Immunonkologie: neue Therapiestrategien für - GI

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Immunonkologie: neue Therapiestrategien für gastrointestinale
Karzinomen
Prof. Dr. Markus Möhler
Universitätsmedizin Mainz, I. Medizinische Klinik und Poliklinik
Der neue Therapieeinsatz von Immun-Checkpoint-Inhibitoren beim Melanom
und bei Lungentumoren gilt als bahnbrechende Therapieinnovation der letzten
Jahre.
Hierdurch
wurde
die
Renaissance
von
immunvermittelten
Behandlungskonzepte gegen Karzinome eingeleitet.
Nachdem Anfang der 1990er-Jahre im Melanom die ersten humanen, tumorassoziierten Antigene (TAA) entdeckt worden waren und der Einsatz von
autologen, tumorzell-spezifischen zytotoxischen CD8+ T-Lymphozyten möglich
wurde, zeigte sich jedoch schnell, dass die Aktivierung des Immunsystems über TAA
nicht ausreicht, um in vielen Patienten eine kräftige und beständige antitumorale
Immunantwort zu induzieren. Als Resistenzmechanismen wurden schnell „Immune
escape“-Mechanismen wie Antigenverlust, Hochregulation von regulatorischen TZellen (T-regs) oder Tumor-induzierte Schaffung einer protektiven Mikroenvironment
beschrieben. Dagegen konnte die verstärkte Ausreifung und Aktivierung von
Antigenpräsentierenden Zellen (APC) (wie z.B. Dendritische Zellen; DC) zur
verbesserten Immunantwort führen.
Die neuen Studienergebnisse mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren wie Anti-CTLA-4Antikörpern Ipilimumab und Tremelimumab sowie Anti-PD-1 bzw. PD-L1Antikörpern belegen vor allem die Intensivierung der lokalen Immunantwort.
Während die hemmenden Antikörper für CTLA-4 offensichtlich im lymphatischem
Gewebe die bessere Aktivierung von T-Zellen über APC vermitteln, hemmen die
PD-1-Antikörper assoziierte Signalwege im Tumor-Mikroenvironment zur besseren
Wirkung von Effektor-T-Zellen und blockieren die Tumor-vermittelte Immunblockade.
Neben
den
PD-1
gerichteten
Checkpoint-Inhibitoren
Nivolumab
und
Pembrolizumab (beide bereits in den USA zugelassen) werden neue, gegen PD-1
oder PD-L1 gerichtete Antikörper (z.B. MPDL3280A, Avelumab, MEDI-4736, AMP224, etc.) allein oder in Kombination bei vielen, auch gastrointestinalen Tumorarten
entwickelt. Gerade beim fortgeschrittenen Magenkarzinom zeigen diese Antikörper
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in Phase I Studien erste positive Ergebnisse und werden in Kürze in Phase III
Zulassungsstudien erprobt. Auch wenn immunhistochemische Biomarker, wie z.B.
der Nachweis von PD-L1 im Tumor selbst oder der direkten Tumorumgebung als
„Companion Diagnostic“ weiter evaluiert und etabliert werden müssen, zeigen
erste Analysen im Melanom, dass PD-L1 negative Tumoren von der Kombination
zweier Checkpoint-Inhibitoren eher profitieren, um das tumor-immunsuppressive
Milieu besser zu überwinden.
Bisher fehlten jedoch gezielte und validierte molekulare Marker, um die
Immuntherapie zu personalisieren. Am Samstag, 30. Mai 2015 stellte nun Dr. Dung
Le aus Baltimore (ASCO 2015, LBA100) die bahnbrechenden Ergebnisse der
ersten Studie zur Korrelation einer Immuntherapie mit gezielten genetischen
Markern zur DNA-Mismatch-Reparatur (MMR Mangel) vor, die am gleichen Tag im
New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden. Der MMR Mangel ist eine
etablierte, aber meist seltene Form der genetischen Instabilität in vielen Krebsarten,
gekennzeichnet durch den Funktionsverlust der MMR, wie v.a. bei den hereditären
Kolonkarzinomen (HNPCC).
Diese Investigator-initiierte (IIT) Phase-2-Studie des Johns Hopkins Kimmel Cancer
Center (Arbeitsgruppe Vogelstein) analysierte Pembrolizumab in 48 auswertbaren,
stark vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem Dickdarmkrebs (CRC) und
anderen soliden Tumoren. In der MMR-defizienten (MMR-) CRC-Gruppe wurden
eine objektive Ansprechrate (ORR) von 62% (n = 8/13) und ein Krankheitskontrollrate
(DCR) von 92% erreicht, während in der MMR-funktionsfähigen (MMR+) CRCGruppe keine einzige ORR (n = 0/25) und die DCR nur bei 16% erreicht wurde. Zum
Zeitpunkt der Analyse wurden das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) und
Gesamtüberleben (OS) für MMR- CRC Patienten deutlich >9 Monate und statistisch
noch nicht erreicht, während die MMR+ CRC nur ein kurzes PFS von 2,3 Monaten
und OS von 7,6 Monate zeigten. Auch bei anderen MMR- Tumorpatienten war die
ORR 60% und die DCR 70%. Die Nebenwirkungen (>10%) waren im Einklang mit
zuvor berichteten Daten zur Sicherheit von Pembrolizumab mit Hautausschlag
(17%), Pankreatitis (15%), und Thyreoiditis / Hypothyreose (10%).
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Wie ist nun diese verstärkte immunantwort in diesen selten MMR- Tumoren zu
erklären ?
DNA-Mismatch-Reparatur (MMR) ist ein Prozess, genetische Fehler während der
DNA-Replikation im Organismus zu erkennen und zu reparieren. Üblicherweise
haben „durchschnittliche“ Tumoren haben nur wenige Mutationen; während jedoch
Tumoren mit DNA MMR-Mangel Tausende von Mutationen aufweisen, auch in
repetitiven DNA Regionen, die auch als Mikrosatelliten und daher als Mikrosatelliten
instabil (MSI) und als "MSI hoch“ bezeichnet werden. Diese DNA-MMR-defiziente
Tumoren produzieren offensichtlich durch fehlerhaft abgelesenen DNA-Leserahmen
viele immunologisch „auffällige“ Proteine, die als „nicht-selbst“ erkennbare Antigene
das Immunsystem restimulieren und gegen den Tumor triggern.
Damit bieten diese Checkpoint-Inhibitoren neue Therapiemöglichkeiten für die MMRdefizienten CRC Untergruppen. So finden sich DNA MMR-defiziente Tumoren in
~etwa 15-20 % in Stadium II, 10% im Stadium III und < 5 % im Stadium IV. Der
MMR-Mangel
findet
sich
vor
allem
bei
den
erblichen
HNPCC
Darmkrebserkrankungen (Lynch-Syndrom). Es ist daher schon jetzt sinnvoll,
Patienten mit diesen genetischen Subtypen für klinische Studien mit CheckpointInhibitoren zu sammeln und zu selektionieren, da Firmen in Kürze gezielt Phase III
Zulassungsstudien ausrichten werden.
Nicht alle Tumoren sind jedoch von Anfang für eine Immuntherapie angehbar. Wie
z.B. beim relativ resistente Pankreaskarzinom werden zur Verbesserung der
initiierenden Immunantwort und Steigerung der Ansprechraten weitere innovative
Kombinationen der Checkpoint-Modulation notwendig sein, um entweder mit
gezielten Vakzinen oder auch unspezifischen zytotoxischen oder radioonkologischen
Therapien (Chemotherapie, Bestrahlung, TACE, SIRT, onkolytischen Viren etc.)
vermehrt neue TAA in Tumorzelllysaten freizusetzen, um so das Immunsystem
umzuorientieren und zu verstärken. Parallel werden Erhaltungsstrategien mit
klassischer Chemotherapie (wie z.B. TLR9-Agonsiten, IMPALA-Studie beim CRC)
eingesetzt. Zur Optimierung der immunvermittelten Tumorkontrolle sind ferner
alternative Kombinationspartner wie Antikörper-modulierende, co-inhibitorische bzw.
co-stimulatorische Agonisten z.B. aus der TNF-Rezeptor-Familie von Interesse, die
sich allerdings noch in der frühen klinischen Entwicklung befinden (z.B. OX40,
CD137, CD27).
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Die Analysen dieser verschiedenen immunologischen Therapieansätze bedürfen
zahlreicher weitergehenden, prospektiven klinischer Studien, v.a. auch im Rahmen
von Investigator-iniitierten Studien z.B. in nationalen oder internationalen Netzwerken
wie der AIO oder EORTC.
Literatur bei Verfasser 4
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