Basisgemeinden sind eine gestaltende Kraft des Wortes

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Unsere Seelsorge
Basisgemeinden sind eine gestaltende
Kraft des Wortes
Pfarrei Nossa Senhora da Saúde in Juruti,
Diözese Óbidos, Brasilien
Neue spirituelle Impulse führen zu einer neuen Weise, aus dem Evangelium weltgestaltende Kraft zu
empfangen. Bei vielen Begegnungen setzen sich Laien zum gemeinsamen Studium des Gotteswortes zusammen, um missionarischen Geist zu schöpfen. In nahezu allen Pfarreien und Diözesen wurde und wird
Volksmission auf völlig neue Weise durchgeführt. Die Initiative und Durchführung liegt weitgehend in der
Hand der Laien. Die kirchlichen Basisgemeinden bereiten sich oft jahrelang durch intensives Bibelstudium auf die große Missionswoche vor, die gemeinsam mit vielen Laienmissionaren, Frauen, Männern,
Jugendlichen, Kindermissionaren ausgeführt wird.
Welches sind die spirituellen Impulse
unserer Arbeit? Sie gehen aus vom Wort
Gottes, das als gestaltende Kraft des
persönlichen Lebens und der Gemeinde
wirkt, erfahren und mitgeteilt im Prozess, der durch Gottes Gnade in einem
Netz von 30 kirchlichen Basisgemeinden in Gang gebracht wurde. Die ersten
Anstöße zu diesem Prozess gingen
vom Zweiten Vatikanischen Konzil aus,
wurden von der Lateinamerikanischen
Bischofskonferenz in Medellin aufgenommen und entfaltet und schließlich
von der ersten Begegnung der Bischöfe
des Amazonasgebiets in Santarém
im Jahr 1972 für unsere Ortskirchen
konkretisiert. Der Glaube, der bis dahin
in den wenigen Stadtkirchen und in den
ländlichen Gebieten über die Kapellen
weitergegeben worden war, war lebendig, aber es fehlte ihm die Tiefendimension der Erkenntnis Jesu Christi in der
Heiligen Schrift.
Die Bischöfe begannen zusammen mit
ihren Priestern die traditionellen Pfarreien kraft des Studiums der Heiligen
Schrift zu städtischen Sauerteigzentren
im Herzen der Menschen und die ländlichen Kapellen mit ihrer Heiligenverehrung und sakramentalen Entpflichtung
zu christlichen Basisgemeinden mit
ihrer das Leben der Menschen verwandelnden Kraft umzugestalten. Dazu
wurden fähige und interessierte Laien
am Sitz des Bischofs zusammengeführt
und in Monatskursen eine umfassende
Kenntnis der Heiligen Schrift als „boa
nova“ (Gute Botschaft) vermittelt. Damit
wurde den Leuten Selbstvertrauen und
Gemeinschaftsgeist vermittelt, der weit
über alles hinausging, was aus den
indianischen Traditionen davon noch
in Fleisch und Blut übergegangen war.
Männer und Frauen wurden zu Verkündigern des Gotteswortes ausgebildet und
mit der Leitung eines in den Kapellen
bis dahin unbekannten sonntäglichen
Wortgottesdienstes beauftragt. Dazu
kamen noch Pastoralaufträge wie Taufspendung, Erstkommunionvorbereitung
und Begräbnis. Alle wurden durch symbolische Handauflegung des Bischofs,
der Priester und der Laien beauftragt
und ausgesandt. Das war nach dem Konzil die erste grundlegende Erfahrung
der gestaltenden Kraft des Wortes Gottes in der lokalen Kirche am Amazonas.
Die kirchlichen Basisgemeinschaften
waren begeistert und nahmen zu an
Zahl und innerer Qualität. Von den
Laien selbst wurden in eigener Initiative
neue Gemeinden gegründet, zuerst in
den ländlichen Gebieten, dann auch in
den Städten, was von uns Priestern und
den Bischöfen dankbar zur Kenntnis
genommen wurde. Die Gläubigen legten
größten Wert darauf, dass ihre Gründungen auch bei den regelmäßigen
Pastoralbesuchen der Priester und der
Bischöfe ihren Segen erhielten und begleitet wurden. Dort, wo die Laien nicht
zu einer solchen Initiative ermuntert
worden waren oder wo ihre Initiative
nicht aufgegriffen und begleitet wurde,
breiteten sich dagegen nicht mit der
katholischen Kirche in ökumenischer
Verbindung stehende Kirchen aus.
Es gab Fort- und Rückschritte auf dieser
ersten Stufe der Erfahrung der gestaltenden Kraft des Gotteswortes, aber
im Grunde war es eine wunderbare
Erfahrung, die zu einer wahren Blüte
des Glaubens an Jesus Christus und
an seine Kirche führte. Man kann die
Freude und das Selbstbewusstsein der
Gläubigen solcher kirchlichen Basisgemeinden aus der ersten Skizze ersehen,
die aus der Praxis von dreißig Basisgemeinden einer Region hervorgegangen
ist, und aus den folgenden Skizzen von
ihrer Begeisterung, ihrer Problematik
und ihrer Erneuerungskraft, die sie aus
dem Gotteswort schöpfen. Die kirchlichen Basisgemeinschaften machten die
Erfahrung, dass sie als Salz der Erde
dem Leben Geschmack und Würze
gaben. (Mt 5,13).
Neue Impulse, die von der päpstlichen Enzyklika von Johannes Paul II,
„Redemptoris Missio“ (Sendung des
Erlösers) ausgegangen und durch die
Lateinamerikanische Bischofskonferenz
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in Santo Domingo für Lateinamerika
angepasst worden waren, führten zu
neuen Entwicklungen in der Erfahrung
der verwandelnden Kraft des Gotteswortes. „Ihr Völker alle, öffnet Tür und
Tor für Jesus Christus. Die Freiheit des
Menschen wird durch sein Evangelium
nicht beschnitten. Nehmt Christus in
Euch auf. Öffnet euch ihm, dem wahren
und eigentlichen Wort Gottes, ihm, in
dem Gott sich uns wahrhaft zu erkennen gibt und den Weg zu ihm geleitet…
Keiner der Gläubigen, keine Institution
der Kirche kann sich dieser wichtigsten Sendung entziehen: Allen Völkern
Christus zu verkünden“. (Redemptoris
Missio). „Das ist unsere Aufgabe: In
der Wahrheit Christi die Dimensionen des sozialen Lebens mit der alles
verwandelnden Kraft des Evangeliums
ganz und gar zu durchtränken“. (Santo
Domingo).
In der Volksmission werden alle Familien, auch die in den abgelegensten
Häusern, besucht, fahnenschwenkend,
singend, mit verschiedenen Instrumenten begleitet, verkündigend und segenbringend. Jeden Abend finden Gottesdienste mit einer wachsender Zahl von
Teilnehmern statt. Es gibt gemeinsame
Aktionen für einsame und notleidende
Menschen. Nicht die Sakramentenspendung ist Ziel dieser Volksmission. Sie
bleibt anderen Phasen der Volksmission
vorbehalten. Ihr Ziel ist Glaubensbegründung und Glaubenserneuerung
besonders im Hinblick auf den lebendigen Gemeinschaftsgeist der Gläubigen. Diese Arbeit der „Santas Missões
Populares“ (der Heiligen Populären
Mission) hat in vielen Diözesen am
Amazonas dazu geführt, dass aus der
traditionellen Kleruskirche, zumindest
im Ansatz, eine Volkskirche entstanden ist, die größten Wert darauf legt,
dass in ihr Priester und Bischöfe voll
integriert sind und in ihr ihren schöpferischen Beitrag geltend machen, ohne
sie zu dominieren. Alle zehn Jahre gibt
es eine ebenso animierte Erneuerung
der Volksmission, wie es die erste war.
Laien, Priester und Bischöfe nehmen
an ihr teil. Die oft erstarrten Grenzen
zwischen Gemeinschaften, Pfarreien
und Diözesen werden dabei überwunden. Alles ist getragen von der Kraft des
Gotteswortes.
Das Wort Gottes
in Kleingruppen
Es gibt noch eine andere Glaubenserfahrung, die häufig wie bei uns in dieser
Phase des Prozesses der Erfahrung der
gestaltenden Kraft des Gotteswortes gemacht wird. Gläubige kirchliche Basisgemeinschaften machen die Erfahrung,
dass sie in der brüderlich-schwesterlichen Gemeinschaft so stark geworden
sind, dass sie in der Nachfolge Jesu
Christi der Willkürherrschaft korrupter
Politiker und der Ausbeutung mächtiger Konzerne Einhalt gebieten können.
Es handelt sich dabei um gewaltlosen
Widerstand, wie er von Jesus Christus
um den Preis seines eigenen Lebens
praktiziert worden war. Christliche
Basisgemeinden machen die Erfahrung,
dass sie die Sendung haben, „Licht der
Welt“ zu sein. (Mt 5,14).
Ausgehend von den kleinen Gruppen, die
sich in den Basisgemeinden wöchentlich
treffen, um - vom Studium des Sonntagsevangeliums aus - den Sonntagsgottesdienst vorzubereiten, wird in den
Gruppen der Erwachsenenkatechese, der
Firmkatechese, in zahllosen Kursen auf
Diözesanebene, in den Pfarreien, immer
in kleinen Gruppen das Wort Gottes in
seinen geistlichen Impulsen ausgeschöpft,
nicht auf Grund vorausgehender theologischer Vorträge, sondern dem Wehen des
Heiligen Geistes im Leben der einfachen
Gläubigen vertrauend. Es gibt keine komplizierten Systeme der Schriftbetrachtung.
Am Anfang steht die gemeinsame Bitte
um den Beistand des Heiligen Geistes
und der Schrifttext wird von einem der
Teilnehmer vorgelesen. In kontemplativer
Stille versucht jeder, diesen drei Schritten
Im Netz der kirchlichen Basisgemeinden ist eine Bekehrung im Begriff,
sich zu vollziehen, unterstützt von der
gegenwärtigen Vorbereitung der großen
Volksmission, die von begeisterten Laien
gemeinsam mit ihren Priestern ausgeführt wird: Kirchliche Basisgemeinden,
die das Studium des Gotteswortes
zusammen mit der pastoralen Arbeit
und der Liturgie, die in der Eucharistie
ihren Höhepunkt erreicht, wieder an die
erste Stelle treten lassen, deren symbolische Standarte den verklärten Herrn
eines Neuen Himmels und einer Neuen
Erde darstellt, der in seiner Erhöhung
alle an sich zieht. Das ist eine Kirche,
die sich als „Stadt auf dem Berge“ (Mt 5,
14) versteht, deren Mission prophetischeschatologisch zu verstehen ist als Sauerteig der Verwirklichung des göttlichen
Schöpfungs- und Erlösungsplans bis hin
zur Wiederkunft des Auferstandenen
Herrn. Nur aus der Kraft einer solchen
biblisch begründeten Vision können
kirchliche Basisgemeinden ihre gegenwärtige Krise in Hoffnung überwinden.
zu folgen: Was berührt mich am meisten
an diesem Text? Welche Neuigkeit in der
Erkenntnis Jesu vermittelt mir dieser Text?
Welchen Impuls der persönlichen und
gemeinsamen Bekehrung entnehme ich
ihm? Nach etwa einer halben Stunde kann
jeder und jede etwas von seiner oder ihrer
Reflektion der Gruppe mitteilen. Jemand
spricht abschließend ein freies Gebet. Wir
rechnen damit, dass ein solches Schriftstudium hellhörig macht für die Stimme
des „Inneren Meisters“ (Eugen Biser), der
auf eine sehr dezente Weise die Seinen auf
göttlichen Wegen geleitet, und wir machen
die Erfahrung, dass es geschieht.
Padre Alfonso Blumenfeld
Priester der Diözese Mainz
seit 1972 in der Pfarrei Nossa Senhora de
Saúde in Juruti, Diözese Óbidos, Brasilien
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