Projekt: „Hinsehen“ - Altenpflege Online

Werbung
Projekt: „Hinsehen“
Ethische Beratung in Altenhilfe
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Ethik ist…
… über die Maßstäbe
(Werte/Normen)
menschlichen
Entscheidens und
Handelns
Zielfrage:
Was soll ich tun?
Was sollen wir tun?
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
N
A
C
H
D
E
N
K
E
N
… über das
Menschenbild
Zielfrage:
Was ist der Mensch
Ethische Konflikte
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Aus der Pflege:
„(…) dieser Herr hatte dann auch son Luftröhrenschnitt, (…) kriegte schlecht Luft, war sowieso von den
Bewohner nicht gut angesehen (…). Und wie der ankam, da hatte der wirklich, son Wuschelkopf, dicken
Bart, sah ganz verwesen aus, und er konnte auch nicht sprechen. Im Grunde war das son ganz lieber
und netter Mensch, näch. (…). Der wurde aber (aufgrund seines Äußerlichen) von den anderen
Bewohnern gehänselt oder irgendwie so was, auf jeden Fall nicht so mitgerechnet. (…)
Ich hatte Dienst - ist er ins Zimmer gegangen und kriegte auf einmal keine Luft mehr und dann schmiss
er sich aufs Bett hin und her, wegen Luftnot. Dann lag der links, dann hab ich das Kissen nach links
gepackt, das Kissen nach rechts gepackt und -, der hat sich gequält beim Sterben, sagen wir mal, die
letzte halbe Stunde.
Dann kam eine Kollegin an „geh du man raus, der Doktor kommt“ Dann bin ich rausgegangen, ich hab
geheult wie ein Schlosshund. (…). Weil der Mann - also, ich mochte den unheimlich gerne und der tat
mir auch sehr leid, weil die anderen ihn gehänselt haben, also ihn nicht mitgerechnet haben. Ich habe
richtig geweint. Dann sagte mein Kollege nachher, „setz dich erst mal hin. Beruhige dich jetzt erst mal“
Das habe ich wirklich - das habe ich jetzt noch nicht mal vergessen, das ist bestimmt schon 6, 7 Jahre
her, aber an dem Mann erinnere ich mich immer noch und das geht mir immer noch sehr nahe. Das
konnte ich nachfühlen, wie das ist, wenn man keine Luft kriegt. Wie man sich fühlt, was man macht und
so was und dann auch dieses qualvolle sterben, also das fand ich richtig heftig.“
(Pflegehelferin, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
„Ethik denken kann nur heißen, den Versuch zu
unternehmen, auch herrschende und
beherrschende Denkmuster kritisch zu
hinterfragen.“
(Quelle Foto: http://view-media.stern.de)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Aus der Pflege:
„(…) und ich währe mich immer noch davor, irgendjemanden morgens rauszureißen, bloß um den zu
waschen, damit die anderen weniger zu tun haben. Weil ja, das will ich nicht. Wenn jemand morgens
um 5 Uhr durch die Gegend peest und ist hellwach, dann ist das kein Problem für mich. Hab ich oft in
(Name der ehemaligen Einrichtung) gemacht. Aber wie oft habe ich die Leute, dass ich die um vier
Uhr wieder ins Bett kriege, und dann pennen die. „Ja, und warum ist die noch nicht gewaschen?“ „ja,
weil die schläft.“ Und ich währe mich einfach dagegen, jemanden um vier Uhr aus dem Bett zu holen.
(…) dann lese ich in dem Bericht „Bewohnerin wurde gerade wach, hab ich gleich gewaschen und
angezogen“ um halb vier morgens. Ich sach „du hast doch einen am Rad“ ich sach „finde ich
unverschämt.“
(Pflegekraft, Nachtdienst, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Aus der Pflege:
„(…) Also ich finde das, ja, gerade die Winterphase, da merkt man sowieso so eine depressive
Stimmung auf dem Wohnbereich. Das ist auch einfach so, weil die Bewohner früher immer viel
draußen waren, gerade auch weil die meisten hier aus der Region im Bereich Landwirtschaft tätig
waren oder einen großen Garten hatten oder wie auch immer. Und dann finde ich das so schade,
wenn die jetzt den ganzen Tag da auf dem Wohnbereich sitzen auf einen und dem selben Fleck und
nur zum essen nach vorne kommen, also quasi da in den anderen Raum gehen, näch. (…)“
(Pflegekraft, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
„(…) Wir hatten einen Bewohner, der hatte auch eine PEG, weil die Verwandten das gerne so wollten.
Der hat dann auch so in seinem Stuhl gesessen und dann hatte der auch son Fixiertisch. Der wollte
immer so gerne aufstehen und tun, aber er fiel immer über seine eigene Füße, sage ich mal, der
konnte nicht mehr alleine laufen. Das war immer schwer auszuhalten, wenn man merkt, dass er gerne
laufen würde – aber nicht mehr kann. Als er später Bettlägerig war hatten meine Kollegen dem
Seebilder an die Wand gehängt, also da habe ich mich auch fürchterlich drüber aufgeregt. Der war
sein Leben lang Landwirt, - anstand ein Pferd oder von mir aus auch ein Schwein an die Wand zu
hängen (…).“
(Pflegehelferin, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Warum Ethik?
Altenpflege im Wandel
Steigende Anforderungen an die Gemeinschaft in Heimen (Demenz, gerontopsychiatrischen
Diagnosen)
„Ich habe eigentlich wenig Kontakt. Beim Essen sitze ich neben einer älteren Damen. Die will wohl keinen
Kontakt haben, die rührt sich nicht. Und gegenüber ist frei, da saß mal ein älterer Herr, aber der ist weg. Ich
habe eigentlich kaum Kontakt. Man sieht sich auch nur beim Essen. Ich werde da dann hergeschoben und
nachher wieder weggeholt.“
(Bewohnerin Altenpflegeheim) (Wichmann, 2007)
„Ich habe keinen Kontakt, das lohnt sich auch nicht mehr richtig – hier sind alle mit sich selber beschäftigt
(…)“
(Bewohnerin Altenpflegeheim) (Wichmann, 2007)
Steigender Anteil schwerstkranker und sterbender Bewohner und eine Zunahme kritischer
Entscheidungssituationen - Leistungsverdichtung
Also die Bewohner haben viele Krankheiten. Und die Demenz nimmt auch zu. Und wenn sie dann
kommen, sind sie auch schon im Endstadium. Wo man auch nicht mehr so viel an sie rankommt und
machen kann. Früher hatte man, wenn jemand kam, dann konnte man den Verlauf noch so im Heim
feststellen. Ist ja jetzt auch nicht mehr. (…). Früher „Ja, ich will mal Kartoffeln schälen“ und so was, ne. So
was findet man ja auch immer weniger. (…).“
(Pflegekraft, Altenpflegeheim) (Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Zunehmende Anforderung / Belastungen der Mitarbeiter nehmen zu
Patientenautonomie (Wille des Bes/Pat., Wissen Bew./Pat. was sie wollen? Unklarer Wille)
Medizinischer Fortschritt (Therapiebegrenzung)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Lebensmüde –
Wunsch nach Therapiebegrenzung
Beitrag einer Pflegekraft zur Ausstellung „Ethische Fragen am Lebensende“
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Warum Ethik?
Gesellschaft im Wandel
Altersbilder: Schwäche, Leid, Tod als Bestandteil normalen Lebens vs. „die
fitten Alten“
Wachsende Ängste vor Krankheit, Abhängigkeit, Tod und dem Verlust eines
selbstbestimmten Lebens
Wertepluralismus (Transparenz von Entscheidungen,
Entscheidungsprozessen)
Zunehmender Zweifel am Lebenswert von Schwerstkranken. Forderungen:
Legalisierung aktiver Sterbehilfe
Patientenverfügung
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Warum Ethik?
Gesellschaft im Wandel
… aber, ist uns mit der
Legalisierung einer aktiven
Sterbehilfe wirklich geholfen?
… lösen Patientenverfügung
wirklich alle Unklarheiten und
Unsicherheiten in der Praxis?
Beitrag einer Pflegekraft zur Ausstellung „Ethische Fragen am Lebensende“
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
… können wir mit „guten“ Gefühl
jede Patientenverfügung
umsetzen?
Warum Ethik?
Gesellschaft im Wandel
PARADIGMA
Medikamentalisierung
(Sterben kontrollieren
– Beschleunigen / Verlangsamen)
Begleitung
(Grenzen erkennen,
Würde des Unterlassens,
von Behandlung zur Führsorge)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Warum Ethik?
Für Mitarbeiter (!!)
- „Gewissensbisse“ auszuräumen
- Bessere Verarbeitung von schwierigen Situationen
- Sicherheit – klarer Therapieschwerpunkt (einheitliche
Versorgung)
- Analyse der gegenwärtigen Situation („ist das was wir tun
wirklich richtig?“)
- Teamstärkung
- Erfahrungen im Umgang mit kritischen Situationen am
Lebensende (Erfahrungswissen)
- Mitarbeiter haben Ansprechpartner in der Einrichtungen,
die bei Problemlösungen helfen. Mitarbeiter werden
begleitet.
Für Bewohner und Angehörige
- gem. des (mutmaßlichen) Willen des Bewohners handeln
(Medizinische Möglichkeiten auch eingrenzen)
- Angehörige nicht mit der Entscheidungssituation alleine
lassen
- Angehörige Sicherheit geben und in der Umsetzung der
Entscheidung unterstützen
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Kurativer Schwerpunkt
Palliativer Schwerpunkt
„Reflektionskultur“ in
der Organisation
Ethische Herausforderungen in der
Praxis












Umgang mit Demenzerkrankung (Selbst- und Fremdbestimmung)
Unterschiedliche Sichtweisen von Arzt und Pflegepersonal
Konflikte mit Angehörigen und Bewohner
Medizinische Grenzsituationen
Umgang mit problematischen Verhalten der Bewohner
Fixierung – freiheitsentziehende Maßnahmen
Verweigerung von Medikamenten und Ernährung der Bewohner
Umgang mit Macht und Gewalt
Umgang mit Depression und Suizid
Umgang mit Sterbenden und Verstorbenen
Überforderung des Pflegepersonals und daraus resultierendes
Verhalten
Wirtschaftlicher Druck
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Aus der Pflege:
„(…) ich lass die (Bewohnerin) grundsätzlich bis zehn, halb elf (abends) laufen. Die ist immer am wuseln,
hat immer irgendwas zu machen, - sie war Schneiderin. Ich hab ihr mal Nadel mit Faden gegeben, (lacht)
so gut können wir beiden nicht zusammennähen, wie die das kann. „Kannst ihr ja nicht geben!“ ich sag
„Wetten, dass es ihr nichts macht!“ Ich hab ihr das eingefädelt mit einem Wollfaden und dann hab ich son
Beinbeutel, da hab ich was reingestopft „Wullt du dat taunaihen?“ „Joah!“ Dann hab ich ihr das gegeben und wunderschön, näch, konntest du fast nicht sehen. Und dann drehte sie es um, und - sie kann kaum
noch sprechen, näch - und dann „dor, dor“ säch se immer und dann war das da unten ja auch noch offen.
Ich sagt „och joah, dat geiht dor ja rut, näch. Dat is dor ja noch oapen.“ „jaoh.“ „willst du dat noch
taunaihen?“ „Joah.“ Dann hab ich ihr das auch noch wieder gegeben und dann sagte ich noch zu einer
Kollegen „guck mal, die hat sich nicht einmal gepiekt oder so, dass solltet ihr mal öfter machen.“ (…).
Die läuft abends immer bis um halb elf rum, bei mir. Und dann bringe ich sie zur Toilette, und dann leg ich
sie ins Bett und - ja, höchst selten, dass die mal rauskommt. (…). So und andere Kollegen - ob sie die
früher weggelegt haben oder so? „Die nervt, die kommt andauernd wieder raus“ und so weiter und so fort.
Die haben dann, ein bisschen Druck gemacht und dann wurde die abgeschossen, dann hieß es, die
bekommt Melperon. Wo ich gesagt habe „ihr seid doch nicht mehr ganz dicht. Wieso soll die denn Melperon
haben? Nee, kann ich nicht verstehen.“ Hab ich mich mit dem Tagdienst richtig in der Wolle gehabt. Ich sag
„Kann ich nicht verstehen, währe ich mich gegen. Diese Frau braucht das nicht.“ Bin natürlich unterlegen
unter dem ganzen Wust da, die haben es gemacht, - eine Woche lang-, die hing den ganzen Tag rum. Die
hat nichts mehr über Tag auf die Reihe gekriegt. Die hat praktisch Tag und Nacht nur noch geschlafen. Ich
sag „toll! - das mache ich nicht mehr mit!“ Ich hab mich da wirklich mit allen und jedem angelegt und dann
ist das wieder abgesetzt worden und die Frau ist in Anführungszeichen wieder die Alte in ihrer Demenz (…)
(Pflegekraft, Nachtdienst, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Aus der Pflege:
„(…) oder von den Ärzten nicht richtig … - klar das sind Bewohner, die auch immer Schmerzen haben,
aber auch das der Arzt dann nicht immer sagt, dass er denen jetzt ein höheres Schmerzmittel
verschreibt. Nicht das die Schmerzen haben, da fühlt man sich nicht gut bei. Und auch wenn die
teilweise Pflegestufe drei haben, wenn man die Pflege wirklich zu zweit durchführen sollte, aber um
Zeit einzusparen kann man das eben schnell alleine machen, man macht sowieso eben alles schnell
alleine, also das finde ich nicht immer so ganz ok dem Bewohner gegenüber. Der bezahlt auch viel
Geld, muss man auch mal so sehen, und der hat da auch einen Anspruch drauf, das man da auch mal
nach guckt. Wenn man einen Bewohner zu zweit versorgt, ist es auch einfach angenehmer für den
Bewohner. (…)“
(Pflegekraft, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
„Was mir fehlt ist mehr, wenn wir sterbende Bewohner haben, das man sich da nicht mehr einbringen
kann. Das da absolut keine Zeit für da ist und auch keine Ansprechpartner. Ich bin zwar 30 Jahre in
der Pflege, aber zu einem Sterbenden hinzugehen, mich da hinzustellen und mit ihm zu beten, ähm, kann ich nicht gut. Das haben wir nie gelernt, das haben wir nie gemusst. Im Krankenhaus hatten wir
die Ordensschwestern dafür und hier wird mir einfach zuviel nebenbei gestorben. Und das sollte
schon anders.“
(Pflegekraft, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Aus der Pflege:
„Was mir fehlt ist mehr, wenn wir sterbende Bewohner haben, das man sich da nicht mehr einbringen
kann. Das da absolut keine Zeit für da ist und auch keine Ansprechpartner. Ich bin zwar 30 Jahre in
der Pflege, aber zu einem Sterbenden hinzugehen, mich da hinzustellen und mit ihm zu beten, ähm, kann ich nicht gut. Das haben wir nie gelernt, das haben wir nie gemusst. Im Krankenhaus hatten wir
die Ordensschwestern dafür und hier wird mir einfach zuviel nebenbei gestorben. Und das sollte
schon anders.“
(Pflegekraft, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Aus der Pflege:
„(…) Für unsere jungen Mädels (ist der Umgang mit Sterben und Tod schwer). Wir hatten letztens
eine, die ist 17 Jahre. Die Bewohnerin kam auch aus meinem alten Dorf. Wir hatten die abends
versorgt und am nächsten morgen kamen wir wieder zur Frühschicht und dann war die in der Nacht
verstorben und dann, nach ein paar Tagen kam sie dann an und sagte, „ich kann das nicht gut haben.“
Und ich sagte dann zu ihr „ich bitte dich, erzähle es uns 10.000 mal bis du es selber nicht mehr hören
kannst,“ ich sag „du musst das verarbeiten, du bist einfach zu jung dafür und wie viele Sterbende
siehst du wohl noch.“ -„meinst du?“ Ja, ich sag dann „und wenn du es uns nicht mehr erzählen kannst,
dann erzähle es zuhause.“ „ja, das hat Mama auch schon gesagt.“ (…).“
(Pflegekraft, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
„ (…) Äh (tiefer Atemzug) wenn er 87 ist und sterben möchte, darf er nicht einfach so. Wenn er
abnimmt, muss es begründet werden, „warum nimmt er denn jetzt ab. - Der BMI darf nicht unter 18
sein, wie viel hat der heute morgen gefrühstückt?“ (…)“
(Pflegekraft, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Aus der Pflege:
„(…) aber auch, wenn er dann gestorben ist, dass man da auch drüber reden darf. (Pause) Der wird
abgeholt. Das Zimmer wird lehr geräumt. Das Zimmer wird gestrichen. Ab dann ist der Bewohner
schon gar nicht mehr existent. Da darf man dann weder nicht drüber reden, noch darf man mal fragen
war es ein netter Bewohner, wie war das mit den Kindern oder war das schön mit dem, oder so. Der
ist einfach nicht - das liegt in den Händen der Pflegedienstleitung, die da einfach nicht mit umgehen
kann. Und da würde ich mir einfach wünschen, auch wenn es ein halbes Jahr ist oder ein Jahr (…)“
(Pflegekraft, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
„(…) viele greifen dann ja auch so. Das kann man ja richtig merken, die greifen, wollen festhalten und
wollen dich gar nicht wieder loslassen. Und wenn man einfach nur Zeit hätte. Es reicht ja auch einfach
die Hand zu halten - oder viele mögen ja auch keinen Kontakt, - das man einfach nur da ist. Ja, und
das bekommt man in den normalen Arbeitsablauf nur selten hin, dass man diese Zeit nehmen kann.
Ja gut, oder man macht es dann so, dass man andere Arbeiten, wo ich denke, der kann das heute
wohl haben, dass ich da nicht so lange bin, dass ich dann einfach diese Zeit dann für den sterbenden
zur Verfügung habe (…)“
(Pflegekraft, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Aus der Pflege:
„(…) Auch wenn sie mir erzählen „Ich will heute sterben.“ Wir haben da so eine, die meint immer das
sie stirbt. Dann sag ich „du, heute wird nicht gestorben. Es ist Winter es ist kalt.“ Ich sag „überlegen
sie doch mal…“, ja, dann ist es erst auch wieder gut. Dann geht das dann wieder ein bis zwei Nächte
und dann kommt die da dann immer wieder mit und sagt, dass sie sterben will. (…). Ich sag dann „es
ist kalt. Dann kommt kein Mensch zur Beerdigung. Da kriegt man kein Loch in die Erde, wo wollen Sie
denn so lange hin?“ und irgendwie kommt die dann auf andere Ideen. Und wenn Sommer ist, dann
fällt mir auch was anderes ein. Z. B. es ist warm oder da oben ist kein Platz oder so was.“
(Pflegekraft, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Aus der Pflege:
„ (…) Also da war eine Bewohnerin die auf einem absteigenden Ast war. Die Medikamente wurden schon
abgesetzt, sie war am Sauerstoff, da waren die Kinder schon zwei Tage vorher permanent da. Es war die
dritte Nacht, die ersten beiden Tage und Nächte sah das schon ganz schlecht aus. Und dann habe ich die
mit meiner Kollegin zusammen fertig gemacht und so und da haben wir schon gemerkt, dass geht nicht
mehr lange. (…). Wir haben die immer zu zweit versorgt, hab mich dann mit meiner Kollegin
abgesprochen, „du dann treffen wir uns um halb vier noch mal und lagern die dann noch mal und gucken“.
Und dann gehen wir denn dahin und sie machte die Augen auf und sie wollte wieder aufstehen und es
ging ihr wieder besser. Das hatte ich bis dahin noch nie erlebt. Das war ja völlig unglaublich, in der ersten
Nachthälfte wäre sie bald gestorben, so ungefähr, ja und dann ging es ihr auf mal wieder besser. Sie ist
dann auch zur Toilette gegangen, hat gesagt, was sie wollte und was sie nicht wollte. Unglaublich, sie ist
dann später dann doch gestorben, aber erst einige Monate später (…).“
(Pflegekraft, Nachtdienst, Altenpflegeheim)
(Wichmann, unveröffentlichtes Material)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Ethik in der Altenhilfe
Instrumente der Praxis
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Ethische Fallbesprechung
Reflexive Fallbesprechung (Mortalitätskonferenz)
Krisenintervention und Notfallplanung am Lebensende
Vollmachten und Verfügungen
„Abschiedskultur“
Kommunikationsmöglichkeiten zum Thema anbieten
(Beratung, Veranstaltungen, MA-Runden nutzen)
Ethikkomitee, Ethikgruppe,
Fortbildungen (Sensibilisierung der Mitarbeiter,
Kompetenzen, Methoden)
(...)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Projekt: Hinsehen – Ethik in der Altenhilfe
Offizialatsgebiet Oldenburg
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
1. Treffen: Brainstorming
Herausforderungen bewusst werden
 14 ambulante Pflegedienste und 23 Alten- und
Pflegeheime unter einem „Hut“ zu bekommen?
 Ländliche Region
 Entfernungen zwischen den Akteuren: von Damme nach
Wilhelmshaven, 1,5 Stunden Fahrtzeit (ca. 140 km)
 Einrichtungen und Dienste haben unterschiedliche
Schwerpunkte und Ziele
 Unterschiedliche Trägerschaft (Größe und Einfluss)
 Organisationsstrukturen sind unterschiedlich
 Konkurrenz
 Unterschiedliche Regionen (Cloppenburg Land oder
Wilhelmshaven)
 Ressourcen (Finanzielle Ressourcen und personale
Ressourcen)
 Ist das Thema wirklich wichtig? (MA sagen ja,
Leitungsebene muss überzeugt werden)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
1. Treffen: Brainstorming
Warum ist das Thema wichtig?
„Die Situationen, wo wir unsicher sind, werden
mehr, hier brauchen wir mehr Sicherheit“
„Nicht mehr mit einem „schlechten Gefühl“
arbeiten“
„Die ethischen Fragen und ethischen Themen
sind da – nur bisher bleiben viele Fragen
unbearbeitet“
„Wie gehen eigentliche andere mit derartigen
Problemen um?“
„Einige Situationen überfordern mich, wie z. B.
der Umgang mit unsicheren Angehörigen oder
der Wunsch nach Suizid“
.
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
1. Treffen: Brainstorming
Fazit
Fazit:
Durch die Zunahme von demenzkranken Menschen, von schwerstkranken und
schwerstpflegebedürftigen Menschen und durch skeptische Angehörige wird das
Thema Ethik an Bedeutung gewinnen.
Trotz der Herausforderungen wollen wir dieses Thema irgendwie angehen!
... allerdings wollen wir keinen Arbeitskreis zum Austausch.
Weil das Thema Ethik so schwer ist, brauchen wir mehr.
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Konzept und Finanzierung
•
Konzepterstellung
•
Konzept zur ethische Beratung in der
ambulanten und stationären Altenhilfe in 5
Bausteinen
•
Fördermöglichkeiten? Stiftungen?
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
- unterschiedliche Einrichtungen
- ambulant und stationär
- Größe der Einrichtungen
- Personal ist knapp
- finanzierbar muss es sein
- Einrichtungen sind nicht
vergleichbar
etc. ...
Projektbaum Ethik in der Altenhilfe
Baustein 3
Grundlagen Ethik – Sensibilisierung
zum Thema
Der Baustein 3 bildet die Krone.
Hier sollen möglichst viele MA
teilnehmen um das Thema
möglichst breit in die Einrichtung zu
streuen.
Baustein 2
Projektleitungen beraten und
begleiten in der Umsetzung
Der Stamm bilden zwei Mitarbeiter
aus den Einrichtungen, die das
Projekt Ethik in der eigenen
Einrichtung leiten.
Baustein 5
Beratung einzelner Einrichtungen
vor Ort
Zur Stabilisierung des Stammes,
kann Beratung der Trainer in der
Einrichtung umgesetzt werden.
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Baustein 4
Moderatorenschulung für ethische
Fallbesprechungen
Die großen Äste bilden die
Moderatoren, die künftig ethische
Fallbesprechungen leiten werden.
Baustein 1
Konzeptvorstellung (GF und HL)
Die Wurzel ist die Zusage und
Unterstützung der Führungsebene
(Top Down)
Ergebnis nach Baustein 1
Wer ist nun wirklich dabei?
7 Träger mit 11 Institutionen
(12 Pflegeheime und ein
ambulanter Pflegedienst)
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Baustein 2: Umsetzung
Training 1 (2 Tage im Februar 2012)
Grundlagen: ethische Argumentation und Entscheidungsfindung; Argumentationshaltungen und Wertbegründungskonzepte;
Einführung in die „Ethik“: Selbstverständnis und Definition;
Menschenbilder und Bedeutung für ethische Entscheidungen.
Die Projektleiter werden ethisch sensibilisiert. Sie lernen Ziele und
Nutzen von Ethikberatung kennen. Sie entwickeln erste Ideen für ihr
Projekt gemäß den Vorstellungen der Einrichtung vor Ort.
Training 2 (2 Tage im März 2012)
Projektmanagement; Projekte für die jeweilige Einrichtung
konzipieren
Implementierung von Ethik-Beratung: Ziele, Chancen und Grenzen
Arbeitsweise von Ethik-Beratung am Fallbeispiel kennen lernen und
Fallbesprechungen
Projektberatung (6 Tage im Mai, Jun, Sep, Nov `12 u. Jan, Mai ´13)
Projektberatung; ggf. Fallbesprechung; Ethischer Themenpool
Die Projektleiter konzipieren ihre Projekte für ihre Einrichtung. Sie
nutzen die Beratung zur Optimierung und Differenzierung ihrer
Projekte. Sie profitieren von kollegialer Beratung. Zugleich wird ein
ethischer Themenpool erarbeitet.
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Baustein 2
Projektleitungen beraten und
begleiten in der Umsetzung
Den Stamm bilden zwei Mitarbeiter
aus den Einrichtungen, die das
Projekt Ethik in der eigenen
Einrichtung leiten.
Baustein 3: Sensibilisierung
Training 1 (2 Tage)
Einführung in ethisches Denken, Entscheiden und
Handeln
Training 2 (2 Tage)
Einzelfallbesprechungen
Führungs- und Fachkräfte werden ethisch
sensibilisiert. Sie lernen ethische
Einzelfallbesprechungen kennen und üben ethische
Argumentationen.
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Baustein 3
Grundlagen Ethik – Sensibilisierung
zum Thema
Der Baustein 3 bildet die Krone.
Hier sollen möglichst viele MA
teilnehmen um das Thema
möglichst breit in die Einrichtung zu
streuen.
Baustein 4: Moderation
Training 1 (1 Tag)
Moderation – Grundhaltung und Handwerkszeug
Training 2-5 (je 0,5 Tage)
Einzelfallmoderation
Voraussetzung zur Teilnahme am Baustein 4 ist
Baustein 3 oder Baustein 2
Die Teilnehmer lernen das inhaltliche und formale
Setting der ethischen Einzelfallbesprechung. Sie
moderieren Einzelfälle und erhalten ein differenziertes
Feedback.
• Grundhaltung der Moderation: zielorientiert und
ergebnisoffen
• Schwierige Beratungssituationen bei ethischen
Dilemmata: Umgang mit Widerständen
• Die Rolle des ethischen Moderators einüben: wertorientiert und unparteiisch
• Der ethische Moderator als Anwalt für ethische
Entscheidungsfindung und Garant des Diskurses
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Baustein 4
Moderatorenschulung für ethische
Fallbesprechungen
Die großen Äste bilden die
Moderatoren, die künftig ethische
Fallbesprechungen leiten werden.
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Baustein 5: Beratung/Unterstützung
Die Berater stehen für die Erarbeitung einzelner
ethischer Themen und für die Durchführung
einzelner Veranstaltungen zur Verfügung.
Projektberatung ist im Einzelfall möglich.
Im Projekt enthalten sind pro Einrichtung 4 halbe
Beratertage.
Als zusätzliche Unterstützung werden sich auch
zwei Hospizdienste am Projekt beteiligen um die
Fallbesprechungen zu Beginn im Tandem
moderieren zu können.
Baustein 5
Beratung einzelner Einrichtungen
vor Ort
Zur Stabilisierung des Stammes,
kann Beratung der Trainer in der
Einrichtung umgesetzt werden.
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Ethik in der Altenhilfe
Einrichtungsübergreifendes
Konzept, Leitlinien?
Einbindung Ethik in die
Dokumentation, QM
Baustein 3
Sensibilisierung
Nachhaltigkeit
Ethikkomitee?
Finanzierbarkeit von Ethischen
Fallbesprechungen?
Baustein 2
Umsetzung
Baustein 5
Beratung /
Unterstützung
Baustein 4
Moderatorenschulung
Baustein 1
Konzeptvorstellung
Indikatoren Ethische
Fallbesprechung
Vernetzung der Moderatoren
Gemeinsame
Supervisionsangebote für
Moderatoren etc.
(...)
Flankierende Vorträge, Veranstaltungen, Fortbildungen LCV
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Mit ethischen Konflikten umgehen können
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Cornelia Wichmann - Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V.
Herunterladen