Behandlung mit Immunglobulinen: Informationen für Patienten Inhalt 1. Warum Sie diese Broschüre erhalten .......................................................................... 4 2. Für wen kann eine Therapie mit Immunglobulinen hilfreich sein? ............................... 5 3. Das Immunsystem: körpereigene Abwehr gegen Krankheitserreger . .......................... 6 4. Ein Portrait unserer Antikörper ................................................................................... 8 5. Wie funktioniert die Behandlung mit Immunglobulinen? . ........................................ 12 6. Wann werden Immunglobuline eingesetzt? ............................................................. 14 7. Praktische Aspekte der Behandlung ......................................................................... 16 8. Woher stammen Immunglobuline zur medizinischen Anwendung? . ........................ 18 9. Glossar..................................................................................................................... 20 10. Weiterführende Informationen . ............................................................................. 23 2|3 1.Warum Sie diese Broschüre erhalten Diese Broschüre soll Ihnen helfen, sich über die Behandlung mit Immunglobulinen zu informieren. Sie lernen den Wirkstoff und seine Eigenschaften sowie die Art der Behandlung und mögliche Nebenwirkungen kennen. Da Immunglobuline biologische Arzneimittel sind, finden Sie auch eine Information über die Herkunft und Sicherheit des Wirkstoffs. Ein Glossar erklärt die notwendigen Fachbegriffe. Immunglobuline zu therapeutischen Zwecken kommen bei unterschiedlichen Grunderkrankungen und damit bei Menschen in ganz verschiedenen Lebenssituationen zur Anwendung. Kein Fall gleicht genau dem anderen. Das Ziel der Broschüre ist es, zu vermitteln, wann und warum die Gabe von Immunglobulinen sinnvoll sein kann, in welchen Situationen sie vom Arzt erwogen wird und welchen konkreten Nutzen sie für den einzelnen Patienten hat. Ergänzend stellen wir dar, wie die Behandlung durchgeführt wird und welche Besonderheiten mit einer Infusionsbehandlung verbunden sind. Diese Broschüre hat ihren Sinn erfüllt, wenn Sie sich nach der Lektüre sicherer fühlen, möglicherweise noch offene Punkte mit Ihrem Arzt zu besprechen. 2.Für wen kann eine Therapie mit Immunglobulinen hilfreich sein? Immunglobuline – auch Antikörper genannt – sind lebenswichtige Bestandteile unseres Immunsystems. Ihre Funktion soll später etwas genauer beleuchtet werden. Zunächst ist wichtig zu wissen, dass Immunglobuline im gesunden Körper natürlich gebildet werden und dass sie für ein normal funktionierendes Immunsystem unverzichtbar sind. So erklärt sich auch ihre medizinische Anwendung: Personen, die Immunglobuline nicht oder nicht ausreichend in ihrem Körper bilden können, sind auf deren Gabe von außen angewiesen. Ebenso kann für Menschen, deren Immunsystem den eigenen Körper schädigt, die Gabe von Immunglobulinen eine hilfreiche Behandlung sein. Um die Aufgaben der Immunglobuline im Körper besser zu verstehen, befassen wir uns im Folgenden kurz mit dem Immunsystem. 4|5 3.Das Immunsystem: körpereigene Abwehr gegen Krankheitserreger Das Immunsystem stellt ein biologisches Abwehrsystem dar, mit dem sich der Körper gegen Krankheitserreger und Gifte aus der Umwelt wehrt. Dabei wirken zwei Systeme zusammen, die unterschiedliche, einander ergänzende Aufgaben haben. Zum einen setzt der Körper zu seinem Schutz Maßnahmen ein, die sich gegen alle krankheitsauslösenden Stoffe richten. Bestandteile dieses Immunsystems sind z. B. die Haut mit ihrem Säureschutzmantel und die Schleimhäute, die beide eine Barriere gegen das Eindringen von Krankheitserregern bilden. Zu diesem Immunsystem gehören auch im Blut zirkulierende Abwehrzellen wie Granulozyten und Makrophagen. Diese können Krankheitserreger bekämpfen, die unsere äußeren Barrieren überwunden haben und in die Blutbahn gelangt sind. Sie sind aber nicht sehr gut im Erkennen der Eindringlinge, brauchen hierbei also Unterstützung. Es gibt daher ein zweites, ausgeklügeltes System zur Erkennung und Markierung von eingedrungenen Krankheitserregern. Es ist das spezifische Immunsystem. Dieses erkennt ganz bestimmte Bestandteile von Erregern oder Fremdstoffen, markiert diese Bestandteile und erleichtert so den Granulozyten und Makrophagen die Vernichtung von Krankheitserregern, wodurch das gesamte System sehr wirksam wird. Die Information über den Erreger wird dann gespeichert (wir sprechen vom „immunologischen Gedächtnis“). Die Immunantwort kann dadurch bei einem wiederholten Kontakt mit dem gleichen Erreger besonders rasch erfolgen und der Keim schnell und effektiv bekämpft werden. Ein wichtiger Bestandteil des spezifischen Immunsystems ist eine Gruppe ganz besonderer Moleküle: die Immunglobuline oder Antikörper. 6|7 4.Ein Portrait unserer Antikörper Woher weiß unser Körper, welche Zellen er angreifen muss und welche nicht? Wie kann unser Körper zwischen eigen und fremd unterscheiden? Diese Fähigkeit gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Immunsystems, und Störungen können zu schwerwiegenden Erkrankungen führen, sei es, dass Krankheitserreger nicht erkannt werden und sich ausbreiten können oder sei es, dass körpereigene Zellen für fremd gehalten und angegriffen werden (sog. Autoimmunerkrankungen). Die Merkmale auf den Zellen, die diese Unterscheidung ermöglichen, werden Antigene genannt. Antigene sind Eiweiß- oder Eiweiß-Zucker-Strukturen auf der Oberfläche der Zellen, die vom Immunsystem „gelesen“ werden können und als eigen oder fremd erkannt werden. Wird das Antigen als eigen erkannt, so wird keine Abwehrreaktion ausgelöst, wird es als fremd erkannt, dann wird eine derartige Reaktion in Gang gesetzt. Mit welchen „Augen“ werden diese Merkmale nun „gelesen“? Diese Funktion wird von den Antikörpern übernommen. Es handelt sich um Eiweiße (Proteine), die im Organismus als Reaktion auf den Kontakt mit Antigenen gebildet werden. Antikörper erkennen „ihr“ Antigen Viren, Bakterien Wenn dies geschieht, setzen sich die dafür passenden Antikörper an einem charakteristischen Antigen fest (Abbildung). Das kann zum Beispiel ein ganz bestimmtes Molekül an der Oberfläche des Erregers sein. Weil die Antikörperbindung an ein Antigen genau passend, d. h. spezifisch erfolgt, wird sie gerne mit dem Schlüssel-Schloss-Prinzip verglichen. Durch die Bindung von Antikörpern am Antigen wird der Fremdstoff für Abwehrzellen des Immunsystems (Granulozyten und Makrophagen) erkennbar, und es wird eine Immunabwehrreaktion eingeleitet, bei der Abwehrzellen den eingedrungenen Fremdstoff abtöten oder zerstören. Vereinfacht kann man sagen: Je mehr Antikörper gebildet werden und an die Fremdstoffe binden, desto heftiger fällt die Immunreaktion aus und desto effektiver werden die Krankheitserreger bekämpft. Immunsystem Antikörper Abwehrzelle Immunsystem Bildung von Antikörpern nach Bedarf In der Umwelt existiert eine praktisch unbegrenzte Zahl von Antigenen, mit denen ein Organismus konfrontiert werden kann. Ein erwachsener Mensch trägt daher etwa einhundert Milliarden unterschiedliche Antikörper in sich. Allerdings ist die Natur „ökonomisch“. Wegen der enormen Vielfalt der in der Umwelt vorhandenen Antigene wird beim gesunden Menschen immer nur eine sehr kleine Menge der aktuell passenden Antikörper bereitgehalten – gerade so viel, dass das dazu passende Antigen beim Eindringen in den Körper schnell und effektiv markiert werden kann. Die Herstellung großer Antikörpermengen wird angekurbelt, wenn vermehrte Kontakte mit einem schädlichen Antigen die Notwendigkeit dafür signalisieren. Der Vorteil ist, dass auf diese Weise immer nur genau die Antikörper produziert werden, die der Körper benötigt, um einen bestimmten Erreger wirksam zu bekämpfen. Antikörper: eine Differenzierung An dieser Stelle muss noch eine Präzisierung erfolgen. Man unterscheidet verschiedene Antikörperklassen, die sich in ihren Eigenschaften und Funktionen unterscheiden. Dies sind Immunglobulin M (IgM), Immunglobulin G (IgG), Immunglobulin A (IgA), Immunglobulin D (IgD) und Immunglobulin E (IgE). Funktionen der verschiedenen Antikörperklassen: IgM: Diese Antikörperklasse wird nach einem Kontakt mit einem Krankheitserreger zuerst gebildet. Sie ist fünfarmig und kann daher viele Antigene binden. Allerdings hat sie nur eine kurze Halbwertzeit. IgG: Wird im Rahmen einer langsamen Abwehrreaktion gebildet. IgG bleibt lange im Körper erhalten und bildet mengenmäßig auch den größten Anteil an den Immunglobulinen. IgA: Ist darauf spezialisiert, auf Körperoberflächen wie der Mund- oder Nasenschleimhaut Krankheitserreger abzufangen. IgE: Vermittelt einen Schutz vor Parasiten. IgE ist im Blut praktisch nicht vorhanden, sondern im Körper an Membranen gebunden. Bei Antigenkontakt wird über IgE die Freisetzung von Histaminen und weißen Blutkörperchen vermittelt. Dadurch können auch unerwünschte Immunreaktionen entstehen („allergische Reaktion“). 8|9 Die Impfung: Anregung zur Antikörperbildung Die Fähigkeit des Immunsystems, auf Krankheitserreger gezielt mit der Bildung bestimmter Antikörper zu reagieren, wird medizinisch seit Langem durch das Prinzip der Schutzimpfung, z. B. gegen Wundstarrkrampf (Tetanus) und Kinderlähmung (Polio) genutzt. Hier wird durch die Gabe abgeschwächter, nicht krankmachender Erreger die Bildung von Antikörpern und eine Abwehrreaktion gegen die im Impfstoff enthaltenen Antigene ausgelöst. Die Impfung regt den Körper somit zu einer gezielten Antikörperbildung an. Das Prinzip der Impfung basiert auf der Tatsache, dass das Immunsystem Erkennungsmerkmale der Impfantigene beim ersten Kontakt in Gedächtniszellen „speichert“. Kommt es zu einem späteren Zeitpunkt zu einer erneuten Konfrontation mit einem Erreger, kann diese Erinnerung abgerufen werden. Bestimmte weiße Blutkörperchen (B-Lymphozyten), die diese Information unter anderem tragen, beginnen dann mit der massiven Produktion der Antikörper, die zur Abwehr dieses Krankheitserregers benötigt werden. Bei ausreichender Antikörperproduktion gewinnt das Immunsystem die Oberhand, und es kommt nicht zur Erkrankung. Auch die direkte therapeutische Gabe von Antikörpern bewirkt, dass sich der Körper gegen Krankheitserreger erfolgreich wehren kann. Werden die passenden Antikörper zugeführt, kann unmittelbar eine schützende Immunreaktion beginnen. Die direkte Gabe von Antikörpern wird auch als passive Immunisierung bezeichnet. Der Schutz hält nicht so lange an, wie nach einer klassischen Impfung („aktiven Immunisierung“). Denn: Von außen zugeführte Antikörper werden nach einiger Zeit (1–3 Monate) abgebaut. Dagegen lernt der Körper nach einer Impfung mit abgeschwächten Erregern, die benötigten Antikörper langfristig selbst zu bilden. 10 | 11 5.Wie funktioniert die Behandlung mit Immunglobulinen? Die von außen zugeführten Immunglobuline funktionieren genauso wie jene, die im Körper selbst gebildet werden. Dabei gibt es zwei unterschiedliche Hauptwirkungen: Durch ihre Fähigkeit, Erreger zu erkennen und für das Immunsystem kenntlich zu machen, können sie Infektionen abschwächen oder sogar verhindern. Immunglobuline haben darüber hinaus auch regulierende Funktionen. Sie können krankmachende Immunglobuline im Körper erkennen und unschädlich machen und dadurch die Stärke einer unangemessenen Immunreaktion mildern. Diese Wirkung kann bei Erkrankungen genutzt werden, bei denen das Immunsystem so entgleist ist, dass es körpereigenes Gewebe attackiert (Autoimmunerkrankungen). 12 | 13 6.Wann werden Immunglobuline eingesetzt? Ersatztherapie bei Mangelzustand Aus den Wirkungen ergibt sich, dass Immunglobuline hilfreich eingesetzt werden können, wenn der Körper zu ihrer Herstellung nicht selbst in der Lage ist. Ist diese Schwäche angeboren, spricht man von einem primären Immunmangelsyndrom. Dieses wird meist im Kindesalter durch eine im Vergleich zu Gesunden erhöhte Zahl an Infekten auffällig. Die erhöhte Infektneigung kann aber auch erst im Erwachsenenalter auftreten. Weil die Störung selten ist, wird sie längst nicht immer vom Arzt erkannt. Warnzeichen können z. B. häufig wiederkehrende eitrige Mittelohrentzündungen sein (häufiger als achtmal im Jahr) oder häufige Lungenentzündungen (häufiger als zweimal im Jahr) sowie ein sehr schlechtes Ansprechen auf eine Behandlung mit Antibiotika. Von außen gegebene Immunglobuline können den angeborenen Mangel bei vielen Erkrankungen ausgleichen. Dieses Ausgleichen des Mangels („Substitution“) kann die Infektionshäufigkeit oft auf ein ganz normales Maß senken. In Fällen, in denen dies nicht ganz gelingt, können die Infektionen zumindest abgemildert werden. Die Behandlung muss jedoch regelmäßig wiederholt werden und ist in der Regel lebenslang notwendig. Erworbene Immunschwäche Als zweite Ursache für einen Mangel an Immunglobulin kommt eine erworbene Immunschwäche infrage: Hier entsteht der Mangel infolge einer anderen Erkrankung oder infolge einer Therapie, die das Immunsystem unterdrückt. Solche erworbenen Immunmangelsyndrome treten z. B. bei Krebserkrankungen des Blutes (Leukämien) auf, außerdem bei Kindern, die mit dem Immunschwächesyndrom (AIDS) geboren wurden und die an häufigen Infektionen leiden. Ein weiterer Bereich, in dem die Betroffenen häufig von der Antikörpergabe profitieren, ist die Stammzelltransplantation, denn nach einer sehr starken Knochenmark zerstörenden Therapie und der Gabe von fremden oder eigenen blutbildenden Stammzellen dauert es oft recht lange Zeit, bis die eigene Antikörperbildung wieder in Gang kommt. In der Regel bestehen noch andere Einschränkungen des Immunsystems, so dass Maßnahmen zur Infektionsvorbeugung, wie die Antikörpergabe, meist notwendig sind. Ebenfalls werden Immunglobuline zur Vorbeugung der Transplant-gegenWirt-Erkrankung nach Stammzelltransplantation eingesetzt. Die Gefahr bei bestehendem Immunmangelsyndrom ist, dass auch banale Infektionskrankheiten bedrohlich verlaufen können. Einen Anhaltspunkt, ob eine Behandlung mit Immunglobulinen erforderlich sein könnte, gibt die Bestimmung der Konzentration von Immunglobulinen im Serum. Dabei wird der gemessene Wert mit Normwerten von Gesunden verglichen. Diese Werte sind nicht absolut zu sehen. Sie werden im Zusammenhang mit den im Einzelfall vorhandenen Krankheitszeichen interpretiert. Immunregulation bei Autoimmunerkrankungen Ein weiteres großes Anwendungsgebiet der Immunglobuline betrifft Erkrankungen, bei denen das Immunsystem körpereigene Strukturen zerstört (Autoimmunerkrankungen). Hier wirken von außen gegebene Immunglobuline regulierend, d. h. sie bewirken vereinfacht gesagt eine Anpassung („Modulation“) des Immunsystems. Zu diesen Erkrankungen gehören z. B. die idiopathische thrombozytopenische Purpura (eine Autoimmunkrankheit gegen Blutplättchen), das Guillain-Barré-Syndrom (eine Autoimmunkrankheit, bei der Nervengewebe angegriffen wird) und das Kawasaki-Syndrom (eine Erkrankung der Blutgefäße, die vor allem bei Kindern auftritt). 14 | 15 7.Praktische Aspekte der Behandlung Immunglobuline können nicht als Tablette eingenommen werden, da sie im Magen und im Darm abgebaut würden und dann keine Wirkung mehr hätten. Die Behandlung erfolgt daher als Tropfinfusion in die Vene (intravenös) oder als Injektion unter die Haut (subkutan). Diese Behandlung ist seit Jahrzehnten bewährt und sicher. Sie erfolgt in der Regel in der Arztpraxis, der Ambulanz oder im Krankenhaus auf Station. Die Injektion unter die Haut kann auch nach einer Schulung zu Hause selbst vorgenommen werden. Die Entscheidung zur Behandlung wird Ihr behandelnder Arzt mit Ihnen gemeinsam in der Regel dann treffen, wenn eine erniedrigte IgG-Serumkonzentration (bei angeborenen oder erworbenen Abwehrschwächen) nachweisbar ist. Bei einigen Erkrankungen (z. B. der chronischen lymphatischen Leukämie) ist es üblich, erst dann mit der Behandlung zu beginnen, wenn bereits gehäuft Infektionen aufgetreten sind, während z. B. nach einer Stammzelltransplantation oft für eine gewisse Zeit routinemäßig Immunglobuline verabreicht werden, auch wenn noch keine Infektionen aufgetreten sind. Bei Autoimmunerkrankungen wird Ihr behandelnder Arzt, je nach der Krankheit und ihrem Verlauf, die Behandlung mit Immunglobulinen durchführen wollen und mit Ihnen absprechen. Die Behandlung besteht in der intravenösen Infusion von Immunglobulinen im Abstand von drei bis vier Wochen oder der Injektion unter die Haut, die meistens wöchentlich vorgenommen wird. Die Behandlung wird fortgeführt, bis entweder wieder ausreichend eigene Immunglobuline gebildet werden, oder sie muss dauerhaft durchgeführt werden. Bei Autoimmunerkrankungen erfolgt die Behandlung je nach Erkrankung entweder mit einer großen Immunglobulinmenge über ein bis fünf Tage als Stoßtherapie oder auch als regelmäßige Gabe ca. alle vier Wochen intravenös. Die Infusion selbst sollte langsam erfolgen. Die Hersteller empfehlen eine Infusion, die in der ersten viertel bis halben Stunde sehr langsam und dann schneller eingestellt wird, so dass 10 g in ca. 1–2 Stunden und 20 g in etwa 2–3 Stunden verabreicht werden können. Wenn die ersten Infusionen problemlos vertragen wurden, kann man bei den nachfolgenden Infusionen versuchen die Infusionsgeschwindigkeit zu steigern. Abhängig vom Wohlbefinden des Patienten wird der behandelnde Arzt oder das Infusionspersonal dies nach ihren Erfahrungen mit dem Medikament entscheiden. Im Anschluss an die Infusion sollte eine Nachbeobachtung von ca. 20 Minuten erfolgen. Wenn Patienten über sehr lange Zeit mit Immunglobulinen versorgt werden müssen, kann bei ihnen die Gabe der Immunglobuline im Rahmen einer Heimselbsttherapie erfolgen. Bei dieser Therapieform können Patienten die Infusion in häuslicher Umgebung subkutan mit einer tragbaren Pumpe selbst vornehmen. Sie müssen dafür die Abläufe der Infusionstechnik mit Verabreichung der Immunglobuline unter die Haut erlernen und sicher beherrschen. Das Erlernen der subkutanen Infusionstechnik erfolgt normalerweise in ca. drei Trainingseinheiten in der Arztpraxis oder der Klinik, bevor die Infusionen zu Hause durchgeführt werden. Es ist hilfreich und bei Kindern notwendig, dass ein Familienmitglied oder eine Betreuungsperson die Heimselbstbehandlung praktisch unterstützt. Wichtig: Bevor Sie irgendwelche Impfungen durchführen lassen, sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt, da einerseits einige Impfungen (vor allem Virus-Lebend-Impfstoffe) unter Gabe von Immunglobulinen schlechter wirken und andererseits der Zustand der Abwehrschwäche einige Impfungen verbietet, weil diese schlechter vertragen werden. Bei Menschen, die nachgewiesene Antikörper gegen das Immunglobulin IgA haben, soll die Immunglobulinbehandlung mit großer Vorsicht durchgeführt werden. Welche Nebenwirkungen können auftreten? Wie langjährige Erfahrungen zeigen, ist die Behandlung mit Immunglobulinen nebenwirkungsarm. Viele Patienten können die Therapie erhalten, ohne dass sich bei ihnen unerwünschte Begleiterscheinungen einstellen. Jedoch können auch bei Immunglobulinen solche Wirkungen auftreten. So kann es in seltenen Fällen im Zusammenhang mit der Infusion zu allergischen Reaktionen kommen, die meist leicht oder mäßig ausgeprägt sind. In einzelnen, sehr seltenen Fällen können diese allergischen Reaktionen jedoch so stark verlaufen, dass sie durch eine Behandlung unverzüglich abgemildert werden müssen. Es ist daher wichtig, dass Änderungen des Befindens, die während oder nach einer Infusion auftreten, unmittelbar dem Arzt mitgeteilt werden. Selten können nach Gabe von Immunglobulinen vorübergehend Kopf- und Gliederschmerzen auftreten sowie Rückenschmerzen, leichtes Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Juckreiz. Es wurde beobachtet, dass einige dieser Nebenwirkungen vor allem auftreten, wenn Patienten das erste Mal Immunglobuline erhalten oder wenn ihre Gabe über die Tropfinfusion nicht ausreichend langsam erfolgt. 16 | 17 8.Woher stammen Immunglobuline zur medizinischen Anwendung? Immunglobuline für die medizinische Anwendung können nicht künstlich im Labor hergestellt werden. Sie werden daher aus Blut- oder Plasmaspenden gesunder Spender gewonnen. Blutplasma (mit Immunglobulinen) lässt sich auf zwei Wegen gewinnen: es kann einmal aus einer normalen Blutspende kommen. Bei der zweiten Möglichkeit – der Plasmaspende – erfolgt während der Spende eine Auftrennung des Blutes in den flüssigen Bestandteil und die Blutkörperchen. Letztere fließen anschließend unverändert in den Spender zurück: Er hat somit nur sein Plasma gespendet. Dieses als Plasmapherese bezeichnete Verfahren hat gegenüber der klassischen Blutspende den Vorteil, dass es vom einzelnen Spender viel häufiger praktiziert werden kann. So kann ein erwachsener Mensch unproblematisch bis zu 37-mal im Jahr Plasma spenden. Die Blutspende ist nur etwa einmal im Vierteljahr möglich. Blutplasmaspenden: ein wertvolles, streng kontrolliertes Gut Das wertvolle Spenderplasma wird geprüft, und es wird gewährleistet, dass dieses unbedenklich beim Patienten angewendet werden kann. Dazu dienen strenge Überwachungsmaßnahmen der verarbeitenden Firmen und von staatlichen Aufsichtsbehörden. Das engmaschige Netz aus Maßnahmen beginnt bei der sorgfältigen Auswahl ausschließlich gesunder Spender. Die Spenden werden dann auf gefährliche Krankheitserreger hin untersucht. Nur wenn alle diese Maßnahmen Unbedenklichkeit signalisieren, wird die Spende verwendet. Einzelspenden fließen in große Chargen, aus denen die Immunglobuline gewonnen werden Sicheres Spenderplasma wird zu Plasmapools vereinigt, zu denen mehrere tausend verschiedene Einzelspenden pro Charge beitragen. Die hohe Zahl von Spendern ist von großer Bedeutung, da für eine gute Wirksamkeit der Immunglobuline ein möglichst breites Spektrum unterschiedlicher Immunglobuline im Pool enthalten sein muss. Aus den Plasmapools werden nun die Immunglobuline isoliert. Durch verschiedene Reinigungsschritte entsteht am Ende das hochreine Immunglobulin-G-Konzentrat. Auch während der Reinigung erfolgen nochmals Maßnahmen, um möglicherweise vorhandene Krankheitserreger, die trotz der Kontrollen in die Charge gelangt sind, zu zerstören oder zu entfernen. Genaue Überprüfungen des Herstellverfahrens stellen dies sicher. Das hochreine Immunglobulin-G-Konzentrat wird abgefüllt und in den Handel gebracht. 18 | 19 9.Glossar Aktive Immunisierung: Immunisierung, die aus einem direkten Kontakt mit einem Antigen resultiert. Eine Form der aktiven Immunisierung ist die Schutzimpfung, wobei hier abgeschwächte oder abgetötete Krankheitserreger geimpft werden. Antigene: Körperfremde Moleküle, die eine Immunreaktion bewirken und gegen die vom Immunsystem Antikörper gebildet werden. Auch körpereigene Moleküle können Antigene sein, wenn sie fälschlich vom Immunsystem als fremd erkannt werden und eine Antikörperbildung erfolgt (Autoimmunerkrankung). Antikörper: Andere Bezeichnung für Immunglobuline. Vom Immunsystem gebildete Eiweiße, die sich spezifisch gegen Antigene richten. Antikörper werden von speziellen weißen Blutkörperchen, den B-Lymphozyten, gebildet. B-Lymphozyten (oder B-Zellen): Untergruppe der weißen Blutkörperchen und Abwehrzellen des spezifischen Immunsystems, die auf ihrer Oberfläche Immunglobuline tragen. B-Lymphozyten können sich nach einem Kontakt mit einem Antigen zu Antikörper bildenden Plasmazellen entwickeln. Andere B-Lymphozyten wandeln sich zu Gedächtniszellen um, d. h. sie sind nach einem Erstkontakt mit einem Antigen an der Steuerung der Immunantwort beteiligt. Es kann dann bei einem weiteren Kontakt eine rasche Antikörperbildung erfolgen. Granulozyten: Häufigste Untergruppe der weißen Blutkörperchen. Granulozyten sind beweglich. Sie können als Angriffszellen des Immunsystems Krankheitserreger in sich aufnehmen und vernichten. Unterschieden werden die neutrophilen, eosinophilen und basophilen Granulozyten. Neutrophile Granulozyten sind am häufigsten; sie zählen zu den wichtigsten Abwehrzellen gegen Infektionen. Hypogammaglobulinämie: Verminderte Fähigkeit zur Herstellung von Immunglobulin G. Führt zu gesteigerter Anfälligkeit für Infektionen. Immundefizienz: Abwehrschwäche; Zustand der unzureichenden Funktion eines oder mehrerer Teile des Immunsystems. Immunglobuline: Andere Bezeichnung für Antikörper. Vom Immunsystem gebildete Eiweiße, die sich spezifisch gegen körperfremde Antigene richten. Immunglobuline werden von speziellen weißen Blut- körperchen, den B-Lymphozyten, gebildet. Sie kommen auf der Oberfläche von B-Lymphozyten oder gelöst im Blutplasma vor. Immunreaktion: Zusammenwirken von Komponenten des Immunsystems als Antwort auf ein eingedrungenes Antigen. Immunsuppression: Abschwächung oder Unterdrückung der Immunreaktionen. Unerwünschte Begleiterscheinung etwa von Krebstherapien (z. B. einer Chemo- oder Strahlentherapie). Medizinisch genutzt, um entgleiste, überschießende Immunreaktionen zu bremsen (wie Autoimmunerkrankungen) oder um eine Transplantatabstoßung nach einer Gewebetransplantation zu vermeiden. Immunsystem: Körpereigenes System aus Zellen, Geweben und Organen. Eine Hauptfunktion ist die Abwehr von Antigenen aus der Umwelt und deren Entfernung aus dem Organismus. Auch entartete Körperzellen werden vom Immunsystem erkannt und eliminiert. Unterschieden werden das unspezifische und das spezifische Immunsystem. Zum Immunsystem zählt auch das Knochenmark, in dem alle Blutzellen gebildet werden. Impfung: Gabe von abgeschwächten bzw. abgetöteten Krankheitserregern oder von Antikörpern mit dem Zweck eine Immunreaktion zu erzeugen und somit einer Infektionserkrankung vorzubeugen. Infusion: Langsame Gabe von Flüssigkeit (Lösungen) in den Körper z. B. durch eine Vene. Die Dauer einer Infusion kann von 15 Minuten bis mehrere Stunden betragen. Injektion: Einspritzen von Flüssigkeit in den Körper. Unterschieden wird die Gabe in eine Vene (intravenös), unter die Haut (subkutan) oder in einen Muskel (intramuskulär). Intravenös (i.v.): In die Vene; meist zur Gabe eines Medikamentes in eine Vene als Injektion oder Infusion. Killerzellen: Untergruppe der T-Lymphozyten, die ohne vorherigen Kontakt zu einem Antigen z. B. körperfremde Zellen attackieren und auflösen können. Leukozyten: Weiße Blutzellen oder Blutkörperchen, die in Untergruppen unterteilt werden. Unterschieden werden (B- und T-) Lymphozyten, Granulozyten und Makrophagen. 20 | 21 Lymphozyten: Untergruppe der weißen Blutkörperchen, die bei der Abwehr von Krankheitserregern wichtige Funktionen übernehmen. Nach dem Ort ihrer Bildung im Körper und nach ihren unterschiedlichen Funktionen unterscheidet man B- und T-Lymphozyten. Makrophagen: Untergruppe der weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Als „Fresszellen“ bezeichnet, da sie von Antikörpern markierte Krankheitserreger in sich aufnehmen („phagozytieren“). Passive Immunisierung: Direkte Gabe von Antikörpern zur Unterstützung einer Immunantwort. Plasma: Zellfreie Blutflüssigkeit. Besteht zu ca. 90 % aus Wasser. Im Plasma gelöst sind Eiweiße wie die Immunglobuline, aber auch u. a. (Transport-) Eiweiße, Zucker, Harnstoff und Gerinnungsstoffe. Primäres Immunmangelsyndrom: Angeborener Immundefekt, der mit einer erhöhten Rate an Infektionen einhergeht. Die Störung kann meistens mit Immunglobulinen aus dem Plasma gesunder Menschen behandelt werden. Serum: Blutplasma ohne Gerinnungsfaktoren. Substitution: Ersatztherapie mit einem Stoff, der vom Körper nicht oder nicht ausreichend produziert werden kann. Transplantation: Übertragung von Geweben oder Organen von einem Spender auf einen Empfänger. Subkutan (s.c.): „Unter die Haut“. Subkutan verabreichte Medikamente werden in das Unterhautgewebe gespritzt. T-Lymphozyten: Untergruppe der weißen Blutkörperchen. T-Lymphozyten sind für die zelluläre Immunabwehr verantwortlich. Andere T-Lymphozyten regulieren die Abwehrmaßnahmen gegen Krankheitserreger. Viren: Mikroorganismen ohne eigenen Stoffwechsel, die für ihre Vermehrung in lebende Zellen eindringen müssen. 10. Weiterführende Informationen Institute und Behörden Paul-Ehrlich-Institut Informationen für Patienten und Verbraucher zu Arzneimitteln und Forschung www.pei.de/cln_108/nn_154420/DE/infos/patienten/patienten-node.html?__nnn=true Robert-Koch-Institut Informationen zum Thema „Impfen“ www.rki.de/cln_011/nn_389374/DE/Content/Infekt/Impfen/impfen Selbsthilfegruppen und -vereine d s a i / Deutsche Selbsthilfe Angeborene Immundefekte e. V. Hochschatzen 5 83530 Schnaitsee Tel: 0 80 74 / 81 64 Fax: 0 80 74 / 97 34 E-Mail: [email protected] www.dsai.de Atemwegsliga Prophylaxe und Therapie von Atemwegserkrankungen www.atemwegsliga.de IMMI Interessengemeinschaft Menschen mit Immundefekten e. V. in Berlin www.immundefekte.de Impressum Copyright: CSL Behring GmbH 22 | 23 319087 (3) März 09 Deutschland CSL Behring GmbH Philipp-Reis-Straße 2 65795 Hattersheim Telefon +49 69 305 84437 Fax +49 69 305 17129 www.cslbehring.de Schweiz CSL Behring AG Wankdorfstrasse 10 3000 Bern 22 Telefon +41 31 344 2268 Fax +41 31 344 2600 www.cslbehring.ch Österreich CSL Behring GmbH Altmannsdorfer Straße 104 1121 Wien Telefon +43 1 80101 2464 Fax +43 1 80101 2810 www.cslbehring.at