Quantenchaos: Zusammenhang zwischen Spektren und Bahnen Stefan Hagenacker 4. Juni 2010 Abbildung 1: M. Gutzwiller 1 1 Motivation 1.1 Ausgangssituation: Das Chaos ist in der physikalischen Realität der Normalfall und wurde zuerst in der klassischen Mechanik beobachtet. 1.2 Problem: Die klassische Mechanik beschreibt groÿe Dinge, die jedoch aus kleinen Dingen, beschrieben durch die Quantenmechanik, aufgebaut sind. Dies erzwingt den Schluss, dass das klassische Chaos in der Quantenmechanik seine Ursache/Usprung haben MUSS. Die Suche nach diesem Zusammenhang berührt die Wurzeln der aktuellen Physik und verspricht ein tieferes Verständnis der für den Menschen noch immer erstaunlichen Quantenphysik. Bereits bei der Sprache dieser beiden mathematisch formulierten Theorien beginnt jedoch schon die Schwierigkeit: Die klassische (makroskopische) Mechanik benutzt zu ihrer Formulierung Teilchen, Bahnen und gewöhnliche Dierentialgleichungen (bsp. Hamiltonischen Bewegungsgleichungen). Dagegen wird die Quantenmechanik in der Sprache der Wellen, Aufenthaltswahrscheinlichkeiten und partiellen Dierentialgleichungen (bsp. Schrödinger Gleichung) beschrieben. 1.3 Ziel: Wir wollen nun den Versuch wagen, diesen verborgenen Zusammenhang aufzuspüren und aufzeigen, wie die klassische Dynamik als Skelett der quantenmechanischen fungiert. (Bohrsches Korrespondenzprinzip: Die Quantentheorie muÿ für den Grenzfall groÿer Quantenzahlen asymptotisch in die klassische Theorie übergehen.) Zur Erfüllung dieses Prinzips scheint eine formale Analogie zwischen den beiden Theorien erforderlich. 2 Begrisbildung: Chaos Zum besseren Verständnis des Begris des Chaos soll hier skizziert werden, wann ein System chaotische Eigenschaften aufweist. Wir denieren nun das deterministische Chaos, d.h. wir gehen von einem Hamiltonischen System aus. Bei diesen kreuzen sich die Trajektorien im Phasenraum nie. Auÿerdem werden hier ausschlieÿlich konservative Systeme betrachtet. 2.1 Integrable Systeme Beginnen wir mit denen, die das Gegenteil von chaotisch sind. Wir nehmen ein Hamiltonsches System mit N Freiheitsgraden und zeitunabhängiger Hamilton Funktion her. Integrabel bedeutet nun, dass N Konstanten der Bewegung existieren und sich diese in Involution zueinander benden; sprich, dass diese voneinander unabhängig sind; also ihre Poisson - Klammern verschwinden. Die Bewegung ndet im 2N dimensionalen Phasenraum auf einem N -Torus (N - parametrige Fläche) statt. 2.2 Ergodische Systeme Ein System ist ergodisch, wenn fast jede Trajektorie fast jeden Punkt auf dem 2N - 1 dimensionalen Unterraum des Phasenraums (Energieschale genannt), auf dem sich das 2 Hamiltonische System bewegt, berührt und in jedem Teilgebiet eine Zeit verbringt, die proportional zu diesem ist. Also kommt jede Trajektorie fast überall hin. 2.3 Mischende Systeme Ein System heiÿt mischend, wenn ein beliebiges Teilgebiet der Energieschale nach unendlich langer Zeit durch den Hamiltonischen Fluÿ über die gesamte Energieschale gleichverteilt wird. Ein mischendes System ist immer auch ergodisch, die Umkehrung gilt nicht. 2.4 K - Systeme Ein mischendes System, in welchem sich die meisten Bahnen, die zu irgendeinem Zeitpunkt nahe beieinander liegen, im Mittel exponentiell weit voneinander entfernen, heiÿen K Systeme. 2.5 Bernoulli - Systeme Nun zerlegen wir die Energieschale in kleine Zellen, die wir durchnummerieren und folgen der Zeitentwicklung der Trajektorie. Dazu wählen wir eine kleine Zeitspanne zur Diskretisierung. Für jede Messung erhalten wir für die Lage der Trajektorie die entsprechende Zellennummer. Bernoulli - Systeme sind nun diejenigen K - Systeme, bei welchen diese Zahlen so verteilt sind, als seien sie von einem perfekten Zufallsgenerator erzeugt. Abbildung 2: Phasenraumeinteilung in Zellen 2.6 Hierarchie des Chaos Diese Hierachie deniert einen Übergang zu immer chaotischerem Verhalten. Es ist üblich nur K - Systeme als wirklich chaotisch anzusehen. Bernoulli - Systme zeigen dann das stärkste Chaos unter deterministischen Systemen. 3 3 Instabilität und Lyapunov - Exponent Man sagt ein System ist instabil zu den Anfangsbedingungen, wenn sich Bahnen mit leicht unterschiedlichen Anfangspunkten zu späteren Zeitpunkten erheblich unterscheiden. δ~z(0) die Dierenz der Anfangsbedingungen, dann gilt nach einer groÿen Zeit t für die Dierenz δ~ z (t) der Bahnen: Sei | δ~z(t) |≈ exp(λt) | δ~z(0) | Die mittlere Rate λ (1) des Auseinanderlaufens heiÿt Lyapunov - Exponent. ~z(t) ist der Vektor im Phasenraum. 4 Periodische Bahnen Eine Bahn ist periodisch, wenn sie sich nach einer endlichen Periodendauer T, wieder im Phasenraum exakt trit, wenn also (~q(t + T ), p~(t + T )) = (~q(t), p~(t)) (2) gilt. 5 Spektralfunktion und Niveaudichte Die meiste Information bezüglich eines Quantensystems kann ein Physiker durch das Messen und Analysieren von Spektren gewinnen. Die ungemittelte Niveaudichte, auch Spektralfunktion genannt, ist die Summe der δ - Funktionen am Platz En der Resonanzen, sprich der Niveaus: ρ(E) = ∞ X δ(E − En ) (3) n=1 Folglich ist die Zahl N (E) der Niveaus bis zur Energie Z E 0 0 ρ(E )dE = N (E) = −∞ Wir vereinbaren, gemeint ist, und ist N (E) N (E) ∞ X E: Θ(E − En ) (4) n=1 mit Argument zu schreiben, wenn die Zahl der Niveaus bis E N , wenn alle im System vorhandenen Niveaus gemeint sind. Oensichtlich eine Treppenfunktion, die bei jedem hinzukommenden Niveau bei steigender Energie um eins anwächst. Diese kann man nun durch eine möglichst glatte Funktion Nav (E) antten: N (E) = Nav (E) + Nf l (E) Als mittlere Niveaudichte R1 (5) bezeichnet man nun die Ableitung des glatten Teils: R1 (E) = dNav (E) dE (6) Dies ist also die erste statistische Gröÿe, die wir behandeln. Sie ist stark abhängig von der Dynamik, der Wechselwirkung und der Zahl der Freiheitsgrade. R1 (E)dE ist demzu- folge die gemittelte Anzahl von Niveaus (Resonanzen, Zuständen, Levels, Eigenwerten) im Intervall [E, E + dE], weswegen wir notieren: 4 Abbildung 3: Niveaudichte Z +∞ N= R1 (E)dE (7) −∞ 6 Propagatoren und Green - Funktionen Um beliebige Systeme semiklassisch zu behandeln erweist es sich als vorteilhaft, Propagatoren und Green - Funktionen zu benutzen. Kennt man die Schrödinger - Gleichung eines zeitabhängigen Ket - Zustandes, so kann man bei expliziter Zeitunabhängigkeit von Ĥ die Dynamik des Systems mit dem Zeitentwicklungsoperator beschreiben: | ψ(t)i = Û (t − t0 ) | ψ(t0 )i Mit den i Û (t − t0 ) = exp(− Ĥ(t − t0 )) h̄ Eigenfunktionen | ~ q i des Ortsoperators können (8) (9) wir die Ortsdarstellung des Zeitentwicklungsoperators, Propagator genannt, angeben: K(~q, t; q~0 , t0 ) = h~q | Û (t − t0 ) | q~0 i (10) ⇒ Der Propagator i K(~q, t; q~0 , t0 ) = h~q | exp(− Ĥ(t − t0 )) | q~0 i h̄ transportiert die Wellenfunktion an (q ~0 , t0 ) zum (11) Punkt (~ q , t) in Zeit und Ort: Z ψ(~q, t) = dN q0 K(~q, t; q~0 , t0 )ψ(~ q0 , t0 ) 5 (12) | K(~q, t; q~0 , t0 ) |2 ist die Übergangswahrscheinlichkeitsdichte, d.h. die Wahrscheinlich- keit dafür, das System zur Zeit t an ~q Propagator entwickelt nur in die Zukunft, d.h. er ist ausschlieÿlich gen Form deniert, für t < t0 t0 an q~0 war. für t ≥ t0 in der zu nden, wenn es zur Zeit ist er formal 0. Der obi- Man kann nun den quantenmechanischen Propagator exakt als Feynmansches Pfadintegral darstellen: Z q~ K(~q, t; q~0 , t0 ) = q~0 i D[~q(t)] exp( h̄ Z t 0 L(~q(t0 ), q~˙0 (t0 ))dt ) (13) t0 wobei Z q~ q~0 m M N/2 D[~q(t)]... = limM →∞ ( ) i2πh̄τ Z N d qM −1 Z N d qM −2 ... Z dN q1 ... (14) Abbildung 4: Pfadintegral Es sei festgehalten, dass so die quantenmechanische Übergangswahrscheinlichkeit exakt als Interferenz der Beiträge von klassischen Bahnen dargestellt wird, wobei h̄ die Skala für diese Interferenz setzt. Für unsere späteren Anwendungen benötigen wir allerdings eine semiklassische Näherung, den Van - Vleck - Propagator: Ksk (~q, t; q~0 , t0 ) = Xp 1 i π detCr (~q, t; q~0 , t0 ) exp( Wr (~q, t; q~0 , t0 ) − iνr ) N/2 (i2πh̄) h̄ 2 r (15) Diese Näherung wurde mit Hilfe der Stationären-Phasen-Näherung ermittelt, die im Rahmen dieses Seminarvortrages nicht erläutert wird. Rt Wr (~q, t; q~0 , t0 ) = t0 L(~q(t0 ), q~˙0 (t0 ))dt0 ist dabei die Prinzipalfunktion der klassischen Mechanik mit der Lagrangefunktion L(~ q (t0 ), q~˙0 (t0 )) 6 ∂ 2 W (~ q ,t;q~0 ,t0 ) ist die Matrix der zweiten Ableitungen der Prinzipalfunk∂~ q ∂ q~0 T tion. Um zu verhindern, dass die Näherung bei einer singulären Determinante der Matrix Cr (~q, t; q~0 , t0 ) = Cr (~q, t; q~0 , t0 ) zusammenbricht wurde der Phasenbeitrag exp(−iνπ/2) angefügt. Die Fourier - Transformierte des Propagators von der Zeit- auf die Energieachse ist die Green - Funktion (Wir setzen nun i G(~q, q~0 , E) = − h̄ Z t0 = 0): ∞ 0 i dt exp( (E + iη)t)K(~q, t; q~0 , 0) h̄ (16) Hier wurde die Energie mit einen innitisemalen imaginären Inkrement versehen, um die Konvergenz des Integrales sicherzustellen. Am Ende der Rechnungen müssen wir η natürlich gegen 0 laufen lassen. Dieser Schritt wird in der Physik als selbstverständlich angesehen, weswegen des Grenzwertsymbol lim in den Formeln üblicherweise weggelassen wird. Für eine semiklassische Näherung benutzen wir daher den Van - Vleck - Propagator und erhalten: XZ ∞ p 1 i π i dt detCr (~q, t; q~0 , 0) exp( (Wr (~q, t; q~0 , 0)+Et)−iνr ) Gsk (~q, q~0 , E) = − N/2 h̄ (i2πh̄) h̄ 2 0 r (17) ∗ Dieses Integral kann ebenfalls in der Stationären-Phasen-Näherung, wobei die Zeit t stationärer Phase festgelegt wird, berechnet werden. Dabei benutzten wir eine Beziehung zwischen Prinzipalfunktion und der Wirkung: Wr (~q, t∗ ; q~0 , 0) + Et∗ = Sr (~q, q~0 , E) (18) Als Endergebnis erhalten wir: Gsk (~q, q~0 , E) = − Xp i 1 π i detDr (~q, q~0 , E) exp( Sr (~q, q~0 , E) − iνr ) (N −1)/2 h̄ (i2πh̄) h̄ 2 r (19) wobei: Dr (~q, q~0 , E) = 2 2 r − ∂ q∂~ TS∂E 2 − ∂∂ES2r Sr − ∂∂q~0 ∂~ qT ∂ Sr − ∂~ q ∂E ! 0 2 (20) 7 Spurformeln Um quantenmechanische Spektren semiklassisch zu beschreiben werden üblicherweise Spurformeln verwendet. Es zeigt sich, dass die Spur g(E) des Green - Operators: Ĝ = (E + iη − Ĥ)−1 als Integral über die Green - Funktion an Z g(E) = trĜ = 7 ~q = q~0 (21) geschrieben werden kann: dN qG(~q, ~q, E) (22) P n δ(E − En ) aus Abschnitt 2 mit dem Imaginärteil der Spur des Green - Operators und damit des Integral Man kann nun zeigen, dass die ungemittelte Niveaudichte ρ(E) = über die Green - Funktion identiziert werden kann: 1 1 ρ(E) = − =trĜ = − = π π Z dN qG(~q, ~q, E) (23) Dieses Integral werden wir nun mit den Ergebnissen des Abschnitts 3 semiklassisch berechnen und erhalten damit eine semiklassische Näherung für ρ(E). Klar gesprochen bedeutet dies nichts anderes, als das wir die quantenmechanischen Niveaus Ordnung h̄ En in führender aus den klassischen Bahnen und deren Eigenschaften konstruieren! XZ p i i 1 π N detDr (~q, ~q, E) exp( Sr (~q, ~q, E) − iνr ) g̃sk (E) = − d q (N −1)/2 h̄ (i2πh̄) h̄ 2 r (24) Die Schlange deutet an, dass wir Bahnen der Länge 0 zunächst ausschlieÿen. Dieses Integral kann wieder in der Stationären-Phasen-Näherung berechnet werden: (prim) Tr i π iX p exp( Sr (E) − iµr ) g̃sk (E) = − h̄ r h̄ 2 det(Mr − 1) Was für die semiklassische Näherung (25) ρ̃sk (E) = − π1 =g̃sk (E) der Niveaudichte bedeutet: (prim) 1 X Tr 1 π p cos( Sr (E) − µr ) ρ̃sk (E) = πh̄ r h̄ 2 det(Mr − 1) (prim) Tr (26) ist die primitive Periode, also die Zeit eines einmaligen Umlaufs um die pe- riodische Bahn. Mr ist die Monodromiematrix der klassischen periodischen Bahnen und ist die Jacobi - Matrix senkrecht zur periodischen Bahn. Ihre Eigenwerte liefern gerade die Lyapunov - Exponenten; die mittlere Rate des Auseinanderlaufens. Die Zahl die Zahl der Umkehrpunkte auf dem Weg von q0 nach q µr ist und heiÿt Maslov - Index der periodischen Bahn r. Maslov hat diese in der älteren Quantentheorie unbekannte Phase erst um 1980 gefunden. Zu guter Letzt soll noch der Beitrag der ganz kurzen Bahnen der Länge Null, also mit der primitiven Periode 0 bestimmt werden. Dies stellt sich als der glatte Teil R1 (E) der Niveaudichte heraus. Schlussendlich erhalten wir: ρsk (E) = ρ̃sk (E) + R1 (E) (27) Es sei noch der semiklassische Ausdruck für die gemittelte Niveaudichte angegeben: 1 R1 (E) = (2πh̄)N Z N d q Z dN pδ(E − H(~q, p~)) Auch in der statistischen Mechanik ist dies von Bedeutung, den (28) R1 (E) ist gerade das Phasenraummittel über die Energieschale, auf der sich das klassische System der Energie E bewegt. 8 8 Semiklassische Deutung quantenmechanischer Spektren Nun wollen wir als Anwendung der obigen Relationen in gemessenen oder berechneten quantenmechanischen Spektren unmittelbar die periodischen Bahnen nden. Derart werden wir die Interpretation veranschaulichen, dass die klassische Dynamik als Skelett der quantenmechanischen auftritt. 8.1 Klassisches Billard Ein Billard ist ein zweidimensionales, ebenes und zusammenhängendes Gebiet von einer geschlossenen Kurve ∂Γ, Γ, das dem Rand, begrenzt wird. Diese Begrenzung kann durchaus Knicke oder Ecken haben. Ein Teilchen der Masse m bewegt sich im Billard reibungsfrei. Es wird ideal reektiert, wenn es an die Begrenzung stöÿt, d.h. Einfallswinkel und Ausfallswinkel sind bezogen auf das Lot auf die Wand gleich. Oensichtlich ist für die zurückgelegten Bahnen die Masse m und der Betrag der Teilchengeschwindigkeit unerheblich. Demnach ist die Wirkung einer Bahn der Länge L durch Z p~ · d~q =| p~ | L (29) Bahn gegeben. Dies ist eine Skalierungseigenschaft, die wir später noch benutzen. 8.2 Quantenbillard Dem klassischen Billard kann ein Quantenbillard zugeordnet werden: Die Schrödingergleichung wird in einem Gebiet φn (~r) auf dem Rand ∂Γ Γ gelöst, wobei die Wellenfunktion verschwinden soll. In zwei Dimensionen ist dies mathematisch folgendermaÿen formuliert: h̄2 ∂ 2 ∂2 p~2 φn (x, y) = − ( 2 + 2 )φn (x, y) = En φn (x, y) 2m 2m ∂x ∂y (30) φn (x, y)|∂Γ = 0 (31) wobei Der Wissenschaftler Hermann Weyl konnte für eine beliebige Form des Gebietes zeigen, dass der glatte Teil der Treppenfunktion folgende Form animmt: σΓ ist dabei die √ ml∂Γ √ mσΓ Nav (E) ≈ E+K 2 E − 3/2 2 πh̄ 2πh̄ Fläche und l∂Γ der Umfang des Gebietes Γ. (32) Die Konstante K hängt von der Zahl der Ecken, Knicke usw. ab. Für höhere Raumdimensionen als 2 konnte dieses Gesetz verallgemeinert werden. 8.3 Chaotische Billards Da in einem Billard die gesamte Energie per denitionem kinetisch ist, wollen wir als Variable von der Energie E zur Wellenzahl k 9 übergehen: h̄2 k 2 E= 2m (33) Dies ist besonders deshalb sinnvoll, da sich die Wirkung einer periodischen Bahn proportional zu k verhält: Z p~ · d~q = h̄klr Sr (E) = (34) Bahnr Hier ist lr die Länge und h̄k der Impuls der periodischen Bahn. Genauso gehen wir bezüglich der Niveaudichte zur k - Abhängigkeit über: ρsk (k) = ρ̃sk (k) + R1 (k) (35) Mit (8) können wir nun schreiben: R1 (k) = Hierbei sind σΓ σΓ l∂Γ k− 2π 4π (36) die Fläche und l∂Γ Umfang des Billards. Nun wollen wir den oszillierenden Teil berechnen. Dabei muss bedacht werden, dass diese Spurformel alle periodischen Bahnen enthält, demzufolge natürlich auch die j - fachen Umläufe um eine genau einmal durchlaufene periodische (also um eine primitive) Bahn. Diese primitiven Bahnen bekommen von nun an den Index p und wir wollen alle Spurformeln in den primitiven periodischen Bahnen und ihren j - fachen Umläufen ausj drücken. Die Monodromiematrix des j - Umlaufs ist Mp mit den Eigenwerten exp(±jλp ) mit echt positiven Lyapunov - Exponenten λp . Als Spurformel für chaotische Billard erhalten wir: ρ̃sk (k) = π lp 1 X cos(j(klp − µp )) jλ p 2π p,j sinh 2 2 (37) Dabei haben wir folgende Zwischenergebnisse benutzt: det(Mpj − 12 ) = (e+jλp − 1)(e−jλp − 1) = 2 − 2 cosh jλp = 4 sinh2 jλp 2 (38) sowie Tp = lp lp = v h̄k/m (39) und dE h̄2 k ρ̃sk (k) = ρ̃sk (E) |E=h̄2 k2 /2m | |= ρ̃sk (E) |E=h̄2 k2 /2m dk m (40) Die Spurformel für chaotische Billards wollen wir nun natürlich mit dem gemessenen oder berechneten Spektrum vergleichen. Folgende Abbildung zeigt ein solches gemessenes Spektrum für das sogenannte Bunimovich - Viertelstadium: Gebaut wurde es als Mikrowellenkavität. Es wird ausgenutzt, dass die elektromagnetischen Gleichungen in einer sehr achen Kavität mathematisch genau der Schrödinger - Gleichung für ein zweidimensionales Billard derselben Geometrie äquivalent sind. Der glatte Teil der Niveaudichte wird von diesem gemessenen Spektrum abgezogen. Verständlicherweise ist ein direkter Vergleich des gemessenen ukturierenden Teils des Spektrum 10 Abbildung 5: Gemessenes Eigenfrequenzspektrum in einem Bunimovich - Viertelstadium mit der oszillierenden Funktion ρ̃sk (k) nicht sehr sinnvoll. Man berechnet zunächst die Fourier - Transformierte dieses uktuierenden Teils und vergleicht sie mit 1 P̃sk (l) = √ 2π Z +∞ ρ̃sk (k) exp(ikl)dk = −∞ 1 X lp exp(jµp π2 ) δ(l − jlp ) (2π)3/2 p,j sinh( jλp ) 2 (41) Diese Funktion wird das Längenspektrum genannt. Es zeigt einen scharfen Peak, wenn gleich der Länge lp einer periodischen Bahn ist. Zum Vergleich mit dem ge2 messenen oder berechneten Spektrum wird üblicherweise das Absolutquadrat | P̃sk (l) | die Variable l benutzt. Für den Fall, dass die Längen der periodischen Bahnen alle voneinander unterschiedlich sind, fallen die von den Produkten unterschiedlicher Bahnen herrührenden Interferenzterme weg und wir erhalten in guter Näherung: | P̃sk (l) |2 ≈ δ 2 (l − jlp ) lp2 1 X δ 2 (l − jlp ) (2π)3 p,j sinh2 jλp 2 (42) ist in einem real durchgeführten Experiment ein Peak endlicher Höhe und schmaler, aber nullverschiedener Breite. In der folgenden Abbildung der Auswertung eines Mikrowellenexperiments für ein Sinai - Billard sind einige periodische Bahnen klar zu identizieren: Auallend ist auch die automatische Anordnung der periodischen Bahnen nach ihrer Länge. An dieser Stelle sei noch die Auswertung für ein Sinai - Billard, dessen eine Seitenlänge veränderlich ist, abgebildet. Es ist zufriedenstellend, wie die periodischen Bahnen 1 bis 5 beitragen und wie sich die Abfolge der Peaks mit der Seitenlänge des Billards ändert. Nehmen wir die Lage der periodischen Bahn 2 zur gesonderen Betrachtung ins Auge, so bleibt nicht verborgen, dass die Seitenlänge von (a) nach (f ) gröÿer wird. Dies kann schon kein Zufall mehr sein. 11 Abbildung 6: Absolutquadrat des Längenspektrums 12 Abbildung 7: Absolutquadrat des Längenspektrums und periodische Bahnen für das gemessene Spektrum eines Sinai - Billards, dessen eine Seitenlänge variabel ist. Die Seitenlänge wird von (a) nach (f ) gröÿer 8.4 Wasserstoatom im starken Magnetfeld Man kann eine Hamilton - Funktion für ein Wasserstoatom im Magnetfeld hinschreiben, wenn man es zunächst wie ein klassisches Problem behandelt. Hier zeigt sich das unlösbare Problem der Quantisierung. Wir kennen nicht die echte Quantenmechanik, deswegen müssen wir fordern, dass unsere Beschreibung allen Experimenten standhält und für makroskopische Syteme in die klassische Mechanik übergeht. Wir sind also gezwungen, immer von der groÿen Welt hinabzusteigen, anstatt logisch befriedigender alles von den kleinsten Objekten an aufzuziehen. Die Hamilton - Funktion für ein klassisches Wasserstoatom wäre: 13 Abbildung 8: Bahnen beim klassischen Wasserstoatom im Magnetfeld in den Grenzfällen 2 (a) ω0 = 0 und (b) e = 0 sowie (c) für den chaotischen Fall, bei dem beide Gröÿen nichtverschwindend sind 1 e ~ 2 e2 (~p − A) − 2m c r p eB , ρ = x2 + y 2 und ω0 = 2mc H= Mit der Larmor - Frequenz (43) der Wahl ~= A B (−y, x, 0)T 2 bekommen wir: H= p~2 e2 1 −p − ω0 Lz + ω02 ρ2 2 2 2m 2 ρ +z (44) Durch die übliche Quantisierung erhält man hieraus den Hamilton - Operator. Bei den interessierenden Energien ist eine quantenfeldtheoretische Betrachtung des Magnetfeldes nicht notwendig, sodass nur die Bewegung quantisiert wird. Für die quantenmechanische Betrachtung müssen wir erstmal ein paar Skalierungen festsetzten. Zuerst führen wir die dimensionslose Variable γ ein: γ= h̄ω0 me4 2 2h̄ = B B0 (45) mit B0 = h̄3 = 2, 35 · 105 T m2 ce3 (46) Wir haben also die Larmor - Energie durch die Rydberg - Energie geteilt. Zusätzlich werden wir die Ortskoordinaten in Einheiten des Bohrschen Radius messen und eine dimensionslose Energie einführen: ~r (h̄ /me2 ) (47) h̄2 /me2 h̄2 E = E e2 me4 (48) ~a = = 2 Der zugehörige Hamilton - Operator nimmt dann folgende Gestalt an: Ĥ = − 1 ∂2 1 h̄3 ω0 1 0 − − L̂az + γ 2 ρ 2 2 4 2 ∂~a a me 8 14 (49) Folgende dimensionslose stationäre Schrödingergleichung beschreibt nun die Zeitent- φn (~a): wicklung der Wellenfunktion Ĥφn (~a) = n φn (~a) (50) Die Spektren können nach der guten Magnetquantenzahl m0 klassiziert werden, da L̂az eine Konstante der Bewegung ist. Es genügt den nachfolgenden Hamiltonoperator zu 3 0 4 betrachten, da h̄ ω0 m /me eine additive Konstante wird: Ĥ = − 1 1 1 ∂2 0 − + γ 2ρ 2 2 2 ∂~a a 8 (51) Wenn wir nun zur Analyse der Quantenspektren diese Fouriertransformieren wollen, zeigt sich der Zweck dieser Skalierungen. Beim Billard hatten die Wirkungen jeder Bahn die Form Sr = h̄klr ; wurden also mit k skaliert. In unserem jetzigem Fall, ein Wasser- stoatom im Magnetfeld; gibt es diese Eigenschaft zunächst nicht, aber wir können eine gleichwertige herausstellen. Wir wollen die Wirkung auf einer Bahn hier so berechnen, indem wir die klassische reskalierte Hamilton - Funktion gleich der Energie setzen (H = ). Dies lösen wir nach dem Impuls auf und setzen dies in das Wirkungsintegral ein. Mit der Bogenlänge q 0 der Bahn erhalten wir: Z 0 r Z 0 2( + p dq = h̄ Sr (, γ) = Bahn Bahn 1 γ 2 02 0 − ρ )dq a 8 (52) −2/3 Es werden nun die bereits dimensionslosen Koordinaten in Einheiten von γ gemessen. Wir leiten nun aus dem Integral durch die Substitution ~ a = γ −2/3~b die Skalierungseigenschaft Sr (, γ) = γ −1/3 Sr (γ −2/3 , 1) = γ −1/3 Sr (Ẽ, 1) her. Nun skaliert die Wirkung jeder Bahn mit Ẽ = Als Folge davon spielt γ −1/3 γ 2/3 ˜ γ −1/3 für festgehaltene Parameter E B 2/3 lards. Wir betrachten ausschlieÿlich gebundene Zustände, sprich wo Ẽ = −0, 8 und (54) formal diesselbe Rolle wie die Wellenzahl Paramter wird deshalb gröÿer, wenn zwischen (53) Ẽ = −0, 2 E < 0 oder B Ẽ k bei den Bil- negativ ist. Dieser wächst. Die Abstandsverteilung macht einen Übergang von regulär zu chaotisch. Nun wollen wir die Fourier - Transformation - Auswertung in der skalierenden Variablen im vollchaotischen Bereich durchführen. In folgender Abbildung sehen wir ein gemessenes und reskaliertes Spektrum: 15 Abbildung 9: Gemessenes Energiespektrum des Wasserstoatoms im starken Magnetfeld, −1/3 reskaliert und aufgetragen gegen γ Abbildung 10: Absolutquadrat des Längenspektrums für das Wasserstoatom im starken Magnetfeld. Zu drei Peaks sind die entsprechenden klassischen periodischen Bahnen gezeichnet. 16 Auch in diesem Beispiel ergeben sich periodische Bahnen. Allerdings sind diese Bewegungsformen schon wesentlich komplizierter. Diese Bahnen lasen sich nach dem Bewegungstyp klassizieren. Als Beispiel seien hier vibrationsartige, sowie rotationsartige und komplizierte Überlagerungen gezeigt: Abbildung 11: Klassische Bewegungen beim Wasserstoatom im starken Magnetfeld, in (a) vibrationsartige, in (b) rotationsartige und in (c) überlagerte. Die Bahnen sind auf die (ρ, z ) - Ebene projeziert. 9 Schlusswort Abschlieÿend sollte nicht nur bemerkt, sondern sogar als äuÿerst fundamentale Erkenntnis festgehalten werden, dass sich sowohl bei den Billards als auch bei dem Wasserstoatom im Magnetfeld die klassische Dynamik als Skelett des Quantenspektrums herausstellt. Damit sollte das anfängliche, hochgesteckte Ziel zumindest andeutungsweise als geglückt angesehen werden. Der Mensch ist in der jetzigen Form leider nicht in der Lage, die grundlegende Quantenmechanik anders als aus Korrespondenzprinzipien herzuleiten, allerdings zeigt dieser aufgedeckte Zusammenhang, dass nicht alles so mysteriös ist, wie es scheint. 17