Einführung in die Immunologie Monika Raulf-Heimsoth Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA) Vorlesung 14.04.2010 Was ist Immunologie? Immunologie ist die Wissenschaft von den biologischen und biochemischen Grundlagen der Abwehrmechanismen, die den menschlichen Körper beim Kontakt mit Krankheitserregern und Toxinen schützen. Orientierende Planung I • • • • • • Einführung; Anatomie des Immunsystems Angeborene und erworbene Immunität Immunologische Methoden Antigenpräsentierende Zellen T-Zellen (Entwicklung und TCR) Komplementsystem Orientierende Planung II • • • • Antikörper/B-Zellen Allergie und Autoimmunität Infektionsimmunologie Tumorimmunologie und Transplantation Aufgaben des Immunsystems Schutz des Körpers vor schädigenden Einflüssen Aufstellen einer starken Abwehr Was ist das Immunsystem? Dezentralisierte Schutzwälle immunis (lat.) = frei, unberührt Das Immunsystem ist kein einzelnes Organ. Es besteht aus spezialisierten Zellen im Blut und Gewebe, Organen und einem Gefäßsystem. • primäre Lymphorgane Knochenmark Thymus • sekundäre Lymphorgane Lymphknoten Milz Mandeln Blinddarm Nasenpolypen Fortschritte/Meilensteine der Immunologie I 1796 Edward Jenner (brit. Arzt) benutzte das KuhpockenVirus zur wirksamen Pockenschutzimpfung (Vakzination). 1822-1895 Louis Pasteur entwickelte Impfstoffe gegen die Geflügelcholera, den Milzbrand und die Tollwut. 1843-1910 Robert Koch entdeckt die Erreger von Tuberkulose, Cholera und Milzbrand, Koch´sche Postulate (1905). 1845-1916 Elie Metschnikow (russ.) entdeckt phagozytische Zellen (angeborene Immunantwort) (1908). Fortschritte/Meilensteine der Immunologie II 1890 Emil von Behring und Shibasaburo Kitasato beschreiben Antikörper im Blut von immunisierten Patienten (1901). 1901 Karl Landsteiner entdeckt das A/B/0-Blutgruppensystem (1930). 1906 C.P. von Pirquet prägte den Begriff „Überempfindlichkeit/Allergie“. 1910 Ludwig Hirszfeld und Emil von Dungern – Genetik des Immunsystems/Vererbung der Blutgruppen. 1926 Lloyd Felton – Reinigung von Antikörpern aus dem Serum. Fortschritte/Meilensteine der Immunologie III 1936 Peter Gorer – Studien zur Transplantat-Abstoßung (MHC-/H-2-Antigene) ⇒ „Geburt“ der zellulären Immunologie. 1957 Frank Macfarlane Burnet beschrieb die Klon-Selektionstheorie als zentrales Prinzip der adaptiven Immunität (1960). 1966 Kimishige und Teruko Ishizaka entdeckten das IgE. 1960-1970 Forschungen und Entdeckungen der „Lymphokine/Cytokine“ (Stanley Cohen erhielt 1986 für die Entdeckung von NGF und EGF den Nobelpreis; Cohen schlug 1974 den Begriff „Zytokin“ vor). Fortschritte/Meilensteine der Immunologie IV 1974 Rolf Zinkernagel – Beschreibung der MHCRestriktion (1996). 1975 Georges Köhler und César Milstein – Gewinnung von monoklonalen Antikörpern (1984). 1985 Susumu Tonegawa – Identifizierung der Immunglobulin-Linie (1987). 1985 Leroy Hood – T-Zell-Rezeptor-Gene. Aufgaben des Immunsystems I ¾ Erkennen und Inaktivieren von in den Organismus eingedrungenen Krankheitserregern (Viren, Bakterien, Pilze, Protozoen und Würmer) oder deren Toxine. ¾ Erkennen und Abtöten virusinfizierter Körperzellen. ¾ Erkennen und Abtöten von Krebszellen. Aufgaben des Immunsystems II Grundvoraussetzungen für die Erfüllung der Aufgaben: • Unterscheidung zwischen „selbst“ und „fremd“ • Unterscheidung zwischen „harmlos“ und „potentiell schädlich“ Entwicklung des Immunsystems Die Fähigkeit, fremd und nicht fremd zu unterscheiden, ermöglicht erst die Integrität der Lebewesen (Ausbildung bereits sehr früh in der Evolution). Selbst-Toleranz Nutzen Schaden Schutz vor Infektionen durch: Fehler der Immunabwehr: • Bakterien • Viren • Pilze • Parasiten erworbene Immunschwäche • Tumorerkrankungen • Autoimmunerkrankungen • Allergien Impfungen • angeborene oder Transplantationen Wovor müssen wir uns schützen? Palette der Infektionserreger, die das Immunsystem herausfordern Die Verteidigungslinie Angeborene Immunität Haut Schleimhaut Schweiß Verdauungssäfte Lysozym Lactoferrin Zilien Husten, Niesen, Erbrechen, Durchfall Werde ich bei einer Infektion krank oder nicht? Infektion unspezifisches Immunsystem Reinfektion adaptives Immunsystem spezifisches Immungedächtnis angeborene Immunität Krankheit Genesung keine Krankheit Oberflächenepithelien bilden eine mechanische, chemische und mikrobiologische Barriere gegen Infektionen Innere Epithelbarrieren gegen Infektionen • von tight junctions zusammen- mechanisch • • chemisch mikrobiologisch gehaltene Epithelzellen Luft- oder Flüssigkeitsstrom entlang des Epithels Schleimbewegung durch Cilien • Fettsäuren (Haut) • Enzyme: Lysozym (Speichel, Schweiß, Tränen), Pepsin (Darm) • niedriger pH-Wert (Magen) • antibakterielle Peptide; Defensine (Haut, Darm), Cryptidine (Darm) • Die normale Mikroorganismenflora konkurriert um Nährstoffe und Bindungsstellen an Epithelzellen und kann antibakterielle Substanzen synthetisieren Immunantwort: Abwehrreaktion auf körperfremde Substanzen angeborene Immunität treten ohne vorherigen Kontakt mit dem fremden Stoff, Organismus oder Gewebe auf erworbene Immunität Erfordern zunächst einen ersten Kontakt mit der körperfremden Substanz ⇒ „Lernimpuls“ Angeborene Immunität ⇒ natürliche/mechanische Barrieren Haut, Schleimbewegung durch Zilien (Luft- oder Flüssigkeitsstrom entlang des Epithels; normale Darmflora) ⇒ chemische Barrieren • proteolytische Enzyme in Körperflüssigkeiten • Verdauungsenzyme, Lysozym im Speichel, in der Tränenflüssigkeit • niedriger pH-Wert ⇒ zwei „Keyplayer“-Zelltypen Monozyten/Makrophagen + Granulozyten → Endozytose ⇒ Komplementsystem vorderste Front 2. Verteidigungslinie Phagozyten Makrophagen (im Gewebe (einkernig)) (Entwicklung) Monozyten (im Blut) • langlebig • bei Aktivierung werden Cytokine* und andere Mediatoren freigesetzt, die u.a. neutrophile Granulozyten anlocken Neutrophile Granulozyten = PMN=polymorphkernige neutrophile Leukozyten (nur im Blut, nicht im Gewebe) • kurzlebig *wichtig für lokale Entzündungsreaktionen und Vermittlung der induzierten, nicht-adaptierten Reaktion Vorteile der angeborenen Immunität → relativ unspezifisch → eindeutige Unterscheidung zwischen Selbst und Nicht-Selbst → schnell → erste Abwehrfront Erworbene Immunität → bei Säugern und Vögeln am höchsten entwickelt → spezifisch gegen das körperfremde Antigen gerichtet → zwei Systeme humorales • Immunglobuline zelluläres • T-Zell-vermittelt • Cytokine Keyplayer der adaptiven Immunantwort T-Zellen T-Zellen erkennen nur Antigene, die auf Zelloberflächen präsentiert werden. Komponenten dabei sind: • APC mit MHC-Molekülen • T-Zellrezeptor (TCR) Vorgänge, die ablaufen: • Antigenprozessierung, Entstehung von Peptidfragmenten, Erzeugung von TCR-Liganden • Antigenpräsentation gemeinsam mit MHC Unspezifisches und spezifisches Immunsystem Angeborene Immunantwort (innate Immunity) Spezifische, adaptive Immunantwort (adaptive or aquired Immunity) Wiederholte Infektion Die Anfälligkeit nimmt nicht ab bei wiederholter Infektion Die Anfälligkeit nimmt ab bei wiederholter Infektion (Immungedächtnis) Lösliche (humorale) Faktoren Komplement, Lysozym, Zytokine der APZ (Interferone α und β, TNF-α) Antikörper, Zytokine der Lymphozyten (Interleukine und Interferon γ) Zellvermittelte (zelluläre) Abwehr Phagozyten (Makrophagen, Neutrophile), NK-Zellen Lymphozyten Zelluläre Abwehr 1) Phagozytische Zellen: • Neutrophile Granulozyten (60-70%) → Bakterien Polymorphe Neutrophile • • Monozyten (→ Makrophagen) (5%) Eosinophile Granulozyten (1,5%) → Parasiten 2) NK-Zellen (natürliche Killerzellen) Entwicklung der Phagozyten NK-Zellen: natürliche Killerzellen Funktion Freisetzung lytischer Granula, die virusinfizierte Zellen und Tumorzellen töten können • ca. 10% aller Lymphozyten im Blut sind NK-Zellen • NK-Zellen töten Zellen, die keine, fremde, nur wenige oder veränderte MHC I-Moleküle tragen (inhibitorische Signale durch intaktes MHC I) • Aktivierende Signale gehen z.B. von Kohlenhydrat-Strukturen auf Zellen aus („Killer-Rezeptoren“ u.a. C-Typ-Lektin) • NK-Zellen werden durch Makrophagen-Zytokine (IL-12, TNF-α) oder Interferone (α und β) γ aktiviert Entwicklung der Blutzellen Alle Zellen des Blutes stammen von einer gemeinsamen Vorläuferzelle ab (hämatopoetische Stammzelle), die sich zu einer lymphoiden Vorläuferzelle bzw. myeloiden Vorläuferzelle entwickeln kann. Lymphatische Organe Lymphathische Organe (strukturierte Gewebe aus lymphatischen und nicht-lymphatischen Zellen): • Entwicklung der Lymphozyten • Einleitung der adaptiven Immunantwort • Überleben von Lymphozyten Lymphatische Organe werden unterteilt in: • zentrale (primäre) lymphatische Organe als Bildungsort der Lymphozyten. • periphere (sekundäre) lymphatische Organe (Einleitung der adaptiven Immunantwort). Primäre lymphatische Organe • B-Zellen entstehen und reifen im Knochenmark (bone-marrow). • T-Zellen entstehen im Knochenmark aber reifen erst im Thymus aus. • Ausgereifte B- und T-Zellen wandern über das Blut in die sekundären lymphatischen Organe, wo sie auf Antigene treffen. Antigen = urspr.: Antikörper generierend jetzt: Auslöser einer adaptiven Immunantwort Spezifische Abwehr – Adaptive Immunantwort Makroskopische Lage des Thymus Sekundäre lymphatische Organe Egal wo die Erreger eindringen, Antigene und Lymphozyten treffen in den sekundären lymphatischen Organen aufeinander: • Lymphknoten • Milz • lymphatische Gewebe der Schleimhäute: ¾ Darm-assoziierte lymphatische Gewebe (gutassociated: GALT): Rachenmandeln, Gaumenmandeln, Blinddarm, Peyersche Plaques (Dünndarm) ¾ Bronchienassoziierte lymphatische Gewebe BALT (Mucosa-assoziiertes lymphatisches Gewebe MALT) im Atmungsepithel und anderen Schleimhäuten Aufbau der Milz Rote Pulpa: Abbau von roten Blutkörperchen (ca. 1011/Tag) Weiße Pulpa: B- und T-Zellen Immunologische Prozesse bei einer Infektion Infektion sofort: 0-4 Std. Erkennen durch unspezifische Effektoren Infektion früh: 4-96 Std. Anlocken von Effektorzellen Erkennen, Aktivierung von Effektorzellen Infektion spät: >96 Std. Transport von Antigen zu den Lymphorganen Erkennen durch naive B- und T-Zellen Erneute Infektion Erkennen durch vorhandene Antikörper und T-Zellen Erneute Infektion Erkennen durch BGedächtniszellen und T-Zellen Beseitigung des Erregers Schnelle Expansion und Differenzierung zu Effektorzellen Klonale Expansion und Differenzierung zu Effektorzellen