Herbert Grubmayr Der Wiederaufbau politischer Strukturen in Albanien als Beispiel für Krisenmanagement Albanien war in den letzten Jahren ja keineswegs die einzige Krise, von welcher unser Kontinent betroffen worden ist. Aber es wurden Stimmen laut, auch gewichtige, welche die Frage aufgeworfen haben, ob die bei diesem Fall angewandten Mechanismen nicht als eine Art von Paradigma für zukünftige Krisenbewältigungen angewendet werden könnten. Darauf soll im folgenden auch eingegangen werden. Warum es zum Eingreifen Europas in Albanien gekommen ist, kann als bekannt vorausgesetzt werden: Zu Beginn des Jahres 1997 begannen in dem Land Risse in der dünnen jung- oder frühkapitalistischen Übertünchung aufzutreten. Überspitzte Zinsversprechen von Investmentgesellschaften konnten nicht mehr eingehalten werden, in einigen Fällen machten sich die “Investoren” unter Mitnahme bedeutender Summen davon, in anderen fielen diese Kartenhäuser, welche ihren Einlegern zweistellige Renditen pro Monat versprochen hatten, einfach in sich zusammen. Andere Pyramidengesellschaften blieben bestehen, stellten aber die Zahlungen zumindest vorübergehend ein. Das sogenannte “Pyramidenspiel” kam damit zu einem abrupten und bitteren Ende. Die geschädigten Bevölkerungsschichten - die Hauptstadt und der Süden des Landes waren relativ mehr betroffen als der Norden - machten nicht nur die Gesellschaften, sondern auch die damalige Regierung und vor allem den Staatspräsidenten Sali Berisha für das Debakel verantwortlich. Die internationalen Protagonisten der Solidarität Es gab hier sehr unterschiedliche Akzente in den diversen Stadien der Entwicklung. Im Februar/März des Jahres 1997 waren die EU, der Europarat (ER) und die OSZE in ungefähr gleichem Maße engagiert. Hierbei darf man nicht die maßgebliche Rolle Italiens als hauptbetroffener Einzelstaat, aber auch nicht die beträchtliche, wenn auch nach außen nicht so stark in Erscheinung tretende Einflußnahme der USA vergessen. Der maßgeschneiderte militärische Arm Als vierte Komponente der internationalen Struktur für das Krisenmanagement in Albanien bildete sich neben den erwähnten Organisationen – EU, OSZE, ER – eine Gruppierung interessierter Staaten heraus, für welche die Bezeichnung “Coalition of the Willing” kreiert wurde. Wesentlich für das Entstehen dieser Mächtekoalition war die sich allmählich Bahn brechende Einsicht, daß die NATO als Organisation wegen der Zurückhaltung einiger ihrer bedeutendsten Mitglieder in der Albanienkrise nicht direkt aktiv werden würde. Die so entstandene Allianz von anfänglich acht Staaten – Italien, Frankreich, Türkei, Griechenland, Rumänien, Spanien, Österreich, Dänemark (später stießen noch Slowenien und Portugal dazu) – schuf sich ad hoc einen militärischen Arm als Assistenzkörper für die Krisenbewältigung. Es sei darauf hingewiesen, daß es sich hier nicht nur um NATO-Mitgliedsstaaten, sondern auch um andere Länder handelte, die allerdings alle in der Partnership for Peace mitarbeiten. Diese Streitmacht erhielt die Bezeichnung “Multinational Protection Force” (MPF). Sie wurde nach Indorsierung durch die internationalen Gremien, welche mit Beschluß 160 des Ständigen Rates der OSZE vom 27.3.1997 und durch die Sicherheitsratresolution 1101 vom 28.3.1997 erfolgte, ab Mitte April nach und nach in gewissen Teilen des Landes, vor allem entlang der Küste, stationiert, wobei vom Anbeginn ein sehr knappes Zeitlimit (drei Monate) fixiert wurde. Da der Abzug der Truppen bei Einhaltung dieser Frist genau am Tag vor dem Wahltermin (29.6.1997) erfolgt wäre, verlängerte man die Frist um weitere 45 Tage. Aber bis 10.8. wurde die MPF vollkommen abgezogen; es mag als Beweis für die durch die Wahlen und die begleitende innenpolitische Kooperation seitens der internationalen Staatengemeinschaft erreichte Stabilisierung gelten, daß die bewaffneten Auseinandersetzungen, die Anarchie und die Unruhen nach diesem Zeitpunkt nicht wieder im vorhergegangenen Ausmaß aufflammten. Kommandant der MPF wurde ein italienischer General, dem drei Stellvertreter beigegeben wurden: ein Franzose, ein Türke und ein Grieche. Diese Struktur entsprach einerseits der relativen Stärke der einzelnen Kontingente, brachte aber andererseits auch machtpolitische Aspirationen und militärisch-politisches Konkurrenzdenken zum Ausdruck. Bei dem einen oder anderen Truppensteller stand offensichtlich auch der Wunsch Pate, durch die Teilnahme an der Expedition NATO-Reife zu signalisieren. Das Führungsgremium der Coalition of the Willing, der sogenannte “Lenkungsausschuß”, etablierte sich am 4.4. in Rom und hielt dort bis Mitte August in der Regel einmal wöchentlich Sitzungen ab. – Es handelte sich trotz der Rückendeckung durch internationale Organisationen um ein Gebilde sui generis, welches mit einer eigenen “lead nation” Italien- und mit einem Befehlsgremium ausgestattet war, das außerhalb des Bereichs vorhandener Sicherheitsstrukturen agierte. Das Ersuchen Albaniens Die Stationierung von Militär wurde dem Land nicht auferlegt, sondern erfolgte auf Ersuchen des albanischen Präsidenten und des Regierungschefs mittels zweier gleichlautender Schreiben vom 13.3., welche - und dies ist vielleicht ein interessantes Detail – zu Handen des EU-Ratspräsidenten an die WEU adressiert wurden. Darin wird eine credible military presence für die Konsolidierung der Lage als erforderlich erklärt. Damit hatten alle in der Regierung der Nationalen Versöhnung vereinten Parteien die Einladung mitgetragen. Das albanische Parlament hat die Präsenz der ausländischen Streitkräfte durch ein am 30.3. 1997 angenommenes Gesetz für die Akzeptanz einer multinationalen Streitmacht für die Unterstützung der humanitären Operationen legalisiert. Die OSZE-Präsenz Wie kam es zur Bildung der Präsenz? Hier muß man kurz auf die Terminologie eingehen. Normalerweise werden die Außenvertretungen der OSZE als “Missionen” bezeichnet, wenn auch daneben eine Reihe anderer Bezeichnungen existieren, die meist damit zu tun haben, daß in den Ohren des jeweiligen Empfangsstaates das Wort “Mission” als zu widerwärtig und krisenbehaftet klingt oder als Ausdruck von Vormundschaft empfunden wird. Genau dies war aber auch bei einem Teil des politischen Spektrums in Albanien, vor allem auf der rechten Seite, der Fall. An der Wiege der OSZE-Präsenz in Tirana stand die Ernennung eines persönlichen Vertreters des Amtierenden Vorsitzenden der OSZE für Albanien. Hierzu wurde am 4.3. der frühere österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky bestellt. Dieser brach am 8.3. zu seiner ersten Albanienmission auf. Am 3.4. wurde bei einem Treffen zwischen Vranitzky und dem EU-Ratspräsidenten van Mierlo beschlossen, daß ersterer einen residierenden Vertreter in Tirana erhalten sollte, der gleichzeitig an der Spitze der OSZE-Präsenz stehen würde. Am 11.4. d. J. wurde ich für diese Funktion bestimmt. Die internationale Koordination und Interaktion in Albanien Ein effizientes und ausgewogenes Zusammenwirken ist für das Gelingen einer Konfliktverhütung bzw. eines Krisenmanagements von ausschlaggebender Bedeutung. Diese Problematik begleitete mich durch die gesamte Zeit meiner Tätigkeit in Albanien. Schon die OSZE-Entscheidungen 158 und 160 vom März 1997 hatten von einer Koordination und von einem “coordinating framework” gesprochen, die die OSZE-Präsenz für andere internationale Organisationen (IO) in Albanien wahrnehmen sollte. Das in der OSZE seit einigen Jahren diskutierte Modell der “Plattform für kooperative Sicherheit”, das eine institutionalisierte Grundlage für die Koordination des Krisenmanagements zwischen den einschlägigen IO bilden soll, war damals und ist bis heute noch nicht mit dem Inhalt ausgestattet, der in solch kritischen Situationen eine raschere Übereinstimmung und eine größere Nachhaltigkeit bei der Krisenbewältigung bewirken würde. Aber andererseits dürften die an Hand des Falles Albanien gewonnenen Erfahrungen dazu beitragen, die weitere Entwicklung in dieser Hinsicht zu beschleunigen, wenn auch die Eifersüchteleien und das Konkurrenzdenken innerhalb gewisser eingefahrener Institutionshierarchien noch immer ein nicht zu unterschätzendes retardierendes Element bilden. Die albanischen demokratiepolitischen Befindlichkeiten und das Wagnis des Urnenganges Bisher war im wesentlichen vom Verhältnis der “Krisenmanager” untereinander die Rede. Aber diese Analyse schien mir wichtig, um die Ausformung neuer Befindlichkeiten auf dem Sektor des internationalen Krisenmanagements darzulegen. Nun komme ich zu dem “Patienten”, wobei ich auf die schon eingangs skizzierte Anamnese verweise. Die bisherigen Oppositionsparteien Albaniens, von denen die größte, die Sozialistische Partei (SP), das aus den Wahlen vom Mai 1996 hervorgegangene Parlament boykottiert hatte, einigten sich mit der Demokratische Partei (DP), die bis dahin faktisch allein die Regierungsmacht ausübte, in einem Abkommen vom 9.3. auf die Bildung einer Regierung der Nationalen Versöhnung und die Abhaltung von Parlamentswahlen bis Ende Juni des Jahres. Am Zustandekommen dieser Vereinbarung zwischen bisher unversöhnlichen Gegnern waren sehr wesentlich italienische Regierungsmitglieder und OSZE-Vermittler Vranitzky beteiligt. Es wurde sehr rasch klar, daß es ohne diesen Wahlgang keine politische Stabilität im Lande geben würde und letztere wiederum eine unabdingbare Voraussetzung für die wirtschaftliche und soziale Sanierung darstellte. Bevor man nicht wußte, wie das Stärkeverhältnis der politischen Kräfte im Land tatsächlich beschaffen war, schien jede andere Initiative zwecklos. Aufbau der demokratiepolitischen Initiativen und Wahlassistenz als Prüfstein des Krisenmanagements Die Zeit von Mitte April bis in die erste Hälfte Juni war für die OSZE/ODIHR-Mannschaft (ODIHR = Office for Democratic Institutions and Human Rights, eine Teilorganisation der OSZE mit Sitz in Warschau) hauptsächlich damit ausgefüllt, die politischen Kräfte zu einer Einigung über das anzuwendende Wahlgesetz zu bewegen. Es erhob sich die Frage, wie die internationale Gemeinschaft die Krisenbewältigung vornehmen sollte, welche Modelle zur Anwendung kommen sollten, um eine innere Stabiliserung herbeizuführen. Von 1992 bis zu den Ereignissen des Frühjahres 1997 hatte die Demokratische Partei des Staatspräsidenten Berisha weitgehend alle Bereiche des öffentlichen Lebens beherrscht. Nun war das Image des Präsidenten und seiner Partei schwer angeschlagen. Wie schon erwähnt, wurde das Pyramidendebakel - zu Recht oder Unrecht dem Staat und der diesen beherrschenden Partei zur Last gelegt. Es galt nun, nach Möglichkeit ein echtes Vielparteiensystem aufzubauen, welches mit den damit angebotenen Wahlmöglichkeiten das Vertrauen des Bürgers gewinnt, um auf diese Weise einen friedlichen und dauerhaften Übergang zu stabilen politischen Strukturen zu sichern. Als zweite “Gross”partei neben der DP bot sich hier die SP mit ihrem Führer Fathos Nano an. Daneben aber wurden auch eine Reihe von Kleinparteien in die neue Regierung mit einbezogen bzw. begannen ehrgeizige Politiker, ihren Anspruch auf einen Platz im Konzert der politischen Meinungsbildung durch Schaffung eigener Parteistrukturen anzumelden. Das Problem der kleinen Parteien. Die Herausbildung eines größeren Spektrums in der politischen Willensbildung stellte das demokratische Gefüge auf eine breitere Basis und fand daher auch die Förderung und Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Andererseits komplizierte dieser Umstand in der Praxis der albanischen Tagespolitik die Aufgabe der internationalen Vertreter in sehr erheblicher Weise. Dies zeigte sich vor allem bei der Schaffung eines Konsenus hinsichtlich der widersprüchlichen Wünsche zur Änderungen des existierenden Wahlgesetzes, das grundsätzlich ein Mischsystem zwischen Mehrheits- und Verhältniswahlrecht vorsah. Es bildete sich im Dunstkreis dieses lange Zeit hindurch strittigen Themas eine merkwürdige Vielfalt von Koalitionen heraus: alle Kleinparteien waren - zumindest am Beginn geschlossen für eine Herabsetzung des minimalen Stimmenerfordernisses für einen Einzug ins Parlament und generell für eine extreme Betonung der proportionalen Komponente. Andererseits erlaubten es die “ideologischen” Koalitionen zwischen den beiden großen Parteien und einzelnen “Kleinen” den letzteren, ihre Kandidaten auf sichere Direktmandate der koalierenden Großpartei zu setzen, sodaß über diesen Weg der Einzug in die Legislative gesichert wurde. Diese Absprachen sind aber lange Zeit vor den IO geheimgehalten geworden. Manche Parteien ließen uns weiter für “ihre” Sache streiten, hatten aber ihre Schäfchen schon vorher auf die eben beschriebene Weise ins trockene gebracht. Dann gab es noch parallel einhergehend damit eine “Koalition” der SP mit allen kleinen Parteien, einfach weil sie diese von ihrer Zahl her (die Stärke der jeweiligen Anhängerschaft war damals ja noch nicht bekannt) als Mittel der Isolierung Präsident Berishas und als “Stoßkeil” gegen die DP verwenden wollte. Es kam zu der etwas bizarren Situation, daß führende SP-Funktionäre Vertreter der Kleinparteien zu den OSZE-Repräsentanten brachten, damit sie ihre Wünsche zur Änderung des Wahlgesetzes vorbringen konnten. Gleichzeitig war ihnen aber deutlich anzumerken, daß sie sich mit diesen Forderungen nicht identifizieren wollten, weil sie gegen die egoistischen Interessen ihrer eigenen (“Groß”)-Partei verstießen. Hier war bisweilen auch sehr vorsichtiges Taktieren seitens der IO erforderlich, um die Gesprächsbasis mit allen politischen Kräften aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die eigenen strategischen Vorgaben nicht außer acht zu lassen. Diesen etwas komplizierten Konstellationen mußte sich die OSZE in flexibler Weise stellen und gleichzeitig ihr Ziel durchsetzen, das in der Erreichung einer vom demokratischen Standpunkt wünschenswerten Parteienvielfalt bestand. Die SP wandte sich dann im letzten Augenblick gegen die im modifizierten Wahlgesetz auf Initiative der IO und auch mit Zustimmung der DP durchgebrachte relative Bevorzugung bei der Berechnung der Stimmen der Kleinparteien und brachte eine Beschwerde beim Verfassungsgericht wegen Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetz ein. Dieser Beschwerde wurde stattgegeben, und es gab dann plötzlich im letzten Augenblick vor der Wahl ein Wahlgesetz, wo für die Sitzverteilung in der Volksvertretung entscheidende Abschnitte vom Gericht (“Richterrecht”) neugefaßt worden waren, und zwar im Sinne einer ausgewogeneren Zählung der Parteistimmen, was wiederum eine Schmälerung der den Kleinparteien im Wahlgesetz eingeräumten “Stimmenprivilegien” bedeutete. Trotz wütender Proteste gewisser Parteien hielt die Bestimmung in der Praxis und wurde schließlich doch nicht, wie angedroht, zum Anlaß eines Wahlboykotts bzw. der Nichtanerkennung des Wahlergebnisses ausgenützt. Dazu half aber auch der Umstand, daß die Wahlergebnisse für die meisten Kleinparteien so bescheiden ausfielen, daß sie auch mit dem ursprünglich im Parlament angenommenen Wahlgesetz nur unwesentlich besser abgeschnitten hätten. Die Neugestaltung des politischen Spektrums durch den “Politischen Kontrakt” Um die Lage auf dem Parteiensektor zu stabilisieren und die Politiker an das Ergebnis der Parlamentswahl zu binden, wurde von seiten des OSZE - Beauftragten Vranitzky das Konzept eines Politischen Kontraktes vorgestellt, der die Grundlage für eine friedliche Koexistenz auf dem Gebiet der parteipolitischen Strukturen bilden sollte. Nach zähen Verhandlungen gelang es, die Parteiführer zur Unterzeichnung dieses Dokuments zu veranlassen, in dem sie sich die Respektierung eines demokratie- und wahlpolitischen Minimalkonsenses zusicherten. Vranitzky bzw. die OSZE waren ihrerseits nicht Mitunterzeichner dieses Dokuments. Es war ein Versuch, ein selbsttragendes Instrument gegenseitiger Toleranz zu schaffen, wobei die internationale Gemeinschaft nur mehr als ehrlicher Makler und moralische Instanz, nicht aber als juristischer Vertragspartner in Erscheinung tritt. Das Gelingen dieser Strategie stellte eine entscheidende Etappe zu der - relativen Stabilisierung in der Nachwahlperiode dar. Das solcherart gestärkte demokratische System gestattete auch die Profilierung von politischen Exponenten kleinerer Gruppen, die sonst nie eine Chance gehabt hätten, eine aktive Rolle im politischen Geschehen des Landes zu spielen. Gleichzeitig einigte man sich auf die Auflösung der außerparlamentarischen Gebilde (sie firmierten zumeist unter dem Titel von “Komitees des öffentlichen Heils”), welche sich im Gefolge der Unruhen im Februar/März 1997 vor allem in den südlichen Landesteilen mehr oder minder spontan geformt hatten und denen von der rechten Seite des Parteienspektrums sowohl Kontakte zu den Linksparteien als auch zu kriminellen Kreisen nachgesagt wurde. Wenn auch später das neugebildete System nicht voll den Aufgabenstellungen entsprach und bis heute erhebliche Demokratiedefizite bestehen, weil die Formierung einer zivilen Gesellschaft Zeit erfordert, so wurde doch durch die Intervention der Staatengemeinschaft 1997 der Grundstein für eine Neuentwicklung gelegt, der eine ausweglos erscheinende Situation überwinden half. Die Assistenz von außen machte es möglich, eine neue Regierung auf Grund eines international anerkannten Wahlergebnisses zu bilden, welche aus einer Koalition einer der beiden “Groß”parteien - der SP - mit einigen kleinen Parteien bestand. Ebenso wurde damit ein neuer und hoffnungsvollerer Ansatz für die sich seit Jahren hinschleppende Verfassungsdiskussion gelegt. Der Vorsitzende einer der kleinen Parteien, der Republikanischen Partei, Godo, hat als KoVorsitzender des Verfassungsausschusses des Parlaments stark an Profil gewonnen, obwohl er der einzige Vertreter seiner Partei im Parlament ist. Er betrachtet sich als “loyale Opposition”, im Unterschied zur DP, welche nach anfänglichem Mitgehen in periodischen Abständen immer wieder die Parlamentsarbeit - wenn manchmal auch nur selektiv - boykottiert. Hierin kann man an Hand eines konkreten Einzelfalls die positive Wirkung dieser Neuordnung in der Wahlordnung erkennen: ohne die Schutzklauseln für die Kleinparteien im Wahlgesetz wäre Godo nie Abgeordneter geworden. Entscheidend war hierfür insbesondere die unter tatkräftiger Mitwirkung der OSZE zustande gekommene Herabsetzung der Eintrittsschwelle in das Parlament von 4% auf 2% der Gesamtstimmenzahl. Die mit Hilfe der IO geschaffene Parteienvielfalt hat hier ein konkretes positives Element entstehen lassen. Der Umstand, daß der gesellschaftspolitisch sehr heikle Verfassungsausschuß einen profilierten Mann von außerhalb der Regierungsmannschaft mit an der Spitze hat, trägt in hohem Masse dazu bei, eine überparteiliche Atmosphäre für dieses wichtige Gremium zu gewährleisten. Wenn auch der Entwurf des neuen Grundgesetzes jetzt wieder zum Zankapfel der beiden großen politischen Kräfte des Landes geworden ist, hat die eingechlagene Entwicklung sehr erheblich zu einer Stärkung der gesellschaftlichen Bewußtseinsbildung in diesem mit demokratischer Erbsubstanz nicht gerade gesegneten Lande geführt. Möglicherweise werden sich bei dem in Aussicht genommenen Verfassungsreferendum in nicht zu ferner Zukunft neue Weichenstellungen hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse in der albanischen Wählerschaft erkennen lassen. Jedenfalls hat die Diversifizierung der Parteienlandschaft den Kampf um die Macht und die Diskussion über den Grundkonsens zwischen den politischen Kräften auf eine neue, den Prinzipien der zivilen Gesellschaft angenäherte Grundlage gestellt, wenn es auch immer wieder Rückfälle in die Blutracheordnung des traditionellen Kanuns gibt und die seit der Bildung der neuen Regierung vorgenommenen personellen Auswechslungen in der öffentlichen Verwaltung nach Ansicht ausländischer Beobachter das zuträgliche Ausmaß erheblich überschritten haben. Das obige Resultat war aber nicht einfach zu erzielen. Es erforderte mehrere Besuche von Vranitzky, Interventionen der interessierten Länder, fast tägliche Konferenzen des OSZEMissionschefs mit Staatspräsident und Regierungschef und den pausenlosen Einsatz von Wahlgesetz-Spezialisten, die vor allem von ODIHR bereitgestellt wurden, um eine annähernde Einigung über die Wahlabwicklung zu erzielen. Zusammenfassend ist zu bemerken, daß bei Albanien die Hauptschwierigkeit nicht wie in Bosnien darin bestand, daß es keine einheitliche Regierung gab und man den Wahlvorgang von außen in die Wege leiten und durchführen mußte; sie lag eher in dem Umstand begründet, daß die Regierungsparteien in dieser Frage heillos zerstritten waren und man den Eindruck gewann, eigentlich wollten viele der Parteien - oder vielleicht auch alle - lieber gar keine Wahlen als einen vom eigenen Standpunkt aus abträglichen Kompromiß über das Wahlgesetz. Auch schien es wochenlang, daß die Regierung sich einfach zurücklehnte und die Abwicklung des Wahlvorganges den damit befaßten internationalen Organisationen möglichst allein überlassen wollte. Gepaart war diese Haltung mit Drohungen verschiedenere Parteiführer, daß sie das Ergebnis des Urnenganges nicht anerkennen würden. Vranitzky gelang es zwar, die Parteien am 9. Mai zur Unterzeichnung des bereits weiter oben behandelten “Politischen Kontraktes” zu bewegen, der u.a. einen Konsens über den Wahlmodus und eine Verpflichtung enthielt, den von einem noch zu bestellenden internationalen Koordinator verfaßten Bericht über den Wahlvorgang nicht anzufechten (“not to contest”). Aber die oben geschilderte Unsicherheit hinsichtlich der Anerkennung des Wahlprozesses durch das gesamte politische Spektrum wurde trotzdem erst nach dem Abschluß der ersten beiden Nachwahlrunden, die sich bis in die 2. Julihälfte hinzogen, beseitigt; wobei eben die Demokratische Partei immer wieder Anläufe unternahm, Gründe für einen Boykott des Parlaments oder eine Zurückziehung ihrer anfänglichen Annahme des Wahlergebnisses zu finden (oder zu konstruieren)… Warum drängten wir so sehr auf eine termingerechte Durchführung der Wahl? Weil es immer offensichtlicher wurde, daß ohne den Wahlgang die Situation im Land wieder vollends außer Kontrolle geraten könnte und man bei einer solchen Eventualität mit neuen bewaffneten Ausschreitungen hätte rechnen müssen. So wurde die Wahldurchführung vorerst zum wesentlichsten Punkt des Krisenmanagements, der alle anderen Aspekte wie den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die Bemühungen um die Überwindung der nicht direkt mit dem Urnengang verbundenen demokratischen und menschenrechtlichen Defizite vorerst in den Hintergrund treten ließ. Um einen nachhaltigen Durchbruch im Kapitel “Wahl” zu erzielen, mußten massive Druckmittel eingesetzt werden: dazu gehörten die Androhung eines Abzugs der MPF und der Verweigerung jeglicher finanzieller Hilfe seitens der Geberororganisationen im Falle eines absichtlichen Scheiternlassens der Wahl. Wahlbeobachtung und MPF Hier muß nochmals auf die Tätigkeit der Multinationalen Streitkräfte Bezug genommen werden. Kurz und klar gesagt: ohne MPF hätten die Wahlen in Albanien zum damaligen Zeitpunkt unter internationaler Aufsicht nicht stattfinden können. In einem beträchtlichen Teil des Landes wäre es unmöglich gewesen, ohne sie die Sicherheit der ausländischen Wahlhelfer und Wahlbeobachter zu gewährleisten. In vielen Orten hätten in einem solchen Fall auch die einheimischen Wahlfunktionäre aus Angst um ihr Leben jegliche Beteiligung an der Wahldurchführung abgelehnt. Ebenso sind durchaus zu befürchtende Übergriffe auf das Wahlmaterial infolge der Präsenz der ausländischen Soldaten hintangehalten worden. Aber trotz der militärischen Bedeckung traten dann doch noch vereinzelt Probleme in dieser Hinsicht auf. Diese Brisanz der Situation wurde uns schon bald nach Ankunft in Tirana bewußt. Doch anfänglich lehnte das militärische Kommando eine Zuständigkeit für die Wahlunterstützung bzw. -beobachtung ab, weil vorerst keine Einigkeit unter den Truppenstellern herrschte, ob dies mit dem Wortlaut der Sicherheitsrats-Resolution 1101 vereinbar sei. An sich waren die Truppen kaum mit konkreten Aufgaben beschäftigt. Humanitäre Transporte waren nur in geringem Maße zu beschützen, weil die albanischen Stellen eher Bargeld als Sachgüter wünschten und daher relativ wenige Güter zur Verteilung gelangten; andererseits weigerte sich das Rote Kreuz, welches noch am meisten solcher Lieferungen durchführte, gemäß seiner Tradition militärische Bedeckung in Anspruch zu nehmen. Der Schutz des OSZEHauptquartiers beanspruchte nur einen Bruchteil der militärischen Kräfte. Abgesehen von der vor allem für Italien wichtigen Bewachung der Küste zwecks Unterbindung der Flüchtlingsströme patrouillierten manche MPF-Kontingente die Überlandstraßen in Küstennähe als eine Art von terrestrischer “fleet in being”, wobei anerkannt werden muß, daß dies beträchtlich zur Verminderung der Bandentätigkeit in diesen Regionen beitrug. Aber große Teile des Landes waren aus militärtaktischen Gründen und auch auf Grund der relativ geringen Truppenstärke, welche nie die 10000-Mann Grenze erreichte, überhaupt nicht in das Operationsgebiet der MPF einbezogen worden, darunter viele der notorisch unsicheren Gebiete, wobei Gefahr zum Teil von politisch-extremistischen Gruppen, zum anderen wegen der Aktivität krimineller Banden drohte. Es gab da auch ein nie offen ausgesprochenes, aber im Hintergrund um so stärker beachtetes Gebot für die Militärs, welches am besten mit dem Schlagwort “no bodybags!” (= "keine Särge") umschrieben werden kann. Die meisten Truppensteller erachteten Menschenverluste bei Unruhen in Albanien als innenpolitisch höchst unpopulär und hatten entsprechende Anweisungen an ihre Kontingente erteilt. So hatte man seitens des Militärs schon vom Anfang an jegliche Mitwirkung bei der Eindämmung der Bandentätigkeit oder beim Einsammeln der zahlreichen, im Februar/März 1997 aus Militärbeständen geplünderten Waffen strikt abgelehnt. Das gleiche galt für die Bewachung der Armeedepots. Es bedurfte längerer, zäher Verhandlungen, bei denen sowohl Vranitzky als auch die OSZE-Mission vor Ort und der Direktor des ODIHR intensiv eingeschaltet waren, um hinsichtlich eines Einsatzes der Schutztruppe bei der Vorbereitung der Wahl und zum Schutz der Wahlbeobachter eine Neuinterpretation des Sicherheitsrats-Mandats zu erwirken. Diese wurde erst am 10.6., also kaum mehr als zwei Wochen vor der Wahl, vom Leitungsausschuß in Rom beschlossen. Hierbei kam es auf unseren nachdrücklichen Wunsch auch zu einer für den Wahlvorgang unbedingt notwendigen Aufstockung der Truppenzahl und zu der damit möglichen räumlichen Ausdehnung des militärischen Aufmarschgebietes. Damit konnten wir beobachtungsmäßig ca. 70% des Wählerpotentials abdecken, eine wichtige Voraussetzung für die Evaluierung der Sauberkeit der Wahlabwicklung, die von dem Sonderkoordinator als “adäquat und akzeptabel” erklärt wurde. Vielleicht noch wichtiger war der psychologische Einfluß der Stationierung der MPF: Viele Mitglieder der lokalen Wahlkommissionen hätten ihre Funktionen gar nicht übernommen, wenn die Präsenz der Streitkräfte und damit auch der ausländischen Wahlhelfer und -beobachter ihnen nicht die Zuversicht gegeben hätte, daß sich die Erfüllung ihrer demokratischen und staatsbürgerlichen Pflichten nicht zu ihrem persönlichen Nachteil und Schaden auswirken würde. Wertung der Wahldurchführung In dem "Politischen Kontrakt" vom 9. Mai einigten sich die politischen Parteien, wie schon erwähnt, darauf, die internationale Gemeinschaft zur Bestellung eines Koordinators einzuladen, der “eine politische Persönlichkeit von internationaler Statur” sein sollte und dessen “Endbericht über den Wahlvorgang” sie – wie die etwas kryptische Formulierung lautete, “nicht anfechten würden”. Die genannte Funktion, die in der endgültigen Fassung die Umschreibung “OSZE-Sonderkoordinator für die albanischen Wahlen” erhielt, übte Frau Lalumière, Abgeordnete des Europaparlaments und frühere Generalsekretärin des Europarates zusammen mit dem Leiter der Parlamentarischen Delegation des Europarates, Sir Johnston Russel, und dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Javier Ruperez, als “Troika” aus (auch “Trio” genannt, um eine Verwechslung mit der OSZE-Troika zu vermeiden - man sieht, welche Subtilitäten man selbst in akuten Krisensituationen bisweilen berücksichtigen muß!). Dieser Objektivierungsmodus, der von Vranitzky im Einvernehmen mit den anderen maßgeblichen Akteuren im albanischen Einsatz geschaffen wurde, hat sehr zur Akzeptanz der Wahlen beigetragen. Die Wahldurchführung konnte als ein Sieg der internationalen Solidarität und als ein grundlegender positiver Faktor für die Stabilisierung des Landes verbucht werden, auch wenn die üblicherweise erteilte Zensur “free and fair” mittels der Lalumièreschen Formel “adequate and acceptable given the prevailing circumstances” modifiziert worden ist. Es war auch ein Erfolg gegen die inneren anarcho-destruktiven Kräfte, den das Land ohne die konzertierten Anstrengungen von außen nicht hätte erzielen können. Hier muß gerechterweise eingeräumt werden, daß der durchschnittliche albanische Wähler grundsätzlich positiv zum Urnengang eingestellt war, was vor allem in einer unter den gegebenen Umständen hohen Wahlbeteiligung (73% im ersten Wahlgang) zum Ausdruck kam. Die Entwicklung nach den Wahlen und die langsame Entfaltung der Zivilgesellschaft Die relative Stabilisierung der politischen Situation mit den Wahlen als Kernstück habe ich deswegen mehr im Detail beleuchtet, weil es sich dabei um ein im wesentlichen abgeschlossenes, heute bereits überschaubares Kapitel des Krisenmanagements in Albanien handelt, wenn auch viele Nachwehen aufgetreten sind und noch immer auftreten: periodische Boykottierung des Parlaments durch die nunmehr in Opposition befindliche Demokratische Partei, zeitweise Bestreitung der Legitimität der neuen, sozialistisch geführten Regierungsmannschaft durch die DP bis hin zum politisch motivierten Hungerstreik eines führenden DPPolitikers, der unter dem kommunistischen Regime jahrzehntelang im Gefängnis gesessen hatte. Hier gelang es mittels eines entscheidend von der OSZE mitgestalteten politischen Kompromisses dem schon im Koma liegenden Mann einen annehmbaren Ausweg aus der Hungerstreiksituation zu verschaffen. Bei dieser Gelegenheit zeigte es sich, daß gewisse Protagonisten der politischen Kaste des Landes bei entsprechend engagierter Mitwirkung von außen in kritischen Momenten bereit sind, die in einer Zivilgesellschaft üblichen gesellschaftlichen und parlamentarischen Spielregeln zu beachten. Nach dem Abschluß des Wahlprozesses – die OSZE mußte an insgesamt vier Wahlgängen teilnehmen, einerseits wegen des komplizierten Wahlrechtes, andererseits auf Grund der Organisationsmängel bei den diversen Wahlkommissionen – und der Bildung der neuen Regierung arbeitete die OSZE-Präsenz ein Arbeitskonzept für die demokratische Konsolidierungsphase aus. Es ist hier nicht Platz, um die seit dem Herbst 1997 sich entwickelnde innenpolitische Situation im Lande und den gegenwärtigen Stand der Umsetzung der in Aussicht gestellten ausländischen Hilfe von rund 600 Mio. Dollar im einzelnen zu erörtern. Der wirtschaftliche Wiederaufbau geht bis jetzt eher langsam voran, das Vertrauen der ausländischen Investoren wird durch gewisse Erscheinungen in Verwaltung und Justiz sowie auf dem Gebiet der inneren Sicherheit nicht eben gefördert. Man kritisiert die Regierung für zu heftige Schnitte und Manipulationen auf dem Personalsektor, die nach Meinung der Kritiker u.a. auch die Umsetzung der internationalen Hilfe erschwerten. Andererseits wird auf Regierungsseite das schwierige Erbe des vorigen Regimes geltend gemacht und den ausländischen Geberinstitutionen übermäßige Bürokratie und Schwerfälligkeit bei der Auszahlung der benötigten Summen vorgeworfen. – Die internationale Zusammenarbeit mit Albanien hat zwar die Dramatik der ersten Monate nach Ausbruch der Unruhen verloren, wird aber weiterhin dringend benötigt, wenn auch mehr in geduldiger, diskreter “Feinarbeit” als im Vorjahr, wo Albanien mit dem spektakulären Wettlauf zur Einhaltung des Wahltermins und den Anstrengungen zur Durchsetzung eines akzeptablen Urnenganges im Zentrum des internationalen Medieninteresses stand. Albanien als Beispiel für künftige Konfliktlösungsmodelle? Worin liegt nun der mancherorts gepriesene Modellcharakter der Albanienoperation für zukünftige Konfliktlösungen? Das empirische und pragmatische “Herangehen” und eine höchst elastische Improvisation hat das vordergründige Ziel der Albanienoperation erreicht, nämlich eine innenpolitische Klärung und Stabilisierung mittels Neuwahlen und Bildung einer dem Volkswillen entsprechenden Regierung. Allerdings muß auf Grund der bei der vorliegenden Aktion gewonnenen Erfahrungen hinzugefügt werden, daß der Mangel an effektiver Generalprävention im Umkreis der europäischen Sicherheitsstrukturen - im Sinne des Nichtvorhandenseins einer detailliert ausgeformten Konfliktverhütungsmaschinerie - eine Reihe negativer Erscheinungen mit sich bringt: Reibungsverluste, Kompetenzkonflikte, Geldvergeudung und auch vermeidbare Verluste an Menschenleben und Sachgütern. Ich befinde mich mit solchen kritischen Gedankengängen in guter Gesellschaft: die OSZE beschäftigt sich sehr intensiv mit einem Sicherheitsmodell für das 21. Jahrhundert und hat bei ihrem letzten Außenministertreffen in Kopenhagen im Dezember 1997 “Leitlinien einer Charta für Europäische Sicherheit” ausgearbeitet. Dieses Dokument soll auch das Beziehungsgeflecht zwischen den verschiedenen internationalen Organisationen bei der Aufrechterhaltung der internationalen Sicherheit abklären und eine verbesserte Zusammenarbeit auf diesem schwierigen Terrain herbeiführen. Man kann aber wohl nicht umhin, hierbei auch an den Artikel J.1 des Maastrichter Vertrages und an den neuen (noch nicht in Kraft getretenen) Artikel 11 des Vertrages von Amsterdam über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu denken. In beiden Organisation sind Ansätze zu einem institutionalisierten gemeinsamen Vorgehen beim Krisenmanagement vorhanden. Die Frage der Schaffung eines der zivilen Gesellschaft entsprechenden Parteienspektrums und der Verankerung des Prinzips der “checks and balances” in den Anschauungen der politischen Gesellschaft der in die Krise geratenen Staaten scheint dabei ebenso wichtig wie die wirtschaftliche Unterstützung. Die Erfahrung lehrt, daß letzten Endes nur eine solide durchdemokratisierte, in sich ausgewogene Gesellschaft wirtschaftliche und finanzielle Hilfe optimal verwerten kann. Der Erfolg des Marshall-Planes nach dem Zweiten Weltkrieg im Vergleich zu den Schwierigkeiten, die sich in dieser Hinsicht in vielen Regionen der ehemaligen Sowjetunion auftun, ist ein beredtes Beispiel für die oben entwickelte These. Eine effiziente „Demokratisierungsfeuerwehr“ stellt sich daher als unabdingbarer Eckpfeiler von internationalen Solidaritätsaktionen dar, die in einem Falle wie der hier als Paradigma herangezogenen albanischen Krisensituation Platz zu greifen haben, wenn man nicht Flüchtlingselend, Übergreifen von Konflikten auf Nachbarländer und einen irreparablen Schaden für die geistige Kommunikation und Interdependenz auf unserem Kontinent in Kauf nehmen will. GRUBMAYR Herbert, Botsch.a.D. Dr. 1997 Leiter der OSZE-Misson in Albanien, 1998 Stellvertretender Leiter der Monitor-Mission der Europäischen Gemeinschaft (ECMM) in Sarajevo.