiedlich zu sein. Unbestritten sei, dass der Umgang mit diesen Kindern und
Jugendlichen teilweise sehr schwierig ist und Fachleute auch selbst an ihre Grenzen bringt.
Trotzdem gibt es keine eindeutigen Kriterien, wann Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen
entlassen werden. Im Endeffekt ist es ja so, dass diese meist genau aus den Gründen, aus denen eine
Fremdunterbringung notwendig wurde, auch wieder aus dieser entlassen werden, wenn sie sich gar
nicht an die Strukturen anpassen können. Dies ist dann wiederum mit einem Beziehungsabbruch
verbunden sowie auch mit der Bestätigung, dass man ja ohnehin „nichts auf die Reihe bekommen“
würde. Vielleicht ist es ja gerade für diese besonders schwierigen Kinder und Jugendliche eine
Überforderung, wenn wir von ihnen verlangen, dass sie in unsere Konzepte passen. Wie öfter
erwähnt braucht es hier wahrscheinlich eigene Konzepte und Strukturen, die diese Kinder und
Jugendlichen halten können.
Wie schon mehrmals erwähnt, gibt es Einrichtungen, die weniger Kontakt zur KJP haben, und
Einrichtungen, mit denen ein häufigerer Kontakt durch mehr gemeinsame Fälle besteht. In den
Interviews sollte herausgefunden werden, ob dies eventuell daran liegt, dass jene Einrichtungen, mit
denen weniger Kontakt besteht, auch weniger Kinder und Jugendliche mit psychiatrischen
Diagnosen betreuen. An dieser Stelle sollen die Einrichtungen kurz in Bezug auf diese Zahlen, die
in den Interviews abgefragt wurden, verglichen werden.
In Hinsicht auf die Diagnosen zeigt sich durch die Interviews, dass in allen befragten Einrichtungen
auch Kinder und Jugendliche mit psychiatrischen Diagnosen betreut werden. Hier kann man nicht
sagen, dass jene Einrichtungen, mit denen häufigerer Kontakt besteht, auch mehr Kinder und
Jugendliche mit psychiatrischen Diagnosen betreuen. Manche Wohngemeinschaften jedoch schauen
schon bei der Aufnahme darauf, dass nicht mehr als 2 Kinder und Jugendliche mit psychiatrischen
Diagnosen in einer Gruppe sind. An dieser Stelle ist anzumerken, dass eine psychiatrische Diagnose
ja nicht immer vor der Aufnahme schon bekannt sein muss.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
88 - 89
Code: Grenzfälle\Zahlen\psychiatrische Diagnose
I: Wie viele Kinder und Jugendliche mit psychiatrischer Diagnose betreuen Sie?
„2 pro Wohngruppe. Im B sind es ein bisschen mehr.“
289
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
81 - 83
Code: Grenzfälle\Zahlen\psychiatrische oder therapeutische Hilfe
I: Wenn sie eine Schätzung abgeben würden, wie viele Prozent der Kinder und Jugendlichen, die sie
betreuen bräuchten noch zusätzliche psychiatrische Betreuung oder Behandlung?
„Ja, wir habe eine Richtlinie, dass wir von acht Kindern und Jugendlichen pro Wohngruppe nicht
mehr als zwei nehmen können.“
Ebenso werden in allen befragten Einrichtungen Kinder und Jugendliche betreut, die noch
zusätzliche therapeutische oder psychiatrische Hilfe benötigen. Für viele Kinder und Jugendliche
sind ambulante bzw. teilstationäre psychiatrische Hilfen ausreichend. In einem Interview wurde an
dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass ein Ausbau teilstationärer Plätze notwendig sein würde.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
111 - 112
Code: Grenzfälle\Zahlen\psychiatrische oder therapeutische Hilfe
I: Und für wie viele sind ambulante Hilfen ausreichend, und wie viele brauchen, oder bräuchten
stationäre, oder teilstationäre Hilfen?
„Kann ich jetzt schwer sagen, wobei was ich merke ist, dass ah, die teilstationären Plätze eher
gebraucht werden. Ich meine schon die stationären auch, aber da wäre es gut, wenn es mehr Plätze
geben würde.“
Auffallend in den Interviews ist jedoch, dass die Informationen auch von Person zu Person
unterschiedlich sind, auch wenn 2 Personen aus derselben Einrichtung befragt wurden. So wurden
von 2 Personen aus einer Einrichtung mit weniger Kontakt zur KJP unterschiedliche Auskünfte
über die Notwendigkeit psychiatrischer Behandlungen der Kinder und Jugendlichen gegeben. Eine
Person war der Meinung, dass keines der betreuten Kinder und Jugendlichen zusätzliche
psychiatrische Hilfe benötigen würde, während die andere befragte Person von 2 Jugendlichen
spricht, die psychiatrische Hilfen benötigen würden.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
80 - 82
Code: Grenzfälle\Zahlen\psychiatrische oder therapeutische Hilfe
I: Wie viele Kinder- und Jugendliche brauchen zusätzliche psychiatrische Hilfe von denen, die Sie
betreuen?
„Das sind zwei jetzt.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
90 - 91
Code: Grenzfälle\Zahlen\psychiatrische oder therapeutische Hilfe
I: psychiatrische.
„O.K. Ah…wie viele es jetzt von denen das zusätzlich brauchen? Würde ich sagen gar keiner.“
290
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Auch konnte die Frage nach der Zahl der betreuten Kinder und Jugendlichen mit psychiatrischen
Diagnosen nicht von allen Befragten beantwortet werden. Daran lässt sich erkennen, dass vielleicht
nicht alle Professionellen auf psychiatrische Diagnosen Wert legen und sich eventuell auch gar
nicht dafür interessieren. Dies steht allerdings im Widerspruch zum Wunsch nach Abklärung und
Diagnostik. Hier stellt sich die Frage, ob das primäre Anliegen an die KJP wirklich die
psychiatrische Diagnostik ist, wenn dann gar nicht genau gewusst wird, wie viele Kinder und
Jugendliche, die betreut werden eine psychiatrische Diagnose haben.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
113 - 114
Code: Grenzfälle\Zahlen\psychiatrische Diagnose
I: Und wie viele haben eine psychiatrische Diagnose?
„Hab ich jetzt nicht so im Kopf genau.”
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
85 - 86
Code: Grenzfälle\Zahlen\psychiatrische Diagnose
I: Und wie viele haben eine psychiatrische Diagnose?
„Von einem kann ich es sagen, aber die weiteren weiß ich nicht.”
An dieser Stelle ist anzumerken, dass es wahrscheinlich auch für in der Jugendwohlfahrt Tätige
wichtig ist zu wissen, wenn Kinder und Jugendliche psychiatrische Diagnosen haben, zumal in den
Interviews immer wieder der Wunsch nach Abklärung geäußert wurde. Mit Sicherheit ist es für uns
PädagogInnen wichtig über die einzelnen Diagnosen Bescheid zu wissen, dennoch ist es auch von
Vorteil, wenn wir die Kinder und Jugendlichen unabhängig von Diagnosen mit einer
ressourcenorientierten Sichtweise sehen können.
Auch werden in allen Einrichtungen Kinder und Jugendliche betreut, die Psychopharmaka nehmen.
Hier kann ebenfalls nicht festgestellt werden, dass in jenen Einrichtungen mit häufigerem Kontakt
mehr Kinder und Jugendliche fremd untergebracht sind, die Psychopharmaka nehmen.
12.2.2.3.1
Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
Nachdem in den Interviews häufig der Wunsch nach einer ausführlichen psychiatrischen Abklärung
genannt wurde, stellt sich die Frage, wie dann im pädagogischen Alltag mit psychiatrischen
Diagnosen umgegangen wird.
Wie schon im vorigen Kapitel beschrieben, wissen einige Fachleute gar nicht genau darüber
Bescheid, wie viele von ihnen betreute Kinder und Jugendliche eine psychiatrische Diagnose haben.
Dies steht im Widerspruch zum Wunsch nach Abklärung und stellt auch die Sinnhaftigkeit einer
psychiatrischen Diagnostik in Frage.
291
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Wirklich sinnvoll erscheint eine ausführliche Diagnostik ja nur dann, wenn mit dieser auch
gearbeitet wird. Darum wurde versucht durch die Interviews heraus zu finden, wie in den
stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen mit psychiatrischen Diagnosen umgegangen wird.
An dieser Stelle zeigt sich sehr deutlich, dass in jenen Einrichtungen mit weniger Kontakt zur KJP
psychiatrische Diagnosen auch nicht unbedingt eine Rolle spielen und als nebensächlich betrachtet
werden. Vor allem in Bezug auf den individuellen pädagogischen Umgang scheinen psychiatrische
Diagnosen keine unmittelbare Auswirkung zu haben.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
89 - 90
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
I: Hat eine psychiatrische Diagnose auch Auswirkungen auf Ihr eigenes pädagogisches Handeln?
„[lacht]. Nein.”
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
88 - 90
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
I: Welche Auswirkungen hat eine psychiatrische Diagnose auf Ihr eigenes pädagogisches Handeln
und ihre Überlegungen?
„Das ist sehr unterschiedlich…..(Pause)…nicht so wirklich würde ich sagen. (lacht)“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
45 - 46
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
„Also, gar keine, nein, also gerade im Jugendalter sage ich, sind psychiatrische Diagnosen für
mich ein bisschen, also ich sage einmal mit Vorsicht, um es nett auszudrücken, weil ich denke, dass
es da einfach massive Entwicklungspotenziale gibt, die gibt es auch im Erwachsenenalter, nur da
gibt es selten ausgefeilte Methoden. […]“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
71 - 71
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
„Nicht sehr viel, weil ich versuche, meinen Blick aufs Kind zu richten und, und weil ich denke mit
der Diagnose da verbinde ich schon ganz viel und das Kind hat vielleicht gar nicht so eine gute
Chance, ah, aus der Diagnose irgendwann einmal heraus zu kommen, gell. Und vielleicht macht
das auch einen Unterschied zwischen normalen Familien, und, oder normalen Kindern und weniger
normalen, dass die nicht normalen halt schon diagnostiziert sind.“
Hier lässt sich sehr deutlich erkennen, dass jene Einrichtungen mit weniger Kontakt zur KJP auch
weniger Wert auf psychiatrische Diagnostik legen und diese auch weniger in den pädagogischen
Alltag bzw. den pädagogischen Umgang mit einbeziehen.
292
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Im Gegensatz dazu, legen die Einrichtungen mit häufigerem Kontakt zur KJP auch eher Wert auf
psychiatrische Diagnosen und geben an, diese auch sehr stark in die pädagogische Arbeit mit
einzubeziehen.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
92 - 93
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
I: Wie wird in ihrer Einrichtung mit psychiatrischen Diagnosen umgegangen?
„Wir versuchen, dass wir diese Jugendlichen zur Psychotherapie bringen, dass sie die
Medikamente regelmäßig einnehmen. Wichtig ist auch der Kontakt und das Gespräch mit den
Eltern, weil sonst kommen die nach einem Wochenende zurück und haben keine Medikamente
genommen. Ganz wichtig für diese Kinder und Jugendlichen ist die Konformität, die Struktur und
die Regeln.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
110 - 111
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
„Oja. Also ich würde so sagen, je schwerwiegender die Diagnose ist, die sich dann hoffentlich ja
auch im Verhalten widerspiegelt oder im Leben und nicht einfach nur eine Diagnose ist, umso
strukturierter wird dem Kind der Tag gestaltet. Also die kriegen dann einen genauen Tagesablauf,
der wird auf die Türe gehängt und so weiter.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
117 - 118
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
I: Mhm. Und wie wird so grundsätzlich mit einer psychiatrischen Diagnose umgegangen, wenn es
eine gibt?
„Kommt darauf an, es wird schon den Diagnosen entsprechend gehandelt, das heißt, wenn jemand
eine Depression hat, ah, dann wissen wir darüber Bescheid, und dann kommt es natürlich darauf
an, welche wir vom LSF gesagt kriegen oder so psychiatrisch entsprechend richten wir die
Hilfeplanung aus. Oder, ah, wenn jemand eher psychotische Zustände hat, ist es auch gut zu
wissen, ah, weil wir einsteigen können, oder es ist manchmal auch gut, wenn jemand einen
Autismus hat, kann man dann auch spezielle Methoden, eine spezielle Methodik anwenden. Also
eher dahingehend, ah, dass es uns leichter fallt dann da Hilfeplanungen zu erstellen.“
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
85 - 86
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
I: Welche Auswirkungen hat eine psychiatrische Diagnose auf Ihr eigenes pädagogisches Handeln?
„Eine große, weil wir auf das aufbauen, und dadurch die Zielsetzungen sind, dadurch auch sehen,
wo die Schwachstellen sind, wie man mit dem arbeitet, ob man, wenn er zum Beispiel auszuckt,
eben in Ruhe lasst, ob Enge wichtig ist, ob eher Freiraum ist, wie, ganz klar.“
Im Umgang mit psychiatrischen Diagnosen ist ein sehr starker Unterschied zwischen stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen mit häufigerem und jenen mit weniger Kontakt zur KJP zu
erkennen. An dieser Stelle ist auf den Labeling- Approach, der im Literaturteil im Zusammenhang
mit der Frage nach Erziehungsbedürftigkeit oder psychischer Krankheit, beschrieben wurde,
verwiesen. Es scheint hier wirklich davon abhängig zu sein, welchen Blick Fachleute auf ein
293
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
bestimmtes Verhalten haben. In Zusammenhang mit der Kooperation kann hier eindeutig
festgestellt werden, dass jene Einrichtungen, die psychiatrische Diagnosen als nebensächlich
ansehen auch weniger häufig mit der KJP zusammen arbeiten. Wenn man ein bestimmtes Verhalten
nicht pathologisiert, scheint eine Zusammenarbeit bzw. auch eine Diagnostik nicht notwendig zu
sein.
Die Inhalte des Labeling- Approachs wurden auch in einem Interview in Bezug auf den Umgang
mit psychiatrischen Diagnosen anhand eines aussagekräftigen Beispiels angesprochen:
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
161 - 161
Code: Grenzfälle\Umgang mit psychiatrischen Diagnosen
„Die Frage ist wirklich, der Medikation, wirklich die, ob ich schon einmal dort war. Zum Beispiel
jetzt, eine lustige Geschichte beim Abendessen, ein Jugendlicher sagt, ja er ist psychisch krank und
die andere sagt…also weil da ist es um irgendetwas gegangen wegen, der nimmt auch
Medikamente…und die andere Jugendliche sagt…ich meine das ist ja- DU! (lacht)…ich meine ICH
ja, aber DU! Dann hab ich gesagt, du warst nur noch nie bei einem Arzt (lacht). Weil ich meine da
gibt es natürlich, ich meine eine Diagnose gibt's jetzt bei ihr in dem Fall nicht, aber auch so das im
kompletten Jenseits sein…ja, das hat sie…wo ich sag Hallo! - das haben wir bei ihr ganz massivund sie selber sieht das. Also das ist manchmal komplett unlogisch (…)“
Klar ist, dass wir es in stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen immer auch mit auffälligen
Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Inwieweit in diesen Fällen auch ein Kinder- und
Jugendpsychiater zu Rate gezogen wird, ist zu einem großen Teil auch von der subjektiven
Einschätzung der Professionellen abhängig. Mit Sicherheit aber wird meistens dann eine andere
Einrichtung als Unterstzützung notwendig, wenn es zu irgendwelchen Krisen kommt, die in der
Einrichtung nicht mehr bewältigt werden können. Hier stellt sich die Frage, inwieweit man nicht
präventiv schon Schritte unternehmen sollte, damit es in Krisensituationen nicht dazu kommt, dass
Kinder und Jugendliche von einer Einrichtung in die andere transferiert werden müssen. An dieser
Stelle muss jedoch erwähnt werden, dass mit Sicherheit auch nicht alle Krisen in den stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt abgefangen werden können. Dennoch müssten wir vielleicht die
Strukturen so verändern, dass mehr möglich wird.
294
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.2.2.3.2
Unterstützung
Besonders wenn die Rede von besonders schwierigen Kindern und Jugendliche ist stellt sich die
Frage, in welcher Weise die einzelnen Einrichtungen Unterstützung von außen bzw. auch intern
erfahren.
Als interne Unterstützung wurde in den Interviews immer das eigene Team bzw. die Supervision
genannt. Für viele Einrichtungen ist auch das Helfersystem primärer Ansprechpartner bei
Problemen.
Als Unterstützung von außen wurde wie bereits angenommen einzig das LSF genannt. Außer dieser
Einrichtung gibt es von außen sehr wenig Unterstützung für stationäre Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt: So kommt es manchmal auch dazu, dass die KJP für Probleme einspringen muss,
die primär gar keine psychiatrische Behandlung erfordern würden.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
57 - 59
Code: Grenzfälle\Unterstützungs-angebote, -möglichkeiten\extern
I: Wer sind so Ihre Hauptansprechpartner, wenn sie so das Gefühl haben, mit diesem Jugendlichen
komme ich nicht weiter oder der ist besonders schwierig für uns?
„Unsere Ansprechpartner- ist also für mich das LSF- und Psychiater, also so, aber es gibt ganz
wenige Kinderpsychiater, gell. Drum kenn ich mich gar nicht so aus.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
73 - 73
Code: Grenzfälle\Unterstützungs-angebote, -möglichkeiten\extern
„Wenn das gesamte Team keinen Rat mehr weiß….Für mich gibt's die Möglichkeit über
Fallsupervision, beziehungsweise es kann auch, die die… wenn es in Richtung psychisches Problem
geht, kann es auch ein Psychiater oder die Psychiatrie sein. Das eher über externe Fachleute.“
Besonders wichtig ist an dieser Stelle anzumerken, dass in den Interviews explizit nach der
entlastenden Wirkung der KJP für die einzelnen Einrichtungen gefragt wurde. In allen Interviews
wurde deutlich, dass die KJP eine entlastende Funktion für die Einrichtungen hat.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
78 - 78
Code: Grenzfälle\Gründe für Überweisung
„Entlastende Funktion, also bei denen die wir jetzt immer gehabt haben ist sicher für die Gruppe
eine Entlastung, es war auch in einem speziellen Fall so, dass es für die ganze WG eine Entlastung
war, für das Team eine Entlastung war. Bei dem Jugendlichen war es schon so, dass wir gesagt
haben entweder Ausschluss aus der WG, weil es gibt einfach zu viele Vorfälle, zu viele brutale
Vorfälle, wo wir sagen haben müssen, wir können die anderen Kinder nicht mehr schützen, wir
können auch den nicht mehr schützen, ja, Entlastung ja ist es sicher auch, wobei ich sagen muss,
das wird in der WG dann natürlich auch in dem Sinn weiter gearbeitet, es wird im Team weiter
295
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
gearbeitet, es wird in Fallbesprechungen weiter gearbeitet. Das Kind ist dann, wenn es weg ist,
mehr Thema, als alle anderen Kinder, die da sind. Also von dem her, aber wie gesagt, wenn sich die
Vorfälle häufen, ist es sicher angenehm, wenn das Kind einmal eine Zeit lang nicht in der WG ist,
einfach dass sich die Gruppe einmal akklimatisieren kann.(…)“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
122 - 123
Code: Grenzfälle\Gründe für Überweisung
I: Von anderen Einrichtungen habe ich erfahren, dass die KJP manchmal eine entlastende Funktion
hat. Wie ist das für Ihre Einrichtung?
„Also, weil das der Platz auch ist, wo man wirklich hingibt, wenn man nicht weiß, was man tun soll
und natürlich ist das immer entlastend weil selbst-, massiv selbst oder fremdgefährdende
Jugendliche , stehen ja unter einem ganz einem hohen Spannungspegel und es ist immer entlastend,
wenn die einmal weg sind.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
104 - 105
Code: Grenzfälle\Gründe für Überweisung
I: Von anderen Einrichtungen habe ich erfahren, dass die KJP immer wieder auch eine entlastende
Wirkung hat. Wie sehen Sie das?
„Absolut, ja. Also ich merke schon, dass in den meisten Fällen, wenn einfach dann eine stationäre
Unterbringung war, dass der Jugendliche schon wieder anders bei uns ankommt. Und es ist für die
Zeit, wo Jugendliche dort sind, ist es sicher absolut deeskalierend auch, weil wenn dann hat es eben
zwischen Bewohnern wirklich einen massiveren Crash gegeben oder der Jugendliche hat eben mit
sich selber gerade so eine Krise, dass es absolut entlastend ist in der Phase. Weil eben…ja, das bei
9 Jugendlichen einfach ohne ärztliche Betreuung dann oft einfach nicht geht und das ist natürlich
schon ja.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
91 - 92
Code: Grenzfälle\Gründe für Überweisung
I: Von anderen Einrichtungen habe ich erfahren, dass die KJP manchmal eine entlastende Funktion
hat, wie siehst du das?
„Natürlich ist das entlastend, wenn man weiß, man ist in gewissen Situationen, gibt es, gibt's noch
einen Platz, wo professionellere Hilfe, ah, wo ich nicht mehr weiß, mit meinem Latein am Ende bin,
beziehungsweise, wenn es gerade einen aktuellen massiven Fall gibt, wo ich weiß dass da
Professionalisten sind, sie dort hinzuschicken, dass sie dem Jugendlichen, oder der Jugendlichen
weiterhelfen können, ist natürlich entlastend.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
94 - 94
Code: Grenzfälle\Gründe für Überweisung
„Naja, wenn man auffällige Kinder unterbringen kann, dann ist das natürlich eine Entlastung. Das
kann ich mir schon vorstellen, dass das entlastend wirkt [lacht].“
Hier kann man deutlich erkennen, dass die KJP oftmals eine Unterstützung ist, vor allem in
Situationen, in denen man in den Einrichtungen nicht mehr weiter weiß, bzw. in denen die
Einrichtungen bzw. auch die Professionellen an ihre Grenzen stoßen. An dieser Stelle stellt sich
jedoch eindeutig die Frage, ob es eine Aufgabe der KJP ist, eine Entlastung für stationäre
296
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Jugendwohlfahrtseinrichtungen zu sein. Braucht es hier wirklich eine hochqualifizierte Einrichtung
wie die Kinder und Jugendpsychiatrie oder wird sie hier für Dinge benützt, die die Jugendwohlfahrt
nicht zu leisten im Stande ist? Klar ist, dass die KJP immer dann verantwortlich wird, wenn es sich
um Selbst- oder Fremdgefährdung handelt. Wobei hier auch angemerkt werden soll, dass die
Beurteilung selbst- und fremdgefährdenden Verhaltens ebenfalls sehr subjektiv ist. Gründe für die
Überweisung besonders schwieriger Kinder und Jugendlicher wurden ebenfalls durch die
Interviews erhoben und sollen im folgenden Kapitel kurz dargestellt werden.
12.2.2.3.3
Gründe für die Überweisung
Da durch die Dokumentenanalyse deutlich wurde, dass sehr viele Kinder und Jugendliche aus
Einrichtungen aufgrund von Gewalttätigkeiten in die KJP eingeliefert werden, wurde versucht
durch die Interviews zu erfragen, was die Gründe für eine Überweisung in die KJP sein können.
Hier wurde von nahezu allen befragten Personen die Selbst- und/ oder Fremdgefährdung
angesprochen. Das heißt, zu einer akuten Einlieferung kommt es nur dann, wenn nach Einschätzung
der in den Einrichtungen tätigen Professionellen eine Selbst- und/ oder Fremdgefährdung vorliegt.
Hier passiert die Einweisung entweder über den Distriktsarzt mit Polizei und Rettung, oder aber,
man kann das Kind oder den Jugendlichen dazu überreden, sich in psychiatrische Behandlung zu
begeben. Obwohl durch die Dokumentenanalyse deutlich wurde, dass die Kinder und Jugendliche
aus stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen signifikant häufiger aufgrund von Gewalttätigkeiten
aufgenommen wurden, zeigte sich in Bezug auf die Aufnahme im geschützten Bereich keine
Signifikanz. Das heißt, hier muss die Selbst- oder Fremdgefährdung von den Ärzten eindeutig
anders beurteilt worden sein, als vom pädagogischen Personal. An dieser Stelle ist jedoch
anzumerken, dass die meisten Kinder und Jugendlichen, die z.B. in den Einrichtungen einen Raptus
haben bzw. gewalttätig werden, schon wieder ruhig sind, wenn sie auf die kinder- und
jugendpsychiatrische Station kommen. Aufgrund dessen werden diese dann vielleicht nicht mehr als
selbst- oder fremdgefährdet beurteilt. Oftmals handelt es sich hier um kurze Krisen, die vielleicht
schon abgeklungen sind, wenn das Kind oder der Jugendliche auf der Station ankommt. Wenn es
hier vielleicht die Möglichkeit und die Ressourcen innerhalb der Einrichtungen geben würde, damit
umzugehen, würden ständige Überweisungen aufgrund von expansiven Krisen eventuell reduziert
werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt in Bezug auf Gründe der Überweisung bezieht sich, wie bereits
mehrmals erwähnt wurde, auf den Wunsch nach psychiatrischer Diagnostik und Abklärung. Hier
zeigte sich aber durch die Dokumentenanalyse, dass Kinder und Jugendliche aus stationären
297
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Jugendwohlfahrtseinrichtungen weniger häufig mit der Bitte um Abklärung zur Aufnahme auf die
kinder- und jugendpsychiatrische Station kommen.
Es drängt sich die Frage auf, welche Rolle die entlastende Wirkung für die Wohngemeinschaften
bei der Überweisung von einer stationären Einrichtung der Jugendwohlfahrt in die KJP spielt.
12.2.2.3.4
Umgang mit schwierigen Situationen
Da durch die Dokumentenanalyse deutlich wurde, dass sehr viele Kinder und Jugendliche aus
Einrichtungen aufgrund von Gewalttätigkeiten und selbstverletzendem Verhalten zur Aufnahme in
die KJP kommen, wurden diese Situationen als schwierige Situationen eingestuft und explizit
danach gefragt, wie in den einzelnen Einrichtungen mit Gewalttätigkeiten und selbstverletzendem
Verhalten umgegangen wird.
In Bezug auf selbstverletzendes Verhalten gibt es in den einzelnen stationären Einrichtungen
unterschiedliche Einstellungen und Positionen. Die einen, die versuchen dieses immer ernst zu
nehmen und dementsprechend dann auch bei selbstverletzendem Verhalten, egal in welchem
Ausmaß, alle Schritte durchlaufen. Das heißt, gleich zum Arzt oder ins Krankenhaus zu fahren und
dann eventuell auch eine Einweisung ins LSF zu veranlassen.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
37 - 37
Code: Grenzfälle\Umgang mit selbstverletzendem Verhalten
„Ja also da haben wir vor kurzem ein Mädel gehabt auch, da schaut man meistens, dass man
großteils sich irgendetwas von außen auch bekommt. Sich die Sachen herzunehmen, die man
braucht. Auf alle Fälle ist da immer ein Therapieweg zu suchen. Und es gibt schon viele
Einweisungen. In Leoben war ein Mädchen auch, die sich ständig selbst geritzt hat eben mit
Borderline. Da schaut man dann auch, dass man klar sagt, für uns ist die erste Anlaufstelle gleich
das Krankenhaus ins LKH denke ich mir, sobald solche Vorfälle sind und die Kinder wissen das
auch großteils, die kennen die Wege und das verhindert manchmal auch, und wenn es dann nicht
geht, dann geht man eh ins Krankenhaus und dann kommt es dann meistens eh die Einweisung.
Wenn eben so etwas ist, dann müssen wir uns rechtlich auch ein bisschen absichern in diese
Richtung. Weil wenn da wirklich etwas ist…”
Die andere Position sagt, dass selbstverletzendes Verhalten an sich noch kein Grund für eine
Einweisung ins LSF ist und dieses auch mit pädagogischen Mitteln zu bearbeiten ist.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
124 - 124
Code: Grenzfälle\Umgang mit selbstverletzendem Verhalten
„Ah, zum Beispiel Selbstverletzungen. Wenn sich jemand ritzt, muss er nicht ins LSF sondern da
kann man mit anderen Methoden arbeiten. Erst wenn andere Dinge dazu kommen, oder wenn man
merkt, o.k. da braucht's mehr, dass man dann erst geht, aber nicht das Ritzen an und für sich.“
298
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Von vielen Einrichtungen wurde in Bezug auf selbstverletzendes Verhalten die Notwendigkeit einer
engen Kooperation mit dem LSF betont. Vor allem durch das folgende Zitat wird aber auch
deutlich, dass der Umgang mit selbstverletzendem Verhalten auch von der Erfahrung abhängt. In
diesem Statement wird betont, dass vor allem in den ersten Jahren die Zusammenarbeit mit der KJP
in Bezug auf selbstverletzendes Verhalten wichtig war, da man dadurch erfahren hat, wie in diesen
Situationen umzugehen ist:
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
57 - 57
Code: Grenzfälle\Umgang mit selbstverletzendem Verhalten
„Haben wir zur Zeit nicht wirklich als Thema in der WG, aber haben wir natürlich stark gehabt.
Da war immer eine enge Kooperation mit dem LSF, also mit den zuständigen Therapeuten und
Ärzten, die einfach die, bei uns ein klassisch weibliches Phänomen muss ich dazu sagen, deshalb
die Jugendliche. Ah, da hat sich eine enge Zusammenarbeit ergeben, und da hat man genau
geschaut, wie sollen wir damit umgehen, das war vor allem im ersten Jahr, da haben wir noch nicht
so viel Erfahrung gehabt und da war einfach wichtig zu hören, okay vielleicht eben so oder so
agieren, so oder so benehmen und wenn es wirklich ernst ist dann so und bis wann ist es ernst. Also
da haben wir wirklich eng mit dem LSF auch zusammen gearbeitet.“
Auch durch ein weiteres Zitat aus einem Interview mit einer VertreterIn aus einer anderen
Einrichtung wurde deutlich, dass der Umgang mit selbstverletzendem Verhalten von der Erfahrung
abhängt. Dieses würde einen vielleicht am Anfang schockieren, aber mit der Erfahrung kann man
dieses Verhalten auch differenzierter betrachten.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
54 - 54
Code: Grenzfälle\Umgang mit selbstverletzendem Verhalten
„An sich sonst, ich meine klar, wenn Jugendliche ein massives autoaggressives Verhalten an den
Tag legen. Das schockiert einen am Anfang, ja ein bisschen…ja aber mittlerweile denke ich mir, ja,
wir sagen das auch ganz unemotional, wenn sie sich wirklich selbst gefährden, dann ist ganz klar,
dass sie in die Klinik kommen, ganz klar, weil wir übernehmen keine Verantwortung und…können
und dürfen wir nicht…und da brauchen wir gar nicht, da bin ich auch nicht beleidigt. Ich bin nur
beleidigt, wenn es in meinem Dings da….das Blut (lacht). Da sage ich immer bitte nicht in meinem
Ding…(lacht) ja, aber wir lassen uns nicht erpressen. Das versuchen immer wieder…also jetzt
haben wir gerade wieder eine kleine da, die versucht hat sich…aber das ist…also sag ich jetzt
einmal, wenn man noch nicht lange in dem Bereich arbeitet, dann ist man schockiert und so, aber
wenn man länger, dann denkt man sich…das sind alles so Spielchen, die sie spielen. (…)”
Der Umgang mit selbstverletzendem Verhalten ist in den einzelnen Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt sehr unterschiedlich. Die einen versuchen alles ernst zu nehmen und die
entsprechenden Schritte einzuleiten und die anderen, die versuchen dieses differenziert zu
betrachten und selbstverletzendes Verhalten in einzelnen Fällen auch ignorieren. Klar ist jedoch,
299
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
dass die Erfahrung mit selbstverletzendem Verhalten eine Rolle spielt und Sicherheit im Umgang
vermittelt.
Auch Gewalttätigkeiten und aggressives Verhalten bereiten immer wieder Schwierigkeiten.
Diesbezüglich wird die Kinder und Jugendpsychiatrie auch als Möglichkeit gesehen, mit diesen
Situationen umzugehen und das Kind oder den Jugendlichen für eine Zeit lang von der Gruppe zu
trennen. Viele Einrichtungen haben klare Regeln in Bezug auf Gewalt, die dann laut Aussagen der
interviewten Personen auch Konsequenzen nach sich ziehen. Diese Konsequenzen reichen bis hin
zu einer Suspendierung und dem Ausschluss aus der Einrichtung. In manchen Einrichtungen wurde
auch explizit die Möglichkeit der Einweisung in die Kinder und Jugendpsychiatrie angesprochen.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
54 - 55
Code: Grenzfälle\Umgang mit Gewalttätigkeiten
I: Wie wird so mit Gewalttätigkeiten umgegangen?
„Ja, ahm, von unserer Seite her gibt es für körperliche Gewaltattacken oder für schwere
körperliche Gewaltattacken gibt es ein Verwarnsystem, das heißt da gibt es einfach eine
Verwarnung, ahm, von der anderen Seite her die Möglichkeit einer Anzeige über das Spital oder
durch denjenigen den es selber betrifft, also das Opfer quasi. […]. Und für den Täter selber gibt es
eben eine Verwarnung beziehungsweise auch die Möglichkeit der Suspendierung oder eben das
LSF, dass man sie eben wirklich separiert für eine Zeit lang.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
35 - 35
Code: Grenzfälle\Umgang mit Gewalttätigkeiten
„Ja, also es gibt grundsätzlich eine kurze Hausregel bei uns in der WG, die wird jedem Kind wenn
es kommt auch schon vorgelegt und unterschrieben von dem Kind. Wo eben drinnen steht, dass
Gewalt absolutes Tabu sein sollte bei uns in der WG. […] Wie gesagt, es gibt dann Konsequenzen.
Ja, das ist an und für sich.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
82 - 82
Code: Grenzfälle\Umgang mit Gewalttätigkeiten
„Gut, in dem, in dem extremen Fall ist das so, dass der Jugendliche suspendiert wird von uns, ah,
wobei nicht einfach raus bei der Tür, sondern sehr viel im Vorlauf passiert ist. (…)“
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
48 - 49
Code: Grenzfälle\Umgang mit Gewalttätigkeiten
I: Wie wird mit Gewalttätigkeiten umgegangen?
„Genau das gleiche, es gibt einen Rahmen, es gibt Verwarnungen, ah, bei einem körperlichen
Übergriff auf einen Betreuer, oder, also sagen wir so einen schweren, nicht eine Rangelei oder so,
ist sofortiger Ausschluss. Also wirklich bei massiver Gewalt ist sofortiger Ausschluss.“
300
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Von einer Einrichtung, die weniger Kontakt zur KJP hatte, wurde sogar eine Situation
angesprochen, in der die KJP, beziehungsweise der geschützte Bereich der Abteilung eine
entlastende Wirkung in Bezug auf Gewalttätigkeiten für die Einrichtung hatte. In diesem
Zusammenhang wurde jedoch auch angesprochen, dass Gewalttätigkeiten in diesem Bereich nahezu
unvermeidbar sind und man sich auch ein Stück weit damit abfinden muss, dass diese dazu gehören,
auch wenn das nicht bedeutet, dass man diese tolerieren muss.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
46 - 47
Code: Grenzfälle\Umgang mit Gewalttätigkeiten
I: Wie wird mit Gewalttätigkeiten umgegangen?
„Ja, letztens die J. habe ich ins LSF gebracht, das war aber eher, ein Stück weit auch als Sanktion
gedacht und ich denke, das war aber auch hilfreich. Ah, sonst denke ich, Gewalt gehört ein Stück
weit bei uns dazu, zum Berufsbild, ich denke das muss auch den Mitarbeitern klar sein. Ah, aber
natürlich haben wir eine klare Haltung, Gewalt hat keinen Platz und trotzdem wissen wir, dass
Gewalt eigentlich nicht vermeidbar ist.“
Die Tatsache, dass Gewalttätigkeiten in stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt nicht
vermeidbar sind, ist ein sehr wichtiger Punkt, der vor allem auch in den sozialpädagogischen
Ausbildungen nicht ausgeklammert werden darf. An dieser Stelle ist zu betonen, dass diesbezüglich
vor allem die Selbsterfahrung und Selbstreflexion vermehrt in die Ausbildungen miteinbezogen
werden muss.
Vor allem auch wichtig an dieser Stelle anzumerken ist, dass es bei einer Einlieferung wegen
Gewalttätigkeiten auch um die persönlichen Grenzen der BetreuerInnen bzw. der Einrichtungen
geht. So wie bei selbstverletzendem Verhalten auch halten einige Gewalttätigkeiten länger aus, und
andere leiten sofort Schritte ein, die zu einer Einlieferung führen. Auch geht es wieder darum, ob
man dieses Verhalten pathologisiert oder in einer gewissen Weise auch als normal ansieht. Dies
wird auch durch das folgende Zitat deutlich.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
72 - 72
Code: Grenzfälle\Umgang mit Gewalttätigkeiten
„…wobei wir eher sehr viel Gewalt aushalten eigentlich und nicht schnell einliefern, wegen
Gewalttätigkeit. Das tun wir nicht. Also bei Selbstgefährdung ist es einfach total klar. Da kann ich
einfach nicht den Schutz gewähren. Also bei Fremdgefährdung da sind wir jetzt ein bisschen
vorsichtiger geworden. Da halten wir einiges aus und… ich meine da wäre es sinnvoller, sie
anzuzeigen und zu sagen, ins Gefängnis, aber nicht ins psychiatrische Krankenhaus, weil das sind
zwei verschiedene paar Schuhe. Also wir suspendieren die Jugendlichen dann in Fällen. Wir sagen,
o.k. das ist zu massiv gewesen…jetzt gehst du einmal ins Schlupfhaus, oder wieder heim. Und
überlegst die, ob du in der WG sein willst. Wenn du in der WG sein willst, musst du da einfach
versuchen dich zusammen zu reißen. Das geht einfach nicht, das kann man nicht aushalten.”
301
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
In dieser Aussage wird auch wieder die Annahme deutlich, dass die Kinder und Jugendlichen
freiwillig in einer stationären Einrichtung der Jugendwohlfahrt sind. Kritisch anzumerken ist
jedoch, dass die Kinder und Jugendlichen in jedem Fall in irgendeiner Weise loyal zu ihren Eltern
sind. Auch wenn es nicht offen ausgesprochen wird, aber welche Jugendliche möchte wirklich, egal
was in der Vergangenheit auch vorgefallen sein mag, getrennt von den Eltern leben? Die
Einstellung, dass ein Kind oder ein Jugendlicher zu Hause noch einmal nachdenken muss, ob er
oder sie wirklich in der Einrichtung sein möchte, könnte in Fällen dazu führen, dass ein Kind oder
ein(e) Jugendliche(r) erst recht das Problemverhalten zeigt, um nicht mehr in der
Wohngemeinschaft sein zu müssen. Wenn man es differenziert betrachtet, könnte man zu dem
Schluss gelangen, dass jede Fremdunterbringung in einer gewissen Weise auch einen
Zwangskontext darstellt. Einerseits für die Eltern, da diesen das Kind „weggenommen“ wird und
dieses wenn überhaupt, erst unter bestimmten Bedingungen wieder zurück nach Hause darf, und
andererseits für die Kinder und Jugendlichen, für die die Trennung von zu Hause unter allen
Umständen auch eine Belastung darstellt. In vielen Jugendwohlfahrtseinrichtungen wird der
Zwangskontext, mit dem letztlich auch gearbeitet werden muss, jedoch völlig ausgeklammert und
eine falsche Freiwilligkeit in den Vordergrund gerückt wird. Hier ist jedoch zu erwähnen, dass es
schon Konzepte gibt, die den Zwangskontext in stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt in
die tägliche Arbeit mit einbeziehen. Auch eine der befragten Einrichtungen, jene, die im
Erhebungszeitraum keinen Kontakt zur KJP hatte, arbeitet bereits nach einem speziellen Konzept,
das den Zwangskontext berücksichtigt.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Umgang mit schwierigen Situationen
einerseits sehr individuell ist, andererseits aber Richtlinien in den einzelnen Einrichtungen
vorhanden sind, die teilweise sehr radikal und klar sind. Wichtig ist diesbezüglich diese schwierigen
Situationen vor allem auch in die Ausbildungen einfließen zu lassen, sodass Fachkräfte zu einem
differenzierten und reflektierten Umgang befähigt werden.
12.2.2.3.5
Pinball Effekt
Wie bereits im Literaturteil beschrieben, wird als Pinball Effekt die dauernde Überweisung von
besonders schwierigen Kindern und Jugendlichen zwischen stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt und der KJP bezeichnet. Diesbezüglich wurde den Befragten aus Einrichtungen
mit häufigerem Kontakt die Frage gestellt was benötigt würde, um dieses zu verhindern. Jenen
Einrichtungen mit eher weniger Kontakt wurde die Frage gestellt, warum ihrer Meinung nach
manche Einrichtungen häufigeren Kontakt zur KJP haben und andere eher weniger.
302
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Diesbezüglich wurde vor allem von jenen Einrichtungen mit häufigerem Kontakt geäußert, dass ein
Konsiliarpsychiater hilfreich wäre, um einige Einweisungen verhindern zu können. Klar ist, dass
akute Krisen, vor allem wenn es um Selbstgefährdung geht, solange die strukturellen
Voraussetzungen gleich bleiben, vielleicht trotzdem nicht in den einzelnen Einrichtungen
abgefangen werden können. Dennoch könnten die Einweisungen nach den Einschätzungen der
Professionellen minimiert werden, wie durch die folgenden Aussagen verdeutlicht werden soll.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
114 - 115
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
„Nein, das ist ganz wichtig. Also ich würde sagen, ich glaub, es wird immer welche geben, die es
brauchen. Aber besser würde es durch einen Konsiliarpsychiater, dann wäre einmal das ambulante
weg und wenn der wahrscheinlich öfter käme, dass wir vielleicht schon ein bisschen mehr
stabilisieren, aber nicht alles. Also, ich bin mir sicher, dass ein paar trotzdem.”
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
94 - 95
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
I: Wie könnte ihrer Meinung nach die mehrmalige Überweisung von besonders schwierigen
Kindern und Jugendlichen zwischen ihrer Einrichtung und der KJP verhindert werden?
„Ich glaube, dass dazu ein Konsiliararzt sehr wichtig wäre, um den wir uns auch bemühen und
durch intensivere Betreuungsmöglichkeiten und durch mehr Kapazitäten.“
An dieser Stelle werden auch intensivere Betreuungsmöglichkeiten und mehr Kapazitäten als
Aspekte beschrieben, die wiederholende Überweisungen minimieren könnten. Diesbezüglich wird
noch ausführlich in Bezug auf die Ebene der Gesamtversorgung herausgestrichen, dass fehlende
Ressourcen in den Einrichtungen dazu führen, dass die KJP für besonders schwierige Kinder und
Jugendliche einspringen muss. Ebenfalls auf die Gesamtversorgung bezieht sich die Forderung nach
einer psychiatrischen Wohngemeinschaft durch die laut Aussagen der Befragten vielleicht ebenfalls
die wiederholende Überweisung minimiert werden könnte.
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
87 - 88
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
I: Wie könnte man Ihrer Meinung nach die wiederholende Überweisung von besonders schwierigen
Kindern und Jugendlichen zwischen der WG und der der Klinik minimieren oder vermeiden?
„Ich glaube, in der Steiermark fehlt so eine psychiatrische WG ganz klar, die für Borderliner, für
wirklich aggressive Jugendliche offen ist. Es gibt einfach nur pädagogische WGs,
sozialpädagogische die einfach einen vielleicht aufnehmen können und der zerlegt dann die WG oft
und ist einfach nicht haltbar. Und es braucht einfach eine Zwischeneinrichtung, weil das LSF ist
immer das letzte Stadium und dazwischen sollte es einfach eine psychiatrische WG geben, ganz
klar.“
303
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Von einer Befragten wurde der Pinball- Effekt sehr gut anhand eines Beispiels illustriert. In diesem
Fall wurde eine kurzzeitige Auszeit in der KJP als sehr hilfreich empfunden. Grundlegend ist
jedoch zu erwähnen, dass es in diesem Fall immer klar war, dass die Jugendliche auch von der
Einrichtung weiter betreut wird. Probleme in der Kooperation entstehen vor allem dann, wenn eine
Einrichtung das Gefühl hat, für die andere einspringen zu müssen, weil diese an ihre Grenzen
gelangt und dieses nicht offen angesprochen wird.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
68 - 69
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
„Ja, wir haben speziell eine gehabt das war
die B., die ist schon immer wieder an die Grenzen
gegangen ist und da war dann die Hilfe wirklich das LSF. Also immer wenn es gar nicht mehr
gegangen ist, dann ist sie für eine Nacht runter, sie hat das ihre Auszeit genannt, wir auch. Aber es
war eben auch eine Hilfe damit sie wieder ihre Grenze merkt. Das war sehr hilfreich. Und ich hab
irgendwann gesagt, es sollte immer zwei Nächte sein, weil sie ist sonst zu verwirrt. Wenn sie am
Abend hinunter und in der Früh wieder rauf also das war zu verwirrend, und das war das
Optimale. Und ich glaub das hat ganz viel mitgeholfen, dass die B. immer stabiler geworden ist.
Zwar auch mit Höhen und Tiefen, aber im Grunde doch stabiler geworden ist und vor allem auch
Zugang zu ihren Gefühlen schön langsam gekriegt hat. Und da haben wir auch die S. bei uns da,
die war jetzt schon länger nicht mehr, aber die wird auch, jetzt wieder einmal ambulant hingehen.
Weil es ja doch nicht alles so passt, aber das ist so die letzte Hilfe.“
Ebenfalls angesprochen wurde eine genaue psychiatrische Diagnostik, durch die nach Angaben der
Fachleute eine wiederholende Überweisung reduziert werden könnte.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
91 - 92
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
I: Es gibt ja immer wieder Fälle, die zwischen den WGs und der KJP hin und her überwiesen
werden. Wie glauben Sie kann das verhindert oder minimiert werden?
„Ah, durch genaues Hinschauen, durch genauere Diagnosen, was oft schwierig ist für die, für die
Ärzte, sag ich einmal, dass die sich wirklich festlegen wollen, gerade im psychischen Bereich ist es
schwierig, weil man dadurch halt viel Verantwortung auch übernimmt. Verstehe ich schon. Ein
Diagnostiksystem, das vielleicht ein bisschen fein…feinmaschiger gewebt ist würde da sicher
helfen.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
97 - 97
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
„Also bei akuten Krisen das kann man eh nicht ausschließen, also ich denke mir, da muss es eh
dann geschwind gehen. Meine Vision, wäre halt nur möglicherweise, wenn der Jugendliche schon
stationär ist, dass man ihn dann länger und genauer anschaut. Also wir haben es oft erlebt, dass
wir wirklich, ehm, eine Jugendliche in einem akuten Krisenfall einweisen haben lassen müssen und
sie war 3 Tage später wieder bei uns. Wo ich einfach finde, dass das nicht sinnvoll ist. Also ich
glaube, wenn es wirklich konkret auch um eine neuerliche Abklärung gehen soll zur Stabilisierung,
dass der Jugendliche auch wirklich herunter kommt, dann sind drei Tage meiner Meinung nach
304
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
einfach zu wenig. Und dann ist er wieder in dem Umfeld, wo es vorher einfach, ahm, wirklich einen
akuten Fall gegeben hat. Also ich glaube, dass man möglicherweise dieses viele hin- und her
schupfen durch eine längerfristige, gescheitere Abklärung einmal verhindern könnte,
möglicherweise.“
Hierzu ist angemerkt, was bereits im Kapitel Umgang mit psychiatrischen Diagnosen beschrieben
wurde, dass die Forderung nach einer ausführlichen psychiatrischen Diagnostik nur dann sinnvoll
erscheint, wenn diese auch in die pädagogische Arbeit mit einbezogen wird. Dies ist in einigen
Einrichtungen auch der Fall, wie durch das folgende Statement deutlich wird.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
72 - 72
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
„Wir schauen eigentlich soweit eh, dass es verhindert ist, dass man den Kindern viele Angebote
gibt auch in der näheren Umgebung, Therapie in Anspruch nimmt auch, wie gesagt die Betreuer
auf dem seine Bedürfnisse hin auch ein bisschen arbeiten, auch das Wissen einholt und eben auch
Fortbildungen macht. Ah, man schaut großteils eh, wenn es Akutsituationen sind nur, dass sie
runter kommen, das ganze verhindern… Ich denke mir, also ich weiß nicht ob es sich wirklich
verhindern lasst, ich glaube es nicht.“
Wichtig zu berücksichtigen ist auch, dass wir es hier mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben,
die nicht nur die Einrichtungen an ihre Grenzen bringen können, sondern die vielleicht auch ganz
bewusst herbeiführen wollen, dass sie in eine andere Einrichtung kommen. Dies muss immer auch
mit einbezogen werden.
Durch das folgende Zitat wird deutlich, dass der Austausch mit PsychiaterInnen ein sehr wichtiger
Bestandteil in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist, es jedoch nicht notwendigerweise
immer die Psychiatrie notwendig sein muss, wenn man sich als Einrichtung bzw. auch als
Professioneller den Umgang mit z.B. selbstverletzendem Verhalten zutraut.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
124 - 124
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
„[…] Dann ein anderer Punkt ist für mich, gewisse Jugendliche brauchen die Psychiatrie nicht,
wenn ah, von Seiten der Pädagogik mehr darauf reagiert wird. Ah, zum Beispiel Selbstverletzungen.
Wenn sich jemand ritzt, muss er nicht ins LSF sondern da kann man mit anderen Methoden
arbeiten. Erst wenn andere Dinge dazu kommen, oder wenn man merkt, o.k. da braucht's mehr,
dass man dann erst geht, aber nicht das Ritzen an und für sich. Das ist so das eine. Und wichtig ist
für mich immer der Austausch, wenn der Jugendliche in Behandlung geht und dann kann es
durchaus dann die Vereinbarungen geben, wenn der Jugendliche über andere Kanäle dort
auftaucht, zum Beispiel ritzen, wenn man nicht mehr so darauf einsteigt, dann geht man halt zum
Arzt, der Arzt verweist ins andere Krankenhaus, das andere Krankenhaus sieht Selbstverletzung
psychiatrisch- kommt dann auf die Psychiatrie und, ah, wenn man mit der Psychiatrie die
Vereinbarung hat, wenn nur dieses vorliegt bitte gleich wieder retour in die WG, dann kann man
sehr viel verhindern. Das andere ist, dass Jugendliche durchaus öfter Krisen haben können, vor
allem wenn es dann um Eigen- und Fremdgefährdung geht, wo einfach, ah, eine ärztliche
305
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Entscheidung gebraucht wird, ob ein Jugendlicher aufgenommen wird, oder nicht. Und manchmal
auch dankenswerter Weise das LSF dann einspringt für vier, fünf Wochen, bis andere Hilfen
organisiert sind, ah, dass der Jugendliche auch einmal weiter kann.“
Vor allem von jenen Einrichtungen mit weniger Kontakt zur KJP wurde angesprochen, dass der
Pinball Effekt dadurch minimiert werden könnte, dass sich die Einrichtungen selbst mehr zutrauen
und die Verantwortung für die in ihrer Obhut befindlichen Kinder und Jugendlichen übernehmen.
Ein weiterer wichtiger Punkt bezieht sich darauf Grenzen zu reflektieren und sich einzugestehen,
wenn man auch als Professioneller an seine Grenzen stößt.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
72 - 73
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
I: Es gibt immer wieder Kinder und Jugendliche, die immer wieder von den WGs und dem LSF hin
und her überwiesen werden, wie könnte das aus deiner Erfahrung verhindert oder minimiert
werden?
„Ah, ich weiß es nicht, vielleicht indem man selbst sich mehr zutraut, ah, nicht so sehr immer nach
Hilfen von außen ruft, indem man auch mehr aushaltet und indem man vielleicht mehr nach dem
Sinn des Verhaltens der Kinder oft nachfragt, als das Verhalten selbst als Symptom zu sehen, dass
dann nachher eine psychiatrische Behandlung zur Folge hat.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
93 - 94
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
I: Und was glauben Sie was die Gründe sind, dass das in manchen WGs häufiger und in anderen
nicht so häufig passiert?
„Da kann ich nur Vermutungen anstellen. Ahm…durch vielleicht Verantwortung nicht übernehmen
wollen, durch nicht wissen wohin und sich nicht sagen trauen, so eigentlich stehe ich vor einer
Wand…aber….dann tu ich ihn halt runter und dann kommt er wieder zurück und dann probieren
und probieren ohne einer klaren Zielsetzung oder Planung bzw. ja. Bei uns ist es so, falls jemand
noch einmal stationär eingewiesen werden muss, wird ein ganz ein klares Team einmal…im Team
besprochen, was ist jetzt Sache, weil es geht auf Kosten des Jugendlichen, nicht auf Kosten der
Institutionen, was es wahrscheinlich optimieren würde, wenn die Institution davon irgendwie
abhängiger wäre und da muss man genauer hinschauen, weil es ist ein, es ist ein, ein lebender
Mensch und da kann man nicht einfach ihn als Spielball nehmen.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
86 - 86
Code: Grenzfälle\Pinball-Effekt
„[…] Aber was ich glaub, was das Problem dran ist, ist die Hilflosigkeit der helfenden, im Fall, wo
der Jugendliche die Konsequenzen draus tragen muss, weil der Helfer, jetzt ob es, der Helfer ob es
jetzt die Eltern sind, ob es wir als Sozialpädagogen sind, ob es die Ärzte im LSF sind, weil die
Helfer, und ich glaub das ist was ganz normales, ihre Grenzen nicht eingestehen bzw., ah, nicht
sagen wollen irgendwie, wir wissen nicht weiter, weil in dem Moment, wo man, wo man die
Hilflosigkeit auch erkennt, auch wiederum leichter man Hilfe finden kann. Also ich glaube, ich
glaube sehr stark, dass es eben einige Jugendliche gibt, nicht so wenige, die uns sehr gut an uns…
uns auch unsere Grenzen zeigen und wir sollen dann so offen und ehrlich sein und das reflektieren
können, auch an unseren Grenzen zu stehen und die auch nach außen tragen zu können und dem
Jugendlichen wiederum Hilfe anbieten zu können.“
306
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass in Bezug auf den Pinball Effekt von den Befragten
einerseits Aspekte geäußert wurden welche die Gesamtversorgung betreffen. Hier würden die
Einführung eines Konsiliarpsychiaters für stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sowie eine
psychiatrische Wohngemeinschaft eine Minimierung der wiederholenden Überweisungen
herbeiführen. Auch die Forderung nach ausführlicher psychiatrischer Diagnostik wurde in einzelnen
Interviews geäußert. Vor allem jedoch wurde auch in diesem Punkt deutlich, dass es wichtig ist,
dass sich PädagogInnen den Umgang mit diesen schwierigen Kindern und Jugendlichen zutrauen
und diese besonders durch schwierige Situationen begleiten. Nicht zu vernachlässigen ist allerdings,
dass wir es hier mit Individuen zu tun haben, die Überweisungen eventuell auch bewusst
herbeiführen. An dieser Stelle gilt es immer gemeinsam mit behandelnden ÄrztInnen und
PsychologInnen abzuwägen inwieweit eine psychiatrische Behandlung notwendig und für das
einzelne Kind oder den einzelnen Jugendlichen auch sinnvoll ist.
12.2.2.4
Geschlossene Unterbringung
Ein weiterer Punkt in den Interviews war die geschlossene Unterbringung. Hier sollte vor allem
herausgefunden werden, inwieweit die Möglichkeit der geschlossenen Unterbringung in der KJP
eine Rolle bei der Einweisung spielt und wie die Professionellen gegenüber geschlossener
Unterbringung in Jugendwohlfahrtseinrichtungen eingestellt sind. An dieser Stelle ist zu erwähnen,
dass die Diskussion um geschlossene Unterbringung in Heimen in den letzten Jahren in Österreich
sehr verstummt ist. Es scheint in Fachkreisen verpönt zu sein, wenn man diese unter bestimmten
Umständen befürworten würde. Dieser Umstand muss bei der Analyse der Interviews berücksichtigt
werden.
Die
öffentlich
konträre
Diskussion
um
geschlossene
Unterbringung
in
Jugendwohlfahrtseinrichtungen spiegelt sich in den Interviews wieder. Einige der befragten
Fachleute lehnen diese kategorisch ab und meinen, die geschlossene Unterbringung sollte
ausschließlich der Psychiatrie vorbehalten bleiben. Wie durch die folgenden Passagen deutlich
wird.
307
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
137 - 146
Code: geschlossene Unterbringung
“ (…)Ich würde eher sagen, man bräuchte…nein braucht es nicht. Also im psychisch auffälligen
Bereich wäre für mich ganz klar die Psychiatrie zuständig.“
I: Aber gibt es nicht manchmal so Krisen, wo du dir wünschen würdest, oder vorstellen könntest,
manchmal auch die Türe zusperren zu dürfen?
„ Diese Krisen gibt's, also wo ich mir wünsche, dass ich eine Türe hab zum Zusperren, oder wo
andere Gefühle auch da sind, wo ich mir denke, am liebsten würde ich jetzt einmal mit der Hand
ausfahren, aber das ist nur der Impuls und das wird nicht durchgeführt. Das sind für mich andere
Botschaften, mit denen ich eher arbeiten kann und deswegen brauche ich keine Einrichtung, wo ich
die Türe zusperren kann.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
125 - 125
Code: geschlossene Unterbringung
„Ach das ist schwierig, Hm. Also als Psychotherapeutin hoffe ich, dass es kaum wer braucht.
Andererseits aber gibt's Momente, wo Jugendliche wirklich das brauchen, dass jemand neben
ihnen sitzt und manche brauchen dann auch die Geschlossene. Aus meiner Erfahrung. Ich bin
dagegen, dass das in stationären Einrichtungen wie Heimen oder Wohngruppen passiert, ich finde
das sollte wirklich der Psychiatrie vorbehalten bleiben. Und dass es eben wirklich in
Ausnahmefällen dazu kommt.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
132 - 133
Code: geschlossene Unterbringung
I: Also so geschlossene Unterbringung in Heimen würdest du nicht befürworten?
„Nein, also das macht auch keinen Sinn. Also bei Kindern und Jugendlichen…ich halte nichts
davon, irgendwelche Menschen wegzusperren, von der Gesellschaft…also wir… dauerhaft, das
heißt als Ersatz fürs Leben oder so.“
Andere wiederum würden auch einen Bedarf innerhalb der Jugendwohlfahrt erkennen und unter
bestimmten Umständen, auf der Basis eines klaren Konzepts, eine kurzzeitige geschlossene
Unterbringung befürworten.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
96 - 97
Code: geschlossene Unterbringung
„Wie gesagt, ich kann mich da schon teilweise anfreunden, nur muss ein ganz ein gutes Konzept
dahinter stehen und es muss auch Personal mäßig auch gut abgedeckt sein.“
Umstände, unter denen eine geschlossene Unterbringung Sinn machen würde, sind laut den
Professionellen, akute Drogensucht, Delinquenz, Aggressivität u.s.w. wie in den folgenden
Interviews deutlich wird.
308
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
100 - 101
Code: geschlossene Unterbringung
„ Verschiedene Sachen, also ich kann mir da vorstellen, grad in der Drogenthematik einmal,
wegzukommen, von dem Umfeld, von dem Alltag, die der Jugendliche sich aufbaut, einfach um
einmal abschalten zu können. Teilweise eben auch Jugendlichen, die stark so in Peergroups
drinnen sind, wo auch Kriminalität drinnen ist, müssen aber nicht Drogen sein, also auch so die
notorischen Diebstahl und Aggressivitäten. Also auch bei starker Aggressivität dahinter, einfach
um eine Möglichkeit zu haben, den Jugendlichen einmal zur Ruhe zu bringen ohne dass er gleich
wieder abhauen kann und zwei Tage später von der Polizei wieder irgendwohin gebracht wird.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
107 - 108
Code: geschlossene Unterbringung
„Ja, bei, als Deeskalationsprogramm, also es muss ja nicht für lange Zeit sein, sondern für kurze
Zeit, dass man einmal sagt, okay du kommst da nicht hinaus, bis du dich einmal beruhigst, bleibst
du jetzt einmal da herinnen. Halt ihm auch nicht die Möglichkeit gibt, auszubrechen, weil es gibt
sehr viele Menschen, die halt gern weglaufen vor den Problemen…und da muss man halt damit
man ihn halten kann, kurzzeitig dieses weglaufen verwehren, sag ich. […]“
Eine interviewte Person sprach auch davon, dass sich ihre Einstellung im Laufe der Zeit mit der
Erfahrung diesbezüglich sehr verändert hat. Von einer radikalen Einstellung gegen geschlossene
Unterbringung hat diese interviewte Person in der Zwischenzeit erkannt, dass es für manche Krisen
vielleicht gar keine andere Lösung gibt.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
94 - 94
Code: geschlossene Unterbringung
„Das ist eine schwierige Geschichte. Wenn man ein bisschen die Geschichte beobachtet, nicht, wie
in der Verzweiflung die Erwachsenen Alternativen suchen, wie man so Problemen Herr werden
kann, ah, ist es sehr schwierig, weil man natürlich seine prinzipiellen Anschauungen hat, oder
gehabt hat, nicht, wo man glaubt irgendwie, das ist auch nicht das Ziel der Sache…und wenn man
von frühester Jugend schon so Filme wie „Einer flog übers Kuckucksnest", da ist es das schlimmste
was es in der Weltgeschichte, ah, gibt, irgendwie sieht und sich zum Leitbild macht, und dann
trotzdem wieder erkennt, in der, in der konkreten Arbeit, ah, dass es Situationen gibt, wo es, wo es
ohne geschlossene Einrichtung nicht geht. Jetzt sagen wir einmal zumindest jetzt in der, in der
Psychiatrie. Ob es bei uns zielführend ist, kann ich noch nicht sagen, oder ist sehr schwierig, weil
das ist wirklich, unter gewissen Voraussetzungen, unter einem gewissen Team, und auch wirklich
einem sehr guten Team, das sehr viele Bereiche abdecken kann, und, und, und, und…kann es
vielleicht schon sein. Jetzt ist eine Jugendliche gekommen, den wir entlassen haben müssen, weil es
einfach nicht mehr gegangen ist, die dann lange in der Szene gelebt hat und, und, und…viel
kriminelle Delikte waren bei uns und nachher auch noch. Die ist dann nach einem Jahr wieder
erschienen, hat auch recht sauber ausgeschaut und alles und ist auf Besuch gekommen und hat
gesagt: „ja, ich war jetzt zwei Monate im Gefängnis und das war ihre Therapie. Also ihr geht es
jetzt wieder besser und so und gleich so als zweiten Satz hat sie gesagt: „Warum habt ihr mich
nicht eingesperrt?" Und ich hab ihr nur so ad hoc als Antwort gegeben: „Hätt ich eh gerne, wenn
ich dürfen hätte".
309
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
In diesem Statement ist auch die Hilflosigkeit und Verzweiflung; mit der Fachkräfte in diesem
Bereich konfrontiert sind, zu erkennen. Der Betreuer spricht von einer Jugendlichen, die aus der
Einrichtung entlassen werden musste, und in ihm insgeheim den Wunsch nach einer geschlossenen
Unterbringung geweckt hat, weil man für diese sonst keinen anderen Weg gesehen hat. Wenn man
nur bei dem Beispiel dieser einen Jugendlichen bleibt, drängt sich einem doch die Frage auf, ob die
Möglichkeit einer geschlossenen Unterbringung innerhalb einer Jugendwohlfahrtseinrichtung
eventuell einen Gefängnisaufenthalt verhindert hätte. An dieser Stelle taucht man jedoch bereits
sehr tief in eine ethische Diskussion ein. Diese Jugendliche hätte zur damaligen Zeit wohl kaum
einer geschlossenen Unterbringung zugestimmt. Ist es legitim, jemanden einzusperren, weil wir als
Professionelle vielleicht sehen, wie der weitere Weg verlaufen wird, und diese Person davor
bewahren wollen? Müssen wir diesen Kindern und Jugendlichen nicht die freie Entscheidung
lassen, sich eventuell auch für die Delinquenz zu entscheiden? Als Antwort auf diese Fragen, muss
meiner Meinung nach eine Gegenfrage erlaubt sein. Können diese Kinder und Jugendlichen
wirklich schon die Tragweite dieser Entscheidungen abschätzen?
Für manche Kinder und Jugendlichen ist eine geschlossene Unterbringung unter bestimmten
Voraussetzungen vielleicht die einzige Chance, wie auch einige Befragte feststellen:
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
82 - 85
Code: geschlossene Unterbringung
„Ja, wird es auch sehr stark diskutiert gell. Also ich denke bei Jugendlichen und Kindern, die sehr
straffällig werden, ist es vielleicht eine frühzeitige Chance, die Kinder überhaupt noch zu erreichen.
Die sonst nirgends bleiben und delinquent werden, und irgendwie ihr eigenes Leben
hinunterschütten.“
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
99 - 101
Code: geschlossene Unterbringung
I: Was halten sie von geschlossener Unterbringung in Heimen oder stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen?
„ Ganz wichtig, leider ist es nicht möglich. Weil es einfach bei gewissen Jugendlichen nur so
möglich ist, dass man sie pädagogisch betreuen kann, wie Borderliner, wie Jugendliche, die immer
abhauen, die nicht greifbar sind, wo die Schritte ganz klar sind, es gibt keine
Unterbringungsmöglichkeit, sprich Drogen“…
Grundsätzlich kann anhand der Interviews erkannt werden, dass generell sehr vorsichtig auf die
Thematik der geschlossenen Unterbringung geantwortet wird. Einige vertreten ganz klar die
Position dass eine geschlossene Unterbringung im Jugendwohlfahrtsbereich nicht legitim ist,
während andere eine geschlossene Unterbringung unter gewissen Umständen als einzige Lösung für
manche Jugendlichen, vor allem in Krisensituationen sehen.
310
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
In einem Interview kommt sogar klar heraus, dass die Möglichkeit der kurzzeitigen geschlossenen
Unterbringung in der KJP als Entlastung empfunden wurde und auch ein Grund für die
Überweisung war. Konkret heißt es:
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
57 - 57
Code: geschlossene Unterbringung
„Im Fall von der J. da hab ich es total geschätzt, dass ihr auch diese Alternativvariante in
Erwägung gezogen habt. In den geschützten Bereich und dann gleich wieder zurück und nicht
irgendwie einen langfristigen Prozess loszutreten, da war ich sehr dankbar dafür und ich denke da
könnte ich mir eine Zusammenarbeit sehr gut vorstellen…“
In diesem konkreten Fall war es wirklich so, dass die Jugendliche sehr aggressiv war und in der
Wohngemeinschaft mit Steinen auf die Betreuer geworfen hat und dann für eine Nacht im
geschützten Bereich der kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung untergebracht wurde, bevor
sie am nächsten Tag von den Betreuern wieder abgeholt und zur Schule gebracht wurde. In diesem
Fall steht es außer Frage, dass eine Fremdgefährdung vorlag, dennoch ist nicht ganz klar, ob hier
der geschützte Bereich der Psychiatrie nicht auch in einer gewissen Weise missbraucht wurde.
Pointiert formuliert könnte man vielleicht sagen, nachdem stationäre Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt auch in Akutsituationen nicht die Möglichkeit haben, kurzzeitig die Türe
zuzusperren, haben sie in solchen Situationen gar keine andere Wahl als die Kinder und
Jugendlichen, in die KJP einzuweisen, obwohl sie vielleicht gar keine umfassende stationäre
psychiatrische Behandlung brauchen. So kommt es manchmal zu den hier beschriebenen
Zwischenlösungen.
Erstaunlicherweise war die geschlossene Unterbringung kein Tabu- Thema in den Interviews. Viele
der befragten Personen sprachen ganz offen und ehrlich über ihre Einstellung und scheuten sich
nicht davor, eine geschlossene Unterbringung unter gewissen Umständen, die auch beschrieben
wurden, gut zu heißen.
311
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.2.2.5
Ausbildung/ Weiterbildung
Nachdem es im Bereich der Sozialpädagogik unterschiedliche Ausbildungen gibt, besteht das
vordergründige Interesse einerseits darin, konkret herauszufiltern, welche Ausbildungen die in
Jugendwohlfahrtseinrichtungen Tätigen tatsächlich absolviert haben und inwieweit sie sich für ihre
momentane Tätigkeit dadurch vorbereitet fühlen.
Wie bereits angenommen, haben die befragten Personen sehr unterschiedliche Grundausbildungen.
Die unterschiedlichen Ausbildungen der Befragten sollen an dieser Stelle aufgezählt werden:
o AHS- LehrerInnenausbildung
o Psychotherapieausbildung
o klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie, Psychologie
o Behindertenpädagogik
o Jugendarbeiter-Ausbildung
o Jugendsozialarbeiter Ausbildung (FH)
o Soziologie
o Sozialarbeit
o Kolleg für Sozialpädagogik
o nicht abgeschlossenes Pädagogikstudium
Schon alleine anhand dieser Aufzählung lässt sich gut erkennen, wie uneinheitlich die
Ausbildungen der in stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen Tätigen sind. Schon alleine hier
haben die 14 Befragten Ausbildungen in 9 bzw. 10 unterschiedlichen Bereichen.
Auch in den unterschiedlichen Teams sind die pädagogischen Ausbildungen sehr divers wie durch
die Interviews immer wieder deutlich wurde.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
21 - 23
Code: Einrichtung\Team
„Ja das sind Sozialpädagogen. Nein stimmt nicht, die arbeiten alle als Sozialpädagogen aber es
haben alle unterschiedliche Quellenberufe.
Einer ist Sozialarbeiter also der hat FH Sozialwesen, dann eine Psychologin, dann eine ist, also hat
für zwei Jahre den Sozialpädagogen gemacht, da- ich weiß gar nicht wo das ist in Graz. Und eine
hat Pädagogik studiert. So sind die Sozialpädagogen zusammen gemischt.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
29 - 30
Code: Einrichtung\Team
„Ahm, einer ist…hauptsächlich SozialpädagogInnen, dann Sport- und Freizeitpädagoge. Dann eine
Lehrerin im Bereich Sonderpädagogik…ahm, dann Studium der Pädagogik. Ja. Und ah, Arbeitsund Berufsbegleiter und alle haben dann noch Zusatzausbildungen.“
312
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
24 - 25
Code: Einrichtung\Team
„Wir haben ganz bunt gemischt, einen Theologen zum Beispiel, dann eine Sozialpädagogin, eine
Kindergartenpädagogin, ein Lehrer- Hauptschullehrer und ein Kollege ist- studiert Pädagogik
noch und hat noch nicht abgeschlossen.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
27 - 27
Code: Einrichtung\Team
„Das reicht eben vom Pädagogikstudium bis zu, bis zu dem Kolleg. Sag ich einmal ist so die
beliebteste Ausbildungsgattung, die 2 Jahre Kolleg.“
Die Fülle unterschiedlicher Ausbildungen im pädagogischen Bereich, die letztlich zusammen mit
denselben Kindern und Jugendlichen arbeiten, kann einerseits sehr bereichernd sein, weil daher
nicht nur durch die Unterschiedlichkeiten der Persönlichkeiten unterschiedliche Sichtweisen
eingebracht werden. Andererseits können die diversen Ausbildungen es auch erschweren einen
gemeinsamen Nenner zu finden, wie in einem Interview erwähnt wurde.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
19 - 20
Code: Einrichtung\Team
„(…) wir haben andere Ausbildungen alle miteinander, also es ist oft sehr schwierig, eine
gemeinsame Wirklichkeit zu finden.“
Für die Kooperation mit der KJP heißt dies, dass hier sicher auch ein unterschiedlicher
Wissensstand in Bezug auf psychische Krankheiten und den pädagogischen Umgang mit
bestimmten Symptomen bestehen. Die KJP kann also nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass
Professionelle aufgrund ihrer Ausbildung ein Grundverständnis psychischer Störungen mitbringen.
Dieser Thematik ist im späteren Verlauf der Arbeit ein eigener Abschnitt gewidmet.
Für die Planung der unterschiedlichen Ausbildungen ergibt sich, dass es letztlich einen kleinen
gemeinsamen Nenner geben muss, da alle mit der gleichen Klientel arbeiten.
In Bezug auf diese unterschiedlichen Ausbildungsbereiche, zeigt sich noch von Interesse, inwieweit
sich die Befragten durch die Ausbildung auf ihre Tätigkeit vorbereitet fühlen. Vor allem im
Zusammenhang mit Grenzfällen zwischen KJP und stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen
erscheint es als wichtig, inwieweit die befragten Personen in der Ausbildung mit psychiatrischen
Krankheitsbildern konfrontiert wurden.
Der Großteil der Befragten gibt an, psychiatrische Krankheitsbilder zumindest in der Ausbildung
einmal durchgenommen zu haben. Bis auf jene, die im Bereich der Kindergartenpädagogik
ausgebildet wurden haben alle zumindest in Grundzügen über einzelne psychiatrische
Krankheitsbilder einmal gehört.
313
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
150 - 150
Code: Person\Ausbildung
„In Grundzügen Informationen über gewisse Krankheitsbilder, um unterscheiden zu können eine
Neurose von einer Psychose. Also so, aber wirklich nur Basiswissen, dass ich ungefähr eine
Ahnung hab, wenn jemand einmal so eine Diagnose hat, o.k. was ist das überhaupt. Aber nur
Grund- und basic, nichts Spezielles.”
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
111 - 112
Code: Person\Ausbildung
I: Und inwieweit sind Sie in Ihrer Ausbildung auch mit psychiatrischen Krankheitsbildern
konfrontiert worden?
„Mit relativ wenigen, aber durchaus, weil es ja auch ein Teil unserer Arbeit ist. Das
Nachschlagewerk ICD10 und das DSM IV ist uns schon geläufig gemacht worden, also da haben
wir uns schon damit auseinander gesetzt, mit dem MAS genauso, was ich für ein gutes
diagnostisches System halte, da halt viele Komponenten, da wir ja sehr vielschichtig sind, und
Menschen auf sehr viele Komponenten eingegrenzt werden und da ein klareres Bild raus kommt.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
114 - 115
Code: Person\Ausbildung
I: Inwieweit sind Sie in Ihrer Ausbildung mit psychiatrischen Krankheitsbildern konfrontiert
worden?
„Sehr gut, also wir haben Psychiatrie, haben wir, ahm, Vorlesungen gehabt auf der Sozialakademie
und also in der Theorie mit psychiatrischen Krankheitsbildern bin ich sehr gut vorbereitet
worden.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
89 - 89
Code: Person\Ausbildung
„In der Ausbildung selbst ist eigentlich jedes Bild einmal ein Schwerpunkt gewesen und
durchgenommen worden innerhalb von eineinhalb Jahren. Da hat es einmal eine Erklärung
gegeben nur wie gesagt ist das dann praktisch überhaupt nicht- ist wieder komplett was anderes.
[…].”
Einige der Befragten fühlen sich durch die Ausbildung nicht ausreichend für die praktische Arbeit,
besonders für die Arbeit mit schwierigen Kindern und Jugendlichen vorbereitet.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
148 - 148
Code: Person\Ausbildung
„Von meiner Ausbildung her bin ich im Bereich für Menschen mit Behinderungen ausgebildet, das
heißt so vom Ansatz her ein sehr guter im sozialpädagogischen Bereich, weil sehr viel
Ressourcenarbeit auch drinnen ist. Auf jetzt Jugendliche, die öfter in so massiver Weise reagieren,
nicht vorbereitet. Wobei meine Ausbildung schon, der Abschluss 8 Jahre zurück liegt. Ich hoffe,
dass sich in der Zwischenzeit auch etwas getan hat.“
314
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
105 - 106
Code: Person\Ausbildung
I: Wenn sie so an ihre Ausbildung zurück denken, inwieweit sind sie da auf den Umgang mit
besonders schwierigen Kindern oder Situationen vorbereitet worden?
„[lacht]. Gar nicht. Ich denke mir es ist berufsvorbereitend. Ich hab schon eine Ahnung davon
gehabt, was da auf einen zukommt. Eine Ahnung und auch Diskussionen und so.”
Die meisten jedoch fühlen sich theoretisch zwar vorbereitet, befinden aber, dass man sich in der
Theorie nie so gut vorbereiten kann, wie es schließlich die Praxis dann erfordert.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
112 - 113
Code: Person\Ausbildung
„Also ich persönlich finde, man kann sich gar nie wirklich gut vorbereiten auf diese Praxis. Also
ich muss sagen, ich habe von der Theorie her sicher eine sehr umfangreiche Ausbildung gekriegt.
Aber wirklich lernen tust du nur in der Praxis meiner Meinung nach, das heißt ich habe eine
Ahnung, aber wie du dann wirklich mit Jugendlichen, wenn sie dann vor dir stehen, wirklich
umgehst, kann in keinem Buch stehen. Und vor allem in unserem Bereich, wo einfach die Beziehung
eine so große Rolle spielt. Das heißt, ja, es steht ja auch nirgends, wie gut du den Jugendlichen
dann zu dem Zeitpunkt kennen wirst, wenn er dann gerade einen suizidalen Anfall hat. Das heißt, es
ist…….ja.”
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
86 - 86
Code: Person\Ausbildung
„Ja, von der Ausbildung her theoretisch. Also man hat schon in der Ausbildung viel theoretische
Ansätze die dann im Team, wo jeder im Team seine Ansätze hat, wo man dann schaut, wie man das
umsetzen kann, bei welchem Kind das wirklich dann auch eine Wirkung hat.So schon theoretisch
habe ich einiges mitbekommen, das Praktische ist halt dann interessanter.“
Jene Befragten allerdings, die 2 Personen, die über eine psychotherapeutische Zusatzausbildung
verfügen, fühlen sich noch eher auch auf den Umgang mit besonders schwierigen Kindern und
Jugendlichen, vor allem auch durch die Praktika, ausreichend vorbereitet, wie durch die folgenden
Statements deutlich gemacht werden kann.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
134 - 135
Code: Person\Ausbildung
I: Wenn Sie so an Ihre Ausbildung zurück denken, inwieweit sind Sie da auf den Umgang mit
besonders schwierigen Kindern und Jugendlichen vorbereitet worden?
„Ja, ich habe fünf Jahre während der Ausbildung als Psychotherapeutin und vorher als
Praktikantin schon gearbeitet. Also dort bin ich schon vorbereitet worden.“
315
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
104 - 106
Code: Person\Ausbildung
I: Wenn Sie an Ire Ausbildung zurück denken, inwieweit wurden Se auf den Umgang mit besonders
schwierigen Jugendlichen vorbereitet?
„Ja, das ist schon lange her. Ich habe da schon Professoren gehabt wie die Frau Prof. Blöschl oder
auch die Schenk-Danzinger, die haben sehr viel Erfahrung weitergegeben. Viel hab ich auch von
der Verhaltenstherapie profitiert- im speziellen, wie man Verhalten verändern kann.
Speziell zum Umgang bin ich durch die Ausbildung nicht vorbereitet worden.“
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die meisten der befragten Personen in der
Ausbildung bereits mit psychiatrischen Krankheitsbildern konfrontiert wurden. Auf den Umgang
mit schwierigen Kindern und Jugendlichen fühlen sich viele zwar theoretisch vorbereitet, glauben
jedoch, dass dies nicht in der Theorie zu lernen ist, was einen schließlich in der Praxis erwartet.
Vor allem jene mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung fühlen sich auf die Praxis gut
vorbereitet. Ein einziger Befragter, der einen Jugendarbeiter Kurs absolviert hat und zusätzlich zu
seiner Tätigkeit in der Einrichtung ein Studium absolviert, äußerte, dass er durch die Ausbildung
auf den Umgang mit schwierigen Kindern und Jugendlichen sehr gut vorbereitet wurde. Ein
weiterer Punkt in seinen Ausführungen bezieht sich auf das berufsbegleitende Studium, das ihm
hilft immer wieder die Theorie und die Praxis in Verbindung zu bringen.
Durch die Interviews wurde deutlich, dass unterschiedliche Berufsgruppen in stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt tätig sind. Besonders wichtig in der Ausbildung ist der Aspekt
der unterschiedlichen psychischen Störungen, der auch in die Ausbildungen einfließt. Damit sich
die Professionellen auf den Umgang mit besonders schwierigen Kindern und Jugendlichen gut
vorbereitet fühlen, wären Praktika in diesen Bereichen von Vorteil. Ein weiterer Punkt in dieser
Hinsicht bezieht sich auf ständige Weiterbildungen, um die Theorie und die Praxis verbinden zu
können, bzw. eventuell auch um theoretisch ein bestimmtes Verhalten der Kinder und Jugendlichen
erklären und somit verstehen zu können. Ebenso sollte die Selbstreflexion vor allem in Bezug auf
aggressive oder autoaggressive Verhaltensweisen in der Ausbildung in den Vordergrund gerückt
werden.
316
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.2.2.6
Kooperation
Im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen KJP und stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen
wurden mehrere Fragen gestellt, die sich vor allem auf bisherige Erfahrungen beziehen. Jene
Einrichtungen, die diesbezüglich weniger Erfahrungen hatten wurden nach ihren individuellen
Einschätzungen gefragt, warum sie kinder- und jugendpsychiatrische Hilfen nicht so häufig in
Anspruch nehmen müssen.
Durch alle Interviews wurde deutlich, dass der Kontakt zur KJP durch gemeinsame Fälle aufgebaut
wurde. Abgesehen von diesen gemeinsamen Fällen gibt es nur sehr selten Kooperationen, auch
wenn dies von einigen Fachkräften begrüßt werden würde, wie durch die folgenden Statements
illustriert werden soll.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
128 - 128
Code: Kooperation
„Ja schön wäre es, wenn man wirklich abgesehen vom Fall die Zusammenarbeit ausweiten könnte,
also dass das nicht grad immer über Krisengeschichten oder über einen Jugendlichen geht, sondern
dass man vielleicht wirklich einmal sich zusammensetzt und schaut, welche Erwartungen kommen
von der Kinder- und Jugendpsychiatrie und welche Erwartungen haben wir, und wie kann man
sich gut da zusammenschließen und kooperieren.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
167 - 170
Code: Kooperation
„Naja, was mir gut gefallen hat war, dass es
da bei uns diese Weiterbildung gegeben hat. Ich denke
mir, das ist eine klasse Geschichte.
Und dann, mein Gott na, dass man vielleicht sich einmal oder alle 2 Jahre sich zusammen setzt und
schaut- so einen Reflexionstag.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
98 - 98
Code: Kooperation
„Es gibt Betreuer, die haben nicht viel mit dem LSF zu tun, aber es sollte einmal jeder Betreuer
unten sich das anschauen und ein Gespräch führen und wenn der Kontakt dann da ist, und so im
Vorfeld ein Kontakt wäre auch nicht unangenehm denke ich mir. Ein Kontakt und ein
Austausch.(…)“
Von einem Befragten wurde auch explizit geäußert, dass seinem Empfinden nach die
Zusammenarbeit zwischen stationären Fremdunterbringungseinrichtungen und der KJP immer
wichtiger und notwendiger wird, da immer mehr Jugendliche die Hilfe beider Systeme benötigen.
317
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
106 - 106
Code: Kooperation
„ (…) es werden einfach immer mehr Jugendliche, die noch Unterstützung durch die Kinder- und
Jugendpsychiatrie brauchen. (…)“
Allgemein kann angemerkt werden, dass die Kooperation mit der Kinder und Jugendpsychiatrie von
Seiten der stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sehr unterschiedlich erlebt wird.
Diejenigen Einrichtungen, die im Erhebungszeitraum häufigeren Kontakt zur KJP hatten, äußerten
sich auch eher positiv in Bezug auf die Zusammenarbeit, wie durch die folgenden Zitate sichtbar
wird.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
80 - 81
Code: Kooperation
„Ich glaub, dass das ein lang andauernder Kontakt schon ist, der sich so entwickelt hat. Früher
war das eher schwierig, da hat es dann so Drohungen gegeben, dass jemand ins LSF kommt, wenn
etwas nicht hingehaut hat. Aber seit einiger Zeit verläuft der Kontakt sehr gut und es hat sich
mittlerweile zu einer guten Zusammenarbeit entwickelt.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
176 - 177
Code: Kooperation
„(…) Also selber finde ich einfach, ich hab immer viel Bemühen gemerkt und das freut mich. Und
ich weiß es ja von hier auch, dass große Apparate oft sehr zäh sind und dass halt nicht immer das
möglich ist, was sich der erwartet, der grad kommt, aber das wichtigste ist, dass man ein Bemühen
spürt. Wenn man das nicht mehr merkt, dann kann es frustrierend sein.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
66 - 66
Code: Kooperation
„(…) eben das ist auch für uns ein Vernetzungspartner die Psychiatrie, wo wir da sehr gute
Erfahrungen haben, (…)“
Im Folgenden soll die Kooperation anhand der drei Ebenen der Kooperation analysiert werden.
12.2.2.6.1
Interpersonelle Ebene
Wie bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit beschrieben, realisiert sich jede Kooperation
letztendlich auf der interpersonellen Ebene. Diesbezüglich wurden im Interview vor allem Fragen
zu AnsprechpartnerInnen gestellt.
Es kann festgestellt werden, dass hier von allen InterviewpartnerInnen Namen von ÄrztInnen bzw.
PsychologInnen genannt wurden. Jene Einrichtungen, die häufigeren Kontakt zur KJP hatten, gaben
Ansprechpartner an, die sie bei Fragen auch kontaktieren. Da jedoch jeder Jugendliche einen
318
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
fallführenden Arzt oder Psychologen hat, wechseln die AnsprechpartnerInnen auch von Fall zu Fall.
Diesbezüglich wurde geäußert, dass der jeweils fallführende Arzt oder Psychologe bei Fragen zu
einem Kind oder Jugendlichen kontaktiert wird. Ansprechpartner für allgemeine Fragen gibt es
jedoch meist nicht.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
58 - 61
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
I: Gibt es einen speziellen Ansprechpartner im LSF?
„Ich kenne wenige, ich kenne die Frau Dr. T und die Frau Dr. D.
I: Also es gibt niemanden speziellen, den du bei Fragen anrufen würdest?
„Nein, vielleicht würde ich in Zukunft dich anrufen.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
103 - 104
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„Es geht immer darum, ahm, wenn ein Problemfall auftritt, dass man Kontakt mit einer Ärztin oder
einem Arzt aufnimmt, und dann einmal telefonisch voranfragt, oder wenn man gerade unten ist
einmal persönlich anfragt und mit einem Arzt oder einer Ärztin sagt, o.k. treffen wir uns, sprechen
wir über den Jugendlichen, einmal ohne Jugendlichen, und es gibt jetzt nicht einen, den man
konkret immer anruft.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
70 - 71
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„Das ist an und für sich immer unterschiedlich, also für allgemeine Fragen könnte ich jetzt keinen
Namen nennen, ich weiß nur für meine Bezugskinder, wer eben zuständig ist. Für alle
Jugendlichen, die irgendwie Kontakt mit dem LSF haben, gibt es einfach auch einen zuständigen
Arzt und den ruft man einfach an. Und sonst ruft man eben allgemein auf der Station an und lasst
sich eben weiter verbinden, aber ich wüsste jetzt nicht wen ich anrufe, also ich hätte keinen Namen,
wenn ich jetzt sage, ich brauche irgendwelche allgemeinen Informationen.“
Durch die Interviews kommt deutlich zum Ausdruck, dass die Kooperation auch auf
interpersoneller Ebene vor allem über die Einzelfälle passiert. AnsprechpartnerInnen für allgemeine
psychiatrische Fragen gibt es in den meisten Fällen nicht. Hier wäre es jedoch eventuell von
Vorteil, wenn die einzelnen Einrichtungen auch AnsprechpartnerInnen hätten, die bei allgemeinen
Fragen konsultiert werden könnten. Dies ist jedoch auch von den Ressourcen innerhalb der KJP
abhängig.
Für die Kooperation ist die interpersonelle Ebene von besonderer Bedeutung, da sich die
Kooperation auf dieser Ebene realisiert und schließlich auch von den einzelnen Personen, die
miteinander zu tun haben, umgesetzt werden muss. In den Interviews wurde auch immer wieder
deutlich, dass sich die Kooperation von Person zu Person unterscheidet und dass es letztlich auch
auf eigene Kontakte ankommt.
319
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
59 - 59
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„Ja, also es ist… also es hängt wirklich von den Personen ab, wie sehr da die Bereitschaft eines
Austausches da ist.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
129 - 130
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„Prinzipiell ist es so, dass es auch um die Person geht, mit der man Kontakt hat, die meiner
Meinung nach gut ausgesucht sind derzeit, das kann sich auch ändern, genauso wie bei uns, weil
eine hohe Fluktuation bei uns auch ist. Es sind immer Charakteren gefragt, die halt gut ausgebildet
sind, bzw. auch diese Vernetzung suchen, nicht dieses eigenbrödlerische haben, sondern eben das
Großteam verlangt wird. Ja und darauf sollte man einfach weiter Wert legen, dass auch solche
Menschen auf solchen Positionen gesetzt werden, die fähig sind, sich zu vernetzen.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
70 - 70
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„(…) das ist, das ist dann halt auch wie im alltäglichen Leben, wenn man irgendwie wen kennt,
oder den Kontakt aufgebaut hat, ah, dann ist es ein leichtes dort einmal anzurufen und
nachzufragen, nicht.“
Auf der interpersonellen Ebene ist besonders auch die Wertschätzung und Akzeptanz bzw. auch der
Respekt der jeweils anderen Berufsgruppe von besonderer Bedeutung. Durch die Interviews wurde
deutlich, dass dieser Aspekt ein sehr wichtiger ist und sich manche Fachkräfte der stationären
Einrichtungen in ihrer Professionalität nicht unbedingt ernst genommen fühlen. Letztlich geht es
auch um ein Vertrauen in die Kompetenzen des anderen. Auf diesem Punkt wird im Folgenden im
Kapitel 12.2.2.7 Spannungsfelder- Kritikpunkte näher eingegangen.
An dieser Stelle ist noch angemerkt, dass es sich hier um einen sehr sensiblen Bereich handelt, der
vor allem auch von den sozialen Kompetenzen der einzelnen Beteiligten abhängt. Für die
Fachkräfte der Einrichtungen ist es jedoch besonders wichtig, dass sie sich ernst genommen fühlen
und das Gefühl haben, dass ihre Sichtweisen auch miteinbezogen und akzeptiert bzw. respektiert
werden.
Da es kein konkretes Konzept für die Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt und der KJP gibt, kommt es im Moment wirklich auf das Engagement der
einzelnen Personen an. Dieses wurde in den Interviews vor allem von einer Einrichtung, mit der
häufiger Kontakt bestand sehr gelobt. Dies soll durch die untenstehenden Zitate deutlich gemacht
werden.
320
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
122 - 122
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„Für mich funktioniert gut die Unterstützung, die wir bekommen, die fachliche Unterstützung, dann
das Engagement der Ärzte und Psychologen, die unglaubliches anbieten.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
98 - 99
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„Ja, ich sehe, dass die Personen sehr bemüht sind, z.B. dass uns Ärzte gesonderte Termine im
Nachtdienst geben.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
122 - 122
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„Also da sehe ich ganz viel Bemühen der Menschen zu kooperieren, aber zu wenig Unterstützung
praktisch.“
Bezüglich der Kooperation auf der interpersonellen Ebene wäre es vor allem auch wichtig, dass
diese nicht nur über den Einzelfall passiert, sondern dass sich Professionelle auch unabhängig
davon kennen lernen und übereinander Bescheid wissen. Diesbezüglich gab es vereinzelt auch
schon Bemühungen, die als sehr positiv erlebt wurden und fortgesetzt werden sollten.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
120 - 120
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„Ah, ich denke so eine Vernetzung wie wir sie einmal gehabt haben, dass wir bei euch waren, ich
denke das ist etwas, was ich mir wünschen würde. Vielleicht lasst sich auch einmal eine
Gegeneinladung aussprechen, weil ich denke je mehr wir voneinander wissen, umso weniger
Hürden sind da, um dort anzuhalten. Und ich denke ihr könnt viel, was wir nicht können, das ist
auch etwas, was wir gut nützen können.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
129 - 130
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„Ja, vielleicht auch so gegenseitig dass man sich kennen lernt, dass man so Einladungen
ausspricht, dass zum Beispiel Sozialpädagogen von unten zum Tag der offenen Tür kommen, oder
einen gesonderten Termin haben. Also das fallt mir auf, dass das nicht gelebt wird. Unsere kommen
eh eigentlich runter, die kennen sich eh schon aus unten (lacht). Aber so, auch das Pflegepersonal
mehr unsere Einrichtung kennen lernt.“
In diesem Zusammenhang von großer Bedeutung erscheint auch die Zusammenarbeit mit den
Sozial- und HeilpädagogInnen auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station. Einige
InterviewpartnerInnen wussten über den Bereich der Pädagogik auf der Station Bescheid, während
andere keine Vorstellung davon hatten, dass es diesen Bereich ebenfalls gibt, und welche Aufgaben
321
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
ein Sozial- und Heilpädagoge im Zusammenhang mit der KJP haben könnte. Dies konnte im
Gespräch jedoch aufgeklärt werden. Diesbezüglich wurde vor allem auch der Wunsch geäußert dass
es mehr Kontakt zu den Betreuungspersonen bzw. zu pädagogischen MitarbeiterInnen der Station
gibt, da die Kontakte zu den Einrichtungen momentan vor allem von den Fallführenden bzw. den
SozialarbeiterInnen gestaltet werden.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
70 - 70
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„ (…) Und eben das LSF Sozialpädagogen hat, und wir als Sozialpädagogen da arbeiten auch
schon finden…das würde halt noch ein bisschen mehr verstärkt gehören. Dass man auf der Schiene,
dass man auf der Schiene auch verstärkt irgendwie zusammen arbeitet.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
157 - 157
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„Gut funktioniert, dass wir uns gegenseitig kennen und die Institutionen wissen, wie die…die eine
weiß, wie die andere arbeitet. Ja. Und gut finde ich auch muss ich sagen, dass es eben den neuen
Bereich der Pädagogik gibt, wo es dann eben auch gilt, da zu schauen, wie kann man da gut
kooperieren.“
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass alle InterviewpartnerInnen Namen von
fallführenden ÄrztInnen oder PsychologInnen nennen konnten. Die Kooperation läuft meist über
Einzelfälle. Nur sehr wenige InterviewpartnerInnen aus Einrichtungen mit häufigerem Kontakt
nannten auch Namen von AnsprechpartnerInnen, die sie auch bei allgemeinen Fragen kontaktieren
würden.
Besonders auf der interpersonellen Ebene ist das Engagement der Einzelnen gefragt. In Bezug auf
das Spannungsfeld zwischen KJP und stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt erscheint es
besonders wichtig, dass beide Systeme dem jeweils anderen Wertschätzung und Respekt entgegen
bringen und Vertrauen in die Kompetenzen des anderen haben. Um dies umsetzen zu können, ist
sicher auch ein gegenseitiges Kennen lernen der Personen und Konzepte unabhängig vom Einzelfall
hilfreich.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Vernetzung der Professionellen aus den Einrichtungen mit den
Sozial- und HeilpädagogInnen auf der Station, da hier ein ähnlicher Hintergrund vorhanden ist und
sich somit die Kommunikation eventuell einfacher gestalten kann. Auch im Sinne der Kinder und
Jugendlichen wäre dieser Kontakt zu forcieren, da in diesem Bereich andere Informationen
vorhanden sind, als die über die ÄrztInnen oder PsychologInnen verfügen.
322
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.2.2.6.2
Interinstitutionelle Ebene
In Bezug auf die Kooperation erscheint es immer wichtig, gegenseitige Erwartungen zu klären.
Diese sollen in diesem Kapitel näher beschrieben und analysiert werden. Um Erwartungen zu
klären, wurde in den Interviews vor allem danach gefragt, was sich stationäre Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt von der KJP erwarten, und welche Vermutungen es über umgekehrte Erwartungen
gibt.
Ein wichtiger Punkt auch auf der interinstitutionellen Ebene ist, ähnlich wie bei der interpersonellen
Ebene, dass sich nicht nur die Personen kennen, die miteinander zu tun haben, sondern auch, dass
man das Konzept und die Arbeitsweisen der jeweils anderen Institution kennt.
Auch in Bezug auf Erwartungen wurde wie bereits im vorhergehenden Kapitel der interpersonellen
Ebene beschrieben, das Ernst nehmen der jeweils anderen Berufsgruppe angesprochen. Hier besteht
eine
Erwartung
darin,
dass
sich
PädagogInnen
aus
den
diversen
stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen ernst genommen fühlen und als gleichwertige PartnerInnen
angesehen werden, deren Meinung ebenfalls eine Berechtigung hat. Diese Erwartung wird
besonders durch das folgende Statement auf den Punkt gebracht.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
77 - 77
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„Ich würde mir wünschen, dass wir als Partner aufgenommen werden, die einfach einen
sozialpädagogischen Blick, nicht einen psychiatrischen Blick haben, wo beide Sichtweisen als
einigermaßen gleichwertig anerkannt werden ohne, ohne dass es da eine stark hierarchische Sicht
von Seiten der Psychiatrie gibt…was ich mir vorstellen könnte, dass im Moment, wenn Ärzte was
sagen, dann hat die Sozialpädagogik auszuführen. Und es gibt auch so etwas wie eine
sozialpädagogische Diagnostik, die durchaus auch ihre Berechtigung haben.“
An dieser Stelle ist zu betonen, dass es sich hier um die subjektiven Empfindungen der einzelnen
Professionellen handelt, die vermehrt von den Befragten geäußert wurde, die eher weniger Kontakt
zur KJP hatten. Anzumerken ist jedoch, dass in der KJP die pädagogische Komponente sehr
miteinbezogen wird, da es auf der Abteilung ein pädagogisches Team von 10 Personen gibt, die
diesen Standpunkt in multiprofessionellen Besprechungen vertreten. Hier wird der pädagogische
Standpunkt nicht so ausgeklammert wie zum Beispiel der kinder- und jugendpsychiatrische
Standpunkt in der Jugendwohlfahrt ausgeklammert wird.
323
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Weitere Erwartungen von Seiten der stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen beziehen sich auf
eine ausführliche und genaue psychiatrische Diagnostik sowie auf geeignete Medikation. Dies soll
durch die folgenden Zitate deutlich werden. Diese Erwartungen sind teilweise sehr ähnlich. Hier
kann kein gravierender Unterschied zwischen den Einrichtungen mit häufigerem und denen mit
weniger Kontakt zur KJP festgestellt werden.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
118 - 119
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„Was erwarte ich mir von der Psychiatrie? Also ich erwarte mir, dass die das sehr ernst nimmt,
wenn ein Jugendlicher die Psychiatrie braucht. Das heißt dass der Jugendliche sozusagen, dass
wirklich geschaut wird, welche Medikamente helfen, und dass da nicht zu viel gegeben wird, aber
auch nicht zu wenig. Ich erwarte mir da wirklich ein ganz ein gutes Wissen über die Medikation
und was sie bewirkt.(…)“
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
89 - 90
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„Ahm, vermehrte psychiatrische Abklärung,
auch wenn Überforderungen da sind, wenn
Überlastungen sind im LSF, nicht dass sie nach 3 Tagen wieder zurück geschickt werden, ohne
irgend etwas.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
117 - 117
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„Hm…einen Austausch was Medikation betrifft…sag ich einmal, mehr Offenheit…das ist ein alter
Hut die Medikation. Es ist auch ganz schwer möglich, dass da wirklich, wirklich gut darüber
diskutiert wird. Glaube ich nicht, dass das möglich ist…also nicht bei vielen Ärzten. Das würde ich
mir wünschen. Da gibt es einfach definitiv…ich kenne mich da auch…also in anderen… in
Deutschland, in den Niederlanden gibt es einfach ganz, ganz andere Zugänge. Und ja.”
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt IV-1
Gewicht:
100
Position:
103 - 103
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„Wie gesagt eine Diagnose, eine ausführlich, das ist auch immer wieder eine Sache, da bin ich
nicht sicher, dass das immer stattfindet.(…)“
Weiters wird ein Informationsaustausch von beiden Seiten erwartet. Diesbezüglich wurde immer
wieder erwähnt, wie wenige Informationen von der KJP eingefordert werden. Dieser Punkt hängt
auch sehr eng mit dem Punkt der gegenseitigen Anerkennung und Wertschätzung zusammen.
Dadurch dass sehr wenige Informationen von Seiten der Einrichtungen verlangt werden, fühlen sich
diese eventuell in ihrer Professionalität wenig ernst genommen. Dieser Punkt wird im Kapitel
12.2.2.7 Spannungsfelder- Kritikpunkte noch einmal aufgegriffen.
324
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Ein weiterer wichtiger Punkt hängt ebenfalls mit dem Ernst nehmen und der Anerkennung der
anderen Berufsgruppe zusammen. Die Einrichtungen erwarten sich, dass wenn sie es für notwendig
erachten, dass ein Kind oder Jugendlicher auf der KJP aufgenommen wird, dass dies auch passiert.
Hier schwingt immer wieder die Unterstellung von Seiten der KJP mit, dass Kinder und
Jugendliche abgeschoben werden, wenn pädagogisch nicht mehr weiter gewusst wird.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
99 - 99
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„Ja ich denke mir einfach weiterhin eine gute
Zusammenarbeit, eben eventuell vielleicht schnellere
Hilfestellung in akuten Situationen. Einfach so auch ein bisschen das Vertrauen in uns, dass wir
wenn wir wirklich einen Ernstfall haben sollten, dass wir wirklich pädagogisch nicht mehr
intervenieren können. Also ich denke mir, wir schupfen ja keine Jugendlichen aus Jux und Tollerei
ins LSF und auch der Distriktsarzt denke ich mir, entscheidet nicht einfach, weil er einen schlechten
Tag hat. Es ist dieses Vertrauen drauf, dass es wirklich Sinn macht, wenn es dann so weit ist, dass
wir das eben nicht tun, nur damit wir die Jugendlichen los werden. Also ich habe so das Gefühl,
manchmal wird uns das ein bisschen unterstellt. Wenn es schwierig wird, dann schieben wir sie ab,
aber das möchte ich eben nicht, dass der Glauben entsteht.“
Der nächste große Punkt in Bezug auf Erwartungen an die KJP bezieht sich auf die
Gesamtversorgung. Es wird erwartet, dass immer genügend freie Kapazitäten auf der kinder- und
jugendpsychiatrischen Abteilung vorhanden sind.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
97
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„Dass sie immer freie Plätze für unsere Jugendlichen haben und dass es dann nicht heißt, die
Jugendliche muss z.B. auf eine Erwachsenenstation, weil es nicht genug Plätze gibt. Das ist für
mich eher kontraproduktiv.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
118 - 119
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„(…)Dann erwarte ich mir, dass wenn man es dringend braucht, dass auch es einen Platz
gibt.(…)“
In Bezug auf Erwartungen von Seiten der KJP wurden ebenfalls Vermutungen geäußert.
Von sehr vielen der befragten Personen wurde angesprochen, dass sich die KJP von ihrer
Einrichtung erwarten würde, dass die Kinder und Jugendlichen nach einer kurzen Aufenthaltsdauer
wieder aufgenommen werden und dass die Jugendlichen nicht leichtfertig abgegeben werden. Dies
wurde von nahezu allen InterviewpartnerInnen ähnlich gesehen. Exemplarisch soll das folgende
Zitat diese Erwartungen von Seiten der KJP auf den Punkt bringen.
325
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
103 - 103
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„Ich glaube, dass die sich von uns genauso erwarten, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten
bestmöglich handeln, und nicht die Ressourcen die sie anbieten können ausreizen. Das heißt, nicht
einfach eben wie gesagt, spaßhalber, weil wir pädagogisch nicht mehr weiter wissen, gleich einmal
einweisen oder so. Das glaube ich erwarten sie sich von uns auch. Oder dass wir eben auch
Jugendliche längerfristig einfach betreuen und nicht gleich hinaus hauen sondern wirklich auch
länger schauen und mehr probieren.“
Weiters wurde angesprochen, dass sich das LSF auch einen guten Austausch und klar definierte
Ansprechpartner wünschen würde. Diese Erwartungen beruhen wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit,
da die Kooperation durch klar definierte Ansprechpartner und Erreichbarkeiten sehr erleichtert
wird.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
133 - 134
Code: Kooperation\interinstitutionelle Ebene
„Dass die Jugendlichen wieder zurück genommen werden wenn man runter bringt für eine
stationäre Behandlung. Ahm, dass man für Informationen zur Verfügung steht, bzw. es klare
Ansprechpartner gibt und nicht einmal der und einmal der. Ah, dann, ja, Zusammenarbeit. Ich
glaub das ist so das Wesentliche unter dem Gesichtspunkt, dass die Psychiatrie ein Krankenhaus ist
und nicht eine Jugendwohlfahrtseinrichtung.“
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Erwartungen von Seiten der stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sich vor allem auf Wertschätzung und Anerkennung des jeweils
anderen Standpunktes beziehen. Ebenfalls wichtig für stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
erscheint eine genaue psychiatrische Diagnostik sowie geeignete Medikation. Ein weiterer
wichtiger Aspekt besteht darin, dass erwartet wird, dass genügend Kapazitäten im Rahmen der
kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung zur Verfügung stehen.
In Bezug auf Erwartungen von Seiten der KJP wurde von vielen Befragten geäußert, dass das LSF
sich wahrscheinlich erwarten würde, dass Kinder und Jugendliche nicht leichtfertig abgegeben
werden und nach einer möglichst kurzen Intervention auch wieder in die Einrichtung zurückkehren
können. Auch klar definierte Ansprechpartner und ein Informationsaustausch würde von dieser
Seite erwartet werden.
326
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.2.2.6.3
Ebene der Gesamtversorgung
Wenn man über Kooperation spricht sollte die Ebene der Gesamtversorgung immer mit einbezogen
werden. Es sollte vor allem eine individuelle Einschätzung der Professionellen in Bezug auf das
bestehende Angebot der Jugendwohlfahrt in der Steiermark gegeben werden.
Diesbezüglich wird von den meisten InterviewpartnerInnen einerseits das Angebot der
Jugendwohlfahrt vor allem mit der Durchführungsverordnung zum Jugendwohlfahrtsgesetz
kritisiert, andererseits aber auch die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung. Vor allem in
Bezug auf die Kooperation muss der Aspekt der Gesamtversorgung und der fehlenden Ressourcen
besonders betont werden. Wie bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit beschrieben, benötigt
Kooperation auch Ressourcen (personell, zeitlich usw.).
Auch angesprochen wurde von den Befragten die Situation, wie sie von Glauninger- Holler (2006)
bereits beschrieben wurde. Eines der wichtigsten Kriterien in der Fremdunterbringung von Kindern
und Jugendlichen sind freie Kapazitäten in den einzelnen Einrichtungen. Oftmals können Kinder
und Jugendliche nicht in Einrichtungen untergebracht werden, die vielleicht am besten geeignet
wären, da nicht genügend freie Plätze vorhanden sind. So kommt es dazu, dass Kinder und
Jugendliche in Einrichtungen untergebracht werden, die gerade freie Kapazitäten haben. Dies wird
durch das folgende Statement verdeutlicht:
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
105 - 105
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Naja, ich weiß es nicht, ich denke es gibt durchaus viele Einrichtungen, die auf eine bestimmte
Zielgruppe abzielen und ich frage mich, wie sinnvoll das ist, wenn man Kinder zwingt
hineinzupassen, anstatt den umgekehrten Weg zu gehen und zu sagen, was brauchen die Kinder und
was sollen wir dafür bieten. Wir sind vielleicht zu stark spezialisiert, indem Einrichtungen sagen,
wir sind für die Kinder, wir für die Kinder und dann geht es aber eher wieder darum, wo sind
Kapazitäten und ich denke dann wird es eh auch wieder sehr bunt gemischt, wo ein freier Platz ist
ein Jugendlicher hingegeben wird obwohl er vielleicht- die Bedürfnislage gar nicht genau die
wäre.“
Hier wird auch noch einmal die Frage aufgeworfen, wie sinnvoll es ist, von diesen Kindern und
Jugendlichen in schwierigen Situationen zu verlangen, dass sie in ein bestimmtes Konzept passen.
An dieser Stelle müsste es vielmehr darum gehen, dass wir Angebote flexibler gestalten, sodass
auch diese Kinder und Jugendlichen hinein passen.
Ein weiterer Punkt ist die lange Wartezeit, die oft entsteht. Wenn eine Jugendwohngemeinschaft
alle Plätze belegt hat, kann eine Aufnahme erst wieder dann erfolgen, wenn ein Jugendlicher aus
der Wohngemeinschaft auszieht. Dadurch entstehen unterschiedlich lange Wartezeiten für die
327
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Kinder und Jugendlichen, die eine Möglichkeit zur Fremdunterbringung benötigen. Nachdem meist
nicht so lange gewartet werden kann, bis in der am besten geeigneten Einrichtung ein Platz
vorhanden ist, werden Ausweichmöglichkeiten gesucht. De facto ist es dann so, dass viele Kinder
und Jugendliche dort untergebracht werden, wo gerade ein Platz frei ist, was nicht immer die erste
Wahl ist. Dies wird durch das folgende Statement verdeutlicht.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
33 - 33
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Ja, aber das ist ganz unterschiedlich, das kann sein, dass ein Anruf kommt, und wir einen Platz
frei haben, das kann aber auch sein, dass wir einmal längere Zeit nichts haben. Und ich versuche
schon dann die Anfragen nach Datum abzuarbeiten wobei sehr oft dann die Sozialarbeiterin nach
anderen Lösungen sucht.“
Viele Einrichtungen berichten von Wartezeiten von bis zu einem Jahr, bis ein Platz frei wird und
wieder Kinder und Jugendliche aufgenommen werden können.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
141 - 143
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
I: Wie lange muss ein Jugendlicher Ihres Wissens nach auf einen Platz in ihrer Einrichtung warten?
„Das kann ein Jahr sein.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
54 - 55
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
I: Wie lange muss ein Jugendlicher auf einen Platz hier warten? Gibt es eine Warteliste?
„Ja, es ist derzeit eben ein Platz frei…sieben Anfragen. Ah, es kann manchmal sein, dass das eben
drei Wochen der Jugendliche schon einen Platz hat. Wenn wir voll sind, dann kann eine Wartezeit
von bis zu einem halben Jahr entstehen. Ah, wobei, das sage ich auch immer dazu, in einer Jugend
WG sich sehr schnell was ändern kann.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
111 - 111
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Unterschiedlich, also wir haben jetzt bis jetzt starke Fluktuation gehabt, im Jänner 2008, da
haben wir durchaus Anmeldungen sofort bearbeiten können. Allerdings befürchte ich, wenn jetzt
die Gruppe wieder stabil ist, dass das wieder durchaus bis zu einem halben Jahr, dreiviertel Jahr
wieder dauert, bis ein Platz frei ist.“
In Bezug auf die Wartezeiten ist die Situation laut den Interviews in nahezu allen befragten
Einrichtungen sehr ähnlich. Hier sind keine Unterschiede zwischen den Einrichtungen mit
häufigerem Kontakt zur KJP und denen mit weniger Kontakt zu beobachten.
328
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Auch von Seiten der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung müssten die Kapazitäten
erweitert werden, damit die Zusammenarbeit besser funktionieren kann. Hierzu ist zu sagen, dass
die kinder- und jugendpsychiatrische Station der Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz mit
einer Kapazität von 33 Betten plus 8 Tagesklinik- Plätzen für nahezu alle Einrichtungen in der
Steiermark und des südlichen Burgenlands die einzige Anlaufstelle in Bezug auf kinder- und
jugendpsychiatrische Fragen ist, wie ebenfalls durch die Interviews deutlich wurde. Vor allem, im
Hinblick auf die Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und der KJP
wäre der Ausbau ambulanter und tagklinischer Versorgung zu forcieren. In vielen Interviews wurde
die Situation der unzureichenden kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung angesprochen, wie
durch folgende ausgewählte Zitate verdeutlicht werden soll.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
121 - 121
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Und dann denke ich mir, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie viel zu überfüllt ist
wahrscheinlich um das abdecken zu können.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
122 - 122
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„(…) Also da sehe ich ganz viel Bemühen der Menschen zu kooperieren, aber zu wenig
Unterstützung praktisch. Ich weiß jetzt nicht, was los ist, warum es immer voll ist. Das ist ja jetzt
nicht eine Woche, sondern das ist ein Dauerzustand. Und dann denke ich mir, fühlen wir uns nicht
gut aufgehoben und für die ist es auch, wenn sie anrufen und hören, der nächste Platz ist dann zu
Schulschluss, ist es auch nicht so zielführend.“
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
70 - 70
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Es ist eben so, es liegt immer an der Auslastung vom LSF, sobald die Auslastung vollkommen
drüber ist, dann funktioniert es relativ schleppend, dass eigentlich so quasi will man die
Jugendlichen los werden, ich sage es wie es ist.“
Wenn auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Station ein Überbelag besteht, muss man Kinder
und Jugendliche entlassen, da sonst die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung für keine(n)
PatientIn gewährleistet werden kann. In diesen Situationen gilt es, jene Kinder und Jugendlichen zu
entlassen, deren Problemstellung entweder nicht so gravierend ist bzw. die bereits eine
professionelle Betreuung installiert haben. Es ist ja nur logisch, dass hier bei ähnlichen Problemen
jene Kinder und Jugendlichen entlassen werden, die von einer Jugendwohlfahrtseinrichtung betreut
werden, während jene in stationärer Behandlung bleiben müssen, deren psychosoziales Umfeld eine
Gefahr darstellt. Aufgrund der fehlenden Kapazitäten im kinder- und jugendpsychiatrischen Bereich
muss hier leider häufig nach diesen Gesichtspunkten entschieden werden. Ein weiterer Faktor, der
329
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
in dieser Arbeit bereits häufig angesprochen wurde, ist, dass die KJP häufig als Ausfallsbürge
missbraucht wird, und verschiedene Aufgaben übernimmt, die aufgrund der fehlenden Angebote
und der Überlastung in der Jugendwohlfahrt von dieser nicht übernommen werden können. Ein
Punkt in dieser Hinsicht ist zum Beispiel, dass die angesprochenen Wartezeiten von den Kindern
und Jugendlichen auf der Station verbracht werden müssen, da es keine anderen Möglichkeiten
innerhalb der Jugendwohlfahrt gibt, oder aber der Bereich der Sucht, wo die KJP immer wieder als
Lösung herangezogen wird. Dies wurde auch in den Interviews angedeutet:
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
124 - 124
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Und manchmal auch dankenswerter Weise das LSF dann einspringt für vier, fünf Wochen, bis
andere Hilfen organisiert sind, ah, dass der Jugendliche auch einmal weiter kann.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
94 - 94
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
„auch weiß, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie in vielen Fällen ja über ihren Bereich hinaus
arbeitet, weil sie ist keine Entzugsklinik eigentlich, es sind nur die Jugendlichen, die sie eigentlich
unterbringen müsste oder sollte, oder immer wieder sehr stark, wo es keine alternativen
Einrichtungen gibt, also für Kinder unter 16 jährigen ein Bereich ist, wo es sehr schwierig ist, weil
es da im Prinzip nichts gibt, nicht?“
Dies leistet mit Sicherheit auch einen Beitrag zur Situation, dass die Kinder und Jugendpsychiatrie
ständig überfüllt ist, wie in den Interviews immer wieder betont wurde.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
92 - 92
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Es ist ja wie gesagt mit dem LSF auch ein Problem mit den Plätzen. Das ist natürlich auch
dementsprechend. Ich denke mir, es ist prinzipiell nicht so eine schlechte Einrichtung, die haben
kein schlechtes Angebot. Das sagt auch der Jugendliche, der dort war, also es ist nicht so, dass es
ihm dort schlecht gegangen wäre, muss ich ehrlich sagen, aber auf die Plätze muss man dann halt
längere Zeit warten.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
101 - 101
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Also das was ich immer so höre, sie platzen aus allen Nähten und sie sind sehr voll, stelle ich es
mir stressig vor, aber ich denke mir, also ich würde mir schon erwarten nicht von, nur jetzt von
einer Kinder- und Jugendpsychiatrie, sondern allgemein von Stadt, Land, Bund, keine Ahnung, dass
man einfach, wenn man sieht, der Bedarf ist so groß, dass man einfach da wirklich Gelder fließen
lässt, dass man den Ausbau schafft, dass man mehr Personal anstellen kann, also ich glaube
einfach, dass letztendlich immer alles aufs Geld hinaus läuft und das ärgert mich einfach massiv.
[…]“
330
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Schwierigkeiten in der Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und
der KJP entstehen wie bereits angedeutet auch durch fehlende Angebote und fehlende
Einrichtungen.
So sind in den letzten Jahren zwar Krisenunterbringungen errichtet worden, dennoch besteht hier
mit Sicherheit noch ein zielgerichteter Bedarf an Kriseneinrichtungen, da dadurch eine Entlastung
der KJP passieren könnte. Nicht jede Krise erfordert gleich eine psychiatrische Behandlung.
Nachdem es aber im Moment außer der KJP keine Einrichtung gibt, in der kleinere Krisen oder
Schwierigkeiten in Einrichtungen abgefangen werden können, kommt es häufig zu einer
Einweisung in die KJP.
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
117 - 117
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
„(…)Krisenunterbringungen, wo es sicher noch ein zwei mehr braucht, weil das sollte auch eine
Vorstufe sein, vor der WG und nicht das LSF, wie es oft der Fall ist, aber ich denke mir, das gehört
noch mehr ausgebaut, weil sie doch recht wenig Plätze haben. Ja.“
Ein
Punkt
diesbezüglich
ist,
dass
die
finanziellen
Mittel
in
den
stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen zu gering sind, sodass Krisen nicht abgefangen werden können, wie
im folgenden Zitat auf den Punkt gebracht wurde:
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
99 - 99
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
„Ich glaub es fehlt oft gar nicht viel, dass es ausreichend oder hilfreich wäre. Aber es sind die
Ressourcen auch über diese, ah, Betagsatzung und so weiter gerade so knapp, dass viele
Einrichtungen bestimmte Krisen nicht überstehen können. Wenn ein bisschen ein Puffer und ein
bisschen ein Polster da wäre, könnte man vielleicht, ah, ja, wesentlich mehr Jugendliche zu Ende
begleiten.“
Andererseits bräuchte es, wie bereits erwähnt, Kriseninterventionszentren, die eventuell einerseits
vom Jugendwohlfahrtssystem und andererseits vom Gesundheitssystem finanziert werden.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
152 - 152
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
„(…) Meiner Meinung nach, ah, bräuchte es, also wäre gut, wenn es einerseits Krisenzentren geben
würde, ah, wo Jugendliche in akuten Krisen aufgefangen werden, was noch nicht Psychiatrie ist,
aber trotzdem eng zusammen arbeitet. Ah, auf der anderen Seite bräuchte es WGs, die…, mehr
WGs, die sehr therapeutisch arbeiten für Burschen, für Mädchen gibt's es. Aber da glaub ich
brauchen wir ein Stück des Umdenkens, dass auch Burschen in dem Bereich Unterstützung
brauchen. Ja, das sind so die Angebote, die meiner Meinung nach grad im
Jugendwohlfahrtsbereich fehlen würden.“
331
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Im Hinblick auf fehlende Angebote im Rahmen der Jugendwohlfahrt wurde durch die Interviews
deutlich, dass nicht nur ein Kriseninterventionszentrum sondern auch einige andere Einrichtungen
fehlen würden.
Vor allem in Bezug auf die Kooperation zwischen Jugendwohlfahrt und der KJP würde ein
Konsiliar- bzw. Liaisondienst fehlen, durch den eventuell wiederholende Überweisungen zwischen
der KJP und stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt minimiert oder verhindert werden
könnten. Dies wurde vor allem in einem Interview mit einer Vertreterin einer Einrichtung mit
häufigerem Kontakt zur KJP deutlich:
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
94 - 95
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
I: Wie könnte Ihrer Meinung nach die mehrmalige Überweisung von besonders schwierigen
Kindern und Jugendlichen zwischen Ihrer Einrichtung und der KJP verhindert werden?
“Ich glaube, dass dazu ein Konsiliararzt sehr wichtig wäre, um den wir uns auch bemühen und
durch intensivere Betreuungsmöglichkeiten und durch mehr Kapazitäten.”
Von
mehreren
InterviewpartnerInnen
wurde
auch
die
Idee
einer
psychiatrischen
Wohngemeinschaft, mit eventuell der Möglichkeit einer kurzzeitigen geschlossenen Unterbringung
als fehlendes Angebot, angesprochen.
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
109
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Ja, es fehlt einfach eine psychiatrische WG eindeutig. Sonst, also pädagogische sind super
abgedeckt, aber, psychiatrische WGs fehlen,(…).“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
94 - 94
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
„es müsste eigentlich so eine sozialpädagogische, kinder- und jugendpsychiatrische
Wohngemeinschaft geben. Das LSF hat eh so ein großes Areal und so, ob man da wirklich ein Team
auch zusätzlich verstärkt mit einem engagierten Arzt oder zwei die da im Team mitarbeiten und ein
bisschen mit einem multiprofessionellen Team das verschiedenste Bereiche abdeckt und so…wo ich
sage, das wäre ein interessantes Projekt auch in die Richtung was anzugehen und so, Und ich glaub
der Bedarf ist auch sehr stark da, wo man sehr individuell und passgenau mit den Jugendlichen
arbeiten kann, weil es einfach auch von einem anderen Bereich dann abgedeckt ist, was weiß ich
krankenkassentechnisch….und, und, und, und, also ich hab das dann so weiter gesponnen. Aber ich
denke mir schon, dass das also eine spannende Geschichte sein könnte und man den Jugendlichen
effektivere und passgenauere Hilfe eventuell geben könnte, nicht. Da ist in letzter Zeit bei mir so ein
Bild im Kopf entstanden.“
332
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
119 - 119
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
„bis jetzt auf so eine psychiatrische WG, die sicher sehr, sehr interessant werden könnte und sicher
notwendig werden könnte, bis auf das, finde ich das Angebot sehr gut.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
87 - 87
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
„Hm, da gibt es viele Ideen. Ich denke mir, da müsste ich weit ausholen. Also ich persönlich würde
mir vor allem für Graz wünschen, dass es eine Einrichtung gibt, die auch niederschwelligeren
Ansatz hat. Also ich glaub dass das, grad bei den Wiederholungsfällen und Kinder und
Jugendlichen, die schwer motivierbar sind, wir mit unserem Ansatz zu hoch sind. Und dass es da
einfach eine grundsätzliche Überlegung sein kann, vor allem eben auch die Drogenproblematik
fallt mir da jetzt ein. Da müsste einfach ein ganz ein anderes Konzept dahinter stehen und da
müsste einfach auch… Ja, da fehlt in Graz etwas. Ich denke mir mit extremer Drogenproblematik
fallt mir auf immer wieder und Jugendliche, die schwer motivierbar sind, mitzuarbeiten. Dafür fehlt
mir eine niederschwelligere Einrichtung, die aber auch längerfristig bereit ist, Jugendliche zu
betreuen. Also auch keine Kriseninstitution, sondern wirklich so konzeptionell gestaltet, wo auch
ganz andere Teamzusammenarbeit ist. Also da stelle ich mir auch ein Team vor, wo wirklich ein
Therapeut auch anwesend ist, auch von einem Arzt vertreten wird oder Ärztin, und
Sozialpädagogen. Also es müsste ein ganz ein anderes multifunktionelles Team sein und ein anderer
Ansatz da sein.“
Auch eine Intensivbetreuung bzw. eine mobile Betreuung vor allem für Kinder und Jugendliche
mit psychiatrischen Diagnosen wird als fehlendes Angebot innerhalb der Jugendwohlfahrt in der
Steiermark beschrieben.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
120 - 121
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
I: Gibt es ausser dem noch etwas von dem sie sagen, das fehlt in der Steiermark?
„Ja, mir würde jetzt schon was einfallen, abgesehen von den psychiatrischen Wohngemeinschaft.
Mobil betreutes Wohnen, psychiatrisches mobil betreutes Wohnen, das heißt wirklich so, was weiß
ich, kleine WGs oder so, wo psychiatrische Jugendliche mobil betreut werden könnten. Denke ich
mir, wäre auch nicht schlecht in weiterer Folge.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
101 - 101
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
„aber ich würde mir z.B. so Bauernhöfe wünschen, wo eine Intensivbetreuung stattfinden kann, wo
auch eine eins zu eins Betreuung möglich ist. In Oberösterreich gibt es das und das würde ich mir
auch für die Steiermark wünschen.“
333
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
113 - 114
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
I: Welche Angebote fehlen sonst noch?
„Ja, erlebnispädagogische Geschichten wären für mich ganz wichtig. Dann so bauernhofmäßig,
also wirklich so mit Tieren arbeitet, gibt's nichts. Also da gibt es einen im Burgenland, aber das ist
wieder nicht in der Steiermark. Solche Geschichten, wo man wirklich eins zu eins Betreuung
machen kann. Ja.”
Vor allem auch die DVO (LEVO) des Jugendwohlfahrtsgesetzes wird kritisiert, weil hier keine
therapeutischen Wohngemeinschaften mehr vorhanden sind und das Angebot nach Ansicht der
Professionellen besonders für Kinder und Jugendliche in schwierigen Situationen nicht ausreichend
und differenziert genug ist.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
113 - 114
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
I: Ist das Angebot für Kinder und Jugendliche in besonders schwierigen Situationen ihrer Meinung
nach ausreichend?
„Nein, laut der DVO überhaupt nicht. Wir müssen uns ja total danach richten. Dort stehen ja genau
die Leistungen drinnen, die auch bezahlt werden und alles was darüber hinausgeht, machen sie
sozusagen gratis. Sonst kann ich das eher wenig beurteilen.”
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
146 - 147
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung
„Also bei uns da finde ich ist eh noch ein Abstufung, indem es so Wohngruppen gibt wo so die
besser hinpassen oder die. Sonst erlebe ich es oft so, dass so erwartet wird von den Jugendlichen,
sich an das anzupassen wie es im Konzept ist oder so wie die anderen Jugendlichen sind oder ich
weiß nicht. Also da wird von den Jugendlichen eher erwartet, dass sie alle eh ähnlich sind.“
Ein weiterer Bereich in dem in den Interviews Defizite beklagt wurden, ist der Bereich der
Beschulung für besonders schwierige Kinder und Jugendliche
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
114 - 114
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
„Eine Wunschliste hätte ich ja. Das wäre so die Beschulung. Also wirklich eine Möglichkeit für
Jugendliche, die in der Regelschule nicht beschulbar sind, aber schulpflichtig sind, ist momentan
zwar die Ellen- Key in Graz da, aber da noch irgendein System aufbauen zu können (…).“
Weitere Punkte in Bezug auf fehlende Angebote innerhalb der Jugendwohlfahrt wären eventuell
aufsuchende
Angebote,
sowie
der
Ausbau
von
kombinierten
Wohn-
und
Ausbildungsmöglichkeiten, wie sie in einer Einrichtung in Graz angeboten werden. In einem
Interview wurde auch der Bedarf an Mutter- Kind- Einrichtungen vor allem für Mütter mit
psychischen Krankheiten angesprochen.
334
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
121 - 121
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\fehlende Angebote
„Jetzt fällt mir noch etwas ein, was fehlt, ah, Mutter- Kind Wohngemeinschaften. Eventuell auch für
psychisch kranke Mütter. Wir hätten so einen Fall, wo die Mutter das Kind gerne nehmen würde,
das Kind gern zur Mutter gehen würde. Die Mutter ist aber Borderlinerin, bezeichnet sie sich selbst
und sie kann nicht garantieren, ganz stabil zu sein, das schafft sie aber über weite Strecken, da mit
einer guten Betreuung wäre so eine Wohnform ideal, das wäre auch der Wunsch der Familie nur
gibt's es nicht.“
Auch wenn das Angebot der Jugendwohlfahrt in der Steiermark sehr kritisch beurteilt wird, gibt es
doch Bereiche, die auch hier gut funktionieren und bereits gut ausgebaut sind. Vor allem im
Vergleich zu anderen Bundesländer beurteilen die Befragten das Angebot in der Steiermark
durchwegs positiv. Vor allem sehen die InterviewpartnerInnen das Angebot im Kinderbereich oder
aber auch der sozialpädagogischen Wohngemeinschaften als gut ausgebaut.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
151 - 152
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\gut ausgebaute Angebote
„Also ich finde zum Beispiel einmal toll ausgebaut, dass es Heime gibt beziehungsweise
Wohngruppen. Das finde ich super. Ich finde es toll, dass es Wohngruppen für Burschen gibt, dass
es Wohngruppen für Mädchen gibt. Ich finde es auch toll dass es gemischte gibt, wenn sie noch ein
bisschen jünger sind, wenn sie zu alt sind dann stelle ich mir das schwierig vor. Ich finde auch, dass
die ambulanten Dienste zum Teil schon gut da sind, mobile Dienste. Ich finde die Erziehungshilfe
super, obwohl mir das nicht so gut gefallen hat jetzt mit den Vereinen, aber okay. […]“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
155 - 155
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\gut ausgebaute Angebote
„Ein Bereich, der gut ausgebaut ist….Ein Bereich der gut ausgebaut ist, ist meines Erachtens der
Kinderbereich, der ist sehr gut ausgebaut (…)“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
119 - 120
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\gut ausgebaute Angebote
I: Gibt es auch Bereiche in der Steiermark von denen Sie sagen, die sind gut ausgebaut?
„Prinzipiell im Vergleich zu Kärnten ist es sehr gut ausgebaut in der Steiermark, in Kärnten hapert
es noch ein bisschen, also wir hatten Vergleiche auf der Uni, also die gehen auseinander wie eine
Schere, also in der Steiermark bin ich sehr zufrieden, wie gearbeitet wird. Spezielle Bereiche kann
ich nicht sagen, ob sie jetzt ausgebaut werden sollten.“
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
117
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\gut ausgebaute Angebote
„Ahm, die sozialpädagogischen WGs, die sind gut.“
335
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
117 - 117
Code: Kooperation\Ebene der Gesamtversorgung\gut ausgebaute Angebote
“Was sicher gut ist, ist auch mit dem LSF, die sind auch nicht schlecht, die Tagesstruktur, wenn
nicht eine große Auslastung ist, und nicht Überfüllung finde ich eigentlich eine gute Struktur da
drinnen. Sonst mit der Zusammenarbeit finde ich auch gut, was so nicht in allen Bundesländern der
Fall ist.”
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass durch die Interviews mit den VertreterInnen der
stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen deutlich wurde, dass die Ebene der Gesamtversorgung
einen großen Einfluss auf die Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
und der KJP hat. Fehlende Ressourcen und Kapazitäten auf beiden Seiten, also einerseits auf der
Seite der Kinder und Jugendpsychiatrie und andererseits auf der Seite der Jugendwohlfahrt führen
häufig dazu, dass gerade Kinder und Jugendliche in schwierigen Situationen keine adäquate
Hilfestellung bekommen können. Nicht nur, dass Fremdunterbringungen in der Praxis häufig nach
dem Gesichtspunkt freier Kapazitäten passieren, auch gibt es zu wenig differenzierte und flexible
Angebote. So fehlen in der Steiermark vor allem therapeutische bzw. kinder- und
jugendpsychiatrische Wohngemeinschaften oder aber auch Intensivbetreuungsmöglichkeiten. In
einem Interview wurde interessanterweise auch die Vermutung geäußert, dass durch höhere
Tagsätze eventuelle Schwierigkeiten auch in den einzelnen Einrichtungen abgefangen werden
könnten. Trotz alledem wird in machen Interviews die Situation in der Steiermark im Vergleich zu
anderen Bundesländern eher positiv beurteilt. Vor allem sozialpädagogische Wohngruppen, der
Kinderbereich oder aber auch die Frühförderung und der Behindertenbereich wären nicht so
schlecht ausgebaut.
Anzumerken ist, dass in nahezu allen Interviews die Sparmaßnahmen beklagt wurden. Hier wäre zu
überlegen, ob dieser Bereich geeignet ist, um den Sparstift anzusetzen. Wenn nämlich für diese
Kinder und Jugendlichen keine adäquaten Hilfen zur Verfügung stehen, werden diese eventuell in
späteren Jahren noch mehr Hilfen z.B. vom Gesundheitssystem benötigen. Vor allem auch im Sinne
der Prävention kann hier nicht gespart werden.
336
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
12.2.2.7
Spannungsfelder- Kritikpunkte
Spannungsfelder und Kritikpunkte in der Zusammenarbeit zwischen stationären Einrichtungen der
Jugendwohlfahrt
und
der
KJP
ergeben
sich
vor
allem
durch
Schwierigkeiten
im
Informationsaustausch sowie eventuell auch dadurch, dass zu wenig voneinander gewusst wird und
somit wenig Verständnis für die jeweils andere Seite besteht.
Dies lässt sich vor allem daraus schließen, dass vor allem von den VertreterInnen einer Einrichtung
geäußert wurde, dass die KJP lediglich Medikamente verabreichen und somit die Kinder ruhig
stellen würde.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
98 - 100
Code: Kooperation\Kritik
I: Und was glauben sie, was die KJP leisten kann?
„………Kinder ruhig zu stellen. Das leistet sie. (lacht)“
Hierzu ist zu sagen, dass in dieser Einrichtung wahrscheinlich wenig Information über die moderne
kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung vorliegt, wo einen kleinen Teil die medikamentöse
Behandlung ausmacht. Mit dieser Einrichtung bestand auch weniger häufiger Kontakt. Hier könnten
diese Vorurteile darin begründet liegen, dass nahezu keine Zusammenarbeit besteht. Andererseits
wird man in dieser Einrichtung, wenn man schon so ein schlechtes Bild der KJP hat, wahrscheinlich
alles versuchen, um die Kinder und Jugendlichen diesem System nicht auszuliefern. Vielleicht lässt
sich auch dadurch erklären, dass diese Einrichtung eher wenige gemeinsame Fälle mit der KJP hat.
Nachdem aber anzunehmen ist, dass es auch in dieser Einrichtungen, nachdem die Klientel sehr
ähnlich ist, auch immer wieder zu Schwierigkeiten kommen wird, muss diese Einrichtung
Möglichkeiten gefunden haben, mit Schwierigkeiten umzugehen, ohne die KJP zu konsultieren. Ein
Faktor dahingehend ist sicher auch die Einstellung zu psychischen Krankheiten im Kindes- und
Jugendalter, die in dieser Einrichtung vorliegt.
Weitere
Kritikpunkte
in
der
Zusammenarbeit
beziehen
sich
auf
einen
schlechten
Informationsaustausch. Das heißt einerseits, dass von Seiten der KJP sehr wenig Information von
den Einrichtungen eingefordert wird und andererseits aber auch eventuell wichtige Informationen
nicht oder nur spärlich weiter gegeben werden. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang
erscheint es, dass Ansprechpersonen und Erreichbarkeiten auf beiden Seiten klar definiert sind.
337
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
49 - 49
Code: Kooperation\Kritik
„Kommt er das erste Mal runter und neu runter, dann sind wir eigentlich immer verwundert, wie
wenig das LSF einfordert von uns das Wissen einfordert. Das ist ein bisschen erstaunlich, dass das
relativ wenig ist.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-1
Gewicht:
100
Position:
127 - 127
Code: Kooperation\Kritik
„Dass gar nicht so viel gewusst werden will, jetzt von uns, von Seiten des Krankenhauses. Wobei
wir die Jugendlichen wahnsinnig gut kennen, weil wir eben besagte Diagnosesituation einfach von
unterschiedlichen Seiten über viele, viele Monate, aus verschiedenen Richtungen, verschiedene
Situationen…das muss man einmal haben. Das ist….das kriege ich ja, da kann ich viele, viele, viele
explorative Gespräche machen, komme ich dort nicht hin. Das heißt da einfach da auch so
irgendwie, wobei das glaube ich, auch besser geworden ist.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
57 - 57
Code: Kooperation\Kritik
„Und mit manchen Ärzten, die…wo wir die Erfahrung gemacht haben, dass der Austausch eben
nicht so gut lauft, weil wir nicht alle Informationen bekommen.“
Auffallend bei diesem Kritikpunkt des unzureichenden Informationsaustausches ist vor allem auch,
dass dies von jenen VertreterInnen von Einrichtungen mit weniger Kontakt zur KJP angesprochen
wurde. Man könnte also daraus schließen, dass wenn häufigere Zusammenarbeit besteht auch
weniger Probleme dahingehend auftreten, was sicher auch damit zu tun hat, dass man sich
persönlich und auch die Strukturen und Arbeitsweisen der jeweils anderen Einrichtung besser
kennt.
Vor allem ist auch wichtig, dass alle MitarbeiterInnen in die Zusammenarbeit mit einbezogen
werden und nicht nur diejenigen, die direkten Kontakt halten. Hier ist es besonders auch von
Vorteil, dass die MitarbeiterInnen der einzelnen Einrichtungen die Strukturen und Grundsätze der
anderen Einrichtungen kennen lernen, damit es nicht zu Missverständnissen oder Vorwürfen
kommt, die auf Unwissen und Unkenntnis basieren. Dieser Punkt wurde vor allem durch ein
Interview deutlich, in dem die Schwierigkeiten mit dem Pflegepersonal, das ja nur bei Besuchen
usw. Kontakt zu den Wohngemeinschaften hat, angesprochen wurden.
338
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
172 - 173
Code: Kooperation\Kritik
„Weil am schwierigsten war für mich die Zusammenarbeit mit den Krankenschwestern, das fallt
mir jetzt ein. Also, dass ich zum Beispiel schon, wenn ich die B. geholt habe oder so, habe ich
gemerkt, da hat sich einmal eine furchtbar bei mir aufgeregt, wie wir mit den Kindern umgehen und
dass wir sie immer hinunter schicken und so. Da hab ich mir nur gedacht, okay, lass es an dir
vorbei.“
Ein weiterer Kritikpunkt, der durch die Interviews deutlich wurde ist der Grundsatz, der in der KJP
gilt, nämlich dass Aufenthalte zwar so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich gehalten werden
sollen. Hier besteht anscheinend Uneinigkeit über die Notwendigkeit eines längeren psychiatrischen
Aufenthaltes. Es geht vor allem darum, dass von einzelnen Einrichtungen geäußert wurde, dass die
Kinder und Jugendlichen zu schnell wieder in die Einrichtung zurück entlassen werden würden, wie
folgende Zitate deutlich machen sollen.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
97 - 97
Code: Kooperation\Kritik
„Meine Vision, wäre halt nur möglicherweise, wenn der Jugendliche schon stationär ist, dass man
ihn dann länger und genauer anschaut. Also wir haben es oft erlebt, dass wir wirklich, ehm, eine
Jugendliche in einem akuten Krisenfall einweisen haben lassen müssen und sie war 3 Tage später
wieder bei uns. Wo ich einfach finde, dass das nicht sinnvoll ist. Also ich glaube, wenn es wirklich
konkret auch um eine neuerliche Abklärung gehen soll zur Stabilisierung, dass der Jugendliche
auch wirklich herunter kommt, dann sind drei Tage meiner Meinung nach einfach zu wenig. Und
dann ist er wieder in dem Umfeld, wo es vorher einfach, ahm, wirklich einen akuten Fall gegeben
hat.“
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
89 - 90
Code: Kooperation\Kritik
I: Was würden sie sich von der KJP erwarten?
„Ahm, vermehrte psychiatrische Abklärung, auch wenn Überforderungen da sind, wenn
Überlastungen sind im LSF, nicht dass sie nach 3 Tagen wieder zurück geschickt werden, ohne
irgend etwas.”
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt- IV-2
Gewicht:
100
Position:
53 - 54
Code: Kooperation\Kritik
„Es geht dann oft darum, dass der Aufenthalt im LSF so kurz wie möglich gehalten werden soll,
wenn ein Kind zu einer Krise dort ist. Und man hat dann auch wenig Möglichkeiten muss man
ehrlich sagen. Es gibt fast nur das LSF, dass man dann sagt, ein paar Tage länger wäre vielleicht
nicht schlecht, weil ich denke mir auch, oft brauchen die Kinder auch den Abstand von der WG. Es
ist vom LSF auch oft schon angesprochen worden, dass das ein Stück weit ein Abschieben wäre von
der WG, jetzt wissen wir gar nichts mehr, jetzt schieben wir ihn ab, jetzt geben wir ihn weg, und
dann wollen wir längere Zeit nichts mit ihm zu tun haben.“
339
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass dieses Ergebnis auch durch Interviews in einer Studie des
Deutschen Jugendinstituts (Hoops/Permien, 2006: 93) deutlich wurde. Hier heißt es:
„Andererseits beklagten Jugendämter und Heime immer wieder, die Kliniken würden ihnen ‚akut
gefährdete’ Jugendliche, die die Möglichkeiten der Jugendhilfe einfach überforderten, ‚nicht
abnehmen’ oder zu schnell wieder entlassen und ‚zu wenig mit ihnen arbeiten’, ehe sie sie wieder
an die Jugendhilfe verweisen. […] Hier erwartet die Jugendhilfe […] auch effektiv mehr
Unterstützung, zu der sich diese aber sowohl aus fachlichen wie aus Kapazitätsgründen nicht
immer in der Lage sieht.“
In den hier durchgeführten Interviews wird auch die Problemstellung angesprochen, dass das LSF
oft das Gefühl hätte, dass Kinder und Jugendliche „abgeschoben“ werden, was von Seiten der
Wohngemeinschaften auf keinen Fall so empfunden wird. In Bezug auf die Aufenthaltsdauern gibt
es hier immer wieder Spannungen, dass Einrichtungen längere Aufenthalte zur Abklärung wollen.
An dieser Stelle stellt sich jedoch die Frage, was eine psychiatrische Diagnose für die Arbeit in der
Einrichtung bedeutet, und ob dies wirklich hilfreich ist, oder ob es vielmehr darum gehen muss, für
diese Kinder und Jugendliche flexible Strategien zu finden, um den Handlungsspielraum zu
erweitern. Im Sinne der Lebensweltorientierung ist eine schnelle Rückführung in die jeweilige
Einrichtung auf jeden Fall zu befürworten. Hier wären eventuelle tagesklinische oder ambulante
Interventionen eher zu empfehlen.
Schwierigkeiten ergeben sich auch immer dann, wenn ein Konkurrenzdenken entsteht, oder
Vorwürfe gemacht werden, wie ebenfalls in den Interviews berichtet wurde.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
59 - 59
Code: Kooperation\Kritik
„Und was mir besonders wichtig ist, dass es wirklich eine Zusammenarbeit ist, dass man den
Jugendlichen im Mittelpunkt hat und schaut, was kann man für den Jugendlichen anbieten und
machen. Schwierig ist es immer dann geworden, wenn vor allem Konkurrenzdenken da ist.“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
66 - 66
Code: Kooperation\Kritik
„Kann ich auch erzählen. Das ist der 2. von 2 Fällen, weil sie so stark unterschiedlich sind, wo
wirklich Dinge nicht funktioniert haben, wo es sehr mühsam war überhaupt in Gespräche zu gehen,
in einen Termin zu gehen, wo man, wo eher immer wieder Vorwürfe im Raum gestanden sind, die
man sich gegenseitig zugeschoben hat, also wo nicht der Lösungsansatz der gemeinsame im
Vordergrund gestanden ist, sondern eher zu schauen was macht man falsch, dass es nicht
funktioniert. Wo sich Entscheidungen sehr in die Länge gezogen haben, wo jeder seinen
Helferbereich immer mehr ausgeweitet hat, und seinen… und mitgenommen hat, und wo es dann
letztendlich kein gemeinsam besprochenes Ende genommen hat, das was eher unbefriedigend war
von der Zusammenarbeit.“
340
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Zu diesem Ergebnis kam auch Birgit Kalter (2004: 46) in ihrer Studie über Krisenintervention und
Kooperation zwischen Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie. Sie schreibt dazu:
Es geht um gegenseitige Anerkennung und Akzeptanz, um Respekt vor der Eigenart des anderen,
anstatt um gegenseitige Begutachtung, Beauftragung, Bevormundung. D.h. Kooperation gelingt
nur zwischen „Gleichen“- nur prinzipiell gleich starke und eigenständige Systeme (Personen oder
Institutionen) können kooperieren, sonst wird bewertet, bauftragt, angeordnet, angewiesen.
Die gegenseitige Akzeptanz wurde auch in den durchgeführten Interviews mit den Professionellen
der stationären JW- Einrichtungen immer wieder angesprochen.
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
112 - 112
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„(…) gegenseitig sich auch respektiert und akzeptiert und letztendlich auch seine Grenzen
anerkennt und trotzdem schaut, wie kann man bestmöglich für den Jugendlichen einen Weg finden,
nicht. (…)“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
67 - 68
Code: Kooperation\interpersonelle Ebene
„(…) Ah, es ist aber die Bereitschaft beider, beider, beider Teams oder…ah, ausschlaggebend, es
ist ein Vertrauen in die Arbeit des anderen ausschlaggebend, ah, (Pause). Ja, das glaube ich sehr
stark.“
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
121 - 121
Code: Kooperation\optimale Zusammenarbeit
„(…) Sondern wirklich wenn wir als Fachkräfte sagen, es gibt Probleme mit dem Jugendlichen,
massive, kann man bitte einmal nachschauen, dass wirklich drauf geschaut wird, (…)“
Text:
wenig Kontakt\wenig Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
132 - 134
Code: Kooperation\optimale Zusammenarbeit
„Ja, dass die Götter in weiß ein bisschen auf die Erde kommen und vielleicht auch einmal andere
Sichtweisen zulassen (lacht).“
Noch einmal soll an dieser Stelle betont werden, dass sich Probleme in der Kooperation vor allem
auch immer dann ergeben, wenn die einzelnen Einrichtungen überlastet sind und keine Ressourcen
zur Verfügung stehen.
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
64 - 65
Code: Kooperation\Kritik
I: Wie haben sie so bisher die Zusammenarbeit erlebt? Wie sind ihre Erfahrungen?
„Ja sehr ambivalent, ganz klar. Ahm….es ist, das LSF ist auch immer sehr überfüllt, das heißt,
wenn wir dann wirklich einen Jugendlichen einliefern wollen, oder eine längere Unterbringung
bräuchten, dann ist es nicht möglich, weil dann 50 Jugendliche sind, und dann wird er 2 Tage
später wieder zu uns geschickt, ja. Manchmal, wenn es wirklich um Jugendliche geht, die bekannt
341
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
sind, wie bestimmte Jugendliche, die lange Erfahrungen im LSF haben, dann ist besser die
Zusammenarbeit, sonst ist eher so ein kurzes Intermezzo auf 3 Tage, 2 Tage, und dass dann wieder
zu uns geschickt wird. Ja, nicht recht positiv.”
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
126 - 127
Code: Kooperation\Kritik
I: Und wo ergeben sich Probleme?
„Ich glaube bei Akutsituationen und, ahm, ich denke, es ist dann einfach ein Wechselspiel, wenn es
bei uns akut ist, und im LSF ist es sehr voll, dann gibt es eher ablehnende Reaktionen und eher
Probleme in der Kooperation.”
Spannungen ergeben sich vor allem dort, wo Informationen nicht weitergegeben werden, oder sich
Fachleute in ihren Ansichten nicht ernst genommen fühlen. Vor allem auch die kurzen
Aufenthaltsdauern in der LSF werden von manchen Einrichtungen kritisch beurteilt. Spannungen
und Kritikpunkte ergeben sich wenn Einrichtungen überlastet sind. Hier ist einerseits wie bereits im
vorhergehenden
Kapitel
beschrieben
eine
Notwendigkeit
gegeben,
die
kinder-
und
jugendpsychiatrische Versorgung auszubauen. Andererseits ist es besonders wichtig, dass sich die
Einrichtungen untereinander kennen und auch die Personen kennen, mit denen kooperiert wird. Hier
ist es notwendig, dass das gesamte Team miteinbezogen wird, damit es nicht zu
Missverständnissen, Vorwürfen oder einem Konkurrenzdenken kommt.
12.2.2.8
Optimale Zusammenarbeit
In Anlehnung an das vorige Kapitel der Spannungsfelder und Kritikpunkte soll hier beschrieben
werden, wie sich die Fachleute stationärer Einrichtungen der Jugendwohlfahrt die optimale
Zusammenarbeit mit der KJP vorstellen würden.
Für einige der Befragten könnte eine optimale Zusammenarbeit durch mehr freie Kapazitäten und
Angebote erreicht werden. Hier wird erwartet, dass die KJP mehr Öffentlichkeitsarbeit betreibt.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-1
Gewicht:
100
Position:
127 - 128
Code: Kooperation\optimale Zusammenarbeit
I: Wenn man so von einer optimalen Zusammenarbeit ausgehen würde, wie würde das für die
aussehen?
„Die optimale Zusammenarbeit würde so ausschauen, dass wir mehr anbieten können, dass wir
eine Intensivgruppe hätten- das wäre fantastisch, denke ich mir auch fürs LSF mit mehr Personal.
Und mehr freie Kapazitäten, dass wir, wenn unsere Jugendlichen in eine Krise kommen, dass wir
das Gefühl haben, die wären gut aufgehoben unten. Und kommen auch so bald als möglich wieder
zurück zu uns.“
342
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
161 - 162
Code: Kooperation\optimale Zusammenarbeit
„Also optimal wäre für mich einmal, wenn die Kinder- und Jugendpsychiatrie an die Gesellschaft
geht, an die Politik und sagt, ihr müsst Plätze schaffen, dass unsere Jugendlichen auch eine tolle
Betreuung kriegen. Weil ich finde es ganz unpassend, nach einem halben Jahr Jugendpsychiatrie
direkt sich in die Gesellschaft eingliedern zu müssen. Ich finde das ist eine Überforderung. Ich finde
die sollten einmal eine Lobby schaffen für diese Jugendlichen und politisch Druck machen, dass die
auch in Wohngruppen gerne genommen werden und dass das nicht so ein Danke dann sein muss.
Das würde ich mir erwarten.”
Ein weiterer Punkt sind mehr zeitliche Ressourcen, sodass es möglich ist, sich jedem einzelnen
Jugendlichen mehr zu widmen.
Weiters wurde in den Interviews erwähnt, dass sich eine optimale Zusammenarbeit in die Richtung
gestaltet, dass wenn Fachkräfte der Jugendwohlfahrt um Aufnahme bitten, dass dies auch erfolgt.
Durch diesen Wunsch werden eventuell Unstimmigkeiten zwischen den Berufsgruppen deutlich. Es
kommt immer wieder vor, dass Einrichtungen der Jugendwohlfahrt um Aufnahme bitte, von Seiten
der Kinder- und Jugendpsychiater jedoch keine Indikation für eine stationäre Aufnahme gefunden
wird.
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
121 - 121
Code: Kooperation\optimale Zusammenarbeit
„Optimale Zusammenarbeit, würde ich mir so vorstellen, dass einfach wieder mehr Zeit ist, sich
den Jugendlichen zuzuwenden. Im LSF dass wirklich der Jugendliche sich angeschaut wird, wo
steht er, was für Probleme gibt es und nicht einfach wieder zurück geschickt wird. Für eine Nacht
und die Krise ist vorbei. Sondern wirklich wenn wir als Fachkräfte sagen, es gibt Probleme mit dem
Jugendlichen, massive, kann man bitte einmal nachschauen, dass wirklich drauf geschaut wird, ist
sicher eine Möglichkeit wenn der Kinder- und Jugendbereich vergrößert wird im LSF ganz klar und
es auch mehr Betten gibt. Ja, das ist eindeutig für mich das Wichtigste.”
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt III-2
Gewicht:
100
Position:
131 - 131
Code: Kooperation\optimale Zusammenarbeit
„Also optimal denke ich mir wäre sicher, wenn vom Jugendlichen einfach, oder von uns her der
Bedarf da ist, der Jugendliche braucht jetzt wirklich drei, vier Tage psychiatrische Auszeit, sage ich
jetzt unter Anführungszeichen, aber eben auch eine Kontrolle oder auch einen Raum, wo er auch
ein bisschen herunter kommen kann, und auch wo sich die Wogen gesamt gesehen in der Gruppe
glätten, dass das einfach von heut auf morgen funktionieren kann. Das wäre einfach fein.“
Ein weiterer Aspekt der optimalen Zusammenarbeit bezieht sich auf die Kommunikation und
Offenheit untereinander. Ein Klima, wo die Thematiken angesprochen werden können und
gemeinsam ein Weg gefunden werden kann, ohne Konkurrenzdenken oder ein Abgeben und
Verschieben von Kompetenzen.
343
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Auch ein Kontakt unabhängig von den Einzelfällen, das heißt eventuell jährliche Treffen und ein
Austausch werden im Hinblick auf eine optimale Zusammenarbeit vorgeschlagen.
Vor allem InterviewpartnerInnen aus Einrichtungen mit häufigerem Kontakt sehen die
Zusammenarbeit jetzt bereits als optimal an und wüssten nicht, was noch zu verbessern wäre.
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt II-2
Gewicht:
100
Position:
125 - 126
Code: Kooperation\optimale Zusammenarbeit
I: Und würden Sie sich auch so die optimale Zusammenarbeit vorstellen?
„Ja im Moment eben bin ich am Optimum, ich lasse mich immer gerne überraschen, dass es noch
besser wird. Vielleicht werden im Laufe der Jahre mehr Probleme auffallen. Aber so wie ich es
wahrgenommen habe so in den eineinhalb Jahren, also im letzten Jahr und 3 Monaten ist es eine
sehr gute Zusammenarbeit und mit Erfolgen gekrönt.“
Text:
häufiger Kontakt\viel Kontakt I-2
Gewicht:
100
Position:
86 - 87
Code: Kooperation\optimale Zusammenarbeit
I: Können sie mir da speziell einen Fall schildern, bei dem die Zusammenarbeit besonders gut
funktioniert hat?
„Ja bei der B. würd ich sagen, aber auch bei der S. ich wüsste nicht, wie es besser laufen sollte, mit
dem Wissen, dass das da unten ja auch ein eigener Apparat ist, und wir da ein eigener Apparat sind
und dass das sehr mühselig sein kann, wenn da der eine vom anderen etwas will, finde ich, dass es
optimal gelaufen ist.“
Hier zeigt sich wieder, dass die Zusammenarbeit vor allem dann besser funktioniert, wenn man
häufigeren Kontakt hat.
12.2.3
Resümee
Hier sollen kurz die wichtigsten Ergebnisse der Interviewauswertung vor allem mit Blick auf die
Fragestellungen zusammengefasst werden.
In Bezug auf die erste Fragestellung, die durch den qualitativen Teil der Arbeit beantwortet werden
sollte (vgl. Kapitel 10.3) und sich auf Unterschiede zwischen den Einrichtungen der JW mit denen
es eine häufige Kooperation gibt und denen, mit denen nur wenig bis gar keine Kooperation
vorhanden ist, bezieht, lassen sich folgende Punkte festhalten:
Hinsichtlich struktureller Voraussetzungen konnte festgestellt werden, dass die befragten
Einrichtungen mit weniger Kontakt auch weniger Kapazitäten hatten. Das heißt, die Einrichtungen
waren kleiner. Dies ist allerdings eher als Hinweis aufzufassen und müsste durch eine quantitative
Untersuchung verifiziert werden. Allerdings lässt sich dadurch die Hypothese formulieren, dass
jene
Einrichtungen
mit
weniger
Kindern
344
und
Jugendlichen
seltener
kinder-
und
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
jugendpsychiatrische Hilfe benötigen. Auch konnte ein Hinweis darauf gefunden werden, dass
jüngere Einrichtungen häufigeren Kontakt zur KJP hatten.
Die Aufnahmeverfahren gestalten sich in den einzelnen Einrichtungen teilweise sehr ähnlich. Hier
legen manche Einrichtungen einen sehr großen Wert auf die Freiwilligkeit und sehen die Aufnahme
als aktiven Akt von Seiten des Kindes oder Jugendlichen an. Diese Freiwilligkeit in stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt sollte jedoch kritisch hinterfragt und diskutiert werden. Eine
Einrichtung trägt der Tatsache Rechnung, dass es sich in der Jugendwohlfahrt meist auch um einen
Zwangskontext handelt, und gestaltet auch das Aufnahmeverfahren dementsprechende sehr
unterschiedlich.
Die Tagesstruktur in den einzelnen Einrichtungen unterscheidet sich auch nicht sehr wesentlich.
Der einzige Unterschied besteht allerdings darin, dass manche Einrichtungen bewusst ein sehr
wenig strukturiertes Freizeitprogramm anbieten. Hier kann jedoch durch die Interviews kein
Zusammenhang zwischen einer weniger straffen Tagesstruktur und der Häufigkeit des Kontakts zur
KJP festgestellt werden.
In Bezug auf die pädagogische Grundhaltung konnten ebenfalls keine wesentlichen Unterschiede
zwischen den Einrichtungen mit häufigerem und jenen mit weniger Kontakt zur KJP festgestellt
werden. Es stellte sich zwar heraus, dass manche Einrichtungen ein sehr klares pädagogisches
Konzept vertreten, während andere eher von individuellen pädagogischen Überzeugungen geprägt
sind. Es kann jedoch nicht gesagt werden, dass jene Einrichtungen mit weniger Kontakt auch ein
klareres pädagogisches Konzept vertreten.
Die Definition von Problemfällen ist sehr individuell und unterschiedlich. Auffallend ist jedoch,
dass jene Einrichtungen mit häufigerem Kontakt Problemfälle auch in Richtung psychiatrischer
Diagnosen beschreiben. Dies weist möglicherweise darauf hin, dass das Verhalten in diesen
Einrichtungen eher pathologisiert wird. Es könnte jedoch auch sein, dass man in diesen
Einrichtungen durch diverse Erfahrungen für psychiatrische Auffälligkeiten sensibler geworden ist.
In allen befragten Einrichtungen sind auch Kinder- und Jugendliche mit psychiatrischen Diagnosen
untergebracht, unabhängig davon ob eher häufiger oder eher weniger Kontakt zur KJP bestand.
Ebenfalls ist in allen Einrichtungen mindestens ein Kind oder Jugendlicher untergebracht, der
Psychopharmaka nimmt. Das heißt, man kann davon ausgehen, dass in allen Einrichtungen die
Klientel eine sehr ähnliche, mit ähnlichen Problemstellungen, ist. An dieser Stelle ist jedoch
festzuhalten, dass nicht alle Befragten diesbezüglich Auskunft geben konnten. Das heißt, dass
345
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
psychiatrische Diagnosen anscheinend für die pädagogische Arbeit nicht immer relevant sind.
Trotzdem gehören ein Grundverständnis von psychiatrischen Krankheiten sowie ein Wissen
darüber, ob eine psychiatrische Störung vorliegt auch zu professioneller pädagogischer Arbeit.
Ein klarer Unterschied konnte in Bezug auf den Umgang mit psychiatrischen Diagnosen gefunden
werden. Es wurde deutlich, dass jene Einrichtungen mit weniger häufigem Kontakt psychiatrischen
Diagnosen auch eine nebensächliche Bedeutung zuschreiben und diese nicht in den pädagogischen
Alltag einfließen lassen.
Durch die Interviews wurde ebenfalls deutlich, dass es für die einzelnen stationären Einrichtungen
nur sehr wenige externe Unterstützungsmöglichkeiten gibt. In erster Linie werden hier das Team,
im speziellen die Supervision als hilfreich erlebt. Externe Unterstützung gibt es am ehesten noch in
Form von Therapeuten oder durch das LSF, jedoch konnten fast keine Unterstützungsmöglichkeiten
innerhalb der Jugendwohlfahrt genannt werden.
Als Gründe für die Überweisung in die KJP wurde vor allem die Selbst- und Fremdgefährdung
sowie der Wunsch nach psychiatrischer Abklärung genannt. Hier ist jedoch festzuhalten, dass
diesbezüglich die individuellen Einschätzungen eine große Rolle spielen. Noch einmal sei hier auf
die Dokumentenanalyse verwiesen die zeigte, dass Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen nicht
häufiger im geschützten Bereich aufgenommen wurden als andere und die Abklärung im Vergleich
zu den Kindern und Jugendlichen, die nicht in stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
untergebracht waren einen geringeren Teil ausmacht. Eine wesentliche Rolle spielt jedoch die
entlastende Wirkung der KJP für stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, die von allen
Befragten bestätigt wurde. Somit kann die Hypothese 8 (vgl. Kapitel 10.2), die sich auf die
entlastende Wirkung der KJP für stationäre JW- Einrichtungen durch die Interviews als bestätigt
angesehen werden. Für stationäre Fremdunterbringungsmöglichkeiten der Jugendwohlfahrt hat die
Hilfestellung durch die KJP eine entlastende Wirkung
Als schwierige Situationen wurden in dieser Arbeit vor allem selbstverletzendes und aggressives
Verhalten bezeichnet. Dies sind auch jene Bereiche, für die sich nach Ansicht der Befragten eine
Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie ergibt. Somit kann die Fragestellung, wann,
bzw. bei welchen Kindern und Jugendlichen sich der Bedarf der Zusammenarbeit ergibt (vgl.
Kapitel 10.3) aus durch die Interviews beantwortet werden.
Hier zeigte sich in den einzelnen Einrichtungen auch ein unterschiedlicher Zugang. In Bezug auf
selbstverletzendes Verhalten zum Beispiel gibt es Einrichtungen, die eine klare Prozedere haben,
346
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
wenn es zu selbstverletzendem Verhalten kommt. Es wird sofort ein Arzt oder das Krankenhaus
aufgesucht und eventuell weitere Schritte bis hin zur Einweisung in die KJP veranlasst. Andere
Einrichtungen hingegen meinen, dass auch selbstverletzendes Verhalten pädagogisch bearbeitbar ist
und per se nicht ein Grund für eine Einweisung ist. An dieser Stelle kann zwar der unterschiedliche
Zugang verschiedener Einrichtungen festgestellt werden, es kann jedoch nicht bestätigt werden,
dass jene Einrichtungen mit häufigerem Kontakt in solchen Situationen auch eher einweisen.
Festzuhalten ist, dass die unterschiedlichen Einrichtungen auch mit Sicherheit unterschiedliche
Verhaltensgrenzen definieren, wann in schwierigen Situationen der Punkt erreicht ist eine
Einweisung in die KJP zu veranlassen. Zusätzlich kommt es auch noch auf die individuelle
Einstellung der BetreuerInnen und deren Erfahrung an.
Unbestritten bleibt, dass es Kinder und Jugendliche gibt, die zwischen den Einrichtungen hin und
her geschoben werden. Um dieses zu verhindern wäre laut Aussagen der Fachkräfte einerseits ein
Konsiliar- oder Liaisondienst bzw. auch eine kinder- und jugendpsychiatrische Wohngemeinschaft
hilfreich. Zusätzlich wird die Forderung nach einer ausführlichen psychiatrischen Diagnostik
deutlich, die jedoch nur dann Sinn machen kann, wenn diese auch in die pädagogische Arbeit
miteinbezogen wird. An dieser Stelle wurde jedoch durch die Interviews deutlich, dass
psychiatrische Diagnosen nicht immer Relevanz für die PädagogInnen haben. Diesbezüglich zeigte
sich jener Unterschied, dass BetreuerInnen aus Einrichtungen mit weniger Kontakt zur KJP
psychiatrischen Diagnosen auch weniger Bedeutung vor allem für das eigene pädagogische
Handeln zuschreiben. An dieser Stelle ist es sicher von Bedeutung, inwieweit ein gewisses
Problemverhalten pathologisiert wird. Wenn dieses von PädagogInnen als krankhaft interpretiert
wird, wird man natürlich Hilfe und Rat in der KJP suchen. In Bezug auf die Fragestellung, welche
Konsequenzen Fachleute aus psychiatrischen Diagnosen ziehen (vgl. Kapitel 10.3), kann somit
festegestellt werden, dass der Umgang diesbezüglich sehr unterschiedlich ist. An dieser Stelle ist
noch einmal zu erwähnen, dass nicht alle Befragten Auskunft darüber geben konnten, wie viele der
betreuten Kinder und Jugendliche psychiatrische Diagnosen haben. Somit stellt sich die Frage, ob
das Wissen über psychiatrische Diagnosen für professionelles pädagogisches Handeln von
Bedeutung ist.
Ein weiterer Punkt der an dieser Stelle noch einmal betont werden soll ist, dass wenn die Fachkräfte
an ihre Grenzen stoßen, es meist keine andere Möglichkeit gibt, als die KJP zu konsultieren. Dies
soll durch das folgende Zitat wiederum betont werden:
347
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Text:
häufiger Kontakt\viel kontakt III-1
Gewicht:
100
Position:
123 - 123
Code: Kooperation
„Ah, ich denke man muss immer aufpassen, dass wir ja nicht abschieben ins LSF, weil die Angst ist
immer da, so quasi wenn wir nicht können, schicken wir sie ins LSF. Ist oft sogar gewesen, ganz
klar, gebe ich zu. Nur wir haben das Problem, was sollen wir machen? Die Eltern nehmen ihn
nicht, ah, wir können... in der WG ist es nicht möglich dass er bleibt. Und dass es da eine
Zwischenlösung geben muss, und vielleicht gibt es psychiatrische, neben Krisun oder Tartaruga, so
was in der Richtung.“
Hier wird vor allem die Hilflosigkeit, die auch durch fehlende Angebote innerhalb der
Jugendwohlfahrt entsteht, deutlich. Wir haben es in der Jugendwohlfahrt ohnehin mit Kindern und
Jugendlichen in schwierigen Situationen zu tun. Einige von ihnen brauchen jedoch mehr
Ressourcen, als ihnen eine sozialpädagogische Wohngemeinschaft bieten kann. Hier müssen wir
einerseits Kooperationsmodelle finden und andererseits auch neue Einrichtungen konzipieren, die
genügend Ressourcen zur Verfügung haben, um auch diese sozial- und emotional benachteiligten
Kinder halten zu können.
Ein weiterer wichtiger Bereich in den Interviews war die geschlossene Unterbringung im
Jugendwohlfahrtsbereich. Hier steht die Hypothese dahinter, dass ein Grund für die Einweisung in
die KJP der geschützte Bereich ist und dass, wenn es in Jugendwohlfahrtseinrichtungen die
Möglichkeit gäbe, kurzzeitig die Türe zuzusperren, manche Einweisungen verhindert werden
könnten (vgl. Hypothese 11- Kapitel 10.2). In den Interviews spiegelt sich die öffentlich
kontroverse Diskussion um geschlossene Unterbringung wider. Einige lehnen diese kategorisch ab,
während andere einen Bedarf unter gewissen Umständen erkennen würden. Vor allem in einem
Interview wurde jedoch deutlich, dass die Möglichkeit der Unterbringung im geschützten Bereich
der Abteilung ausschlaggebend für die Einweisung war.
Ebenfalls
wurde
durch
die
Interviews
deutlich,
dass
die
in
den
stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen Beschäftigten Ausbildungen in sehr unterschiedlichen Bereichen
aufweisen. Die meisten Befragten äußerten, in der Ausbildung zwar mit psychiatrischen
Krankheitsbildern konfrontiert worden zu sein, in Bezug auf den Umgang mit schwierigen
Situationen durch die Ausbildung jedoch wenig vorbereitet worden zu sein. Diesbezüglich lässt sich
der erste Teil der Hypothese 12 (vgl. Kapitel 10.2) bestätigen. BetreuerInnen in stationären JWEinrichtungen wurden während ihrer Ausbildung nicht oder nur sehr wenig auf den Umgang mit
besonders schwierigen Kindern und Jugendlichen vorbereitet. Hier fühlten sich nur jene mit
psychotherapeutischer Zusatzausbildung und ein weiterer Befragter ausreichend vorbereitet, was
einen
Hinweis
darauf
liefert,
dass
die
Praxis
348
sowie
die
Selbsterfahrung
in
der
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
psychotherapeutischen Ausbildung eine Rolle spielt. Auch wenn man theoretisch wahrscheinlich
nie ausreichend auf die Praxis vorbereitet werden kann, sollte diese Tatsache doch in die
Konzeptionierung pädagogischer Ausbildungen mit einbezogen werden. Vor allem erscheint die
Einbeziehung
der
Selbsterfahrung
und
Selbstreflexion
insbesondere
im
Umgang
mit
Gewalttätigkeiten und selbstverletzendem Verhalten von besonderer Bedeutung. Auch die
Absolvierung diverser Pflichtpraktika in den unterschiedlichen Ausbildungen sollte vermehrt zum
Thema gemacht werden.
Die Kooperation der befragten Einrichtungen zur KJP wurde vor allem durch gemeinsame Fälle
aufgebaut. Grundsätzlich läuft der Kontakt über die interpersonelle Ebene. Es gibt keine
institutionalisierte Kooperation mit einem klaren Konzept. Dies wäre in der Folge zu bearbeiten und
zu entwickeln.
Die Frage nach Erwartungen stationärer Einrichtungen der JW an die KJP (vgl. 10.3) lässt sich
ebenfalls durch die Interviews beantworten. Erwartungen beziehen sich vor allem auf gegenseitige
Wertschätzung und Anerkennung bzw. eine ausreichende psychiatrische Diagnostik und geeignete
Medikation. Ebenfalls werden ein Informationsaustausch und klar definierte Ansprechpartner
erwartet. In Bezug auf Erwartungen von Seiten der KJP wurde die Vermutung geäußert, dass diese
sich wahrscheinlich erwartet, dass Kinder und Jugendliche nicht leichtfertig abgegeben werden.
Durch die Interviews wurde wie bereits angenommen auch deutlich, dass die Ebene der
Gesamtversorgung wesentlich zur Kooperation beiträgt. Vor allem fehlende Ressourcen und
Angebote führen dazu, dass für Kinder und Jugendliche in schwierigen Situationen keine adäquaten
Hilfen vorhanden sind und sich Fachkräfte und Einrichtungen überfordert fühlen. Bezugnehmend
auf die Hypothese 13 (vgl. Kapitel 10.2) kann somit folgende Schlussfolgerung gezogen werden:
Durch die Interviews konnte festgestellt werden, dass Angebote im Rahmen der JW ausgebaut
werden müssen. Vor allem auch Institutionen (z.B. kinder- und jugendpsychiatrische
Wohngemeinschaften usw.), die sich sowohl auf das Gesundheitssystem wie aber auch das System
der JW beziehen, wurden von den befragten Fachkräften immer wieder gefordert.
In schwierigen Situationen werden vor allem das Team, speziell die Supervisionen als hilfreich
empfunden, während es von außen eher wenig Unterstützungsmöglichkeiten von Seiten der
Jugendwohlfahrt gibt. Aus diesem Grund wird häufig die KJP konsultiert, da es sonst keine
Möglichkeiten gibt. Die Hypothese, dass dien Schaffung möglichst gemeindenaher ambulanter
Dienste die KJP entlasten würde (vgl. Kapitel 10.2) lässt sich in diesem Zusammenhang nicht
überprüfen. Es gibt jedoch einen Hinweis darauf, dass zusätzliche psychiatrische Hilfen die KJP
entlasten.
349
Ergebnisse der Untersuchung und Diskussion
Spannungen in der Zusammenarbeit ergeben sich vor allem durch einen mangelnden
Informationsaustausch und das Gefühl von Seiten der Einrichtungen in ihrem Standpunkt teilweise
nicht ernst genommen zu werden und als Professionelle nicht genügend Wertschätzung zu erfahren.
Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auch darauf, dass die kinder- und jugendpsychiatrische Station
immer überlastet ist und zu wenige Kapazitäten gegeben sind. Dies ist vor allem auch in Bezug auf
die Gesamtversorgung öfters angesprochen worden.
Auch im Hinblick auf eine optimale Zusammenarbeit wurde der Wunsch immer wieder deutlich
angesprochen, dass mehr freie Kapazitäten bestehen müssten. Ebenfalls wurde ein wertschätzendes
Klima, in dem alle Thematiken offen angesprochen werden können und es nicht zu einem
Konkurrenzdenken kommt, als Wunsch thematisiert. Einige Einrichtungen, vor allem jene mit
häufigerem Kontakt berichten jedoch bereits von einer optimalen Zusammenarbeit. Es konnte
durchwegs beobachtet werden, dass in den Einrichtungen mit weniger häufigem Kontakt die
Kooperation auch kritischer beurteilt wurde. Dadurch wird deutlich, dass ein wesentlicher Aspekt in
der Kooperation das gegenseitige Kennen lernen und Verstehen der Konzepte ist.
Durch die Interviews wurde klar, dass es nicht unbedingt einen Unterschied in der Struktur der
einzelnen Einrichtungen mit häufigerem und mit weniger Kontakt gibt. Es bestehen jedoch
Unterschiede in Bezug auf die Beurteilung problematischen Verhaltens. Ebenfalls zeigte sich, dass
es für stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt nur sehr wenige Unterstützungsmöglichkeiten
von außen gibt. Daher bleibt ihnen meist gar keine andere Wahl, als in schwierigen Situationen die
KJP zu konsultieren. Hier müssten unbedingt neue Einrichtungen und Konzepte geschaffen werden,
damit es möglich wird, auch für besonders schwierige Kinder und Jugendliche adäquate
Hilfemaßnahmen zu bieten. Im Moment scheint es allerdings im Jugendwohlfahrtssystem so zu
sein, dass sich Kinder und Jugendliche mit multiplen Problemen an die Einrichtungen anpassen
müssen. Wenn sie jedoch immer wieder die Grenzen überschreiten, werden sie genau aus
demselben Grund entlassen, weshalb eine Fremdunterbringung überhaupt notwendig wurde. Dies
löst in den Kindern wieder ein Gefühl des Versagens aus und ist von zahlreichen
Beziehungsabbrüchen verbunden. Ein weiterer Punkt bezieht sich darauf, dass es zu wenige
Möglichkeiten der Fremdunterbringung gibt und sich die Einrichtungen teilweise die Kinder und
Jugendlichen aussuchen können. Natürlich wird sich eine Einrichtung dann nicht für das Kind oder
den Jugendlichen mit der schwierigsten Vorgeschichte entscheiden. Ebenfalls kritisch hinterfragt
und zur Diskussion gestellt soll die Freiwilligkeit in der Jugendwohlfahrt werden.
350
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
13 Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
In diesem Kapitel sollen konkrete Vorschläge gemacht werden, durch die die Kooperation zwischen
stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und der KJP verbessert werden könnte. Dabei
werden neben der interpersonellen und der interinstitutionellen Ebene vor allem die Ebene der
Gesamtversorgung berücksichtigt. Die Vorschläge ergeben sich einerseits aus den Ergebnissen der
empirischen Studie, wie aber auch aus der Literatur zu diesem Thema.
Schon Gintzel und Schone (1990: 47f) haben aufgrund ihrer Studie in Deutschland in den 1990er
Jahren einige Empfehlungen formuliert, die wie die vorliegende Studie nahe legt zu einer
Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und
der KJP auch in der Steiermark beitragen könnten. Sie meinen:
-
von Seiten der Heime muss eine kontinuierliche Beratung, Fortbildung und Supervision für
die MitarbeiterInnen sichergestellt sein, um diese in die Lage zu versetzen, in
Krisensituationen angemessen zu reagieren und mit Fällen „permanenter Ratlosigkeit“
umgehen zu können.
-
Für die
Fachkräfte
der Jugendwohlfahrtseinrichtungen
sind
Fortbildungsangebote
sicherzustellen, die sie befähigen Krisen besser und früher zu erkennen und diese schließlich
auch zu bewältigen. Schon in der Ausbildung der Fachkräfte sollte dem Problem des
Auftretens von Krisensituationen mehr Platz eingeräumt werden.
-
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt müssen die Möglichkeit der Beratung durch einen
Jugendpsychiater haben. Eine wirkungsvolle Beratung setzt allerdings die Bereitschaft
beider Seiten voraus, sich auf die Sichtweisen des jeweils anderen einzulassen.
-
Wenn Jugendpsychiater von der Einrichtung zur Diagnose und gegebenenfalls zur
Behandlung hinzugezogen wird, muss zuerst geprüft werden, inwieweit die Diagnose
und/oder Behandlung in der Einrichtung durchzuführen ist.
-
Wenn eine Überweisung von einer Einrichtung in die kinder- und jugendpsychiatrische
Klinik stattfindet, sollte sichergestellt sein, dass ein umfassender Verständigungsprozess
zwischen den Fachkräften der KJP und den Einrichtungen der Jugendwohlfahrt frühzeitig
erfolgt.
Bei
ad-hoc
Überweisungen
z.B.
nach
Suizidversuchen
muss
der
Verständigungsprozess unmittelbar eingeleitet werden.
-
Vom Heim sollen die organisatorischen und finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt
werden, sodass die GruppenmitarbeiterInnen das Kind oder den Jugendlichen regelmäßig in
351
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
der Klinik besuchen können. Analog zur Einbeziehung der Eltern muss die Klinik die
Einbeziehung der HeimmitarbeiterInnen gewährleisten.
-
Bei der Überweisung von einer Einrichtung der Jugendwohlfahrt in eine kinder- und
jugendpsychiatrische Klinik muss sichergestellt sein, dass das Kind oder der Jugendliche in
die Einrichtung zurückkehren kann. Die Klinik darf nicht als Zwischenstation bei einer
Verlegung dienen.
-
Von Seiten der Jugendwohlfahrt müssen individuelle Betreuungsmöglichkeiten für Kinderund Jugendliche mit besonders ausgeprägten, eskalierten Lebenskrisen geschaffen werden.
Jugendpsychiatrische Kompetenz sollte in diesen Betreuungsformen jederzeit hinzuziehbar
sein.
In Blickrichtung auf die Arbeit in kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken kommen Gintzel und
Schone (1990: 48) zu weiteren Empfehlungen:
-
Für Fachkräfte der KJP sind ausreichend Fortbildungsangebote zu schaffen, die ihnen einen
Einblick in das Jugendwohlfahrtssystem vermitteln.
-
Bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen ist bei absehbarer Fremdunterbringung
so früh wie möglich das Jugendamt zu informieren. Die Fachkräfte des Jugendamtes, der
Klinik
und
der
Jugendwohlfahrtseinrichtung
haben
mit
den
Betroffenen
den
Unterbringungsprozess gemeinsam zu planen.
-
Dort wo das Jugendamt die Klinikeinweisung initiiert hat, muss sich die Fachkraft
regelmäßig über die Entwicklung des Kindes informieren, bzw. ist von der Klinik darüber
zu informieren. Für weitere Planung ist die Fachkraft Ansprechperson.
-
Beim Wechsel eines Kindes oder Jugendlichen von der Klinik in eine Einrichtung der
Jugendwohlfahrt sind Verständigungsprozesse zwischen den beteiligten Fachkräften zu
sichern. Wenn ein Bedarf von Seiten der Einrichtung formuliert wird, oder wenn die Klinik
es für nötig hält, ist die weitere Betreuung durch eine zuständige Fachkraft zu gewährleisten.
-
Sind nach einer Überweisung von der Klinik in ein Heim kinder- und jugendpsychiatrische
Nachsorgeaufgaben
zu
gewährleisten,
sind
von
der
Klinik
die
notwendigen
organisatorischen und zeitlichen Bedingungen dafür bereitzustellen. Hierfür haben die
Kostenträger die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen.
Darüber hinaus halten Gintzel und Schone (1990: 49) folgende Punkte für notwendig:
-
Wenn über einen Wechsel eines Kindes oder Jugendlichen in eine andere Einrichtung zu
entscheiden ist, sind der Betroffene, die familiären Bezugspersonen, Fachkräfte der
Einrichtung, der Klinik und des Jugendamtes auf jeden Fall in die Entscheidung mit
einzubeziehen.
352
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
-
Dehnen sich Aufenthalte von Kindern und Jugendlichen in einer kinder- und
jugendpsychiatrischen Klinik über mehr als ein halbes Jahr aus, sollte von Seiten der Klinik
ein gemeinsames Planungsgespräch mit den Fachkräften des Jugendamtes, des Betroffenen
und der familiären Bezugsperson organisiert werden, in dem die weitere Planung
besprochen werden muss. Sollte eine Fortführung der Behandlung auch im außerklinischen
Bereich möglich sein, hat das Jugendamt eine geeignete Wohn- und Lebensmöglichkeit für
den jungen Menschen bereitzustellen.
-
Übergangshilfen für langzeitig behandlungsbedürftige Kinder- und Jugendliche sollten an
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt angegliedert werden. Für Übergangseinrichtungen ist
die
jugendpsychiatrische
Versorgung
durch
Ambulanzen
oder
niedergelassene
JugendpsychiaterInnen sicherzustellen.
Diese Punkte sind Vorschläge, wie die Zusammenarbeit im bestehenden System verbessert
werden könnte. Einige Punkte werden tatsächlich schon so gehandhabt, bei anderen gestaltet
sich die Umsetzung jedoch schwieriger.
An dieser Stelle ist anzumerken, dass obwohl Gintzel und Schone zu ähnlichen
Schlussfolgerungen kommen, die vorliegende Studie über die von Gintzel und Schone sowie
weiteren deutschen Studien zum Thema hinaus geht. In diesen Studien wurden Interviews
einerseits mit VertreterInnen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und andererseits mit
behördlichen SozialarbeiterInnen d.h. mit VertreterInnen des Jugendamtes durchgeführt.
Interviews mit Fachleuten aus stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen wurden nur marginal
miteinbezogen. Aus diesem Grund war es wichtig, auch diese Perspektive in die Diskussion um
die Kooperation mit einfließen zu lassen. Daher wurde in dieser Arbeit der Fokus primär auf die
Zusammenarbeit zwischen stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen und der Kinder- und
Jugendpsychiatrie gelegt. Natürlich spielt hier auch die Gesamtversorgung sowie die
Zusammenarbeit mit den Behörden eine wichtige Rolle. Dies muss in Anlehnung an Gintzel und
Schone für die Steiermark noch gesondert untersucht werden. Es deutet jedoch alles darauf hin,
dass die Ergebnisse, die Gintzel und Schone präsentierten nicht wesentlich von der Situation in
der Steiermark abweichen werden.
Die Neuheit der vorliegenden Studie liegt weiters in der quantitativen Untersuchung, die in
dieser Art in keiner Studie durchgeführt wurde. Durch die quantitativen Daten lassen sich
Aussagen treffen, wie sich die Gruppe der Kinder und Jugendlichen, die die Hilfe vom System
der stationären Jugendwohlfahrt wie auch dem System der Kinder- und Jugendpsychiatrie in
Anspruch nimmt, aufgrund von den erhobenen Parametern charakterisieren lässt. In diesem
Zusammenhang wurden zwar Betreuungsfälle im Rheinland- Pflalz in der Studie von Birgit
Kalter „Krisenintervention und Kooperation von Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie“ erhoben
353
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
und die Basisdokumentation der Jugendpsychiatrie ausgewertet, jedoch wurden diese Daten vor
allem dafür herangezogen, um die Menge der Kinder und Jugendlichen, die von beiden
Systemen betreut wurden zu quantifizieren (vgl. Kalter, 2004c: 39ff.).
Ebenso ist zu betonen, dass keine vergleichbaren Studien für die Situation in Österreich
vorliegen.
Obwohl in der Studie von Gintzel und Schone und in der vorliegenden Studie unterschiedliche
methodische Zugänge gewählt wurden, kam es zu ähnlichen Ergebnissen in Bezug auf
Lösungsvorschläge.
Weitere Punkte, wie KJP und Einrichtungen der Jugendwohlfahrt weiterentwickelt werden
können wären:
-
Die KJP muss auf jeden Fall in die Planung kommunaler Jugendwohlfahrtsplanung beteiligt
werden. Aufgrund ihres Zugangs kann KJP „einen wichtigen Beitrag zur Bearbeitung der
Frage leisten, wo objektive Verhältnisse (defizitäre Lebenslagen) in subjektives Leid
umschlagen, und somit den Blick dafür schärfen, wo präventive Strategien ansetzen und wie
sie beschaffen sein müssen“ (Gintzel/Schone, 1990:50).
-
Auf regionaler Ebene sind Arbeitskreise (Heime, Jugendämter, zuständige Klinik,
ambulante Erziehungshilfen etc.) einzurichten, um das Angebot an psychosozialen Hilfen
für Kinder- und Jugendliche kleinräumig zu organisieren und zu koordinieren.
-
Bei den Jugendämtern, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Erziehungsberatungsstellen
sind jugendpsychiatrische Fachkräfte anzusiedeln, die bezogen auf die Arbeit in Heimenpräventiv tätig werden, indem sie MitarbeiterInnen fachlich beraten, begleiten, fortbilden
und die Arbeit der Heime konsiliarisch unterstützen.
-
Auf
der
Ebene
des
allgemeinen
Austausches
zwischen
den
Fachkräften
der
unterschiedlichen Professionen sind Fachtagungen und Kongresse durchzuführen.
-
Für die Weiterentwicklung der sozialen und psychosozialen Hilfen sind interdisziplinäre
Forschungen durchzuführen.
Aber auch für den Jugendwohlfahrtsbereich ergeben sich einige Forderungen, die nur in einem
sozialpolitischen Diskurs umgesetzt werden können. Heime und Wohngemeinschaften müssen
besser ausdifferenziert werden. Heipertz sieht auch eine verbesserte Betreuung durch personelle
Verbesserungen d.h. mehr Planstellen und eine höhere Qualifikation der Mitarbeiter für notwendig,
sowie die Möglichkeit auch für Heime, Jugendliche in Lebenskrisen schützen zu können. Dazu
gehört seiner Meinung nach, eine gesteigerte Aufsicht durch Betreuer und die Möglichkeit auch
einmal die Türe zusperren zu können (vgl. ebd.).
354
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
Auch
Klaus
Münstermann
(1990:
127f)
zeichnet
eine
Idealvorstellung
von
Jugendwohlfahrtserziehung, die ihrerseits die Strukturen so verbessern würde, dass eine
Zuhilfenahme der KJP nicht notwendig ist. Er fordert kleine, überschaubare stabile Gruppen mit
ausgebildetem berufserfahrenem pädagogischem Personal, das in der Lage ist, auch unter
schwierigen Bedingungen mit einer therapeutischen Grundhaltung ganzheitlich zu denken und zu
handeln. Auch wäre seiner Meinung nach eine Jugendwohlfahrtseinrichtung wünschenswert, die in
der Lage ist, für jeden Einzelfall ein bestimmtes Setting innerhalb kurzer Zeit zu organisieren. In
weiterer Folge wäre ein schulisches und berufliches Förderangebot notwendig, in dem
unterschiedliche Angebote für jeden einzelnen Fall zur Verfügung stehen. Auch ein Team von
gruppenergänzenden Mitarbeitern unterschiedlicher Fachdisziplinen würde benötigt werden.
Münstermann ist sich damals dessen bewusst, dass es sich hier um eine Idealvorstellung handelt,
von der die Realität weit entfernt ist (vgl. ebd.: 130).
Auch wenn diese Vorstellung von der Realität weit entfernt ist, müssen wir dennoch einen Schritt in
diese Richtung gehen und gerade für besonders schwierige Kinder und Jugendliche spezialisierte
Angebote mit eventuell zusätzlichen kinder- und jugendpsychiatrischen Kompetenzen schaffen. So
kommt es zu einigen Aspekten, die über die Forderungen von Gintzel und Schone sowie Heipertz
und Münstermann hinausgehen und sich durch die vorliegende Untersuchung ergeben haben.
Zu denken wäre zum Beispiel an kinder- und jugendpsychiatrische Tageszentren oder noch einen
Schritt weiter an eine kinder- und jugendpsychiatrische Wohngemeinschaft zur psychischen
Rehabilitation. Auch Möglichkeiten der Intensivbetreuung müssten geschaffen werden. Fest steht,
dass Einrichtungen der Jugendwohlfahrt flexibel gestaltet sein müssen, um sich individuellen
Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen anzupassen. Wir können gerade von diesen sozial- und
emotional benachteiligten Kindern und Jugendlichen nicht verlangen, dass sie sich an bestehende
Angebote anpassen, was nicht bedeuten soll, dass gerade diese Kinder nicht besonders klare
Strukturen und Grenzen benötigen.
Obwohl durch die Interviews immer wieder deutlich wurde, dass laut Fachkräften, die KJP nur bei
Selbst- oder Fremdgefährdung in Anspruch genommen wird, könnten durch die Ausstattung von
Jugendwohlfahrtseinrichtungen mit zusätzlichen Kompetenzen eventuell kleinere Krisen genauso
gut direkt in den Einrichtungen der Jugendwohlfahrt abgefangen werden. Ein Streit um
Zuständigkeiten ist an dieser Stelle wenig angebracht. („Wer kann der darf“)- (vgl. Lempp In:
Gintzel/Schone 1990: 21ff). Vielleicht wäre es auch hilfreich, klare Kriterien, zu formulieren, wann
eine Aufnahme auf einer kinder- und jugendpsychiatrischen Station indiziert ist.
355
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
Um die Zusammenarbeit zwischen Jugendwohlfahrt und KJP zu verbessern, ist wie bereits durch
die Lösungsvorschläge, die in der Literatur beschrieben sind, deutlich wird auch eine
Zusammenarbeit auf politischer Ebene erforderlich. Es muss vor allem darum gehen, Angebote zu
schaffen, die einerseits durch das Gesundheitssystem und andererseits durch die Jugendwohlfahrt
finanziert werden. Einerseits weil es nun einmal einen nicht unbeträchtlichen Teil von Kindern und
Jugendlichen gibt, die Hilfen aus beiden Systemen benötigen, und andererseits, um Verschiebungen
von Zuständigkeiten und einen Streit um Zuständigkeiten zu vermeiden. Für diese Kinder und
Jugendlichen müssen sich beide Systeme verantwortlich fühlen und einen Schritt aufeinander
zugehen, um Differenzen nicht auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen auszutragen. Vor
allem auch die Finanzierung durch unterschiedliche Systeme erscheint hier problematisch. Wenn
ein Kind oder Jugendlicher auf einer psychiatrischen Station behandelt wird, entstehen dem
Jugendwohlfahrtssystem keine zusätzlichen Kosten, obwohl hier davon auszugehen ist, dass das
Kind oder der Jugendliche eine zusätzliche hochqualifizierte Behandlung und Betreuung erhält.
Auch umgekehrt entstehen dem Gesundheitswesen keine Kosten, solange ein Kind oder
Jugendlicher in einer stationären Jugendwohlfahrtseinrichtung betreut wird. Es braucht also
unbedingt
eine
Lösung
des
zersplitterten
Finanzierungsproblems,
damit
die
Liaisondienst
für
Ausgrenzungsproblematik von dieser Seite her nicht forciert wird.
Eine
konkrete
Möglichkeit
der
Zusammenarbeit
wäre
ein
Jugendwohlfahrtseinrichtungen. Das heißt, ein Kinder- und Jugendpsychiater, der idealerweise auch
in eine Institution eingebettet ist, würde für einige Stunden in der Woche in die Einrichtung
kommen, um eventuelle Fragen klären zu können, Hilfestellungen bei der Bewältigung krisenhafter
Situationen zu geben, eventuell psychiatrisch nach zu betreuen u.s.w. Diese Zusammenarbeit muss
allerdings institutionalisiert sein.
In Deutschland, wo es ähnliche Modelle bereits gibt, wurde in einer Studie von Hoops/ Permien
(2006) ebenfalls durch Interviews deutlich, dass diese als Entlastung empfunden werden. Hier heißt
es:
Wo es solche Kooperationen schon gibt, erlebt das Heimpersonal es als sehr entlastend,
regelmäßig die Sprechstunde einer Klinikambulanz oder einer niedergelassenen
Jugendpsychiaterin oder eines Jugendpsychiaters nutzen zu können. Die Jugendpsychiatrien sehen
Vorteile für sich und die Jugendlichen darin, dass sich dadurch krisenhafte Entwicklungen
rechtzeitig begrenzen lassen und Jugendliche, die sonst an die Kliniken „weitergereicht“ würden,
selbst für offene Heime „tragbar“ bleiben (Hoops/Permien, 2006: 97f.).
Zu überlegen wäre die Einrichtung eines Jugendpsychiatrischen Dienstes nach dem Vorbild von
Hamburg, der vor allem von den Heimen in Anspruch genommen werden kann. Der
Jugendpsychiatrische Dienst übernimmt vor allem eine Art clearing Funktion und überweist
schließlich an geeignete Therapie- oder Beratungseinrichtungen.
356
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
Wie auch schon von Gintzel und Schone angesprochen, sollte auch die kinder- und
jugendpsychiatrische Perspektive bei der Jugendwohlfahrtsplanung nicht außer Acht gelassen
werden. Für die Steiermark würde ein erster Schritt eventuell darin liegen, eine(n) Vertreter(in) der
KJP in den Jugendwohlfahrtsbeirat, der als beratendes Organ wirkt, aufzunehmen.
Es muss jedoch nicht nur eine Veränderung im Hinblick auf Jugendwohlfahrtseinrichtungen
passieren, auch die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung muss weiter ausgebaut werden.
Hierzu ist ein kinder- und jugendpsychiatrischer Versorgungsplan notwendig, der bereits in
Entstehung ist. Vor allem auf ambulante Versorgung, die möglichst gemeindenah sein sollte, muss
vermehrt Augenmerk gelegt werden. Diesbezüglich gibt es auch schon Erfahrungen im Bereich der
Erwachsenenpsychiatrie. Hier hat sich gezeigt, dass der Bedarf an Betten pro Einwohnern umso
niedriger ausfällt, je effektiver die ambulanten Dienste arbeiten und je besser sie personalmäßig
ausgestattet sind (vgl. Köttgen, 1990: 56). In diesem Zusammenhang müssen auch niedergelassene
Kinder- und Jugendpsychiater gefördert werden.
Eine weitere Notwendigkeit, nicht nur im Zusammenhang mit der Kooperation zwischen
stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen und der KJP, wären Kriseninterventionszentren und –
dienste. Diese könnten Kompetenzen anbieten, die auch für Jugendwohlfahrtseinrichtungen
hilfreich sind und eine Unterstützungsmöglichkeit sein könnten. Denn nicht jede Krise verlangt
gleich nach einer psychiatrischen Behandlung.
Katharina Purtscher (2007: 79) schreibt dazu:
Die in mittlerweile manchen Städten schon errichteten therapeutischen Kriseninterventionszentren
für Jugendliche schließen eine wichtige Lücke in der Frühbehandlung und Krisenintervention und
sollten zumindest in Ballungsräumen flächendeckend eingerichtet werden. Frühe Interventionen
und Hilfestellungen können die Langzeitfolgen erheblich verringern und helfen so, dass
Jugendliche nicht ein von traumatisierenden Ereignissen geprägtes Leben führen- weder als Opfer
noch als Täter.
Eine Möglichkeit in dieser Hinsicht wären auch geschlossene Clearingstellen als erweitertes
Angebot der Jugendwohlfahrt wie sie in Bayern bereits bestehen. Diese übernehmen
Clearingfunktionen, die in anderen Regionen von der Kinder- und Jugendpsychiatrie durchgeführt
werden müssen. Hierzu schreiben Hoops/ Permien (2005: 96):
Während in Bundesländern ohne FM [freiheitsentziehende Maßnahmen] in der Jugendhilfe solche
Clearingfunktionen der Jugendpsychiatrie zugeschrieben werden, übernehmen in Bayern
Clearingstellen der Jugendhilfe, die mit Freiheitsentzug arbeiten, zum Teil solche
Clearingaufgaben unter engem Einbezug der Psychiatrie.
357
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
Unbestritten ist, dass die meisten der Kinder und Jugendlichen, die in stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen fremd untergebracht sind, auch eine Form von Trauma erlitten
haben. Daher besteht die Forderung nach einer Traumapädagogik, bzw. traumaadäquaten
Pädagogik in diesen Einrichtungen (vgl. Purtscher, 2007: 77f.). Diesbezüglich müssen vor allem die
pädagogischen Ausbildungen adaptiert werden.
Dahingehend wäre höchstwahrscheinlich auch eine Vereinheitlichung der pädagogischen
Ausbildungen im Hinblick auf unterschiedliche Inhalte sinnvoll. Vor allem auch auf die
Selbstreflexion und Selbsterfahrung sollte vermehrt Wert gelegt werden, da es im pädagogischen
Alltag immer wieder zu Situationen kommt, in denen individuelle Einstellungen und Erfahrungen
einen großen Einfluss auf Reaktionen und Handlungen gegenüber Kindern und Jugendlichen haben.
Es muss der Druck von den MitarbeiterInnen der Einrichtungen genommen werden, dass sie
während ihres Dienstes alle denkbaren abweichenden Verhaltensweisen von Jugendlichen
unbedingt verhindern müssen. Hier muss zu einer Einstellung gelangt werden, dass man darauf
unmittelbar keinen Einfluss hat. Man kann lediglich Rahmenbedingungen schaffen, die
Deeskalation bedeuten können (vgl. Schone, 1995: 124).
Vielleicht wären auch gegenseitige Hospitationen hilfreich, um eine gute Vernetzung zwischen KJP
und Einrichtungen der Jugendwohlfahrt zu gewährleisten. Gintzel und Schone haben dies als
Vorschlag im Zusammenhang mit Interviews mit unterschiedlichen Fachkräften herausgearbeitet.
Sie gehen noch einen Schritt weiter und geben zu überlegen, ob es vielleicht sinnvoll wäre, dass
man bei Aufnahmen aus einer Klinik dort für einige Tage hospitiert, um den Jugendlichen
abzuholen und nach dem Wechsel ins Heim, Klinikmitarbeiter dort hospitieren, um den
Jugendlichen zu begleiten. Dieses am Jugendlichen orientierte Verfahren würde eventuell auf Dauer
zu einem breiten Kooperationsnetz führen (vgl. Schone, 1995: 126).
Auch wenn gegenseitige Hospitationen vielleicht zu aufwändig wären, sollten wir uns doch bewusst
sein, dass die Kooperation auf jeden Fall dadurch erleichtert wird, wenn man sich gegenseitig
kennen lernt und die unterschiedlichen Arbeitsweisen und Konzepte kennt. So werden eventuell
Vorurteile abgebaut und die Kontaktaufnahme erleichtert.
358
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
Ebenfalls von Vorteil wären klare Kooperationsvereinbarungen, die in Deutschland schon in der
Studie von Hoops und Permien (2006) gefordert wurden. Hier heißt es deutlich:
[…] Das Spektrum reicht weiter über die Etablierung fallübergreifender bilateraler Kontakte
zwischen Jugendpsychiatrie, Jugendämtern und Heimen und gemeinsamen Fortbildungen bis hin
zu detaillierten Kooperationsvereinbarungen zwischen Psychiatrie und Jugendhilfe und beiden
Seiten zugängliche „Strukturschemata“, die die jeweiligen Ansprechpartnerinnen und
Ansprechpartner, Verantwortlichkeiten, Kompetenzen und Kooperationserfordernisse sowie die
Handlungsmöglichkeiten in Konflikt- und Krisenfällen übersichtlich darstellen. Solche
Vereinbarungen gibt es erst selten, sie scheinen aber angesichts von Personalfluktuation
notwendig, um personenunabhängige Kooperationsstrukturen und den Wissenstransfer im
Hinblick auf das fachliche Vorgehen und die Arbeitsbedingungen des jeweils anderen Systems zu
sichern (Hoops/Permien, 2006: 99).
Auch regelmäßige Kooperationstreffen mit stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt auf der
einen und Jugendämtern auf der anderen Seite könnten zu einer Verbesserung der Kooperation
beitragen. Steger (2005: 75) schreibt dazu:
So können KJPP’s, die mit den umliegenden Jugendämtern und Jugendhilfeeinrichtungen
regelmäßig Kooperationstreffen abhalten und Kooperationsvereinbarungen zum gemeinsamen
Vorgehen erstellt haben, z.B. in Zusammenarbeit mit Heimen notwendige Kriseninterventionen
durchführen, ohne dass damit ein Abbruch der Jugendhilfemaßnahme verbunden ist oder die KJPP
sich als „Ausfallbürge für die Jugendhilfe“ missbraucht sieht. Auch die Familiengerichte sollten in
die Kooperation mit eingebunden werden, um in schwierigen Fällen schnell und abgestimmt
handeln zu können.
Durch die Studie von Martina Steger zeigt sich ebenfalls, dass eine Institutionalisierung der
Kooperation sinnvoll ist. Sie schreibt dazu:
Wo die Zusammenarbeit jedoch nicht über den Einzelfall hinausgeht, gestaltet sich das Vorgehen
gerade bei Kriseninterventionen oft schwierig, und mit der Aufnahme in die KJPP kann dann ein
Abbruch von Jugendhilfemaßnahmen einhergehen. Darüber hinaus wird die Qualität der
Übergangs von einem Klinikaufenthalt in eine anschließende Jugendhilfemaßnahme entscheidend
von den regionalen Kooperationsstrukturen beeinflusst.
Wie bereits durch die Diplomarbeit von Glauninger- Holler (2006) festgestellt werden konnte, kann
für Kinder und Jugendliche, die fremd untergebracht werden müssen oftmals nicht das am besten
geeignete Angebot realisiert werden, vielmehr erfolgt die Unterbringung oftmals nach dem Angebot
an freien Plätzen. Es ist nicht nur notwendig, das Angebot innerhalb der Jugendwohlfahrt
auszubauen und zu differenzieren, sondern auch mehr Informationen über bestehende Angebote zu
geben. So gibt es zum Beispiel keine offizielle Liste der bestehenden Jugendwohlfahrtsangebote in
der Steiermark. Diesbezüglich wurde mehrmals beim Land nachgefragt und es wurde immer
bestätigt, dass diese in Arbeit wäre. Die erste diesbezügliche Anfrage war im August 2006.
Auch die Klinik muss über bestehende Angebote informiert sein, um Jugendämter besser beraten zu
können.
359
Lösungsvorschläge- Möglichkeiten der Kooperation
Besonders wichtig scheint der Punkt, der bereits von Gintzel und Schone angesprochen wurde: Die
KJP darf auf gar keinen Fall als Zwischenstation missbraucht werden. Falls der Entschluss getroffen
wird, dass für das Kind oder den Jugendlichen eine andere Einrichtung besser geeignet wäre, kann
es auf keinen Fall sein, dass die Wartezeit bis etwas Neues gefunden ist, auf der kinder- und
jugendpsychiatrischen Station verbracht wird.
Auch wenn diese Verbesserungsvorschläge und Handlungsperspektiven berücksichtigt werden,
wird es immer wieder Kinder und Jugendliche geben, deren Lebensprobleme so ausgeprägt sind,
dass sie den Rahmen sprengen. Kooperatives Handeln erfordert aber, dass Fachkräfte gemeinsam an
einer Lösung mit dem Betroffenen arbeiten, ohne dass es zu gegenseitigen Vorwürfen bezüglich
Inkompetenz kommt.
Letztlich muss das Motto bei besonders schwierigen Kindern und Jugendlichen „Durchhalten“
lauten, um ihnen auch ein Gefühl des „gehalten“ Werdens zu geben. Sobald sich eine Institution für
eines dieser Kinder und Jugendlichen als nicht mehr zuständig erklärt, geben wir ihnen das Gefühl,
dass wir aufgeben, was schließlich wieder das Bild von sich selbst bestätigt, dass sie nichts Wert
wären und sie aufgegeben würden. Wozu dann noch etwas verändern? Gerade für diese Kinder und
Jugendlichen müssen wir Möglichkeiten finden, dass wir auch sie halten können. Bevor wir
aufgeben und uns damit abfinden, dass manche Kinder und Jugendliche einfach nicht zu betreuen
sind, sollten wir noch einiges vor allem im Hinblick auf die Zusammenarbeit, versuchen.
360
Zusammenfassung- Ausblick
14 Zusammenfassung- Ausblick
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Kindern und Jugendlichen, die einerseits in stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt fremd untergebracht sind und andererseits zusätzlich immer
wieder kinder- und jugendpsychiatrische Hilfen in Anspruch nehmen müssen.
Ohne jeden Zweifel sind für diese Kinder sowohl das System der Jugendwohlfahrt, als auch das
Gesundheitssystem verantwortlich. Dennoch kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten in der
Zusammenarbeit, von denen letztlich wiederum diese Kinder und Jugendlichen betroffen sind.
In der Fachöffentlichkeit der Sozialen Arbeit ist die Jugendwohlfahrt zwar ein großes Thema,
dennoch wird die Zusammenarbeit mit der KJP immer nur am Rande beschrieben und erwähnt. Es
existieren zwar kleinere Arbeiten zu dem Thema, die immer wieder die Schwierigkeiten betonen,
empirische Studien allerdings wurden schon vor 15 -20 Jahren in Deutschland durchgeführt.
Der erste Teil der Arbeit setzt sich analytisch mit der Fachliteratur zur Kooperation zwischen
Jugendwohlfahrt und KJP auseinander. Bedauerlicherweise liegen keine österreichischen Studien
vor, sodass sich die Analyse der Fachliteratur vor allem auf die Literatur aus dem
deutschsprachigen Raum stützt. Hier liegt zwar eine ähnliche Situation vor, dennoch kann nicht
alles eins zu eins übertragen werden, da sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die
Angebote innerhalb der Jugendhilfe in Deutschland doch von der Situation in Österreich
unterscheiden.
In diesem Teil der Arbeit wird weiters auf die Sozial- und Heilpädagogik als ein immer
wesentlicher werdendes Arbeitsfeld innerhalb der KJP eingegangen. Sozial- und HeilpädagogInnen
gehören
mittlerweile
Behandlungsteams
auf
zu
einer
einem
kinder-
wesentlichen
und
Bestandteil
jugendpsychiatrischen
des
multiprofessionellen
Abteilung.
In
diesem
Zusammenhang wird vor allem auf die Arbeitsfelder und Rahmenbedingungen eingegangen, bevor
versucht wird der Frage auf den Grund zu gehen, was Sozial- und Heilpädagogik in der KJP leisten
kann. Im Grunde unterscheidet sich die Arbeit von Sozial- und HeilpädagogInnen auf einer Kinder
und jugendpsychiatrischen Abteilung nur sehr wenig von der des Betreuungspersonals in
stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen. Mit Sicherheit kann festgestellt werden, dass die
Klientel eine sehr ähnliche ist und sich somit die Arbeit an sich, unabhängig von diversen
Rahmenbedingungen, nicht wesentlich unterscheiden kann. Ernst Tatzer (2000:141) meint sehr
361
Zusammenfassung- Ausblick
treffend: „Erst eine tragende und haltende Pädagogik macht Therapie möglich.“ Dies gilt sowohl für
die Pädagogik im psychiatrischen wie aber auch im Jugendwohlfahrtskontext.
Die empirische Untersuchung beinhaltet einen quantitativen und einen qualitativen Teil. Durch die
quantitative Untersuchung wurde zunächst versucht statistisch zu belegen, wie viele kinder- und
jugendpsychiatrische PatientInnen in stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt fremd
untergebracht waren. Darüber hinaus wurde untersucht wie sich diese Kinder und Jugendlichen im
Hinblick auf unterschiedliche Kategorien von den anderen unterscheiden. Hier wurden teilweise
sehr signifikante Ergebnisse gefunden. Zum Beispiel konnte statistisch nachgewiesen werden, dass
jene
kinder-
und
jugendpsychiatrischen
PatientInnen,
die
durch
stationäre
Jugendwohlfahrtseinrichtungen betreut wurden auch signifikant jünger waren, als andere kinderund jugendpsychiatrische PatientInnen. Ebenfalls bedeutungsvoll war das Ergebnis im Hinblick auf
die Zahl der psychiatrischen Interventionen. Hier konnte festgestellt werden, dass Kinder und
Jugendliche, die in stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen untergebracht waren auch signifikant
mehr psychiatrische Interventionen benötigten. Auch in Bezug auf die Aufnahmegründe gab es
signifikante Unterschiede. Ein weiteres sehr wichtiges Ergebnis zeigte, dass jene Kinder und
Jugendlichen, für die während des psychiatrischen Aufenthaltes eine neue Unterbringung gefunden
werden musste auch sehr signifikant länger in psychiatrischer Behandlung waren. Diese Ergebnisse
könnten eine Grundlage für die weitere Jugendwohlfahrtsplanung bieten. Besonders wichtig ist es
auch, die Perspektive der KJP in die Jugendwohlfahrtsplanung mit einzubeziehen, wie das bereits
im 2. JW- Plan durch ein leider nicht zur Durchführung gelangtes Projekt angedacht war.
Bezüglich der in Kapitel 10.2 formulierten Hypothesen kann folgendes festgehalten werden:
Hypothese 1:
Ein wesentlicher Teil der Kinder und Jugendlichen, die auf der kinder- und
jugendpsychiatrischen Abteilung der LSF Graz behandelt werden, sind auch in stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt fremd untergebracht.
Durch die Dokumentenanalyse hat sich ergeben, dass in etwa ein Drittel der kinder- und
jugendpsychiatrischen PatientInnen unmittelbar vor oder nach einer Intervention in einer stationären
Einrichtung der JW untergebracht waren (vgl. S.219ff.).
Hypothese 2:
Die Kinder und Jugendlichen, für die eine neue Form der Unterbringung während des
Aufenthaltes gesucht werden muss, sind im Durchschnitt länger in stationärer psychiatrischer
Behandlung. Dies ergibt sich aufgrund der Dauer der Suche und des Aufnahmeverfahrens.
Erschwert
und
verlängert
wird
die
Suche
Fremdunterbringungsmöglichkeiten in der Steiermark.
362
durch
den
Mangel
an
Zusammenfassung- Ausblick
Hier ergab sich durch die Dokumentenanalyse ein sehr signifikantes Ergebnis. Jene Kinder und
Jugendlichen, die die Wohnform wechseln mussten, waren signifikant länger in stationärer
psychiatrischer Behandlung (vgl. Kapitel 12.1.2.5, S. 225ff.).
Zur Dauer der Aufnahmeverfahren kann durch die Interviews festgestellt werden, dass diese in den
meisten Einrichtungen durchschnittlich 2-3 Wochen dauern. In Einzelfällen kann eine Aufnahme
auch innerhalb von 2-3 Tagen erfolgen, in manchen Fällen auch einige Monate dauern. Wichtig in
diesem Zusammenhang ist, dass meist in mehreren Einrichtungen angefragt werden muss, bis eine
gefunden wird, die einerseits freie Kapazitäten hat und die auch der Meinung ist, dass gerade dieses
Kind oder Jugendlicher in diese Einrichtung passt (vgl. Kapitel 12.2.2.1.2, S.264ff.).
Hypothese 3:
Die Kinder und Jugendlichen, die in Einrichtungen der stationären Jugendwohlfahrt fremd
untergebracht sind, brauchen im Durchschnitt mehr psychiatrische Interventionen, als die
kinder- und jugendpsychiatrischen PatientInnen, bei denen kein Kontakt zu stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen bekannt ist.
Diesbezüglich kann statistisch eindeutig bewiesen werden, dass jene Kinder und Jugendlichen, die
Kontakt zu Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten, im Durchschnitt 1,3 Interventionen, während
jene, die unmittelbar vor oder nach einer Intervention fremd untergebracht waren, im Durchschnitt
2,2 Interventionen benötigten. Dies ist ein sehr signifikantes Ergebnis (vgl. 12.1.2.4 Zahl der
Interventionen; S. 223ff.).
Hypothese 4:
Kinder und Jugendliche aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt werden eher
aufgrund von Gewalttätigkeiten zur Aufnahme gebracht als Kinder und Jugendliche, die
nicht in stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt untergebracht sind. Für
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, ist die KJP in diesem Zusammenhang niederschwelliger
und wird schneller konsultiert als Familien dies bei den gleichen Problemstellungen tun.
Aufgrund der Dokumentenanalyse lässt sich auch hier eine eindeutige Aussage treffen. Es bestätigt
sich, dass die Kinder und Jugendlichen aus Einrichtungen eher aufgrund von Gewalttätigkeiten zur
Aufnahme kamen. Ebenfalls konnte festgestellt werden, dass Kinder und Jugendliche aus
stationären JW- Einrichtungen weniger häufig mit der Bitte um Abklärung zur psychiatrischen
Aufnahme kamen (vgl. 12.1.2.10 Aufnahmegrund, S.248ff.). Im Hinblick auf die Interviews kann
auch ein Hinweis dahingehend gefunden werden, dass Einrichtungen in Krisensituationen schneller
die Kinder- und Jugendpsychiatrie konsultieren. Um eine Aussage darüber treffen zu können, ob die
KJP für stationäre JW- Einrichtungen niederschwelliger ist als für Familien, müssten weitere
Untersuchungen erfolgen, in die auch die Eltern von kinder- und jugendpsychiatrischen
PatientInnen miteinbezogen werden müssten.
363
Zusammenfassung- Ausblick
Hypothese 5:
Es hängt immer von der Einstellung der Professionellen und der Institutionen der
Jugendwohlfahrt ab, wie lange Kinder- und Jugendliche gehalten werden bzw. wann der
Punkt erreicht ist, dass eine Institution wie die KJP konsultiert wird.
In Bezug auf diese Hypothese kann durch die vorliegende Untersuchung keine eindeutige Aussage
getroffen werden. Da jedoch schwierige Kinder und Jugendliche von den Professionellen auch sehr
unterschiedlich beschrieben wurden (vgl.12.2.2.2 Problemfälle, S. 282ff.), lässt sich annehmen,
dass sich die Verhaltensgrenzen, wie lange ein Kind oder Jugendlicher in einer Einrichtung gehalten
werden kann, ebenfalls individuell voneinander unterscheiden. Um hier eine Aussage treffen zu
können, müssten jedoch weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
Hypothese 6:
Kinder und Jugendliche aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt unterscheiden
sich in Bezug auf psychiatrische Diagnosen dahingehend von anderen, dass sie eher an
expansiven Verhaltensstörungen leiden.
In Bezug auf diese Aussage lässt sich festhalten, dass vor allem jene Kinder und Jugendliche, die
Kontakt zu stationären Einrichtungen der JW hatten und mehrere psychiatrische Interventionen
benötigten auch eher an expansiven Verhaltensstörungen litten (vgl. 12.1.2.10 Aufnahmegrund;
S.248ff.).
Hypothese 7:
Besonders schwierige Kinder und Jugendliche verursachen in beiden Helfersystemen
Hilflosigkeit bzw. bringen die Institutionen an ihre Grenzen. Dies führt zu wiederholenden
Überweisungen zwischen den Einrichtungen (Pinball Effekt).
Hier zeigt sich, dass vor allem Kinder und Jugendliche mit expansiven Verhaltensstörungen
mehrere psychiatrische Interventionen benötigten (vgl. 12.1.2.8 Aufnahmediagnose; S.238ff.). Dies
ist ein Hinweis darauf, dass diese als besonders schwierig gelten und es immer wieder zu
Krisensituationen kommt, die die Hilfestellung der KJP erfordern.
Diesbezüglich müsste in
weiterer Folge untersucht werden, ob Unterstützungsleistungen innerhalb stationärer Einrichtungen
der JW einen Beitrag dazu leisten könnten, dass es weniger häufig zu Überweisungen in die KJP
kommt.
Durch die qualitative Untersuchung wurde versucht, die Perspektive der in stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen Tätigen in Bezug auf die Kooperation zu erfassen. Es wurden
Interviews mit 14 Professionellen aus 7 verschiedenen Einrichtungen in der Steiermark
durchgeführt. Die Auswahl der Einrichtungen erfolgte aufgrund der Dokumentenanalyse nach der
Häufigkeit der gemeinsamen Fälle. Es sollte vor allem die Frage in den Vordergrund gestellt
364
Zusammenfassung- Ausblick
werden, inwieweit sich jene Einrichtungen mit weniger von denen mit häufigerem Kontakt
unterscheiden. Hier konnten vor allem Unterschiede in der Einstellung und Bewertung
problematischen Verhaltens gefunden werden. Auch wurde festgestellt, dass jene Einrichtungen mit
häufigerem Kontakt die Kooperation auch durchwegs positiver bewerten und weniger Vorurteile
gegenüber der KJP haben. Weiters zeigte sich, dass jene Einrichtungen mit häufigerem Kontakt
auch schon länger bestehen, als die befragten Einrichtungen mit weniger Kontakt. Hier könnte sich
die Hypothese ableiten lassen, dass jene Einrichtungen mit mehr Erfahrung auch weniger Hilfe von
Seiten der KJP benötigen. Diese Hypothese gilt es in zukünftigen Forschungen zu überprüfen.
Wichtige Punkte, die durch die Interviews unterstrichen wurden und in Zukunft diskutiert werden
müssten
sind
die
geschlossene
Unterbringung
im
Jugendwohlfahrtsbereich
sowie
die
Gesamtversorgung, die einen großen Einfluss auf die Kooperation zu haben scheint. Vor allem
muss hier in Bezug auf die Jugendwohlfahrtsplanung einiges geschehen. Wichtig in die Diskussion
mit einzubeziehen sind die Freiwilligkeit in der stationären Jugendwohlfahrt sowie die Möglichkeit
des Rausschmisses aus den diversen Einrichtungen. Es kann an dieser Stelle nicht oft genug betont
werden, dass momentan Kinder und Jugendliche, die ständig über die Grenzen gehen, auch aus den
Einrichtungen wieder entlassen werden, was zu erneuten Problemen führt. Hier muss ein
differenzierteres Angebot geschaffen werden, das es ermöglicht auch auf diese besonders
schwierigen Kinder und Jugendlichen einzugehen. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass
es immer wieder einzelne Kinder und Jugendliche gibt, die monatelang bis jahrelang auf der kinderund jugendpsychiatrischen Station auf einen geeigneten Platz warten müssen. Für Kinder und
Jugendliche mit schwierigen Vorgeschichten, die vielleicht schon aus einigen Einrichtungen
entlassen wurden, erscheint es als besonders schwierig, einen Platz innerhalb der Jugendwohlfahrt
zu finden. Die KJP springt dann für fehlende Angebote innerhalb der Jugendwohlfahrt ein. Noch
einmal soll hier betont werden, dass diesbezüglich auch die Kostenübernahme diskutiert werden
muss. Solange ein Kind oder ein Jugendlicher auf der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Station
behandelt wird, werden die Kosten vom Gesundheitssystem übernommen. Durch diese Tatsache
werden Abschiebetendenzen noch begünstigt.
Im Hinblick auf die Hypothesen lässt sich durch die Interviews folgendes festhalten:
Hypothese 8:
Für stationäre Fremdunterbringungsmöglichkeiten der Jugendwohlfahrt hat die Hilfestellung
durch die KJP eine entlastende Wirkung.
In allen Interviews wurde bestätigt, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie für stationäre
Einrichtungen der JW eine entlastende Wirkung hat. Dies bezieht sich vor allem auf die Entlastung,
die dadurch entsteht, dass besonders schwierige Kinder und Jugendliche für einen bestimmten
365
Zusammenfassung- Ausblick
Zeitraum nicht in der Einrichtung sind und somit auch die Gruppe der anderen Kinder und
Jugendlichen entlastet wird (vgl.12.2.2.3.3 Gründe für die Überweisung; S.297ff.).
Hypothese 9:
Durch die Schaffung von möglichst gemeindenahen ambulanten Diensten wird die KJP
entlastet.
In Bezug auf diese Hypothese kann durch die vorliegende Arbeit nur in Anlehnung an die
Literaturrecherche eine Aussage getroffen werden. Hier wurde durch Studien gezeigt, dass im
Erwachsenenbereich der stationäre Bereich durch die Schaffung gemeindenaher ambulanter Dienste
entlastet wurde (vgl. Kapitel 13; S.351ff.). Da in den Interviews auch immer wieder betont wurde,
dass es wenig ambulante kinder- und jugendpsychiatrische Hilfen gibt, könnte hier ein Hinweis
darauf gesehen werden, dass diese in manchen Fällen ausreichen würden und somit nicht auf die
KJP der LSF zurück gegriffen werden muss.
Hypothese 10:
Durch einen besseren Austausch zwischen Sozialpädagogen der KJP und den Betreuern in
stationären Fremdunterbringungsmöglichkeiten der Jugendwohlfahrt kann die Kooperation
erleichtert werden.
Diesbezüglich kann nur erwähnt werden, dass in den Interviews vereinzelt gefordert wurde, mehr
Kontakt zu den Sozial- und HeilpädagogInnen der KJP zu haben (vgl. 12.2.2.6.1 Interpersonelle
Ebene, S. 318). Ob dies wirklich eine Verbesserung in der Kooperation bringt kann nicht bewiesen
werden.
Hypothese 11:
Wenn stationäre Einrichtungen der Jugendwohlfahrt die Möglichkeit haben, Kinder und
Jugendliche kurzfristig in geschlossene Einheiten zu übernehmen, entfällt die Notwendigkeit
einer Überstellung in die KJP.
Weder durch die Dokumentenanalyse noch durch die Interviews konnten in Bezug auf diese
Hypothesen Aussagen getroffen werden.
Hypothese 12:
BetreuerInnen aus stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt wurden während ihrer
Ausbildung nicht oder nur wenig auf den Umgang mit besonders schwierigen Kindern und
Jugendlichen vorbereitet. Im Umgang mit diesen Fällen scheint die eigene Einstellung und
Haltung von besonderer Bedeutung, was auch die Selbsterfahrung bzw. –reflexion in der
Ausbildung notwendig macht.
Nahezu alle befragten Professionellen gaben an, durch die Ausbildung nicht genügend auf den
Umgang mit schwierigen Kindern und Jugendlichen vorbereitet worden zu sein. Lediglich jene
Personen mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung gaben an, sich ausreichend vorbereitet zu
366
Zusammenfassung- Ausblick
fühlen. Da in dieser Ausbildung die Praxis, wie aber auch die Selbsterfahrung und –reflexion eine
große Rolle spiele, ist anzunehmen, dass dies auch für pädagogische Ausbildungen notwendig ist
(vgl. 12.2.2.5 Ausbildung/ Weiterbildung; S.312ff.).
Hypothese13:
Es besteht in der Steiermark ein Bedarf an mehr und an differenzierteren Angeboten der
stationären Fremdunterbringung. Besonders fehlen Einrichtungen, die von Professionellen
sowohl aus dem Bereich der KJP wie auch aus dem Bereich der Jugendwohlfahrt betreut
werden. Hier besteht die Notwendigkeit der Kooperation auf politischer Ebene zwischen dem
Gesundheitssystem und dem System der Jugendwohlfahrt.
Durch
die
Interviews
wurde
Fremdunterbringungsmöglichkeiten
deutlich,
auch
dass
von
der
Bedarf
den
an
Fachleuten
mehr
stationären
der
stationären
Jugendwohlfahrtseinrichtungen gesehen wird. Besonders wurden in diesem Zusammenhang kinderund jugendpsychiatrische Wohngemeinschaften oder ein Liaisondienst für stationäre JWEinrichtungen gefordert (vgl. 12.2.2.6.3 Ebene der Gesamtversorgung; S.327ff.).
Durch die Hypothesen ergaben sich einige Fragestellungen im Hinblick auf die
Dokumentenanalyse sowie auch auf die Interviewauswertung. Diese Fragestellungen sind in den
untenstehenden Tabellen (Tabelle 83
Tabelle 84) mit jeweils einer knappen Antwort zusammengefasst.
367
Zusammenfassung- Ausblick
Tabelle 83: Zusammenfassung Fragestellungen Dokumentenanalyse
Fragestellung
Gibt es einen Unterschied in Bezug auf das Alter zwischen
den Kindern und Jugendlichen, die Kontakt zu stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt haben, und denen bei
denen kein Kontakt bekannt ist?
Gibt es einen Unterschied in Bezug auf das Geschlecht?
Gibt es einen Unterschied im Hinblick auf die Zahl der
notwendigen psychiatrischen Interventionen?
Gibt es einen Unterschied im Hinblick auf die
Aufenthaltsdauer zwischen den Kindern und Jugendlichen,
die aus Einrichtungen der Jugendwohlfahrt kommen und
denen, die vor dem Aufenthalt nicht fremd untergebracht
waren?
Unterscheiden sich die Kinder und Jugendlichen in Bezug
auf die Aufenthaltsdauer für die während der
psychiatrischen Intervention eine neue Unterbringung
gesucht werden muss, von denen, die in die gleiche
Wohnform zurückkehren können?
Gibt es einen Unterschied in den Aufnahme- bzw.
Entlassungsdiagnosen?
Unterscheiden sich die Aufnahmegründe in den beiden
Gruppen?
Gibt es einen Unterschied im Hinblick auf die Häufigkeit
der Aufnahme im geschützten Bereich?
Gibt es einen Unterschied in der Interventionsform
(ambulant, tagklinisch, stationär)?
368
Beantwortung
Es zeigt sich ein eindeutiger Unterschied. Jene
Kinder und Jugendlichen, die Kontakt zu einer
stationären Einrichtung der Jugendwohlfahrt
hatten, waren signifikant jünger, als jene Kinder
und Jugendlichen, bei denen kein Kontakt bekannt
war. (vgl. S. 221 ff.)
In Bezug auf das Geschlecht gibt es keine
signifikanten Unterschiede. (vgl. S. 222 ff.)
Diejenigen Kinder und Jugendlichen, die vor oder
nach einer der Interventionen Kontakt zu
stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
hatten, benötigten sehr signifikant mehr
psychiatrische Interventionen, als jene Kinder und
Jugendlichen, die keinen Kontakt zu stationären
Einrichtungen der Jugendwohlfahrt hatten (vgl. S.
223).
Es besteht kein signifikanter Unterschied.
Kinder und Jugendliche, die nach dem Aufenthalt
nicht in die gleiche Wohnform zurückkehren
konnten, waren im Durchschnitt sehr signifikant
länger in psychiatrischer Behandlung als jene, die
in die gleiche Wohnform zurückkehren konnten
(vgl. S. 225ff.).
Die Kinder- und Jugendlichen, die zwei oder mehr
psychiatrische Interventionen benötigten und
Kontakt
zu
stationären
Jugendwohlfahrteinrichtungen hatten, wurden eher
mit einer Diagnose aus dem Bereich der
„Verhaltens- und emotionalen Störungen mit
Beginn in der Kindheit und Jugend“ (F9)
aufgenommen als andere Kinder und Jugendliche,
bei denen ebenfalls 2 oder mehr psychiatrische
Interventionen notwendig waren (vgl. S. 238ff.).
Es zeigen sich eindeutige Unterschiede zwischen
den Kindern und Jugendlichen, die vor der
Intervention Kontakt zu stationären Einrichtungen
der Jugendwohlfahrt hatten, in Bezug auf die
Aufnahmegründe und denen, bei denen dies nicht
der Fall war. Auffallend ist hier, dass jene Kinder
und
Jugendlichen
aus
stationären
JWEinrichtungen signifikant häufiger aufgrund von
aggressiven Durchbrüchen oder Gewalttätigkeiten
zur stationären Aufnahme kamen (vgl. S. 248ff.).
Es zeigt sich kein signifikanter Zusammenhang
(vgl. S. 233ff.).
Es ergeben sich für die erste Intervention
signifikante Unterschiede. Die Kinder und
Jugendlichen, die vor der ersten Intervention in
stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt
fremd untergebracht waren, wurden weniger häufig
ambulant bzw. tagklinisch und häufiger stationär
aufgenommen als die Kinder und Jugendlichen, die
vor der ersten Intervention nicht in einer
stationären JW- Einrichtung untergebracht waren
(vgl. S. 229ff.).
Zusammenfassung- Ausblick
Tabelle 84: Zusammenfassung Fragestellungen Interviews
Fragestellung
Beantwortung
Wo liegen die Unterschiede zwischen den Einrichtungen der
JW, mit denen es eine häufige Kooperation zur KJP gibt
und denen, mit denen nur wenig bis gar keine Kooperation
vorhanden ist?
Jene Einrichtungen die häufigeren Kontakt zur KJP
hatten, waren im Durchschnitt auch größer. Das heißt
sie hatten mehr Betreuungskapazitäten. Auch konnte ein
Hinweis darauf gefunden werden, dass Einrichtungen
mit häufigerem Kontakt auch jünger waren. (vgl. S.
344ff.)
Auffallend ist, dass jene Einrichtungen, mit häufigerem
Kontakt zur Kinder und Jugendpsychiatrie die
Zusammenarbeit auch durchwegs positiver beschreiben
(vgl. S. 344ff.).
Die Erfahrungen sind von Einzelfällen abhängig.
Wie wird die Zusammenarbeit zwischen der KJP und
stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt von Seiten
der Einrichtungen der JW erlebt?
Wie sind die bisherigen Erfahrungen?
Wann bzw. bei welchen Kindern und Jugendlichen ergibt
sich der Bedarf der Zusammenarbeit?
Was erwarten sich Einrichtungen der JW von der KJP?
Welche Kriterien müssen Kinder und Jugendliche erfüllen,
damit sie in Einrichtungen der JW aufgenommen werden?
Welche Rolle spielt eine psychiatrische Diagnose bzw. ein
oder mehrere Aufenthalte in der KJP bei der Aufnahme?
Welche Kriterien führen zu einem Ausschluss aus
stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen?
Wie wird mit Kindern und Jugendlichen umgegangen, die
die Grenzen der Einrichtung sprengen?
Wie wird der Bedarf an JW- Einrichtungen in der
Steiermark eingeschätzt?
Wie stellen sich Mitarbeiter in Einrichtungen der JW eine
optimale Zusammenarbeit zwischen ihrer Einrichtung und
der KJP vor?
Welchen Einfluss hat die Möglichkeit der geschlossenen
Unterbringung im Rahmen der KJP auf Einweisungen in die
KJP?
369
Hier wurde in nahezu fast allen Interviews die Selbstund Fremdgefährdung betont, die eine Zusammenarbeit
notwendig machen würde. In allen Interviews wurde
bestätigt, dass die KJP eine entlastende Wirkung für die
Einrichtung hat (vgl. S.297 ff.).
Hier wurde häufig die fehlende Kapazität angesprochen
sowie Aspekte der interpersonellen Ebene thematisiert
(vgl. S.323) .
In den Interviews wurde vor allem betont, dass die
Gruppenkonstellation, das Alter sowie das Geschlecht
eine vordergründige Rolle spielen würden (vgl.
S.264ff.).
Die meisten der interviewten BetreuerInnen, beteuern,
dass eine psychiatrische Diagnose bzw. Voraufenthalte
in der KJP keinerlei Rolle bei der Aufnahme spielen
würden. Durch einige wenige Statements wurde jedoch
deutlich, dass diese in die Überlegungen bei der
Aufnahme miteinbezogen werden (vgl. S.264ff.).
Es wurde deutlich, dass jene Kinder und Jugendlichen,
die sich absolut nicht in die vorgegebenen Strukturen
einfinden können auch aus den Einrichtungen entlassen
werden müssen. Der Umgang diesbezüglich kann
jedoch als sehr unterschiedlich beschrieben werden (vgl.
S.298ff.).
Hier wurde durch die meisten Interviews deutlich, dass
es klare Konsequenzen gibt und diese bis zu einer
Suspendierung oder einem Ausschluss reichen (vgl.
298).
Durch die Interviews konnte festgestellt werden, dass
Angebote im Rahmen der JW ausgebaut werden
müssen. Vor allem auch Institutionen (z.B. kinder- und
jugendpsychiatrische Wohngemeinschaften usw.), die
sich sowohl auf das Gesundheitssystem wie aber auch
das System der JW beziehen, wurden von den befragten
Fachkräften immer wieder gefordert (vgl. S.327ff.).
Es wurde immer wieder der Wunsch deutlich
angesprochen, dass mehr freie Kapazitäten in Bezug auf
die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung
bestehen müssten. Ebenfalls wurden Aspekte im
Hinblick auf die interpersonelle Ebene wie z.B. ein
wertschätzendes Klima thematisiert (vgl. S.342ff.).
Durch die Interviews konnten Hinweise gefunden
werden, dass Kinder und Jugendliche in die KJP
eingewiesen werden, da es in den JW- Einrichtungen
keine andere Möglichkeit gibt (vgl. S.307 ff.).
Zusammenfassung- Ausblick
Wie
wird
der
Bedarf
an
geschlossenen
Unterbringungsmöglichkeiten
im
Rahmen
der
Jugendwohlfahrt eingeschätzt?
Fühlen sich MitarbeiterInnen der Einrichtungen im
Umgang mit „besonders schwierigen“ Kindern und
Jugendlichen ausreichend geschult?
Welche Konsequenzen ziehen Fachkräfte aus
jugendpsychiatrischen Diagnosen für ihre weitere Arbeit?
Von einigen Befragten wird die geschlossene
Unterbringung im Rahmen der JW kategorisch
abgelehnt, während andere diese als einzige Chance für
bestimmte Kinder und Jugendliche sehen würden (vgl.
S.307ff.).
BetreuerInnen in stationären JW- Einrichtungen fühlen
sich durch ihre Ausbildung nicht oder nur sehr wenig
auf den Umgang mit besonders schwierigen Kindern
und Jugendlichen vorbereitet (vgl. S.312ff.).
Es wurde deutlich, dass jene Einrichtungen mit weniger
häufigem Kontakt psychiatrischen Diagnosen auch eine
nebensächliche Bedeutung zuschreiben und diese nicht
in den pädagogischen Alltag einfließen lassen (vgl.
S.291ff.).
Ein besonders wichtiger Punkt in Bezug auf die Zusammenarbeit bezieht sich darauf, dass die
Kooperation zwischen KJP und Einrichtungen der Jugendwohlfahrt nicht nur über den Einzelfall
passieren darf. Hier müssen konkrete Modelle entworfen werden, um die Kooperation zu
institutionalisieren. Es erscheint als besonders wichtig, dass die Einrichtungen sich kennen, um
dann auch entsprechend tolerant und wertschätzend miteinander umgehen zu können.
Aufgrund der Ergebnisse der empirischen Untersuchung werden einige Lösungsvorschläge
formuliert, die sich einerseits auf die strukturelle Ebene der Jugendwohlfahrtseinrichtungen
beziehen wie aber auch auf die Ebene der Gesamtversorgung. Klar ist, dass durch die Defizite im
Jugendwohlfahrtsbereich, wie aber auch in der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung die
Kooperation erschwert wird, was letztlich auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen
ausgetragen wird.
Diese Arbeit soll grundsätzlich auf die Problematik der Kinder und Jugendlichen aufmerksam
machen, die einerseits zwischen dem Jugendwohlfahrtssystem und dem Gesundheitssystem hin und
her geschoben werden, weil sie Einrichtungen an ihre Grenzen treiben und zu Hilflosigkeit unter
den
Helfern
führen.
Und
für
die
es
andererseits
keinen
Platz
innerhalb
unseres
Jugendwohlfahrtssystems gibt, und die somit ungewollt zu psychiatrischen DauerpatientInnen
werden. Um für diese Kinder und Jugendlichen Partei zu ergreifen und dieses Problem
grundsätzlich auch im Hinblick auf statistische Werte zu beleuchten, soll diese Arbeit als Grundlage
dienen.
Fest steht, dass es Kinder und Jugendliche gibt, die sich in schwierigen Situationen befinden und
dadurch differenzierte Angebote benötigen. Um ihnen zu helfen und auch diesen Kindern und
Jugendlichen eine aussichtsreiche Zukunft bieten zu können, müssen unterschiedliche Disziplinen
zusammenarbeiten. Hier ist kein Platz für einen Kampf um Zuständigkeiten oder ähnlichem.
370
Zusammenfassung- Ausblick
Im Sinne der Kinder und Jugendlichen, die es ohnehin schon schwer genug haben, müssen wir
kooperieren und Angebote schaffen, die auch diese Kinder und Jugendlichen halten und tragen
können.
Durch die regionale Zusammenarbeit von unterschiedlichen Professionen (Schule, Krankenhaus,
Jugendwohlfahrt usw. können „Abschiebetendenzen in vermeintlich noch spezialisiertere
Einrichtungen sowie Beziehungsabbrüche und die Identifikation der Kinder mit Diagnosen
vermieden werden“ (Franken, 1998:116).
Da diese Arbeit nur eine Grundlage bieten kann und keinen Anspruch erhebt dieses weitläufige
Gebiet vollständig erforscht zu haben, sind an dieser Stelle noch weitere Fragen offen. Diese
beziehen sich vor allem auf die Kooperation der Kinder und Jugendpsychiatrie mit behördlichen
SozialarbeiterInnen sowie mit der Justiz. Ebenfalls wichtig zu betonen erscheint es an dieser Stelle,
dass in dieser Arbeit nur die Zusammenarbeit mit stationären Jugendwohlfahrtseinrichtungen zum
Thema gemacht wurde. Die Kooperation mit ambulanten Diensten usw. sollte ebenfalls noch
erforscht werden. Auch sollte hier noch einmal darauf hingewiesen werden, dass explizite Konzepte
für die Zusammenarbeit wie aber auch für neue Jugendwohlfahrtsangebote ausgearbeitet werden
müssen.
Alles in allem sollte diese Arbeit dazu dienen, eine Grundlage für die Diskussion um die
Kooperation zwischen stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt und der KJP in der
Steiermark bieten. Die Jugendwohlfahrt darf in keiner Weise die Perspektive der KJP ausklammern,
da nur durch eine fruchtbare Zusammenarbeit sozial und emotional benachteiligte Kinder und
Jugendliche begleitet werden können. Auf keinen Fall dürfen wir uns damit abfinden, dass es nun
mal „unbetreubare“ Kinder und Jugendliche gibt.
Folgendes Zitat soll noch auf den Punkt bringen, was in dieser Arbeit verdeutlicht werden sollte.
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist nicht der „Abschiebebahnhof“ für die ungelösten Probleme
der Jugendhilfe, vielmehr leitet sie ihre Existenzberechtigung ab aus ihrer Verantwortung für
seelisch kranke Kinder und Jugendliche. Sie ist ein System zur Behandlung in einem
ganzheitlichen Betreuungskonzept und versteht sich somit als integraler Bestandteil des Ganzen.
Zu diesem Zweck müssen Interaktion und Kommunikation zwischen Kinder- und
Jugendpsychiatrie und allen Bereichen der Jugendhilfe intensiviert und verbessert werden.
Zusammenarbeit und Kooperation sollen nicht nur Schlagworte oder Absichtserklärungen bleiben,
sondern in gegenseitigem Vertrauen Umsetzung finden (Heipertz, 1990: 119).
371
Literaturverzeichnis
15 Literaturverzeichnis
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Tschötschel, M.: Zum Verhältnis von Therapie und Pädagogik in der Heimerziehung. In: Forum
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Van den Boogart, H.: Abweichendes Verhalten. In: Kreft, D./Mielenz, I. (Hrsg.): Wörterbuch
Soziale Arbeit. Weinheim und Basel: Beltz 2005. S.29-31.
Wilser, A.: „Gesund bin ich, wenn’s mir gut geht“- oder: Was hat das Thema Gesundheit mit
Lebensweltorientierter Sozialer Arbeit zu tun? In: Grunwald, K./ Thiersch, H.: Praxis
Lebensweltorientierter Sozialer Arbeit. Handlungszugänge und Methoden in unterschiedlichen
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Wolffersdorff, Ch./ Sprau- Kuhlen, V.: Geschlossene Unterbringung in Heimen. Kapitulation der
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Wolffersdorff, Ch.: Was tun, wenn nichts mehr geht? Zur alten und neuen Diskussion um die
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W.: Reform der Heimerziehung. Eine Bilanz. Opladen: Leske und Budrich 2003. S. 53-68.
386
Anhang
16 Anhang
Tabelle 85: Aufnahmediagnose (1.Intervention); nach Häufigkeiten geordnet
Valid
Diagnose lt. ICD10
Nicht näher bezeichnete depressive Episode
Anpassungsstörungen
Schwere depressive Episode ohne psychot.
Symptome
Schwere depressive Episode mit psychotischen
Symptomen
Hyperkinetische Störungen
Akute Belastungsreaktion
Posttraumatische Belastungsstörung
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen
Bindungen
Mittelgradige depressive Episode
Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
Nicht näher bezeichnete Störung des
Sozialverhaltens
Nicht näher bezeichnete akute vorübergehende
psychotische Störung
Störungen durch Alkohol
Störungen durch Alkohol/ Schädlicher Gebrauch
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/
Abhängigkeitssyndrom
Nicht näher bezeichnete Reaktion auf schwere
Belastung
Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen soz.
Bindungen
Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung
Nicht näher bezeichnete Angststörung
Angst und depressive Störung, gemischt
Nicht näher bezeichnete depressive Störung
Nicht näher bezeichnete Zwangsstörung
Nicht näher bezeichnete Persönlichkeits- und
Verhaltensstörung
Leichte Intelligenzminderung/deutliche
Verhaltensauffälligkeit, die Beobachtung oder
Behandlung erfordert
Nicht näher bezeichnete emotionale Störung des
Kindesalters
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/
schädlicher Gebrauch
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/ mit Koma
Paranoide Schizophrenie
Manie mit psychotischen Symptomen
Leichte depressive Episode
Sonstige depressive Episoden
Andere Angststörungen
Generalisierte Angsstörung
Nicht näher bezeichnete Essstörung
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
387
F32.9
F43.2
F32.2
Frequency Percent
75
19,7
48
12,6
Valid
Percent
19,8
12,7
Cumulative
Percent
19,8
32,5
33
8,7
8,7
41,3
19
5,0
5,0
46,3
F90.0
F43.0
F43.1
F91.1
18
15
12
4,7
3,9
3,2
4,8
4,0
3,2
51,1
55,0
58,2
10
2,6
2,6
60,8
F32.1
F90.1
F91.9
8
7
2,1
1,8
2,1
1,9
63,0
64,8
7
1,8
1,9
66,7
6
1,6
1,6
68,3
5
4
1,3
1,1
1,3
1,1
69,6
70,6
4
1,1
1,1
71,7
4
1,1
1,1
72,8
4
1,1
1,1
73,8
4
4
4
3
3
1,1
1,1
1,1
0,8
0,8
1,1
1,1
1,1
0,8
0,8
74,9
75,9
77,0
77,8
78,6
3
0,8
0,8
79,4
3
0,8
0,8
80,2
3
0,8
0,8
81,0
3
3
0,8
0,8
0,8
0,8
81,7
82,5
2
0,5
0,5
83,1
2
0,5
0,5
83,6
2
2
2
2
2
2
2
2
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
84,1
84,7
85,2
85,7
86,2
86,8
87,3
87,8
F32.3
F23.9
F10
F10.1
F19.2
F43.9
F91.2
F92.0
F41.9
F41.2
F33.9
F42.9
F69.0
F70.1
F93.9
R91
T50.9
F19.1
F19.5
F20.0
F30.2
F32.0
F32.8
F41
F41.1
F50.9
F60.3
Anhang
Nicht nähr bezeichnete abnorme Gewohnheit oder
Störung der Impulskontrolle
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/
Verhaltensauffälligkeiten nicht erwähnt
Frühkindlicher Autismus
Atypischer Autismus
Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem,
aufsässigen Verhalten
Sonstige kombinierte Störungen des Sozialverhaltens
und der Emotionen
Nicht näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale
Störungen
Vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale)
Sonstige nicht näher bezeichnete organische
psychische Störung
Störungen durch Opioide/schädlicher Gebrauch
Störungen durch Sedativa oder Hypnotika/
Entzugssyndrom
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/
Entzugssyndrom
Anhaltende wahnhafte Störungen
Akute vorübergehende psychotische Störungen
Nicht näher bezeichnete nichtorganische Psychose
Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
mittelgradige Episode
Rezidivierende depressive Störung, gegenwertig
schwere Episode ohne psychotische Symptome
Rezidivierende depressive Störung, gegenwertig
schwere Episode mit psychotischen Symptomen
Spezifische (isolierte) Phobien
Anorexia nervosa
Nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/
deutliche Verhaltensauffälligkeit, die Beobachtung
oder Behandlung erfordert
Asperger-Syndrom
Kombinierte, vokale und multiple motorische Tics
(Tourette Syndrom)
Dermatitis factitia
Sonstige Reaktionen auf schwere Belastungen
Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des
Sozialverhaltens
Sonstige manische Episoden
Nicht näher bezeichnete bipolare affektive Störung
Soziale Phobien
Nicht näher bezeichnete Ticstörung
Allgemeine psychiatrische Untersuchung nicht
andernorts klassifizierbar
Sonstige Intelligenzminderung/
Verhaltensauffälligkeiten nicht erwähnt
Sonstige Störungen des Sozialverhaltens
Nicht näher bezeichnete phobische Störung
Missing
Total
388
F63.9
2
0,5
0,5
88,4
2
0,5
0,5
88,9
2
2
0,5
0,5
0,5
0,5
89,4
89,9
2
0,5
0,5
90,5
2
0,5
0,5
91,0
2
0,5
0,5
91,5
U31.9
F42.1
F6.8
2
2
0,5
0,5
0,5
0,5
92,1
92,6
1
0,3
0,3
92,9
F11.1
F13.3
1
0,3
0,3
93,1
1
0,3
0,3
93,4
1
0,3
0,3
93,7
1
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
93,9
94,2
94,4
1
0,3
0,3
94,7
1
0,3
0,3
95,0
1
0,3
0,3
95,2
1
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
95,5
95,8
96,0
1
0,3
0,3
96,3
F84.5
F95.2
1
0,3
0,3
96,6
1
0,3
0,3
96,8
L98.1
F43.8
F91.0
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
97,1
97,4
1
0,3
0,3
97,6
F30.8
F31.9
F40.1
F95.9
Z004
1
1
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
97,9
98,1
98,4
98,7
1
0,3
0,3
98,9
1
0,3
0,3
99,2
1
1
1
378
2
0,3
0,3
0,3
99,5
0,5
0,3
0,3
0,3
100,0
41
99,5
99,7
100,0
380
100,0
F79.9
F84.0
F84.1
F91.3
F92.8
F98.9
F19.3
F22
F23
F29.0
F33.1
F33.2
F33.3
F40.2
F50.0
F60.9
F79.1
F78.9
F91.8
R32
F40.9
Total
System
Anhang
Tabelle 86: Aufnahmediagnose (2.Intervention)- nach Häufigkeiten geordnet
Valid
Diagnose lt. ICD10
Nicht näher bezeichnete depressive Episode
Anpassungsstörungen
Schwere depressive Episode mit psychotischen
Störungen
Posttraumatische Belastungsstörung
Schwere depressive Episode ohne psychotische
Symptome
Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
Sonstige kombinierte Störungen des
Sozialverhaltens und der Emotionen
Mittelgradige depressive Episode
Störung des Sozialverhaltens mit depressiver
Störung
Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
schwere Episode mit psychotischen Symptomen
Nicht näher bezeichnete Reaktion auf schwere
Belastungen
Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden
sozialen Bindungen
Nicht näher bezeichnete Störung des
Sozialverhaltens
Nicht näher bezeichnete kombinierte Störung des
Sozialverhaltens und der Emotionen
Störungen durch Alkohol
Störungen durch Cannabinoide/
Abhängigkeitssyndrom
Störungen durch Sedativa oder Hypnotika/
Abhängigkeitssyndrom
Störungen durch flüchtige
Lösungsmittel/schädlicher Gebrauch
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/
Abhängigkeitssyndrom
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/
Entzugssyndrom
Schizophrenie
Akute vorübergehende psychotische Störungen
Sonstige nichtorganische psychotische Störungen
Nicht näher bezeichnete nichtorganische
Psychose
Bipolare affektive Störung, gegenwärtige leichte
oder mittelgradige depressive Episode
Bipolare affektive Störung, gegenwärtige schwere
depressive Episode ohne psychotische
Symptome
Nicht näher bezeichnete bipolare affektive
Störung
Sonstige depressive Episoden
Spezifische (isolierte) Phobien
Generalisierte Angststörung
Angst und depressive Störung, gemischt
Nicht näher bezeichnete Angststörung
Vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale)
Nicht näher bezeichnete Zwangsstörung
Sonstige somatoforme Störungen
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Histrionische Persönlichkeitsstörung
F32.9
F43.2
F32.3
Frequency Percent
18
4,7
17
4,5
Valid
Cumulative
Percent
Percent
15,3
15,3
14,4
29,7
9
2,4
7,6
37,3
F43.1
F32.2
8
2,1
6,8
44,1
6
1,6
5,1
49,2
F90.1
F92.8
6
1,6
5,1
54,2
6
1,6
5,1
59,3
F32.1
F92.0
4
1,1
3,4
62,7
4
1,1
3,4
66,1
2
0,5
1,7
67,8
2
0,5
1,7
69,5
2
0,5
1,7
71,2
2
0,5
1,7
72,9
2
0,5
1,7
74,6
2
0,5
1,7
76,3
1
0,3
0,8
77,1
1
0,3
0,8
78,0
1
0,3
0,8
78,8
1
0,3
0,8
79,7
1
0,3
0,8
80,5
1
0,3
0,8
81,4
1
1
1
0,3
0,3
0,3
0,8
0,8
0,8
82,2
83,1
83,9
1
0,3
0,8
84,7
1
0,3
0,8
85,6
1
0,3
0,8
86,4
1
0,3
0,8
87,3
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
88,1
89,0
89,8
90,7
91,5
92,4
93,2
94,1
94,9
95,8
F33.3
F43.9
F90.0
F91.1
F91.9
F92.9
F10
F12.2
F13.2
F18.1
F19.2
F19.3
F20.0
F23
F28.0
F29.0
F31.3
F31.4
F31.9
F32.8
F40.2
F41.1
F41.2
F41.9
F42.1
F42.9
F45.8
F60.3
F60.4
389
Anhang
Leichte Intelligenzminderung/ sonstige
Verhaltensauffälligkeiten
Leichte Intelligenzminderung/
Verhaltensauffälligkeiten nicht erwähnt
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/
Verhaltensauffälligkeiten nicht erwähnt
Asperger- Syndrom
Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung
des Sozialverhaltens
F70.8
0,3
0,8
96,6
1
0,3
0,8
97,5
1
0,3
0,8
98,3
1
0,3
0,8
99,2
1
0,3
0,8
100,0
118
262
380
31,1
68,9
100,0
100,0
F70.9
F79.9
F84.5
F91.0
Total
System
Missing
Total
1
Tabelle 87: Aufnahmediagnose (3.Intervention)- nach Häufigkeiten geordnet
Diagnose lt. ICD10
Valid Nicht näher bezeichnete depressive Episode
Posttraumatische Belastungsstörung
Anpassungsstörungen
Schwere depressive Episode mit psychotischen
Symptomen
Akute schizophreniforme psychotische Störung
Schwere depressive Episode ohne psychotische
Symptome
Akute Belastungsreaktion
Nicht näher bezeichnete akute vorübergehende
psychotische Störung
Sonstige kombinierte Störungen des Sozialverhaltens
und der Emotionen
Störungen durch Alkohol/ schädlicher Gebrauch
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/
schädlicher Gebrauch
Paranoide Schizophrenie
Akute vorübergehende psychotische Störungen
Schizoaffektive Störungen, gegenwärtig manisch
Schizoaffektive Störungen, gegenwärtig depressiv
Bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere
depressive Episode ohne psychotische Symptome
Mittelgradige depressive Episode
Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
schwere Episode mit psychotischen Störungen
Nicht näher bezeichnete Reaktion auf schwere
Belastung
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/
Verhaltensauffälligkeit nicht erwähnt
Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung
Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung
Vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale)
Missing
Total
F32.9
F43.1
F43.2
F32.3
4
1,1
7,8
41,2
F23.2
F32.2
3
0,8
5,9
47,1
3
0,8
5,9
52,9
F43.0
F23.9
3
0,8
5,9
58,8
2
0,5
3,9
62,7
2
0,5
3,9
66,7
1
0,3
2,0
68,6
1
0,3
2,0
70,6
F20.0
F23
F25.0
F25.1
F31.4
1
1
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
2,0
2,0
2,0
2,0
72,5
74,5
76,5
78,4
1
0,3
2,0
80,4
F32.1
F33.3
1
0,3
2,0
82,4
1
0,3
2,0
84,3
1
0,3
2,0
86,3
F60.3
F60.8
F79.9
1
1
0,3
0,3
2,0
2,0
88,2
90,2
1
0,3
2,0
92,2
F90.0
F90.1
F92.0
F42.1
Total
1
1
1
1
51
329
0,3
0,3
0,3
0,3
13,4
86,6
2,0
2,0
2,0
2,0
100,0
94,1
96,1
98,0
100,0
380
100,0
F92.8
F10.2
F19.2
F43.9
System
390
Valid Cumulative
Percent
Frequency Percent Percent
7
1,8
13,7
13,7
5
1,3
9,8
23,5
5
1,3
9,8
33,3
Anhang
Tabelle 88: Aufnahmediagnose (4.Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
Valid
Diagnose lt. ICD 10
Anpassungsstörungen
Posttraumatische Belastungsstörung
Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
Störungen durch Alkohol/ akute Intoxikation
Störungen durch Alkohol/ schädlicher Gebrauch
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/
psychotische Störung
Wahnhafte Störung
Nicht näher bezeichnete akute vorüberhegende
psychotische Störung
Nicht näher bezeichnete depressive Episode
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/ ohne
Angabe einer Verhaltensstörung
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen
Bindungen
Störung des Sozialverhaltens mit depressiver
Störung
F43.2
F43.1
F90.1
F10.0
F10.1
F19.5
1
0,3
5,9
58,8
F22.0
F23.9
1
0,3
5,9
64,7
1
0,3
5,9
70,6
F32.9
F79.9
1
0,3
5,9
76,5
1
0,3
5,9
82,4
1
0,3
5,9
88,2
1
0,3
5,9
94,1
1
17
363
0,3
4,5
95,5
5,9
100,0
100,0
380
100,0
F91.1
F92.0
T51.0
Total
Missing
Total
Valid
Cumulative
Percent
Frequency Percent Percent
3
0,8
17,6
17,6
2
0,5
11,8
29,4
2
0,5
11,8
41,2
1
0,3
5,9
47,1
1
0,3
5,9
52,9
System
Tabelle 89: Aufnahmediagnose (5. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
Valid
Diagnose lt. ICD 10
Paranoide Schizophrenie
Nicht näher bezeichnete akute vorübergehende
psychotische Störung
Nicht näher bezeichnete schizoaffektive Störung
Posttraumatische Belastungsstörung
Anpassungsstörungen
Leichte Intelligenzminderung/ deutliche
Verhaltensstörung, die Beobachtung oder
Behandlung erfordert
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/ ohne
Angabe einer Verhaltensstörung
Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen
Bindungen
Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen
sozialen Bindungen
F20.0
F23.9
F25.9
F43.1
F43.2
F70.1
F79.9
F90.1
F91.1
F91.2
Total
System
Missing
Total
391
Valid
Cumulative
Percent
Frequency Percent Percent
1
0,3
10,0
10,0
1
0,3
10,0
20,0
1
1
1
0,3
0,3
0,3
10,0
10,0
10,0
30,0
40,0
50,0
1
0,3
10,0
60,0
1
0,3
10,0
70,0
1
0,3
10,0
80,0
1
0,3
10,0
90,0
1
0,3
10,0
100,0
10
370
2,6
97,4
100,0
380
100,0
Anhang
Tabelle 90: Aufnahmediagnose (6.Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
Diagnose lt. ICD 10
Anpassungsstörungen
Nicht näher bezeichnete acute vorübergehende
psychotische Störung
Schwere depressive Episode ohne psychotische
Symptome
Valid
Valid
Cumulative
Percent
Frequency Percent Percent
3
0,8
60,0
60,0
F43.2
F23.9
0,3
20,0
80,0
1
0,3
20,0
100,0
5
375
1,3
98,7
100,0
380
100,0
F32.2
Total
System
Missing
Total
1
Tabelle 91: Aufnahmediagnose (7. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
Diagnose lt. ICD 10
Posttraumatische Belastungsstörung
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Sonstige kombinierte Störungen des
Sozialverhaltens
Valid
Valid
Frequency Percent Percent
2
0,5
50,0
0,3
25,0
1
F43.1
F60.3
F92.8
Total
Missing
Total
System
1
0,3
25,0
4
1,1
100,0
376
98,9
380
100,0
Cumulative
Percent
50,0
75,0
100,0
Tabelle 92: Entlassungsdiagnose (1.Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
Valid
Diagnose lt. ICD 10
Anpassungsstörungen
Nicht näher bezeichnete depressive Episode
Schwere depressive Episode ohne psychotische
Symptome
Schwere depressive Episode mit psychotischen
Symptomen
Posttraumatische Belastungsstörung
Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung
Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
Akute Belastungsreaktion
Dermatitis factitia
Mittelgradige depressive Episode
Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen
sozialen Bindungen
Angst und depressive Störung, gemischt
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen
Bindungen
Störungen durch Alkohol/ schädlicher Gebrauch
Leichte depressive Episode
Panikstörung
Leichte Intelligenzminderung/ deutliche
Verhaltensstörung, die Beobachtung oder
Behandlung erfordert
Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung
Nicht näher bezeichnete emotionale Störungen des
Kindesalters
Nicht näher bezeichnete Störung des
Sozialverhaltens
Nicht näher bezeichnete Angststörung
392
Valid
Cumulative
Percent
Percent
16,3
16,3
15,3
31,6
Frequency
60
56
Percent
15,8
14,7
22
5,8
6,0
37,6
18
4,7
4,9
42,5
F43.1
F90.0
F90.1
F43.0
L98.1
F32.1
F91.2
17
13
13
12
10
8
4,5
3,4
3,4
3,2
2,6
2,1
4,6
3,5
3,5
3,3
2,7
2,2
47,1
50,7
54,2
57,5
60,2
62,4
8
2,1
2,2
64,6
F41.2
F91.1
8
2,1
2,2
66,8
6
1,6
1,6
68,4
F10.1
F32.0
F41.0
F70.1
4
4
4
1,1
1,1
1,1
1,1
1,1
1,1
69,5
70,6
71,7
4
1,1
1,1
72,8
F92.0
F93.9
4
1,1
1,1
73,8
4
1,1
1,1
74,9
U31.9
F91.9
4
1,1
1,1
76,0
4
1,1
1,1
77,1
F41.9
4
1,1
1,1
78,2
F43.2
F32.9
F32.2
F32.3
Anhang
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen /
schädlicher Gebrauch
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/
Abhängigkeitssyndrom
Nicht näher bezeichnete akute vorübergehende
psychotische Störung
Generalisierte Angststörung
Nicht näher bezeichnete Essstörung
Nicht näher bezeichnete Persönlichkeitsstörung
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/ ohne
Angabe einer Verhaltensstörung
Störungen durch Alkohol /akute Intoxikation
Paranoide Schizophrenie
Schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv
Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
schwere Episode mit psychotischen Symptomen
Nicht näher bezeichnete Zwangsstörung
Nicht näher bezeichnete Reaktion auf schwere
Belastung
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Nicht näher bezeichnete Persönlichkeits- und
Verhaltensstörung
Asperger Syndrom
Sonstige kombinierte Störungen des Sozialverhaltens
Vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale)
Störungen durch Opioide/ schädlicher Gebrauch
Störungen durch Cannabinoide/ schädlicher
Gebrauch
Störungen durch Cannabinoide/
Abhängigkeitssyndrom
Störungen durch Sedativa oder Hyypnotika/
Abhängigkeitssyndrom
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/ akute
Intoxikation
Undifferenzierte Schizophrenie
Sonstige Schizophrenie
Akute polymorphe psychotische Störung ohne
Symptome einer Schizophrenie
Akute schizophreniforme psychotische Störung
Sonstige nichtorganische psychotische Störungen
Bipolare affektive Störung, gegenwärtig manische
Episode mit psychotischen Symptomen
Somatisierungsstörung
Nicht näher bezeichnete abnorme Gewohnheit und
Störung der Impulskontrolle
Leichte Intelligenzminderung/ ohne Angabe einer
Verhaltensstörung
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/
deutliche Verhaltensstörung, die Beobachtung oder
Behandlung erfordert
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/
sonstige Verhaltensstörungen
Lese- und Rechtschreibstörung
Frühkindlicher Autismus
Atypischer Autismus
Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem,
aufsässigen Verhalten
Nicht näher bezeichnete kombinierte Störung des
Sozialverhaltens
Kombinierte vokale und multiple motorische Tics
393
F19.1
3
0,8
0,8
79,0
3
0,8
0,8
79,8
3
0,8
0,8
80,7
F41.1
F50.9
F60.9
F79.9
3
3
3
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
0,8
81,5
82,3
83,1
3
0,8
0,8
83,9
F10.0
F20.0
F25.1
F33.3
2
2
2
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
0,5
84,5
85,0
85,6
2
0,5
0,5
86,1
F42.9
F43.9
2
0,5
0,5
86,6
2
0,5
0,5
87,2
F60.3
F69
2
0,5
0,5
87,7
2
0,5
0,5
88,3
F84.5
F92.8
F42.1
F11.1
F12.1
2
2
2
1
0,5
0,5
0,5
0,3
0,5
0,5
0,5
0,3
88,8
89,4
89,9
90,2
1
0,3
0,3
90,5
1
0,3
0,3
90,7
1
0,3
0,3
91,0
1
0,3
0,3
91,3
F20.3
F20.8
F23.0
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
91,6
91,8
1
0,3
0,3
92,1
F23.2
F28
F31.2
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
92,4
92,6
1
0,3
0,3
92,9
F45.0
F63.9
1
0,3
0,3
93,2
1
0,3
0,3
93,5
1
0,3
0,3
93,7
1
0,3
0,3
94,0
1
0,3
0,3
94,3
1
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
94,6
94,8
95,1
1
0,3
0,3
95,4
1
0,3
0,3
95,6
1
0,3
0,3
95,9
F19.2
F23.9
F12.2
F13.2
F19.0
F70.9
F79.1
F79.8
F81.0
F84.0
F84.1
F91.3
F92.9
F95.2
Anhang
(Tourette Syndrom)
Psychische Störung ohne nähere Angaben
Epilepsie
Sonstige Reaktionen auf schwere Belastung
Nicht näher bezeichnete bipolare affektive Störung
Allgemeine psychiatrische Untersuchung, nicht
andernorts klassifizierbar
Andere Intelligenzminderung/ ohne Angabe einer
Verhaltensstörung
Pathologisches Stehlen/ Kleptomanie
F99
G40
F43.8
T50.9
F31.9
M21.6
Z00.4
F78.9
F63.2
R10.4
F91.8
F42.0
F50.2
F40.9
F72.1
Sonstige Störungen des Sozialverhaltens
Vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang
Bulimia nervosa
Nicht näher bezeichnete phobische Störung
Schwere Intelligenzminderung/ deutliche
Verhaltensstörung, die Beobachtung oder
Behandlung erfordert
Total
System
Missing
Total
1
1
1
1
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
96,2
96,5
96,7
97,0
97,3
97,5
1
0,3
0,3
97,8
1
0,3
0,3
98,1
1
1
1
1
1
1
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
0,3
98,4
98,6
98,9
99,2
99,5
99,7
1
0,3
0,3
100,0
367
13
380
96,6
3,4
100,0
100,0
Tabelle 93: Entlassungsdiagnose (2.Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
Valid
Diagnose lt. ICD 10
Anpassungsstörungen
Nicht näher bezeichnete depressive Episode
Schwere depressive Episode mit psychotischen
Symptomen
Mittelgradige depressive Episode
Posttraumatische Belastungsstörung
Sonstige kombinierte Störungen des Sozialverhaltens
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen/
Abhängigkeitssyndrom
Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung
Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung
Störungen durch Alkohol/ schädlicher Gebrauch
Störungen durch Cannabinoide/ schädlicher Gebrauch
Störungen durch Cannabinoide/
Abhängigkeitssyndrom
Paranoide Schizophrenie
Nicht näher bezeichnete akute vorübergehende
psychotische Störung
Schwere depressive Episode ohne psychotische
Symptome
Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
schwere Episode mit psychotischen Symptomen
Angst und depressive Störung, gemischt
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen
Bindungen
Dermatitis factitia
Störungen durch Alkohol/ Abhängigkeitssyndrom
394
F43.2
F32.9
F32.3
Frequency
19
16
Cumulative
Valid
Percent
Percent Percent
5,0
16,7
16,7
4,2
14,0
30,7
8
2,1
7,0
37,7
6
6
4
1,6
1,6
1,1
5,3
5,3
3,5
43,0
48,2
51,8
3
0,8
2,6
54,4
F90.0
F90.1
F92.0
F10.1
F12.1
F12.2
3
3
3
2
2
0,8
0,8
0,8
0,5
0,5
2,6
2,6
2,6
1,8
1,8
57,0
59,6
62,3
64,0
65,8
2
0,5
1,8
67,5
F20.0
F23.9
2
0,5
1,8
69,3
2
0,5
1,8
71,1
2
0,5
1,8
72,8
2
0,5
1,8
74,6
F41.2
F91.1
2
0,5
1,8
76,3
2
0,5
1,8
78,1
L98.1
E77.9
F10.2
2
1
1
0,5
0,3
0,3
1,8
0,9
0,9
79,8
80,7
81,6
F32.1
F43.1
F92.8
F19.2
F32.2
F33.3
Anhang
Störungen durch Opioide/ Abhängigkeitssyndrom
Störungen durch Tabak/ Abhängigkeitssyndrom
Sonstige Schizophrenie
Akute polymorphe psychotische Störung ohne
Symptome einer Schizophrenie
Bipolare affektive Störung, gegenwärtig leichte oder
mittelgradige depressive Episode
Bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere
depressive Episode ohne psychotische Symptome
Nicht näher bezeichnete bipolare affektive Störung
Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig
remittiert
Nicht näher bezeichnete rezidivierende depressive
Störung
Vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang
Vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale)
Nicht näher bezeichnete Reaktion auf schwere
Belastung
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Leichte Intelligenzminderung/ deutliche
Verhaltensstörung, die Beobachtung oder Behandlung
erfordert
Leichte Intelligenzminderung/ sonstige Verhaltensst.
Leichte Intelligenzminderung/ ohne Angabe einer
Verhaltensstörung
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/ ohne
Angabe einer Verhaltensstörung
Asperger- Syndrom
Nicht näher bezeichnete Störung des Sozialverhaltens
Nichtorganische Enuresis
Missing
Total
F11.2
F17.2
F20.8
F23.0
1
1
1
0,3
0,3
0,3
0,9
0,9
0,9
82,5
83,3
84,2
1
0,3
0,9
85,1
1
0,3
0,9
86,0
1
0,3
0,9
86,8
1
0,3
0,9
87,7
1
0,3
0,9
88,6
1
0,3
0,9
89,5
F42.0
F42.1
F43.9
1
1
0,3
0,3
0,9
0,9
90,4
91,2
1
0,3
0,9
92,1
F60.3
F70.1
1
0,3
0,9
93,0
1
0,3
0,9
93,9
1
0,3
0,9
94,7
1
0,3
0,9
95,6
1
0,3
0,9
96,5
1
1
1
1
114
266
0,3
0,3
0,3
0,3
30,0
70,0
0,9
0,9
0,9
0,9
100,0
97,4
98,2
99,1
100,0
380
100,0
F31.3
F31.4
F31.9
F33.4
F33.9
F70.8
F70.9
F79.9
F84.5
F91.9
F98.0
R06.4
Total
System
Tabelle 94: Entlassungsdiagnose (3.Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
Valid
Diagnose lt. ICD 10
Anpassungsstörungen
Posttraumatische Belastungsstörung
Nicht näher bezeichnete depressive
Episode
Schwere depressive Episode ohne
psychotische Symptome
Sonstige kombinierte Störungen des
Sozialverhaltens
Paranoide Schizophrenie
Bipolare affektive Störung,
gegenwärtig leichte oder mittelgradige
depressive Episode
Schwere depressive Episode mit
psychotischen Symptomen
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Einfache Aktivitäts- und
Aufmerksamkeitsstörung
Organische Halluzinose
Störungen durch Alkohol/ akute
Intoxikation
Störungen durch Cannabinoide/
Abhängigkeitssyndrom
Nicht näher bezeichnete akute
Frequency
7
6
F43.2
F43.1
F32.9
F32.2
F92.8
F20.0
F31.3
Percent
Valid
Cumulative
Percent
Percent
1,8
14,3
14,3
1,6
12,2
26,5
5
1,3
10,2
3
0,8
6,1
3
0,8
6,1
2
0,5
4,1
2
0,5
4,1
36,7
42,9
49,0
53,1
57,1
F32.3
2
0,5
4,1
F60.3
F90.0
2
0,5
4,1
2
0,5
4,1
F06.0
F10.1
1
0,3
2,0
1
0,3
2,0
1
0,3
2,0
1
0,3
2,0
F12.2
F23.9
395
61,2
65,3
69,4
71,4
73,5
75,5
77,6
Anhang
vorübergehende psychotische Störung
Schizoaffektive Störung, gegenwärtig
depressiv
Nicht näher bezeichnete schizoaffektive
Störung
Sonstige nichtorganische psychotische
Störung
Bipolare affektive Störung, gegenwärtig
schwere depressive Episode, ohne
psychotische Symptome
Vorwiegend Zwangsgedanken oder
Grübelzwang
Vorwiegend Zwangshandlungen
(Zwangsrituale)
Nicht näher bezeichnete
Intelligenzminderung/ ohne Angabe einer
Verhaltensstörung
Hyperkinetische Störung des
Sozialverhaltens
Störung des Sozialverhaltens bei
vorhandenen sozialen Bindungen
Reaktive Bindungsstörung des
Kindesalters
Nicht näher bezeichnete Ticstörung
Missing
Total
F25.1
F25.9
F28
1
0,3
2,0
1
0,3
2,0
1
0,3
2,0
1
0,3
2,0
79,6
81,6
83,7
F31.4
85,7
F42.0
F42.1
1
0,3
2,0
1
0,3
2,0
1
0,3
2,0
87,8
89,8
F79.9
91,8
F90.1
1
0,3
2,0
1
0,3
2,0
1
0,3
2,0
1
49
331
0,3
12,9
87,1
2,0
100,0
380
100,0
F91.2
F94.1
F95.9
Total
System
93,9
95,9
98,0
100,0
Tabelle 95: Entlassungsdiagnose (4. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
Diagnose lt. ICD 10
Valid
Anpassungsstörung
Posttraumatische Belastungsstörung
Störungen durch Alkohol/ schädlicher Gebrauch
Störungen durch Cannabinoide/ schädlicher
Gebrauch
Störungen durch multiplen Substanzgebrauch und
Konsum anderer psychotroper Substanzen
Nicht näher bezeichnete depressive Episode
Leichte Intelligenzminderung/ deutliche
Verhaltensstörung, die Beobachtung oder
Behandlung erfordert
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/
ohne Angabe einer Verhaltensstörung
Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung
Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden
sozialen Bindungen
Nicht näher bezeichnete Störung des
Sozialverhaltens
F43.2
F43.1
F10.1
F12.1
F19.2
F32.9
F70.1
F79.9
F90.0
F90.1
F91.1
F91.9
Total
System
Missing
Total
396
Frequency
4
3
1
Percent
1,1
0,8
0,3
Valid
Percent
23,5
17,6
5,9
Cumulative
Percent
23,5
41,2
47,1
1
0,3
5,9
52,9
1
0,3
5,9
58,8
1
0,3
5,9
64,7
1
0,3
5,9
70,6
1
0,3
5,9
76,5
1
1
0,3
0,3
5,9
5,9
82,4
88,2
1
0,3
5,9
94,1
1
0,3
5,9
100,0
17
4,5
100,0
363
95,5
380
100,0
Anhang
Tabelle 96: Entlassungsdiagnose (5. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
Diagnose lt. ICD 10
Posttraumatische Belastungsstörung
Störungen durch Cannabinoide/ schädlicher
Gebrauch
Paranoide Schizophrenie
Nicht näher bezeichnete schizoaffektive Störung
Schwere depressive Episode mit psychotischen
Symptomen
Nicht näher bezeichnete depressive Episode
Anpassungsstörungen
Leichte Intelligenzminderung/ deutliche
Verhaltensstörung, die Beobachtung oder
Behandlung erfordert
Nicht näher bezeichnete Intelligenzminderung/
ohne Angabe einer Verhaltensstörung
Valid
Frequency
2
Percent
0,5
Valid
Percent
20,0
Cumulative
Percent
20,0
1
0,3
10,0
30,0
F20.0
F25.9
F32.3
1
1
0,3
0,3
10,0
10,0
40,0
50,0
1
0,3
10,0
60,0
F32.9
F43.2
F70.1
1
1
0,3
0,3
10,0
10,0
70,0
80,0
1
0,3
10,0
90,0
1
0,3
10,0
100,0
10
2,6
100,0
F43.1
F12.1
F79.9
Total
Missing
Total
System
370
97,4
380
100,0
Tabelle 97: Entlassungsdiagnose (6. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
Diagnose lt. ICD 10
Nicht näher bezeichnete akute vorübergehende
psychotische Störung
Anpassungsstörungen
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Leichte Intelligenzminderung/ deutliche
Verhaltensstörung, die Beobachtung oder
Behandlung erfordert
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden
sozialen Bindungen
Valid
Percent
Valid
Percent
Cumulative
Percent
1
0,3
20,0
20,0
1
1
0,3
0,3
20,0
20,0
40,0
60,0
1
0,3
20,0
80,0
1
0,3
20,0
100,0
5
1,3
100,0
Frequency
F23.9
F43.2
F60.3
F70.1
F91.1
Total
Missing
Total
System
375
98,7
380
100,0
Tabelle 98: Entlassungsdiagnose (7. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet
1
Percent
0,3
Valid
Percent
25,0
Cumulative
Percent
25,0
1
0,3
25,0
50,0
1
0,3
25,0
75,0
1
0,3
25,0
100,0
4
1,1
100,0
Frequency
Valid
Sonstige nichtorganische psychotische Störungen
Schwere depressive Episode ohne psychotische
Symptome
Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden
sozialen Bindungen
Sonstige kombinierte Störungen des
Sozialverhaltens
F28
F32.2
F91.1
F92.8
Total
Missing
Total
System
397
376
98,9
380
100,0
Anhang
Tabelle 99: Kolmogorov Smirnov Test- Alter
One-Sample Kolmogorov-Smirnov Test
Alter
378
N
Normal Parameters(a,b)
Most Extreme
Differences
Mean
14,8889
Std. Deviation
2,46747
Absolute
,161
Positive
,104
Negative
-,161
Kolmogorov-Smirnov Z
3,127
Asymp. Sig. (2-tailed)
,000
a Test distribution is Normal.
b Calculated from data.
Tabelle 100: Mann- Whitney U Test- Kontakt zu stat. JW/ Alter
Ranks
Kontakt zu JW Einrichtung vor oder
nach einer Int.
Alter
Kontakt zu JW Einrichtung
N
111
Mean Rank
161,95
Sum of Ranks
17976,00
kein bekannter Kontakt zu
JW Einrichtung
248
188,08
46644,00
Total
359
Test Statistics(a)
Mann-Whitney U
Alter
11760,000
Wilcoxon W
17976,000
Z
-2,232
Asymp. Sig. (2-tailed)
,026
a Grouping Variable: Kontakt zu JW Einrichtung vor oder nach einer Int.
Tabelle 101: Mann Witney- U-Test: Geschlecht/ Alter (Kontakt)
Ranks
Alter
Geschlecht
weiblich
männlich
Total
Test Statistics(a)
N
54
57
Mean Rank
60,57
51,67
Sum of Ranks
3271,00
2945,00
Mann-Whitney U
Alter
1292,000
Wilcoxon W
2945,000
Z
Asymp. Sig. (2-tailed)
111
-1,478
,139
a Grouping Variable: Geschlecht
398
Anhang
Tabelle 102: Mittelwerte Alter/ Geschlecht (Kontakt)
Report
Alter
Geschlecht
weiblich
Mean
15,0741
männlich
Total
N
54
Std. Deviation
1,78940
14,4912
57
1,98317
14,7748
111
1,90542
Tabelle 103: Mann- Whitney U- Test- Zahl der Aufenthalte
Ranks
Kontakt
Zahl der
Aufenthalte
Test Statistics
Kontakt zu JW Einrichtung
kein bekannter Kontakt zu
JW Einrichtung
Total
N
Mean
Rank
Sum of
Ranks
111
231,89
25740,00
250
158,40
39601,00
Zahl der
Aufenthalte
8226,000
Mann-Whitney U
Wilcoxon W
39601,000
Z
-7,445
Asymp. Sig. (2-tailed)
,000
a Grouping Variable: Kontakt
361
Tabelle 104: Mann- Whitney U-Test- Aufenthaltsdauer (1.Int.)/ Geschlecht
Ranks
Geschlecht
Aufenthaltsdauer
N
weiblich
männlich
Total
178
190
368
Mean
Rank
193,47
176,10
Test Statistics(a)
Sum of Ranks
34437,00
33459,00
Mann-Whitney U
Aufenthaltsdauer
15314,000
Wilcoxon W
33459,000
Z
-1,627
Asymp. Sig. (2-tailed)
,104
a Grouping Variable: Geschlecht
Tabelle 105: Mann- Whitney U-Test- Aufenthaltsdauer (2.Int.)/ Geschlecht
Ranks
Geschlecht
Aufenthaltsdauer
weiblich
männlich
Total
Test Statistics(a)
N
65
51
116
Mean Rank
60,22
56,31
Sum of Ranks
3914,00
2872,00
Mann-Whitney U
Wilcoxon W
Z
Aufenthaltsdauer
1546,000
2872,000
-,632
Asymp. Sig. (2tailed)
a Grouping Variable: Geschlecht
399
,528
Anhang
Tabelle 106: Mann Whitney U- Test: Aufenthaltsdauer (3. Intervention)/ Geschlecht
Ranks
Aufenthaltsdauer
Test Statistics(a)
Geschlecht
weiblich
N
30
Mean Rank
25,12
Sum of Ranks
753,50
männlich
19
24,82
471,50
Total
49
Aufenthaltsdauer
281,500
Mann-Whitney U
Wilcoxon W
471,500
Z
-,073
Asymp. Sig. (2-tailed)
,941
a Grouping Variable: Geschlecht
Tabelle 107: Mann Whitney U- Test- Aufenthaltsdauer/ Wechsel (1.-3. Int.)
Test Statistics(a)- 1.Int
Mann-Whitney U
Wilcoxon W
Ranks- 1.Int.
Aufenthaltsdauer
2206,000
50722,000
Z
-7,847
Asymp. Sig. (2-tailed)
,000
a
Groupin
g
Variable
:
Wechse
l1
Wechsel1
Aufenthaltsdauer
Wilcoxon W
4712,000
-4,940
Asymp. Sig. (2-tailed)
Wilcoxon W
Z
Asymp. Sig. (2-tailed)
46
286,54
13181,00
N
93
Mean
Rank
50,67
Sum of
Ranks
4712,00
22
89,00
1958,00
N
36
Mean
Rank
21,39
Sum of
Ranks
770,00
ja
13
35,00
455,00
Total
49
nein
Total
,000
Wechsel der Wohnform
Aufenthaltsdauer
nein
a
Groupin
g
Variable
: Wechsel der Wohnform
Test Statistics(a)- 3.Int
Mann-Whitney U
Sum of
Ranks
50722,00
357
Ranks- 2.Int.
Aufenthaltsdauer
341,000
Z
Mean
Rank
163,09
ja
Test Statistics(a)- 2.Int.
Mann-Whitney U
N
311
ja
Total
115
Ranks- 3.Int.
Wechsel der Wohnform
Aufenthaltsdauer
nein
Aufenthaltsdauer
104,000
770,000
-3,011
,003
a Grouping Variable: Wechsel der Wohnform
400
Anhang
Tabelle 108: Mittelwerte Aufenthaltsdauer- Wechsel/ kein Wechsel der Wohnform 1.Int.
Statistics- kein Wechsel der Wohnform (1.Int.)
Statistics- Wechsel der Wohnform (1.Int.)
Aufenthaltsdauer
Aufenthaltsdauer
N
Valid
Missing
Mean
311
3,1961
Std. Deviation
2,97681
Variance
N
8,861
Valid
46
Missing
2
Mean
1
7,8696
Std. Deviation
3,28369
Variance
10,783
Tabelle 109: Mittelwerte Aufenthaltsdauer- Wechsel/kein Wechsel 2.Int.
Statistics- kein Wechsel der Wohnform (2.Int.)
Statistics- Wechsel der Wohnform (2.Int.)
Aufenthaltsdauer
Aufenthaltsdauer
N
Valid
Missing
Mean
N
93
Mean
3,79451
Variance
8,926
0
7,7273
Std. Deviation
2,98759
Variance
22
Missing
0
3,2903
Std. Deviation
Valid
14,398
Tabelle 110: Mittelwerte Aufenthaltsdauer- Wechsel/kein Wechsel 3.Int.
Statistics- kein Wechsel der Wohnform (3.Int.)
Statistics- Wechsel der Wohnform (3.Int.)
Aufenthaltsdauer
Aufenthaltsdauer
N
Valid
Missing
Mean
Std. Deviation
Variance
N
36
Valid
Missing
0
Mean
3,2500
Std. Deviation
2,97969
Variance
8,879
401
13
0
7,0769
4,21231
17,744
Anhang
Tabelle 111: Keuztabelle -JW vor 1. Int. nach Region * Form der Intervention
Form der Intervention
JW vor
1. Int.
nach
Region
kein Kontakt zu JW
Count
JW nicht STMK
Expected
Count
Std.
Residual
Count
ambulant
5
tagklinisch
63
stationär
178
4,8
56,5
186,3
48,4
,1
,9
-,6
,2
0
1
7
0
8
,1
1,5
5,0
1,3
8,0
-,4
-,4
,9
-1,1
1
4
28
5
38
,6
7,2
23,9
6,2
38,0
,5
-1,2
,8
-,5
0
2
15
3
20
,3
3,8
12,6
3,3
20,0
-,6
-,9
,7
-,1
0
0
3
2
5
,1
1,0
3,1
,8
5,0
-,3
-1,0
-,1
1,3
6
70
231
60
367
6,0
70,0
231,0
60,0
367,0
Expected
Count
Std.
Residual
Count
JW Bezirk Graz/Graz
Umgebung
Expected
Count
Std.
Residual
JW Obersteiermark (Bruck,
Liezen, Knittelfeld,
Mürzzuschlag)
JW Ostbzw.Weststeiermark(Hartberg,
Feldbach, Voitsberg)
Total
Total
stationär+
tagklinisch
50
Count
Expected
Count
Std.
Residual
Count
Expected
Count
Std.
Residual
Count
Expected
Count
296
296,0
Tabelle 112: Kreuztabelle Aufnahmediagnose 1. Int* Geschlecht
Aufnahmediagnose 1.Int. zusammengefasst * Geschlecht Crosstabulation
Count
Chi-Square Tests
Geschlecht
Total
Aufnahmediagnose
1.Int.
zusammen
gefasst
Total
F1
weiblich
9
männlich
11
20
F2
F3
6
91
5
56
11
147
F4
F6
46
1
40
7
86
8
F9
7
46
53
160
165
325
402
df
Asymp. Sig.
(2-sided)
42,174(a)
5
,000
46,210
5
,000
32,625
1
,000
Value
Pearson ChiSquare
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
325
a 2 cells (16,7%) have expected count less than 5.
The minimum expected count is 3,94.
Anhang
Tabelle 113: Kreuztabelle Aufnahmediagnose 2. Int. * Geschlecht
Aufnahmediagnose 2. Int. zusammengefasst * Geschlecht Crosstabulation
Chi-Square Tests
Count
Total
Geschlecht
Aufnahmediagnose
2. Int.
zusammengefasst
Total
Pearson Chi-Square
F3
weiblich
32
männlich
10
42
F4
18
13
31
F9
4
18
22
54
41
95
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
19,832(a)
20,781
df
2
2
Asymp.
Sig. (2sided)
,000
,000
19,047
1
,000
95
a 0 cells (,0%) have expected count less than 5.
The minimum expected count is 9,49.
Tabelle 114: Chi- Quadrat- Aufnahmediagnose (1.Int.)/ Wechsel d. Wohnform
Aufnahmediagnose 1.Int. zusammengefasst * Wechsel1 Crosstabulation
Total
Wechsel1
nein
Aufnahmediagnose 1.Int.
zusammengefasst
F1
F3
Count
18
2
Std. Residual
,2
-,4
123
19
,0
,1
Count
72
13
Std. Residual
-,2
,5
Count
43
5
Std. Residual
,2
-,5
Count
28
4
Std. Residual
,0
-,1
284
43
Count
Std. Residual
F4
F9
sonstige
Total
ja
Count
20
142
85
48
32
327
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
,848(a)
,868
,135
4
4
Asymp. Sig.
(2-sided)
,932
,929
1
,713
df
327
a 2 cells (20,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 2,63.
403
Anhang
Tabelle 115: Kreuztabelle Aufnahmediagnose- Wechsel der Wohnform (2.Int.)
Aufnahmediagnose 2. Int. zusammengefasst * Wechsel der Wohnform Crosstabulation
Wechsel der
Wohnform
Aufnahmediagnose 2.
Int. zusammengefasst
nein
34
F3
Count
F4
Std.
Residual
Count
F9
Std.
Residual
Count
Std.
Residual
Count
Total
Total
ja
7
,3
-,6
23
8
-,3
,5
16
5
-,1
,2
73
20
41
31
21
93
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
,883(a)
,893
,202
2
2
Asymp. Sig.
(2-sided)
,643
,640
1
,653
df
93
a 1 cells (16,7%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 4,52.
404
Anhang
Tabelle 116: Entlassungsdiagnose 1.Int zusammengefasst * Kontakt zu JW Einrichtung vor oder nach einer Int.
Count
Kontakt zu JW Einrichtung vor
oder nach einer Int.
Entlassungsdiagnose
1.Int zusammengefasst
F1
Kontakt zu JW
Einrichtung
5
kein bekannter
Kontakt zu JW
Einrichtung
12
Total
17
F2
5
7
12
F3
28
79
107
F4
36
63
99
F7
4
6
10
F9
16
35
51
sonstige
Total
8
35
43
102
237
339
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
6,606(a)
6,754
,781
6
6
Asymp. Sig.
(2-sided)
,359
,344
1
,377
df
339
a 2 cells (14,3%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 3,01.
405
Anhang
Entlassungsdiagnose 2. Int. zusammengefasst * Kontakt zu JW Einrichtung vor oder nach einer Int.
Crosstabulation
Count
Entlassungsdiagnose
2. Int.
zusammengefasst
F1
Count
F3
Std.
Residual
Count
F4
Std.
Residual
Count
F9
Std.
Residual
Count
sonstige
Std.
Residual
Count
Kontakt zu JW
Einrichtung vor oder
nach einer Int.
kein
bekannter
Kontakt zu Kontakt zu
JW
JW
Einrichtung Einrichtung
9
3
Std.
Residual
Count
Total
,8
-,9
15
22
-1,4
1,7
20
6
1,2
-1,5
13
3
1,2
-1,4
2
8
-1,6
1,9
59
42
Total
12
37
26
16
10
101
Chi-Square Tests
Pearson Chi-Square
Likelihood Ratio
Linear-by-Linear
Association
N of Valid Cases
Value
19,401(a)
20,143
,081
4
4
Asymp. Sig.
(2-sided)
,001
,000
1
,776
df
101
a 2 cells (20,0%) have expected count less than 5. The minimum expected count is 4,16.
406
Anhang
Tabelle 117: Kreuztabelle- Aufnahmegrund (1.Int.)- Wohnform vor 1.Int= JW
Abklärung
Wohnform vor 1.Int= JW
Einrichtung
nicht aus
aus
Einrichtung
Einrichtung
der JW
der JW
66
6
Count
Expected Count
Suizidversuch
Aufnahmegrund
13,9
Std. Residual
1,0
-2,1
Count
42
4
46
46,0
37,1
8,9
,8
-1,6
Count
23
4
27
21,8
5,2
27,0
,3
-,5
56
15
71
71,0
Expected Count
Count
Expected Count
Gewalttätigkeiten/aggressiv
e Durchbrüche
ständiges Entweichen
57,3
13,7
Std. Residual
-,2
,3
Count
41
32
73
Expected Count
58,9
14,1
73,0
Std. Residual
-2,3
4,8
0
1
1
1,0
Count
Expected Count
depressive Stimmung
,8
,2
Std. Residual
-,9
1,8
Count
16
2
18
14,5
3,5
18,0
,4
-,8
Expected Count
Std. Residual
Angst und Panikattacken
Count
Expected Count
Std. Residual
Einweisung vom Hausarzt
Count
Expected Count
Std. Residual
Alkoholintoxikation/Alkohol
konsum
Zwangshandlungen/Zwang
sgedanken
Count
Medikamenteneinstellung
0
6
1,2
6,0
,5
-1,1
3
0
3
2,4
,6
3,0
,4
-,8
7
2
9
7,3
1,7
9,0
Std. Residual
-,1
,2
Count
Expected Count
Count
2
0
2
1,6
,4
2,0
,3
-,6
3
0
3
2,4
,6
3,0
Std. Residual
,4
-,8
Count
5
0
5
5,0
Expected Count
ständige Konflikte mit den
Eltern
6
4,8
Expected Count
Std. Residual
manische Zustände
72,0
Std. Residual
Std. Residual
Suizidäußerung
72
58,1
Expected Count
selbstverletzendes
Verhalten
Total
Expected Count
4,0
1,0
Std. Residual
,5
-1,0
Count
0
2
2
1,6
,4
2,0
-1,3
2,6
Expected Count
Std. Residual
407
Anhang
Stimmen
Count
7
1
8
6,5
1,5
8,0
Std. Residual
,2
-,4
Count
5
1
6
6,0
Expected Count
Drogenkonsum
Expected Count
Schulangst
4,8
1,2
Std. Residual
,1
-,1
Count
7
0
7
7,0
Expected Count
psychosomatische
Beschwerden
unmittelbar
vorausgegangenes traum.
Erlebnis
Essstörung
5,6
1,4
Std. Residual
,6
-1,2
Count
1
0
1
Expected Count
,8
,2
1,0
Std. Residual
,2
-,4
Count
3
0
3
2,4
,6
3,0
,4
-,8
Expected Count
Std. Residual
Count
Expected Count
Std. Residual
Risikoverhalten
0
3
,6
3,0
,4
-,8
Count
0
1
1
Expected Count
,8
,2
1,0
Std. Residual
Total
3
2,4
Count
Expected Count
408
-,9
1,8
296
71
367
296,0
71,0
367,0
Anhang
Interviewleitfaden:
KURZFRAGEBOGEN:
Geschlecht männl.

weibl. 
Ausbildung:
Institution:
Wie lange arbeiten sie bereits in dieser Institution:
Wie lange sind sie insgesamt in diesem Bereich tätig?
Wie lange besteht Ihre Institution bereits in dieser Form?
Kapazität der Institution:
Informationen zur Institution und zum Team:
Aus wie vielen Personen besteht Ihr Team?
Wie viele Frauen und Männer gibt es im Team?
Welche Ausbildungen haben die Mitglieder des Teams?
Wie stark ist die Fluktuation im Team?
Wie sieht ein ganz normaler Tagesablauf für eine(n) Jugendliche(n) in ihrer Institution
aus?
Welche pädagogischen Grundsätze sind für Sie und Ihr Team handlungsleitend?
AUFNAHMEVERFAHREN:
Wie sieht in Ihrer Institution das Aufnahmeverfahren aus? (Dauer)
Nach welchen Kriterien wird entschieden, ob ein Kind oder ein Jugendlicher
aufgenommen wird? (Wer entscheidet)
Wie lange muss ein Kind oder ein Jugendlicher ihres Wissens nach auf einen Platz in
ihrer Einrichtung warten?
Was sind Ausschlusskriterien?
Welche Rolle spielt eine psychiatrische Diagnose bzw. ein oder mehrere psychiatrische
Aufenthalte bei der Aufnahme?
PROBLEMFÄLLE/ ZUSAMMENARBEIT:
Welche Kinder und Jugendlichen würden Sie Ihrer Erfahrung nach als „besonders
schwierig“ oder als Problemfälle bezeichnen?
Wer sind Ihre Hauptansprechpartner, wenn sich Fragen bzw. Probleme mit besonders
schwierigen Kindern und Jugendlichen ergeben?
Wie wird in Ihrer Einrichtung mit Kindern und Jugendlichen umgegangen, die an die
Grenzen gehen bzw. die Grenzen zu sprengen scheinen?
Wie wird mit Gewalttätigkeiten umgegangen?
Wie wird mit selbstverletzendem Verhalten umgegangen?
409
Anhang
Werden Schwierigkeiten bzw. Fragen im Team besprochen? Wie oft findet dieses Team
statt?
Gibt es spezielle Überlegungen im Team, wenn Kinder und Jugendliche psychiatrisch
auffällig sind?
Was passiert, wenn das gesamte Team keinen Rat mehr weiß?
Welche Hilfen gibt es dann?
ZUSAMMENARBEIT:
Bei wenig Zusammenarbeit:
Woran könnte es Ihrer Meinung nach liegen, dass manche Wohngemeinschaften sehr viele
gemeinsame Fälle mit der KJP haben und andere nicht?
Welche Schritte werden unternommen, bevor die Kinder und Jugendpsychiatrie
konsultiert wird?
Wann/ Wie wird entschieden, dass ein Kind oder Jugendlicher psychiatrisch abgeklärt
werden muss? Wie gehen Sie dann vor?
Inwieweit gibt es einen Erfahrungsaustausch zwischen Ihrer Einrichtung und der KJP
über gemeinsam betreute Kinder und Jugendliche?
Wie haben Sie bisher die Zusammenarbeit mit der KJP erlebt? Wie sind Ihre
Erfahrungen?
Könnten Sie mir einen Fall schildern, in dem ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit
zwischen Ihrer Einrichtung und der KJP gelungen ist?
Könnten Sie mir des weiteren von einem Fall erzählen, von dem sie sagen würden, dass
die Kooperation noch ausbaufähig gewesen wäre.
Wen konsultieren Sie im Speziellen, wenn es um KJP Fragen geht? Mit wem wird
Kontakt gehalten?
Wie wurde der Kontakt zur KJP aufgebaut?
Wie viele Kinder und Jugendliche, die Sie betreuen, bräuchten noch zusätzliche
psychiatrische Hilfe oder Behandlung?
Wie viele bräuchten Ihrer Meinung nach ambulante Hilfen?
Für wie viele Kinder und Jugendlichen war oder wäre ein stationärer oder teilstationärer
Aufenthalt notwendig?
Wie viele Kinder und Jugendliche mit psychiatrischer Diagnose betreuen Sie?
Wie viele nehmen Psychopharmaka?
Wie wird in Ihrer Einrichtung mit psychiatrischen Diagnosen umgegangen?
Welche Auswirkungen hat eine psychiatrische Diagnose auf Ihr eigenes pädagogisches
Handeln?
Wie könnte Ihrer Meinung nach die wiederholende Überweisung von „besonders
schwierigen Kindern und Jugendlichen“ zwischen der WG oder der Familie und der
KJP verhindert werden?
(Was wäre notwendig, um dies zu verhindern?)
ERWARTUNGEN an die KJP:
Was würden Sie sich als Einrichtung von der KJP erwarten?
Was ist Ihre Vorstellung, was die KJP unter den gegebenen Umständen leisten kann?
(Warum gibt es diese Diskrepanz?)
Was glauben Sie, was die KJP von ihrer Einrichtung erwartet?
Von anderen Einrichtungen habe ich erfahren, dass die KJP manchmal eine entlastende
Funktion für die Einrichtung hat. Wie ist das für Ihre Einrichtung?
410
Anhang
GESCHLOSSENE UNTERBRINGUNG:
Was halten sie persönlich von geschlossener Unterbringung in Heimen bzw. stationären
Fremdunterbringungsmöglichkeiten?
Wie beurteilen Sie den Bedarf an geschlossenen Einrichtungen?
Unter welchen Umständen würden Sie eine kurzzeitig geschlossene Unterbringung in
Heimen für sinnvoll erachten?
AUSBILDUNG/ SCHULUNG:
Wenn sie an ihre Ausbildung zurück denken, inwieweit wurden sie auf den Umgang mit
„besonders schwierigen“ Kindern und Jugendlichen vorbereitet?
Was hat Ihnen das für die praktische Arbeit gebracht?
Inwieweit wurden Sie in Ihrer Ausbildung mit psychiatrischen Krankheitsbildern
konfrontiert?
Woher haben Sie Ihr Wissen über psychiatrische Fälle?
EBENE der GESAMTVERSORGUNG:
Wie beurteilen sie das Angebot der Jugendwohlfahrt in der Steiermark?
Ist das Angebot für Kinder in besonders schwierigen Situationen ihrem Gefühl nach
ausreichend?
Wie lange muss ein Kind oder Jugendlicher ihres Wissens nach auf einen Platz in ihrer
Einrichtung warten?
Welche Angebote im Rahmen der Jugendwohlfahrt fehlen ihrer Meinung nach?
Welche Bereiche in der Jugendwohlfahrt sind ihrer Meinung nach gut ausgebaut?
ABSCHLIEßENDE FRAGEN:
Was funktioniert in Bezug auf die Kooperation zwischen KJP und ihrer Einrichtung gut?
Wo ergeben sich Probleme? Was sind ihrer Meinung nach die Gründe für diese
Probleme?
Wie würden sie sich die optimale Zusammenarbeit zwischen ihrer Institution und der
KJP vorstellen?
Was fällt Ihnen noch in Bezug auf die Kooperation mit der KJP ein?
Gibt es noch irgendwelche Anregungen von Ihrer Seite?
411
Verzeichnisse
17 Verzeichnisse
17.1 Verzeichnis der Tabellen
Tabelle 1: stationäre Betreuungsformen (vgl. Scheipl, 2000: 107f.) .................................................98
Tabelle 2: Geschlecht.......................................................................................................................141
Tabelle 3: Alter ................................................................................................................................142
Tabelle 4: Alter Mädchen ................................................................................................................143
Tabelle 5: Alter Burschen ................................................................................................................144
Tabelle 6: Mann- Whitney U Test: Alter/ Geschlecht .....................................................................146
Tabelle 7: Zahl der psychiatrischen Interventionen .........................................................................146
Tabelle 8: Chi- Quadrat Test- Zahl der Aufenthalte/ Geschlecht ....................................................148
Tabelle 9: Aufenthaltsdauer (in Wochen) pro Aufenthalt (Intervention) ........................................149
Tabelle 10: Wohnform vor der Intervention- JW- Einrichtungen ...................................................151
Tabelle 11: Wohnform nach der Int.- JW Einrichtungen.................................................................158
Tabelle 12: Form der 1.Intervention ................................................................................................167
Tabelle 13: Form der 2. Intervention ...............................................................................................167
Tabelle 14: Form der 3. Intervention ...............................................................................................168
Tabelle 15: Form der 4.Intervention ................................................................................................168
Tabelle 16: Form der 5. Intervention ...............................................................................................169
Tabelle 17: Aufnahmediagnose (1.Int.)- F3.....................................................................................170
Tabelle 18: Aufnahmediagnose (1.Int.)- F4.....................................................................................171
Tabelle 19: Aufnahmediagnose (1.Int.)- F9.....................................................................................171
Tabelle 20: Aufnahmediagnose (1.Int)- F1......................................................................................172
Tabelle 21: Aufnahmediagnose (1.Int.)- F2.....................................................................................172
Tabelle 22: Aufnahmediagnose (2.Int.)- F3.....................................................................................175
Tabelle 23: Aufnahmediagnose (2.Int.)- F4.....................................................................................175
Tabelle 24: Aufnahmediagnose (2.Int.)- F9.....................................................................................175
Tabelle 25: Aufnahmediagnose (3.Int.)- F3.....................................................................................178
Tabelle 26: Aufnahmediagnose (3. Intervention)- F4......................................................................178
Tabelle 27: Aufnahmediagnose (3. Int.)- F2....................................................................................178
Tabelle 28: Aufnahmediagnose (4.Int.)- F4.....................................................................................179
Tabelle 29: Aufnahmediagnose (4.Int.)- F9.....................................................................................180
Tabelle 30: Aufnahmediagnose (4.Int.)- F1.....................................................................................180
412
Verzeichnisse
Tabelle 31: Entlassungsdiagnose (1.Int.)- F4...................................................................................183
Tabelle 32: Entlassungsdiagnose (1.Int.)- F3...................................................................................184
Tabelle 33: Entlassungsdiagnose (1.Int.)- F9...................................................................................184
Tabelle 34: Entlassungsdiagnose (2.Int.)- F3...................................................................................186
Tabelle 35: Entlassungsdiagnose (2.Int.)- F4...................................................................................186
Tabelle 36: Entlassungsdiagnose (2. Int.)- F9..................................................................................186
Tabelle 37: Entlassungsdiagnose (3.Int.)- F4...................................................................................187
Tabelle 38: Entlassungsdiagnose (3. Int.)- F3..................................................................................188
Tabelle 39: Entlassungsdiagnose (3.Int.)- F9...................................................................................188
Tabelle 40: Entlassungsdiagnose (4.Int.)-F4....................................................................................189
Tabelle 41: Entlassungsdiagnose (4. Int.)- F9..................................................................................189
Tabelle 42: Entlassungsdiagnose (4. Int.)- F1..................................................................................190
Tabelle 43: Aufnahmegrund (1.Intervention) ..................................................................................194
Tabelle 44: Chi- Quadrat- Geschlecht/ Aufnahmegrund (1.Int.) .....................................................196
Tabelle 45: Aufnahmegrund (2.Intervention) ..................................................................................197
Tabelle 46: Chi- Quadrat Test- Aufnahmegrund/ Geschlecht (2.Int.) .............................................199
Tabelle 47: Aufnahmegrund- 3.Intervention ...................................................................................200
Tabelle 48: Aufnahmegrund (4.Intervention) ..................................................................................201
Tabelle 49: Aufnahmegrund (5. Intervention) .................................................................................202
Tabelle 50: Aufnahme im geschützten Bereich (1.Intervention).....................................................204
Tabelle 51: Chi- Quadrat Test- Aufnahme im geschützten Bereich/ Geschlecht (1.Int.)................205
Tabelle 52: Aufnahme im geschützten Bereich (2.Intervention).....................................................206
Tabelle 53: Aufnahme im geschützten Bereich (2. Intervention)....................................................206
Tabelle 54: Chi- Quadrat Test- Aufnahme im geschützten Bereich/ Geschlecht (2.Int.)................207
Tabelle 55: Aufnahme im geschützten Bereich (3.Intervention).....................................................208
Tabelle 56: Chi- Quadrat Test- Aufnahme im geschützten Bereich/ Geschlecht (3. Intervention).209
Tabelle 57: Aufnahme im geschützten Bereich (4.Intervention).....................................................210
Tabelle 58: Aufnahme im geschützten Bereich (5. Intervention)....................................................211
Tabelle 59: Grenzfälle......................................................................................................................220
Tabelle 60: Statistik Alter- kein Kontakt zu JW/ Kontakt zu JW....................................................221
Tabelle 61: Chi- Quadrat Test- Geschlecht/ Kontakt zu JW ...........................................................223
Tabelle 62: Mittelwerte- Zahl der Aufenthalt ..................................................................................224
Tabelle 63: Mann Whitney U-Test: Aufenthaltsdauer/ Kontakt (1.Int.)..........................................225
Tabelle 64: Mann- Whitney U- Test: Alter/ Jugendwohlfahrtseinrichtung vor der 1. Int. ..............226
Tabelle 65: Mann- Whitney U- Test: Aufenthaltsdauer/ Kontakt (2.Int.) .......................................227
413
Verzeichnisse
Tabelle 66: Mann Whitney U- Test: Aufenthaltsdauer/ Kontakt (3.Int.).........................................228
Tabelle 67: Chi- Quadrat- Form der Intervention/ JW Einrichtungen vor der 1.Int.......................230
Tabelle 68: Chi- Quadrat- JW- Einrichtungen nach Regionen/ Interventionsform .........................232
Tabelle 69: Chi- Quadrat: Aufnahme im gesch. Bereich/ Fremdunterbringung vor der 1.Int.........234
Tabelle 70: Chi- Quadrat- Aufnahme im geschützten Bereich/ Fremdunterbringung vor 1.Int......235
Tabelle 71: Chi- Quadrat Test: Aufnahme im gesch.Bereich/ Fremdunterbringung vor der 2. Int. 237
Tabelle 72: Chi- Quadrat Test: Aufnahme im gesch. Bereich/ Fremdunterbringung vor der 3.Int. 237
Tabelle 73: Chi- Quadrat Test- Aufnahmediagnose/ Wohnform vor der 1.Int. = JW Einrichtung .239
Tabelle 74: Chi- Quadrat- Test: Aufnahmediagnose/ Kontakt zu JW Einrichtung vor oder nach der
1.Int. .................................................................................................................................................240
Tabelle 75: Chi- Quadrat Test: Aufnahmediagnose/ Fremdunterbringung vor der 2. Int. ..............241
Tabelle 76: Chi- Quadrat Test:Aufnahmediagnose/ Fremdunterbringung vor od. nach der 2. Int..243
Tabelle 77: Chi- Quadrat Test: Entlassungsdiagnose/ Fremdunterbringung nach der 1. Int...........245
Tabelle 78: Chi- Quadrat Test: Entlassungsdiagnose/ Fremdunterbringung nach der 2. Int...........246
Tabelle 79: Chi- Quadrat Test: Aufnahmegrund/ Fremdunterbringung vor der 1.Int. ....................249
Tabelle 80: Two- Step Clusteranalyse .............................................................................................254
Tabelle 81: Einrichtungen mit wenig Kontakt .................................................................................262
Tabelle 82: Einrichtungen mit häufigem Kontakt............................................................................263
Tabelle 83: Zusammenfassung Fragestellungen Dokumentenanalyse ............................................368
Tabelle 84: Zusammenfassung Fragestellungen Interviews ............................................................369
Tabelle 85: Aufnahmediagnose (1.Intervention); nach Häufigkeiten geordnet...............................387
Tabelle 86: Aufnahmediagnose (2.Intervention)- nach Häufigkeiten geordnet ..............................389
Tabelle 87: Aufnahmediagnose (3.Intervention)- nach Häufigkeiten geordnet ..............................390
Tabelle 88: Aufnahmediagnose (4.Int.)- nach Häufigkeiten geordnet.............................................391
Tabelle 89: Aufnahmediagnose (5. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet............................................391
Tabelle 90: Aufnahmediagnose (6.Int.)- nach Häufigkeiten geordnet.............................................392
Tabelle 91: Aufnahmediagnose (7. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet............................................392
Tabelle 92: Entlassungsdiagnose (1.Int.)- nach Häufigkeiten geordnet ..........................................392
Tabelle 93: Entlassungsdiagnose (2.Int.)- nach Häufigkeiten geordnet ..........................................394
Tabelle 94: Entlassungsdiagnose (3.Int.)- nach Häufigkeiten geordnet ..........................................395
Tabelle 95: Entlassungsdiagnose (4. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet .........................................396
Tabelle 96: Entlassungsdiagnose (5. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet .........................................397
Tabelle 97: Entlassungsdiagnose (6. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet .........................................397
Tabelle 98: Entlassungsdiagnose (7. Int.)- nach Häufigkeiten geordnet .........................................397
Tabelle 99: Kolmogorov Smirnov Test- Alter.................................................................................398
414
Verzeichnisse
Tabelle 100: Mann- Whitney U Test- Kontakt zu stat. JW/ Alter ...................................................398
Tabelle 101: Mann Witney- U-Test: Geschlecht/ Alter (Kontakt) ..................................................398
Tabelle 102: Mittelwerte Alter/ Geschlecht (Kontakt) ....................................................................399
Tabelle 103: Mann- Whitney U- Test- Zahl der Aufenthalte ..........................................................399
Tabelle 104: Mann- Whitney U-Test- Aufenthaltsdauer (1.Int.)/ Geschlecht .................................399
Tabelle 105: Mann- Whitney U-Test- Aufenthaltsdauer (2.Int.)/ Geschlecht .................................399
Tabelle 106: Mann Whitney U- Test: Aufenthaltsdauer (3. Intervention)/ Geschlecht...................400
Tabelle 107: Mann Whitney U- Test- Aufenthaltsdauer/ Wechsel (1.-3. Int.) ................................400
Tabelle 108: Mittelwerte Aufenthaltsdauer- Wechsel/ kein Wechsel der Wohnform 1.Int. ...........401
Tabelle 109: Mittelwerte Aufenthaltsdauer- Wechsel/kein Wechsel 2.Int. .....................................401
Tabelle 110: Mittelwerte Aufenthaltsdauer- Wechsel/kein Wechsel 3.Int. .....................................401
Tabelle 111: Keuztabelle -JW vor 1. Int. nach Region * Form der Intervention.............................402
Tabelle 112: Kreuztabelle Aufnahmediagnose 1. Int* Geschlecht..................................................402
Tabelle 113: Kreuztabelle Aufnahmediagnose 2. Int. * Geschlecht................................................403
Tabelle 114: Chi- Quadrat- Aufnahmediagnose (1.Int.)/ Wechsel d. Wohnform............................403
Tabelle 115: Kreuztabelle Aufnahmediagnose- Wechsel der Wohnform (2.Int.) ...........................404
Tabelle 116: Entlassungsdiagnose 1.Int zusammengefasst * Kontakt zu JW Einrichtung vor oder
nach einer Int....................................................................................................................................405
Tabelle 117: Kreuztabelle- Aufnahmegrund (1.Int.)- Wohnform vor 1.Int= JW ............................407
17.2 Verzeichnis der Grafiken
Grafik 1:Geschlecht .........................................................................................................................141
Grafik 2: Alter..................................................................................................................................142
Grafik 3: Alter Mädchen .................................................................................................................143
Grafik 4: Alter Burschen..................................................................................................................145
Grafik 5: Zahl der psychiatrischen Interventionen ..........................................................................147
Grafik 6: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer pro Aufenthalt (Intervention) .................................149
Grafik 7: Wohnform vor der Int.- JW Einrichtungen ......................................................................152
Grafik 8: Wohnform vor der 1. Intervention....................................................................................153
Grafik 9: Wohnform vor der 2. Intervention....................................................................................154
Grafik 10: Wohnform vor der 3. Intervention..................................................................................155
Grafik 11: Wohnform vor der 4. Intervention..................................................................................156
Grafik 12: Wohnform vor der 5. Intervention..................................................................................157
Grafik 13: Wohnform nach der Intervention- JW Einrichtungen ....................................................158
Grafik 14: Wohnform nach der 1. Intervention ...............................................................................160
415
Verzeichnisse
Grafik 15: Wohnform nach der 2. Intervention ...............................................................................161
Grafik 16: Wohnform nach der 3. Intervention ...............................................................................162
Grafik 17: Wohnform nach der 4. Intervention ...............................................................................163
Grafik 18: Wohnform nach der 5. Intervention ...............................................................................164
Grafik 19: Häufigkeiten JW Einrichtungen vor und nach der Int....................................................165
Grafik 20: Aufnahmediagnose (1. Intervention)..............................................................................170
Grafik 21: Aufnahmediagnose (1.Int.)- Geschlecht.........................................................................173
Grafik 22: Aufnahmediagnose (2. Intervention)..............................................................................174
Grafik 23: Aufnahmediagnose (2. Int.) -Geschlecht........................................................................176
Grafik 24: Aufnahmediagnose (3. Intervention)..............................................................................177
Grafik 25: Aufnahmediagnose (4. Intervention)..............................................................................179
Grafik 26: Aufnahmediagnose (5. Intervention)..............................................................................181
Grafik 27: Entlassungsdiagnose (1. Intervention)............................................................................183
Grafik 28: Entlassungsdiagnose (2. Intervention)............................................................................185
Grafik 29: Entlassungsdiagnose (3. Intervention)............................................................................187
Grafik 30: Entlassungsdiagnose (4. Intervention)............................................................................189
Grafik 31: Entlassungsdiagnose (5. Intervention)............................................................................191
Grafik 32: Aufnahmegrund (1.Intervention)....................................................................................195
Grafik 33: Aufnahmegrund (2.Intervention)....................................................................................198
Grafik 34: Aufnahmegrund (3.Intervention)....................................................................................200
Grafik 35: Aufnahmegrund (4. Intervention)...................................................................................201
Grafik 36: Aufnahmegrund (5.Intervention)....................................................................................202
Grafik 37: Aufnahme im geschützten Bereich (1.Intervention) ......................................................204
Grafik 38: Aufnahme im geschützten Bereich (3.Intervention) ......................................................208
Grafik 39: Aufnahme im geschützten Bereich (4.Intervention) ......................................................210
Grafik 40: Aufnahme im geschützten Bereich (5.Intervention) ......................................................211
Grafik 41: Falldarstellung 1 .............................................................................................................214
Grafik 42: Falldarstellung 2 .............................................................................................................216
Grafik 43: Falldarstellung 3 .............................................................................................................218
Grafik 44: Grenzfälle .......................................................................................................................220
Grafik 45: Aufnahmediagnose 1.Int- aus JW-Einrichtung/ nicht aus JW- Einrichtung ..................240
Grafik 46: Aufnahmediagnose 2. Int. Kontakt/kein Kontakt...........................................................242
Grafik 47: Aufnahmegrund (1.Int.)..................................................................................................250
Grafik 48: Aufnahmegrund- Probe durch zwei Zufallsstichproben.................................................251
Grafik 49: Aufnahmegrund (2.Int.)..................................................................................................252
416
Verzeichnisse
Grafik 50: Clustergröße ...................................................................................................................254
Grafik 51: Kontakt zu JW- Einrichtungen/ Prozent innerhalb des Clusters ....................................255
Grafik 52: Geschlecht/ Prozent innerhalb des Clusters ...................................................................256
Grafik 53: Zahl der Aufenthalte – Mittelwerte pro Cluster .............................................................256
Grafik 54: Alter- Mittelwerte pro Cluster ........................................................................................257
Grafik 55: Aufenthaltsdauer (1.Int.)- Mittelwerte pro Cluster.........................................................257
417
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