EXTRA: Fassaden gestalten 1 Versetzte Farbstreifen prägen das EDV-Gebäude der DAW SE in Ober-Ramstadt. Die auffällige Gestaltung des Farbdesign-Studios versinnbildlicht, dass hier viele Daten schnell fließen. Wie auf einer Datenautobahn umrunden die Farbsegmente den Baukörper. Für einen stimmigen Gesamteindruck Putz und Farbe sind typische Baumaterialien, die sowohl historische als auch moderne Fassaden prägen. Ob eingefärbt oder anschließend beschichtet, Putz und Farbe gehören zusammen – sie bilden gemeinsam ein Oberflächenbild. B edingt durch die vielfältigen Möglichkeiten von Putz- und Farbbeschichtungen lassen sich Oberflächen mit sehr unterschiedlicher Anmutung erzielen. Welche Wirkung erreicht werden soll, hängt von dem zu gestaltenden Objekt und den jeweiligen Rahmenbedingungen ab. Verschiedene Faktoren berücksichtigen Grundsätzlich steht vor jeder Fassadengestaltung die Auseinandersetzung mit der Architektur. Es gibt viele Faktoren zu berücksichtigen, zum Beispiel: • Wo steht das zu gestaltende Objekt, in ländlicher oder städtischer Umgebung, freistehend oder in eine Straßenzeile integriert? • Welche Farben prägen die Umgebung? Wie sehen Nachbargebäude aus und wie sind diese farblich gefasst? • Gibt es bereits feststehende Materialien, wie Klinkerflächen, Naturstein, Schindeln etc., die in das Farbkonzept zu integrieren sind? 28 • Wie ist der Stil des Gebäudes, wann wurde es erbaut? Sind historische Farbigkeiten einzubeziehen? • Wie und von wem wird das Gebäude genutzt? Handelt es sich um ein Wohnhaus oder Geschäftsgebäude? • Wie sind die Gebäudeproportionen? Wie verhalten sich Öffnungen zu Wandflächen? Es lohnt sich, vor Beginn der Sanierung eine Checkliste zu erstellen, die alle Bauelemente der Fassade auflistet, sowohl der bleibenden, wie auch der neu zu gestaltenden Bereiche. Ein stimmiges Gesamtergebnis lässt sich nur entwickeln, wenn alle »Farbträger« berücksichtigt werden. Wärmedämm-Verbundsysteme Ist eine energetische Sanierung mit einem WDVS-System geplant, kann dies unter Umständen die Fassade stark verändern, wenn beispielsweise Fugenschnitte oder Absätze in der Wandfläche entfallen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Dämmstärken und Putzstrukturen dem Gebäude ein neues ausbau + fassade 05.2016 Akzente setzen Antlitz zu verleihen. Wichtig ist, bei der anschließenden Farbbeschichtung auf den Hellbezugswert zu achten. Dieser darf nicht unter 20 liegen, es sei denn, es kommt ein Carbon-System zum Einsatz. Das besonders widerstandsfähige System in Bezug auf mechanische Belastungen verträgt auch dunklere Farbnuancen in der Schlussbeschichtung bis zu einem Wert von 5. Farbe und Material Bei der Farbwahl sind Kontraste entscheidend für einen stimmigen Gesamteindruck. Favorisierte Farbtöne sollten sich deutlich in Helligkeit, Sättigung und/oder Farbton unterscheiden. Kontraste fallen oftmals zu schwach aus und sind besonders bei Sonnenschein auf der Fassade nicht mehr wahrnehmbar. Das andere Extrem – der Einsatz sehr harter Kontraste – muss ebenfalls wohlüberlegt sein. Es kann das Gebäude eventuell separieren und das Erscheinungsbild nachhaltig stören. Es ist daher immer sinnvoll, größere Farb- und Materialmuster vor Ort an der Fassade in Kombination mit angrenzenden Oberflächen und Farbigkeiten zu betrachten. Häufig erscheinen die Muster auf großer Fläche anders und überraschen den Betrachter. Jetzt besteht zum Glück noch die Möglichkeit der farblichen Feinjustierung. Eventuell sind Helligkeit und Sättigung nur leicht zu verändern, manchmal stellt sich auch heraus, dass der Farbton an sich überdacht werden muss. Bei der Festlegung mehrerer Farbtöne ist auf jeden Fall zu beachten, dass nicht alle Flächen »bunt« gestaltet werden. Akzente sollten als solche erkannt werden. Auf kleiner Fläche darf eine Akzentfarbe kräftiger ausfallen, große Flächen sind ruhiger und weniger dominant zu gestalten. Kontraste sorgen für Spannung Bei Putzflächen wirken besonders stark gesättigte Farbtöne materialuntypisch und künstlich. Der Kontrast zu vorhandenen, natürlichen Baumaterialien fällt dann besonders krass aus. Denn nicht nur die Farbnuancen zueinander bilden Kontraste sondern auch die Oberflächen. Das macht die Sache komplex, denn Farbe und Material erscheinen als Einheit. Glatte, raue, glänzende und matte Materialien in unterschiedlichen Texturen und Farbigkeiten sorgen für spannende Kombinationen und Kontraste an der Fassade. Putze bieten besonders vielfältige Möglichkeiten der Oberflächengestaltung und lassen sich hervorragend einsetzen, um Fassadenelemente wie Sockelbereiche, Hauptwandflächen, Faschen, Treppenhäuser etc. zu differenzieren. Modefarben Modische Einflüsse gehen nicht spurlos an uns vorüber und beeinflussen unsere Farbentscheidungen. Rückblickend lässt sich sagen, dass in den 1990er-Jahren eine Vorliebe für helle Nuancen und geringe Kontraste vorherrschte und dass die Farbe Blau an der Fassade als trendig galt. Zu Beginn des Jahrtausends fand eine Hinwendung zu warmen Oxidtönen statt, die stark kontrastierend eingesetzt wurden. Zurzeit scheint die Farbe Grün der Trend-Akzent zu sein. Dunklere, verhüllte Farbnuancen werden wieder häufiger eingesetzt und die Putzoberflächen werden gröber. Deutlicher sichtbar im Stadtbild sind derzeit auch Beige-, Braun- und Grautöne. Funktion vor Trend Grundsätzlich sollten wir jedoch bei der Fassadengestaltung keine Farbnuancen einsetzen, bloß weil sie gerade »in Mode« sind. Ein Farbanstrich prägt ein Gebäude für eine längere Zeitspanne, hier ist es wichtiger eine Farbigkeit zu wählen, die auf die zu berücksichtigenden Faktoren eingeht. Bei Neubauten kann eine zeitaktuelle Farbgebung zum Einsatz kommen, wenn sie zum jeweiligen Gebäude und der Umgebung passt. Modefarben bei historischen Gebäuden wirken in der Regel deplaziert und sollten vermieden werden. Martina Lehmann, Caparol 2+3 Dass Farbe viel bewirken kann, zeigt die Farbkonzeption dieses Wohnkomplexes in Esslingen. Im Vergleich zur monotonen Vorher-Situation (l.) wurde hier die Architektur farblich neu interpretiert. Die Gebäude wirken wie verwandelt. www.ausbauundfassade.de Fotos: Caparol 29