IMPULS Stadt ! Land ! Fläche Mit der Sonne bauen Solar- und Klimaschutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen 06 /2013 von Gudrun Langmack und Klaus Langmack Mehr als ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland wurde, und wird noch immer, für "Wohnen" benötigt. Das Land Nordrhein-Westfalen hat 1997 für den Baubereich mit dem Aufruf zum Bau von Solarsiedlungen auf diesen Sachverhalt reagiert. Anforderungen und Empfehlungen Ziel sollte es sein, Erfahrungen, die für einzelne Gebäude und Baumaterialien bereits vorlagen, auf ganze Siedlungen zu übertragen. Die "Solarsiedlungen" im ersten Projekt sollten sich,wie der Name bereits sagt (offizielle Bezeichnung: Mit der Sonne bauen - 50 Solarsiedlungen in Nordrhein-Westfalen) in erster Linie durch die aktive und passive Nutzung von Solarenergie auszeichnen und damit die Markteinführung solaren Bauens unterstützen. Zusammen mit dem geforderten hohen Dämmstandard soll der Energiebedarf minimiert und die Restenergie möglichst regenerativ bereitgestellt werden. Die Anforderungen umfassen außerdem die allgemeine energetische Optimierung auf städtebaulicher Ebene sowie die Einbindung sozialer und ökologischer Gesichtspunkte. Die ersten Solarsiedlungen entstanden im Neubau, in den Jahren 2000/2001 kamen die ersten Bestandssanierungen dazu und 2009 , nachdem der Status "Solarsiedlung" 51 mal vergeben war, wurde im Herbst das Folgeprojekt "100 Klimaschutzsiedlungen" gestartet. Grafik 1: Blick auf den sanierten Madenburgweg Die Anforderungen an die Klimaschutzsiedlungen sind in einem Planungsleitfaden, einer Fortschreibung und Überarbeitung des Planungsleitfadens für das Projekt "50 Solarsiedlungen in NRW", festgelegt. Die Basis bilden die Erfahrungen, die mit den realisierten Projekten gemacht wurden und die technischen Entwicklungen im Baugeschehen seit den 1990er Jahren. Schwerpunkt der Anforderungen ist eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes zum Schutz des Klimas. Erreicht werden soll dieses Ziel durch die Dämmung der Außenhülle der Gebäude, und damit der Reduzierung des Energiebedarfs für die Beheizung, und den Einsatz von Solartechnik und regenerativen Energien für die NABU-IMPULS – Stadt ! Land ! Fläche Warmwasserbereitung. Alle technischen Maßnahmen, die diesem Ziel dienen, sind zugelassen. Die Klimaschutzsiedlungen sollen aber darüber hinaus gestalterischen, städtebaulichen, sozialen und ökologischen Anforderungen genügen. Sie gehen damit deutlich über eine reine Energieoptimierung analog der EnEV hinaus und wollen ein Gesamtkonzept für eine anzustrebende Siedlungsentwicklung bieten. Diesem Ziel dienen, zusätzlich zu den Anforderungen, auch die Empfehlungen, in denen wünschenswerte Qualitäten einer Siedlung beschrieben werden, die jedoch für den Erhalt des Status "Klimaschutzsiedlung" nicht zwingend umgesetzt werden müssen. Grafik 1: Vergleich der Kohlenstoffdioxidemissionen für Doppelhaushälften mit unterschiedlichen Gebäudestandards Energetische Anforderungen Gestalterische Anforderungen Bei den energetischen Anforderungen wird unterschieden zwischen Neubauten und Bestandssiedlungen. Die gestalterischen Anforderungen sollen deutlich machen, dass die neuen Siedlungen nicht nur einseitig energetisch ausgerichtet sind, sondern langfristig hervorragenden Wohn- und Lebensraum bieten. • Gefordert werden jeweils Maximalwerte für die CO2-Emission und den Transmissionswärmeverlust, das ist der Messwert für die Energie die über die Gebäudehülle verloren geht. • Für Neubauten kommt außerdem noch eine Luftdichtheitsprüfung mit einem BlowerDoor-Test dazu. • Die geforderten Werte liegen etwa 50% unter den Anforderungen an das entsprechende Referenzgebäude nach der derzeit gültigen EnEV 2009. • Generell soll die Gebäudeplanung zunächst auf einen möglichst geringen Energiebedarf ausgerichtet sein. Dieser geringe Restbedarf sollte dann weitgehend durch regenerative Energien gedeckt werden. • Mittelfristiges Ziel ist der vollständige Ausgleich der durch Heizung und Warmwasserbereitung entstehenden CO2-Emission. • Gefordert werden eine architektonische "Handschrift" sowohl für die einzelnen Gebäude als auch der Gesamtgruppierung, die zur Entwicklung von Identität und einem Zugehörigkeitsgefühl der Bewohner zu ihrer Siedlung führen soll. • Kubatur, Dachformen, Farbgebung und Materialauswahl für Fassaden und Dachflächen sollen einem einheitlichen Konzept entsprechen, räumlicher Zusammenhang der Gebäudegruppen entlang Wege- und Grünachsen zum "Siedlungsgefühl" beitragen. • Darüber hinaus wird auf die Stärkung und Förderung von Kommunikation Wert gelegt. Für Neubauten sind funktional und gestalterisch eingebundene Spiel- und Aufenthaltsflächen zwingend vorgeschrieben, ebenso sind Flächen für die Regenwasserversickerung noch über das technisch Notwendige in das Flächenkonzept einzubeziehen. Für die Weiterentwicklung/Sanierung von Bestandsbauten kann naturgemäß nicht in gleichem Maß frei geplant werden, aber wo immer möglich sollen hier die gleichen Ansätze verwirklicht werden. Die folgende Tabelle aus dem Planungsleitfaden veranschaulicht die Relationen der verschiedenen Gebäudestandards zueinander: 2 NABU-IMPULS – Stadt ! Land ! Fläche Städtebauliche Anforderungen des", "Einbindung der Siedlung in die Umgebung (Lage und Infrastruktur)" und die gestalterische Integration aktiver Solaranlagen. Für die städtebauliche Planung sind eine Vielzahl von Empfehlungen und zwingenden Anforderungen aufgelistet, die die Nachhaltigkeit der neuen Siedlungen gewährleisten sollen. • • • Praxisbeispiel Solarsiedlung Köln-Zollstock, Metternicher Straße mit Luftbilder vor und nach der Sanierung (2003/ 2004) Bodenschutz, Ausschluss von Wasserschutzgebieten, Tier- und Pflanzenschutz, Anbindung an vorhandene Bebauung und Wiedernutzung bereits früher bebauter Flächen, Vermeidung von klimatisch ungünstigen Lagen und die Berücksichtigung von Zonen mit klimatischer Ausgleichsfunktion sind hier die Empfehlungen. Daten: Gute Anbindung an den öffentlichen Personen Nahverkehr und gute Infrastrukturbedingungen, - Kindergärten, Schulen und Versorgungsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf sollen fußläufig oder mit dem Fahrrad erreichbar sein -, sind zwingende Anforderungen. Weitere zwingende Anforderungen, - Vorgaben zur Gebäudeausrichtung, Abstandsfestlungen zur Vermeidung gegenseitiger Verschattung, Festlegung der Kompaktheit von Baukörpern -, sind hier nur durch städtebauliche Planung zu erreichen. Auswahlverfahren Der Status "Solarsiedlung" bzw. "Klimaschutzsiedlung" ist verbunden mit Zuschüssen aus den Förderprogrammen des Landes Nordrhein-Westfalen. Eine interdisziplinär besetzte Auswahlkommission, die 11 Mitglieder sind freie Architekten und Stadtplaner, Professoren der Hochschulen Siegen, Bochum und Köln, Vertreter des Forschungszentrums Jülich, des Umweltbundesamtes, der Landesregierung und der Energieagentur NRW, bewertet die eingehenden Projektvorschläge und verleiht nach eingehender Beratung und Vorstellung der Projekte durch Planer und Bauherren den Status. Bewertet werden dabei entsprechend den genannten Anforderungen die technischen Aspekte, die Themen "Gestaltung eines zusammenhängenden Siedlungsbil- 3 • Seniorenwohnanlage mit 39 Wohneinheiten aus dem Jahr 1973 • Reduzierung des Heizwärmebedarfs durch hochwerte Dämmung und Dreifachverglasung um 90% auf 29 kWh/ m!a • Zentrale Wärmeversorgung mit Holzpelletfeuerung und 60% Brennwerttechnik • Warmwasserbereitung zu 100% mit Holzpellets • 16,5 kWp Photovoltaikanlage 40% Gas- NABU-IMPULS – Stadt ! Land ! Fläche Praxisbeispiel Praxisbeispiel Klimaschutzsiedlung Köln-Porz Solarsiedlung Bilderstöckchen Daten: Daten: • 112 WE, viergeschossig mit Staffelgeschoss, • Wohnungen 46-116 m!, insgesamt 7556 m! • Energetisches Konzept: • 3-Liter-Haus (max. 35 kWh/m!a) • zentrale Lüftungsanlagen rückgewinnung • Heizung und Warmwasser: Wärmepumpe und Solarabsorber je Gebäude in Verbindung mit einem zentralen Solareisspeicher • Baubeginn: Sommer 2011 • Fertigstellung: 2013 geplant mit Wärme- 4 • Sanierung eines Wohnblocks aus dem Jahr 1937 (Gemeinschaftsbäder, Einfachverglasung, Einzelöfen) • Vorher 69 Wohneinheiten, nach der Sanierung 75 Wohneinheiten, davon 21 durch Aufstockung • Verringerung des Heizwärmebedarfs auf Niedrigenergie-Standard • Zentrale Wärmeversorgung: Gas/ Solarthermie/ Holzpellets • 100% Deckung des Wärmebedarfs durch regenerative Energie (60% Solarthermie, Rest Holzpellets) • Sanierung (2000/ 2002) NABU-IMPULS – Stadt ! Land ! Fläche Stand der Projekte und Fazit Ende 2011 waren bereits 37 Solarsiedlungen mit über 3600 Wohneinheiten in Neubau und Bestand fertig gestellt, 14 weitere befinden sich im Bau. Im neuen Projekt "100 Klimaschutzsiedlungen" wurde bis Januar 2013 bereits fast 50 mal der Status "Klimaschutzsiedlung" verliehen. Die stetig steigenden Energiekosten bestätigen das dem Klima gegenüber verantwortliche Handeln der Wohnungsunternehmen auch wirtschaftlich. Durch die deutliche Senkung der Nebenkosten bleibt die "Warmmiete" konstant oder sinkt sogar, wie an dem Beispiel der Solarsiedlung "Köln-Zollstock", der Seniorenwohnanlage, realisiert und dies bei gleichzeitig deutlich steigendem Wohnkomfortt. In den Solar- und Klimaschutzsiedlungen wird eine Vielfalt von sehr unterschiedlichen energetischen und architektonischen Konzepten umgesetzt. Diese Vielfalt beweist, dass energetisch optimierte Bauweise weder ein "Einheitsbrei" sein muss, noch Abstriche bei der Architektur gemacht werden müssen. Für den Klimaschutz ist besonders die Vielzahl der Bestandsanierungen erfreulich. Etwa 65% der realisierten Wohneinheiten finden sich in Bestandssiedlungen der 20er bis 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts, deren hohe CO2-Emission durch die Kombination von intensiven Dämmmaßnahmen und dem Einsatz regenerativer Energien drastisch um 80-90 % gesenkt werden konnte. Kontakt Gudrun und Klaus Langmack Partnerschaft Langmack & Langmack eMail: [email protected] Impressum: NABU-Bundesverband, Charitéstraße 3, 10117 Berlin, www.NABU.de., Fotos: Fotolia/Increa, Fotolia/Leiftryn, Fotolia/M. Hahn, 01/2010, Fotos und Grafiken im Text: Bilderstöckchen: Energieagentur NRW, Zollstock: Architekturbüro Langmack, Porz: Energieagentur NRW 5