SWR2 Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT
SWR2 Musikstunde
Sehnsucht des Glücklichen: Felix Mendelssohn
Folge 2
Mit Wolfgang Sandberger
Sendung:
14. März 2017
Redaktion: Dr. Ulla Zierau
Produktion: SWR 2014
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw.
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Musikstunde mit Wolfgang Sandberger
Dienstag, 14. März 2017
Sehnsucht des Glücklichen: Felix Mendelssohn, Folge 2
...dazu begrüßt Sie Wolfgang Sandberger. Einen schönen guten Morgen. Sehnsucht
des Glücklichen – Felix Mendelssohn Bartholdy steht wieder im Mittelpunkt der
Musikstunde, heute geht’s um seine romantische Sehnsucht nach dem historisch
Fernen und Fremden, um seinen Enthusiasmus für die alte Musik...
Kaum ein anderer Komponist hat im Hause Mendelssohn eine so große Rolle
gespielt wie Johann Sebastian Bach: Als Fanny, die Schwester von Felix geboren ist,
da sind ihr gleich „Bachsche Fugenfinger“ attestiert worden, von den stolzen Eltern:
Bachsche Fugenfinger bei einer Neugeborenen? Da ahnen wir, wie sehr der
Leipziger Thomaskantor zum Bildungsprogramm der Mendelssohns gehört hat:
Musik 1
CD 1 Track 92.41“
Johann Sebastian Bach
Sonatina zum Actus tragicus BWV 106
Ensemble Cantus Cölln
Ltg. Konrad Junghänel
Hm 901694
M0027543 009
Die einleitende Sonatina zum Actus tragicus von Johann Sebastian Bach, diese
Kantate „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ ist schon früh im Hause Mendelssohn
aufgeführt worden, Vater Abraham hat den Tiefsinn dieser Choralkantate bewundert
und der junge Felix hat sich wie ein musikwissenschaftlicher Spürhund für alte Noten
interessiert, für Noten von Bach, aber auch von Händel. Seine Neugier hat sogar bis
zu Palestrina zurückgereicht, die sogenannte klassische Vokalpolyphonie – zu einer
Zeit als das 16. Jahrhundert noch vielfach Terra incognita gewesen ist, trotz der
romantischen Sehnsucht nach fernen historischen Zeiten. Wie innovativ diese
Begeisterung für die Alte Musik bei Mendelssohn gewesen ist, mag der Vergleich zu
dem Wiener Musikpapst Eduard Hanslick zeigen – immerhin einer der ersten
professionellen Musikhistoriker überhaupt. Noch Jahre nach Mendelssohns Tod hat
Hanslick gemeint: Man müsse zugeben, dass „eine Scheidewand uns von der
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Ideenwelt der alten Meister trennt.“ Und ganz offen hat Hanslick bekannt: Er würde
„lieber den ganzen Heinrich Schütz verbrennen sehen als das „Deutsche Requiem“
von Brahms, lieber Palestrinas Werke als die von Mendelssohn, ja lieber alle
Konzerte und Sonaten von Bach als die Quartette von Schumann oder Brahms.“
Nach Hanslicks eigenen Worten ein „schreckliches Gedankenspiel“, doch zeigt es
uns ganz ungeschminkt eine Wertvorstellung, die noch für die Mitte des 19.
Jahrhunderts typisch ist. Die Musik von Palestrina, Schütz, ja selbst die von Bach
liegt noch hinter einer „Scheidewand“ – Mendelsohn hat wie kaum ein zweiter
Brücken in dieses damals noch vielfach ungekannte Land geschlagen – ins Land der
Alten Musik.
Seine legendärste Pioniertat: die Wiederaufführung der Matthäuspassion. Daraus
hier die Erbarme-Dich-Arie, bei Bach im Original eine Alt-Arie, die Mendelssohn aber
für eine junge Sopranistin eingerichtet hat:
Musik 2
CD 2 Track 96.46“
Johann Sebastian Bach/Felix Mendelssohn
„Erbarme Dich Arie“ aus der Matthäuspassion BWV 244
Christine Schäfer, Sopran
NDR-SO
Peter Schreier, Leitung
„Die Passion ist ins öffentliche Leben getreten und Eigentum der Gemüter
geworden.“ Schöner kann man es kaum sagen als mit diesem leisen, innigen Satz.
Fanny Mendelssohn hat ihn geschrieben im März 1829 in einem Brief an Carl
Klingemann, den Freund der Familie in London. Sie hat damit Bericht erstattet von
der Pionier-Tat ihres Bruders Felix, eine Tat, die heute gern als "Urknall der BachRenaissance" vermarktet wird: die erste Wiederaufführung der Matthäuspassion von
Johann Sebastian Bach in der Berliner Singakademie. Das ist die Erbarme-Dich-Arie
gewesen, die Mendelssohn für eine junge Sopranistin arrangiert hat, wir hörten
Christine Schäfer, begleitet von Musikern des NDR SO unter der Leitung von Peter
Schreier, eine Rekonstruktion der Mendelssohn-Fassung.
Die denkwürdige Wieder-Aufführung dieser Bach-Passion ist alles andere als ein
privates Unternehmen von Mendelssohn gewesen. Das Projekt ist von Anfang an
von einer öffentlichen Pressekampagne des Berliner Musikgelehrten Adolf Bernhard
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Marx begleitet worden. Schon im Vorfeld der Aufführung hat Marx angekündigt, die
Matthäuspassion sei das „größte Werk unseres größten Meisters, das größte und
heiligste Werk der Tonkunst aller Völker“ - keinen Superlativ hat Marx da
ausgelassen. Mendelssohns Aufführung hat er dann als „Hochfeier der Religion und
Kunst“ bezeichnet. Ziel dieser Presse-Kampagne: „die Bedeutung der Passion und
ihre Auferstehung von den Todten zu offenbaren.“ Marx hat hier also sogar die
Assoziation des Ostergeschehens ganz bewusst beschworen. Den ausführlichen
Bericht über die Aufführung und Mendelssohn hat er schließlich unter das Motto
gestellt: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“
Wer, so wird man fragen müssen: Jesus oder Bach?
Musik 3
CD 2 Track 27
bis 1.41”
Johann Sebastian Bach/Felix Mendelssohn
„Und siehe da“ Rezitativ und Chor aus der Matthäuspassion BWV 244 Peter
Schreier, Evangelist, NDR-Chor NDR-SO
„Es ist mir als wenn ich von fern das Meer brausen hörte“ – so der alte Goethe als
ihn die Nachricht von der Aufführung der Bachschen Matthäuspassion unter der
Leitung von Felix Mendelssohn erreicht hat. Ein von fern brausender Ozean ist
Bachs Musik also in den Ohren des Geheimen Rates. Und kaum jemand hat diesen
großen Ozean damals so erkundet wie der Bach-Pionier Mendelssohn – nicht nur bei
seiner heute legendären Aufführung der Matthäuspassion von 1829. Nein, immer
wieder hat die Musik Bachs auch den Komponisten Mendelssohn inspiriert. Der
junge Felix hat seine eigenen Werke in diesem Lichte durchaus kritisch beäugt:
„Niemand kann mir verbieten, mich dessen zu freuen und an dem weiter zu arbeiten,
was mir die großen Meister hinterlassen haben“ so schreibt er an seinen Lehrer
Zelter und auch die weiteren Zeilen klingen fast wie eine Rechtfertigung des jungen
Komponisten: „von vorne soll wohl nicht jeder wieder anfangen, aber es soll auch ein
Weiterarbeiten nach Kräften sein, nicht ein todtes Wiederholen des schon
Vorhandenen“.
Mendelssohn hat hier ein Kernproblem seiner Zeit auf den Punkt gebracht: die
romantische Sehnsucht nach der Ferne, die Orientierung an historischen Vorbildern,
die doch mehr sein muss als nur eine reine Wiederholung des Altbewährten. Unter
4
den „großen Meistern“ - von denen Mendelssohn hier spricht - hat Johann Sebastian
Bach ganz oben gestanden, immer wieder ist er der Maßstab aller Dinge. Natürlich
auch, wenn Mendelssohn Choralkantaten schreibt
„Haben sie Ähnlichkeit mit Sebastian Bach, so kann ich wieder nichts dafür, denn ich
habe sie geschrieben, wie es mir zu Muthe war. Doch ich copire seine Formen nicht,
ohne eigenen Inhalt; da könnte ich vor Widerwillen und Leerheit kein Stück zu Ende
schreiben.“
Musik 4
CD 3 Track 44.18“
Felix Mendelssohn Bartholdy
Choralkantate Nr. 5 „Verleih uns Frieden gnädiglich“
Chamber Choir of Europe
Württembergische Philharmonie Reutlingen
Ltg. Nicol Matt
Brillant 99997/ 3 LC 9999
M0089683 004
Die Ähnlichkeit mit Johann Sebastian Bach: Felix Mendelssohn selbst hat sie erkannt
und sich zugleich gegen den Vorwurf der Kopie verwahrt. Doch selbst für Freunde ist
es mitunter nicht leicht gewesen, den Maßstab Bach außer Acht zu lassen. Beispiel:
die Präludien und Fugen für Klavier, opus 35 von Mendelssohn. Der hat diese Serie
übrigens erst veröffentlicht, als er nach barockem Vorbild sechs Werke zusammen
hatte, Werke über die Robert Schumann nun eine Rezension geschrieben hat:
„Ich will nicht blind loben und weiß recht gut, daß Bach noch ganz andere Fugen als
Mendelssohn gemacht, ja gedichtet. Aber stände Bach jetzt aus dem Grab auf, so
würde er - erstens vielleicht etwas um sich wettern rechts und links über den
Musikzustand im allgemeinen; dann aber sich gewiß auch freuen, daß einzelne
wenigstens noch Blumen auf dem Felde ziehen, wo er riesige Eichenwälder
angelegt. Mit einem Wort: die Fugen von Mendelssohn haben viel Sebastianisches
und könnten den scharfsichtigsten Redakteur irre machen, wär es nicht der Gesang,
der feinere Schmelz, woran man die moderne Zeit herauskännte, und hie und da
jene kleinen Mendelssohn eigentümlichen Striche, die ihn unter Hunderten als
Komponisten verraten“ – so Robert Schumann.
5
Die Größe von solchen Bachschen Eichenwälder ist natürlich überwältigend, aber
sind einzelne, hübsche Blumen für uns nicht vielleicht doch leichter zugänglich,
poetischer? Wie auch immer wir Schumanns Vergleich verstehen wollen: recht hat er
sicher mit der Feststellung, dass die Fugen von Mendelssohn viel „Sebastianisches“
haben - andererseits aber doch in den Feinheiten den Komponisten Mendelssohn
verraten. So ist auch die f-moll Fuge ein romantisches Charakterstück, das hinter der
Maske des Kontrapunkts auf poetische Weise die Elfen-Sphäre aus dem
Sommernachtstraum beschwört...
Musik 5
Track 10
3.34“
Felix Mendelssohn Bartholdy Fuge f-moll aus dem op. 35 Martin Jones, Klavier
NI 5071 LC 9999
M0115214 010
Mit Elfenhand auf Bachs Spuren: Die f-moll Fuge aus dem op. 35 von Mendelssohn
in einer Aufnahme mit dem Pianisten Martin Jones. Mendelssohn selbst ist übrigens
nicht nur ein brillanter Bach-Interpet auf dem Klavier gewesen, sondern auch ein
ausgezeichneter Organist: so manches Mal ist er nach einem Orgelmarathon mit
Bach-Werken in Orgelpassagen über die Straße getorkelt, so berichtet der junge
Mann seiner Mutter nach dem intensiven Orgel- und Pedalüben in der Leipziger
Thomaskirche. Der Erlös dieser Orgelkonzerte ist für einen guten Zweck bestimmt
gewesen: für die Errichtung eines Bach-Denkmals, das bald in der alten Messestadt
hat auch realisiert werden können: eine Bach-Büste unter einem gotischen
Baldachin, ein „hübsches Denkmal“ wie Mendelssohn selbst gemeint hat.
Mendelssohns Erfahrungen auf der Orgel-Bank, sein Bach-Spiel auf der
Orgelempore hat natürlich auch in seinen eigenen Orgelkompositionen Spuren
hinterlassen, mit kontrapunktischen Kabinettstückchen, mit Choralzitaten,
Choralvariationen und anderen historisierenden Momenten:
Musik 6
Felix Mendelssohn
Orgelsonate aus op. 65, 6 Allegro molto, 2. Satz und Finale Andreas Buschnakowski,
Orgel: Eule-Orgel, von der Firma Hermann Eule, Bautzen, im Dom zu Zwickau
M0340223 008 + 010, 314 + 2’48
6
Die Nähe zu Bach – bei dem getauften Juden Mendelssohn steht sie auch für seine
Verankerung im aufgeklärten Protestantismus.
1830 bekennt er, ein „Anhänger von Schleiermacher“ geworden zu sein. Ohne diese
religiöse Überzeugung wäre es wohl auch kaum erklärbar, warum Mendelssohn sich
ausgerechnet in Rom, der Stadt des Vatikans und des Papstes mit Luther-Chorälen
beschäftigt hat. Der junge Komponist hört in der Ewigen Stadt täglich die päpstliche
Kapelle, und da sei ihm – so schreibt er an seinen ehemaligen Lehrer Zelter, da sei
ihm „nun recht wieder aufs Herz gefallen, wie sonderbar es hier mit Allem sei. Die
Kapelle sang nicht besonders; die Compositionen taugten nichts, andächtig waren
die Leute auch nicht und das Ganze tat doch eine göttliche Wirkung.“
Der Wirkung der päpstlichen Kapelle hat sich Mendelsohn also nicht ganz entziehen
können, auch wenn er vom Niveau der Musik und den Interpreten im Vatikan
enttäuscht gewesen ist. Doch damit nicht genug, auch die oberflächliche Religiosität
in Rom ist ihm auf die Nerven gegangen: „Sie haben eine Religion und glauben sie
nicht, sie haben einen Papst und Vorgesetzte, und verlachen sie.“
Vor diesem Hintergrund ist es dann vielleicht nicht mehr ganz so erstaunlich, dass
der getaufte Protestant sich in Rom intensiv mit Lutherchorälen auseinandersetzt:
einen ganzen Band mit solchen Chorälen hat er auf der Italien-Reise dabei, eine Art
Selbstvergewisserung der eigenen religiösen Überzeugung. Besonders intensiv
beschäftigt hat Mendelssohn sich in Rom mit dem Choral „Mitten wir im Leben sind“,
wie die damals entstandene Choralmotette aus seinen Kirchenstücken op. 23 zeigt –
ein tiefsinniges Stück für achtstimmigen Chor a cappella. Ausgesucht hab ich für uns
eine Aufnahme mit dem Kammerchor Stuttgart unter Frieder Bernius.
Musik 7
Track 5
6.33“
Felix Mendelssohn
„Mitten wir im Leben sind“ op. 23, Nr. 3
Kammerchor Stuttgart
Ltg. Frieder Bernius
CV 83.203 LC 3989
M0026382 005
„Mitten wir im Leben sind“ – der Kammerchor Stuttgart ist das gewesen unter der
Leitung von Frieder Bernius. Mit einem anderen Lutherlied hat sich Mendelssohn
7
damals in Italien ebenfalls intensiv beschäftigt, mit dem Lied „Ein feste Burg ist unser
Gott“ – ein Choral, der später auch im Kaisermarsch von Richard Wagner zitiert
werden wird. Bei Wagner ist das Musik zur Reichsgründung, ein patriotischer
Protestantismus, der 1871 zu einer Art Reichskonfession geworden ist und so hat
man damals in den Festreden viel hören können von den großen kulturhistorischen
Linien „von Luther über Friedrich den Großen bis hin zu den protestantischen
Reichsgründern aus der Hohenzollerndynastie und weiter bis zu Bismarck oder
Moltke:
Ein feste Burg ist unser Gott, Ein gute Wehr und Waffen; Er hilft uns frei aus aller
Not, Die uns itzt hat betroffen.
Auch Felix Mendelssohn Bartholdy hat diesen Luther-Choral also aufgegriffen, schon
1830 in seiner fast schon berüchtigten „Symphonie zur Feier der Kirchen-Revolution“
- so jedenfalls hat Mendelssohn seine Reformations-Sinfonie ursprünglich genannt.
Der Anspruch dieser Sinfonie: die lutherische Reformation musikalisch zu würdigen.
Und der theologische Zusammenhang wird eben durch den Luther-Choral hergestellt
- er nämlich ist das Hauptthema des gesamten Finales. Damit nicht genug:
Mendelssohn hat diesen Choral kontrapunktischen Eskapaden unterworfen,
Eskapaden, bei denen wohl auch Bach die Ohren angelegt hätte. Nicht ganz
unverständlich sind daher auch die kritischen Stimmen, die einst gemeint haben, die
Reformationssymphonie enthalte doch viel zu viel Fugato und zu wenig Melodie. Und
der Komponist selbst? Der hat sich im Umgang mit dieser Sinfonie später wenig
reformatorisch gezeigt, sondern eher als unbarmherziger Großinquisitor in eigener
Sache: „Die Reformationssymphonie möchte ich lieber verbrennen als irgend ein
anderes meiner Stücke“ - so Mendelssohn, der die Partitur denn aber doch nicht
verbrannt hat...
Musik 8
Track 8
9.06“
Felix Mendelssohn Bartholdy Finale „Ein feste Burg“ aus der Sinfonie Nr. 5 D-dur op.
107 London Symphony Orchestra Ltg. Claudio Abbado
DG 415 974-2
M0014842 008
Ein feste Burg ist unser Gott- das Finale aus der Reformationssinfonie von Felix
Mendelssohn Bartholdy.
8
Heinrich Heine hat den christlichen Glauben des getauften Juden Felix Mendelssohn
Bartholdy einigermaßen böswillig in Zweifel gezogen. Als der „Paulus“ von
Mendelssohn in Paris vorgestellt worden ist, da hat sich der Dichter zu Wort
gemeldet, denn Mendelssohns Oratorium hatte sich in dieser Saison mit einem
geistlichen Werk ganz anderer Art zu messen: mit dem „Stabat mater“ von
Gioacchino Rossini. Polemisch hat sich Heine zum Ausgang dieses Wettstreits
geäußert und gemeint, dieser Vergleich sei keineswegs zum Vorteil des jungen
Mendelssohn ausgegangen: ja eine solche Gegenüberstellung zwischen Rossini und
Mendelssohn wäre so, als vergleiche man den Apennin Italiens mit dem Templower
Berg bei Berlin. Aber der Templower Berg – so Heine ironisch - erwerbe sich den
Respekt der großen Menge allein dadurch, daß er ein Kreuz auf seinem Gipfel trage:
'Unter diesem Zeichen wirst du siegen.' - Freilich nicht in Frankreich, dem Land der
Ungläubigen, wo Herr Mendelssohn immer Fiasko gemacht hat.“
Hier ging Heine dann doch etwas zu weit: Dass der Paulus von Mendelssohn in
Frankreich nicht angekommen sei, ist historisch durch nichts zu belegen – im
Gegenteil.
So, das ist die Musikstunde für heute gewesen. Mein Name Wolfgang Sandberger.
Freu m ich, wenn sie morgen wieder bei der Mendelssohn-Musikstunde dabei sind.
Zum Schluss heute eine Chorminiatur von Mendelssohn, die sich bei den
Kirchenchören landauf landab fast konkurrenzlos großer Beliebtheit erfreut und in der
Tat haben es die folgenden dreieinhalb Minuten ja auch in sich: Engelsgleicher
Wohlklang und eine seelig-dahinströmende Melodie in dem achtstimmigen Chor
„Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen
Wegen“:
Musik 9
CD Track 15 3.30“
Felix Mendelssohn
„Denn er hat seinen Engeln befohlen“
9
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