Wandel und Bewegung 8.–10. Mai 2015, Berlin

Werbung
© 2015 Schattauer GmbH, Stuttgart
■ ABSTRACTS ■
Hauptstadtkongress Psychodynamik
Psychodynamische Psychotherapie –
Wandel und Bewegung
8.–10. Mai 2015, Berlin
8.–10.
i
Ma
2015
Abstracts
2
1
M. Spitzer
Psychotherapie und Berufspolitik
R. Richter
Universitätsklinikum Eppendorf, Zentrum
für Innere Medizin, Poliklinik für Psychosomatik
und Psychotherapie, Hamburg
Plenarveranstaltung am 8. Mai 2015, 12.15 Uhr
bis 13.00 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus, Berlin
Der Vortrag behandelt das Verhältnis von psychotherapeutischer Tätigkeit und berufspolitischen Engagement unter Rückgriff auf die langjährigen Erfahrungen eines Psychotherapeuten
in der deutschen Gesundheitspolitik. Das Verhältnis dieser beiden Lebenswelten wird unter
vielfältigen Perspektiven beleuchtet: Psychotherapie mit und ohne Berufspolitik; Psychotherapie neben Berufspolitik; Psychotherapie innerund außerhalb der Berufspolitik; Psychotherapie
trotz Berufspolitik; Berufspolitik für und gegen
Psychotherapie; Berufspolitik als Psychotherapie; Berufspolitik statt Psychotherapie.
Dabei werden sowohl (I) zentrale Konstrukte
der psychodynamischen Theorie im berufspolitischen Kontext diskutiert: dysfunktionale Beziehungen, unbewusste Konflikte und strukturelle
Defizite bestimmen (selbstverständlich) auch
berufspolitische Beziehungen und Prozesse als
auch (II) zentrale Konzepte der psychodynamischen Technik (Übertragung/Gegenübertragung,
Widerstand, Abstinenz und Neutralität, Mentalisierung u.a.) im Kontext berufspolitischer Beziehungen diskutiert.
Lernen und Unbewusstes
Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Psychiatrie
und Psychotherapie III, Ulm
Plenarveranstaltung am 8. Mai 2015, 13.00 Uhr
bis 13.45 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus, Berlin
Im Laufe seines Lebens hat jeder Mensch viel zu
lernen. Aus der Schule kennen wir z.B. als explizite Lernform das Auswendig-Lernen von Fakten. Im Vortrag „Lernen und Unbewusstes“ wird
gezeigt, dass Lernen ein viel komplexerer Vorgang ist, der zum Teil auch „nebenbei“ abläuft –
und Psychotherapie ist letztlich auch eine besondere Form des Lernens.
Wir sind Lernwesen, können von allen Lebewesen auf Erden eines am besten: Lernen. Unser
Gehirn ermöglicht es uns, dass Lernvorgänge sogar unbewusst – implizit – ablaufen können: Die
meisten Lernprozesse, die in unserem Gehirn
stattgefunden haben und permanent stattfinden,
sind uns überhaupt nicht bewusst: Das kleine
Kind lernt Laufen ohne darüber nachzudenken
oder auch nur einen Gedanken an Lernen zu
verschwenden. Wir alle haben in der gleichen
Weise sprechen gelernt, also nicht nur Tausende
von Wörtern, sondern auch die komplexesten
Regeln von deren Benutzung.
Fertigkeiten, Fähigkeiten, Haltungen und Einstellungen lernen Kinder durch Wahrnehmung
und Tun. Die Gehirnforschung zeigt zudem,
dass Spielen und Lernen für kleine Kinder identisch sind und das Spiel ganz allgemein den
Nährboden für künftiges Lernen bereitet.
Inwieweit können wir Erwachsenen uns das unbewusste Lernen zu Nutzen machen?
Downloaded from www.pdp-online.info on 2017-08-21 | IP: 88.99.70.242
For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.
A1
A2
Abstracts
3 Psychoneuroimmunologie und
Psychotherapie
C. Schubert
Labor für Psychoneuroimmunologie, Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie Innsbruck, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Österreich
Plenarveranstaltung am 8. Mai 2015, 14.15 Uhr
bis 15.00 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus, Berlin
Neueren medizinischen Konzeptionen zufolge
muss man heute davon ausgehen, dass die Systeme des Organismus (u.a. Nerven-, Immun-,
Hormonsystem) nicht nur untereinander, sondern auch mit der Umwelt vernetzt sind. Der
Forschungsbereich Psychoneuroimmunologie
(PNI) untersucht diese komplexen Zusammenhänge und gilt als Forschungsbereich, von dem
in Zukunft die meisten Innovationen für Theorie
und Klinik in der Medizin zu erwarten sind. Es
werden grundlegende Forschungsergebnisse der
PNI referiert sowie ein erster Einblick in die Zusammenhänge zwischen psychologischen Interventionen und Aktivität des Immunsystems gegeben (u.a. Immunkonditionierung, Hypnose,
Stress-Management, Gesprächstherapie). Dabei
werden auch die Grenzen herkömmlicher Forschungszugänge (u.a. Prä-Post-Gruppendesigns)
in der PNI deutlich, die – ganz im Sinne des biomedizinischen Reduktionismus – darauf ausgelegt zu sein scheinen, immunologische Wirksamkeit von Psychotherapie zu belegen, nicht
jedoch neues Wissen von körperlicher Erkrankung aus dem Verständnis psychosozialen Dysfunktionierens zu generieren. Um in Zukunft
körperliche Erkrankung mit psychotherapeutischen Mitteln gezielt heilen zu können, ist ein
Paradigmenwechsel in der medizinischen Forschung unumgänglich. Wir gehen davon aus,
dass dies mit einer angemessenen methodischen
Berücksichtigung individuell bedeutsamer Realität („Bedeutung“) und dynamischer Komplexität („Zeit“) möglich ist. Integrative Einzelfallstudien verwenden daher eine Kombination aus
qualitativen Methoden und Zeitreihenanalyse
um der Komplexität der PNI methodisch besser
zu entsprechen. Die mit diesem Vorgehen erzielten Ergebnisse werden vorgestellt.
Literatur: Schubert C (Hrsg). Psychoneuroimmunologie und Psychotherapie, 2. Auflage.
Stuttgart: Schattauer 2015.
4 Identität und Beziehungen:
Therapeutische Konsequenzen der
veränderten Identitätsentwicklung
I. Seiffge-Krenke
Mainz
Plenarveranstaltung am 8. Mai 2015, 15.00 Uhr
bis 15.45 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus, Berlin
Psychotherapeuten begegnen heute zunehmend
jüngeren Patienten, deren Identität noch nicht
entwickelt ist, oder älteren, deren Identität verunsichert ist, beispielsweise durch den Verlust
ihrer Arbeitsstelle oder durch die Trennung von
ihrem Partner. War früher die Wiederherstellung
der Autonomie eines Patienten das vordringliche
Therapieziel, so rückt heute verstärkt die Identitätsarbeit in den Vordergrund, oftmals das Zusammenfügen von nichtkohärenten Identitätsfragmenten. Die Zahl der Fälle dieser „Identitätsdiffusion“ nimmt gegenwärtig zu, da sich Familie und Arbeitswelt – die eigentlichen Ankerpunkte für eine solide Identitätsentwicklung –
im Umbruch befinden und ihre althergebrachten Funktionen immer seltener erfüllen. Zugleich gibt es eine zunehmende Anzahl von Patienten mit Migrationshintergrund, die ihre Identität erst entwickeln oder stark verändern müssen. Von besonderer Bedeutung sind Eltern als
„Identitätsbremse“, aber auch die Konsequenzen für die Paarbeziehung, die sich aus einer
Verlängerung und Diversität der Identitätsentwicklung ergeben. Insbesondere die Entwicklung zu pseudointimen, wenngleich langfristigen Beziehungen, aber auch die Zunahme an
kurzfristigen, ungebundenen Paarbeziehungen
(„hooking up“, „friends with benefits“). Diese
Entwicklung wird aufgegriffen und die therapeutischen Konsequenzen, die sich nicht nur in Be-
Downloaded from www.pdp-online.info on 2017-08-21 | IP: 88.99.70.242
For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.
A3
Abstracts
zug auf die Therapie von Kindern und Jugendlichen, sondern auch bzgl. Elternarbeit und der
Arbeit mit erwachsenen Patienten ergibt, reflektiert. Dabei geht es um die Frage, wieviel Unterstützung therapeutisch angemessen ist, wann
Strukturarbeit- im Vergleich zur Arbeit an Konflikten- angemessen ist und wie man diagnostisch Identitätskrise von Identitätskonflikt und
Identitätsdiffusion trennt, ein Aspekt, der vor allem in Bezug auf die Zunahme von Persönlichkeitsstörungen relevant ist.
Literatur: Seiffge-Krenke I (2012). Therapieziel Identität. Klett-Cotta.
5
Psychotherapie und Oxytozin
A. Buchheim
Universität Innsbruck, Institut für Psychologie,
Innsbruck, Österreich
Plenarveranstaltung am 9. Mai 2015, 09.00 Uhr
bis 09.45 Uhr, Kaiserin-Friedrich-Stiftung, Berlin
In der aktuellen neuropsychiatrischen Forschung
sind die beeindruckenden verhaltensregulierenden Einflüsse des Oxytocins von zunehmendem
Interesse. Tiermodelle geben richtungsweisende
Befunde in den Bereichen Bindungsverhalten,
Sexualität und Brutpflege. Oxytocin spielt eine
wichtige Rolle in komplexen sozio-affektiven
Verhaltensweisen wie sozialer Angliederung,
Bindung, Stress und Angst sowie Bindung, elterlicher Fürsorge, sozialer Exploration und Anerkennung. In letzter Zeit wurden vermehrt Studien publiziert mit der Fragestellung welche Funktion Oxytocin als Einflussvariable bei psychischen Störungen haben könnte. In dem Übersichts-Vortrag werden Befunde des veränderten
Oxytocinsystems bei psychopathologischen Störungsbildern am Beispiel der Depression und
Borderline-Persönlichkeitsstörung berichtet. Es
ergeben sich Hinweise, dass Oxytocin exogen
angewandt eher als Modulator für soziale Interaktionen wirksam wird, abhängig von Faktoren
des Individuums, denn als einseitig prosoziales
Therapeutikum und beispielsweise bei Borderli-
ne-Patienten aufgrund deren adversiven, traumatischen Bindungserfahrungen je nach auslösender Situation zu entweder eingeschränktem
Vertrauen oder zu einer Abnahme von Stressantwort und Bedrohungssensitivität führt. Es stellt
sich die Frage inwiefern sich eine therapeutische
Oxytocingabe zum Beispiel additiv zu Psychotherapie als erfolgsversprechend herausstellen
könnte. Untersuchungen bei psychiatrischen Erkrankungsbildern mit sozialen Defiziten wie der
Schizophrenie, Autismus oder Depression kommen zu unterschiedlichen Resultaten bezüglich
eines therapeutischen Mehrwertes, die im Vortrag diskutiert werden.
6 Unterschiedliche Wege der
Entstehung körperlicher Symptome –
Das psychodynamische Verständnis
S. O. Hoffmann
Hamburg
Plenarveranstaltung am 9. Mai 2015, 09.00 Uhr
bis 09.45 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus, Berlin
Innerhalb der Psychodynamischen Psychotherapie gibt es mehrere Modelle der Entstehung körperlicher (und psychischer) Symptome. Eine gewisse Verwandtschaft zeigen Konversion – noch
von Sigmund Freud entworfen –, Dissoziation –
ein Konstrukt des weniger bekannten Pierre
Janet – und Somatisierung; Letztere von Max
Schur erstmals beschrieben. Sie werden oft verwechselt, erscheinen vielen kaum abgrenzbar
und unverständlich und werden nicht selten
eher als Schlagworte bei der Antragstellung,
denn als nachvollziehbare Konzepte behandelt.
Der Vortrag gibt einen gerafften Überblick in
Entstehung und Grunddynamik der drei Modelle
und wirbt dafür, diese gut unterscheidbaren Entstehungsmechanismen als sich sinnvoll ergänzende zu verstehen.
Downloaded from www.pdp-online.info on 2017-08-21 | IP: 88.99.70.242
For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.
A4
Abstracts
7 Psychodynamische Psychotherapie bei somatoformen Störungen
J. Kruse
Universitätsklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Gießen
Plenarveranstaltung am 9. Mai 2015, 09.45 Uhr
bis 10.30 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus, Berlin
Somatoforme und fuktionelle körperliche Beschwerden sind sehr häufig. In psychotherapeutischen Praxen geben ca. 30% der Patienten körperliche Beschwerden als Grund für die Inanspruchnahme einer Psychotherapie an. Die Patienten haben ein somatisches Krankheitsverständnis, interpretieren Beschwerden und körperliche Korrelate der Affekte als Krankheitszeichen und können Affekte nicht ausreichend zur
Selbst- und Beziehungsregulierung nutzen. Dieses macht es notwendig, störungsspezifische
Aspekte in die psychodynamische Psychotherapie bei dieser Patientengruppe zu integrieren.
Mit der Psychodynamic Intervention for SOmatoforme disorder (PISO) liegt ein psychodynamisches Behandlungskonzept vor, das in einer
multizentrischen Studie auf ihre Wirksamkeit
bei Patienten mit multisomatoformen Störungen
untersucht wurde. Im Workshop werden die
Grundzüge dieses Konzepts an klinischen Beispielen dargestellt.
8 Ressourcenbasierte psychodynamische Therapie strukturell
gestörter Patienten
W. Wöller
Rhein-Klinik, Krankenhaus für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie, Bad Honnef
Plenarveranstaltung am 9. Mai 2015, 09.45 Uhr
bis 10.30 Uhr, Kaiserin-Friedrich-Stiftung, Berlin
Ressourcenbasierte psychodynamische Therapie
verfolgt in der Behandlung strukturell gestörter
Patienten das Ziel, repetitive dysfunktionale Verhaltens- und Beziehungsmuster vor dem Hinter-
grund früher bindungstraumatischer Erfahrungen zu identifizieren und die ihnen zugrunde
liegenden defizitären Ich-Funktionen mittels ressourcenaktivierender Techniken zu entwickeln.
Ausgangspunkt ist die Annahme, dass zahlreiche Ich-Funktionen zwar prinzipiell erlernt, aber
unter dem Einfluss aktueller oder früherer belastender Lebenserfahrungen oder durch die Wirkung verinnerlichter Verbote nicht verfügbar
sind. So verstanden kann strukturbezogene Psychotherapie durch den Einbezug ressourcenaktivierender Interventionen eine bedeutsame Bereicherung erfahren. Während es bei der unspezifischen Ressourcenaktivierung zunächst darum geht, überhaupt positiv getönte Affektzustände zu generieren, zielt spezifische Ressourcenaktivierung darauf ab, die für die Entwicklung spezieller Ich-Funktionsdefizite notwendigen inneren und äußeren Ressourcen zur Verfügung stellen.
9 Übertragungs-Fokussierte
Psychotherapie (TFP) zur
Behandlung der Borderline
Persönlichkeitsstörung
S. Doering
Medizinische Universität Wien, Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie, Wien, Österreich
Plenarveranstaltung am 9. Mai 2015, 11.00 Uhr
bis 11.45 Uhr, Kaiserin-Friedrich-Stiftung, Berlin
Die TFP wurde von Otto F. Kernberg zur Behandlung von PatientInnen mit Borderline Persönlichkeitsstörung bzw. darüber hinaus mit
Borderline Persönlichkeitsorganisation entwickelt. Aufbauend auf der psychoanalytischen
Objektbeziehungstheorie zielt die TFP auf die
Identifikation und Bearbeitung von Spaltungsprozessen in den Selbst- und Objektrepräsentanzen. Ziel ist die Integration der Selbst- und
Objektanteile und damit die Überwindung der
Identitätsdiffusion und der primitiven (interpersonellen) Abwehrprozesse. Die TFP stellt eine
Modifikation der Psychoanalyse in dem Sinne
Downloaded from www.pdp-online.info on 2017-08-21 | IP: 88.99.70.242
For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.
A5
Abstracts
dar, dass zweistündig im Sitzen gearbeitet und
vor Behandlungsbeginn ein Vertrag vereinbart
wird. Eine zentrale Rolle kommt der Deutung
der Übertragungsprozesse im Hier-und-jetzt der
Therapiesituation zu. In zwei großangelegten
randomisiert-kontrollierten Studien konnte die
Wirksamkeit der TFP bei der Behandlung von
PatientInnen mit Borderline Persönlichkeitsstörung belegt werden. Hier zeigte sich insbesondere, dass die TFP nicht nur die Symptomatik
der Borderline Persönlichkeitsstörung signifikant
verbessert sondern auch die Persönlichkeitsstruktur, die Mentalisierungsfähigkeit und den
Bindungsstil.
10 Der Körper in der psychodynamischen Psychotherapie
S. Trautmann-Voigt
Medizinisches Versorgungszentrum für Psychosomatik, Psychotherapie und Psychiatrie (MVZ-Psyche), Bonn; Köln-Bonner Akademie für Psychotherapie
Plenarveranstaltung am 9. Mai 2015, 11.00 Uhr
bis 11.45 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus, Berlin
Neurobiologische Forschungsergebnisse und die
Entwicklungs- und Bindungsforschung beleuchten zunehmend den prägenden Einfluss körperlicher Zustände auf Emotionen und Beziehungsgestaltungen. Die primäre „Grammatik der Körpersprache“ ist für eine grundlegende Herausbildung und für den Erhalt gesunder psychophysischer Strukturen sowie für persönliche Vitalität
und Leistungsfähigkeit von basaler Bedeutung.
Das Körpergedächtnis bewahrt früh erlebte Episoden in spezieller Art und Weise auf und prägt
spätere Erlebens- und Verhaltensmuster – auch
die eines „burn out“ oder „der Depression“. Gegenwärtig erleben wir eine neue Welle voller
„Achtsamkeit“ und „neuer Körperlichkeit“ vor
allem in der Verhaltenstherapie: Alter Wein in
neuen Schläuchen?... Vergangen geglaubte Renaissance des Körpers, wie er aus der Gestalttherapie, den Kreativtherapien und dem Psycho-
drama überliefert ist und hie und da auch in der
Tiefenpsychologie eingesetzt wird? Wie sieht eine sinnvolle und theoretisch fundierte Integration Körper bezogener Interventionen in psychodynamisch fundierten Psychotherapien aus?
In dem Vortrag wird auf diese Fragen Bezug
genommen sowie theoretisch dargelegt und
praktisch anhand einer ausgewählten klinischen
Handlungsprobe per Video verdeutlicht, wann
und wie in der PDP Übersetzungen von der
Sprache in die Körpersprache und zurück erfolgen können – und vor allen Dingen, unter welchen Gesichtspunkten es besonders sinnvoll
sein kann, auf körperliche Wahrnehmungen und
auf die Ebene nonverbaler Handlungsdialoge
mit den Patienten einzugehen: Szenische Inszenierungen bieten sich manchmal spontan zu Interventionen auf der Körperebene an. Manchmal können durch achtsame Körperwahrnehmungsübungen und strukturierende Bewegungsformen im direkten Kontakt Vitalisierung
und Entspannung erreicht werden. Manchmal
hilft auch „nur“ein körperliches Nachempfinden
von diffusen Stimmungen in der Gegenübertragung dabei, tiefer liegende unbewusste Konflikte beim Patienten aufzudecken.
Basale, aus der klinischen Praxis heraus entwickelte Aspekte eines heilenden Umgangs mit
dem „Leiblichen“ werden zusammengeführt
und zeigen, wie ganzheitliches Wahrnehmen,
Problemlösen, Ressourcen aufspüren, Verstehen
und Behandeln in der PDP zusammenwirken
können.
Literatur: Trautmann-Voigt S, Voigt B. Grammatik der Körpersprache. Ein integratives Lehrund Arbeitsbuch zum Embodiment. Stuttgart:
Schattauer 2012.
Trautmann-Voigt S, Voigt B. Körper und Kunst in
der Psychotraumatologie. Stuttgart: Schattauer
2007.
Trautmann-Voigt S, Moll M. Bindung in Bewegung. Konzept und Leitlinien für eine psychodynamisch fundierte Eltern-Säuglings- KleinkindPsychotherapie. Gießen: psychosozial Verlag
2011.
Downloaded from www.pdp-online.info on 2017-08-21 | IP: 88.99.70.242
For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.
A6
Abstracts
11 Herz und Seele – die psychokardiologische Sicht auf Patienten
mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen
A. Boll-Klatt
Universität Hamburg, Institut für Psychotherapie,
Hamburg
Plenarveranstaltung am 9. Mai 2015, 11.45 Uhr
bis 12.30 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus, Berlin
Fragestellungen: 1. Welchen Einfluss haben psychische und psychosoziale Faktoren auf die Entstehung und den Verlauf kardiovaskulärer Erkrankungen (KHK)? 2. Können psychotherapeutische Behandlungsansätze die Prognose von
KHK-Patient_innen verbesssern?
Ergebnisse: Forschungsergebnisse der letzten
2 Jahrzehnte konnten zeigen, dass psychische
und psychosoziale Faktoren für die Entstehung
und den Verlauf kardiovaskulärer Erkrankungen
eine gewichtige Rolle spielen. Die Ergebnisse
der Interheart-Studie (Yusuf et al 2004) z.B. belegen, dass über ein Drittel der Herzinfarkte durch
psychosozialen Stress mitbedingt ist. Eine metaanalytische Auswertung von Herrmann-Lingen
und Buss (2002) zeigte einen deutlichen pathogenen Einfluss einer Postinfarktdepression auf
die somatische Morbidität und Mortalität. Auch
wenn die Datenlage nicht ganz eindeutig ist,
lässt sich konstatieren, dass psychotherapeutische Behandlungsansätze dazu beitragen können, nicht nur die psychische Situation, sondern
auch die körperliche Prognose der Patienten zu
verbessern. Allerdings sind diese Effekte nur unter bestimmten Bedingungen zu erzielen, z.B.
wenn die Therapiedosis hoch genug ist und ein
relativ langer Follow-up-Zeitraum gewählt wird.
Schlussfolgerung: Bereits 2005 forderten Rozanski et al im angesehen American Journal of
Cardiology, dass es angesichts der robusten Datenlage unerlässlich sei, die psychische und psychosoziale Dimension in der Behandlung von
KHK-Patienten zu berücksichtigen. Ein wichtiger
Schritt zur Umsetzung dieser Forderung wurde
mit der Etablierung eines Curriculums zur Psychokardiologischen Grundversorgung (Herrmann-Lingen 2011) geleistet, das nicht nur Ärz-
ten, sondern auch Psychologen seit 2009 als gezielte Weiterbildungsmöglichkeit zur Verfügung
steht. Der Vortrag endet mit einem Überblick
über einige grundlegende psychotherapeutische
Behandlungsstrategien, die der Spezifität dieser
Patientengruppe Rechnung tragen. Eine Vertiefung des psychodynamisch ausgerichteten Therapieansatzes erfolgt dann im Workshop.
12 Strukturbezogene Psychotherapie: Pathogenetische Konzepte und
therapeutische Konsequenzen
G. Rudolf
Universität Heidelberg, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Heidelberg
Plenarveranstaltung am 9. Mai 2015, 11.45 Uhr
bis 12.30 Uhr, Kaiserin-Friedrich-Stiftung, Berlin
Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass die
aus der Neurosenbehandlung abgeleiteten psychotherapeutischen Vorgehensweisen bei Patienten mit persönlichkeitsstrukturellen Störungen oft wenig hilfreich sind. Es stellt sich daher
die Frage nach geeigneten, d.h. der Störung adäquaten Behandlungsweisen.
Auf der Grundlage von entwicklungspsychologischen und neurobiologischen Befunden
wird zunächst der pathogenetische Unterschied
herausgearbeitet zwischen den unbewussten,
aber grundsätzlich bewusstseinsfähigen neurotischen Konflikten und den nicht bewusstseinsfähigen, biografisch frühen Entwicklungsdefiziten,
die einer strukturellen Störung zu Grunde liegen. In Konsequenz dessen werden realistische
Therapieziele und adäquate therapeutische Vorgehensweisen sowie therapeutische Haltungen
diskutiert, die störungsspezifisch auf die Situation der strukturellen Störung und ihrer realistischen Entwicklungsmöglichkeiten zugeschnitten
sind.
Downloaded from www.pdp-online.info on 2017-08-21 | IP: 88.99.70.242
For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.
A7
Abstracts
13 Narzissmus im Spannungsfeld
zwischen Angst und Vertrauen –
zur intersubjektiven Neurobiologie
und Psychologie narzisstischer
Phänomene
H.-P. Hartmann
MediClin Klinik an der Lindenhöhe, Klinik für
Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie,
Offenburg
Plenarveranstaltung am 10. Mai 2015, 09.00 Uhr
bis 09.45 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus, Berlin
Ausgehend von der therapeutischen Erfahrung
bei der Behandlung narzisstischer Persönlichkeitsstörungen wird deren Verletzlichkeit und
Grandiosität mit den offenkundigen Bindungsschwierigkeiten in Verbindung gebracht. Beginnend mit Freuds Narzissmusbegriff und der heute noch aktuellen Differenzierung des Narzissmusverständnisses bei Kohut und Kernberg wird
die dichotome Erfahrung des Narzissmus in seiner vulnerablen und grandiosen Form in Verbindung mit spezifischen Bindungsmustern und
Mentalisierungsstrategien gebracht. Über die
Polarität eines anaklitischen und introjektiven
Modus werden entwicklungspsychologische Ergänzungen eingebracht, die ein integratives Verständnis des Hintergrunds narzisstischer Symptomatik ermöglichen.
Wesentliche Aspekte narzisstischer Symptomatik kreisen um Empathiefähigkeit, Scham und
Selbstwertgefühl. Neurobiologisch begründbar
ist insbesondere der Empathiemange durch Volumenverlust in spezifischen Hirnregionen. Konzeptionell wird auf das neurobiologische Modell von Panksepp und Panksepp Bezug genommen, bei dem Empathie in Abhängigkeit von ihrer Ausprägungsart (Gefühlsansteckung, affektive und kognitive Empathie) hierarchisch auf drei
Ebenen verankert wird (subkortikal, in den Basalganglien und im limbischen System sowie
kortikal). Eine subkortikale Verbindung zwischen Bindung und Narzissmus wird durch Hinweise aus der Bindungsforschung belegt. Neurobiologisch zugeordnet werden kann auch die
Entstehung narzisstischer Wut.
Abschließend wird auf Herausforderungen
der Behandlung in Bezug auf die Auseinandersetzung mit der eigenen narzisstischen Wunde
des Therapeuten Bezug genommen.
14
Trauma und Borderline
U. Sachsse
Asklepios Fachklinikum Göttingen, Göttingen
Plenarveranstaltung am 10. Mai 2015, 09.00 Uhr
bis 09.45 Uhr, Kaiserin-Friedrich-Stiftung, Berlin
Seit den Arbeiten von Herman, Perry und van
der Kolk vor nunmehr 25 Jahren wird kontrovers
diskutiert, ob die Borderline-Persönlichkeitsstörung BPS nicht eher als komplexe Posttraumatische Belastungsstörung kPTBS zu verstehen ist.
Ohne Zweifel spielen Traumatisierungen wie sexuelle und/oder physische Gewalt für zwei Drittel der Borderline-Patienten eine wesentliche
Rolle. Borderline-Patienten haben schlechtere
Entwicklungschancen, wenn sie Opfer von
Childhood Sexual Abuse CSA wurden und neben der Diagnose BPS eine PTBS aufweisen (Zanarini und Hörz). Zudem ist in einer Multi-Center-Studie deutlich geworden, dass Patienten, die
mit dem IPDE als BPS zu diagnostizieren waren,
und Patienten, die mit dem I-kPTBS als komplexe PTBS zu diagnostizieren waren, sich zu mehr
als 80 % überlappen (Sack, Sachsse, Overkamp
und Dulz). Alle statistischen Befunde weisen darauf hin, dass es sich hier um identische Gruppen handelt, die aktuell zwei Diagnosen erhalten können. – Neurobiologisch unterscheidet
sich das System Kampf-Flucht-Amygdala, dessen Sensibilisierung zur PTBS führt, vom System
Bindung. Die Kern-Kriterien der BPS sind die
Kern-Kriterien der Desorganisierten Bindung
Typ-D: 1. Allein sein ist unmöglich (Angst vor
dem Alleinsein); 2. Beziehungen sind unmöglich (Beziehungen sind widersprüchlich und
hoch problematisch); 3. Wer bin ich eigentlich?
(Identitätsdiffusion). Die Gleichsetzung von
Traumata im Sinne der PTBS und Bindungs- und
Beziehungstraumata ist wissenschaftlich und
Downloaded from www.pdp-online.info on 2017-08-21 | IP: 88.99.70.242
For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.
A8
Abstracts
therapeutisch problematisch. Da sowohl Sexueller Missbrauch als auch Misshandlung als auch
Deprivation als auch chronische emotionale Invalidierung sehr schädlich sind, hat sich der Begriff Trauma inflationär entwickelt zur allgemeinen Charakterisierung von allem, was irgendwie
belastend und potenziell schädlich ist.
15 Probleme der Psychosexuellen
Entwicklung (Workshop 32)
H. Richter-Appelt
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie, Hamburg
Plenarveranstaltung „Aktuelle Betrachtungen der
Psychosexuellen Entwicklung“ am 10. Mai 2015,
09.45 Uhr bis 10.30 Uhr, Kaiserin-Friedrich-Stiftung, Berlin
Noch immer werden Probleme der psychosexuellen Entwicklung bei der Anamneseerhebung
sowie im Behandlungsverlauf von Psychotherapien vernachlässigt. Diese Probleme beziehen
sich auf die Identität, Rollenverhalten, sexuelle
Funktion und Präferenz, aber auch auf Fragen
der Grenzverletzungen, den Umgang mit Intimität und nicht zuletzt auf die Bedeutung der Sexualität für die Beziehungsgestaltung. Einleitend
soll ein Überblick über Störungen im Bereich
der Sexualität sowie der Irritationen der Geschlechtsidentitätsentwicklung gegeben werden. Anhand von Fallvignetten soll der Umgang
mit unterschiedlichen Problemen reflektiert werden und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
sollen die Möglichkeit haben eigene Fallbeispiele zu berichten und in der Gruppe zu erörtern.
16 Medikalisierung sozialer
Probleme – die Rolle der Psychotherapie
W. Schneider
Universität Rostock, Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin,
Rostock
Plenarveranstaltung am 10. Mai 2015, 09.45 Uhr
bis 10.30 Uhr, Langenbeck-Virchow-Haus, Berlin
Im Vortrag wird aufgezeigt, wie die Medizin ihre
Definitions- und Handlungsmacht mehr und
mehr erweitert und auch alltägliche und soziale
Probleme medikalisiert und pathologisiert werden. Auf den Gebieten der Psychiatrie und auch
der Psychotherapie ist es wie auch in der Organmedizin zur Ausweitung des Krankheitsbegriffs
über die Herabsetzung der diagnostischen
Schwellen sowie zur Schaffung neuer Krankheiten gekommen. Im Vortrag werden die Wechselwirkungen zwischen den gesellschaftlichen Bedingungen, den psychiatrischen und psychotherapeutischen Krankheits- und Behandlungskonzepten sowie den Individuen in ihren Einflüssen
auf die Medikalisierungs- sowie die Pathologisierungstendenzen herausgearbeitet und diskutiert. Es wird die Bedeutung aufgezeigt, die die
zunehmende gesellschaftliche Offenheit für psychische Phänomene und der Einfluss der Massenmedien bei diesen Prozessen einnehmen.
Auf der individuellen Ebene werden charakteristische Merkmale herausgearbeitet, die Einfluss
auf die Bereitschaft von Individuen haben, sich
selbst als „krank“ und sozial defizient zu erleben. Die Pathologisierungs- und Chronifizierungsprozesse werden dann am Beispiel der
„Langzeitarbeitslosigkeit“ und ihren psychosozialen Folgen auf der Basis einer systematischen
quantitativen und qualitativen Untersuchung
von sozialrechtlichen psychosomatischen Gutachten zur Frage der Verminderung der Erwerbsfähigkeit exemplifiziert.
Methodik: 100 psychosomatische sozialrechtliche Gutachten der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutsiche Medizin wurden
nach quantitativen und qualitativen Gesichts-
Downloaded from www.pdp-online.info on 2017-08-21 | IP: 88.99.70.242
For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.
A9
Abstracts
punkten ausgewertet. Der Auswertung zugrunde
gelegt wurden die verschrifteten Gutachten sowie die testpsychologischen Befunde.
Ergebnisse: Es konnte gezeigt werden, dass
eine deutliche Diskrepanz zwischen den medizinischen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Vorbefunden und Vorbehandlungen sowie den gutachterlichen Bewertungen der psychischen Befindlichkeit und des beruflichen
Leistungsvermögen bestanden hat. Auf der Ebene der testpsychologischen Ergebnisse zeigten
die zu Begutachtenden im Vergleich zu einer parallelisierten Patientenstichprobe charakteristische Befunde, die als Hinweise für eine tendenziöse Testbearbeitung, motiviert durch die
soziale Lage der Arbeitslosigkeit und den Rentenwunsch – als sekundären Krankheitsgewinn –
gewertet werden können.
Auf der Basis dieser Studie werden die institutionellen sowie die individuellen Faktoren in
ihrem Zusammenspiel bei der Medikalisierung
diskutiert.
Abschließend wird der Fokus auf die Rolle
der Psychotherapie bei dieser Entwicklung diskutiert. Dabei wird die These aufgestellt, dass
sich auch in der Psychotherapie entsprechende
Pathologisierungs- und Chronifizierungstendenzen finden. Dies bedeutet, dass auch in der Psychotherapie „normales“ Erleben und Verhalten
in einem zunehmendem Ausmaß als kritisch
und behandlungsbedürftig angesehen wird.
17 (Psychodynamische) Psychotherapie im Zeitalter des Internets
U. Labatzki
Bonn
Psychotherapie (scheint) sich zunehmend aus
dem Therapiezimmer in den virtuellen Raum zu
bewegen. Studien belegen die Wirksamkeit der
neuen Kommunikations- und Behandlungsformen. Forscher und Krankenkassenvertreter feiern Kostenersparnisverheißungen und Reduzierung von Wartezeiten sowie die Niederschwelligkeit des Zugangs. Wobei es sich – und das ist
ja auch ein Trend in der Therapielandschaft –
überwiegend um manualisierte behavioral-kognitive Konzeptionen handelt. Viele Therapeuten
befürchten gar arbeitslos zu werden oder zumindest in Honorierung und Bedeutung beschnitten zu werden. Insbesondere die psychodynamischen Psychotherapeuten beklagen den
Verlust der personalen Begegnung (neudeutsch:
f2f = face to face) und die Bedeutung der therapeutischen Beziehung. Es werden die neueren
Entwicklungen von Beratungs- und Therapieformen im Internet vorgestellt und problematisiert.
Downloaded from www.pdp-online.info on 2017-08-21 | IP: 88.99.70.242
For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved.
Herunterladen