Zusammenfassungen wichtiger Urteile Mai 2012 C-34/10 Oliver Brüstle gegen Greenpeace e.V., Urteil vom 18. Oktober 2011 Die Verwendung von menschlichen Embryonen zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung ist nicht patentierbar. Nach Unionsrecht stellt jede menschliche Eizelle im Stadium ihrer Befruchtung oder jede nicht befruchtete menschliche Eizelle, die jedoch infolge der zu ihrer Gewinnung verwendeten Technik geeignet ist, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen, einen „menschlichen Embryo“ dar. Die Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen stellt den Grundsatz auf, dass der menschliche Körper in allen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung nicht patentierbar ist. Wie in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie ausdrücklich festgelegt, gilt dies insbesondere für die Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken. Im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Greenpeace und Herrn Brüstle, dem Inhaber eines Patents, das neurale Vorläuferzellen (d. h. unreife Körperzellen, die die Fähigkeit haben, reife Zellen des Nervensystems, z. B. Neurone, zu bilden) sowie Verfahren zu ihrer Herstellung aus embryonalen Stammzellen und ihre Verwendung zur Therapie von neuralen Defekten betrifft, hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, was unter dem Begriff „menschlicher Embryo“ und unter „Verwendung zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“ zu verstehen ist, insbesondere, wenn der Embryo zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung verwendet wird. Der Gerichtshof betont zunächst, dass sowohl aus dem Wortlaut von Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie als auch aus deren Gegenstand und Ziel hervorgeht, dass der Begriff des menschlichen Embryos als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen ist, der im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen ist. Denn ohne eine einheitliche Definition des Begriffs des menschlichen Embryos bestünde die Gefahr, dass die Urheber bestimmter technologischer Erfindungen versucht wären, deren Patentierung in denjenigen Mitgliedstaaten zu beantragen, die die engste Definition des Begriffs des Embryos haben, da eine Patentierung in den Mitgliedstaaten mit einer weiteren Definition untersagt ist. Dies könnte das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigen. Sodann stellt der Gerichtshof klar, dass es um eine juristische Auslegung des Begriffs geht und er nicht dazu aufgerufen ist, auf Fragen medizinischer oder ethischer Natur einzugehen. Er verweist darauf, dass die Richtlinie zwar Investitionen auf dem Gebiet der Biotechnologie fördern soll, bei der Verwertung von biologischem Material menschlichen Ursprungs aber die Grundrechte und vor allem die Menschenwürde gewahrt werden müssen. Aus dieser Sicht ist die Patentierung des menschlichen Körpers untersagt. Nach Auffassung des Gerichtshof folgt daraus, dass der Begriff des menschlichen Embryos im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie weit auszulegen ist und alle Zellen umfasst, die den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang setzen können. Dies schließt die menschliche Einzelle von Stadium ihrer Befruchtung an ein, sowie die unbefruchtete menschliche Eizelle, in die der Zellkern einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist, und auch die unbefruchtete menschliche Eizelle, die durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden ist. http://ec.europa.eu/dgs/legal_service/arrets/index_de.htm Was Stammzellen angeht, die von einem menschlichen Embryo im Blastozystenstadium (noch undifferenzierte Embryonalzelle) gewonnen werden und um die es im Ausgangsverfahren geht, so stellt der Gerichtshof fest, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, im Licht der technischen Entwicklung festzustellen, ob sie dieser Definition entsprechen. Nachdem der Gerichtshof darauf verwiesen hat, dass die Erteilung eines Patents für eine Erfindung grundsätzlich ihre industrielle und kommerzielle Verwertung einschließt, stellt er fest, dass die Verwendung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken nicht vom Patent selbst und den daran geknüpften Rechten getrennt werden kann. Daraus folgt, dass die Nichtpatentierbarkeit der Verwendung des menschlichen Embryos zu industriellen und kommerziellen Zwecken, wie in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie festgelegt, auch für die Verwendung zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung gilt. Gegenstand eines Patents kann nur die Verwendung zu therapeutischen oder diagnostischen Zwecken sein, die auf den menschlichen Embryo zu dessen Nutzen anwendbar sind. Abschließend führt der Gerichtshof aus, dass aufgrund dieser Bestimmungen auch eine Erfindung nicht patentierbar ist, die nicht die Verwendung menschlicher Embryonen als solche zum Gegenstand hat, sondern ein Erzeugnis betrifft, dessen Herstellung die vorherige Zerstörung menschlicher Embryonen oder ihre Verwendung als Ausgangsmaterial erfordert. Nach Auffassung des Gerichtshofs trifft dies im vorliegenden Fall zu, denn die fragliche Erfindung betrifft die Herstellung neuraler Vorläuferzellen und setzt die Verwendung von Stammzellen, die aus einem menschlichen Embryo im Blastozystenstadium gewonnen werden, und damit die Zerstörung des Embryos voraus.